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Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

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Page 1: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle

2009

Page 2: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Eingangsfall 1:

Mitarbeiter M wird anonym in der Personalabteilung angezeigt, Produkte des Unternehmens außer Haus zu schaffen und bei eBay zu versteigern. Arbeitgeber A lässt daraufhin von einem Detektivbüro eine Videokamera installieren. Die Aufnahmen überführen M des Diebstahls. Er wird fristlos gekündigt.

M beruft sich vor Gericht darauf, die Videoaufnahmen verletzten ihn in seinen Persönlichkeitsrechten, der Beweis sei nicht verwertbar.

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Eingangsfall 2:

Mitarbeiter M arbeitet nach subjektivem Empfinden seines Vorgesetzten erheblich langsamer als andere Kollegen und scheint eine höhere Fehlerquote zu haben. Arbeitgeber A wertet daraufhin ohne Kenntnis des Ma) seine Anruflisten aus der Telefonanlageb) die von ihm bearbeiteten Arbeitsvorgängeaus.

M erhält schließlich die Kündigung.

Page 4: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Eingangsfall 3:

Arbeitgeber A (Einzelhandel) führt verdachtsunabhängige Testkäufe und Taschenkontrollen ein. Mitarbeiter Ma) macht bei Testeinkäufen überdurchschnittlich viele

Fehlerb) wird bei einer Taschenkontrolle mit Ware erwischt.

A mahnt ab bzw. kündigt fristlos. M klagt jeweils.

Page 5: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

I. Formen der Mitarbeiterkontrolle

II. Rechtliche Rahmenvorgaben

III. Einzelfälle

IV. Beweisverwertungsfragen

V. Mitbestimmungsfragen

VI. Taktische Erwägungen

VII.Aktuelle Fälle

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I. Formen der Mitarbeiterkontrolle

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manuelle Überwachung technische Überwachung

durch eigene Arbeitnehmer/Geschäftsleitung durch Dritte (Detektive, Polizei)

stichprobenartig auf Dauer

auf bestehenden Verdacht verdachtsunabhängig

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II. Rechtliche Rahmenvorgaben

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kein einheitliches Schutzgesetz z.G. Arbeitnehmer(„ArbeitsnehmerdatenschutzG“)

Schutz aus:

• Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 I GG

• §§ 201, 202 StGB

• §§ 22, 23 KUG

• § 6 b BDSG

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Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 I GG

• Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts

• Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

• Schutz der Menschenwürde

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§§ 201, 202 StGB

• Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

• Verletzung des Briefgeheimnisses

Page 12: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

§§ 22, 23 KUG

• Recht am eigenen Bild

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§ 6 b BDSG

• Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen

• Wahrnehmung berechtigter Interessen

• Pflicht zur Kenntlichmachung

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III. Einzelfälle

Page 15: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Technische Kontrollen:

• Videoüberwachung

• Internetnutzung

• Telefondatenerfassung und -auswertung

• RFID-Verfahren

• Biometrie

• Mobilfunküberwachung

• Voice-over-IP

• GPS-Ortung

Page 16: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Manuelle Kontrollen:

• Testkäufe

• Taschenkontrollen

• Detektiveinsatz

• beauftragte Kollegenbeobachtung/Beobachtung durch Vorgesetzte

• Überprüfung von Telefonlisten

• qualitative Überprüfung von Arbeitsergebnissen

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Videoüberwachung:

• durch § 6 b BDSG gestattet, wenn

- öffentlich zugängliche Räume überwacht werden- aufgrund berechtigter Interessen erforderlich- keine überwiegenden Interessen betroffener Personen- Kennzeichnungspflicht- Löschungsverpflichtung

betrifft nur Arbeitsplätze mit Publikumsverkehr(Kaufhaus, Gastronomie, Sparkasse)

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Videoüberwachung:

• nicht öffentlich zugängliche Räume

- Schutz der Arbeitnehmer durch Allgemeines Persönlichkeitsrecht- aufgrund schutzwürdiger Belange gerechtfertigt- hoher Schutzstandard, da Grundrechtsabwägung- umfassende Güterabwägung

schwieriger zu rechtfertigen als bei öffentlichen Räumen

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BAG Beschl. v. 29.06.2004:

• heimliche Videoüberwachung

- nur zulässig bei konkretem Verdacht einer strafbaren Handlung oder besonders schweren Verfehlung- letztes Mittel zur Überführung des Täters, andere Ermittlungsmittel müssen ausgeschöpft sein- nie in Intimbereichen (Toiletten u.s.w.)

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§ 201 a StBG:

• Bildaufnahmen von Personen in Wohnungen oder besonders geschützten Räumen

- „besonders geschützte Räume“: Umkleiden, Toiletten, Duschen am Arbeitsplatz

Page 21: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Internetnutzung:

• aktuelle Rechtsprechung des BAG

• bei Verbot der Privatnutzung Kontrollrecht, ob Verbot eingehalten

• bei Gestattung der Privatnutzung faktisch keine wirksame Kontrollmöglichkeit mehr

• Streit noch bei: Email-Überwachung

Page 22: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Telefondatenerfassung und -auswertung:

• grundsätzliche Auswertungsbefugnis für Kosten- und Wirtschaftlichkeitskontrolle

• Anruferidentifizierung beschränkt auf Missbrauchskontrolle

• Zusammenführung der Daten zur Leistungskontrolle nicht zulässig

Page 23: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

§ 201 StBG:

• Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes

- Mithören von Telefonaten ohne Einwilligung untersagt- Mitschnitt strafbar- Praxisausnahme: Call-Center

Page 24: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

RFID-Verfahren (Funketiketten):

• Kennzeichnung der Arbeitnehmer oder der Arbeitsgeräte

• im Arbeitsverhältnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG gerechtfertigt, wenn durch spezielle Sicherheitsinteressen erforderlich

• keine Dauerkontrollen

• Informationspflicht und Kontrollrechte des AN

Page 25: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Biometrie:

• Auswertung von Biometriedaten unzulässig

• ausschließlicher Einsatz für Sicherheitszwecke

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Mobilfunküberwachung:

• Überwachung durch Anrufe zulässig

• Standortdatenerfassung zulässig, wenn AN Zustimmung erteilt hat (§§ 3, 9, 98 TKG)

• Ortung erfordert auch nach § 4 Abs. 3 BDSG Zustimmung

• umfassende Kontrolle ausgeschlossen

• kein Zugriff auf privaten Lebensbereich

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Voice-over-IP:

• verbesserte Mitschnitt-/Auswertungsmöglichkeiten

• unzulässig bei Mithören

• strafbar bei Mitschneiden/Datenaufzeichnung

Page 28: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Manuelle Kontrollen:

• Testkäufe

• Taschenkontrollen

• Detektiveinsatz

• beauftragte Kollegenbeobachtung/Beobachtung durch Vorgesetzte

• Überprüfung von Telefonlisten

• qualitative Überprüfung von Arbeitsergebnissen

Page 29: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Testkäufe/Testkunden:

• grundsätzlich zulässig

• durch eigenes Personal oder Dritte

• teilweise diskutiert: Schutz vor Fallenstellung

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Taschenkontrollen:

• Eingriff in persönlichen Bereich

• Zugriffsmöglichkeit gegen den Willen des AN nur bei Verdacht und nur durch Polizei

• gerechtfertigt bei besonderem Anlass:

- Warenhaus- Kollegendiebstähle- behördlichen Auflagen u.a.

Page 31: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Detektiveinsatz:

• unproblematisch bei arbeitsbezogenen Sachverhalten

• hoch problematisch bei privaten Sachverhalten (insbesondere: „Ermittlungsnebenprodukte“)

• oft unseriös und nur eingeschränkt beweiskräftig

• häufig Straftaten bei Ermittlungen (Hausfriedensbruch, heimliche Privataufnahmen) dann Beweisverwertungsverbot

• teuer, aber ggf. Kostentragungspflicht AN

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beauftragte Kollegenbeobachtung/Beobachtung durch Vorgesetzte:

• im dienstlichen Bereich zulässig

• im privaten Bereich i.d.R. unzulässig, es sei denn Verdacht erheblicher Verfehlungen/Straftaten z.L. AG

• „Spitzelvorwurf“ / Arbeitsklima

Page 33: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Überprüfung von Telefonlisten:

• keine Unterschiede zu technischer Auswertung (s.o.)

Page 34: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Qualitative Überprüfung von Arbeitsergebnissen:

• immer umfassend zulässig

• keine Einschränkung bei Verwendung von technischen Hilfsmitteln

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IV. Beweisverwertungsfragen

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Grundsatz:

Erkenntnisgewinnung rechtswidrig

Beweisverwertung unzulässig

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Ausnahmen:

• Verdacht/Beweis von Straftaten

• bei erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen ggf. Rechtsgüterabwägung

Page 38: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Kein Sachverwertungsverbot bei unstreitigem Vortrag

BAG Urt. v. 13.12.2007 - 2 AZR 537/06

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V. Mitbestimmungsfragen

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§ 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG:

• Ordnung des Betriebes und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb

manuelle Überwachung

Page 41: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

keine Zustimmung des BR:

Überwachung unzulässig

Beweisverwertungsverbot

ggf. Anrufung der Einigungsstelle § 87 Abs. 2 BetrVG

Page 42: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Manuelle Kontrollen und Betriebsrat:

• Testkäufe

• Taschenkontrollen (abhängig vom Ort)

• Detektiveinsatz (fallabhängig)

• beauftragte Kollegenbeobachtung/Beobachtung durch Vorgesetzte

• Überprüfung von Telefonlisten

• qualitative Überprüfung von Arbeitsergebnissen

Page 43: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

sicherster Weg:

vorsorgliche Zustimmungseinholung beim BR

dann auch weiterer Legalitätsanschein

aber u.U.: - verlorener Überraschungseffekt

- Möglichkeit der Versagung

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§ 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG:

• technische Arbeitnehmerüberwachung

„geeignet“ statt „bestimmt“

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Technische Kontrollen:

• Videoüberwachung

• Internetnutzung

• Telefondatenerfassung und -auswertung

• RFID-Verfahren

• Biometrie

• Mobilfunküberwachung

• Voice-over-IP

Page 46: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Videoüberwachung im Betrieb

BAG Besch. v. 26.08.2008 - 1 ABR 16/07

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VI. Taktische Erwägungen

Page 48: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

• Arbeitnehmerreaktion und Presse

• Negativ-PR und Marketingschaden

• Gewerkschaftsnähe

• Strafanzeige statt Eigenermittlungen

• unbedingtes Handlungserfordernis?

Page 49: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

VII. Aktuelle Fälle

Page 50: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Lidl und Plus

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Deutsche Telekom

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Südwestmetall

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Deutsche Bahn AG

Page 54: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Balzac Coffee

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Eingangsfall 1:

Mitarbeiter M wird anonym in der Personalabteilung angezeigt, Produkte des Unternehmens außer Haus zu schaffen und bei eBay zu versteigern. Arbeitgeber A lässt daraufhin von einem Detektivbüro eine Videokamera installieren. Die Aufnahmen überführen M des Diebstahls. Er wird fristlos gekündigt.

M beruft sich vor Gericht darauf, die Videoaufnahmen verletzten ihn in seinen Persönlichkeitsrechten, der Beweis sei nicht verwertbar.

Page 56: Rechtliche Grenzen der Mitarbeiterkontrolle 2009

Eingangsfall 2:

Mitarbeiter M arbeitet nach subjektivem Empfinden seines Vorgesetzten erheblich langsamer als andere Kollegen und scheint eine höhere Fehlerquote zu haben. Arbeitgeber A wertet daraufhin ohne Kenntnis des Ma) seine Anruflisten aus der Telefonanlageb) die von ihm bearbeiteten Arbeitsvorgängeaus.

M erhält schließlich die Kündigung.

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Eingangsfall 3:

Arbeitgeber A (Einzelhandel) führt verdachtsunabhängige Testkäufe und Taschenkontrollen ein. Mitarbeiter Ma) macht bei Testeinkäufen überdurchschnittlich viele

Fehlerb) wird bei einer Taschenkontrolle mit Ware erwischt.

A mahnt ab bzw. kündigt fristlos. M klagt jeweils.