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1 Quantenchemie farbiger Stoffe mit Heisenberg und Einstein Günter Baars 1. Zusammenfassung Das 20. Jahrhundert begann mit einem naturwissenschaftlichen Paukenschlag: Max Planck gab am 14.12.1900 bekannt, dass Stoffe Licht nur mit einer bestimmten Energie aussenden können. Weitere bedeutende Forscher ebneten den Weg zur Entwicklung der Quantentheorie: P. von Lenard, A. Einstein, N.H. Bohr, A. Sommerfeld, L.V. de Broglie, C. Davisson, L. Germer, W. Heisenberg, E. Schrödinger, W. Pauli, M. Born, P.A.M. Dirac, R. Feynman ... Der vorliegende Aufsatz zeigt eine mehrfach praxiserprobte Möglichkeit zur Erarbeitung dieser „Sternstunden“ mit Gymnasiasten. 2. Sternstunden auf dem Weg zur Quantentheorie Mitte des 19. Jh. beschäftigte sich G. Kirchhoff (1824-1887) mit den Eigenschaften der Wärmestrahlung, die von erhitzten Metallen ausgesendet wird. Der Forscher erkannte, dass diese Strahlung aus verschiedenen Frequenzen bzw. Farben zusammengesetzt und unabhängig von den Materialeigenschaften ist. Mithilfe eines erhitzten metallischen Hohlkörpers, aus dem die „schwarze Strahlung“ durch eine Öffnung austreten konnte, liessen sich Farbe und Temperatur des Körpers sehr genau bestimmen. Es gelang jedoch nicht, eine Formel zu finden, mit der das Emissionsvermögen des schwarzen Körpers vorausgesagt werden konnte. Es war Max Planck, dem die Lösung nach jahrelanger Arbeit im Jahr 1900 gelang (Plancksches Strahlungsgesetz; dafür Nobelpreis 1919). Damit begann der Siegeszug der Quantentheorie, die nicht nur im Theoretischen stehen blieb, sondern auch nach und nach den Alltag der Menschen eroberte. Die Faszination der Materie, die überragenden Leistungen der Forscher, wie auch der Alltagsbezug (Elektronen- und Rastertunnelmikroskopie, Quantenpharmakologie, Laser, Farbigkeit von Stoffen usf.) sind Gründe genug, dieses begeisternde Stück Naturwissenschaftsgeschichte zum Thema des gymnasialen Unterrichts zu machen. Hierbei gilt es, eine geschickte Auswahl zu treffen, die wichtigsten Meilensteine anschaulich darzustellen und den Bogen zur Erlebniswelt der Schüler zu schlagen. Im Folgenden sollen zunächst diese Meilensteine, die mit einer Fülle von Nobelpreisen ausgezeichnet wurden, knapp dargestellt werden, bevor ab Abschnitt 3 der Bogen zum konkreten Unterricht geschlagen wird. Max Planck (1858-1947) Max Planck war unsicher, welches Fach er studieren sollte. Der vielseitig Begabte dachte an Musik, Altphilologie oder Physik. Vom Musikstudium wurde ihm abgeraten („wenn Sie schon fragen, studieren Sie etwas anderes“) und ebenso von der Physik. Professor Philipp Jolly in München: „In der Physik ist im Wesentlichen schon alles erforscht, und es gibt nur noch einige unbedeutende Lücken auszufüllen“ (Hermann, 2000). Zum Glück für die Naturwissenschaften hat sich Max Planck trotzdem für das Studium der Physik entschieden. Nach jahrelanger Arbeit gelang es ihm, wie bereits erwähnt, das Problem der „schwarzen Strahlung“ zu lösen. Damit die Ergebnisse seiner Formel mit den experimentellen Daten übereinstimmten, musste er die Hilfsgrösse h einführen, die sich als dritte Naturkonstante neben der Lichtgeschwindigkeit und der Gravitationskonstanten erwies. Für Planck war es damals klar, dass das Licht von den Atomen des Körpers ausgesendet wird, obwohl der atomare Aufbau der Materie damals noch umstritten war. Überraschend und unverständlich war jedoch, dass das Licht von den Atomen nicht kontinuierlich, sondern als konkrete Einheiten ausgesendet wurde. Für die Atome mussten demnach diskrete Zustände existieren, die durch „Quantensprünge“ getrennt sind. Albert Einstein (1879-1955) Einstein gelangte aufgrund des Fotoeffekts 1905 zur Erkenntnis, dass es neben den Lichtwellen auch noch Lichtteilchen gibt: Welle/Teilchen-Dualismus für das Licht. (Die Energie, die von Licht

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QuantenchemiefarbigerStoffemitHeisenbergundEinsteinGünterBaars

1. ZusammenfassungDas20.JahrhundertbegannmiteinemnaturwissenschaftlichenPaukenschlag:MaxPlanckgabam14.12.1900bekannt,dassStoffeLichtnurmiteinerbestimmtenEnergieaussendenkönnen.WeiterebedeutendeForscherebnetendenWegzurEntwicklungderQuantentheorie:P.vonLenard,A.Einstein,N.H.Bohr,A.Sommerfeld,L.V.deBroglie,C.Davisson,L.Germer,W.Heisenberg,E.Schrödinger,W.Pauli,M.Born,P.A.M.Dirac,R.Feynman...DervorliegendeAufsatzzeigteinemehrfachpraxiserprobteMöglichkeitzurErarbeitungdieser„Sternstunden“mitGymnasiasten.2.SternstundenaufdemWegzurQuantentheorieMittedes19.Jh.beschäftigtesichG.Kirchhoff(1824-1887)mitdenEigenschaftenderWärmestrahlung,dievonerhitztenMetallenausgesendetwird.DerForschererkannte,dassdieseStrahlungausverschiedenenFrequenzenbzw.FarbenzusammengesetztundunabhängigvondenMaterialeigenschaftenist.MithilfeeineserhitztenmetallischenHohlkörpers,ausdemdie„schwarzeStrahlung“durcheineÖffnungaustretenkonnte,liessensichFarbeundTemperaturdesKörperssehrgenaubestimmen.Esgelangjedochnicht,eineFormelzufinden,mitderdasEmissionsvermögendesschwarzenKörpersvorausgesagtwerdenkonnte.EswarMaxPlanck,demdieLösungnachjahrelangerArbeitimJahr1900gelang(PlanckschesStrahlungsgesetz;dafürNobelpreis1919).

DamitbegannderSiegeszugderQuantentheorie,dienichtnurimTheoretischenstehenblieb,sondernauchnachundnachdenAlltagderMenscheneroberte.DieFaszinationderMaterie,dieüberragendenLeistungenderForscher,wieauchderAlltagsbezug(Elektronen-undRastertunnelmikroskopie,Quantenpharmakologie,Laser,FarbigkeitvonStoffenusf.)sindGründegenug,diesesbegeisterndeStückNaturwissenschaftsgeschichtezumThemadesgymnasialenUnterrichtszumachen.Hierbeigiltes,einegeschickteAuswahlzutreffen,diewichtigstenMeilensteineanschaulichdarzustellenunddenBogenzurErlebnisweltderSchülerzuschlagen.ImFolgendensollenzunächstdieseMeilensteine,diemiteinerFüllevonNobelpreisenausgezeichnetwurden,knappdargestelltwerden,bevorabAbschnitt3derBogenzumkonkretenUnterrichtgeschlagenwird.MaxPlanck(1858-1947)MaxPlanckwarunsicher,welchesFacherstudierensollte.DervielseitigBegabtedachteanMusik,AltphilologieoderPhysik.VomMusikstudiumwurdeihmabgeraten(„wennSieschonfragen,studierenSieetwasanderes“)undebensovonderPhysik.ProfessorPhilippJollyinMünchen:„InderPhysikistimWesentlichenschonalleserforscht,undesgibtnurnocheinigeunbedeutendeLückenauszufüllen“(Hermann,2000).ZumGlückfürdieNaturwissenschaftenhatsichMaxPlancktrotzdemfürdasStudiumderPhysikentschieden.NachjahrelangerArbeitgelangesihm,wiebereitserwähnt,dasProblemder„schwarzenStrahlung“zulösen.DamitdieErgebnisseseinerFormelmitdenexperimentellenDatenübereinstimmten,mussteerdieHilfsgrösseheinführen,diesichalsdritteNaturkonstantenebenderLichtgeschwindigkeitundderGravitationskonstantenerwies.FürPlanckwaresdamalsklar,dassdasLichtvondenAtomendesKörpersausgesendetwird,obwohlderatomareAufbauderMateriedamalsnochumstrittenwar.Überraschendundunverständlichwarjedoch,dassdasLichtvondenAtomennichtkontinuierlich,sondernalskonkreteEinheitenausgesendetwurde.FürdieAtomemusstendemnachdiskreteZuständeexistieren,diedurch„Quantensprünge“getrenntsind.AlbertEinstein(1879-1955)EinsteingelangteaufgrunddesFotoeffekts1905zurErkenntnis,dassesnebendenLichtwellenauchnochLichtteilchengibt:Welle/Teilchen-DualismusfürdasLicht.(DieEnergie,dievonLicht

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aufElektronenübertragenwird,hängtnichtvonderIntensität,sondernvonderFrequenzdesLichtsab!).„NachderhierinsAugezufassendenAnnahmeistbeiAusbreitungeinesvoneinemPunkteausgehendenLichtstrahlesdieEnergienichtkontinuierlichaufgrösserundgrösserwerdendeRäumeverteilt,sondernesbestehtdieselbeauseinerendlichenZahlvoninRaumpunktenlokalisiertenEnergiequanten,welchesichbewegen,ohnesichzuteilenundnuralsGanzesabsorbiertunderzeugtwerdenkönnen“(Einstein,1905;dafürNobelpreis1921).LouisdeBroglie(1892-1987)DeBrogliebezogsichaufEinsteinsLichtquanten,alser1924inseinerDoktorarbeit„RecherchessurlathéoriedesQuantes“denWelle/Teilchen-DualismusaufMaterieteilchenübertrug:AlleshatseineWellenlänge(dafürNobelpreis1929);EinführungderMateriewellen.DochderexperimentelleBeweisfehltenoch.ClintonDavisson(1881-1958)undLesterGermer(1896-1971)BeideForscherlenkten1927einenElektronenstrahlaufeinenNickel-Einkristall.MithilfedesdadurcherzeugtenBeugungsmusterskonntensiedenElektroneneineWellenlängezuordnen,dieexaktmitdemtheoretischenWertvondeBroglieübereinstimmte(NobelpreisfürDavisson1937).WernerHeisenberg(1902-1976)Heisenberggelang1925einemathematischeBeschreibungderAtomemithilfederausSpektrenermitteltenSchwingungsfrequenzenundAmplituden(Intensität),diedenWelleneigenschaftenderElektronenentsprechen.DiefürdenForscherdamalsneueMathematik,dieerintuitiventwickelthatte,erwiessichalsdiebereitsbekannteMatrizenrechnung(Nobelpreis1932).ErwinSchrödinger(1887-1961)Schrödingerformulierte1926,ausgehendvomWelle/Teilchen-ModelldeBroglies,einegrundlegendeBewegungsgleichungfüratomareTeilchen(Schrödinger-Gleichung).Siebesitzt,imRahmengewisserRandbedingungen,nurLösungenfürbestimmteEigenwerte,diediemöglichenEnergiendesuntersuchtenSystems(z.B.desWasserstoff-Atoms)liefern(dafür1933Nobelpreis).Mitihrlässtsichu.a.dieAmplitudeψ(psi)vonMateriewellenberechnen.DiemathematischenFormulierungenvonHeisenbergundSchrödingerführenzudengleichenVorhersagenfürElektronensysteme,sindalsogleichwertig.MaxBorn(1882-1979)Borndeutetedie„mathematischenWellen“vondeBroglieundSchrödingerderart,dassdasQuadratderAmplitudeψ(Psi)derWellenfunktion,dieeinElektronbeschreibt,derWahrscheinlichkeitentspricht,dasElektronineinembestimmtenRaumbereich(VolumenelementdV)anzutreffen(Elektronendichte).DieseFestlegungtrafBorninAnlehnungandieelektromagnetischeStrahlung,beiderdieWahrscheinlichkeit,einPhotonineinemBeugungsbildanzutreffen,demQuadratderelektrischenFeldstärkeE(der„Amplitude“)direktproportionalist(Nobelpreis1954).3. QuantenchemiealsLehrstückindergymnasialenOberstufeEinedergrösstenErrungenschaftendes20.Jahrhundertistzweifellos,nebenderRelativitätstheorie,dieQuantenmechanik,dieu.a.zueinemvertieftenVerständnisinderWissenschaftChemieführte.Dieseneue,faszinierendeBetrachtungsweisederMateriekannundsollInhaltdesgymnasialenUnterrichtssein.WieaberlässtsichdieÜberfülleangenialenEntdeckungen(„Sternstunden“),wiesieobenanhandderBeiträgezahlreicherNobelpreisträgerbeschriebenwurden,mitdenSchülernerarbeiten?EineMöglichkeitdazubietetdieLehrkunstdidaktik,wiesievonMartinWagenscheinbegründetundvonChristophBergweiterentwickeltwurde:SternstundenderMenschheitimUnterricht,exemplarisch,genetisch(WegderErkenntnisgewinnung)unddramaturgisch.

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DashiervorgestellteLehrstückbedientsicheinerDramaturgie,wiesieu.a.invielenOpernzumTragenkommt.InderOuvertüretönenMotivenochunbekanntundunvertraut,aberimVerlaufederverschiedenenAkteklarer,kräftiger,bekannterundallmählichimmervertrauter,umimFinalenochmalsvorgeführtzuwerden.BeispielhaftistdiesesVorgehenim„Tannhäuser“vonRichardWagnerverwirklicht:

Abb.1:AusschnitteausderPartiturdesTannhäusers,linksOuvertüreundrechtsSchlussdes3.Akts(Heimkehr-ChorderälterenPilger);R.WagnerDasLehrstückzurQuantenchemie,dasdiebeschriebenenSternstundenderMenschheitexemplarischzumThemaaufzeigtunddabeidenWegderErkenntnisgewinnunggeht(genetisch),wurdemehrereMaleanverschiedenenGymnasieninszeniert.EsbietetdenSchülernGelegenheit,denaufregendenWegvonderFragenachElektronenbahnenüberdieGrundaussagenderQuantenchemiebiszurModellvorstellunginBezugaufdasWesenderFarbigkeitvonStoffenzuverfolgen.DasLehrstückistbereitsinBuchformimhep-Verlag(Bern)erschienen(Baars,2011a).Gliederung Umfang InhaltOuvertüre 4Stunden ExistierenElektronenbahnen?

DiskussionHeisenberg/Einstein;derTausendblumenteppichundseineFarben;PhenylpolyenaleundihreFarbsalze

I.Akt 4Stunden Wasschwingtdennda?Transversal-undLongitudinalwellen;fortschreitendeharmonischeWellen;konstruktiveunddestruktiveInterferenz;stehendeWellen;schwingungsfähigeSysteme

II.Akt 5Stunden Licht:WelleoderTeilchen?Beugung;FotoelektrischerEffekt;Photon;HeisenbergundEinstein

III.Akt 3Stunden Elektronen:WelleoderTeilchen?Kathodenstrahlrohr;Linienspektren;Elektronenbeugung;ElektronenmitdiskretenEnergiezuständeninAtomen;PhenylpolyenaleundihreFarbsalze

IV.Akt 3Stunden DereindimensionaleKasten;dasElektronengas-Modell DasElektronimeindimensionalenKasten;farbigeStoffeundeindimensionalerKasten;BerechnungderAnregungsenergie

V.Akt 6Stunden DasElektronengas-ModellaufdemPrüfstandFunktionsweiseeinesSpektralfotometers;MaximaleAbsorptionvonCyaninen,PhenylpolyenalenundihrenFarbsalzen(experimentell);CyanineunddasElektronengas-Modell;PolyeneunddasElektronengas-Modell;derKorrekturfaktorVkorr;Phenylpolyenale,ihreFarbsalzeunddasElektronengas-Modell

Finale 1.5Stunden PhenylpolyenaleundihreFarbsalze;derTausendblumenteppichundseineFarben;DiskussionHeisenberg/Einstein

Tab.1:GliederungdesLehrstücks„QuantenchemiefarbigerStoffemitHeisenbergundEinstein“

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4. KurzbeschreibungdereinzelnenAkteOuvertüre(4Stunden)AusgangspunktisteinAusschnittausderAutobiografieHeisenbergs(1969).DarinberichteterüberseinRingenumdasVerständnisderSpektrallinienhocherhitzterElementesowieübereineDiskussionmitEinsteinüberdieFragenachderExistenzvonElektronenbahnenindenAtomen.DieSchülerwerdendabeimitzahlreichenneuenBegriffenkonfrontiertwieLinienspektren,Frequenz,Amplituden,elektrischesFeld,dienichtabschliessendverstandenwerdenkönnen.ParalleldazudientderTausendblumenteppichausderBurgunderbeutederEidgenossenschaft(SchlachtbeiMurten,1476;HistorischesMuseumBern)alsStudienobjektzumPhänomenFarben.DieseunterscheidensichaufderRück-bzw.VorderseitedesTeppichsdeutlich,ohnedasssichdafüreineBegründungfindenlässt.SchliesslichwerdenPhenylpolyenaleundihreFarbsalzemiteinfachenReaktionenvorgestellt.OffeneFragen:WelcherZusammenhangbestehtzwischenElektronenbahnenundLicht,Frequenz,Intensität(Helligkeit,Amplitude)sowieFarben?WeshalbverblassenFarbenamSonnenlicht?WarumverblasstdiegelbeFarbestärker(schneller)alsdieblaue?WeshalbhabenLewis-FormelnderMolekülefarbigerStoffevielekonjugierteDoppelbindungenundsehrvieleRingsysteme?WannsindStoffeüberhauptfarbigundwaspassiertaufmolekularerEbenederPhenylpolyenalebeiFarbveränderungen?

Abb.2:PhenylpolyenaleundihreFarbsalze(Foto:RogerDeuber)I.Akt:Wasschwingtdennda?(4Stunden)ExperimentellwerdendiewichtigstenPhänomeneundBegrifferundumdieWellenlehreerarbeitet.ZielistdieErkenntnis,dassschwingungsfähigeSystemenurganzbestimmteZustände,stehendeWellen,einnehmenkönnen.II.Akt:Licht,WelleoderTeilchen?(5Stunden)MithilfeeinerKerzeunddemSpaltzwischenzweiFingernstudierenwirdasdabeizubeobachtendeBeugungsbild.PerfektioniertmiteinemLaserstrahlundeinerLochblendeerweistsichdasBeugungsbildalsdasErgebniskonstruktiverunddestruktiverInterferenzvonLichtwellen.EinBeugungsmusterlässtsichnurmiteinemWellenmodellerklären.DerFotoelektrischeEffekt,demonstriertaneinemZinkblechundeinemElektroskop,führtzumTeilchenmodelldesLichts(Einstein;Nobelpreis).DasQuadratderAmplitudesagtnichtnuretwasüberdieHelligkeit(Intensität)vonLichtaus,sondernauchüberdieWahrscheinlichkeit,einPhotonineinembestimmtenRaumpunktanzutreffen.III.Akt:Elektronen,WelleoderTeilchen?(3Stunden)DasKathodenstrahlrohrliefertdieMasseunddieLadungeinesElektrons.DieZerlegungdesLichtsvonangeregtemWasserstoff,Heliumbzw.QuecksilbermithilfeeinesPrismasführtjedochzurErkenntnis,dassElektroneninAtomennurganzbestimmteEnergiezuständeeinnehmenkönnen.EinAtomverhältsichwieeinschwingungsfähigesSystem,indemdieElektronenWelleneigenschaftenaufweisen.MitdemQuadratderWellenfunktionen(Materiewelle)erhältmandieWahrscheinlichkeit,einElektronineinembestimmtenRaumbereichanzutreffen(Max

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Born).PrinzipiellhatjedesTeilchenauchWelleneigenschaften,wiedeBroglieinseinerDoktorarbeitmitderberühmtenFormel𝜆 = !

!∙!postulierthatteundwieesvonDavissonund

Germerexperimentellnachgewiesenwurde.IV.Akt:DereindimensionaleKasten;dasElektronengasmodell(3Stunden)AusgehendvondenLewis-FormelnderPhenylpolyenaleunddenWelleneigenschaftenderElektronenlässtsichdieFragebeantworten,wannStoffefarbigsind.LiegtdieAnregungsenergievonElektronen,𝜋-Elektronen,imBereichdessichtbarenLichts,sokommteszurAbsorptioneinerbestimmtenWellenlänge(Farbe).Das„Restlicht“wirdreflektiertunderzeugtimmenschlichenHirndenFarbeindruck,derderKomplementärfarbederabsorbiertenFarbeentspricht.MithilfeeinfacherÜberlegungenundgeringemmathematischemAufwandwirddasModelldeseindimensionalenKastens(Elektronengas-Modell)erarbeitet,mitdemVoraussagenüberdieAbsorptionsenergie,unddamitüberdieFarbeeinesStoffsmöglichsind.V.Akt:DasElektronengas-ModellaufdemPrüfstand(6Stunden)FürdieCyanine,PolyeneundPhenylpolyenalewerdendieAnregungsenergienberechnetundmitdentabellierten(Cyanine,Polyene)bzw.denimKlassenverbandgemessenenWerten(Phenylpolyenale)verglichen.DamiterhältmanAntwortenaufdieFrage,wieMolekülebeschaffenseinmüssen,damitdieentsprechendenStoffefarbigsind:GrössedesSystemskonjugierterDoppelbindungensowiedieArtderEndgruppenindenMolekülen.Finale(1.5Stunden)SpiegelbildlichzurOuvertürebeginntdasFinalemitdemFarbenreichtumderPhenylpolyenaleundleitetdannüberzumTausendblumenteppichunddendaraufzubeobachtendenFarbveränderungen.SchliesslichlesendieSchülernochmalseinigeAusschnitteausdemDisputHeisenberg/Einstein,nunabermitdemVerständnis,dasimVerlaufedieserUnterrichtseinheiterarbeitetwurdeundmitderursprünglichundinzwischenbestätigtenBehauptungvondeBroglie,dass„allesseineWellenlänge“hat.5. BlitzlichterausdemUnterrichteinerPrima(12.Jahrgangsstufe)desGymnasiumsBernNeufeld

5.1OuvertüreWirlesendenTextvonHeisenberg.ManuelunterbrichtdasTextstudiummitderBemerkung,dassersicherinnere,schonetwasüberdas„Wasserstoffspektrum“gelesenzuhaben,dasPhänomenhingegenkenneernicht.Ich

entschliessemichspontan,eindazupassendesExperimentvorzuführen.DazuholeichdasnötigeMaterialausderChemiesammlung,schliessedieverschiedenenKomponentenzusammenundverdunkledasUnterrichtszimmer.IneinerGlasröhre(Wasserstoffröhre)befindensichelementarerWasserstoffsowiezweiElektroden.NachdemAnlegeneinerSpannungfängtderWasserstoffinderRöhrezuleuchtenan.NikolauserinnertdasPhänomenaneineLeuchtstoffröhre,wobeiergleichhinzufügt,dassElektronenBahnenwechselnunddabeiLichtabgeben.Simonergänzt,dassElektronenindenElektronenschalenumherwandern,undzwarvoneinemenergiereichenzueinemenergieärmerenZustand.NunbetrachtendieSchülerinnenundSchülerbeiabgedunkeltemKlassenzimmerdasLichtmithilfeeinesHandspektrometers,dasein

Glasprismaenthält.

Abb.3:Wasserstoffröhre.

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„Ichsehenureinigewenige,klarbegrenzteFarblinien“,höreichvoneinerSchülerin;„dasLichtwirdgespalten“fügtMelaniehinzu.„Komisch“,meinenNikolausundKilian,„dasLichtdesWasserstoffsistdochannäherndweissundmüsstedemnachalleFarbendesRegenbogensenthalten“.AuchSimonfindet,dassjedesLichteineMischungallermöglichenFarbenist.Erverbessertsichjedochsofort„nein,nichtallerFarben“.OhnenähereErklärungenabzugeben,weiseichdaraufhin,dassLichtvonheissenGasenoderMetalldämpfennichtalleFarbendesRegenbogensenthält.DieseStoffe

(Elemente)zeigeneinjeweilscharakteristischesSpektrummitganzbestimmtenFarblinien.MithilfederartigerLinienspektrenlassensichz.B.dieElementeeinesSternsbestimmen.

Abb.5:LinienspektrumdesWasserstofflichtsDerBerichtvonHeisenbergerwähntdie„IntensitätderLinienimWasserstoffspektrum“,fürdiederForscherdie„richtigenFormeln“findenwollte;diesmisslangihmjedoch:„IchgerietineinundurchdringlichesDickichtvonkompliziertenmathematischenFormeln,ausdemichkeinenAuswegfand.AberbeidiesemVersuchbefestigtesichinmirdieVorstellung,dassmangarnichtnachBahnenderElektronenimAtomfragendürfe,sonderndassdieGesamtheitderSchwingungsfrequenzenundderdieIntensitätderLinienbestimmendenGrössen(dersogenannten

Amplituden)alseinvollwertigerErsatzderBahnengeltenkönnte.JedenfallskonntemandieseGrössenjadirektbeobachten.“Nachdemwirgeklärthaben,dassdieIntensitätvonLicht,vereinfachtausgedrückt,derHelligkeitentspricht,wendenwirunsderFragezu,wiedieElektronenvoneinemEnergiezustandzumnächstengelangen.HeisenbergscheintjadieExistenzvonBahnenabzulehnen!ZuerstmüssenwirunsjedochnochübereinigeBegriffeklarwerden.DieFrequenzist,wieLuismeint,der„AbstandzwischenHoch-undTiefpunkt“.Kiliansprichtvom„AbstandzwischenzweiWellenkämmen“.DésiréeklärtdieFragemitderrichtigenAntwort:„DieFrequenzgibtdieAnzahlSchwingungenproZeiteinheitan.“Simonergänzt,dassessichbeidenAmplitudenumdiemaximaleAuslenkungvonWellenhandeltunddassdieBegriffeFrequenz,AmplitudeundIntensität(Helligkeit)anscheinendzusammengehören.[...]

EinanderWanddesSammlungsraumshängendesPlakat,dasanlässlicheinerAusstellungüberdieBurgunderbeutedesHistorischenMuseumsinBernimJahr1994geschaffenwurde,istderAusgangspunktunserernächstenBetrachtungen.

WirstudierennunmithilfevonzweiDiaprojektoren

verschiedeneAusschnittedesTeppichsundzwarvonderVorder-wieauchvonderRückseite:

Abb.4:AnalysedesWasserstofflichtsmiteinemHandspektrometer.

Abb.6:PlakatzurAusstellung„Burgunderbeute“imHistorischenMuseumBern(1994).

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Abb.7:Tausendblumenteppich;HistorischesMuseumBern;linksRückseite,rechtsVorderseite.[...]NunbetrachtenwirdieGrüntönederPflanzenaufderVorder-undRückseitedesTeppichs.Miro:„Siesindpraktischgleich.“Nikolaus:„DasWeissleuchtetnichtmehrsoaufderRückseite.“DasGelächterderKlasseweistNikolausdaraufhin,dasswireigentlichbeiderBetrachtungdergrünenTönesind!Anna:„DieGrüntönesindaufbeidenSeitenähnlich,dasGelbistblasser.“Pascal:„DasGrünistaufderVorderseiteblasser.“Jan:„AufderVorderseiteistdasGrünetwasblauer.“WirbetrachtendieAbbildungennochmalsgenauerundstellentatsächlichfest,dassdiegrünenTöneaufderTeppichvorderseiteeinenstarkenBlaustichhaben.EinigeSchülerinnenundSchülerwissen,dassmanbeimGrünfärbendieWollfaserzuerstgelbeinfärbtundanschliessendblauüberfärbt.DieeherblaueFarbeaufderVorderseitedesTeppichsdeutetalsodaraufhin,dassdiegelbeKomponentestärkerunterderSonneneinstrahlunggelittenhatalsdasBlau.DieseAussagebestätigtsichbeimBetrachtendergelbenFarbeaufderVorder-undRückseitedesTeppichs,dieaufderVorderseitesehrstarkverblasstist.UmnundenBogenvomPhänomenzurChemiezuschlagen,schreibeichdieLewis-FormelnderfärbendenInhaltsstoffederfürdenTeppichverwendetenNaturfarbstoffeandieTafel[...].5.2II.Akt[...]DerFotoelektrischeEffektwurdemithilfeeinesElektroskopsqualitativdemonstriert.Wirversuchen,dasPhänomenmithilfedesWellenmodellsvonLichtzuverstehen.Luiserklärtspontan:„LichtkannkeineWellesein,obwohlwirdiesbeiderBeugungserscheinunggesehenhaben.“MeineErgänzung:„BeidiesemExperiment,demFotoelektrischenEffekt,scheintdasWellenmodellzurErklärungderBeobachtungennichtzugenügen.“Lea:„VielleichtistdieFrequenzzutief.VielleichthabendieElektronenEnergieverloren,bisdienächsteAnregungvonderelektromagnetischenWellekommt.“VerschiedeneStimmenbemerkenzuderzuletztgemachtenAussagevonLea,dassLichtdochimmerdaseiundkeinePausenmache.Cristina:„VielleichtistLichtverschiedenzusammengesetzt;eventuellhatesnebenderWellen-aucheineandereNatur.“LuiswirftunsdasStichworthin:„Teilchen.“IchgreifedenBallauf:„WiemussmansichdasLoslösenderElektronenvorstellen,wenndasLichtauseinemTeilchenstrahlbesteht?“Jan:„DerAufprallderLichtteilchenführtzurAblösungderElektronenimMetall.WenndieLichtteilchenzuschwachsind,dannkommteszukeinemFotoelektronenstrom.“IchvergleichedieSituationmitTennisbällen,dieaufdieWanddesSchulzimmersprallen.DieseführenzukeinerVeränderungamMauerwerk.NimmtmanhingegenStahlkugelnmiteinerhohenGeschwindigkeit(z.B.durcheineSchleudererzeugt),sowirddieWandinkürzesterZeitzerbröseln.DasLichtmussalsobeiunseremExperimentalseinTeilchenstrahlbetrachtetwerden,derjenachFrequenzdesLichtsausLichtteilchenunterschiedlicherEnergiebesteht.HabendieLichtteilchen,diealsPhotonenbezeichnetwerden,eineminimaleEnergie,sokönnensieElektronendesMetallsfreisetzen.Andernfalls,wenndieEnergieunterdiesemMinimumliegt,lassensichkeineElektronenlösen.CristinahatdenentscheidendenPunkterkannt:„DieEnergiehängtvonderFrequenzdesLichtsab.“LuiserscheintdieseAussagesehrgewagtundergibtzubedenken,dassnachdieserAussagedasWellenmodell(Frequenz)mitdemTeilchenmodell(EnergievonPhotonen)vermischtwird[...].

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5.3III.AktDasWasserstoffspektrumLuis:„WoElektronenaufdieWasserstoff-Atomeauftreffen,leuchtetesauf.“LeaistnichtdieserAnsicht.Cristinaglaubt,dierichtigeAntwortgefundenzuhaben:„DurchdieElektronen,dievonderKathodezurAnodefliegen,erhaltendieWasserstoff-AtomemehrEnergieundleuchten.“IchmachedieKlassedaraufaufmerksam,dasswirdemWesendesLichtsaufderSpursindundstelleganzallgemeindieFrage,wiedennLichtüberhauptzustandekommt.Désirée:„ElektronenimAtomkern.“MeinzweifelnderBlicklässtsieunsicherwerdenundsieverbessertsich:„DurchdieElektroneninderAtomhülle.“Nikolaus:„Jenachdem,wiehochdieElektroneninderHülleangeregtwerden,kommteszuverschiedenemLicht,daesjaverschiedeneElektronenschalengibt.DieangeregtenElektronenfallenherunter,wobeiEnergiefreiwird.“Stefanie:„DieEnergiewirdinFormvonLichtfrei.“Luis:„DieEnergie,diefreiwird,verwandeltsichinLichtteilchen.“MeinelautgeäusserteÜberlegung,wieichherausfindenkann,welcheEnergienfreiwerden,beantwortetKilian:„WirkönnendasWasserstofflichtmiteinemPrismazerlegen,sowiewirdasmitdemLampenlichtgemachthaben.“DieSchülerinnenundSchülerbetrachtennundenleuchtendenWasserstoffmiteinemHandspektrometer.

Abb.8:UntersuchungdesWasserstoffspektrums.Luis:„MansiehtnureinzelneFarblinien,nämlichViolett,BlauundRot.“Cristina:„IchseheauchnocheinegelbeLinie.“NacheinigerZeithabenalledierichtigeReihenfolgederfarbigenLiniengesehen,wobeisichCristinaanscheinendgetäuschthat:Rot,Grünblau,Blau,Violett

Abb.9:LinienspektrumdesWasserstofflichtsIchbittemeineSchüler,dieLeuchtstoffröhrendesUnterrichtszimmers,dieicheingesschaltethabe,ebenfallsmitdemHandspektrometerzubetrachten.Luis:„IchsehedasgesamteSpektrum,wobeijedocheinzelneFarblinienhervorstechen:Rot,Grün,Violett.“Cristina:„IchsehenebendemgesamtenSpektrumdieLinienBlau,Grün,Orange.“AuchhiergehteseinigeZeit,biswiralleLinienbeisammenhaben:Rot,Gelb,Grün,Blau,Violett,Violett

Abb.10:LinienspektrumdesQuecksilberlichts

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WirerörternjetztdieUnterschiedederSpektren,diewirvoneinerLampe,demWasserstoffgasundderLeuchtstoffröhreanalysierthaben.InderLeuchtstoffröhrebefindetsichQuecksilbergas.Baldeinmalhabenwirerkannt,dassmankontinuierlicheSpektren(Lampenlicht,Sonnenlicht,LichtderSubstanzamLeuchtröhrenglas)vonLinienspektren(Wasserstoff,Quecksilber)unterscheidenmuss.Janerklärtuns,dassjedesElementeineigenes,charakteristischesLinienspektrumerzeugt,wenndieAtomeangeregtwerden.„JedesElementhatinseinenAtomeneineunterschiedlichbesetzteAnzahlvonElektronenschalen.DamitsinddieElektronenjedesMalvomKernandersgebunden.“AufmeineBemerkunghin,dassesanscheinendkeinProblemmitderVorstellunggibt,ElektronenaufverschiedeneSchalenzubefördern,antwortetBenjamin,dasswirdieElektronenalsTeilchenansprechen,diesomitauchverschiedeneAbständevomAtomkerneinnehmenkönnen.Ichgebezubedenken,dasseinKörperjedenbeliebigenAbstandvonderErdoberfläche(vomErdmittelpunkt)habenkann.EinElektronsolltesichdamitebenfallsinjedembeliebigenAbstandvomAtomkernaufhaltenkönnen.DasausgestrahlteLichtderElementemüsstefolglichinjedemFalleinkontinuierlichesSpektrumliefern.Luiswendetein:„DieElektronenhaltensichnuraufbestimmtenSchalenauf.“Ichbleibehartnäckigundwiederhole,dasseinElektron,daswiralsTeilchenbetrachten,jedenAbstandvomAtomkerneinnehmenkannunddamitallemöglichenEnergienvorkommenmüssten.AnnaunterbrichtdieaufmeineAusführungenhineingetreteneStille:„DieElektronenbewegensichinWellenbewegungenumdenAtomkern.“EsfolgtdiegleicheratloseStille[...].„WelcheSystemesindbekannt,dienurganzbestimmteZuständeeinnehmenkönnen?“Katya:„EineLuftsäuleineinemBlasinstrument.“Benjamin:„EinschwingungsfähigesSystem.“Ichfügehinzu,dassdiesauchfüralleStreichinstrumente,eineFederetc.gilt.AllmählicherinnernsichmeineSchülerandieinderOuvertürebereitsdiskutiertenPhänomeneunddieFolgerungen,diewirdarausgezogenhaben.WenndasLichtvonleuchtendenElementgasennurausganzbestimmten„Farblinien“besteht,dannkönnendieElektronennichtjedenbeliebigenEnergiezustandineinemAtomeinnehmen.„DieNaturwissenschaftlerkamenindererstenHälftedes20.Jh.zuderüberraschendenÜberzeugung,dassAtomealsschwingungsfähigeSystemezubetrachtensind,indenendieElektronen(modellmässig)dreidimensionalestehendeWellenumdenAtomkernbilden(Materiewellen)“,ergänzeich.Lichtkommtalsodadurchzustande,dassbeiAnregung(z.B.durchElektroneneinerStromquelle)dieElektronenderAtomeinhöhereEnergiezuständeübergehen.AnschließendfallensiejedochwiederindenGrundzustandzurückundgebenbeidiesemÜbergangjeweilseinPhotonimsichtbarenBereichab.JenachderabgegebenenEnergieerzeugendanndiesePhotonendurchunserSehorgandenEindruckvonRot,Blau,Violettetc.DiesichtbarenFarbeneinesLinienspektrumszeigenunsalsodieEnergiedifferenzenzwischendemGrundzustandundeinemangeregtenZustandderElektronen.5.4Finale

TausendblumenteppichWirwendenuns,wieinderOuvertüre,nochmalsdemPlakatmitdemTausendblumenteppichzu.DieWolledesTeppichswurdemitNaturfarbstoffenausderNaturgefärbt.DieSchülerwissennoch,dassdieMolekülederFarbstoffekonjugierteDoppelbindungenenthalten.DieChemikerhabensolcheMolekülenachgebautundkönnenheutedurchVariationderMoleküllängeundderEndgruppenpraktischjedenbeliebigenFarbtonherstellen.AlsBeispielhabenwirdiePhenylpolyenalekennengelerntundmitihnenkonntenwirdieAbhängigkeitderFarbigkeiteinesStoffsexperimentellherleiten.Miro:„DieroteFarbeistpraktischvollständigverschwunden.Ichglaube,diestammtvoneinerFlechte,dieanMeeresrändernwächst.“„Orseille“töntesausderKlasse.Adrianerzähltuns,dassdiegrüneFarbederRückseiteaufderVorderseiteeinen„Blaustich“hat.DiesesProblemscheintdieKlassegelöstzuhaben.VonderKomplementärfarbeistdieRedeunddavon,dassmaneinenGrüntonausNaturfarbendurchdaszweimaligeFärbenvonWolleerhält.ZuerstwerdendieFaserngelbgefärbtundanschließendblauüberfärbt.EinblauerFarbstoffabsorbiertgelb,eineWellenlängemitgeringerEnergie(λ:580-595nm),währendeingelberFarbstoffWellenlängen

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imBereichvon435-480nmaufnimmt.DieenergiereichereStrahlungzerstörtallmählichdieMoleküle(gelbeFarbe),sodassBlauvorherrscht.Jan:„DiesebeidenAbbildungen(Vorder-undRückseitedesTeppichs)bestätigendas,waswirvorhergesagthaben.DieroteFarbehingegenistauchaufderVorderseitenochvorhanden.Ichglaube,diesesRotstammtvoneinereuropäischenLausart.“Michael:„Auffälligistauchhier,dassdasGelbsehrstarkverblasstist.“Anna:„AnscheinendwerdenalleNaturfarbstoffeallmählichvonderSonnenstrahlungzerstört.DieZerstörunggehtjeschnellervorsich,jeenergiereicherdieelektromagnetischeStrahlungist,diezurAnregungeinesbestimmtenFarbstoffsgebrauchtwird.“[...]Heisenberg/Einstein„ExistierenElektronenbahnen?WiebeurteilenwirjetztdieDiskussionzwischenHeisenbergundEinstein?“MeineSchülerinnenundSchülerhabendenTextvorsich,denwirschoninderOuvertürestudierthaben.ZitatHeisenberg:„DieBahnenderElektronenimAtomkannmannichtbeobachten,aberausderStrahlung,dievoneinemAtombeieinemEntladungsvorgangausgesandtwird,kannmandochunmittelbaraufdieSchwingungsfrequenzunddiedazugehörigenAmplitudenimAtomschliessen.“Jan:„AngeregteElektronenineinemAtomgebenihreaufgenommeneEnergieinFormvonLichtab(„StrahlungbeimEntladungsvorgang“).DabeigehensievoneinemhöherenineinentieferenSchwingungszustandüber.DasabgegebeneLichtentsprichtderEnergiedifferenzzwischenbeidenZuständen.“Luis:„ElektronenhabenWelleneigenschaften.Deshalbistesmöglich,dieAmplitudenunddieFrequenzenzubestimmen.DazugibtesjadieWellenfunktionenunddieSchrödinger-Gleichung.“DaLuisleichtzögert,bekräftigeich,dassdieSchrödinger-GleichungalsWerkzeugdient,umdieverschiedenenEnergien(z.B.desWasserstoff-Atoms)mithilfederWellenfunktionenzuberechnen(vgl.Baars2011b).BeidenhöherenAtomensindmathematischeNäherungsverfahrennötig.Lea:„WennwirschondenElektronenWellencharakterzuschreiben,dieElektronenbeugunghatunsdiesjabestätigt,dannmüssenwirauchvonAmplitudenundFrequenzensprechen.“Nikolaus:„AmplitudenundFrequenzengehörenauchzumLicht.EsexistiertalsoeigentlichkeinGegensatzzwischenElektronenundLicht.BeibeidenhabenwirWellen-undTeilcheneigenschaften.“Mélanie:„FarbenhabennatürlichauchetwasmitAmplitudenundFrequenzenzutun.EssindjaelektromagnetischeStrahlen.“Michael:„IneinemBeugungsmusterhabenwirvonWahrscheinlichkeitengesprochen;damitgibtesdortauchkeineElektronenbahnenzwischenSpaltundBeugungsmuster.“Simon:„AlsokannmansolcheBahnenauchnichtfürElektroneninAtomenfinden.“Pascal:„DerWechselvoneinemEnergiezustandindenanderenzeigtsichdurchAufnahmeeinerbestimmtenEnergie,z.B.einerFarbeausdemsichtbarenLicht,oderdurchAbgabevonLichtmitebenfallsbestimmtenEnergien(Farben:Linienspektren!).“Damithabenwir,dieKlassebestätigtdas,Heisenbergzugestimmt:Elektronenbahnenlassensichnichtbeobachten.WieeinElektronineinemAtomvoneinemEnergiezustandineinenanderengelangt,darüberkannkeineAussagegemachtwerden.Dieshängtdamitzusammen,dasseinElektronsowohlWellen-alsauchTeilcheneigenschaftenaufweist.DieseszweideutigeVerhaltenhatLouisdeBroglieinseinerDoktorarbeit,vomWelle-Teilchen-DualismusdesLichtsausgehend,aufalleGegenständeübertragen.ZufriedenkannichdamitdieseUnterrichtseinheit,dasLehrstück„QuantenchemiefarbigerStoffemitHeisenbergundEinstein“,abschließen.MeineSchülersindnuninderLage,dasPhänomenFarbezuverstehen,undzwarmithilfedesMolekülbaus,derWechselwirkungenzwischenelektromagnetischerStrahlungundElektronensowiedergrundlegendenTatsache,dass„AllesseineWellenlängehat“.6.Stichwort„Lehrkunstdidaktik“DievonHansChristophBergundTheodorSchulzeabMitteder1980er-JahreentwickelteLehrkunstdidaktik(vgl.Berg/Schulze1995)basiertaufMartinWagenscheinsgenetischerMethodeundseinenexemplarischen,fürdieFächerMathematikundPhysikskizziertenUnterrichtsbeispielen.SiebefasstsichmitwissenschaftlichoderkulturellbedeutendenEreignissen,welchedieSichtaufKultur,KunstundWissenschaftmaßgeblichverändertundbeeinflussthabenundbisheutegelten.ImLehrstückunterrichtwerdendieSchülerinnenund

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SchülerindieAusgangslagefrühererEntdecker,UrheberoderAutorenversetzt,vonwelcheraussie„nach-entdeckend“dieWegezueinerEntdeckung,einerErfindungodereinemgeschaffenenWerkimeigenenLern-undBildungsprozesserleben(Wildhirt2008,63).EinLehrstückisteineinsichgeschlossenemehrdimensionaloderinterdisziplinärangelegteUnterrichtseinheit,dieeinenvollständigenLernzyklusumfasst(vgl.Übersichtaufwww.lehrkunst.ch).DieLehrkunstdidaktikistdenbildungstheoretischenUnterrichtskonzeptionenzuzuordnen(Klafkiab1959;Berg/Gerwig/Wildhirt2013,16f),sieistgleichzeitigtiefindenKlassikernderPädagogikverwurzelt.Lehrstückunterrichtistgleichermaßenerfahrungsorientiert,entdeckungsorientiertundhandlungsorientiert(vgl.Wildhirt/Jänichen/Berg2015).LiteraturBaars,Günter(2008):Farbstoffe.In:Glöckner,Wolfgang;Jansen,Walter;Weißenhorn,Rudolf(Hrsg.):Handbuchder

experimentellenChemie,SekundarbereichII,Band10.FunktionelleGruppen,Fette,Farbstoffe.AulisVerlagAGDeubner.Köln.S.277ff

Baars,Günter(2010):Phenylpolyenale.PdN-ChiS59(8),S.13-19Baars,Günter(2011a):QuantenchemiefarbigerStoffemitHeisenbergundEinstein.hep-verlag.Bern.Baars,Günter(2011b):E-Dossier,QuantenchemieundChemiefarbigerStoffe.Online-Ressource:

http://www.phbern.ch/e-dossier-quantenchemie0.htmlBerg,HansChristoph;Schulze,Theodor(1995):Lehrkunst.LehrbuchderDidaktik.Luchterhand.Neuwied.Berg,HansChristoph(2009):DieWerkdimensionimBildungsprozess.DasKonzeptderLehrkunstdidaktik.Band1der

Reihe„Lehrkunstdidaktik“.hep-Verlag.Bern.Berg,HansChristoph;Gerwig,Mario;Wildhirt,Susanne:(2013):Lehrkunstdidaktik2013.WeiteraufdemWegzueiner

konkretenundallgemeinenBildungsdidaktik.In:Zierer,Klaus(Hrsg.):JahrbuchfürAllgemeineDidaktik2013.SchneiderVerlagHohengehren.Baltmannsweiler.S.11-31.

Brogliede,Louis(1958):LichtundMaterie.FischerBücherei,1958Einstein,Albert(1994):ÜbereinendieErzeugungundVerwandlungdesLichtesbetreffendenheuristischen

Gesichtspunkt.GesammeltePublikationen,Sammlung2:SchriftenausdemJahr1905.AlbertEinstein-GesellschaftBern,Kramgasse49,3000Bern8.

Fischer,ErnstPeter(2012):DieHintertreppezumQuantensprung,DieErforschungderkleinstenTeilchenvonMaxPlanckbisAntonZeilinger.FischerTaschenbuchVerlag.Frankfurt/Main.

Hellemans,Alexander;Bunch,Bryan(1990):FahrplanderNaturwissenschaften.EinchronologischerÜberblick.DroemerKnaur.München.

Wildhirt,Susanne;Jänichen,Michael;Berg,HansChristoph(2015):Lehrstückunterricht.In:Wiechmann,Jürgen;Wildhirt,Susanne(Hrsg.):ZwölfUnterrichtsmethoden.VielfaltfürdiePraxis.Beltz-Verlag.Weinheim.S.111-128.

ÜberdenAutorProf.em.Dr.GünterBaarsstudierteChemie,GeografieundGeologieandenUniversitätenBern(CH) und Freiburg/Breisgau (D). Von 1970 bis 2012 war er Fachlehrer für Chemie amGymnasium Bern-Neufeld sowie ab 1982 Chemiedidaktiker am Institut Sekundarstufe II derPädagogischen Hochschule Bern. Er ist zudem Honorarprofessor der Universität Bern sowieAutor verschiedener Lehrbücher und zahlreicher Publikationen in Chemiedidaktik. Kontakt:[email protected]