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Quartier Mariengrün Eine Großsiedlung erfindet sich neu. 2.538 Anzahl der Wohnungen 165.965 m 2 Wohnfläche 105 Mio. € 5,7 Mio. € Investitionsvolumen Neubau Investitionsvolumen Modernisierung

Quartier Mariengrün - DEGEWO · Quartier Mariengrün Eine Großsiedlung erfindet sich neu. 2.538 Anzahl der Wohnungen 165.965 m2 Wohnfläche 105 Mio. € 5,7 Mio. € Investitionsvolumen

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  • Quartier Mariengrün

    Eine Großsiedlung erfindet sich neu.

    2.538Anzahl der Wohnungen

    165.965 m2 Wohnfläche

    105 Mio. €

    5,7 Mio. €Investitionsvolumen Neubau

    Investitionsvolumen Modernisierung

  • Klaus Severin, degewo-Hausmeister

    Angela Schulze, Projektleiterin degewo Bestandsentwicklung

    Jacqueline Brüschke, Leiterin degewo Bestandsentwicklung

    Christel Müller-Güntner, Mieterin

    Dr. Sonja Beeck, Architektin und Stadtplanerin, chezweitz GmbH

    Lars Gustafsson, degewo Marketing/ Unternehmenskommunikation

    Frank Bielka, degewo-Vorstandsmitglied

    Christine Meinhold-Gerth,degewo-Stadtteilmanagerin Mariengrün

    Fabian Sandknop und Vanessa Schulze, Mieter

    Christoph Beck, degewo-Vorstandsmitglied

    Christoph Rasche, Architekt,degewo Bestandsentwicklung

    Danke an die Mitwirkenden

    Mike Berck, degewo-Concierge

    Elke Saalmann und Erwin Diener, Mieter

    Alexander und Nils Trohl, Mieter

    Martina Lindebaum, Projektleiterin degewo Bestandsent wicklung

    Suzanne und John Busch, Mieter

    Volker Ries, degewo-Energiemanager

    Irina Herz, Leiterin degewo-Kundenzentrum Süd

    Ursula Allerdissen, Projektleiterin degewo Bestandsentwicklung

    Cornelia Kohl, Projektleiterin degewo Bestandsentwicklung

    Ulrich Jursch, Leiter degewo Zentrales Bestandsmanagement

    Konstantin Wilhelm, Leiter degewo Zentrale Finanzierung

  • Quartier MariengrünEine Großsiedlung erfindet sich neu.

  • Herausforderung Großwohnsiedlung 3

    1 Großwohnsiedlungen heute Wie werden Großwohnsiedlungen fit für die Zukunft? 4

    Ein Spaziergang durch Mariengrün 16

    2 Generationen verbinden Wie reagieren wir auf den demografischen Wandel? 18

    3 Energie tanken Wie bleibt Energie bezahlbar? 26

    4 Gemeinsam leben Wie fördern wir ein gutes Miteinander? 32

    5 Weiter denken Welche wirtschaftlichen Herausforderungen kommen auf uns zu? 42

    6 Miteinander reden Was tun wir für eine gute Kommunikation? 50

    7 Wachsen lassen Wie können wir neuen Wohnraum schaffen? 56

    Inhalt

  • 3

    Für viele Menschen gilt das Wohnen im gründerzeitlichen Altbau als Inbegriff von Lebensqualität. Hohe Decken, Stuck, Flügeltüren und außerdem zahlreiche Läden und Restaurants um die Ecke – das sind Eigenschaften, die das Herz von überzeugten Städtern höherschlagen lassen.

    Doch blickt man in die Vergangenheit, so hatten die gründerzeitlichen Viertel mit ihren engen Hinterhöfen nicht immer einen so guten Ruf. In bewusster Abgrenzung von der Mietskasernenstadt entwarfen Planer in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts Siedlungen, die den Bewohnern zwar keine großzügigen Raumfluchten boten, dafür aber eine gute Durchlüftung, einen zweckmäßigen Grundriss und einen besonnten Balkon. Welch hohen Standard diese Siedlungen der Moderne erreichten, ist mittlerweile durch den UNESCOWelterbestatus dokumentiert, den sechs Berliner Siedlungen seit 2008 genießen.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieser Siedlungstypus als Reaktion auf die Wohnungsnot weiterentwickelt. Architektonisch und städtebaulich meist weniger differenziert gestaltet als die Vorgänger aus der Zwischenkriegszeit, entstanden sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR zahlreiche Großwohnsiedlungen, die für viele Menschen

    zur Heimat wurden. Viele der neuen Mieter hatten zuvor in heruntergekommenen Gründer zeitbauten in der Innenstadt gewohnt und waren froh, nun in den Genuss von Zentralheizung, fließend Warmwasser und Müllschlucker zu kommen. In Berlin stehen insbesondere das Märkische Viertel und die Gropiusstadt im ehemaligen Westteil der Stadt sowie die Plattenbausiedlungen Marzahn und Hellersdorf im einstigen Ostteil für diesen städtebaulichen Ansatz.

    Vielerorts zeigten sich allerdings auch die Kehrseiten der dicht bebauten, oft mit unzureichender Infrastruktur ausgestatteten Großwohnsiedlungen: Es kam zu einer Ballung sozialer Konflikte, zu Unzufriedenheit der Mieter und zu einer Verschlechterung des Images. Wer es sich leisten konnte, zog weg; diejenigen, die eine Wohnung in der Großsiedlung anmieteten, hatten oft keine andere Wahl.

    Von dieser Entwicklung blieb auch die Großwohnsiedlung MarienfeldeSüd nicht verschont, die von 1968 bis 1974 am südlichen Berliner Stadtrand errichtet wurde und mit gut 2.500 Wohneinheiten im Eigentum der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft degewo zu den kleineren Großwohnsiedlungen gehört. Soziale Segrega tion, wachsende Unzufriedenheit und steigender Leerstand

    Herausforderung Großwohnsiedlung

    zeigten sich auch hier. 2009 startete degewo deshalb einen Prozess des intensiven Nachdenkens. Im Ergebnis entwickelte das Unternehmen ein integriertes Quartierskonzept, das die unter schiedlichsten Aspekte – von der energetischen und technischen Qualität der Gebäude über die Nahversorgung und die Grünflächen bis hin zur Förderung einer guten Nachbarschaft – miteinander verknüpft.

    Überall in Deutschland, in Ost und West, stehen Wohnungsunternehmen vor ähnlichen Herausforderungen, wie sie degewo in Mariengrün (so der neue Name der Siedlung) antraf. Das Konzept, das degewo für Mariengrün entwickelte, wird nicht unverändert auf andere Großsiedlungen zu übertragen sein. Anregungen für ein individuelles, auf die lokalen Verhältnisse abgestimmtes Vorgehen aber vermag es durchaus zu geben. Dies gilt umso mehr, als sich in der Fachwelt eine Neubewertung der Großwohnsiedlungen abzeichnet. Immer deutlicher zeigt es sich, dass gerade im Bereich der energetischen Sanierung sowie beim familien und altengerechten Wohnen die großen Siedlungen erhebliche Potenziale aufweisen. Diese zu heben bleibt eine spannende Aufgabe für die Wohnungswirtschaft. Die vorliegende Publikation zeigt, wie diese Aufgabe gelöst werden kann.

  • 1Viele Großwohnsiedlungen sind in die Jahre gekommen. Was ist zu tun, um diese zusammenhängenden Wohngebiete fit für die Zukunft zu machen?

    Hochhäuser im Grünen: die Großsiedlung Mariengrün.

    Großwohnsiedlungen heute

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    Großwohnsiedlungen wie Mariengrün haben in Bezug auf Grundrisse, Energieeffizienz und Grünflächen eine hohe Qualität, sagt die Stadtplanerin Dr. Sonja Beeck. Gleichzeitig fordert sie von den Eigentümern mehr Mut bei der Weiterentwicklung dieser Siedlungsform.

    Frau Dr. Beeck, Großwohnsiedlungen wie Mariengrün haben in aller Regel ein schlechtes Image. Zu Recht oder zu Unrecht? Ich finde diese Frage zu pauschal, denn es gibt viele Formate innerhalb des Ober be griffs „Großwohnsiedlung“. Ich kenne zahl reiche Großsiedlungen, in denen die Leute mit ihrer Wohnsituation sehr zufrieden sind und wo es ruhig, gesetzt und fast ein wenig spießig zugeht. Das ChristianeF.Image, wonach es in den Großwohnsiedlungen gefährlich, wild und dreckig ist, trifft schon lange nicht mehr zu. Trotzdem gibt es sehr viele Leute, die sich nicht vorstellen können, in einer solchen Siedlung zu wohnen. Das liegt daran, dass diese Art von Stadt für die meisten Leute nicht erstrebenswert erscheint, da es ihr an Urbanität fehlt.

    Dr. Sonja Beeck ist Architektin, Stadtplanerin und geschäftsführende Gesellschafterin der chezweitz GmbH, eines Büros für museale und urbane Szeno grafie mit Sitz in BerlinKreuzberg. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Internationalen Bauausstellung (IBA) Stadtumbau SachsenAnhalt 2010 und hatte von 2010 bis 2013 eine Gastprofessur im Fachgebiet Stadtentwicklung und Stadtmanagement an der Universität Kassel inne. Außerdem war sie Koleiterin des Vorbereitungsteams der (dann abgesagten) IBA Berlin 2020.

    Dr. Sonja Beeck Architektin

    Welche Qualitäten haben Großwohnsiedlungen?Eigentlich gibt es nichts Moderneres und Effizienteres. Alle Mieter haben gut geschnittene Wohnungen mit Ausblick. Ein zweiter Punkt ist die Energieeffizienz: Gerade durch ihre Kompaktheit ist diese Wohnform geeignet, auch künftig energetisch nachhaltig und effizient zu sein. Eine dritte Chance sind die Zwischenräume. Die gestalteten Grünflächen können eine hohe Qualität haben und profitieren außerdem davon, dass die vor vierzig oder fünfzig Jahren gepflanzten Bäume jetzt groß sind.

    Die Großwohn sied lungen müssen sich verändern.

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    Mariengrün

    Berlin

    „ Für die Wohnqualität ist nicht die Größe der Wohnung entscheidend, sondern der Zuschnitt.“

    Kompaktheit und effiziente Grundrisse sind auch Ziele beim heutigen Wohnungsbau. Haben hier die Großwohnsiedlungen Vorbildcharakter? Absolut. Langfristig halte ich eine ProKopfWohnfläche von 45 Quadratmetern für nicht tragbar. Für die Wohnqualität ist nicht die Größe der Wohnung entscheidend, sondern der Zuschnitt. Deshalb glaube ich, dass diese Wohnungszuschnitte immer noch wegweisend sind.

    Sie haben die Defizite der Großsiedlungen angesprochen, insbesondere die fehlende Urbanität. Woran mangelt es genau: an einer Mischung der Nutzungen oder auch an einer Mischung unterschiedlicher sozialer Milieus?An beidem. Ein Problem dieser Siedlungen ist die Uniformität. Sie stammen aus einer bestimmten Zeit und haben eine einheitliche Bautypologie. Die Herausforderung liegt darin, wie man weitere Nutzungen integrieren und langfristig ein größeres Spektrum an unterschiedlichen Milieus etablieren kann.

    Genau das haben Sie bei einer Tagung im Jahr 2012 thematisiert. Damals fragten Sie, „wie diese starren, oft monofunk tio nalen Großstrukturen in lebendig gemischte Quartiere transformiert werden können“. Welche Antworten haben Sie darauf gefunden? Einen Ansatz sehe ich darin, neue gewerb li che Nutzungen anzusiedeln. Ich halte es zum Beispiel für architektonisch und kon zeptio nell sehr gut denkbar, dass Ateliers und CoWorkingSpaces für ein kreatives Milieu auch in Großsiedlungen funktionieren können.

    Aber dort fehlt doch das urbane Umfeld, das diese kreativen Nutzer wünschen.Es braucht ja nicht so zu sein wie auf der Oranienstraße in Kreuzberg. Die Räume würden sich auf jeden Fall dafür eignen. Wohnungsunternehmen könnten diese Entwicklung unterstützen, indem sie jungen Leuten Flächen zu sehr günstigen Mieten zur Ver fügung stellen. Und dann würden weitere solche Nutzer angezogen.

    Eine Gegenthese besagt: Wir müssen die Großwohnsiedlung als eigenständigen Typus von Stadt betrachten und akzeptieren, dass ihre Bewohner in erster Linie ruhig und angenehm wohnen wollen und gar keine urbane Infrastruktur mit Clubs und Galerien wollen.Diese These klingt zunächst plausibel. Man muss sich allerdings den demografischen Wandel vor Augen halten. Es ist nun mal so, dass die Erstbewohner mittlerweile älter geworden sind und irgendwann einmal sterben werden. Für Menschen mittleren Alters ist die Großsiedlung momentan nicht die erste Wahl, weil sie sich eben ein gewisses Maß an Urbanität wünschen.

    Das heißt, dass auf die Eigentümer ein Problem zukommt, wenn die Generation der Erstbezieher einmal nicht mehr da ist?Genau. Die Gesellschaft verändert sich, und so müssen sich auch die Großwohnsiedlungen verändern. Allerdings möchte ich nicht missverstanden werden: Es ist nicht so, dass in Großwohnsiedlungen nur alte Leute wohnen oder Menschen, die sich nichts anderes leisten können. Gerade für junge Erwachsene, die in der Siedlung aufgewachsen sind, kann das eine attraktive Wohnform sein.

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    „ Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, die Mieter nach ihren Wünschen zu fragen. Denn das erhöht am Ende die Identifikation mit dem Wohnort.“

    Ist es sinnvoll, die Bewohner von Großwohnsiedlungen über die Gestaltung der Außenflächen und der Eingangsbereiche mitbestimmen zu lassen?Unbedingt! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, die Mieter nach ihren Wünschen zu fragen. Denn das erhöht am Ende die Identifikation mit dem Wohnort.

    In Berlin werden derzeit neben Mariengrün auch das Märkische Viertel und andere Großsiedlungen modernisiert. Warum steht diese Bautypologie mo men tan im Fokus?Offenbar handelt es sich um ein Wirtschaftsmodell, das für die Wohnungsunternehmen nach wie vor gut funktioniert. Der Wohnraum in Berlin ist knapp, weshalb wir die Großwohnsiedlungen brauchen.

    Gilt das auch mit Blick auf die Zukunft? Sie haben ja darauf hingewiesen, dass man die demografische Entwicklung im Auge behalten sollte.Die Städte werden weiter Zuzug haben, so dass wir auf diesen Wohnraum nicht verzichten können. Deshalb sollte jede Anstrengung unternommen werden, den Wohntypus so zu ertüchtigen, dass er auch in Zukunft funktioniert. Dabei ermutige ich die Wohnungsunternehmen: Versucht es ruhig noch ein bisschen radikaler! Ich wünsche mir mehr Kraft und weniger Vorsicht. Ich denke zum Beispiel an eine tolle Kommunikationskampagne, an eine architektonisch mutige Nachverdichtung und an eine kraftvolle Landschaftsgestaltung. Und bei der Gestaltung der Fassaden müssten die Wohnungsunternehmen mehr machen, als einfach ein Wärmedämmverbundsystem aufzutragen. Warum nicht zum Beispiel farbige Markisen anbringen, die gleichzeitig Solarenergie erzeugen? Deshalb appelliere ich an degewo und andere Wohnungsunternehmen: Traut euch was! Denn dieser Wohnungstypus hat Zukunft.

  • 10

    Klar ist: Mit Einzelmaßnahmen wie beispielsweise der energetischen Ertüchtigung der Gebäude, der Schaffung eines Quartierstreffpunkts oder der Neugestaltung von Spielplätzen allein ist es nicht getan. Um das Ziel zu erreichen, ist vielmehr ein umfassender Ansatz erforderlich, der bauliche, soziale, energetische, grünplanerische und kommunikative Aspekte berücksichtigt und in ein Gesamtkonzept eingebettet ist.

    Auf diesem Weg zu einem integrierten Gesamtkonzept für Mariengrün beschritt degewo in vielerlei Hinsicht Neuland. „Wir

    haben uns gefragt, wie wir das etwas gesichtslose Quartier stärker differenzieren können“, erklärt degewoVorstand Frank Bielka. Und das war mit Herausforderungen verbunden. „Denn anders als in der Konsumgüterindustrie ist die Bildung eines Produkts in der Wohnungswirtschaft nicht selbstverständlich“, erläutert Ulrich Jursch, Leiter Zentrales Bestandsmanagement bei degewo.

    Am Anfang dieses Prozesses stand in den Jahren 2009 und 2010 die Analyse des Status quo. Und diese ergab ein zwiespältiges Bild der Großwohnsiedlung MarienfeldeSüd, das

    Der Weg zum integrierten QuartierskonzeptAus einer kleinen, wenig bekannten Trabantensiedlung ein unverwechselbares Quartier mit Strahlkraft zu machen – das ist eine Aufgabe, die sich die Wohnungswirtschaft noch nicht oft vorgenommen hat.

    Konzept der zielgruppenorientierten Immobilien- und Quartiersentwicklung

    ProjektideeAnalyse – des Grundstückes– des Standortes/der Lage– der Zielgruppen– der Markteinschätzung– des Mietrechtes

    Wer ist meine Zielgruppe?

    Was will meine Zielgruppe?

    Was bekommt meine Zielgruppe?

    ProjektstrategieErarbeitung – der Projektposition– des Produktkonzeptes– des Werbekonzeptes

    ProjektumsetzungErarbeitung

    – der Planung– des Sanierungsablaufes– des Mieterpartizipationskonzeptes– des Vermietungskonzeptes

  • Waldsassener Straße

    Tirschenreuther Ring

    Tirschenreuther Ring

    Hildburghauser Straße

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    Tirschenreuther Ring

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    Senioren 2012

    Alleinerziehende, Starterfamilien 2013–2014

    Betreutes Wohnen im Alter 2012

    Alleinerziehende, Starterfamilien 2012–2013

    Starter, Ausbaufamilien, Alleinerziehende 2012–2013

    Starter, Ausbaufamilien 2013

    Senioren 2011–2012

    Starter, Ausbaufamilien, Alleinerziehende 2014–2015

    Alleinerziehende, Starterfamilien 2014

    Neubau 2013–2014

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    10einerseits unverkennbare Defizite, andererseits aber auch bemerkenswerte Stärken zeigte. Deutlich war, dass die Großsiedlung 40 Jahre nach ihrer Errichtung einen erheblichen Reparatur und Instandhaltungsstau aufwies. Die Wohnungen, Treppenhäuser, Gebäudehüllen und Außenanlagen präsentierten sich mehrheitlich in einem nicht mehr zeitgemäßen Erscheinungsbild. Die veraltete technische Ausstattung trieb die Betriebskosten in die Höhe und führte dazu, dass degewo immer mehr Geld für die Instandhaltung ausgeben musste.

    Auch die wohnungswirtschaftlichen Kennziffern bereiteten Anlass zur Sorge. Steigender Leerstand und hohe Fluktuation zeigten, dass die Siedlung vor allem für bessergestellte Mieter an Attraktivität verlor. Die Sozialindikatoren verschlechterten sich zusehends: Der ohnehin hohe Anteil an Kindern, die von Transferleistungen lebten, stieg weiter, der Bildungsstand der Haushalte sank, der Verschuldungsgrad nahm zu, die Polizei verzeichnete eine steigende Anzahl von Jugenddelikten, und der Zuzug von Mietern aus Osteuropa verunsicherte alteingesessene Bewohner.

    Mieterbefragungen brachten denn auch eine deutliche Unzufriedenheit zutage. Dass trotzdem nicht noch mehr Menschen wegzogen, lag nicht zuletzt am hohen Durchschnittsalter: Jeder zweite Bewohner von Mariengrün war über 60 Jahre alt, und fast in jedem Aufgang lebte ein Hundertjähriger.

    Die Analyse zeigte aber noch etwas anderes: Trotz aller Probleme weist das Quartier erhebliche Potenziale auf. Insbesondere die Außenanlagen mit ihren großzügigen Grünflächen bilden einen Pluspunkt, der durch die unmittelbare Nähe zu den Freiflächen im nahen Brandenburg noch verstärkt wird. Positiv zu Buche schlagen zudem die potenziell rollatoren und kinderwagengerechte Ausgestaltung der Wohnanlage sowie die vielfältigen Wohnungsgrundrisse. Auf der Habenseite steht ferner – trotz mancher Verbesserungsmöglichkeiten – das Nahversorgungs und Dienstleistungszentrum, das auch weniger mobilen Mietern den täglichen Einkauf ermöglicht. Und schließlich bietet der Umstand, dass Mariengrün mit rund 2.500 Wohneinheiten im Verhältnis zu anderen Großsiedlungen recht klein ist, gute Voraussetzungen für eine intakte Nachbarschaft.

    Erhoben wurde diese StärkenSchwächenAnalyse im Rahmen von Workshops, an denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kundenzentren und der Fachabteilungen von degewo beteiligt waren. Als der Prozess 2009 begann, war noch keineswegs klar, dass er zur großen Lösung eines integrierten Quartierskonzepts führen würde. Vielmehr standen zunächst kleinere Einzelmaßnahmen im Mittelpunkt der Über legungen, um die größten Schwachpunkte in der Siedlung zu beseitigen und diese für neue Mieter attraktiv zu machen.

    „ Wir haben uns gefragt, wie wir das etwas gesichtslose Quartier stärker differenzieren können.“

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    Zielgruppengerechte Modernisierung

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    Doch je intensiver sich die Verantwortlichen – insbesondere das Kundenzentrum Süd und die Unternehmensbereiche Bestandsentwicklung, Zentrales Bestandsmanagement und Marketing/Unternehmenskommunikation – mit Mariengrün auseinandersetzten, umso deutlicher wurde, dass diese kleinen Schritte sich über viele Jahre hingezogen hätten und dass ein umfassendes Konzept besser geeignet war, die Großsiedlung in die Zukunft zu führen. 2010 gaben dann die Unternehmensgremien die Mittel für die Komplettmodernisierung der Siedlung frei.

    Auf dem Weg zu diesem integrierten Konzept bezog degewo externe Dienstleister ein. Einen wichtigen Beitrag dazu leistete das Nürnberger Beratungsunternehmen Centacon, das mithilfe des von ihm erarbeiteten Lebensweltenmodells eine Zielgruppenanalyse vornahm. Dabei verfolgte degewo das Ziel, dass unterschiedliche Gruppen von Bewohnern in Mariengrün ein für sie passendes Wohnungsangebot finden sollten – von jungen Singles über Familien bis hin zu Senioren.

    Aufbauend auf diesen Vorgaben, entwickelte die Berliner TPA Agentur für Kommunikations

    design GmbH ein Markenleitbild, das die eigenständige, an ein Dorf erinnernde Qualität des Quartiers in den Mittelpunkt stellte. Als Vision formulierten die Berater das Ziel, „die Qualitäten eines Dorfes in einer Großsiedlung zu etablieren“. Daraus abgeleitet wurde das Bild eines Generationenparks, der Menschen unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Lebensstilen eine Heimat bietet. Diese Beschäftigung mit dem Kern der Großsiedlung führte auch zum neuen Namen Mariengrün. Dieser bot die Grundlage, um Neumieter und Multiplikatoren anzusprechen und die Kommunikation nach innen zu fördern.

    Gemäß dem Ansatz, die unterschiedlichen Themen miteinander zu verknüpfen, bezogen degewo und ihre Dienstleister weitere Aspekte in die Betrachtung mit ein. So arbeitete degewo für die Entwicklung des Energie konzepts mit dem Berliner Energieunternehmen Gasag zusammen. Und für das Nahversorgungszentrum Waldsassener Straße verfasste die BBT Treuhandstelle des Verbandes Berliner und Brandenburgischer Wohnungsunternehmen GmbH in Kooperation mit der BBE Handelsberatung eine Machbarkeitsstudie.

    Die Gestaltung der Außenflächen ist eines der größten Potenziale von Mariengrün.

  • 13

    Geschichte von MariengrünDas heutige Mariengrün (ehemals Großwohnsiedlung MarienfeldeSüd) wurde zwischen 1968 und 1974 am südlichen Stadtrand Berlins errichtet. Seit dem frühen 20. Jahrhundert befand sich hier das weitläufige Areal der Baumschule Hampel. Doch bereits der Berliner Flächennutzungsplan von 1950 sah auf dem Gelände eine Wohnnutzung vor. 1965 legte dann der Architekt Hans Bandel ein städtebauliches Konzept vor, das im Wesentlichen auch so um gesetzt wurde. Ebenfalls nach Bandels Plänen wurde in den sechziger Jahren in BerlinGropiusstadt gebaut. Nicht realisiert wurde allerdings der eigentlich vorgesehene Anschluss an die UBahnLinie 9. Außerdem erhöhte sich die ursprünglich vorgesehene Dichte: Während auf dem degewoAreal ursprünglich nur etwa 1.600 Wohnungen entstehen sollten, errichtete die kommunale Gesellschaft letztlich 2.574 Einheiten. Als höchstes Gebäude entstand in der Waldsassener Straße 29 ein 28geschossiges Hochhaus, das bis heute ein Blickfang in der Siedlung ist.

    Bei alledem verfolgten die Verantwortlichen stets das übergeordnete Ziel einer guten Nachbarschaft, in der Menschen unter schiedlichen Alters und in unterschiedlichen Lebensphasen friedlich und respektvoll miteinander leben. Dazu trägt ein von degewo finanziertes Stadtteilmanagement bei, das sich die Einbeziehung unterschiedlichster Akteure – Kitas, Schulen, Quartiersbüro, Nachbarschafts verein – zum Ziel gesetzt hat.

    Um die Nachbarschaft zu stärken, legt degewo zudem großen Wert auf die Gestaltung der Außenflächen – schließlich waren diese als eines der größten Potenziale von Mariengrün identifiziert worden. In einem öffentlichen Vergabeverfahren setzte sich das Berliner Büro bgmr Becker Giseke Mohren Richard Landschaftsarchitekten durch. Das Ziel formulierte das Büro wie folgt: „Der parkähnliche Charakter der Außenanlagen soll erhalten und weiterentwickelt werden. Die Aufenthaltsqualität ist zur Förderung von Nachbarschaften zu verbessern. Die Ausstattung der Außenanlagen ist zu verbessern bzw. eine neue Ausstattung ist zu integrieren.“ Auf dieser Prämisse aufbauend, entwickelte bgmr ein Konzept, das die Erschließung optimiert, neue Wegebeziehungen schafft und die Außenflächen auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen abstimmt. Auch Beleuchtungssystem, Bänke und Leitsystem bezogen die Grünplaner in ihre Überlegungen mit ein, wobei sie sich von den Prinzipien des Design for all leiten ließen.

    Von zentraler Bedeutung für die Umsetzung des Zielgruppenkonzepts war die Zuordnung der einzelnen Gebäude zu den jeweiligen Zielgruppen und Lebensphasen. Berücksichtigt wurden dabei insbesondere die Lage im Quartier und die Beschaffenheit der Wohnung. Das Hochhaus in der Waldsassener

    Straße 29 beispielsweise eignet sich nach Einschätzung der degewoExperten hauptsächlich für traditionsorientierte Senioren, da es über einen Concierge und Aufzüge verfügt und da im Umfeld wenig Platz für Spiel und Freiflächen vorhanden ist. Den am zentralen Platz an der Waldsassener Straße/Ecke Tirschen reuther Ring gelegenen Häusern hingegen attestierten die Planer eine hohe Attraktivität für gegenwarts und traditionsorientierte Starter und Ausbaufamilien sowie Alleinerziehende. Ausschlaggebend dafür waren die Vielfalt an Wohnungsgrößen und die zentrale, aber nicht ruhige Lage.

    Die Grundlage für die Gestaltung der Fassaden und der Wohnungen legte wiederum das Beratungsunternehmen Centacon, indem es den unterschiedlichen Zielgruppen bestimmte Farben zuordnete. Um das am Beispiel des Hochhauses zu verdeutlichen: Da dieses hauptsächlich die Gruppe der traditionsorientierten Senioren ansprechen sollte, wurden für dieses Objekt Grau und warme Rottöne festgelegt. Dabei sollte das Farbkonzept in erster Linie bei den Fassaden und in den Bädern zur Geltung kommen.

    Bei der Realisierung dieses Konzepts ging degewo einen ungewohnten Weg. Zunächst setzten die beauftragten Generalplaner SPP PropertyProjectConsult, kba Architekten und Ingenieure, Gneise Planungs und Beratungsgesellschaft sowie RTW Architekten und Ingenieurgesellschaft das Lebensweltenmodell in die konkrete Planung um. In der Folge wurden sie jedoch von degewo eingeladen, ihre Entwürfe voreinander vorzustellen und wo nötig anzupassen. Als gutachterlichen Berater holte degewo den renommierten Berliner Architekten Prof. Paul Kahlfeldt mit ins Boot, der darauf achtete, dass der gestalterische Quartierszusammenhang

    Von zentraler Bedeutung für die Umsetzung des Ziel gruppenkonzepts war die Zuordnung der einzelnen Gebäude zu den jewei ligen Zielgruppen und Lebensphasen.

    gewahrt blieb. Bei den Bädern wiederum waren es die Mitarbeiter des Kundenzentrums Süd, die die Vorschläge umsetzten.Das alles zeigt: Obwohl an vielen Entwicklungsschritten externe Dienstleister beteiligt waren, blieb die Gesamtverantwortung für das integrierte Quartierskonzept stets bei degewo. Eingebunden in dieses intensive Nachdenken über den richtigen Weg waren alle Abteilungen des Unternehmens, was sich positiv auf die interne Kommunikation auswirkte. So gelang es, ein flexibles Konzept zu entwickeln, das sich bei Bedarf immer wieder an die konkreten Bedürfnisse anpassen lässt. Alles in allem wird degewo damit nach eigener Einschätzung dem Anspruch gerecht, ein Quartier aus übergreifender Perspektive zu betrachten und daraus Maßnahmen abzuleiten, die das Stadtviertel auch zukünftig zu einem attraktiven Wohnort machen.

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    Überalterung, Unzufriedenheit, schlechter baulicher Zustand: Vor einigen Jahren wurde klar, dass in Mariengrün etwas passieren musste. degewo entschied sich dafür, ein umfassendes Moder nisierungskonzept zu entwickeln und so an die ursprünglichen Qualitäten der Großwohnsiedlung anzuknüpfen.

    Frank Bielka Vorstand

    Haus mieten dürfen. Es ist lediglich ein Angebot. Und dieses Angebot wird schwerpunktmäßig angenommen.

    Welche Bedeutung für Ihr Konzept hat die Geschichte des Standorts? Ich bin der Meinung, dass es immer hilfreich ist, sich mit der Geschichte eines Quartiers zu beschäftigen. Exemplarisch haben wir das in der Gropiusstadt gemacht. Zugegeben, die ursprüngliche Planung in Mariengrün hatte nicht dieselbe gedankliche Tiefe wie in der Gropiusstadt. Ich finde es aber interessant, dass sich am Standort der Siedlung einst eine Baumschule befand und dass Orte aus der Oberpfalz Namensgeber für die Straßen waren.

    Sie haben erwähnt, dass zum integrierten Stadtentwicklungskonzept der Außenraum gehört. Warum ist dieser so wichtig?Damit das generationenübergreifende Wohnen im Quartier funktioniert, müssen sich Bezüge zwischen den Bewohnern der einzelnen Häuser entwickeln können. Deshalb muss man sich Gedanken machen, wie die Grünflächen aussehen sollten, um die Interessenschwerpunkte der Bewohner der einzelnen Häuser zu berücksichtigen. Wo also kommt beispielsweise ein Rosengarten hin, wo ein Spielplatz? Wenn man die Häuser und das Wohnumfeld unterschiedlich gestaltet, dann erleichtert man es den Mietern, sich mit ihrem Quartier zu identifizieren. Denn natürlich neigen solche Quartiere zur Anonymität.

    Herr Bielka, als Sie 2011 den Startschuss für die Modernisierung von Mariengrün gaben, sagten Sie: „Wir werden in Mariengrün erstmals die Ansprüche und Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter auf eine besondere Art und Weise umsetzen.“ Was ist das Besondere daran? Im weiteren Sinn verfolgen wir eine integrierte Quartiersentwicklung, die nicht nur die Moder nisierung der Häuser und Wohnungen im Blick hat, sondern alle Themen, die für die Entwicklung des Quartiers wichtig sind: den Außenraum, die soziale Situation, den technischen und energe tischen Zustand der Gebäude, die Lage des Gewerbes. Im engeren Sinn ist das Besondere, dass wir uns gefragt haben, wie wir das etwas gesichtslose Quartier stärker differenzieren können. Deshalb haben wir unter Mitwirkung des Beratungsunternehmens Centacon die Frage aufgeworfen, welche Wohnhäuser für Einsteigerfamilien, für jüngere Menschen oder für Senioren besonders geeignet sind und was das für Grundriss, Design und Serviceleistungen bedeutet. Das ist eine Frage, die sich in dieser Größenordnung in Deutschland zuvor kaum jemand gestellt hat.

    Geht dieses Konzept nach den bisherigen Erfahrungen auf? Die bisherigen Vermietungszahlen deuten darauf hin, dass wir tatsächlich einen Vermietungsschwerpunkt bei den jeweiligen Zielgruppen haben. Allerdings haben wir nie gesagt, dass nur Senioren oder nur junge Familien eine Wohnung in einem bestimmten

    Die Mieter sollen sich mit ihrem Quartier identifizieren.

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    Bei der Umsetzung dieses Konzepts haben Sie die Mieter mit einbezogen. Warum? Darf ich noch einen Schritt zurückgehen? Der erste, keineswegs selbstverständliche Schritt war der Einbezug der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von degewo. Dabei haben wir Kolleginnen und Kollegen von der Unternehmenskommunikation, von der Bestandsentwicklung, vom Kundenzentrum und von anderen Abteilungen einbezogen und die Themenstellung sehr breit erörtert. Es gab zum Beispiel lange Diskussionen über die Gestaltung der Fassaden und der Bäder. Das Ergebnis ist nicht am Schreibtisch eines Mitarbeiters zustande gekommen, sondern im Dialog der Beteiligten. Dadurch ist die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen gestiegen.

    Aber es ist nicht beim Einbezug der Mitarbeiter geblieben.Richtig. Der zweite Schritt war, die Mieter mit zunehmen. Wir haben sie sehr frühzeitig und sehr umfassend über unsere Planungen informiert. Das hat wesentlich dazu beigetragen, ein größeres Verständnis für die Maßnahmen zu schaffen. Häufig ist ein solches Projekt ja Gegenstand von Auseinandersetzungen. Denn wenn ein Haus modernisiert wird, ist das für die Mieter kein reiner Quell der Freude. Außerdem haben wir den Mie tern die Möglichkeit gegeben, bei der Gestaltung des Bads aus einem Spektrum vorgegebener Möglichkeiten auszuwählen und bei der Gestaltung der Eingangsbereiche mitzureden.

    Zu einem Quartierskonzept gehören auch soziale Treffpunkte. Wo sehen Sie hier Verbesserungsbedarf?Wenn Menschen in einem Haus generationenübergreifend wohnen, gehört immer ein Gemeinschaftsraum dazu. Einen solchen Bereich, wo man sich trifft, braucht es erst recht in einem ganzen Quartier. Mit dem Alten Waschhaus haben wir ein dafür geeignetes Gebäude, auch wenn es baulich und konzeptionell etwas in die Jahre gekommen ist. Wir möchten dort ganz unterschiedlichen Gruppen ein Angebot unterbreiten und so die Voraussetzung dafür schaffen, dass es zum lebendigen Treffpunkt des Quartiers, gewissermaßen zum Wohnzimmer, wird.

    Bezahlbares Wohnen ist ein großes Thema in der Stadt. Was kann eine Siedlung wie Mariengrün dazu beitragen?Durch die Modernisierung werden die Wohnungen in Mariengrün zwar ein wenig teurer, aber die Mieten bleiben trotzdem moderat. Ich bin überzeugt, dass eine solche Sied lung eine attraktive Alternative zur Innenstadt sein kann. Die Mehrheit der Berliner wohnt ja außerhalb des SBahnRings, und auch da gibt es attraktive Quartiere. Sicher, als wir Mariengrün ins Visier nahmen, war es keine attraktive Lage. Wir verzeichneten einen deutlich steigenden Leerstand, weil kaum jemand in dieses Quartier ziehen wollte. Um eine Trendwende zu erreichen, mussten wir uns etwas wirklich Attraktives einfallen lassen.

    Bedeutet das, dass Sie auch Menschen mit höherem Einkommen nach Mariengrün locken wollen?Als städtische Gesellschaft sind wir grundsätzlich für Menschen mit kleinem Geldbeutel da. Aber wir haben gerne auch Mieter mit mittlerem Einkommen, weil sie für eine gute Mischung wichtig sind.

    Kann man das Vorgehen in Mariengrün eins zu eins auf andere Siedlungen übertragen?Die Herangehensweise schon, aber nicht die konkreten Maßnahmen. Wir werden ein anderes Quartier, nämlich Lankwitz, auf ähnliche Weise entwickeln wie Mariengrün. Dort handelt es sich um 1.500 Wohnungen hauptsächlich aus den dreißiger und fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Struktur und die Problemlage sind also ganz anders als in Mariengrün. Trotzdem sind die Fragen, die wir in Lankwitz abarbeiten, ähnlich wie in Mariengrün – aber die Antworten werden wahrscheinlich anders ausfallen.

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    Ein Spaziergangdurch Mariengrün

    Stationen:

    In Mariengrün werden auf engstem Raum die Probleme und Potenziale einer Großwohnsiedlung sichtbar. Ob energetische Modernisierung, demografischer Wandel oder Schaffung von neuem Wohnraum: Mieter und degewoMitarbeiter erzählen, was Mariengrün für sie bedeutet.

    Generationen verbindenA: MarktplatzB: SeniorensportgeräteC: Mehrgenerationen-Wohnen

    Miteinanderreden I: Fototapete J: Infogerüst

    Wachsen lassen

    K: Neubau

    Energie tanken D: BlockheizkraftwerkeE: Fassadendämmung

    Gemeinsam leben F: Hochhaus

    Weiterdenken G: LadenzentrumH: Parkhaus

  • 17

    A

    E

    KG

    F

    J

    I

    C

    D

    B

    H

  • 2Generationen verbinden

    Die Gesellschaft wird immer älter, und die Ansprüche der Menschen ans Wohnen werden immer vielfältiger. Wie soll die Wohnungswirtschaft auf diese Entwicklung reagieren?

    Mieterin Christel MüllerGüntner kümmert sich um die Hochbeete vor ihrem Wohnhaus.

  • 19

  • 20

    Singles, Alleinerziehende, Familien, Senioren – sie alle wohnen in Mariengrün. Dabei differenzieren sich die Lebensstile immer weiter aus. Deshalb hat degewo ein Zielgruppenkonzept entwickelt, das es ermöglicht, auch in einer neuen Lebensphase im Quartier wohnen zu bleiben.

    Das kleine Mädchen läuft freudestrahlend auf Klaus Severin zu. „Opa Klaus!“, ruft es und schenkt ihm ein verschmitztes Lächeln. Dabei ist Severin keineswegs der Großvater des Mädchens, sondern einer der sieben degewoHausmeister in Mariengrün. „Aber ich kenne die Kleine, seit sie im Bauch ihrer Mutter war“, schmunzelt Severin.

    Der Hausmeister steht auf dem kleinen Platz zwischen dem Supermarkt und dem degewoHausmeisterbüro. Hier treffen sich viele Bewohner von Mariengrün, wenn sie vom Einkaufen kommen oder beim Bäcker einen Kaffee trinken – und Severin kennt sie fast alle. „Die Männer drüben auf der Bank kommen aus Polen“, weiß er. Ältere Damen

    mit Rollator, junge Mütter mit Kinderwagen, Ehepaare im besten Alter, Jugendliche mit Blick aufs Smartphone – sie alle hat Severin im Auge, und viele davon grüßt er mit Namen.

    In einer Großwohnsiedlung wie Mariengrün wohnen ganz unterschiedliche Menschen: Jüngere und Ältere, Singles und Paare, Alleinerziehende und klassische Familien. Überlagert werden diese Lebensformen von Lebensstilen, die sich immer stärker ausdifferenzieren. Als Reaktion auf diese Entwicklung erarbeitete degewo zusammen mit den Beratungsunternehmen Centacon und TPA ein Konzept, das unterschiedliche Zielgruppen und Lebensphasen anspricht.

    Nicht von der Stange: die Zielgruppen im Blick

    Hausmeister Klaus Severin hat ein Herz für alle Bewohner von Mariengrün.

    Auch Fabian Sandknop und Vanessa Schulze fühlen sich in Mariengrün wohl.

    Generationen verbindenMarktplatz, Seniorensportgeräte, Mehrgenerationen-Wohnen

  • 21

    An den Bedürfnissen der jeweiligen Hausbewohner orientiert sich auch die Gestaltung der Außenflächen.

    Dabei definierten die Fachleute insbesondere Senioren, Alleinerziehende, Starterfamilien (also jüngere Paare mit einem Kind oder mit Kinderwunsch) und Ausbaufamilien (etablierte Familien mit einem oder zwei Kindern) als Gruppen, die sich in Mariengrün wohl fühlen. Das Besondere an diesem Ansatz: Den einzelnen Zielgruppen wurden Gebäude zugeordnet, die für sie aufgrund der Lage und des Wohnungszuschnitts besonders gut geeignet sind. Damit, so die Überlegung, können die Menschen über

    mehrere Lebensphasen in Mariengrün wohnen bleiben, wobei sie zwar möglicherweise die Wohnung, nicht aber das Quartier wechseln müssen.

    Konkret kamen die Planer beispielsweise zum Schluss, dass das Hochhaus in der Waldsassener Straße 29 für Senioren besonders gut geeignet ist, während sich im lang gestreckten Gebäuderiegel am Tirschenreuther Ring 16–24 in erster Linie Alleiner ziehende und Starterfamilien wohl

    fühlen. Hinzu kommt ein Bereich für betreutes Wohnen im Tirschenreuther Ring 5, der sich an unterstützungsbedürftige Senioren richtet und von der EJF gemeinnützige AG betrieben wird.

    Von Schöneberg nach Mariengrün: Suzanne und John Busch.

    Im Einsatz für ein schönes Umfeld: Mieterin Christel MüllerGüntner.

    Eigentlich sind die Sportgeräte für Senioren gedacht – doch auch die degewoMitarbeiterinnen Irina Herz (links) und Ursula Allerdissen haben ihren Spaß.

  • 22

    BBU-Preis 2014Für die Weiterentwicklung von Mariengrün hat degewo 2014 den BBUPreis des Verbandes BerlinBrandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. (BBU) erhalten. Das Konzept überzeuge „durch einen systematisch abgeleiteten, klar quartiersbezogenen Ansatz, der generationenübergreifend für alle relevanten Zielgruppen adäquate Angebote sichert“, urteilte die Jury. „Es ist damit ein Beitrag, der sich insbeson dere auf die veränderten Rahmenbedingungen typischer Großsiedlungen der 70er Jahre übertragen lässt. Insofern kommt ihm Modellcharakter zu.“

    „ Wir haben gezeigt, dass wir flexibel sind und auf die Mieter zugehen.“

    Seinen Niederschlag findet dieses Konzept unter anderem in der Fassadengestaltung, deren Farbenwelt sich am Lebensweltenkonzept orientiert. Das Farb und Fassadenkonzept wurde von den mit der Planung beauftragten Architekturbüros erarbeitet und zu einem Gesamtkonzept zusammengefügt. Der Berliner Architekt Prof. Paul Kahlfeldt unterstützte diesen Prozess beratend. Außerdem legten die Planer unterschiedliche Ausstattungslinien für die Badgestaltung vor, unter denen die Mieter dann auswählen können. Dort, wo es sich anbot – und das war insbesondere bei Leerwohnungen der Fall –, nahmen die Verantwortlichen auch Wohnungsumbauten vor. So wurden beispielsweise ebenerdige Duschen eingebaut, um älteren Mietern mehr Komfort zu bieten. Anderswo verwandelten sich große Zweizimmerwohnungen in Dreizimmerwohnungen, indem die Küche zu einem Arbeitszimmer umgestaltet wurde und dafür das Wohnzimmer eine offene

    Küche erhielt – eine Lösung, die vor allem bei jüngeren Mietern gut ankommt.

    An dem Lebensweltenkonzept und der daraus abzuleitenden Farbenwelt orientiert sich auch die Gestaltung der Außenflächen. Das beauftragte Büro bgmr Becker Giseke Mohren Richard Landschaftsarchitekten entwickelte ein Konzept, das die vorhandenen Qualitäten der Grünanlagen ins Zentrum stellt und die Außenflächen zielgruppengerecht gestaltet. Die Vision von degewo und bgmr: Die Parklandschaft von Mariengrün wird zu einem Treffpunkt der Hausbewohner. Hinter dem Hochhaus beispielsweise sind Sportgeräte angebracht, an denen sich Senioren fit halten können. Dass im Erdgeschoss des Hochhauses ein Rollatorraum eingerichtet wurde, unterstreicht diese Zielgruppenorientierung ebenfalls. Dafür sind im Umfeld der Häuser, die sich an Starter und Ausbaufamilien richten, Spielplätze zu finden.

    Hingucker im Quartier: das Hochhaus in der Waldsassener Straße 29.

    Generationen verbinden

    Grünfläche

    73.000 m2Gewerbefläche

    1.823 m2

  • 23

    „ Es war klar, dass wir nicht Bestandsmieter vertreiben wollen.“

    Mieter Alexander Trohl und sein Sohn Nils schätzen die Nähe zum grünen Umland.

    Wohnanlage am Tirschenreuther Ring.

    Mit letzter Konsequenz setzt degewo das Konzept jedoch nicht um. „Es war klar, dass wir nicht Bestandsmieter vertreiben wollen“, sagt Irina Herz, Leiterin des Kundenzentrums Süd. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vermietungsabteilung machen Mietinteressenten jedoch darauf aufmerksam, welche Zielgruppe ein Haus primär anspricht. „Wenn aber ein junger Mensch im Hochhaus seine im selben Stockwerk wohnende Oma betreuen möchte, vermieten wir ihm gerne eine Wohnung“, stellt Irina Herz klar.

    Allerdings zeigte es sich im Zuge der Modernisierungsarbeiten, dass sich die Vorstellungen der Planer nicht immer mit den Wünschen der Mieter deckten. Besonders deutlich wurde

    das beim südlichsten Wohnblock (Waldsassener Straße 44–60), den die Planer für Starter und Ausbaufamilien sowie Alleinerziehende vorgesehen hatten. Dort wohnen aber auch zahlreiche Erstmieter und andere ältere Menschen – und diese waren nicht einverstanden mit den vorgeschlagenen Badfliesen und der Absicht, das Bad in Teilen nur 1,16 statt zwei Meter hoch zu fliesen. Mit einer Unterschriftenaktion wehrten sie sich gegen diesen Plan – und erreichten mit ihrem Protest eine Änderung der Badgestaltung. „Als Planer muss man loslassen können“, kommentiert dies Jacqueline Brüschke, Leiterin Bestandsentwicklung bei degewo. „Wir haben gezeigt, dass wir flexibel sind und auf die Mieter zugehen.“

  • Gute Nachbarschaft entsteht dort, wo sich die Menschen kennen.

    Engagiert für „ihren“ Kiez: degewoStadtteilmanagerin Christine MeinholdGerth, Mieter Erwin Diener und Mieterin Elke Saalmann.

  • 3Energie tanken

    Energie ist in den letzten Jahren immer teurer geworden. Was macht degewo, damit Energie für die Mieter bezahlbar bleibt?

    degewoEnergiemanager Volker Ries und Cornelia Kohl, Projektleiterin degewo Bestandsentwicklung.

  • 27

  • 28

    Fassadendämmung gehört zu einer Modernisierung – auch in Mariengrün. Doch das energetische Konzept geht weiter: Es nimmt das Quartier in den Blick und setzt auf zwei neue Blockheizkraftwerke.

    Der 26. Juli 2012 war ein aufregender Tag für degewoEnergiemanager Volker Ries. An diesem Tag hob ein Lastkran das erste Blockheizkraftwerk (BHKW) in das Heizhaus in Mariengrün – eine knifflige Aufgabe, da ein solcher 800KilowattMotor eine beträchtliche Di men sion aufweist. Ein zweiter Motor folgte wenig später. Mit einer elektrischen Gesamtleistung von 1.600 Kilowatt sind die beiden Blockheizkraftwerke in Mariengrün, die sich im degewoHeizwerk unter dem Alten Waschhaus in der Wald sassener Straße 40a befinden, die bisher größte Anlage ihrer Art im Berliner Wohnungsbestand.

    „Die Unterstützung der Wärmeversorgung durch zwei BHKW hat sich als wirtschaftlichste Lösung herausgestellt“, sagt Ries – wirtschaftlicher, als es die Wärmeversorgung über Solarthermie, Erdwärme oder einzelne Gasbrennwertkessel gewesen wäre. Blockheizkraftwerke zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf Grundlage der KraftWärmeKopplung (KWK) sowohl Strom als auch Wärme erzeugen. Damit gelten sie als ausgesprochen effiziente und umweltfreundliche Art der Energieerzeugung. In Mariengrün wird einer der beiden Motoren mit Erdgas betrieben, der andere mit Biogas, das der

    Primärenergiefaktor Der Primärenergiefaktor bezeichnet das Verhältnis zwischen der eingesetzten Primärenergie (zum Beispiel Erdöl oder Erdgas) und der Endenergie, also der Energie, die tatsächlich verbraucht werden kann. Je niedriger der Primärenergiefaktor ist, desto klimaschonender ist die Ener gie erzeugung.

    Die Wärmever sorgung in Mariengrün hat einen (niedrigen) Primärenergie faktor von 0,39.

    Mehr als Fassaden dämmen:das integrierte Energiekonzept

    Angela Schulze (links) und Martina Lindebaum, Projektleiterinnen.

    Der damalige GasagVorstand Andreas Prohl, Stadtentwicklungssenator Michael Müller und degewoVorstandsmitglied Frank Bielka (von links) bei der Inbetriebnahme des neuen Blockheizkraftwerks.

    Energie tankenBlockheizkraftwerk und Fassadendämmung

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    Partner Gasag Contracting GmbH in einer Anlage bei Schwedt/Oder erzeugt. Die bisherigen erdgasbetriebenen Heizkessel bleiben weiter in Betrieb, da die BHKW Leistung für die permanente Grundlastversorgung ausgelegt ist. Wenn es richtig kalt wird, steigen die Kessel mit ein.

    Das von degewo in Mariengrün realisierte Energiekonzept beschränkt sich jedoch nicht auf die Wärmeerzeugung, sondern nimmt auch die Wohngebäude in den Blick. Deren Energieeffizienz steigt deutlich, indem die Fassaden ein Wärmedämmverbundsystem erhalten, die allermeisten Fenster erneuert

    Stadtentwicklungssenator Michael Müller lässt sich das Blockheizkraftwerk erklären.

    Reduktion des CO2-Ausstoßes pro Jahr

    –70 %

  • 30

    und Dächer sowie Kellerdecken gedämmt werden. Durch die energetische Modernisierung sinkt der Wärmebedarf auf 50 bis 60 Prozent des Wertes vor Beginn der Modernisierung. Den jährlichen CO2Ausstoß kann degewo durch die Kombination aus Sanierung und BHKW sogar um über 70 Prozent reduzieren und damit einen Beitrag dazu leisten, die Klimaschutzziele des Landes Berlin zu erreichen.

    Indem das Unternehmen unterschiedliche Maßnahmen miteinander verzahnt, setzt es das um, was in der Wohnungswirtschaft momentan intensiv diskutiert wird: Es setzt auf eine dezentrale Lösung und betrachtet gleichzeitig das Energiethema in Bezug auf das ganze Quartier und nicht nur in Bezug auf einzelne Gebäude. Das hat mehrere Vorteile. Die BHKW ermöglichen es beispiels

    weise, bei der Gebäudemodernisierung wirtschaftliche Lösungen zu wählen und trotzdem eine hohe Gesamtenergieeffizienz zu erzielen. So kann degewo mit einer Fas sadendämmung von nicht mehr als 14 Zen timeter Dicke und mit handelsüblichen Fenstern arbeiten.

    Das wiederum kommt den Mietern zugute, da die Modernisierungskosten niedriger liegen, als es bei aufwändigeren Bau materia lien der Fall gewesen wäre. Gleichzeitig pro fitieren die Mieter von moderaten Betriebskosten. Dank der BHKW bleiben die Wärmekosten für die nächsten Jahre im Prinzip stabil – und dies, obwohl das umweltfreundliche Biogas, mit dem einer der beiden Motoren betrieben wird, teurer ist als konventionelle Energieträger. Weil zudem der Wärmeverbrauch durch die

    Ein Mittel für mehr Energieeffizienz: Fassadendämmung.

    Energie tanken

    Primärenergiefaktor

    0,39

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    energetische Modernisierung der Gebäude sinkt, resultiert eine deutliche Verringerung der Betriebs kosten.

    Darüber hinaus führen die BHKW – vor allem das mit Biogas betriebene – zu einer entscheidenden Verbesserung des Primärenergiefaktors. Beim bisherigen erdgasbetriebenen Heizwerk betrug dieser Primärenergiefaktor 1,48. Dass dieser Wert jetzt mit 0,39 wesentlich besser ausfällt, ist die Voraussetzung dafür, dass degewo für die energe tische Gebäudemodernisierung zins günstige Kredite der bundeseigenen KfWBank in Anspruch nehmen kann. Die KfWMittel ihrerseits stellen einen wichtigen Baustein des Finanzierungskonzepts dar und tragen ebenfalls dazu bei, die Miete nach der Modernisierung auf einem moderaten Niveau zu halten.

    Noch bei einem weiteren Punkt profitieren die Bewohner von den BHKW: Der dadurch

    erzeugte Strom wird teils ins Netz eingespeist, teils aber auch direkt den Mietern angeboten, und zwar zu einem Preis, der unter dem Basispreis des lokalen Stromversorgers Vattenfall liegt. Bisher haben etwa 15 Prozent der Mieter von diesem Angebot Gebrauch gemacht.

    Die Umsetzung des integrierten Energiekonzepts stellte degewo allerdings vor einige Herausforderungen. Zum Beispiel bei den Blockheizkraftwerken: Der Betrieb einer so großen und komplexen Anlage gehört nicht a priori zu den Kernkompetenzen eines Wohnungsunternehmens. degewo schloss deshalb mit der Gasag Wärmeservice GmbH (jetzt Gasag Contracting GmbH) einen ContractingVertrag ab. degewo hat die Option, die BHKW später zu erwerben und selbst zu betreiben. Mit der degewo Wärme GmbH hat degewo eine Tochtergesellschaft gegründet, die sich im Konzern um Energieversorgungsthemen kümmert.

    Nicht nur in Mariengrün realisiert degewo innovative Energiekonzepte. Durch die Gründung einer Tochtergesellschaft, der degewo Wärme GmbH, hat das Unternehmen die Voraussetzungen geschaffen, um selbst als Energieversorger tätig zu werden. Auf Energieeffizienz setzt degewo zudem auch im Berliner Ortsteil Lankwitz: Dort wird das Unternehmen ein Wohngebäude aus dem Jahr 1954 so umbauen, dass es den gesamten Wärme bedarf und einen Großteil des Strombedarfs selbst decken wird.

    CO2-Einsparung pro Jahr

    4.000 t

  • 4Gemeinsam leben

    Wo unterschiedliche Menschen zusammenleben, kann es zu Nachbarschaftskonflikten kommen. Mit welchen Maßnahmen trägt degewo zu einem friedlichen Miteinander bei?

    Von links nach rechts: Mieterin Elke Saalmann und Mieterbeiratsmitglied Erwin Diener mit Christine MeinholdGerth, Stadtteilmanagerin Mariengrün.

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    Dorf mit HochhäusernDen Hochhäusern zum Trotz – viele Bewohner empfinden Mariengrün als Dorf. Zwar geht es auch in einem Dorf nicht ohne Konflikte ab. Zahlreiche Menschen und Institutionen setzen sich aber erfolgreich für ein friedliches Miteinander ein.

    Wenn Christine MeinholdGerth durch Mariengrün geht, kommt sie meist nicht weit, ohne von einem Mieter angesprochen zu werden. Doch das stört sie nicht – ganz im Gegenteil: Es ist die Aufgabe der degewoStadtteilmanagerin, mit den Menschen in Mariengrün zu kommunizieren und das Quartiersnetzwerk noch enger zu knüpfen. Auf diese Weise trägt sie dazu bei, dass das Gefühl der Anonymität, das viele Menschen mit Großwohnsiedlungen verbinden, gar nicht erst auftritt.

    Dabei kann die Stadtteilmanagerin auf das Engagement von Mieterinnen und Mietern zählen. Zum Beispiel auf das von Elke Saalmann und Erwin Diener. Die beiden langjährigen degewoMieter organisieren regelmäßig ein Mieterfest und einen Trödelmarkt, unternehmen mit einer Radfahrergruppe Ausflüge ins Umland und haben eine HundehalterInitiative gegründet.

    Aufbauen kann Christine MeinholdGerth auch auf Institutionen, die zum Teil schon lange in Mariengrün aktiv sind. So betreibt zum Beispiel im ehemaligen Waschhaus in der Waldsassener Straße 40a seit zwanzig Jahren ein Verein das Nachbarschaftszentrum, das dreimal wöchentlich Kaffee und

    Kuchen auftischt. Darüber hinaus werden Kurse angeboten, beispielsweise Internet und Gymnastikkurse für ältere Menschen. Verstärkt sollen sich auch jüngere Men schen vom Angebot des Nachbarschaftszentrums angesprochen fühlen; so hat Christine MeinholdGerth eine Veranstaltung für Kinder ins Leben gerufen, bei der diese kochen, basteln und spielen können. Der Verein muss an degewo keine Miete zahlen, sondern lediglich die Betriebskosten übernehmen.

    Eng ist auch der Austausch mit dem 2009 gegründeten Quartiersbüro W40 in der Waldsassener Straße 40, das von der Arbeitsgemeinschaft für Sozialplanung und an gewandte Stadtforschung e. V. (AG SPAS) be trieben wird. Das W40 wird von der öffentlichen Hand finanziert und hat jährlich rund 33.000 Euro zur Verfügung, um Projekte im Kiez zu unterstützen. Etwa dreimal jährlich findet zudem im Beisein von Oliver Schworck, dem für Jugend, Ordnung und Bürgerdienste zuständigen Bezirksstadtrat des Bezirks TempelhofSchöneberg, ein offenes Stadtteilforum statt, auf dem Probleme wie Hundekot und die wilde Entsorgung von Sperrmüll besprochen werden.

    Es ist die Aufgabe der degewoStadtteilmanagerin, mit den Menschen in Mariengrün zu kommunizieren.

    Hat die Funktion eines Dorfplatzes: der Platz vor dem Nahversorgungszentrum.

    Gemeinsam lebenHochhaus

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    Häufiges Thema auf den Stadtteilforen ist auch die Situation der zahlreichen Kinder in Mariengrün. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Schulen, da diese ein Quartier für Familien attraktiv machen. Die Voraussetzungen dafür in Mariengrün sind gut: Die GustavHeinemannSchule ist eine weit über Mariengrün hinaus beliebte Oberschule, und auch die örtliche Grundschule liegt ganz in der Nähe. Nach dem Vorbild der erfolgreichen, von degewo initiierten Bildungsverbünde im Brunnenviertel und in der Gropiusstadt arbeitet Stadtteilmanagerin Christine MeinholdGerth an einer noch

    engeren Vernetzung der unterschiedlichen Bildungsinstitutionen von der Kita bis zur Oberschule.

    Wichtig ist es Christine MeinholdGerth dabei stets, die Betroffenen selbst zu aktivieren. Dies gilt auch für eines ihrer jüngsten Projekte: Auf dem ehemaligen Areal des „Ökohauses“

    am östlichen Rand von Mariengrün haben in diesem Jahr die Arbeiten an einem „Garten der Länder“ begonnen. Geplant ist, dass jeder, der möchte, eine eigene kleine Parzelle bewirtschaften kann – nach dem Modell des derzeit in vielen Großstädten angesagten Urban Gardening. Als Partner ist dabei das Netzwerk Stadtraumkultur mit im Boot.

    „Wichtig ist es, die Betroffenen selbst zu aktivieren.“

    Bei der Entwicklung des Quartiers setzt Stadtteilmanagerin Christine MeinholdGerth (oben links) auf die Zusammenarbeit mit Schulen – auch mit der Marienfelder Grundschule.

    Wohnfläche

    165.965 m2

  • Den Außenflächen kommt eine wichtige Bedeutung zu, wenn es darum geht, ein gutes Miteinander der Menschen zu fördern.

    36

    Pflanzen setzen Akzente. Die neu gestalteten Außenflächen sind auf die Bedürfnisse der Anwohner ausgerichtet.

    Ohnehin kommt den Grünflächen eine wich tige Bedeutung zu, wenn es darum geht, ein gutes Miteinander der Menschen in Mariengrün zu fördern. Das Außenflächenkonzept legt deshalb Wert darauf, Orte zu schaffen, an denen sich die Menschen gern aufhalten und miteinander kommunizieren. So gibt es zum Beispiel an mehreren Stellen Pergolen, die zum Schwätzchen einladen. In der Nähe derjenigen Gebäude, die vor allem für junge Familien gedacht sind, sind Spielplätze an ge legt, während sich im Umfeld der auf Senioren ausgerichteten Wohnhäuser ruhige Aufenthaltsplätze, aber auch spezielle Sport geräte für ältere Menschen finden. Außerdem sieht das Konzept so genannte schöne Orte vor. „Das sind Orte, wo wir Blumen mit besonders hoher Blühqualität pflanzen“, erläutert Ursula Allerdissen, Projektleiterin Bestandsentwicklung bei degewo. „Dadurch erhöht sich die Aufenthaltsqualität.“ Am Rand des Vorplatzes des Hochhauses beispielsweise ist jetzt Allium (Zierlauch) gepflanzt.

    Zu einem guten Miteinander tragen aber auch weitere degewoBeschäftigte und Dienstleister bei. Wenn es zu Problemen

    mit Lärm und Rücksichtslosigkeit kommt, tritt der von degewo beauftragte Sicherheitsdienst in Aktion, der allabendlich im Viertel unterwegs ist. Tagsüber sorgen die sieben Hausmeister für eine angenehme Nachbarschaft. „Ein paar Prozent meiner Arbeit sind Mieterseelsorge“, schmunzelt Hausmeister Klaus Severin. Und auch Mike Berck, Concierge im Hochhaus, tut wesentlich mehr, als Pakete entgegen zunehmen und auf Sauberkeit im Eingangsbereich zu achten. „Ich helfe auch mal bei Renten anträgen oder Widersprüchen gegen Haustürgeschäfte“, erzählt er. „Und wenn ein langjähriger Mieter stirbt, dann habe ich schon damit zu kämpfen.“

    Dass die Nachbarn aufeinander achten, hat auch die langjährige Mariengrün Be woh nerin und degewoMitarbeiterin Margrit Binnewies erfahren. „Die Großsiedlung kam mir wie ein Dorf vor, als ich 1994 hierherzog“, erzählt sie. „Ich fand die Siedlung von Anfang an schön, weil sie sehr grün und ruhig ist.“ Vor kurzem ist Margrit Binnewies aus Berlin und damit aus Mariengrün weggezogen – im Bewusstsein, „dass ich Mariengrün auf jeden Fall vermissen werde“.

    Gemeinsam leben

  • 37

    „ Ich fand die Siedlung von Anfang an schön, weil sie sehr grün und ruhig ist.“

    „ Ein paar Prozent meiner Arbeit sind Mieterseelsorge.“

    Hausmeister Klaus Severin begrüßt eine Mieterin.

    Der Platz vor dem Hochhaus lädt zum Verweilen ein. Im Blick: Die von Künstler Frank Beutel neu gestalteten Betonkugeln.

    Anzahl der Mieter

    ca. 4.200

  • Christel MüllerGüntner

    Schülerinnen der Marienfelder Grundschule.

    38

    Wie Mieter Mariengrün erleben

    Als Christel MüllerGüntner noch im Ein fa milienhaus in Marienfelde wohnte und aus der Ferne das Hochhaus in Mariengrün sah, dachte sie: Da will ich nie wohnen. Dann aber war sie nach dem Tod ihres ersten Mannes auf Wohnungssuche und besichtigte doch eine Einzimmerwohnung im 24. Stock des Hochhauses. „Ich stand da und dachte: Warum eigentlich nicht?“, erzählt die agile 73Jährige.

    Bereut hat Christel MüllerGüntner die Entscheidung nicht: Seit nun 16 Jahren wohnt sie in Mariengrün, zuerst im 24. Stock, seit 2010 mit ihrem zweiten Mann Wolfgang in einer Zweizimmerwohnung in der 22. Etage. Von ihrer kleinen Loggia geht der Blick bis zum in Bau befindlichen Großflughafen in Schönefeld, während sich vom Küchenfenster aus die Aussicht auf die Stadt eröffnet. „Hier ist es schöner und heller als in der Innenstadt“, sagt die Mieterin. „Das Freie hier oben, das tut gut. Ja, hier bin ich zuhause.“

    So wie Christel und Wolfgang Müller geht es auch anderen Mietern in Mariengrün: Zwar mussten sie sich zuerst an die Großsiedlung gewöhnen, doch dann fanden sie hier ihre Heimat. Alexander Trohl zum Beispiel zog 1999 als junger Mann aus Wilmersdorf in die Waldsassener Straße. „Das war erst einmal ein Schock“, erinnert sich der heute 40Jäh rige. „Es war schon ein wenig anonym hier.“ Doch längst ist er begeistert von der Wohnung und vom Wohnumfeld. Von seiner Erdgeschosswohnung aus hat er Zugang zum eigenen Garten, und mit seinem zehnjäh rigen Sohn Nils ist er oft mit dem Rad in der grünen Umgebung unterwegs. Zudem schätzt er es, dass er schnell an seinem Arbeitsplatz am Flughafen Schönefeld ist.

    „Mir gefällt alles hier“, sagt auch Elke Saalmann. Sie ist eine echte Erstmieterin: 1971 zog sie mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in eine der soeben fertig gestellten Wohnungen in der Waldsassener Straße. „Am Anfang fehlte mir der Schaufensterbummel“, erzählt die 68Jährige, die zuvor in Neukölln gewohnt hatte. „Aber dafür ist es hier grün und ruhig. Auch Einkaufsmöglichkeiten gibt es, und in zwanzig Minuten ist man ja in der Schlossstraße mit ihren Einkaufszentren.“

    Seit 2003 lebt auch ihr Lebenspartner Erwin Diener (73) in einer eigenen Wohnung in Mariengrün. Er engagiert sich im Mieterbeirat und ist zusammen mit seiner Partnerin auch sonst vielfältig aktiv. So organisieren sie zum Beispiel regelmäßig ein Mieterfest und einen Trödelmarkt und haben eine Fahrradgruppe ins Leben gerufen, die Ausflüge in die grüne Umgebung unternimmt. In diesem Jahr gründeten sie zudem eine Hundehalterinitiative, die sich für ein friedliches Miteinander von Hundehaltern und Nichthundehaltern einsetzt – unter

    Gemeinsam lebenExkurs

  • Alexander Trohl mit Sohn Nils.

    39

    besonderer Berücksichtigung des HundekotProblems, das in Mariengrün immer wieder für Unmut sorgt.

    „Es ist wichtig, dass es ein Miteinander gibt“, begründet Elke Saalmann ihr Engagement. „Denn je besser sich die Menschen kennen, desto mehr achten sie auf den Kiez.“ Ganz ähnlich sieht das Christel MüllerGüntner: Sie arbeitet seit zwanzig Jahren ehrenamtlich im Café im Nachbarschaftszentrum und hat sich zudem bereit erklärt, sich um die neuen Hochbeete hinter dem Hochhaus zu kümmern.

    Und wie haben die Mieter die Modernisierung ihrer Wohnungen erlebt? „Die war schlimm“, seufzt Christel MüllerGüntner und meint damit vor allem den Lärm. Der stellte auch für Alexander Trohl, der Schicht arbeitet, ein großes Problem dar – doch immerhin konnten er und sein Sohn während der heißen Phase der Strangsanierung eine Ausweichwohnung beziehen. Auch Elke Saalmann, die Allergikerin ist, bekam ein Ausweichdomizil.

    Unterschiedlich sind die Erfahrungen mit den Handwerkern: Während Elke Saalmann und Erwin Diener die Abstimmung unter den Firmen und die Qualität der Arbeit bemängeln, lief es bei Alexander Trohl und dem Ehepaar Müller weit gehend reibungslos. Nun ja, die Sanierung des Parkhauses neben dem Hochhaus sei nicht schön gewesen, sagt Wolfgang Müller: „Die ganze Straße hat gebebt.“ Einhellig loben die Mieter jedoch die Betreuung durch degewo: Sie seien gut informiert worden und hätten bei Problemen jederzeit einen Ansprechpartner gehabt. „degewo hat sich echt Mühe

    gegeben“, stellt Alexander Trohl fest. In einem Punkt allerdings gehen Elke Saalmann und Erwin Diener mit degewo hart ins Gericht: „Mit der vorgesehenen Fliesenauswahl bei der Badgestaltung waren wir überhaupt nicht einverstanden. Deshalb sammelten wir bei Nachbarn Unterschriften und baten um einen Termin bei degewoVorstand Frank Bielka.“ Der Protest hatte Erfolg – degewo änderte die Auswahl der Fliesen.

    Alexander Trohl freut sich besonders über die neuen Fenster, weil er nun den Straßenlärm kaum mehr wahrnimmt. Wolfgang Müller lobt, dass das Hochhaus und der Vorplatz jetzt viel schöner sind als früher. Und seine Frau Christel sagt: „Ich kann gar nicht verstehen, dass alle nach BerlinMitte wollen.“

    Mariengrün, die Großsiedlung im Grünen.

  • 40

    degewo hat sich bei der Betreuung während der Bauarbeiten echt Mühe gegeben.

  • Mieter Alexander Trohl und sein Sohn Nils fühlen sich in Mariengrün wohl.

  • 5Weiter denken

    Kommunale Wohnungsbaugesellschaften sind verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln. Welche Herausforderungen sind damit verbunden?

    Kümmern sich um die Zahlen: Konstantin Wilhelm (links), Leiter Zentrale Finanzierung, und Ulrich Jursch, Leiter Zentrales Bestandsmanagement.

  • 43

  • 44

    Die Zahlen im BlickWarum KfWMittel für die Wirtschaftlichkeit der Modernisierung von Mariengrün unverzichtbar sind und weshalb manchmal der Fahrplan gehörig durcheinanderkommt: Ein so großes Vorhaben wie die Modernisierung von Mariengrün ist mit wirtschaftlichen Herausforderungen verbunden.

    Wenn es bei degewo um Geld geht, ist Konstantin Wilhelm gefragt. Und bei der umfassenden Modernisierung von Mariengrün geht es um viel Geld, nämlich um rund 105 Millionen Euro. Wilhelm ist Leiter Zentrale Finanzierung und somit dafür verantwortlich, die nötigen Mittel möglichst günstig zu beschaffen. „Als kommunales Unternehmen sind wir zu streng wirtschaftlichem Handeln verpflichtet“, betont Wilhelm.

    Grundsätzlich gilt, dass degewo nicht eine projektbezogene Finanzierungsstrategie verfolgt, sondern mit einem konzernweiten Pool für Investitionen arbeitet. Dabei setzt das Unternehmen bei energieeffizienten Sanierungen etwa ein Drittel Eigen kapital, ein Drittel Bankdarlehen und ein Drittel KfWDarlehen ein.

    Gerade im Fall von Mariengrün spielen die zinsgünstigen Kredite der bundeseigenen KfWBank eine entscheidende Rolle. Gleich mehrere Programme (Energieeffizient Sanieren, Energieeffizient Bauen und Altersgerecht Umbauen) mit einem Kreditvolumen von rund 40 Millionen Euro werden in Anspruch genommen. Dabei kommt auch die landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB) ins Spiel: Sie leitet die KfWMittel an degewo weiter

    „ Als kommunales Unternehmen sind wir zu streng wirtschaftlichem Handeln verpflichtet.“

    Modernisierte Wohnhäuser in Mariengrün.

    Weiter denkenLadenzentrum, Parkhaus

  • 45

    und verbilligt den ohnehin niedrigen Zins weiter, so dass beim besonders wich tigen Programm Energieeffizient Sanieren letztlich ein Zinssatz von nur noch 0,40 Prozent resultiert. Außerdem wird aufgrund des KfW EffizienzhausNiveaus in den überwiegenden Fällen zusätzlich ein Tilgungszuschuss von fünf Prozent des Darlehensbetrages gewährt.

    „Dieses Verfahren ermöglicht es, dass die Mieten nach der Modernisierung nur moderat ansteigen“, erläutert Wilhelm. Konkret ergibt sich aus der Inanspruchnahme der KfWKredite eine monatliche Mieteinsparung von etwa 0,30 bis 0,40 Euro pro Quadratmeter, die den Mietern zugutekommt.

    Möglich macht dies der integrierte Modernisierungsansatz, den degewo in Mariengrün verfolgt. Denn um in den Genuss der KfWFörderung zu kommen, muss der Bauherr eine bestimmte Energie effizienz nachweisen.

    In Mariengrün gelingt dies dank dem quartiersbezogenen Energiekonzept, das auch auf den neuen Blockheizkraftwerken aufbaut.

    Dass ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit kein Widerspruch sein müssen, sondern sich sogar gegenseitig bedingen, zeigt ein weiteres Beispiel: Bei der Gestaltung der Außenflächen baut degewo ein so genanntes MuldenRigolenSystem ein, über das ein Teil des von den Häuserdächern kommenden Regenwassers versickern kann. Dieses System ist nicht nur umweltfreundlich, sondern senkt auch die Abwassergebühr. Davon profitieren wiederum die Mieter in Form niedrigerer Betriebskosten.

    Da die Planung immer das ganze Quartier in den Blick nimmt, berücksichtigt sie natürlich auch das kleine Einkaufszentrum an der Kreuzung der Waldsassener Straße und des Tirschenreuther Rings.

    Ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit müssen kein Widerspruch sein, sondern können sich sogar bedingen.

    Das Mulden-Rigolen-System

    Das MuldenRigolenSystem ist eine umweltfreundliche Methode der Regenwasserversickerung. Dabei läuft das Regenwasser über eine Mulde in die so genannte Rigole – einen unter irdischen Pufferspeicher –, wo es dann versickert.

    Anzahl der sanierten Wohnungen Anzahl der noch zu sanierenden Wohnungen

    1.200

    2012 2013 2014 2015

    1.000

    800

    600

    400

    200

    0

  • 46

    Wichtig für die Attrak tivität von Mariengrün als Wohnviertel sind auch die drei Parkhäuser.

    Dieses wurde später als die Wohngebäude errichtet, nämlich zwischen 1982 und 1986. Es umfasst zwei miteinander verbundene Gebäude – insgesamt 14 Gewerbeeinheiten mit etwa 1.800 Quadratmeter Fläche –, die an einen Supermarkt, eine Gaststätte, mehrere kleine Läden und Arztpraxen vermietet sind.

    Dabei besteht Verbesserungsbedarf, wie Rainer Uhlig, Leiter Gewerbeimmobilien bei degewo, erläutert. Zwar ist nach seinen Worten das Objekt voll vermietet und die Miethöhe durchaus zufriedenstellend. Anders verhält es sich aber mit der städtebaulichen Situation: Das Gewerbezentrum macht zur Waldsassener Straße hin einen abweisenden Eindruck, da die Läden mehrheitlich vom – recht dunklen – Innenhof aus zugänglich sind. Zudem ist es baulich in die Jahre gekommen.

    Für die Bewohner von Mariengrün hat das Gewerbezentrum eine wichtige Funktion und erleichtert so auch die Vermietung der

    Wohnungen. Zugleich funktioniert es für die Gewerbetreibenden nur, wenn das Angebot an Waren und Dienstleistungen zu den Bedürfnissen der Bewohner passt. degewo wird die Gebäude daher in den nächsten Jahren revitalisieren. Angedacht ist unter anderem, die Fläche des Supermarkts zu vergrößern und das Zentrum durch ein Café mit besonnter Außenfläche zur Straße hin zu öffnen.

    Wichtig für die Attraktivität von Mariengrün als Wohnviertel sind auch die drei Parkhäuser. Bereits abgeschlossen ist die Modernisierung des neben dem Hochhaus gelegenen Parkhauses in der Waldsassener Straße 31 – doch dabei lief es nicht so wie geplant. Auf Grundlage eines Gutachtens war ursprünglich nämlich vorgesehen, lediglich den vorhandenen Beton instand zu setzen und das Dach zu erneuern. Im Lauf der Bauarbeiten zeigte es sich jedoch, dass die Bausubstanz wesentlich maroder war als erwartet. Als Folge davon mussten die Baufirmen die Decken komplett entfernen und anschließend neu betonieren.

    Das sanierte Parkhaus (im Vordergrund) wird von den Autobesitzern unter den Mietern sehr geschätzt.

    Weiter denken

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    „ Ich bin überzeugt, dass diese ganzheitliche Herangehensweise Vorteile bringt. Denn man denkt dabei weiter, und das bringt einen echten Mehrwert.“

    Dies führte zu einer Verlängerung der Bauzeit von acht auf 20 Monate und zu erheblichem Unmut bei den Anwohnern, die in dieser Zeit für ihr Auto einen Stellplatz im Freien suchen und zudem den Baulärm er dulden mussten.

    Dass es bei einem so großen Modernisierungsprojekt zu unerfreulichen Über rasch ungen kommen kann, zeigt auch das Thema Asbestsanierung. Denn 2012, als degewo gerade dabei war, die Häuser im Tirschenreuther Ring 16–24 zu sanieren, wurde die Gefahrstoffverordnung vom Bund geändert. Während zuvor asbestbelasteter Kleber mit Epoxidharz versiegelt werden durfte, musste er nun komplett entfernt werden.

    Dies stellte alle Beteiligten vor erhebliche Herausforderungen, da sie zunächst eine passende Technologie finden mussten, um die neuen Vorschriften umzusetzen. Diese Technologie (der Kleber wird abgeschliffen und über eine spezielle Absaugmaschine

    in ein dichtes Behältnis befördert) ließ sich nicht in bewohnten Wohnungen anwenden. Das führte dazu, dass der ausgeklügelte logistische Ablauf durcheinandergewirbelt wurde. Die Bauzeit pro Strangsanierung verlängerte sich, und die ganze Baumaßnahme musste in zwei Abschnitte aufgeteilt werden, so dass der zweite Bauabschnitt erst 2014 abgeschlossen wird.

    Trotz aller Herausforderungen – für Ulrich Jursch, Leiter Zentrales Bestandsmanagement bei degewo, lohnt sich der in Mariengrün verfolgte Ansatz auch im Hinblick auf weitere Modernisierungspro jekte: „Ich bin überzeugt, dass diese ganzheitliche Herangehensweise Vorteile bringt. Denn man denkt dabei weiter, und das bringt einen echten Mehrwert.“

    Entwicklung der Mieten Obwohl die Modernisierung von Mariengrün erst im Jahr 2015 abgeschlossen sein wird, sind erste wirtschaftliche Erfolge bereits unübersehbar. Durch die Sanierung steigt die Bereitschaft der Mieter, eine höhere Miete zu zahlen. Während die Durchschnittsmiete (netto/kalt) vor Beginn der Modernisierung im Jahr 2011 bei 4,70 Euro pro Quadratmeter lag, sind es jetzt rund 5,50 Euro pro Quadratmeter; bei neuen Verträgen beträgt die Miete rund 6 Euro pro Quadratmeter. Gleichzeitig hat der Anteil der Neumieter, die nicht von Transferleistungen abhängig sind, zugenommen, und das Haushaltsnettoeinkommen der Neumieter liegt deutlich über dem degewoDurchschnitt.

    4,70 5,50

    2011 heute

    Mietpreisentwicklung (netto/kalt, in € pro m2)

    Nach der Dämmung der Fassaden sinkt der Energieverbrauch.

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    Ein Großprojekt wie die Modernisierung von Mariengrün stellt eine wirtschaftliche Herausforderung dar. degewoVorstand Christoph Beck über die Renta bilität des Wohnungsneubaus, die Auswirkungen auf die Mieten und die Zukunftsaussichten von Mariengrün.

    Herr Beck, Mariengrün ist eine Großwohnsiedlung am Stadtrand. Solche Siedlungen haben nicht unbedingt den besten Ruf. Trotzdem investiert degewo viel Geld in die Modernisierung. Warum?Großwohnsiedlungen sind eine Wohnform, die in Metropolen weltweit nicht unüblich ist. Sie sind kompakt, und sie sind in Bezug auf das Umfeld attraktiv. Es handelt sich um Wohnungen, die für breite Schichten der Bevölkerung funktional, gut und ökonomisch sind. Deshalb sind wir überzeugt, dass diese Wohnform Zukunft hat.

    Ein solches Großvorhaben stellt eine finanzielle Herausforderung dar. Rechnet es sich für das Unternehmen? Natürlich müssen sich die investiven Mittel verzinsen. Dabei streben wir eine Rendite von ungefähr fünf Prozent an, die wir über das Gesamtunternehmen und auch bei einzelnen Projekten erwirtschaften wollen.

    Welchen Stellenwert im Finanzierungskonzept haben die KfWMittel?KfWDarlehen sind ein wesentlicher Bestandteil des Finanzierungskonzeptes, weil es extrem günstige Mittel sind, die uns in die Lage versetzen, die Mieten entsprechend günstig zu gestalten.

    Wie wirkt sich die Modernisierung auf die Mieten aus?Wir halten uns selbstverständlich an die Vorgaben des Bündnisses der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften mit dem Senat und legen nur neun Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete um. Dabei versuchen wir, die Miete möglichst warmmietenneutral zu halten – das heißt, dass die Gesamtmiete inklusive der Kosten für Heizung und Warmwasser am Ende nicht höher sein soll als vor der Modernisierung. Das gelingt nicht immer, manchmal ist eine moderate Mieterhöhung unumgänglich. Im Durchschnitt steigt die Gesamtmiete nach der Modernisierung um sechseinhalb Prozent.

    Mit welchem Eigenkapitalanteil arbeiten Sie?Das lässt sich so nicht sagen, da wir unsere Investitionen im Gesamtunternehmen finanzieren. Dabei streben wir einen Verschuldungsgrad an, der einer Hypothekarfinanzierung entspricht. Das heißt, dass die Zielver schuldung bei 60 Prozent unseres Beleihungswertes liegt. Aus diesem Ansatz ergeben sich dann unsere Finanzierungsstrukturen und der Einsatz von Fremdkapital.

    Christoph Beck Vorstand

    Unseren Investitionen in den Neubau liegt stets eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde.

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    Wie schwer fällt es Ihnen, Banken als Finanzierungspartner zu gewinnen?Wir haben an uns gearbeitet und sind heute für die Banken ein attraktiver Partner. Wir haben die Verschuldung massiv gesenkt, wir haben unsere Ertragssituation deutlich verbessert, wir haben das Unternehmen wirtschaftlich stabilisiert. Und wir weisen den Banken gegenüber eine Geschäftspolitik nach, die auf einem nachhaltigen Wirtschaften basiert. Deshalb geben uns die Banken gerne Geld.

    In Berlin pflegen bekanntlich viele Bauvorhaben teurer zu werden als geplant. Bleibt es bei der Moderni sierung von Mariengrün bei 105 Millionen Euro?Wir bleiben bei unseren Projekten in aller Regel im Kostenbudget. Und das wird nach gegenwärtigem Stand auch bei diesem Projekt der Fall sein.

    In Mariengrün werden die Mieter stark ein be zogen. So können sie beispiels weise bei der Gestaltung von Eingangsbereichen und Außenflächen mitbestimmen. Wäre es im Interesse von Effizienz und Kostenminimie rung nicht besser, auf solche Mitbestimmungsprozesse zu verzichten?Wir wollen, dass die Mieter gern und lange bei degewo wohnen. Deshalb bemühen wir uns stets, die Interessen der Mieter bei unseren Bau und Modernisierungsprojekten zu berücksichtigen. Denn wir glauben, dass das eine Investition in die Zufriedenheit und damit auch in die Mietzahlungsbereitschaft darstellt.

    Sie modernisieren nicht nur, Sie haben in Mariengrün auch den ersten degewoNeubau seit vielen Jahren errichtet. Die Durchschnittsmiete beträgt dort 8,50 Euro pro Quadrat meter. Ist das wirtschaftlich realisierbar?Ja. Unseren Investitionen in den Neubau liegt stets eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zu grunde. Inklusive Grundstück betragen die Kosten in Mariengrün rund 1.700 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Bei künftigen Neubauten werden die Mieten teilweise sogar noch günstiger sein. Denn wir haben Mittel aus dem neuen Wohnungsneubauförderungsprogramm des Landes

    Berlin beantragt, um noch mehr bezahlbaren Wohnraum für Mieterinnen und Mieter mit kleinen und mittleren Einkommen zu realisieren.

    Sie beziehen in Mariengrün soziale, ökolo gische und wirtschaftliche Aspekte bei der Modernisierung gleichermaßen mit ein. Gilt dieses Prinzip auch für Ihre künftigen Modernisierungsvorhaben?Grundsätzlich verfolgen wir immer einen ganzheitlichen Quartiersansatz. Ökologie, wirtschaftliche Infrastruktur, Bildungsinfrastruktur sind für große Quartiere wichtige Themen und insofern von essentiellem Interesse für einen Wohnungseigentümer. Denn die Vermietung der Wohnungen hängt davon ab, wie attraktiv die Gesamt struktur ist.

    Wo sehen Sie Mariengrün in zehn Jahren?Es wird ein Quartier sein, in dem die Menschen weiterhin gerne leben. Durch die Nähe zum neuen Großflughafen wird der Standort sogar noch gewinnen. Mariengrün, davon bin ich überzeugt, wird ein attraktiver Wohnort sein.

  • 6Miteinander reden

    Ohne Mitbestimmung sind Großprojekte heute zum Scheitern verurteilt. Wie gelingt es bei einem Moderni sierungsvorhaben, Mieter und Öffentlichkeit frühzeitig mit einzubinden?

    Hausmeister Klaus Severin mit zwei von „seinen“ Mietern.

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    Partizipation ist das Gebot der Stunde. In Mariengrün wird es ernst genommen: Mieterinnen und Mieter können bei der Gestaltung der Eingangsbereiche und der Außenflächen mitbestimmen. Auch sonst wird Kommunikation in Mariengrün großgeschrieben.

    Wer das Hochhaus in der Waldsassener Straße 29 betritt, kann sie gar nicht übersehen: die großformatige Fototapete, die einen Kiefernwald in den Gärten der Welt in Marzahn zeigt. „Die Fototapete gefällt den Mietern“, sagt Concierge Mike Berck, der von seiner Loge aus das Geschehen im Hochhaus im Blick hat und die Stimmung der Bewohner gut einschätzen kann.

    Diese Zustimmung ist nicht weiter erstaunlich: Das Motiv der Fototapete wurde nämlich nicht von degewo vorgegeben, sondern von den Mietern selbst in einer Abstimmung unter mehreren Vorschlägen ausgewählt. Damit ist die Tapete Teil eines umfassenden Kommunikationskonzepts, das auf drei Säulen beruht: Es richtet sich erstens an die Mieter, spricht zweitens die breite Öffentlichkeit an und wirkt drittens ins Unternehmen hinein.

    Im Vordergrund beim mieterorientierten Kommunikationskonzept steht das Ziel, die Mieter bei wesentlichen Fragen der Modernisierung mitbestimmen zu lassen. Das beginnt bei der eigenen Wohnung: In jedem Haus können die Mieter aus einem Spektrum von Vorschlägen für die Badgestaltung auswählen. Das geht weiter bei Fragen der Eingangs und der Treppenhausgestaltung. Um beispielsweise das Motiv der Fototapete im Hochhaus zu klären, lud degewo zu einer Mieterversammlung ein, an der immerhin rund 50 Hausbewohner teilnahmen. Außerdem hatten die Mieter die Möglichkeit, ihre Stimme in eine Liste einzutragen.

    Auch bei anderen Gebäuden konnten Mieter bei der Gestaltung des Eingangsbereichs und des Treppenhauses mit reden. Unbegrenzt sind die Mitwirkungsmöglichkeiten allerdings nicht – die Farbe der Fassade beispielsweise bestimmten degewo und die Architekten.

    Wenn Mieter mitbestimmen

    Das Kommunikationskonzept verfolgt das Ziel, die Mieter bei Fragen der Modernisierung mitbestimmen zu lassen.

    Mike Berck, Concierge im Hochhaus.

    Miteinander redenFototapete und Informationsgerüst

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    Wert auf die Meinung der Kunden legt degewo hingegen bei der Gestaltung der Außenflächen. Zwar gibt es dafür ein Grundkonzept des Landschaftsplanungsbüros bgmr. Im Einzelnen aber können die Anwohner ihre Anliegen einbringen: Gibt es beispielsweise ein Bedürfnis nach Hochbeeten im Außenbereich? Wer ist bereit, sich darum zu kümmern? Und soll der Spielplatz umgestaltet werden?

    Dass solche Diskussionen tatsächlich zu Änderungen führen, beweist der Bereich westlich der Busschleife in der Waldsassener Straße. Von dort führt ein Pfad an einem Spielplatz vorbei zu den Wohnhäusern mit

    den Hausnummern 44–60. Die Landschaftsarchitekten sahen hier eine veränderte Wegeführung vor, die dazu geführt hätte, dass der Spielplatz verkleinert worden wäre. „Die Mieter wollten aber lieber eine Auf wertung des Spielplatzes, weshalb wir die Planung modifiziert haben“, berichtet Ursula Allerdissen, die bei degewo für die Außenflächen zuständig ist. „Wenn theoretische Konzepte von den Mietern nicht akzeptiert werden, müssen und wollen wir reagieren.“

    Kommunikation auf allen Ebenen: Das Konzept für Mariengrün wurde in zahlreichen Diskussionen entwickelt.

    Neu gestalteter Spielplatz.

    Die Fototapete im Eingangsbereich des Hochhauses in der Waldsassener Straße 29 haben die Mieter ausgewählt.

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    Zum Kommunikationskonzept gehört darüber hinaus die frühzeitige Information über die Modernisierungsmaßnahmen. So verschickt degewo nicht nur die gesetzlich vorgeschriebene Modernisierungsankündigung, sondern lädt die betroffenen Mieter auch ein halbes Jahr vor Beginn der Bauarbeiten zu einer Mieterversammlung ein, auf der die wichtigsten Fragen beantwortet werden. Eine zweite Mieterversammlung findet etwa eineinhalb Monate vor Strangöffnung statt. Zu diesem Zeitpunkt suchen Vertreter der degewoBauleitung und des externen Ingenieurbüros die betroffenen Mieter auch in ihrer Wohnung auf, um die ganz persönlichen Sorgen zu klären: Was passiert mit der selbst bezahlten Küche? Wo soll die Katze während der heißen Bauphase unterkommen? Wird eine Umsetzwohnung zur Verfügung gestellt?

    Ein solches Ausweichdomizil bietet degewo vorrangig älteren oder gesundheitlich beeinträchtigten Mietern an sowie Familien mit kleinen Kindern und Mietern, die im Schichtdienst arbeiten. Darüber hinaus erhalten alle Mieter Unterstützung durch Mitarbeiter der ASUM Angewandte Sozialforschung und

    urbanes Management GmbH, die beispielsweise beim Freiräumen der Wohnung helfen.

    Wichtig sei es, „bei Problemen sofort zu reagieren“, sagt Irina Herz, Leiterin des Kundenzentrums Süd. „Anders als zu Beginn der Modernisierungsarbeiten informieren wir jetzt auch dann, wenn wir selbst noch nicht genau wissen, wie es weitergeht.“ Eine solche Situation trat beispielsweise ein, als neue gesetzliche Vorgaben für die Asbestsanierung zu einer Verzögerung der Bauarbeiten führten.

    Der Kommunikation mit den Mietern, aber auch mit einer breiteren Öffentlichkeit dient ferner ein Informationsgerüst auf dem Platz vor dem Hochhaus. Es informiert Mieter und andere Interessierte über die Geschichte von Mariengrün und das Modernisierungskonzept. Blankotafeln laden außerdem dazu ein, Kritik zu üben und Vorschläge einzubringen.

    Wichtigstes Ziel in der Außenkommunikation ist die Vermittlung des neuen, in einem aufwändigen Prozess entwickelten Quartiersnamens Mariengrün. Die Federführung in diesem Prozess lag bei der degewoKommu

    „ Wichtig ist es, bei Problemen sofort zu reagieren.“

    Lars Gustafsson von der degewoUnternehmenskommunikation vor dem Informationsgerüst in der Waldsassener Straße 29.

    Miteinander reden

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    Ein Name setzt sich durchIn der breiten Öffentlichkeit hat der Name Mariengrün schnell Verbreitung gefunden. Doch wie sieht es bei den Bewohnern aus? Der Name Mariengrün habe sich noch nicht bei allen durchgesetzt, ist der Eindruck von Mieter Alexander Trohl aus der Waldsassener Straße. Anfänglich habe auch sie den neuen Namen skeptisch beurteilt, sagt Margrit Binnewies, die im degewoBeschwerdemanagement

    nikationsabteilung. Grundlage der Namensfindung war eine Analyse der Stärken des Quartiers, bei der sich der hohe Grünanteil, die Nähe zu den großzügigen Freiflächen im brandenburgischen Umland und die guten Voraussetzungen für ein generationenübergreifendes Wohnen als zentrale Vorzüge herauskristallisierten. Zudem nimmt die Bezeichnung Mariengrün den Namen des Berliner Ortsteils Marienfelde auf, zu dem das Quartier gehört.

    Indem die Kommunikationsabteilung in ihren Veröffentlichungen von Anfang an konsequent nicht mehr von der Großwohnsiedlung MarienfeldeSüd, sondern nur noch von Mariengrün sprach, gelang es ihr, den neuen Namen schnell in den Medien zu verankern. Um ihn darüber hinaus populär zu machen, setzen die Experten eine breite Palette an weiteren Kommunikationsmitteln ein. So lassen sie Giveaways wie Blumensamen Tütchen und Schlüsselbänder verteilen und veröffentlichen den Newsletter „Mariengrün aktuell“, der die Anwohner über die Entwicklungen auf dem Laufenden hält. Über den Baufortschritt informiert zudem eine Broschüre. Dass es gelungen ist, das Interesse der Politik und damit auch der Medien zu wecken, beweist der Umstand, dass sowohl die frühere Stadtentwicklungssenatorin

    Ingeborg JungeReyer als auch der jetzige Stadtentwicklungssenator Michael Müller öffent lichkeitswirksam Mariengrün besucht haben.

    Eine Marke soll Mariengrün bei alledem jedoch nicht sein, wie Olaf Sprung, Lutz Ackermann und Lars Gustafsson von der degewoKommunikationsabteilung betonen. Die einzige Marke im Konzern bleibt degewo. Allerdings ist Mariengrün neben dem Brunnenviertel das einzige Wohngebiet des Unternehmens, das mit einem eigens entwickelten Namen beworben wird.

    Nicht zu vernachlässigen ist auch die dritte Säule des Kommunikationskonzepts: die unternehmensinterne Kommunikation. „Das Beispiel Mariengrün zeigt uns, dass es sich lohnt, sich intensiv mit vielen unterschiedlichen Facetten in der Entwicklung eines Quartiers zu beschäftigen“, bilanziert Ulrich Jursch, Leiter Zentrales Bestandsmanagement. „Es ist wichtig, gemeinsam ein Quartiersdenken zu entwickeln“, bestätigt Jacqueline Brüschke, Leiterin Bestandsentwicklung. „Das hat uns im Unternehmen zusammengeschweißt.“

    Zentrales Ziel in der Außenkommunikation ist die Vermittlung des neuen Quartiersnamens Mariengrün.

    Beim Umzug in eine Ausweichwohnung erhalten die Mieter professionelle Hilfe.

    arbeitet und lange in Mariengrün wohnte. „Mittlerweile aber glaube ich, dass sich der Name Mariengrün durchsetzen wird.“

  • 7Wachsen lassen

    Berlin wächst. Was tut degewo, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen?

    Jacqueline Brüschke, Leiterin Bestandsentwicklung, und Christoph Rasche, Architekt in der Bestandsentwicklung, vor dem Neubau in der Waldsassener Straße 51.

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    Im Frühling 2014 haben die Mieter 52 Neubauwohnungen in der Waldsassener Straße bezogen. Das zeigt: Mariengrün wird weiterentwickelt – bei moderaten Mieten auch im Neubau.

    Bis Mai dieses Jahres wohnten Suzanne und John Busch in Schöneberg, mitten in der Innenstadt, da, wo das Leben brodelt. Seither aber sind sie mit ihrem kleinen Hund in Mariengrün zuhause – im ersten Neubau eines kommunalen Berliner Wohnungsunternehmens seit zehn Jahren. Ihr Umzug in die Waldsassener Straße 51 entsprang nicht etwa der Not, sondern dem Wunsch, am ruhigen Stadtrand zu wohnen. „Ich bin eher ein Landei“, sagt John Busch, der als Leiter einer ITAbteilung arbeitet. Und seine Frau Suzanne, die einen Kinderladen in Schöneberg betreibt, ist in der Nähe der Gropiusstadt aufgewachsen – der Typus der Großsiedlung ist also nichts Ungewohntes für sie.

    Ihr neues Zuhause ist ein sechsstöckiges Wohngebäude, das sich architektonisch in die bestehende Bebauung einfügt. „Unser Ziel war es, einen Übergang zwischen den Hochhäusern der Großsiedlung und den Einfamilienhäusern am Pfabener Weg zu schaffen“, sagt Architekt Christoph Rasche. Auf dem degewoeigenen Grundstück entstanden 52 Wohnungen mit ein bis fünf Zimmern und einer Wohnfläche zwischen 38 und 112 Quadratmetern. Damit reiht sich das Projekt ein in das ehrgeizige Neubauprogramm von degewo: Bis 20