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Z f ZEITSCHRIFT FÜR SOZIALÖKONOMIE Das neue SGB II: Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) – Zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe Reform der Geldschöpfung – Wiederherstellung des staat- lichen Geldregals durch Vollgeld Geldhortung als Nachfrageausfall in der Stromgrößensphäre Bodenangebot und Bodenwertsteuer Berichte – Bücher – Veranstaltungen Herbsttagung in Hofgeismar Thomas Korenke Joseph Huber Christopher Mensching Dirk Löhr 3 13 22 30 35 29 142. 41. Jahrgang Folge September 2004 ISSN 0721-0752

Reform der Geldschöpfung - Wiederherstellung des staatlichen Geldregals durch Vollgeld

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Joseph Huber

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    ZEITSCHRIFT FR SOZIALKONOMIE

    Das neue SGB II: Grundsicherungfr Arbeitssuchende (Hartz IV) Zur Zusammenlegung vonArbeitslosen- und Sozialhilfe

    Reform der Geldschpfung Wiederherstellung des staat-lichen Geldregals durch Vollgeld

    Geldhortung als Nachfrageausfallin der Stromgrensphre

    Bodenangebot undBodenwertsteuer

    Berichte Bcher Veranstaltungen

    Herbsttagung in Hofgeismar

    Thomas Korenke

    Joseph Huber

    Christopher Mensching

    Dirk Lhr

    3

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    142.41. Jahrgang Folge September 2004

    ISSN 0721-0752

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    Whrend die industrialisierte Landwirt-schaft des Nordens gigantische Lebens-mittelberschsse produziert, hungernauf der Sdhalbkugel der Erde Millionenvon Menschen. Doch warum kommt dientige Agrarwende nur so langsam vor-an? Werner Onken erlutert in diesemBuch, wie sehr sie durch das geltendeBodenrecht und das bestehende Geld-wesen erschwert wird. Nach Rckblickenauf die Agrarpolitik im 19. Jahrhundert,im Nationalsozialismus und im Kommu-nismus sowie in der kapitalistischenWeltwirtschaft nach 1945 deutet er an,wie sich die Landwirtschaft nach einerReform von Bodenrecht und Geldweseninnerhalb einer 'Marktwirtschaft ohneKapitalismus' zu einem buerlichen ko-landbau 'zwischen Pferdegespann undAgrarfabrik' entwickeln knnte.

    WERNER ONKEN:Geld- und bodenpolitischeGrundlagen einer Agrarwende124 S., Pb. - ISBN 3-87998-447-4 8,00 EURO

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    Zeitschrift fr Sozialkonomie 142/2004

    Geldregal, Seigniorage und Vollgeld

    Geldregal bedeutet das hergebrachte Vorrechtdes Staates, in seinem Hoheitsbereich die offi-zielle Whrung zu bestimmen und die gesetz-lichen Zahlungsmittel in dieser Whrung zuschpfen und in Umlauf zu bringen. Darauserwchst dem Staat ein Geldschpfungsgewinn.Dieser wird als Seigniorage bezeichnet. DieSeigniorage besteht in der Differenz zwischenden Produktions- und Bereitstellungskosten derZahlungsmittel einerseits und ihrer Kaufkraftandererseits, die der Staat realisiert, indem erneu geschpfte Zahlungsmittel durch ffentlicheAusgaben in Umlauf bringt. Zum Beispiel be-trugen die Produktionskosten eines 1-Mark-Stcks zuletzt 16 Pfennige. Die Seigniorage, hierals Mnzgewinn, betrug damit 84 Pfennige oder84% abzglich der Verwaltungs- und sonstigenTransaktionskosten.Der Staat streicht heute den Zentralbankge-

    winn ein. Dieser entsteht aus den (relativ ge-ringen) Kreditvergaben an die Geschftsbankensowie aus der Anlage nationaler Devisenreserven.Aber Seigniorage im dargelegten Sinn die er-heblich hher wre als der Zentralbankgewinn bezieht der Staat nicht mehr. Denn die heuteberwiegende Form der Geldschpfung bestehtin der Bereitstellung von Sichtguthaben aufGirokonten durch die Banken. Die Banken schp-fen die Sichtguthaben im Zuge ihrer Kreditver-gabe an das Publikum durch einen einfachenEintrag in den Bchern: Kreditkonto an Kunden-konto. Weiter nichts. Ein Schpfungsakt 'exnihilo', oder vielleicht richtiger, 'ex scientia'.Bei der Bank steht die Forderung auf fristge-rechte Kreditrckzahlung und Verzinsung als

    Aktivum, whrend die Verbindlichkeit der Kredit-auszahlung an den Kunden als Passivum steht.Auf dem Girokonto des Kunden erscheint genauumgekehrt der erhaltene Kredit als verfgbaresHaben, und die Zins- und Rckzahlungsver-pflichtung als Soll.Von da an bis zur Tilgung eines Kredits 'zirku-

    lieren' die Guthaben im Publikum wie Geld, undzwar durch Verrechnung auf den Girokonten. Diein diesem Sinne 'zirkulierenden' Sichtguthabenstellen nun in dem Sinn einen Kredit der Geld-nutzer an die Bank dar, dass die Geldnutzer aufdie Auszahlung von Bargeld weitgehend ver-zichten und eben bargeldlos mit den Sichtgut-haben der Banken zahlen. So kommen die Ban-ken faktisch kaum in die Verlegenheit, groeReserven an Zentralbankgeld in Bewegung set-zen zu mssen. Die Guthaben der Kunden werdenuntereinander so weit wie mglich verrechnet,und die tatschlichen Abflsse an die Kundenanderer Banken oder ins Ausland, zu derenAbwicklung Zentralbankguthaben aktiviert wer-den mssen, bewegen sich in etwa in Hhe derZuflsse von Kunden anderer Banken und ausdem Ausland; und dies ist beim Abfluss undZufluss von Bargeld am Kassenschalter nichtanders. Eine Zahlungsreserve von 814% derUmstze gengt den Banken normalerweise, umauf dieser Grundlage ein Vielfaches an Kreditenaufzubauen. Daher die Bezeichnungen fraktio-nales Reservesystem und multiple Geldschp-fung.Sichtguthaben stellen in der Eurozone heute

    85% der Zahlungsmittel dar, wie die GeldmengeM1 sie reprsentiert. Der Rest von M1 bestehtaus rund 14% Zentralbanknoten und etwa 1%Mnzen. Damit hat die Zentralbank die Kontrolleber die Geldmenge weitgehend verloren. DasGeldregal ist dem Staat faktisch entglitten undauf die Banken bergegangen. Dies ist eineunmittelbare Folge der historischen Ausbreitung

    Joseph Huber:

    Reform der Geldschpfung Wiederherstellungdes staatlichen Geldregals durch Vollgeld *

    *) Dieser Artikel stellt die berarbeitete deutsche Fassung einesVortrags dar, den der Autor im Juni 2001 unter dem Titel"Seigniorage Reform and Plain Money" vor dem Forum for StableCurrencies, House of Lords, London, gehalten hat.

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    des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im 20. Jahr-hundert und zuletzt seiner Beschleunigung durchdie IuK-technischen Zahlungsverfahren. Das of-fizielle Finanzmilieu pflegt die geldpolitischeMachtverschiebung von den Zentralbanken zuden Banken als Unthema zu behandeln. Aber dieAbkehr der Zentralbanken von der Geldmengen-politik und ihre kompensatorische Hinwendungzur Zinspolitik, in der Hoffnung, wenigstens aufdiese Weise das Geldmengenwachstum zu kana-lisieren, spricht faktisch eine deutliche Sprache.Die Absicht der hier dargelegten Reform der

    Geldschpfung besteht darin, das Geldregal inzeitgemer Weise wieder herzustellen und diedamit verbundene Seigniorage ungeschmlertdem ffentlichen Haushalt zugute kommen zulassen. Die Seigniorage ergibt sich aus dem jhr-lichen Zuwachs der Geldmenge. Dieser betrgt,bezogen auf M1, derzeit fr Deutschland 2440Mrd Euro pro Jahr im Drei-Jahres-Durchschnitt.Die Seigniorage aus der Vollgeldschpfung knn-te also die ffentlichen Haushalte in Deutsch-land jhrlich in einem Umfang von durchschnitt-lich 2040 Mrd Euro entlasten. Das sind zwar nuretwa 3% der rund 1.000 Mrd Euro, auf die sichheute die interventionistisch aufgeblhte Staats-quote um 50% des BIP beluft. Damit ist auchschon festgestellt, dass man mit der Seigniorageaus der Vollgeldschpfung nicht 'alles' finanzie-ren und auch nicht die regulren Steuern undAbgaben ersetzen kann. Aber 2040 Mrd Eurobzw. 3% des Staatshaushalts wre ber die Jahrehinweg doch ein erheblicher Betrag. Er wrdeeine gewisse Steuersenkung erlauben oder wreein kontiuierlicher Beitrag zum Schuldenabbau.Voraussetzung dafr ist die Umwandlung von

    Sichtguthaben in Vollgeld, oder anders gesagt,die Umwandlung der heutigen Girokonten inechte Geldkonten. Vollgeld bedeutet vollwerti-ges gesetzliches Zahlungsmittel. Frhere Gold-und Silbermnzen waren schon immer Vollgeld.Scheidemnzen und Banknoten sind Vollgeld, seitsie den Status des vollwertigen gesetzlichenZahlungsmittels erlangt haben. (Die Noten derDeutschen Reichsbank wurden erst 1909 zu ge-setzlichen Zahlungsmitteln). Auf der heute er-reichten Entwicklungsstufe geht es nun darum,auch Sichtguthaben zu Vollgeld zu machen und

    damit den lngst eingetretenen neuen Reali-tten Rechnung zu tragen. Die Realitt ist, dassSichtguthaben wie Zahlungsmittel, tatschlichals das bedeutendste Zahlungsmittel, benutztwerden. Rechtlich und finanzwirtschaftlich aberhandelt es sich nicht um gesetzliche Zahlungs-mittel, sondern lediglich um eine tglich flligeBankenverbindlichkeit, die als Geldsurrogat be-nutzt wird.

    Kommerzielle Giralgeldschpfungauer Kontrolle

    In frheren Jahrzehnten, und in Deutschlandnoch bis gegen Ende der 1990er Jahre, habendie Banken aus der Giralgeldschpfung erheb-liche Extragewinne gezogen. Denn sie konntendie Kredite an den Kunden zum normalen Dar-lehenszins vergeben, mussten den Kunden frihre Guthaben auf Girokonten aber keine Ein-lagezinsen zahlen.Will man wissen, wie hoch der Extragewinn

    der Banken aus der multiplen Geldschpfung ge-wesen ist, muss man den jeweiligen Bestand anSichtguthaben multiplizieren mit einem realis-tisch gewichteten Durchschnitt der Zinsstzefr Geldaufnahme bzw. fr Depositen. Das ergabfr die deutschen Banken in den 198090erJahren Summen in einer Grenordnung vonjhrlich 1015 Mrd Euro ein stattlicher Extra-gewinn, den manche Kritiker als heimliche 'pri-vate Geldsteuer' angeprangert haben.Die Finanzwissenschaft nennt den Gewinn der

    Banken aus der Sichtguthabenschaffung eben-falls Seigniorage. Dies ist ein irrefhrenderSprachgebrauch. Seigniorage sollte man auf dasbeschrnken, als was sie eingangs definiertwurde: die Differenz zwischen den Kosten undder Kaufkraft eines neu geschpften Zahlungs-mittels im Rahmen chartaler Geldschpfung(historisch als Mnzgewinn). Was dagegen dieBanken bei der Bereitstellung von Sichtguthabenrealisieren, ist: ein Zins-Extragewinn. Der Vorteilfr die Bank liegt 'nur' in den Zinsen. Von demZahlungsmittel, den Sichtguthaben, die die Bankden Kreditkunden zur Verfgung stellt, hat dieBank selbst nichts (obwohl sie fr den Betraggerade stehen muss, wenn der Kredit faul wird).

    Zeitschrift fr Sozialkonomie 142/2004

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    Tilgt der Kunde seinen Kredit, werden die be-treffenden Eintrge in den Bchern wieder ge-lscht, und das Geld ist somit nicht mehr vor-handen (Reflux-Prinzip der Banking-Lehre). Vondaher stellt auch der Zentralbank-Gewinn, deran die Regierung abgeliefert wird, keine Seig-niorage im definitiven Sinne dar, sondern dieSumme der diversen Zinsgewinne, die die Zen-tralbank durch ihre Kredit- und Devisengeschfteerwirtschaftet.Inzwischen muss man die Extragewinne aus

    der Bankengeldschpfung nicht mehr skandali-sieren. Sie existieren wohl kaum mehr in erheb-lichem Ausma. Unter dem Druck des sich euro-pisierenden und globalisierenden Wettbewerbssowie aufgrund der Vorgaben der Aufsichtsbe-hrden kommen die Banken, inzwischen auchin Deutschland, nicht mehr umhin, ihren Kun-den auf alle Arten von Guthaben, auch aufSichtguthaben, Einlagezinsen zu zahlen. Damitist dieser frhere Extragewinn faktisch abge-schmolzen. Was aber mehr denn je existiert, istdie Giralgeldschpfung der Banken deren ko-nomische Funktionsprobleme weiterbestehen.Skandalisiert hatten den Sachverhalt der

    Banken-Extragewinne aus der Schaffung vonSichtguthaben auch jene Chicagoer konomen,die in der Groen Depression der 1930er Jahredas Konzept des 100%-Banking entwickelten(Hart 1935). Unter ihnen waren Henry Simons(1948) und Milton Friedman (1948, 1959, 1969).Auch Irving Fisher untersttzte den Ansatz. Erhatte zunchst Silvio Gesell's Freigeld favori-siert, nahm dann aber davon Abstand und ent-wickelte das Konzept des 100%-Money (Fisher/Cohrssen 1934). Die Grundidee des 100%-An-satzes liegt darin, die Bankengeldschpfung unddas fraktionale Reservesystem dadurch auszu-schalten, dass jedes unbare Kontoguthaben zu100% durch Bargeld 'gedeckt' sein msse. Eshandelt sich gleichsam um einen 100%-Bar-gelddeckungs-Ansatz, oder genauer gesagt, einAnsatz, der 100% Reservehaltung erzwingt.Seine Verfechter setzten damit die finanzwissen-schaftliche Tradition der Currency-Lehre fort, inDeutschland von Friedrich Knapp (1905) be-grndet, im Gegensatz zur Banking-Lehre, zu-letzt von Friedrich von Hayek (1977) vertreten.

    Auch der hier vertretene Vollgeld-Ansatz stehtin der chartalen Currency-Tradition. Zu den da-mit verbundenen Standpunkten gehrt, dass esjemanden geben muss, zumal unter Bedingungendes frei 'ex scientia' geschpften Geldes, derdie Geldmenge effektiv kontrollieren kann.Auerdem werden die zirkulierenden Zahlungs-mittel, die allgemeine Geldbasis, als ein ffent-liches Gut angesehen. Als solches muss das Geldvon einer ffentlichen Stelle emittiert werden,die der Eigentmer des zirkulierenden Geldes ist,im Unterschied zum jeweiligen Inhaber. DieFrage der Geldschpfung besitzt von daher Ver-fassungsrang. Was wrde man von einem Staatsagen, der sein militrisches und polizeilichesGewaltmonopol aufgibt, sein Gesetzes-, Recht-sprechungs- und Gebietsverwaltungsmonopol,sein Steuermonopol, die Landeshoheit ber Maeund Gewichte, gesetzliche Standards, Lizenzenund Zertifikate? Sein Geldregal aber hat derStaat sich nehmen lassen.Der Standpunkt, dass Geldschpfung eine

    gebietshoheitliche Prrogative darstellt, die sichder Staat, samt Seigniorage, im Interesse einerfunktionalen Wirtschaftsordnung und des Staats-haushalts zu sichern hat, wurde u.a. nachdrck-lich von Irving Fisher vertreten: 'Nationalizationof banking, no; nationalization of money, yes'(1935, 58). Das Bankengeschft soll frei sein,samt den Zinsstzen, durch welche die Finanz-mrkte sich preislich regeln. Aber Geldschpfungund Seigniorage sollen nicht Gegenstand vonGeldmacherei sein. Zuletzt haben Huber/Robert-son (2000) oder auch Zarlenga (2002) wiedereinen solchen Standpunkt vertreten. Auch Creutz(2002, 15) untersttzt nach eigenen Angabendie Umwandlung von Sichtguthaben aus Banken-geld in Zentralbankgeld obwohl er der Meinungist, dass unbare Sichtguthaben nicht frei ge-schpft werden knnen, sondern durch Einzah-lung von Bargeld aufgebaut wrden, und eseine multiple Geldschpfung berhaupt nichtgbe (1996).

    Die Vollgeldreform im Einzelnen

    Die Reform der Geldschpfung durch Vollgeldbesteht aus zwei Komponenten, die als zwei

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    Seiten einer Medaille angesehen werden knnen:zum einen die vollumfngliche Wiederherstellungdes staatlichen Geldregals und der darausflieenden Seigniorage, zum anderen die Be-endigung der Sichtguthabenschaffung der Ban-ken durch Umwandlung der Girokonten in Geld-konten. Das eine setzt das andere voraus. AufGeldkonten werden die unbaren Guthaben keinetglich flligen Zahlungsversprechungen mehrsein, sondern positives unbares Geld, vollwertigegesetzliche Zahlungsmittel, eben Vollgeld. Eswrde dadurch eine homogene Geldmenge Mentstehen. Diese wre zugleich die dann vorhan-dene Geldbasis. Vollgeld kann weiterhin in jedertechnischen Form verwendet und gewechseltwerden als Mnze, Banknote und Guthaben aufdem Geldkonto oder einer Geldkarte. Es kannweiterhin leicht von einem Geldkonto zu einemanderen transferiert werden durch die gngigenberweisungs- und Abbuchungsverfahren, ein-schlielich Kredit- und Debitkarten.Erstmalig in der modernen Geschichte wrde

    die Geldmenge M in ihrer Gesamtheit von einerdazu autorisierten Quelle emittiert werden, ambesten einer Geldausgabeabteilung der betref-fenden staatlichen Zentralbank, in der Eurozonealso der Europischen Zentralbank. Die Gliede-rung der Zentralbank in eine Ausgabeabteilungund eine Geschfteabteilung besteht zum Bei-spiel schon bei der Bank of England (Issue De-partment und Banking Department). Eine solcheGliederung ist nicht unbedingt erforderlich, abersie schafft klare Verhltnisse. In einem Voll-geldregime ist die Ausgabeabteilung fr dieBereitstellung des langfristigen Geldmengen-zuwachses zustndig, die Geschfteabteilung frdie kurz- und mittelfristige Feinsteuerung derGeldmenge und fr die Devisenbewirtschaftung.Hierfr kann die Geschfteabteilung weiterhindie selben Methoden und Instrumente einsetzenwie heute auch.Die Ausgabeabteilung wrde, ebenfalls wie

    heute, in regelmigen Abstnden entscheiden,ob und wieviel neues Geld gebraucht wird. Siesollte dabei diskretionr vorgehen knnen undnicht an abstrakte Regeln gebunden sein (imGegensatz zum 100%-Plan und der Regel deskonstanten Geldmengenzuwachses nach M. Fried-

    man). Eine starke Unabhngigkeitsposition derZentralbank gehrt zu den Voraussetzungen ei-nes funktionierenden Geld- und Finanzwesens.Darin ist nichts weniger zu sehen, als eineFortentwicklung des Prinzips der staatlichen Ge-waltenteilung. (Bernd Senf hat diesbezglicheinmal vorgeschlagen, von der 'Monetative' zusprechen). Auch und gerade unter Bedingungenvon Vollgeld und vollstndigem Geldregal musses fr Parlament und Regierung ausgeschlossensein, von der Zentralbank mehr Geld zu verlan-gen als diese zu emittieren fr erforderlich hlt.Parlament und Regierung sollen ihren eigenen,den ffentlichen Haushalt ordentlich fhren; undsich ansonsten in Geld- und Finanzangelegen-heiten nicht einmischen.Technisch gesehen wrde die Ausgabeabtei-

    lung ihre Entscheidungen auf denselben Infor-mationsgrundlagen treffen wie heute, insbeson-dere der Entwicklung der Geld- und Kapitalnach-frage, der Zinsstze, der sonstigen Preise unddes realwirtschaftlichen Wachstums. Die Aus-gabeabteilung wrde dann das Geld auf dasKonto des Finanzministers berweisen, zinsfrei,und faktisch auch tilgungsfrei, zum allgemeinenNutzen der ffentlichen Hand, durch deren Aus-gaben es in Umlauf gebracht wrde. In derBilanz der Geldausgabeabteilung der Zentralbanksteht das neu geschpfte Geld buchungstech-nisch als ein unbefristeter zinsloser Kredit anden Finanzminister.Daneben wrde die Geldausgabeabteilung

    auch noch Mittel in gewissem Umfang an dieGeschfteabteilung ausleihen, ebenfalls zinsfrei,teils zur Absorption von Devisen aus dem inter-nationalen Zahlungsverkehr, teils vielleicht auchfr sehr kurzfristigen direkten Zentralbankkreditan Banken, der im Ausnahmefall noch erforder-lich sein knnte. Im Regelfall aber wrde dasGeld nach einer Vollgeldreform als verzinslicheKundeneinlage zu den Banken kommen, oder amallgemeinen Geld- und Kapitalmarkt aufgenom-men werden. Die Mittel, welche die Ausgabe-abteilung der Geschfteabteilung fr fein-steuernde Emissions- und Absorptionsgeschftezukommen lassen msste, wren vergleichsweisegering. Sie wrden die Seigniorage daher nurgeringfgig schmlern. Sie wrden im Gegen-

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    zug auch einen kleinen Zinsgewinn der Ge-schfteabteilung, also einen leicht erhhtenZentralbankgewinn, mit sich bringen.Anders verhlt es sich im Falle von Geld-

    mengenwachstum durch Devisenberschsse.Strmen Auslandswhrungen ins Land, so ver-einnahmt die Zentralbank diese Mittel als na-tionale Devisenreserven und gibt im Gegenzugheimische Whrung dafr heraus. In Nationenmit Exportberschuss entsteht ein nicht uner-heblicher Teil der zirkulierenden Geldmenge aufdiese Weise und je mehr auf diese Weise ent-steht, desto weniger kann als Seigniorage inUmlauf kommen, da die gesamte inflationsfreizu vermehrende Geldmenge jeweils begrenzt ist.Dennoch handelt es sich aus Sicht der Staats-kasse nicht gnzlich um entgangene Einnahmen.Denn die Geschfteabteilung verleiht die Devi-senreserven am internationalen Markt und er-zielt daraus stattliche Zinsgewinne, die demFinanzminister als normaler Zentralbankgewinn(dann Gewinn der Geschfteabteilung) zuflieen.In einem Land mit Auenbilanzdefizit bliebedie Seigniorage ungeschmlert. Dafr aber be-sitzt die Whrung eines solchen Landes ceterisparibus einen geringeren Wechselkurs.Ein anderer Umstand, der die Seigniorage

    schmlert, ist die Ersetzung verschlissener Mn-zen und Banknoten durch neue. Hier fallen Her-stellungskosten an, ohne dass eine Seignioragedaraus erwchst, da dieses Geld sich bereits inUmlauf befindet. Gut gefertigte Geldscheineknnen bei normaler Beanspruchung etwa vierJahre umlaufen. Da jedoch die Bargeldmengelangfristig zurckgeht, drfte die Schmlerungder Seigniorage durch Ersatz von verschlissenemdurch neu gefertigtes Bargeld kaum mehr son-derlich ins Gewicht fallen.Darber hinaus kann man davon ausgehen,

    dass in einem Vollgeldregime die bentigteinflationsfreie Geldmenge etwas umfangreicherals heute wre. Der Gund dafr liegt darin, dassEinlagefristen dann wieder streng eingehaltenwerden mssten und die Banken zustzlich be-ntigte Mittel nicht mehr nach Gutdnken als'instant money' erzeugen knnen zum Beispielper Inanspruchnahme von berziehungskreditdurch den Kunden, was heute ein Akt der

    Geldschpfung ist. Zwar kann das Publikumweiterhin jederzeitigen berziehungskredit be-kommen und der Interbankenmarkt wird weiter-hin jederzeit liquide sein. Die jederzeit mgliche(Wieder-)Inumlaufbringung von Geld durch Aus-gabe- und Geschfteabteilung der Zentralbankschliet die Entstehung irgend einer Art vonGeldversorgungsknappheit faktisch aus. Da dieBanken aber nur werden ausgeben knnen wassie zuvor positiv eingenommen haben, werdensie ihren zu erwartenden Geldbedarf noch sorg-samer planen, also Vorsorge treffen, dass ge-ngend billigeres Geld von Kundeneinlagen ver-fgbar ist, da sonst teurere Mittel anderweitigaufzunehmen sind. Von daher drfte der ber-gang zu Vollgeld eine etwas erweiterte Geldvor-ratshaltung mit sich bringen. Demzufolge msstedie Geldmenge M entsprechend grer sein undes wrde die effektive Seigniorage fr denStaatshaushalt insoweit hher ausfallen.Die Regierung sollte frei entscheiden, wofr

    sie die zu erwartende Seigniorage, zustzlichzum Zentralbankgewinn, einplant ob frSchuldenabbau, Steuersenkung, Bildung undForschung, ffentliche Infrastrukturen, oder ein-fach als Beitrag zum allgemeinen Haushalt, indem alle Einnahmen zur Finanzierung aller Aus-gaben dienen. Gleich, wofr die Regierung dasGeld ausgibt, es kommt auf jedem Weg alsffentliche Ausgabe in Umlauf und bleibt dar-in, sozusagen fr immer.Dem Prinzip nach stellt sich die Frage, was

    wre, wenn die Wirtschaft langfristig nicht mehrwchst, etwa, in fernerer Zukunft, bei Auslaufendes transskularen bergangs aus der traditio-nalen in die vollends moderne Gesellschaft aufeinem dann erreichten Erhaltungsniveau. Indiesem Fall wrde lediglich kein zustzlichesGeld mehr zu schpfen sein und somit keineSeigniorage mehr anfallen.Anders bei einer langfristigen Wirtschafts-

    schrumpfung. In diesem Fall wrde sich einallgemeiner Geldberhang ergeben. Sofern derSchrumpfungsprozess langsam und stetig ver-liefe, knnte man ihn samt der damit verbun-denen milden Inflation im Prinzip sich selbstberlassen. Vollgeld ist jedoch ein quantitts-theoretisch abgesichertes Konzept. Es kann von

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    sich beanspruchen, die Geldmenge historischerstmalig umfassend und effektiv kontrollierenzu knnen und einer Geldmengeninflation damitwirksam vorzubeugen. Die fr den Quantitts-theoretiker zufriedenstellendere Antwort ist dennauch die: Im Schrumpfungsfall msste langfris-tig berschssiges Geld dadurch dem Umlaufentzogen werden, dass ein entsprechender Teilder Steuern dazu benutzt wird, den unbefriste-ten Kredit bei der Ausgabeabteilung der Zentral-bank im ntigen Ausma zu tilgen. Damit wredas Reflux-Prinzip erfllt. Dies drfte freilicheine eher theoretische berlegung bleiben, diedie Schlssigkeit des Konzeptes aufzeigt. Derwirkliche Gang der Geschichte wird wohl auch inZukunft ein zwar generell gerichteter, aber imkonkreten Einzelschritt krummer Pfad bleiben,der sich um unser hbsch arrangiertes Grtleinwenig kmmert. Wenn dem nicht so wre, ht-ten Banken keinen Wertberichtigungsbedarf.Die andere Seite einer Vollgeldreform besteht

    darin, zu gewhrleisten, dass Banken mit allem,was sie heute tun, auch knftig fortfahrenknnen, auer mit der Schaffung von Sichtgut-haben. Die multiple Geldschpfung durch dieBanken muss ausgeschlossen werden. Man hatsich im Laufe der Zeit mancherlei Gedanken zudieser Frage gemacht. Die am meisten beach-tete Antwort darauf war der schon erwhntePlan der 100% Reservehaltung. Es war dies aller-dings ein geldtheoretisch noch nicht ganz stim-miger, auerdem ziemlich unpraktischer und mitbergangsproblemen behafteter Ansatz. Im hiervertretenen Vollgeldansatz wird das Problem derUnterbindung der Sichtguthabenschaffung durchdie Banken nun auf eine einfache und leicht zuimplementierende Weise gelst, und zwar durcheine kleine Ergnzung des Zentralbankgesetzesund eine Abnderung des betreffenden Ban-kengesetzes durch eine bilanziell-buchungstech-nische Manahme.Die geringfgige, gleichwohl bedeutsame Ge-

    setzesergnzung besteht darin, den Artikel imZentralbankgesetz ber die Geldschpfung (inder EWU Artikel 16 der Zentralbankstatuten) da-hingehend zu ergnzen, dass er auer Bargeldauch alles unbare Geld i.S. der heutigen Sicht-guthaben umfasst. Diese werden damit zu ge-

    setzlichen, ausschlielich von der Zentralbankzu schpfenden Zahlungsmitteln. Das Recht wr-de damit die Realitten nachvollziehen, die ihmheute weit vorausgeeilt sind, indem Sichtgut-haben wie Geld verwendet werden, was sie aberim Sinne des Gesetzes und des chartalen Geldeserst dann sein werden, wenn sie gesetzlicheZahlungsmittel geworden sind.Die damit zu verbindende zweite Getzesnde-

    rung besteht darin, ab einem Stichtag (Tag X)die laufenden Girokonten bei den Banken zuGeldkonten der Kunden zu erklren und dieseGeldkonten von der Bankenbilanz abzukoppeln.Die Umwandlung von Girokonten in Geldkontenwird also bilanziell-buchungstechnisch dadurchrealisiert, dass die laufenden Girokonten derKunden an jenem Tag X aus der Bankenbilanzherausgenommen werden. Sie bekommen alsGeldkonto des Kunden eine eigenstndige Exis-tenz. Der Kunde ist dann nicht nur Inhaber,sondern auch alleiniger Eigentmer seines Geld-kontos. Die Bank hat mit diesem Konto und demGeld darauf als Eigentmer nichts mehr zu tun.Das, und nur das, ist die Umstellung. Alle amTag X vorhandenen Forderungen und Verbind-lichkeiten bleiben davon unberhrt und aufPunkt und Komma bestehen. Niemandes Gut-haben wird angetastet, niemandes Schulden-stand verndert. Der Bankkunde wrde von derUmstellung berhaupt nichts merken, wrde mandie ffentlichkeit darber nicht informieren.Gleichwohl htte man ab diesem Tag X in dergleichen Weise Geld auf seinem Konto wie manBanknoten in der Brieftasche und Mnzen imGeldbeutel hat was, wie gesagt, heute schonso zu sein scheint, aber eben nicht so ist.Das Girokonto des Kunden bzw. das Kunden-

    kontokorrent der Bank sind etwas Zwittriges.Ihr Inhaber ist der Kunde, aber ihr Eigentmerist die Bank, in deren Bilanz es unmittelbareingeht. Wenn heute der Kunde einer Bank ei-nem anderen Kunden bei derselben Bank 'Geldberweist', wird berhaupt kein Geld bewegt,sondern es werden Gutschrift und Lastschriftim Kontokorrent der Bank gegeneinander ver-rechnet. Wenn ein Kunde einem anderen Kundenbei einer anderen Bank oder an einem entfern-ten Ort oder ins Ausland Geld berweist, dann

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    fliet ebenfalls kein Geld vom einen Kunden-konto zum anderen Kundenkonto, sondern esflieen Zahlungsreserven vom Zentralbankkontoder Bank des berweisenden Kunden auf dasZentralbankkonto der Empfngerbank. Diese be-hlt die empfangenen Reserven und schreibtdem 'empfangenden' Kunden den Betrag aufseinem Girokonto gut. Der Kunde erhlt keinGeld von der Bank, sondern nur das Versprech-en, ihm auf Verlangen Bargeld auszuzahlen.Werden die Betrge auf dem laufenden Kontodagegen vollwertige gesetzliche Zahlungsmittelsein, fliet tatschlich Geld: vom Geldkonto deseinen Kunden auf das Geldkonto des anderenKunden. Mittel der Bank sind dabei nicht mehrim Spiel. Die Bank vollzieht nur noch dieDienstleistung der bargeldlosen Zahlungsab-wicklung, so wie Banken auch Wertpapierdepotsfr Kunden verwalten. Dafr knnen die heu-tigen Verrechnungssysteme, mit entsprechendenAnpassungen betreffend Sender- und Empfnger-adressen, technisch weiter Anwendung finden.Der bergang von jetzt auf nachher wird ohne

    Komplikation des weiteren dadurch hergestellt,dass in der Bilanz der Banken ab jenem Tag Xdie tglich flligen Kontokorrent-Verbindlich-keiten einer Bank gegenber ihren Kunden zueiner Verbindlichkeit gegenber der Zentralbankwerden so, als htte von vornherein die Zen-tralbank, nicht die Bank, diese Mittel emittiert.In dem Mae, wie die Kunden nachfolgend ihrelaufenden Kredite tilgen, leiten die Banken diezurckbezahlten Mittel (die dann Vollgeld sind)an die Zentralbank weiter, wo sie damit bilan-ziell gelscht werden, so lange, bis die Altkre-dite, die am Tag X bestanden haben (in Hhe dertglich flligen Sichtguthaben in der Banken-bilanz bzw. in M1), abgeschmolzen sind. Wh-rend dieser Zeit, also ab jenem Tag X, werdenneue Kredite bereits als Vollgelddarlehen ver-geben.Wenn eine Bank unter Vollgeldbedingungen

    ein Darlehen vergibt, so mssen die betreffen-den Geldmittel auf dem Zentralbankkonto derBank positiv vorhanden sein, in der Regel da-durch, dass sie diese zuvor aufgenommen hat.Sofern dabei die Bank Geld von ihren eigenenKunden leiht, kann dies nicht mehr dadurch

    geschehen, dass eine tglich fllige Verbind-lichkeit in eine lngerfristige Verbindlichkeitumgebucht wird. Stattdessen wird ein realerGeldtransfer stattfinden: vom Geldkonto desKunden auf das Zentralbankkonto der Bank.Wenn umgekehrt eine Bank einem Kunden einDarlehen auszahlt, so erfolgt dies nicht durchGirokontogutschrift, sondern: durch einen Voll-geldtransfer vom Zentralbankkonto der Bank aufdas Geldkonto des Kunden.Die hiermit dargelegte Reform der Geldschp-

    fung durch bergang vom fraktionalen Reserve-system zu einem integrierten Vollgeldkreislaufleistet dasselbe und mehr als der 100%-Plan, istobendrein einfacher und kommt nicht mit Um-stellungsproblemen wie jener. Es gab einigedeutsche Autoren, die seither zur Weiterent-wicklung jener Ideen beigetragen haben, da-runter Jrgen Pahlke (1970), emeritierter Pro-fessor fr Finanzwirtschaft, und Rolf Gocht(1975), Mitglied im Direktorium der DeutschenBundesbank von 196775. Sie hatten beide dasZiel, ein allgemeines staatliches Geldregal wie-derherzustellen. Pahlke blieb dabei noch dem100%-Ansatz verhaftet, whrend Gocht sich da-von bereits frei gemacht hatte; dafr folgte ertechnisch und ordnungspolitisch der Vorstel-lung, den gesamten Zahlungsverkehr, um ihnunter Kontrolle zu haben, den Banken zu entzie-hen und dem damaligen Postgiroamt zu ber-tragen was einer Verstaatlichung des bargeld-losen Zahlungsverkehrs gleichkam.In den 1980er Jahren verfolgten der Finanz-

    wissenschaftler Wolfgang Filc (1989) und derPolitiker Klaus von Dohnanyi (1985) eine etwasandere Absicht. Als Beitrag zur Sanierung derStaatsfinanzen sollte die Sichtguthabenschaf-fung durch die Banken zwar nicht gendert wer-den, aber es sollten die Mittel, welche dieZentralbank heute als Reserven an die Bankenausleiht, dem Finanzminister zur freien Verf-gung berlassen werden. Damit wurde immer-hin der Aspekt der Seigniorage angesprochen,aber doch suboptimal in den engen Grenzen derheutigen Reservebasis. Die monetre Problematikder Geldschpfung und der geteilten Geldkreis-lufe im bestehenden fraktionalen Reserve-systems wurde nicht aufgearbeitet.

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    Zeitschrift fr Sozialkonomie 142/2004

    Joseph Huber: Reform der Geldschpfung Wiederherstellung des staatlichen Geldregals durch Vollgeld

    Folgen und Vorteile

    Die Wiederherstellung des staatlichen Geldre-gals und einer hohen Seigniorage durch eine Voll-geldreform ist sicherlich kein finanzwirtschaft-liches Allheilmittel. Gleichwohl bringt es eine de-finitive Lsung des Problems der monetren Sicher-heit, der ethischen und verfassungsgemen Le-gitimitt der Geldschpfung und des damit ver-bundenen Geldschpfungsgewinns, und der effek-tiven Kontrolle geldmengeninduzierter Inflation.Die Guthaben auf Geldkonten wren histo-

    risch erstmalig vllig sicheres unbares Geld. Diezirkulierende Vollgeldmenge bleibt unabhngigvon Konjunkturen oder anderen Einflssen sta-bil. Schon dies muss sich stabilisierend auf dieRealwirtschaft auswirken. Die Geldmenge, und vorallem auch ihr Zuwachs, wre historisch erst-malig unter der effektiven Kontrolle einer dafrautorisierten ffentlichen Stelle, hier der Aus-gabeabteilung der gewaltenteilig unabhngiggestellten Zentralbank. Soweit Vernderungender Geldmenge zur Preisentwicklung beitragen(Inflation, Disinflation, Deflation), wre dieserFaktor historisch erstmalig unter lckenloserKontrolle, ganz im Gegensatz zum heutigen, fastvollstndigen Verlust der Geldmengenkontrolleim fraktionalen Reservesystem.Dadurch wrde eine Vollgeldreform auch zur

    Lsung angrenzender Probleme beitragen. Diesbetrifft nicht nur den Beitrag zur Sanierung derffentlichen Finanzen. Ein anderer, ebenso be-deutender Beitrag liegt in der Verstetigung vonKonjunkturzyklen und der Vorbeugung gegenFinanzkrisen. Zwar kann auch eine Vollgeldbasisdas prozyklische Risiko- und Darlehensverhaltender Banken und anderer Wirtschaftsteilnehmernicht ndern. Dennoch kann den bertreibungenvon Boom- und Krisenphasen in einem Vollgeld-regime dadurch gegengewirkt werden, dass dieGeldbasis stabil bleibt und der Geldmengen-zuwachs konsequent kontrazyklisch, und damitkonjunkturglttend, gestaltet wird. Diese Artvon kontrazyklischem Verhalten hat mit Keyne-sianischem 'Deficit spending' unseligen Anden-kens rein gar nichts zu tun. Eine Verstetigungvon Konjunkturzyklen wirkt ihrerseits vorbeu-gend gegen Finanzkrisen.

    Der bergang zu Vollgeld reprsentiert dennchsten naheliegenden Schritt in der histo-rischen Entwicklung des Geldes aus der traditio-nalen in die moderne Gesellschaft. Der Ent-wicklungspfad verluft hierbei vom materiellenWarengeld, am ausgeprgtesten in Form vonEdelmetallgeld, zum frei geschpften, unbaren,rein wert- und preisinformationalen General-quivalent fr das Wirtschaftsprodukt, das Kauf-kraft auf dieses verleiht. Eine der Zwischen-stufen auf diesem historischen Weg bestand inder Einfhrung von Banknoten und ihrer Um-wandlung von privat emittierten Zetteln in ge-setzliche Zahlungsmittel im Zeitraum von um17001900. Die Vollgeldreform vollzieht nichtsanderes als den nchsten solchen Schritt, nunauf der Entwicklungsstufe des bargeldlosen Zah-lungsverkehrs: nach der allgemeinen Einfhrungvon Sichtguthaben auf Girokonten als Zahlungs-mittel seit bald hundert Jahren nun ihre Um-wandlung von privat emittierten Geldsurrogatenin vollwertige gesetzliche Zahlungsmittel, dieauf eigens dafr konstituierten Geldkonten zir-kulieren.Vollgeld, obwohl es zinsfrei und im Prinzip

    auch tilgungsfrei in Umlauf kommt, ist keinBeitrag zum Ausstieg aus der Zinswirtschaft.Solange die Wirtschaft langfristig noch wchst,und damit ein gewisser milder Preisauftriebverbunden ist, wird die dem Zinsmechanismusinhrente Problematik der Umverteilung vonEinkommen und Vermgen von Schuldner zuGlubiger kompensiert durch eben diese beidenFaktoren, erstens dem Wachstum der Realein-kommen und zweitens dem damit einhergehen-den Preisauftrieb (Inflation). Irgendwann frei-lich wird die Zeit wieder kommen, und zwar inAnnherung des historischen Endes der trans-skularen Modernisierungs- und Wachstums-phase, wo die Einkommens- und Vermgensum-verteilung durch den Zinsmechanismus wieder zueiner virulenten sozialen Frage werden msste.Obwohl eine Vollgeldreform wie hier dargelegtnoch keine Antwort auf diese Frage gibt, drf-te Vollgeld als zins- und tilgungsfreie Geldbasisder Wirtschaft eine bessere Ausgangsbasis zurLsung des Problems bieten als die heutige ver-zinsliche Kreditschpfung der Zahlungsmittel.

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    Zeitschrift fr Sozialkonomie 142/2004

    Joseph Huber: Reform der Geldschpfung Wiederherstellung des staatlichen Geldregals durch Vollgeld

    Hauptgewinner einer Vollgeldreform wrendie ffentliche Hand und, der Absicht nach, dieSteuerzahler. Sofern die Regierung die Chanceneiner Vollgeldreform zur Sanierung des Staats-haushalts und zur Rekontribution von Einkom-men an die Brger nutzt, msste sich diesauerdem direkt niederschlagen in allgemeinenwirtschaftlichen Vorteilen in Form einer erhh-ten Eigenkapitalbasis, eines gesteigerten Inves-titionsniveaus und eines entsprechend gestei-gerten Wirtschafts- und Beschftigungsniveaus.

    Literaturhinweise- Creutz, Helmut 2002: Vollgeld und Grundeinkommen. Anmerkung-en ..., Zeitschrift fr Sozialkonomie, 133/2002, 1419; unter Bezug-nahme auf Ders. 1996: Geldschpfung durch Geschftsbanken. Theorieoder Wirklichkeit?, Zeitschrift fr Sozialkonomie, 108/1996, 2241.- Filc, Wolfgang 1989: Finanzierung ffentlicher Aufgaben durch zins-losen Notenbankkredit, WSI Mitteilungen, 42. Jg., Juli 1989, 405412.- Fisher, Irving 1935: 100% Money, Works Vol. 11, ed. and introducedby William J. Barber, London: Pickering & Chatto, 1997.- Fisher, Irving/Cohrssen, Hans R.L. 1934: Stable Money. A History ofthe Movement, New York: Adelphi Company.- Friedman, Milton 1948: A Monetary and Fiscal Framework for Eco-nomic Stability, The American Economic Review, 38 (1948) 245264.- Friedman, Milton 1959: A Program for Monetary Stability, New York:Fordham University Press.- Friedman, Milton 1969: The Monetary Theory and Policy of HenrySimons, in: Ders., The Optimum Quantity of Money and other Essays,New York: Aldine de Gruyter, 1969, 8194.- Gocht, Rolf 1975: Kritische Betrachtungen zur nationalen und inter-nationalen Geldordnung, Berlin: Duncker & Humblot.- Hayek, Friedrich A. von 1977: Entnationalisierung des Geldes. EineAnalyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufsmittel,Tbingen: Mohr/Siebeck.- Hart, Albert G. 1935: The Chicago Plan of Banking Reform, TheReview of Economic Studies, 2 (1935) 104116.- Huber, Joseph 1998: Vollgeld. Beschftigung, Grundeinkommen undweniger Staatsquote durch eine modernisierte Geldordnung, Berlin:Duncker & Humblot.- Huber, Joseph/Robertson, James 2000: Creating New Money. AMonetary Reform for the Information Age, London: New EconomicsFoundation.- Knapp, Georg Friedrich 1905: Staatliche Theorie des Geldes, Leipzig:Duncker & Humblot.- Pahlke, Jrgen 1970: Steuerbedarf und Geldpolitik in der wachsen-den Wirtschaft. Geldschpfung als Mittel der Staatsfinanzierung,Berlin: Walter de Gruyter.- Simons, Henry C. 1948: A Positive Programme for Laissez Faire.Some Proposals for a Liberal Economic Policy, and: Rules versusAuthorities in Monetary Policy. Both articles in: H.C. Simons, Eco-nomic Policy for a Free Society, The University of Chicago Press, 1948.First published as Rules..., The Journal of Political Economy, 44(1936) 130.- von Dohnanyi, Klaus (Hg) 1986: Notenbankkredit an den Staat?Beitrge und Stellungnahmen zu dem Vorschlag, ffentlicheInvestitionen mit zins- und tilgungsfreien Notenbankkrediten zufinanzieren, Baden-Baden:Nomos.- Zarlenga, Stephen A. 2002: The Lost Science of Money, Valatie,N.Y.: American Monetary Institute.

    Bargeld + Sichtguthaben = Vollgeld

    "Die Verschiebung der Zahlungsgewohnheitenvon baren zu unbaren Abwicklungen wird auch inZukunft weitergehen. Damit wird der Hebel fr dieNotenbanken immer krzer, die Geldmenge stabili-ttserhaltend zu steuern. Wie die Notenbanken vorrund 100 Jahren die von Banken herausgegebenenBanknoten in ihre Verantwortung bernahmen, sowird das auch bald fr die bernahme des vonprivaten Banken verwalteten Giralgeldes erforder-lich werden.

    Die Zweckmigkeit einer solchen bernahmeder fr Zahlungen benutzten Bankguthabenbe-stnde ergibt sich auch aus der heutigen Zwitter-situation der Sichtguthaben, die sowohl zum Nach-frage- als auch zum Kreditpotenzial zu zhlen sind.Die Sichtguthaben stellen ein Guthaben dar, dasden Banken, wenn auch eingeschrnkt, als Kredit-mittel zur Verfgung steht. Ebenso knnen dieEinleger damit auch weiterhin selbst Zahlungenvornehmen. Dadurch scheint es zu einer Doppel-nutzung zu kommen, was aber genau betrachtetnicht der Fall ist. Denn die Banken knnen daseingezahlte Geld nur so lange fr Kredite nutzen,wie es der Einzahler nicht selbst in Anspruchnimmt, also nur zwischenzeitlich. Es kommt nichtzu einer Vermehrung des Geldes, sondern nur zuseiner effektiveren Nutzung.

    Anders ausgedrckt: Whrend bei der Bargeld-nutzung die Kaufkraft zwischen Annahme undAusgabe der Geldscheine gewissermaen einge-froren ist, wird sie auf den Konten durch diezwischenzeitliche Kreditvergabe genutzt. Dieseeffektivere Nutzung fhrt zu erhhten unbarenZahlungen und damit zu einem geringeren Bedarfan Bargeld, wodurch die Geldmengensteuerungder Notenbanken ungnstig beeinflusst wird.Durch eine bernahme der Sichtguthabenbestndein die Verwaltung der Notenbank kme es also zueiner klaren Trennung zwischen Zahlungs- undKreditmitteln und damit auch zwischen den Auf-gaben der Notenbanken und Geschftsbanken.Diese Trennung wird inzwischen auch von JosephHuber in seinem Buch "Vollgeld" empfohlen."

    aus: Helmut Creutz, 29 Irrtmer rund um das Geld,Mnchen 2004, S. 286287. (Eine Rezension folgt im nchsten Heft.)