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Rückblick, Jubel und Hoffnung - FOAB · 2019. 4. 10. · 4 — 5 Tatsächlich dauerte es dann, nach der Ein-weihung der Schwalbennestorgel, weitere 16 Jahre, bis die neue Hauptorgel

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Die Schwalbennest-Orgel ist jetzt 20 Jahre alt.

Das Eichenholz, etwas eingedunkelt und wärmer

geworden, fügt sich zutraulich in die Farben des

Raumes ein, die Malereien Egbert Moehsnangs

leuchten ungebrochen und unterstützen die Ar-

chitektur und die Ausstrahlung des einmalig schö-

nen Kircheninneren und die Orgelpfeifen singen

und schwingen in ihrem ausgesuchten Timbre

rein und unverbraucht. Daniel Glaus und Andreas

Metzler wollten ja ein Instrument bauen, das ein

gutes «Alterungspotential» haben solle.

Nach zwanzig Jahren hat das Altern noch

kaum begonnen und wir hoffen, dass noch Men-

schen vieler Generationen ihre Augen zur Hoch-

wand erheben und ihre Ohren öffnen. Dennoch

hat das Instrument schon einiges erlebt und viele

angeregt und beglückt. In Gottesdiensten, Ves-

pern, Märitkonzerten, Uraufführungen erwies die

Orgel, wie inspirierend sie für zeitgenössische Mu-

sikschaffende ist und wie sie über Jahrhunderte

eine Brücke zu schlagen vermag. Mittelalterliche

Instrumente wie der Zink fühlten sich plötzlich

wieder zuhause, neuen Kompositionsanliegen

gab sie Raum.

Mein Beitrag im Heft wirft das Augenmerk

darauf, wie ein solches Werk überhaupt entstehen

konnte. Beeindruckt war ich im Rückblick davon,

mit welcher Beharrlichkeit hier um das Gute ge-

rungen, nach ihm gesucht und wie glückhaft es

gefunden wurde. Pascale Van Coppenolle, unsere

Hauptorganistin wird über ihre Begegnung mit

dem vollendeten Werk berichten. Die Worte «Be-

geisterung» und «Sorgfalt» haben sich mir auf-

gedrängt. Begeisterung, die alles anregte, die

etwa viele Musikerinnen und Musiker dazu führte,

Benefizkonzerte zu geben, die Behördemitglieder

nicht kalt liess und die sogar in der Bevölkerung

Wellen schlug und Zeichen auslöste. So stellte

zum Beispiel das kirchenbenachbarte Ehepaar

Rutz seine Aussteuerbettwäsche zur Verfügung,

um die Orgel vor dem Eröffnungstag geheimnis-

voll zu verhüllen. Und es war Sorgfalt, die alle

Beteiligten beharrlich aufwendeten und deren es

bedurfte, um die Begeisterung in ein gültiges

Werk zu fassen. Von dieser stillen und wichtigen

Botschaft soll das Werk noch möglichst lange kün-

den!

Zum Jubiläum laden wir Sie zu zwei Konzer-

ten ein. Das erste findet am Palmsonntag, dem

29. März 2015 statt. Harald Vogel, Bremen, kehrt

nach zwanzig Jahren auf die Orgel zurück und

wird am Montag darauf einen Meisterkurs durch-

führen. Am Sonntag dem 19. April 2015 finden

sich Daniel Glaus, Mechthild Seitz, Alt und

Andreas Urweider, Worte, nach vielen Jahren wie-

der zusammen. Dieses Konzert soll auch das Ge-

denken an den verstorbenen Rolf Hollenweger

aufrecht erhalten, der über Jahrzehnte die Orgeln

in der Stadtkirche bespielte und begleitete. Mehr

lesen Sie dazu im Abschnitt «Hommage» in die-

ser Broschüre.

«Die von Daniel Glaus konzipierte Disposition

weist bewusst in die historische Blütezeit des ers-

ten europäischen Orgeltyps, der Burgunderorgel.

Andreas Metzler ist es gelungen, dem Klangbild

ein überraschendes Gepräge zu geben, wozu die

mitteltönige Stimmung wesentlich beiträgt. Es

besteht die berechtigte Hoffnung, dass auch das

zeitgenössische Orgelschaffen durch diesen Orgel-

typus wirksame Impulse erhält.» (Werner Minnig,

Abnahme-Bericht vom 11. Juli 1995).

Andreas Urweider

Rückblick, Jubel und Hoffnung—

Das Jubiläum der Hochwandorgel in der Bieler Stadtkirche

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Am Ostermorgen im Jahr 1995 fielen die verhüllenden Tücher. Dann öffneten sich zum ersten Mal vor einer Gottesdienstge-meinde die Flügeltüren der neuen Schwal-bennestorgel in der Stadtkirche Biel. Deren lodernde Aussenseiten, Feuer und dunkler Same des Feuers, die an Gaswolken im All erinnern, entbargen einen Kosmos, ein Ge-füge, ein Weltenrund. Schöpfungsmythos in der Sprache der heutigen Zeit. Als Daniel Glaus in die Tasten griff, war das Gesamt-kunstwerk vollendet und siehe und höre, es war sehr gut.

«Orgelflügel sind wie Altarflügel: Wenn man sie öffnet, muss etwas passieren.»

— Egbert Moehsnang, Bieler Tagblatt, 12. April 1995

Zwar war das Instrument bereits im Christnachtgottesdienst 1994 eingeweiht worden, aber jetzt hatten auch die altarähn-

lichen, von Egbert Moehsnang bemalten Flügeltüren ihren Platz gefunden. Es sollte an Ostern, am Auferstehungstag sein.

Orgeltüren und Altartüren werden ja ge-öffnet, wenn die entbehrungsreiche Zeit des Fastens vorüber ist. Sie sind ein Verspre-chen.

Fasten ist eine Einübung in Sorgfalt, hat ein beharrliches Wesen und erhellt die Auf-merksamkeit.

In einer Sitzung der Musikkommission der Stadtkirche Biel war 1988, angeregt von Daniel Glaus, erstmals die Rede von der kühnen Idee, an derselben Stelle, wo 1527 in reformatorischem Eifer – mithilfe zweier ge-wiss unschuldiger Pferde – die erst wenige Jahre vorher vollendete Orgel des Meisters Tugi aus Basel gewalttätig weggerissen wor-den war, gerade dort eine Orgel wiederzu-bauen und damit die sichtbaren Wunden der Stadtkirche zu heilen.

Nicht nur Zeit heilt Wunden sondern vor allem Sorgfalt, Beharrlichkeit und das Fest-halten an einer irreal erscheinenden, beglük- kenden Vision.

Bereits Hermann Engel, Organist an der Stadtkirche von 1944 – 1984, träumte von einer Rekonstruktion der Hochwandorgel. Daniel Glaus, sein Nachfolger, war jedoch derart besessen davon, dass sie dann Ge-stalt annahm und Klang erhielt. Glaus wuss-te in wirtschaftlich sorgenerregender Zeit sogar die kirchlichen Behörden davon zu überzeugen, etwas Tapferes zu tun. Die Kirchgemeinde Biel-Stadt und nicht lange danach der Gesamtkirchgemeinderat billig-ten das Anliegen. Helfer in der Überzeu-gungsarbeit waren der Orgelexperte Werner Hermann Minnig, dem so viel zu verdanken ist, dass er hier einmal ins Licht treten soll, und der völlig in den Gedanken vernarrte Architekt Roland Gisiger, dessen Cul de Lampe, auf dem die Orgel zu stehen scheint, später alle denkmalpflegerischen Bedenken wegwischte, weil er einfach gelungen war.

«Der Wille zu konsequenten Entscheiden hat erfahrungsgemäss noch immer zu den überzeugend- sten Resultaten geführt.»

— Andreas Metzler, Orgelbauer, in einer

Weihnachtskarte an Daniel Glaus, 21. November 1992

Es wurde gearbeitet und gestritten. Sonst entsteht nichts, was überzeugt.

Eine kleine Bibliothek an Ordnern doku-mentiert die Entstehungs- und Entwick-lungsgeschichte der Hochwandorgel. Im Rahmen dieses Aufsatzes kann nur ein klei-ner Teil des Materials berücksichtigt werden. Immerhin darf erwähnt sein, dass die Ge-schichte nicht gradlinig verlief. Der Prozess war über Jahre begleitet von Suchen, Abwä-gen, sich Auseinandersetzen, vom Ringen

um die beste Lösung. Zu Anfang war einfach klar, dass die 1942 erbaute und bereits 1952 stark erweiterte elektropneumatische Haupt- orgel ihren Zenith bereits stark überschrit-ten hatte und immer schwieriger zu bespie-len war. Die zu ihrer Zeit «moderne» Tech-nik, bei welcher der Windfluss wie durch elektrische «Kippschalter» den Orgelpfeifen zugeführt wird, hatte sich nicht bewährt, die Windbälge waren marode geworden.

Die Musikkommission unter dem Vorsitz von Roland Gisiger suchte Rat. Sie wurde fündig in der Person von Werner H. Minnig, der den ganzen langen Weg über zehn Jahre getreulich mitging, manchmal wegweisend, manchmal begleitend.

«Selbstverständlich interessiert mich die Frage der Orgel in der Bieler Stadtkirche, da ich sie für einen der wichtigsten ‹Tatorte› des Orgelbaues in der Schweiz halte.»

— Werner H. Minnig in seinem

Antwortschreiben vom 5. August 1985 an

Daniel Glaus und die Musikkommission

Minnig erstellte ein Gutachten über den Zustand der Hauptorgel, half weiterdenken und führte die Musikkommission zu ver-schiedenen Orgeln in der Schweiz. Bald wurde klar, dass eine Renovation der alten Orgel ungünstig wäre, weil sich der grosse finanzielle Aufwand verglichen mit dem zu erwartenden Resultat nicht rechtfertige. Er-finderisch wurde weitergedacht. Die alte Orgeldame sollte etwas zur Ruhe kommen und als Überbrückung wolle man ihr eine Gehilfin zur Seite stellen, damit man in Ruhe eine neue Hauptorgel planen könne.

Genese einer Hochwandorgel—

Andreas Urweider

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Tatsächlich dauerte es dann, nach der Ein-weihung der Schwalbennestorgel, weitere 16 Jahre, bis die neue Hauptorgel erstmals in der Stadtkirche erklingen sollte.

Vorerst zog man in Betracht, eine kleine Orgel im Chor zu bauen, die leicht wieder zu entfernen gewesen wäre. Recht bald aber drängte sich der kühne Gedanke auf, am Ort, wo die vorreformatorische Tugi-Orgel gehangen hatte, wieder ein gültiges Werk zu schaffen und angeregt von der Vergangen-heit, etwas für die Zukunft zu tun. Der Sache gerecht gewichteten musikalische und äs-thetische Argumente zunehmend mehr.

«Die Tugi–Orgel ‹hing› zentral im Kirchenraum in grösstmöglicher Höhe an der Nordwand. Die flache Südwand wirkte als idealer Schall-reflektor mit fast identischer Kraft wie die Klangquelle selbst. Dadurch musste der damalige Hörer, wie ich mir immer wieder vorzustellen versuchte, die Orgel wirklich von der Mitte des Kirchengewölbes her vernommen haben, also gleichsam ‹aus dem Himmel herab›.»

— Daniel Glaus in

«Musik und Gottesdienst» Nr. 6 / 1996

Der Kirchgemeinderat Biel-Stadt liess sich von der Schwalbennestidee überzeu-gen und stellte Antrag an die Gesamtkirch-gemeinde. Glaus und Gisiger werden beim Gesamtkirchgemeindrat vorstellig. Am 20. September 1993 stimmt der Bieler Gesamt-kirchgemeinderat tapfer zu. Der Weg ist frei!

Erste und sehr weitgehende Studien zur Gestalt und auch zur Disposition der er-

wünschten Orgel hatte ab 1988 bereits der darauf spezialisierte Bernhard H. Edskes aus Wohlen AG gemacht. Dank dieser Vor-arbeiten konnte das Projekt überhaupt erst konkret vorgestellt werden. Es erwies sich jedoch, dass das von Edskes vorgesehene Instrument zu eng konzipiert war. Die Ober-schenkellänge von Daniel Glaus hätte es ihm nicht gestattet, das Pedalwerk zu be-spielen. Wahrscheinlich waren die Organis-ten im 16. Jahrhundert kleiner gewachsen. Diese Anekdote, die ein Lächeln erwecken mag, zeigt aber ein Grundanliegen des Neu-baus: Es ging nicht darum, eine Hoch-wandorgel des 16. Jahrhunderts, die spätgo-tische Tugi-Orgel, werkgetreu wie ein Faksimile nachzubauen, sondern für die heutige Zeit und für die Zukunft sollte ein Werk geschaffen werden mit heutigen orgel-bauerischen Möglichkeiten aber im Geist der damaligen Zeit, wobei noch vorhandene Instrumente Hinweise geben konnten. Es galt jedoch, diese Instrumente zu interpre-tieren, da sie mit Bestimmtheit heute nicht mehr so klingen, wie sie damals geklungen haben.

«Pfeifen, an denen über vier bis fünf Jahrhunderte manipuliert wurde (…entstauben, stimmen usw. …) verändern sich…»

— Andreas Metzler in

«Musik und Gottesdienst» a.a.O.

Zum «Geist der damaligen Zeit» gehörte die mitteltönige Stimmung. Es ist hier nicht der Ort, ausführlich darüber zu schreiben. Wesentlich ist, dass dadurch 8 reine, schwe-bungsfreie grosse Terzen erreicht werden. In

der Folge werden 16 Tonarten bevorzugt und 8 Akkorde klingen scharf dissonant. Zu-sätzlich können vom Musiker sogenannte «Wolfsquinten» als heulende Schreckmittel eingesetzt werden. Komponisten der dama-ligen Zeit nutzten diese Möglichkeiten dazu, Werke sehr harmonisch beginnen zu lassen, sie dann an die Schmerzgrenze zu führen, um sie schliesslich in Wohlklang aufzulösen. Welch ein Reichtum der Ausdrucksmöglich-keiten, der Engelsstimmen, Höllenheulen, irdischen Schmerz und abgeklärten Trost zulässt!

Es war die Absicht der Projektverantwort-lichen, ermuntert von Daniel Glaus, diese Fülle, verbunden mit einer kargen Begrenzt-heit, heutigen Tonschöpfenden anzubieten. Einige haben sie genutzt.

Sehr hilfreich in der Frage der mitteltöni-gen Stimmung, und jener, der auch wichtige Hinweise zum Pfeifenbau geben konnte, war Harald Vogel, der vielleicht anerkann-teste Kenner gotischer Orgeln. Er hat denn auch am 19. Oktober 1995 die 1. Werkstatt für Alte Musik im Rahmen der Orgelakade-mie mit einem Konzert auf der Hochwandor-gel eröffnet und freut sich, zum Jubilä-umskonzert am Palmsonntag der Orgel wieder begegnen zu dürfen.

Aber bevor Vogel sie bespielen konnte, musste ja die Orgel gebaut sein.

Die Orgelbaukommission, die sich aus der Musikkommission hinauskristallisiert hatte, entschied sich nach diversen Prüfun-gen für die Orgelbauer Metzler aus Dietikon, die sich einer hochwertigen handwerklichen Qualität verpflichtet fühlten und sowohl das Eichenholz wie auch die Pfeifen, also eigent-lich das ganze Werk aus eigener Werkstatt liefern konnten. Da sich Bernhard Edskes zu keiner Zusammenarbeit bereit erklären woll-te, trennte man sich von ihm, dankbar für

seine Vorarbeiten. Rudolf Bruhin, Konsulent für Orgelbau der Eidgenössischen Kommis-sion für Denkmalpflege, Dr. Jürg Schweizer, Denkmalpfleger Bern und der mehrfach er-wähnte Werner Minnig standen jetzt der Orgelkommission und den Orgelbauern zur Seite.

Mit grossem Engagement beschäftigte sich Andreas Metzler mit dem Auftrag, führt Experimente an der gotischen Orgel von Oosterhuizen durch und kommt zur «über-raschenden Einsicht», dass auch mit neuen Pfeifen zum Verwechseln ähnliche Töne er-zeugt werden können. Er hat jetzt eine Vor-stellung davon, wie eine Orgel im frühen 16. Jahrhundert geklungen haben könnte und wagt es, diese seine Interpretation der goti-schen Idee umzusetzen. Die Pfeifen muss-ten erfinderisch neu gebaut und intoniert werden.

Die Auswahl der Pfeifen und die Disposi-tion der Orgel wurden von Daniel Glaus vor-geschlagen und mit Andreas Metzler bera-ten. Einige Angaben lieferte der Vertrag mit Hans Tugi von 1517 der im Stadtarchiv Biel gefunden worden war. Tugis Vorgaben mussten interpretiert werden. Der Umfang wurde leicht erweitert. Später kam noch die «Vox humana», auf dem Spieltisch «Regal» genannt, hinzu, deren Finanzierung von Daniel Glaus gesichert wurde, da sie das ursprüngliche Vertragsvolumen überstieg. Durch Subsemitonien wurden zwei weitere reine Terzen ermöglicht.

«Ich stellte mir acht ganz eigenstän-dige, charakteristische Stimmen vor, die sich mischen würden zu vielfäl-tigsten Klangkombinationen.»

— Daniel Glaus in «Musik und Gottesdienst» a.a.O.

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Am 3. Juni 1994 sind alle Details geklärt. Die Pfeifen können gegossen werden.

Für den Einbau der Orgel musste vorgän-gig ein Betonriegel durchbrochen werden, mit dem 1971 die Kirche aufwändig gesi-chert worden war, um den Zugang zur künf-tigen Orgel zu gewährleisten. Sonst ist vom ehemaligen Orgelplatz noch vieles vorhan-den. Roland Gisiger hat die Bauleitung inne und entwirft den zierlichen Cul de Lampe. Im Dezember erfüllt Handwerkerlärm den Kirchenraum, ein Gerüst steht da, die in Die-tikon bereits fertiggestellte Orgel wird einge-baut und erhält den letzten Schliff. Als karg, kompromisslos und kunstvoll beschreibt Andreas Urweider im Namen der Baukom-mission in der Broschüre zur Orgelweihe in der Christnacht 1994 das Instrument.

«Dabei setzten wir auf zeitlos gutes Handwerk und menschliche Kunst-fertigkeit.»

— Andreas Urweider in der Broschüre zur

Orgelweihe an Weihnachten 1994

Wenige Tage vor Weihnachten intonierte Andreas Metzler die Orgel. Kurz war die Zeit, während der sich Daniel Glaus auf «seiner Orgel» einspielen konnte. Ein Feldbett im kleinen Raum hinter der Orgel ermöglichte es ihm, dem Instrument Tag und Nacht nahe zu sein. Zuvor hatte es noch einen klei-nen Konflikt gegeben: Als Daniel eines Abends von Zürich her kommend die Orgel anschlug, stellte er mit Entsetzen fest, dass Andreas Metzler sie nun doch zu harmo-nisch und zu wenig strikte mitteltönig into-niert hatte. Vielleicht fühlte sich Andreas dabei noch seinem Vater Hansueli verpflich-

tet. Der Generationenwechsel war ja erst gerade vollzogen. Daniel schrieb seine Ent-täuschung auf einen Zettel, den er auf die Tastatur legte und bereits am nächsten Mor-gen liessen sich Metzler und damit auch die Orgel umstimmen.

So erklangen dann in der Christnacht Or-gelzungen, «die Frieden und Beherztheit verkündigten».

Noch aber war das Gesamtkunstwerk nicht vollendet. Die Flügeltüren waren schon einige Zeit im Atelier von Egbert Moehsnang im «Alten Hof» in Schüpfen, der ihnen seine ganze Aufmerksamkeit und Schaffenskraft zuwendete.

«Der Einsatz all meiner malerischen Fähigkeit und schöpferischen Phantasie soll Ihnen gewiss sein.»

— Egbert Moehsnang in einem Brief an

Daniel Glaus vom 30. Juni 1993

Daniel Glaus hatte einige Zeit zuvor den Kunstmaler im Atelier aufgesucht, weil die-ser sich ein Requiem von ihm wünschte. Be-eindruckt stand Glaus vor einem grossen Gemälde. «So stelle ich mir «meine» Orgel vor», soll er spontan geäussert haben. Die beiden verstanden sich. Egbert Moehsnang hatte sich schon lange mit sakraler Kunst beschäftigt. Unter anderem leuchten Glas-fenster in der Französischen Kirche in Bern.

Moehsnang setzte sich sehr sorgfältig mit dem Kirchenraum und dem Standort der Orgel auseinander.

Aber auch hier gab es Widerstände. Die Denkmalpfleger wollten auf keinen Fall et-was «gotisierendes». Den Orgelbauer reute sein wunderbares Eichenholz und es war im

 Der 1946 in Meiringen geborene Andreas Urweider war

10 Jahre lang Pfarrer in Guttannen im Grimselgebiet.

Anschliessend arbeitete er während 30 Jahren an der

Stadtkirche Biel. Seine Tätigkeit war begleitet von vielen

Radio- und Fernsehauftritten. Als Kolumnist kannte man ihn

u.a. im Berner «Bund» und im Sonntagsblick. Besonders

fruchtbar war die 22 Jahre dauernde Zusammenarbeit mit

dem Organisten und Komponisten Daniel Glaus. Unter

anderen entstanden Werke wie die Kantate «Das Schweigen

verflochten im Haar» oder die Kammeroper «In hellen

Nächten». Ein inspirierender Weggefährte war ebenfalls der

Kunstmaler Heinz-Peter Kohler. «Wenn der Wind kommt»

hiess ihr erstes gemeinsames Büchlein (1983). Unter dem

Eindruck der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl entstand

der Lyrikband «Tanze mein Kind – Ein Tschernobylderbuch».

Urweider und Glaus boten vielen Kunstschaffenden über

Jahre in der Stadtkirche Biel eine Plattform. Tanz, Gestaltende

Kunst, Wort und Musik sollten in den «Kunstvespern»

gleichwertig in einen Dialog treten.

Grunde nach dem Bau der Orgel kein Geld mehr vorhanden. Es kam ein seltsamer Ver-trag zustande: Beide Seiten suchten Spon-soren und Gönner. Moehsnang solle die Beträge, die bei ihm eingehen, melden. Die Kirchgemeinde eröffnete ein Spendenkonto. Viele Musiker gaben Benefizkonzerte und verzichteten auf eine Gage.

«Nach Aussagen von Herrn R. Bruhin, Konsulent für Orgelbau…, existiert in der ganzen Schweiz keine Orgel mit Arbeiten eines zeitgenössischen Malers.»

— E. Moehsnang im Gesuch für einen

Werkbeitrag an das Bundesamt für Kulturpflege

Moehsnang ist am Werk, sucht geeigne-ten Tierleim und hochreine Öle im süddeut-schen Raum, reibt die Pigmente und Binde-mittel auf einer Glasplatte selber an, stellt den Harzessenzfirnis eigenhändig her.

Die Aussenseiten waren recht bald fertig-gestellt. Die Innenseiten stellten den Maler vor eine lange Geduldprobe. Bild auf Bild entstand auf diesen Flächen und wurde wie-der verworfen, «bis schliesslich eines spä-ten Tages die Lösung sich schier von selbst anbot»(Egbert Moehsnang).

Und am Ostermorgen 1995 öffnet Daniel Glaus die Flügeltüren!

Andreas Urweider

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Praeambulum super d

Hymnus: Ut queant laxis

mit Redeuntes-Kompositionen aus dem

Buxheimer Orgelbuch (um 1460) im Wechsel mit

den Melodieabschnitten der ersten Verse des

Hymnus (ut re mi fa sol la = Hexachord-System)

Patrem omnipotentem

Fundamentum organisandi

Ascensus et descensus simplex

Ascensus et descensus per tertias

Ascensus et descensus per quartas

Ascensus et descensus per quintas

Ascensus et descensus simplex

Praeludium in la

Mein ainigs A in fa

Veni creator spiritus

1 – In discantu

2 – Choralis in basso

3 – Choralis in omnium vocum permutatione

Maria zart

Magnificat quarti toni

Tabulatur des Adam Ileborgh (1448)

Buxheimer Orgelbuch (um 1460)

Buxheimer Orgelbuch (Nr. 222)

Conrad Paumann

(datiert 1452 im Lochamer Liederbuch)

Hans Kotter (Codex Amerbach, 1513 ff.)

Hans Buchner

(Tabulatur des Leonhard Kleber, 1521)

Hans Buchner

(Handschrift Zürich S 284, 1524)

(Handschrift Zürich S 284, 1524)

(Handschrift Basel FI 8a, 1524)

Arnolt Schlick (Tabulaturen etlicher lobgesang 1512)

Aus der Sammlung von Pierre Attaingnant 1531

Jubiläumskonzert #1 —

Harald Vogel, Bremen

Sonntag, 29. März 2015 um 17.00 Uhr

Jubiläumskonzert #2 —

Daniel Glaus, Bern

Sonntag, 19. April 2015 um 17.00 Uhr

«Omnia Tempus habent»mit Mechthild Seitz, Alt und Andreas Urweider, Wort

Prooemium in re

Salve Regina (alternatim Gregorianik –Orgel)

Worttöne I

Toccata Quinta (II° libro delle Toccate)

Exaudi me Domine

Accipite et manducate

Omnia tempus habent, für Stimme solo, 1972

O gloriosa Domina

Voce mea ad Dominum

Toccata settima

Worttöne II

Hymnus

Da Pacem (alternatim Gregorianik –Orgel)

Hans Kotter (1480 - 1541)

Andreas Urweider / Daniel Glaus

Girolamo Frescobaldi (1583 – 1643)

Lodovico Grossi da Viadana (1560 – 1627), aus

«Cento concerti ecclesiasticci» opera duodecima

1602

Arne Mellnäs (1933 – 2002)

Lodovico Grossi da Viadana, aus «Cento concerti

ecclesiasticci» opera duodecima 1602

Michelangelo Rossi (1601/02 – 1656)

Andreas Urweider / Daniel Glaus

Hildegard von Bingen (1098 – 1179)

Arnolt Schlick (um 1455 – um 1521)

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 — prägte ab 1985 während 22 Jahren das kirchenmusikalische

Leben an der Stadtkirche Biel oft mit Mechthild Seitz und

Andreas Urweider und wirkt seit 2007 als Münsterorganist in

Bern.

— geboren in Göttingen, studierte Mechthild Seitz an der

Westfälischen Landeskirchenmusikschule Herford Kirchenmu-

sik und Gesang an der Musikhochschule Karlsruhe. 1992

erhielt sie den Kulturförderpreis der Stadt Kassel. Sie ist als

Gesangspädagogin und Stimmbildnerin tätig. Viele zeitgenös-

sische Werke sind für ihre Stimme komponiert worden. Ihr

Repertoire umfasst neben den traditionellen Mezzosopran-

und Altpartien (Messen, Oratorien) und dem Liedfach

zeitgenössische Werke. Mechthild Seitz arbeitete u.a. mit den

Organisten und Komponisten Hans-Ola Ericsson, Daniel

Glaus, Marek Kopelent, Dieter Schnebel, Hans Zender,

Zsigmond Szathmáry und Klaus Martin Ziegler zusammen

und singt an zahlreichen Festivals für Alte wie Neue Musik.

— gilt als eine führende Autorität auf dem Gebiet der

norddeutschen Orgelmusik. Er gründete 1972 die Norddeut-

sche Orgelakademie mit dem Ziel, die alte Spielweise auf

originalen Orgeln zu vermitteln. Seit 1994 lehrte er an der

Hochschule für Künste Bremen. 1981 gründete er das

Dollart-Festival, das erste grenzüberschreitende Orgel-Festival

in Europa, und 1997 das Organeum in Weener als Zentrum

der Orgelkultur in Ostfriesland. Unter seinen vielen Einspie-

lungen besitzen die Aufnahmen historischer Instrumente für

Radio Bremen aus den Jahren 1961 bis 1976 und die Gesamt-

aufnahme der Orgelwerke Buxtehudes ab 1987 bereits einen

wichtigen dokumentarischen Wert. Für die Einspielung von

Werken J. P. Sweelincks an der Schwalbennest-Orgel von

St. Marien in Lemgo erhielt er den Musikpreis ECHO Klassik

2012 in der Kategorie «Instrumentalist des Jahres». Als

Herausgeber hat er die Neuausgaben der «Tabulatura nova»

von Samuel Scheidt, der Clavierwerke von Jan Pieterszoon

Sweelinck und der Orgelwerke von Nicolaus Bruhns sowie

Vincent Lübeck (Edition Breitkopf) als «praktische Quellenedi-

tionen» publiziert.

Harald Vogel

Daniel Glaus

Mechthild Seitz

Der Bau der Hochwand-Orgel in der Stadtkirche Biel gehörte zu den wichtigen experimentellen Orgelprojekten im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

Äußerlich handelte es sich um ein histo-risches Projekt, da an dieser Stelle zu Be-ginn des 16. Jahrhunderts eine Orgel stand, die gut dokumentiert ist. Innerlich aber wur-de hier der Versuch unternommen, eine Klangästhetik wiederzugewinnen, die lange Zeit verloren war und uns wieder Zugang gewährt zu einem Repertoire, das verwand-te Züge zu musikalischen Tendenzen des 20. Jahrhunderts zeigt.

Die Ästhetik der Orgelmusik der Spätgo-tik und der Frührenaissance zeigt nämlich abstrakte Züge, die in der Barockmusik zu-gunsten von expressiven Elementen in den Hintergrund traten und erst wieder in den musikalischen Konzepten des 20. Jahrhun-derts bevorzugt wurden. Das betrifft nicht nur die kontrapunktischen «Künste» des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, sondern auch die konstruktiven Elemente vor allem in der organistischen Melodiebildung. Diese me-lodische Konstruktionsmethode beruhte auf wenigen Figurations-Modulen, die gleich-zeitig die Grundlage für die Improvisation bildeten. Das herausragende Beispiel ist das

berühmte «Fundamentum organisandi» des blinden Meisters Conrad Paumann aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, das bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts stilbildend wirkte.

Die Hochwand-Orgel in der Stadtkirche Biel gehörte auch zur ersten Generation von neuen Orgelinstrumenten in der mitteltöni-gen Temperatur, die auf der Einstimmung von reinen großen Terzen beruht. Diese Stimmung weist ungleiche Halbtöne auf und betont auf besondere Weise die kontra-punktische Eigenständigkeit aller Stimmen im polyphonen Satz. Die mitteltönige Stim-mung weist auch Merkmale einer abstrak-ten Ästhetik auf, die in späteren Perioden der Musikgeschichte verloren gingen.

Vor zwei Jahrzehnten wurde der Orgel-

bau in Biel als ein historisches Projekt ange-sehen. Aus der heutigen Perspektive wird aber mehr und mehr die experimentelle und «moderne» Dimension dieses Instruments wahrgenommen.

Gleichzeitig können wir heute hier mit authentischen Klängen das oberrheinische Repertoire um 1500 hören, das zu den ers-ten Höhepunkten der europäischen Orgel-kultur gehört.

Kontrapunktische Eigenständigkeit—

Harald Vogel

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Am 27. November 1946 eröffnet der da-mals noch junge Organist an der Stadtkir-che, Hermann Engel auf den Namen «Freundeskreis der Orgelabende Biel» ein Postcheckkonto. Das dürfte das Grün-dungsdatum des FOAB sein. Engel war im März 1944 «vorerst provisorisch», wie es im Bieler Jahrbuch 1945 steht, zum Organisten an der Stadtkirche gewählt worden. Er ver-sah dann dieses Amt ganze 40 Jahre lang. Engel war es offenbar gelungen, nicht lange nach Kriegsende, eine recht grosse Anzahl Menschen dazu zu bewegen, jährlich zwi-schen 5.– und 20.– Franken einzubezahlen, um seine beliebten Orgelabende zu fördern.

Das erste Bilanzenbuch weist im Grün-dungsjahr bereits einen Bestand von 95 Mit-gliedern und den Ertrag von 582.– Franken aus. 3 Jahre später waren es 202 Mitglieder, wobei der Kassier Adolf Löffler «39 Nicht-zahlende» vermerkte. Trotzdem hatte sich der Ertrag mit 1131.– Franken fast verdoppelt. Der damals beträchtliche Betrag zeigt, dass Engels Anliegen auf Wohlwollen stiess. Kas-se und Buchhaltung führte bis 1953 der er-wähnte Adolf Löffler, der erste Orgelschüler Engels und Grossvater von Rolf Hollenwe-ger. Nach zweijähriger Vakanz, im Jahr 1955, übernahm Rolf Hollenweger das Amt, das er erst am 21.März 1996, also wiederum nach

mehr als 40 Jahren an Frau Heidi Widmer übergeben wird, die es heute, fast 20 Jahre später, immer noch ausübt.

Rolf Hollenweger hatte bei Hermann En-gel das Orgelspiel erlernt. Er liebte die Hauptorgel, die unter Hermann Engel 1952 stark erweitert, umintoniert und mit 52 klin-genden Registern versehen worden war. Sei-ne Berichte zur FOAB-Rechnung waren häu-fig von Gedanken zu Musik in der Stadtkirche und zur Orgel bereichert. Es ist kein Wunder, dass er später dem Wunsch eines Neubaus der Hauptorgel sehr skeptisch gegenüber-stand.

Rolf Hollenweger wurde «Hilfsorganist» an der Stadtkirche. Als er seine Geschäftstä-tigkeit aufgab, liess er sich zusätzlich in das Amt des Sigristen wählen. So war er dem Kirchenraum und der Orgel über lange Zeit nahe und seine Frau Dorothee hielt ihm den Rücken frei für seine Orgelliebe.

Daniel Glaus hatte Rolf Hollenweger von Hermann Engel «übernommen». Rolf pfleg-te den Kirchenraum möglichst geräuscharm am liebsten dann, wenn Daniel an der Orgel übte. Er hörte neue Töne und erlebte andere Interpretationsmöglichkeiten der ihm zum Teil vertrauten Werke.

Eigentlich war Rolf lange der Vertreter des FOAB in der Kirchgemeinde und sass als solcher in der Musikkommission. Über Jahre waren Daniel und Rolf «der harte Kern» des FOAB.

1992 wollte Daniel Glaus den Freundes-kreis breiter abstützen. Am 2. März 1992 wurden an einer Vollversammlung nach ein-leitendem Orgelspiel die ersten, von Hollen- weger und Glaus entworfenen Statuten an-genommen, nachdem die erforderlichen Vorstandsmitglieder und ein Präsident ge-wählt worden waren. Damit war der FOAB ein «ordentlicher» Verein.

Der neue Präsident, Urs Siegenthaler, er-hielt Einsitz in die Orgelbaukommission für die Schwalbennestorgel und durfte zur Or-gelweihe an Weihnachten 1994 einladen. 1995 trug unter seiner Leitung der FOAB mit 5500.– Franken zur ersten Orgelakademie rund um das Schwalbennest mit Harald Vogel bei. Es ist an dieser Stelle nicht mög-lich, alle musikalischen Ereignisse in der Stadtkirche aufzuzählen, die der FOAB orga-nisierte oder unterstützte.

Der FOAB ermöglichte eine CD mit Daniel Glaus auf «seiner» Orgel und der Altistin Mechthild Seitz. 1997 ergab die Abrech nung einen Gewinn von 140.– Franken. Das Risi-ko, einige tausend Tonträger zu pressen und die Orgel über die Landesgrenzen hinaus in viele Räume zu tragen war aufgegangen. Da-mals war bereits Roland Gisiger Präsident.

Nach dem plötzlichen Herztod seines Freundes Roland im Jahr 2000, übernahm Andreas Urweider das Präsidium von jenem Mann, den er viele Jahre zuvor dazu bewo-gen hatte, sich als Kirchgemeinderat wählen zu lassen. 2014 durfte Urweider an Kathrin Rehmat-Suter übergeben, Tochter eines Stu-dienfreunds und einer Organistin.

Rolf Hollenweger spielte nach seiner Pensionierung noch lange Jahre die Orgel, zuletzt, wegen einer zunehmenden Sehbe-hinderung, mithilfe eines Lupenglases. Am 29. März 2010 starb Rolf Hollenweger. An-lässlich seines Todes erhielt der FOAB be-trächtliche Zuwendungen.

Das Konzert im Rahmen des Jubiläums mit Mechthild Seitz, Daniel Glaus und Wor-ten von Andreas Urweider am 19. April 2015, ist 5 Jahre nach dessen Tod Rolf Hollenweger gewidmet.

Das Konzert des Freundeskreis ist zu-gleich eine Hommage für Treue und Freund-schaft.

Hommage—

Andreas Urweider

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Disposition—

Hochwandorgel Stadtkirche Biel

Beteiligte—

Daniel Glaus, Bern, KonzeptMetzler Orgelbau AG, Dietikon, Ausführung

Andreas Metzler, Dietikon, IntonationAndreas Metzler, Dietikon & Dr. Jürg Schweizer, Denkmalpflege Kanton Bern, Prospekt

Roland Gisiger, Architekt, Biel, Gestaltung Cul de LampeEgbert Moehsnang, Schüpfen, Schleierbretter und Flügeltüren

Werner H. Minnig, Kirchberg, ExpertiseRudolf Bruhin, Konsulent für Orgelfragen, Basel, Denkmalpflege

Aus dem Stadtarchiv—

Vertrag für die originale Hochwandorgel mit Hans Tugi, 1517

ll. ManualwerkCDEFGAB – g2a2 = 41 Töne

1. Praestant . . . . . . . .8'

2. Coppel . . . . . . . . . .8'

3. Octave . . . . . . . . . .4'

4. Waldflöte . . . . . . . .2'

5. Mixtur IV . . . . . . . .2'

6. Sesquialtera II

7. Regal . . . . . . . . . . .8'

I. RückpositivFGAB – g2a2 = 38 Töne

8. Gedackt . . . . . . . . .8'

9. Principal . . . . . . . .4'

P. PedalCDEFGAB – d1 = 23 Töne

fest angehängt an das «Manualwerk»

NebenzügeTremulant: Kanaltremulant auf beide Manuale

Vogelgesang: 3 Pfeifchen

Zimbelglöcklein: 2 × 6 BronceglöckIein‚ Windrad-Antrieb

Kalkantenglocke: Betätigung mittels Taste C des Rückpositives

StimmungDie Orgel ist mitteltönig gestimmt mit 8 reinen Terzen.

Zwei weitere reine Terzen entstehen mittels der Umschaltung

für die Subsemitonien. Stimmtonhöhe: a1 = 44O Hz.

WindanlageDrei Keilbälge, untergebracht in der Balgkammer hinter der

Orgel. Der oberste Balg liefert den Spiel-Wind, der mittlere ist

als Schöpfbalg zum Treten eingerichtet, der unterste beruhigt

den Motorwind.

Mixtur IV 2'C ' ' ' '

c1 ' ' ' '

c2 ' ' ' '

Sesquialtera IIC ' '

c0 ' '

«Kundt vnnd zu wüssen sy mendtlichen, das min Herren Meiger und Rät zu Byell haben dem Ersamen, wysen meister Hanss tughin Burgern zu Basell Ir orgellen verdinget, gutt vnd bestendig ouch mitt vyer grösste pfyffen mer dann vor dorten sind gewässen, vnd mitt sechs Registern zu machen, den ersten mitt principal flöuten, den anderen genempt den Hindersatz, den dritten die Zimmell, den vyerden ein Octaff, den fünfften die Kuppel flöuten, dass do pfyffersich lut, alls höltzen pfyffen, vnnd zu Ruck desselben, ein hipsch positiff, mitt zwey lieplich Register, ouch fünff gross vnd gutt belg, darzu gebürend wend rnittnemen (…) .»

«Kund und zu wissen sei namentlich, dass die Herren Meier und der Rat zu Biel dem ehrsamen und weisen Meister Hans Tugi, Bürger von Basel Ihre Orgel (in Auftrag) geben. Gut und beständig, auch mit vier grössten Pfeifen von vorne und sechs Registern zu ma-chen. Das erste mit Principalflöten, das andere nennt man Hintersatz, das dritte die Zimbel, das vierte eine Oktav, das fünfte Coppelflöte, das lauter klingt als die hölzernen Pfeifen. Auf der Rückseite ein hübsches Positiv, mit zwei lieblichen Registern. Und auch fünf grosse und gute Bälge, die gebührend Wind transportieren (…).»

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Es war ein regnerischer Tag, im Mai 2001 als ich das erste Mal nach Biel anreiste. Ich wurde am Ring 4 von der Sekretärin Ida Ulrich warmherzig empfangen und dann zum Gastgeber Valéry Blaser gegenüber der Kirche geführt. Ich habe mich mit ihm so-gleich auf einer «Wellenlänge» gefühlt.

Von der Hochwand- oder Schwalben-nestorgel in Biel hatte ich dank eines Kolle-gen aus Wien sehr Gutes gehört und freute mich riesig, das Instrument selber zu be-spielen. Endlich konnte ich meine Lieblings-musik auf der richtigen Orgel interpretieren! Als ich sie in der kraftvollen Kirche sah, war ich beeindruckt. Der gelungene Dialog zwi-schen zeitgenössischem und gotischem Kul- turerbe strahlt eine grosse Ruhe und Selbst-verständlichkeit aus. Am nächsten Tag habe ich Daniel Glaus kennengelernt. Dank ge-genseitiger Sympathie fanden wir schnell einen persönlichen Austausch über Musik und Aktivitäten rund um die Musik.

Ich war eingeladen eine Vesper und am nächsten Morgen ein Märitkonzert zu spie-len! «Leben» hiess es zur Vesper, mit Wort und Orgelmusik. Andreas Urweider hat ge-

lesen; dabei muss ich zugestehen, ich habe wenig verstanden. Aber die Texte hatte ich und mein Programm dementsprechend ge-staltet. Zum Märitkonzert habe ich als Titel «Ein guter Wein ist lobenswert» gewählt, nach einer Motette von Bernhard Schmid dem Älteren. Auch «La guerre» von Clé-ment Janequin habe ich gewagt zu spielen, ein Stück, das den Sieg der Franzosen unter François I. über die Schweizer Truppen bei Marignano 1515 illustriert. In wenigen Tagen habe ich einen wichtigen Kern des Bieler Alt-stadtlebens kennengelernt! In der alten Kro-ne war «Le Joli Mois de Mai». Dort konnte ich mit meinen Gastgebern die lebendige und typische Atmosphäre von Biel erleben. Nach diesem kurzen Aufenthalt in Biel träumte ich davon eines Tages in Biel zu le-ben und zu arbeiten!

2006 rief Daniel Glaus nach Luxemburg an um mich nochmals einzuladen, eine Ves-per zu spielen. Diesmal im Rahmen einer Sonderausstellung des Museums Neuhaus mit dem Thema «Ketzer unter dem Krumm-stab / Glaubensspaltung im Bistum Basel». Wiederum wurden in der Stadtkirche span-nende musikalische und theatralische The-

men behandelt! Und erneut konnte ich die herausragenden Qualitäten der Hoch-wandorgel mit ihren vollen, charakteristi-schen und singenden Klängen geniessen. Abenteuerlich war das nötige Stimmen des Zungenregisters (das Regal), ohne das ich mein Programm nicht wie geplant hätte auf-führen können. Höhenangst darf man auch nicht haben: Man steht dazu auf der kleinen Orgelbank und stimmt die kleinen Pfeifen hinter den Prospektpfeifen!

2007 hat sich mein Traum realisiert! Dank dem Duo Glaus / Urweider war eine einzigartige Tradition mit Konzertprogram-men von höchster Kreativität und Originali-tät gewachsen, die alle Kunstsparten verbin-det. Neue Kompositionen für die Hoch- wandorgel wurden uraufgeführt (unter an-derem von Martin Derungs, Ulrich Gasser, Isabel Mundry, Hans Eugen Frischknecht und selbstverständlich Daniel Glaus). Die Schwalbennestorgel wurde zum ersten Stern des Bieler Orgel-Dreigestirns. Ich freu-te mich, den geöffneten Weg weiter zu füh-ren!

Die Hochwandorgel, das «neue alte In- strument», bereichert die Orgellandschaft in Biel enorm und entzückt unsere Gastor-ganisten und -organistinnen.

Es lag für mich auf der Hand, Harald Vogel, der schon 1995 in die Beratungen zum Bau der Orgel einbezogen war, für den 20. Geburtstag der Orgel für ein Konzert und einen Meisterkurs einzuladen und ebenso natürlich meinen Vorgänger Daniel Glaus, der mit seiner «Musikgefährtin», der Altistin Mechthild Seitz, sowie Pfarrer Andreas Urweider schon einiges an Unver-gesslichem gestaltete.

Meine Begegnung mit der Hochwandorgel in Biel

Pascale Van Coppenolle

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