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1 Rede des Rektors Prof. Bernd Meyer zur Ausstellungseröffnung „Fliegende Juwelen“ 21. April 2011 Mannichfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren entstehen sehn; Figuren, die zu jener großen Chiffernschrift zu gehören scheinen, die man überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Krystallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden Wassern, im Innern und Äußern der Gebirge, der Pflanzen, der Thiere, der Menschen, in den Lichtern des Himmels, auf berührten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspänen um den Magnet her, und sonderbaren Conjuncturen des Zufalls, erblickt.Aus: Die Lehrlinge zu Sais“, geschrieben in Freiberg 1798/99 von Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg (genannt Novalis), Dichter der Frühromantik, Bergbeamter und Student der Bergakademie Freiberg Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ich begrüße Sie zur Ausstellungseröffnung „Fliegende Juwelen“ und möchte die GeIegenheit nutzen, Ihnen näher zu bringen, wie sich die Sonderausstellung in das Gesamtbild der TU Bergakademie Freiberg einordnet. Es geht um die ästhetische Wahrnehmung der Gestaltungsvielfalt der Natur, die uns mit der Kraft der Schönheit und der Erhabenheit anspricht. Wir könnten meinen, im Falle der bunten Welt der Mineralien schaffe die Natur, nicht der Künstler, Kunstwerke. Wir sind an einer Technischen Universität, und in diesem Kontext möchte ich auf unser Verhältnis zu den „Kunstwerken der Natur“, also auf Schönheit und Erkenntnis, eingehen. Schönheit lässt sich vergleichen mit einem Magneten, der uns zum Erkennen der Natur und ihrer Gesetze anzieht. Sie, die Schönheit, leitet und zieht uns hinein in die Natur, um zu verstehen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Hier ist der Mensch ganz gefragt, mit seinen physischen, emotionalen und rationalen Kräften und Fähigkeiten. Das materiell Schöne können wir mit den natürlichen Sinnen ertasten, in Mikroskopen sehen und in physikalischen Modellen abbilden. Der Drang nach wissenschaftlicher Erkenntnis mittels der rationalen Kräfte wird angeregt durch die Begeisterung für die

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Rede des Rektors Prof. Bernd Meyer

zur Ausstellungseröffnung „Fliegende Juwelen“ 21. April 2011

„Mannichfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren entstehen sehn; Figuren, die zu jener großen Chiffernschrift zu

gehören scheinen, die man überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Krystallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden Wassern, im Innern und Äußern der

Gebirge, der Pflanzen, der Thiere, der Menschen, in den Lichtern des Himmels, auf berührten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspänen um den

Magnet her, und sonderbaren Conjuncturen des Zufalls, erblickt.“ Aus: Die Lehrlinge zu Sais“, geschrieben in Freiberg 1798/99 von Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg (genannt Novalis), Dichter der Frühromantik,

Bergbeamter und Student der Bergakademie Freiberg

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Ich begrüße Sie zur Ausstellungseröffnung „Fliegende Juwelen“ und möchte die GeIegenheit nutzen, Ihnen näher zu bringen, wie sich die Sonderausstellung in das Gesamtbild der TU Bergakademie Freiberg einordnet.

Es geht um die ästhetische Wahrnehmung der Gestaltungsvielfalt der Natur, die uns mit der Kraft der Schönheit und der Erhabenheit anspricht. Wir könnten meinen, im Falle der bunten Welt der Mineralien schaffe die Natur, nicht der Künstler, Kunstwerke.

Wir sind an einer Technischen Universität, und in diesem Kontext möchte ich auf unser Verhältnis zu den „Kunstwerken der Natur“, also auf Schönheit und Erkenntnis, eingehen. Schönheit lässt sich vergleichen mit einem Magneten, der uns zum Erkennen der Natur und ihrer Gesetze anzieht. Sie, die Schönheit, leitet und zieht uns hinein in die Natur, um zu verstehen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.

Hier ist der Mensch ganz gefragt, mit seinen physischen, emotionalen und rationalen Kräften und Fähigkeiten.

Das materiell Schöne können wir mit den natürlichen Sinnen ertasten, in Mikroskopen sehen und in physikalischen Modellen abbilden. Der Drang nach wissenschaftlicher Erkenntnis mittels der rationalen Kräfte wird angeregt durch die Begeisterung für die

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Sache, also durch unsere emotionalen Kräfte. Oder kürzer: Für das, was wir gut und schön finden, was uns begeistert, setzen wir uns ein. Man kann auch sagen: Der Erkenntnisdrang führt hinein in die Staunen erregenden Zusammenhänge der Natur. Das ist im besten Sinne der Weg der Naturwissenschaft. Der Weg vom erkannten Schönen wieder hinaus in die Natur, in die Welt des Künstlichen und Zweckmäßigen, in die Welt des im besten Sinne „ästhetischen Kunstwerks“, ist mehr Aufgabe des Ingenieurs, des Werkstoffwissenschaftlers und aller am Schaffen von Neuem beteiligten Wissenschaften. Wir sprechen auch von Ingenieurskunst. Es wundert nicht, dass es in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen intensive Bemühungen gibt, „Kunstwerke und Erfindungen der Natur“ innovativ in „technische Kunstwerke“ umzusetzen. Mit dem Begriff Bionik werden beispielsweise Übertragungen in den Biowissenschaften bezeichnet. .

Die vorangegangenen Überlegungen führen hin zu wichtigen Alleinstellungsmerkmalen und der Marke „TU Bergakademie Freiberg. Die Ressourcenuniversität. Seit 1765“.

Unser spezifisches Lehr- und Forschungsprofil ist dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet, und damit dem Begründer des Nachhaltigkeits-Begriffs Hans Carl von Carlowitz.

Die Attraktivität der TU Bergakademie Freiberg für Studenten und Wissenschaftler, die wir ermuntern, den „Weg nach innen“ zur Erkenntnis der Natur zu gehen, verdanken wir in besonderer Weise den glänzenden Metallen und Mineralen, wie wir sie in Freiberg in besonderem Maße bewundern können. In dieser Sonderschau wird der Eindruck noch verstärkt durch die Gegenüberstellung von belebter und unbelebter Natur.

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Der „Weg nach außen“, den ich beschrieb, ist unsere Innovationskraft, und damit meine ich den Anspruch, „Wissenschaft für die Praxis“ zu betreiben.

Darüber steht der die beiden Aspekte verbindende Leitsatz:

„Von glänzenden Mineralen zu geschliffenen Ideen“.

Dieser könnte auch das Motto der Sonderausstellung „Fliegende Juwelen“ sein, und Novalis, dessen Zitat die Einladungskarte ziert und einleitend aufgeführt ist, würde auf seine ganz andere, phantasiereiche und auf Ganzheitlichkeit gerichtete, naturphilosophische Weise wahrscheinlich zustimmen können.

Ich wünsche der Sonderausstellung, die zu vielen Gedanken und Phantasien, aber auch und vor allem zur Freude am Schönen anregt, eine gute Ausstrahlung und Besucherresonanz.

Bei den Initiatoren möchte ich mich für das Engagement und den Ideenreichtum und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit danken.

Glück auf!