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Börsen-Zeitung, 6.4.2013 Wer hätte vor einigen Jahren ge- dacht, dass es das spröde Wort Ban- kenregulierung in die Überschriften von Boulevardblättern und in po- litische Talkshows schafft. Vielen ist zu wenig geschehen, sie sprechen von Regulierungs-Nebelkerzen, man- chen zu viel, sie sprechen von Regu- lierungswut. Beide Extreme in der Debatte sind aus meiner Sicht falsch. Es wird Zeit für eine nüchterne Zwi- schenbilanz. Maßgeblicher Wendepunkt Der entscheidende Wendepunkt in der jüngsten Geschichte der Ban- ken- und Finanzmarktregulierung ist das Jahr 2008. Die Staats- und Re- gierungschefs der G 20 haben da- mals in Washington die Grundsätze zur Reform der Finanzmärkte und insbesondere eine Verschärfung der Regulierung beschlossen. Der An- trieb dafür war der Ausbruch der Subprime-Krise in den USA und de- ren verheerende Auswirkungen für den globalen Finanzsektor und die Staaten, die in der Folge ihre strau- chelnden Finanzinstitute auffangen mussten. Die Staats- und Regie- rungschefs einigten sich darauf, mit konkreten Maßnahmen die Wider- standsfähigkeit der Banken zu stärken. Mit dem 2009 verabschiedeten Basel-II.5-Regulierungspaket wollte der Baseler Ausschuss für Bankenauf- sicht unter anderem möglichst rasch die in der Krise hervorgetretenen Schwächen in der Regulierung des Investment Banking beheben. Er er- höhte die Eigenkapitalanforderun- gen für Marktpreisrisiken im Han- delsbuch der Banken und bei Ver- briefungen. Darüber hinaus ver- schärfte er die Anforderungen an das Risikomanagement der Banken. In Deutschland gelten die Regeln seit Anfang 2012. Schnelle Notfallversorgung Nach der raschen Notfallversor- gung war es der Politik und uns Auf- sehern ein Anliegen, die Wider- standsfähigkeit von Banken und Ban- kensystem grundlegend zu stärken. Das Ergebnis ist das Basel-III-Paket des Baseler Ausschusses für Banken- aufsicht. Damit soll die Gefahr, Ban- ken in Krisensituationen abermals durch Steuermittel stützen zu müs- sen, verringert werden. Um dies zu erreichen, wird die Qualität des Kapi- tals erheblich verbessert und seine Quantität signifikant erhöht. Die neue Eigenkapitalklasse „har- tes Kernkapital“ haftet bei Verlusten vollumfänglich und uneinge- schränkt. Der geforderte Anteil des harten Kernkapitals an der Eigenka- pitalquote wird von derzeit 2 auf künftig 4,5 Prozentpunkte erhöht. Zusätzlich führte der Baseler Ausschuss einen Kapitalerhaltungs- puffer der gleichen Qualität in Höhe von 2,5 Prozentpunkten ein. Die Marke von 7 % hartem Kernkapital wird zukünftig also die Untergrenze sein, die Institute vorhalten müs- sen. Dies ist aber noch nicht alles: Für global systemrelevante Banken gibt es einen zusätzli- chen „Aufschlag“. Sie müssen je nach systemi- scher Relevanz einen weiteren Kapitalpuffer – auch in hartem Kernka- pital – vorhalten, da der Ausfall dieser Banken schwerwiegende Konse- quenzen für das gesamte Bankensys- tem haben könnte. In der Summe verlangt dies von manchen deut- schen Banken einiges; sie werden die gewährte Übergangszeit bis zur vollen Wirkung der neuen Regeln im Jahr 2019 nutzen, um ihr Kapital- niveau auf das geforderte Maß anzu- heben. Basel III verlangt von den Banken aber nicht nur besseres und deutlich mehr Kapital. Neben den risikosensi- tiv berechneten Kapitalquoten hat der Baseler Ausschuss eine Kapital- anforderung eingeführt, die unab- hängig vom Risiko allein auf den Ver- schuldensgrad der Bank abzielt und diesen auf maximal 3 % beschränkt: die Leverage Ratio. So soll eine ex- zessive Verschuldung der Banken ge- rade in konjunkturell guten Zeiten vermieden werden – eine Begren- zung, die eine Vielzahl von deut- schen Instituten härter trifft als die Erhöhung der risikosensitiven Kapi- talquoten. NSFR im Fokus Und schließlich hat der Baseler Ausschuss als „lessons learnt“ aus der Krise seine Grundsätze zur Steuerung der Liquiditätsrisiken überarbeitet und erstmals harmoni- sierte Mindeststandards für Liquidi- tätsrisiken vorgelegt: Zum einen sol- len die Institute in Stresszeiten aus- reichend Liquidität für einen Monat vorhalten, zum anderen keine exzes- sive Fristentransformation betrei- ben. Das Konzept für die kurzfris- tige Stresstestkennziffer, die Liqui- dity Coverage Ratio (LCR), hat der Baseler Ausschuss Anfang 2013 in großen Teilen finalisiert. Nun sollen die Regeln für die Strukturkennzif- fer, Net Stable Funding Ratio (NSFR), zur Anwendungsreife ge- bracht werden. Erfreulich vorangekommen Noch ist die Gesetzgebung zur Um- setzung von Basel III in der EU nicht abgeschlossen, aber mit der Eini- gung im Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission Ende Februar ist man einen erfreulichen Schritt vo- rangekommen. Auf EU-Ebene wird Basel III mittels der Capital Require- ments Directive IV/Capital Require- ments Regulation (CRD IV/CRR) um- gesetzt. Das Europäische Parlament plant nach derzeitigem Stand, am 17. April 2013 hierüber im Plenum abzustimmen. Eine Anwendung ab Anfang 2014 erscheint somit mög- lich. Mit der Umsetzung von Ba- sel II.5 und III in europäisches bzw. deutsches Recht sind für mich ganz wesentliche Erkenntnisse aus der Krise gezogen worden; diese zwei Regulierungspakte stellen den Kern der Regelverbesserung dar. Weitere Fortschritte Die neuen Baseler Standards kön- nen allerdings nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn sie auf al- len wesentlichen Finanzmärkten an- gewendet werden. Nur so können wir sicherstellen, dass der europäi- sche Bankenmarkt nicht über Zweit- und Drittrundeneffekte von Banken solcher Länder angesteckt wird, in denen beispielsweise für bestimmte Geschäfte wie komplexe Verbriefun- gen nicht ausreichend Kapital vorge- halten werden muss. Basel III enthält überwiegend mi- kroprudenzielle Regeln, also solche, die das Risiko auf Ebene einzelner Institute oder Institutsgruppen adressieren. Eine wichtige Erkennt- nis der Finanzmarktkrise ist aber auch, dass Erkenntnisse aus der ma- kroökonomischen Analyse mit der der mikroprudenziellen Aufsicht ver- knüpft werden müssen, um die Ent- wicklung von Risiken für die Finanz- stabilität wie für einzelne Banken besser erkennen zu können. Auch hier gibt es Fortschritte: Mit Jahres- beginn wurde in Deutschland der Ausschuss für Finanzstabilität ge- gründet. Er soll frühzeitig Gefahren für die Finanzstabilität erkennen und mit seinen beiden Instrumen- ten, den Warnungen und Empfeh- lungen, dagegen vorgehen. Die Bun- desbank wird bei dieser makropru- denziellen Analyse und Überwa- chung eine wichtige Rolle spielen. Sie legt dem Ausschuss Analysen vor und schlägt gegebenenfalls den Ein- satz der Instrumente vor, über die der Ausschuss unter Vorsitz des Bun- desministeriums für Finanzen ent- scheidet. Die Bundesbank agiert auch als Schnittstelle zum Europäischen Rat für Systemrisiken (ESRB). So kann eine Institution die Informationsket- ten aus verschiedenen Aufgaben zu- sammenbringen und Synergieef- fekte nutzen: etwa den Informations- fluss und die Risikobewertung aus der Analyse auf internationaler Ebene, aus der laufenden Aufsicht über Kreditinstitute und Finanz- dienstleister, aus dem neuen makro- prudenziellen Mandat, aus der Geld- politik und aus den Märkten. Nicht zuletzt steht die Bankenaufsicht in der Eurozone vor einer fundamenta- len Umwälzung, die neben Risiken auch große Chancen bietet: Derzeit entsteht ein einheitlicher Aufsichts- mechanismus unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB), ge- nannt Single Supervisory Mecha- nism (SSM). Das Projekt ist ambitio- niert. Richtig aufgestellt kann die neue Bankenaufsicht aber effektiver und effizienter als nationale Aufse- her handeln. Sie kann auf ein größe- res Informationsspektrum zurück- greifen und dadurch früher und bes- ser Risikotrends erkennen; sie kann durch ihre Aufsichtspraxis auch für ein „level playing field“ sorgen – und zwar dort, wo es angebracht ist. Kenntnisse weitergeben Die Länder, die am SSM teilneh- men, verlagern damit die Verantwor- tung für und die Entscheidungsbe- fugnis in der Aufsicht über die betrof- fenen Banken von der nationalen Ebene auf die EZB. Die nationalen Bankenaufseher sollten und müssen jedoch auch weiterhin eine wichtige Rolle in der Sachverhaltsaufklärung spielen. Dies ist schon aus Kapazi- tätsgründen geboten; es ist aber auch notwendig, damit die Kennt- nisse der nationalen Aufseher über die spezifischen Rahmenbedingun- gen, unter denen die heimischen Kre- ditinstitute agieren, auch der euro- päischen Aufsicht weiter zur Verfü- gung stehen. Vorteile realisieren Viele Erkenntnisse aus der Krise sind also entweder schon umgesetzt oder befinden sich in der Umset- zung. Ich biete hier keine vollstän- dige Liste der abgeschlossenen oder der noch anstehenden Regulierungs- projekte bzw. der Veränderungen in der Bankenaufsicht. Trotzdem wird meines Erachtens aber auch so deut- lich, dass von Stillstand in der Regu- lierung und Aufsicht keine Rede sein kann. Vielmehr müssen wir nun die Wirkung der einzelnen Regeln, vor allem ihre Wirkung in der Summe, sorgfältig beobachten. Und genauso sorgfältig müssen die Regierungen, die EZB und die beteiligten Aufseher bei dem Mammutprojekt SSM vorge- hen, da wir nur so die möglichen Vor- teile einer europäischen Bankenauf- sicht realisieren können. Die Bundes- bank ist bereit, ihren Teil dazu beizu- tragen. Von Sabine Lautenschläger Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank Es ist an der Zeit für eine nüchterne Zwischenbilanz Von Stillstand in der Regulierung und Aufsicht kann keine Rede sein – Nun muss die Wirkung der einzelnen Regeln in der Summe sorgfältig beobachtet werden AUS DEM INHALT Es ist an der Zeit für eine nüchterne Zwischenbilanz Von Sabine Lautenschläger B1 Das KAGB bringt neue Spielregeln für alle Beteiligten Von Thomas Richter B4 Weit mehr als nur Boni-Begrenzung Von Othmar Karas B2 Bei regulatorischen Maßnahmen Anleger im Fokus haben Von Claude Kremer B5 Solvency-II-Regeln realistisch ausgestalten Von Dr. Alexander Erdland B2 „Nicht gegen jede Finanztransaktionssteuer“ Interview mit Dr. Christoph Boschan B5 Luft für wirtschaftliches Handeln lassen Von Georg Fahrenschon B3 Emir-Einführung begrenzt alte und schafft neue Risiken Von Peter Scherer B6 Von A wie Anlegerschutz bis Z wie Zentrale Gegenpartei Von Ullrich Hartmann B3 Regulierung Sonnabend, 6. April 2013 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 66 B1

Regulierung

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Es ist an der Zeit für eine nüchterne Zwischenbilanz - Weit mehr als nur Boni-Begrenzung - Solvency-II-Regeln realistisch ausgestalten - Luft für wirtschaftliches Handeln lassen - Von A wie Anlegerschutzbis Z wie Zentrale Gegenpartei - Das KAGB bringt neue Spielregeln für alle Beteiligten - Bei regulatorischen Maßnahmen Anleger im Fokus haben - „Nicht gegen jede Finanztransaktionssteuer“ - Emir-Einführung begrenzt alte und schafft neue Risiken

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Page 1: Regulierung

Börsen-Zeitung, 6.4.2013Wer hätte vor einigen Jahren ge-dacht, dass es das spröde Wort Ban-kenregulierung in die Überschriftenvon Boulevardblättern und in po-litische Talkshows schafft. Vielen istzu wenig geschehen, sie sprechenvon Regulierungs-Nebelkerzen, man-

chen zu viel, sie sprechen von Regu-lierungswut. Beide Extreme in derDebatte sind aus meiner Sicht falsch.Es wird Zeit für eine nüchterne Zwi-schenbilanz.

Maßgeblicher Wendepunkt

Der entscheidende Wendepunktin der jüngsten Geschichte der Ban-ken- und Finanzmarktregulierungist das Jahr 2008. Die Staats- und Re-gierungschefs der G 20 haben da-mals in Washington die Grundsätzezur Reform der Finanzmärkte undinsbesondere eine Verschärfung derRegulierung beschlossen. Der An-trieb dafür war der Ausbruch derSubprime-Krise in den USA und de-ren verheerende Auswirkungen fürden globalen Finanzsektor und dieStaaten, die in der Folge ihre strau-chelnden Finanzinstitute auffangenmussten. Die Staats- und Regie-rungschefs einigten sich darauf, mitkonkreten Maßnahmen die Wider-standsfähigkeit der Banken zustärken.

Mit dem 2009 verabschiedetenBasel-II.5-Regulierungspaket wollteder Baseler Ausschuss für Bankenauf-sicht unter anderem möglichst raschdie in der Krise hervorgetretenenSchwächen in der Regulierung desInvestment Banking beheben. Er er-höhte die Eigenkapitalanforderun-gen für Marktpreisrisiken im Han-delsbuch der Banken und bei Ver-briefungen. Darüber hinaus ver-schärfte er die Anforderungen andas Risikomanagement der Banken.In Deutschland gelten die Regelnseit Anfang 2012.

Schnelle Notfallversorgung

Nach der raschen Notfallversor-gung war es der Politik und uns Auf-sehern ein Anliegen, die Wider-standsfähigkeit von Banken und Ban-kensystem grundlegend zu stärken.Das Ergebnis ist das Basel-III-Paketdes Baseler Ausschusses für Banken-aufsicht. Damit soll die Gefahr, Ban-ken in Krisensituationen abermalsdurch Steuermittel stützen zu müs-sen, verringert werden. Um dies zuerreichen, wird die Qualität des Kapi-tals erheblich verbessert und seineQuantität signifikant erhöht.

Die neue Eigenkapitalklasse „har-tes Kernkapital“ haftet bei Verlustenvollumfänglich und uneinge-schränkt. Der geforderte Anteil des

harten Kernkapitals an der Eigenka-pitalquote wird von derzeit 2 aufkünftig 4,5 Prozentpunkte erhöht.Zusätzlich führte der BaselerAusschuss einen Kapitalerhaltungs-puffer der gleichen Qualität in Höhevon 2,5 Prozentpunkten ein. DieMarke von 7 % hartem Kernkapital

wird zukünftig also dieUntergrenze sein, dieInstitute vorhalten müs-sen.

Dies ist aber nochnicht alles: Für globalsystemrelevante Bankengibt es einen zusätzli-chen „Aufschlag“. Siemüssen je nach systemi-scher Relevanz einenweiteren Kapitalpuffer –auch in hartem Kernka-pital – vorhalten, da derAusfall dieser Bankenschwerwiegende Konse-

quenzen für das gesamte Bankensys-tem haben könnte. In der Summeverlangt dies von manchen deut-schen Banken einiges; sie werdendie gewährte Übergangszeit bis zurvollen Wirkung der neuen Regeln imJahr 2019 nutzen, um ihr Kapital-niveau auf das geforderte Maß anzu-heben.

Basel III verlangt von den Bankenaber nicht nur besseres und deutlichmehr Kapital. Neben den risikosensi-tiv berechneten Kapitalquoten hatder Baseler Ausschuss eine Kapital-anforderung eingeführt, die unab-hängig vom Risiko allein auf den Ver-schuldensgrad der Bank abzielt unddiesen auf maximal 3 % beschränkt:die Leverage Ratio. So soll eine ex-zessive Verschuldung der Banken ge-rade in konjunkturell guten Zeitenvermieden werden – eine Begren-zung, die eine Vielzahl von deut-schen Instituten härter trifft als dieErhöhung der risikosensitiven Kapi-talquoten.

NSFR im Fokus

Und schließlich hat der BaselerAusschuss als „lessons learnt“ ausder Krise seine Grundsätze zurSteuerung der Liquiditätsrisikenüberarbeitet und erstmals harmoni-sierte Mindeststandards für Liquidi-tätsrisiken vorgelegt: Zum einen sol-len die Institute in Stresszeiten aus-reichend Liquidität für einen Monatvorhalten, zum anderen keine exzes-sive Fristentransformation betrei-ben. Das Konzept für die kurzfris-tige Stresstestkennziffer, die Liqui-dity Coverage Ratio (LCR), hat derBaseler Ausschuss Anfang 2013 ingroßen Teilen finalisiert. Nun sollendie Regeln für die Strukturkennzif-fer, Net Stable Funding Ratio(NSFR), zur Anwendungsreife ge-bracht werden.

Erfreulich vorangekommen

Noch ist die Gesetzgebung zur Um-setzung von Basel III in der EU nichtabgeschlossen, aber mit der Eini-gung im Trilog zwischen Parlament,Rat und Kommission Ende Februarist man einen erfreulichen Schritt vo-rangekommen. Auf EU-Ebene wirdBasel III mittels der Capital Require-ments Directive IV/Capital Require-ments Regulation (CRD IV/CRR) um-gesetzt. Das Europäische Parlamentplant nach derzeitigem Stand, am

17. April 2013 hierüber im Plenumabzustimmen. Eine Anwendung abAnfang 2014 erscheint somit mög-lich. Mit der Umsetzung von Ba-sel II.5 und III in europäisches bzw.deutsches Recht sind für mich ganzwesentliche Erkenntnisse aus derKrise gezogen worden; diese zweiRegulierungspakte stellen den Kernder Regelverbesserung dar.

Weitere Fortschritte

Die neuen Baseler Standards kön-nen allerdings nur dann ihre volleWirkung entfalten, wenn sie auf al-len wesentlichen Finanzmärkten an-gewendet werden. Nur so könnenwir sicherstellen, dass der europäi-sche Bankenmarkt nicht über Zweit-und Drittrundeneffekte von Bankensolcher Länder angesteckt wird, indenen beispielsweise für bestimmteGeschäfte wie komplexe Verbriefun-gen nicht ausreichend Kapital vorge-halten werden muss.

Basel III enthält überwiegend mi-kroprudenzielle Regeln, also solche,die das Risiko auf Ebene einzelnerInstitute oder Institutsgruppenadressieren. Eine wichtige Erkennt-nis der Finanzmarktkrise ist aberauch, dass Erkenntnisse aus der ma-kroökonomischen Analyse mit der

der mikroprudenziellen Aufsicht ver-knüpft werden müssen, um die Ent-wicklung von Risiken für die Finanz-stabilität wie für einzelne Bankenbesser erkennen zu können. Auchhier gibt es Fortschritte: Mit Jahres-beginn wurde in Deutschland derAusschuss für Finanzstabilität ge-gründet. Er soll frühzeitig Gefahrenfür die Finanzstabilität erkennenund mit seinen beiden Instrumen-ten, den Warnungen und Empfeh-lungen, dagegen vorgehen. Die Bun-desbank wird bei dieser makropru-denziellen Analyse und Überwa-chung eine wichtige Rolle spielen.Sie legt dem Ausschuss Analysen vorund schlägt gegebenenfalls den Ein-satz der Instrumente vor, über dieder Ausschuss unter Vorsitz des Bun-desministeriums für Finanzen ent-scheidet.

Die Bundesbank agiert auch alsSchnittstelle zum Europäischen Ratfür Systemrisiken (ESRB). So kanneine Institution die Informationsket-ten aus verschiedenen Aufgaben zu-sammenbringen und Synergieef-fekte nutzen: etwa den Informations-fluss und die Risikobewertung ausder Analyse auf internationalerEbene, aus der laufenden Aufsichtüber Kreditinstitute und Finanz-dienstleister, aus dem neuen makro-

prudenziellen Mandat, aus der Geld-politik und aus den Märkten. Nichtzuletzt steht die Bankenaufsicht inder Eurozone vor einer fundamenta-len Umwälzung, die neben Risikenauch große Chancen bietet: Derzeitentsteht ein einheitlicher Aufsichts-mechanismus unter dem Dach derEuropäischen Zentralbank (EZB), ge-nannt Single Supervisory Mecha-nism (SSM). Das Projekt ist ambitio-niert. Richtig aufgestellt kann dieneue Bankenaufsicht aber effektiverund effizienter als nationale Aufse-her handeln. Sie kann auf ein größe-res Informationsspektrum zurück-greifen und dadurch früher und bes-ser Risikotrends erkennen; sie kanndurch ihre Aufsichtspraxis auch fürein „level playing field“ sorgen – undzwar dort, wo es angebracht ist.

Kenntnisse weitergeben

Die Länder, die am SSM teilneh-men, verlagern damit die Verantwor-tung für und die Entscheidungsbe-fugnis in der Aufsicht über die betrof-fenen Banken von der nationalenEbene auf die EZB. Die nationalenBankenaufseher sollten und müssenjedoch auch weiterhin eine wichtigeRolle in der Sachverhaltsaufklärungspielen. Dies ist schon aus Kapazi-

tätsgründen geboten; es ist aberauch notwendig, damit die Kennt-nisse der nationalen Aufseher überdie spezifischen Rahmenbedingun-gen, unter denen die heimischen Kre-ditinstitute agieren, auch der euro-päischen Aufsicht weiter zur Verfü-gung stehen.

Vorteile realisieren

Viele Erkenntnisse aus der Krisesind also entweder schon umgesetztoder befinden sich in der Umset-zung. Ich biete hier keine vollstän-dige Liste der abgeschlossenen oderder noch anstehenden Regulierungs-projekte bzw. der Veränderungen inder Bankenaufsicht. Trotzdem wirdmeines Erachtens aber auch so deut-lich, dass von Stillstand in der Regu-lierung und Aufsicht keine Rede seinkann. Vielmehr müssen wir nun dieWirkung der einzelnen Regeln, vorallem ihre Wirkung in der Summe,sorgfältig beobachten. Und genausosorgfältig müssen die Regierungen,die EZB und die beteiligten Aufseherbei dem Mammutprojekt SSM vorge-hen, da wir nur so die möglichen Vor-teile einer europäischen Bankenauf-sicht realisieren können. Die Bundes-bank ist bereit, ihren Teil dazu beizu-tragen.

VonSabine Lautenschläger

Vizepräsidentin derDeutschen Bundesbank

Es ist an der Zeit für eine nüchterne ZwischenbilanzVon Stillstand in der Regulierung und Aufsicht kann keine Rede sein – Nun muss die Wirkung der einzelnen Regeln in der Summe sorgfältig beobachtet werden

AUS DEM INHALTEs ist an der Zeit für eine nüchterneZwischenbilanzVon Sabine Lautenschläger B 1

Das KAGB bringt neue Spielregelnfür alle BeteiligtenVon Thomas Richter B 4

Weit mehr als nurBoni-BegrenzungVon Othmar Karas B 2

Bei regulatorischen MaßnahmenAnleger im Fokus habenVon Claude Kremer B 5

Solvency-II-Regeln realistischausgestalten

Von Dr. Alexander Erdland B 2

„Nicht gegen jedeFinanztransaktionssteuer“Interview mitDr. Christoph Boschan B 5

Luft für wirtschaftlichesHandeln lassenVon Georg Fahrenschon B 3

Emir-Einführung begrenzt alte undschafft neue RisikenVon Peter Scherer B 6

Von A wie Anlegerschutzbis Z wie Zentrale GegenparteiVon Ullrich Hartmann B 3

RegulierungSonnabend, 6. April 2013 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 66 B 1

Page 2: Regulierung

Börsen-Zeitung, 6.4.2013Die Finanz- und Schuldenkrise hatEuropa fest im Griff. In diesen Zei-ten ökonomischer und politischerUnsicherheit bildet die Versiche-rungswirtschaft einen wichtigenvolkswirtschaftlichen Stabilitätsan-ker. Sie gewährt ihren Kunden lang-fristige Garantien und sorgt in Zei-ten des demografischen Wandels da-für, dass die private und die betrieb-liche Altersvorsorge als zentrale Ele-mente des Drei-Säulen-Systems dieumlagefinanzierte Rente sinnvoll er-gänzen. Ob in der Lebens-, privatenKranken- oder Schaden- und Unfall-versicherung: Über das Versicherten-kollektiv werden Risiken aufgefan-gen, die der Einzelne nicht allein tra-gen kann.

Mit einem Kapitalanlagenbestandvon rund 1,3 Bill. Euro gehören dieVersicherer zudem zu den bedeu-tendsten institutionellen Anlegern inDeutschland. Dabei setzt die Asseku-ranz seit jeher auf eine von Sicher-heit und Langfristigkeit geprägte An-lagepolitik und bietet vielen tausendUnternehmen Möglichkeiten derFremd- und Eigenfinanzierung. DieAssekuranz begleitet auch verstärktInnovationen im Energie- und Um-weltsektor und trägt zur Schaffungzukunftsorientierter Arbeitsplätzebei. Dies ist insbesondere in Krisen-zeiten, in Zeiten des Umbruchs imBankensektor, von erheblichem ge-samtwirtschaftlichem Nutzen.

Zinstief hinterlässt Spuren

Die stabilisierende Wirkung derVersicherungswirtschaft ist jedochdurch die anhaltende Niedrigzinspo-litik zur Stützung verschuldeter Kri-senstaaten und in Notlage geratenerBanken unmittelbar bedroht. DieRettungsinitiativen für den Banken-sektor und die Sicherungsmaßnah-men für den Euroraum ließen Rendi-ten festverzinslicher Wertpapiere inden letzten drei Jahren drastisch fal-

len. Hiervon sind insbesondere diedeutschen Lebensversicherer betrof-fen. Sie sind traditionell stark in Ren-tenpapiere investiert, da sie für dieÜbernahme von Risiken und die Er-füllung der Garantieleistungen ge-genüber den Versicherungsnehmernauf regelmäßige und planbare Zins-erträge aus sicheren Anlagen ange-wiesen sind.

Große Herausforderungen

Gleichzeitig stellen unterschiedli-che, sich zum Teil widersprechenderegulatorische Maßnahmen die Ver-sicherungswirtschaft vor große He-rausforderungen. Während Sol-vency II auf europäischer Ebene dieLebensversicherungsunternehmenanhält, eine sehr langfristige Kapital-anlage zur Deckung der Verbindlich-keiten einzugehen, gibt es andere po-litische Weichenstellungen in die ge-genteilige Richtung. Indem der Ge-setzgeber zum Beispiel an der Ver-pflichtung zur anteiligen Ausschüt-tung von Bewertungsreserven beifestverzinslichen Anleihen festhält,setzt er Anreize gegen eine entspre-chende langfristige Kapitalanlage.Außerdem gefährdet er damit den Ri-sikoausgleich über das Kollektiv.

Die Versicherungswirtschaft stelltsich den aktuellen Herausforderun-gen und zeigt ihre Innovationsfähig-keit auf drei zentralen Handlungsfel-dern:

Erstens: Anlageseitig diversifizie-ren die Unternehmen verstärkt überalternative Investitionen. Anlagen inUnternehmensdarlehen, Infrastruk-turprojekte und erneuerbare Ener-gien steigen.

Zweitens: Produktseitig arbeitenviele Unternehmen daran, die be-währte Praxis der Vergabe langfristi-ger Garantien in weiterhin zukunfts-fähige, sichere und planbare Kon-zepte zu überführen.

Drittens werden diese Maßnah-men flankiert durch eine intensive

Auseinandersetzung mit den eige-nen Kosten.

Insgesamt erbringt die Versiche-rungswirtschaft trotz der schwieri-gen Rahmenbedingungen auch wei-terhin attraktive Leistungen im Be-reich der privaten Altersvorsorge. Ei-ner Studie der Ratingagentur Asseku-

rata zufolge beträgt die Gesamtver-zinsung im Marktdurchschnitt4,65 %. Anlagekriterien wie Sicher-heit und Langfristigkeit, kombiniertmit einem professionellen Kapitalan-lagemanagement, ermöglichen die-se respektablen Überschüsse auch inKrisenzeiten. Es gilt: Versicherer ha-ben attraktive Produkte und bietenauch weiterhin verlässliche Lösun-gen.

Bereits viel getan

Für die Stärkung der Risikotragfä-higkeit der Unternehmen, die zual-lererst dem Schutz der Kundendient, wurde seitens der Versiche-rungswirtschaft in den vergangenenJahren bereits viel getan. So habendie Unternehmen in Vorbereitungauf Solvency II und mit den Erfah-rungen aus der Finanzkrise2002/2003 ihr Risikomanagementausgebaut und professionalisiert.Mit dem MaRisk-Rundschreiben derBaFin wurden 2009 Regeln des euro-päischen Versicherungsaufsichtspro-

jektes Solvency II vorzeitig umge-setzt. Auch dies hat dazu beigetra-gen, dass die Versicherer bislang dieFolgen der aktuellen Finanzkrise fürihre Kunden zu einem großen Teilabfedern konnten.

Jedoch hat sich das Marktumfeldzusehends verschlechtert. Markt-

kräfte wurden im Zugeder Schuldenkrise ausge-hebelt, und ein Endeder künstlichen Niedrig-zinsphase ist nicht inSicht. Trotz dieser verän-derten Bedingungenmöchte die Versiche-rungswirtschaft ihrewichtige gesellschaftspo-litische Rolle auch wei-terhin zuverlässig erfül-len. Dafür müssen die re-gulatorischen Rahmen-bedingungen stimmen.Die Zeichen der Zeit ver-

langen somit auch seitens der PolitikLern- und Handlungsbereitschaft.

Aus einer anderen Zeit

Zeitnah ist insbesondere die Wei-chenstellung beim Solvency-II-Pro-jekt zentral. Hierbei müssen sich diebeteiligten Verhandlungsparteien da-rüber im Klaren sein, dass das zu-grunde liegende Konzept aus einerZeit anderer Rahmenbedingungenstammt. Aus einer Zeit ohne Finanz-und Schuldenkrise. Aus einer Zeit hö-herer Leitzinsen und attraktiver Kapi-talmärkte. Das veränderte Umfeld of-fenbart zunehmend, dass die seiner-zeit geplanten Solvency-II-Regelnlanglaufende Verbindlichkeiten heu-te nicht mehr adäquat abbilden kön-nen. Gerade die Methodik zur Bewer-tung langfristiger Garantien in derLebensversicherung stellt einenStreitpunkt dar, der die sogenann-ten „Omnibus-II-Verhandlungen“ inBrüssel stocken lässt. Die Notwendig-keit einer sachgerechten regulatori-schen Lösung liegt auf der Hand,

denn es geht um mehr als nur umtechnische Details: Die Ausgestal-tung der strittigen Regeln entschei-det darüber, in welcher Form zukünf-tig in der Lebensversicherung lang-fristige Garantien angeboten wer-den können.

Auch die Schaden- und Unfallver-sicherung ist auf eine realistischeAusgestaltung der Solvency-II-Re-geln angewiesen. Häufigkeit undUmfang von Katastrophenereignis-sen steigen. Naturkatastrophen ha-ben zusehends eine signifikante wirt-schaftliche Bedeutung. Bedrohenneue Aufsichtsregeln die Versicher-barkeit solcher Risiken, laufen sie ih-ren fundamentalen Zielen zuwider.

Die Kunden dürfen keinen Schadennehmen durch ein Projekt, welchesdie Aufgabe hat, sie besser zu schüt-zen. Unter Solvency II muss dahereine risikogerechte Modellierungmöglich sein, welche die umfas-sende Schadenerfahrung der Versi-cherer nicht ignoriert, sondern adä-quat widerspiegelt.

Nicht übermäßig belasten

Vor allem kleine und mittlere Ver-sicherer dürfen im Ergebnis nichtübermäßig belastet werden. Dieüberbordenden Berichtspflichten un-ter Solvency II mit ihren ambitionier-ten Fristen und Frequenzen müssen

noch einmal generell überdacht wer-den. Dies gilt vor allem, wenn Bun-desbank und Europäische Zentral-bank zusätzliche Berichtspflichtenschaffen. Eine durch regulatorischeMaßnahmen erzwungene Marktbe-reinigung ist unbedingt zu verhin-dern.

Spartenübergreifend muss daherbei den weiteren Verhandlungen umSolvency II trotz des Handlungs-drucks gelten: Qualität vor Zeit! Dasist auch bei den auf europäischerund nationaler Ebene stattfindendenDiskussionen um das Vorziehen be-stimmter Solvency-II-Anforderun-gen zentral. Aspekte, die Gegen-stand des Omnibus-II-Trilogs sind,müssen von den Vorziehungsdiskus-sionen ausgenommen bleiben. Diesgilt insbesondere für Anforderungenzur Ermittlung der regulatorischenKapitalanforderung. Solvabilität Imuss übergangsweise die Grundlageaufsichtsrechtlicher Maßnahmenbleiben.

Unerwünschte Nebeneffekte

Die angesprochenen Handlungs-felder verbindet ein Ziel: der Schutzder Versicherungsnehmer. Geradedeshalb darf nicht aus politischenGründen über unerwünschte Neben-effekte und Mängel der Regulierunghinweggesehen werden. Auf europäi-scher und nationaler Ebene sindHandlungs- sowie Verhandlungswil-len und Fingerspitzengefühl bei denanstehenden Entscheidungen ge-fragt. Probleme, die ihren gemeinsa-men Nenner im Niedrigzinsumfeldhaben, können allerdings nur be-dingt durch eine adäquate Ausgestal-tung regulatorischer Anforderungenbewältigt werden. Je länger die Nied-rigzinsphase anhält, desto schwieri-ger wird es für die Versicherungs-wirtschaft, ihre Folgen abzufedern.Politik, Wirtschaft und Gesellschaftmüssen sich auch diesem Problemstellen.

Börsen-Zeitung, 6.4.2013Die Frage, wie viel Geld eine Bankauf die Seite legen muss, um gegendie meisten Geschäftsrisiken abgesi-chert zu sein, ist nicht nur eineSchlüsselfrage für die Banken selbst.Weil rund 80 % der Wirtschaft in derEU ganz oder teilweise durch Kre-dite finanziert werden, hängt Wirt-schaftswachstum auch von der Leis-tungsfähigkeit der Banken ab. Wirhaben daher bei den Verhandlungenzur neuen Bankenregulierung beson-ders darauf geachtet, die Geldinsti-tute zu stabilisieren, gleichzeitigaber die Finanzierung der Realwirt-schaft nicht zu erschweren.

Wir stehen kurz vor dem Ab-schluss einer grundlegenden Überar-beitung der europäischen Bankenre-gulierung. Die sogenannte CapitalRequirements Directive CRD IV istdie Umsetzung der Basel-III-Stan-dards in EU-Recht. Voraussichtlichbei seiner Plenartagung im Aprilwird das Europäische Parlament dasErgebnis der fast einjährigen Ver-handlungen mit den EU-Mitglied-staaten formal beschließen. Mit dervon uns ausgehandelten Neurege-lung werden die europäischen Ban-ken hoffentlich ein Fels in der Bran-dung der internationalen Märkte.Gleichzeitig ist das Gesetzeswerk ein„Realwirtschaftfinanzierungsgesetz“und schafft neue Corporate-Gover-nance-Regeln.

Was ist Verfahrensstand?

Eigentlich haben sich alle großenIndustrieländer (G 20) verpflichtet,Basel III bis zum 1. Januar 2013 ein-zuführen. Aufgrund der Komplexi-tät und des Umfangs der Materiekonnten auch wir diesen Terminnicht einhalten. Europa ist aber jeneWirtschaftsmacht, deren Vorberei-tungen am weitesten vorangeschrit-ten sind. Alle 8 200 Banken in derEU werden unter die neue Regelungfallen. Im Sommer 2011 hat die EU-Kommission den Gesetzesvorschlag,bestehend aus einer Richtlinie undeiner Verordnung, vorgestellt. ImMai 2012 hat der Wirtschafts- undWährungsausschuss des Europäi-schen Parlaments seine Positionenfestgelegt und seitdem mit den je-weiligen Ratspräsidentschaften ver-handelt. Zu einem Durchbruch und

einer Einigung in den politischenVerhandlungen kam es nach rund30 Verhandlungsrunden in einerNachtsitzung Ende Februar 2012.Der formale Beschluss steht nochaus. Im Rat hat nur GroßbritannienBedenken wegen der geplanten Bo-nusbegrenzung angemeldet, stand

damit aber weitgehend allein. ImParlament wird es eine breite, partei-übergreifende Mehrheit für das Pa-ket geben. Der Großteil aller Bestim-mungen soll am 1. Januar 2014 inKraft treten.

Welche Fragen regelt CRD IV?

Vereinfacht gesprochen, regeltCRD IV Fragen wie: Wie viel Geldmüssen europäische Banken auf dieSeite legen, um die Risiken ihrer ver-schiedenen Geschäftstätigkeiten ab-zudecken? Welches Geschäft ist wierisikoreich? Wie beweglich müssendie Rücklagen der Banken sein? Wasist ein liquides Instrument? Ist einKredit für ein mittelständisches Un-ternehmen (KMU) wirklich riskanterals eine Staatsanleihe? Wie könnenwir eine Kreditklemme verhindernund Wachstum in der EU finanzie-ren? Welche Anreize werden für Ban-ker gesetzt, Risiken einzugehen?Dürfen die EU-Mitgliedstaaten zu-sätzlich zum gemeinsamen CRD-IV-Regelwerk weitere Anforderungenan die Banken hinzufügen?

Was wurde erreicht?

Der Wirtschafts- und Währungs-ausschuss des Europäischen Parla-ments hat im Mai 2012 die Positiondes Parlaments für die Verhandlun-gen mit den EU-Mitgliedstaaten be-

schlossen. Ungewöhnlich dabei war,dass es mir als Berichterstatter gelun-gen ist, einen Konsens über alle Par-teigrenzen hinweg herzustellen. DasParlament hat sich einstimmig füreine gemeinsame Position ausgespro-chen und konnte mit dieser Stärke inden Verhandlungen unter anderem

folgende Ziele errei-chen:� Europäische Banken

müssen zukünftigmehr und besseres Ka-pital zurücklegen. Da-durch werden dieBanken in Krisensitua-tionen belastbarerund müssen nichtmehr mit Steuergel-dern gestützt wer-den.

� Die Sicherheitspols-ter der Banken müs-sen „flüssiger“ wer-

den. Durch die Einführung derLCR (Liquidity Coverage Ratio)müssen die Banken in der Lagesein, in Stresssituationen mindes-tens 30 Tage lang allen ihren fi-nanziellen Verpflichtungen nach-zukommen.

� Das neue Regelwerk wird die Be-sonderheiten des dezentralen eu-ropäischen Bankensystems besserberücksichtigen. Kontinentaleuro-päische Banken, die mehr Rich-tung Einzelkundengeschäft orien-tiert sind, dürfen nicht gegenüberden angloamerikanischen Ban-ken, die häufig mehr in RichtungInvestmentgeschäft orientiertsind, benachteiligt werden. Die Be-sonderheiten der spezifischen Or-ganisationsformen von Genossen-schaftsbanken oder Sparkassenwurden respektiert und berück-sichtigt.

� Die Banken sollen sich auf ihr ei-gentliches Kerngeschäft konzen-trieren: die Finanzierung der Real-wirtschaft. Kredite an KMU undBetriebsgründer werden vergüns-tigt und somit attraktiver für Ban-ken.

� Europäische Banken müssen fürjedes Land, in dem sie aktiv sind,ihre Gewinne, ihre Steuern undempfangene Fördergelder offenle-gen. Das erhöht die Transparenz.

� Die Mitgliedstaaten dürfen nichteinfach zusätzliche strengere Re-

geln hinzufügen, sondern müssendiese auf EU-Ebene absegnen las-sen. Flexibilität ja, aber im Einver-nehmen mit den Regeln des Bin-nenmarktes und dem „Single RuleBook“.

� Bonuszahlungen an Bankmana-ger werden in ein vernünftigesVerhältnis zum Grundgehalt ge-bracht und begrenzt. Damit sollenfalsche Motivationen vermiedenwerden.Das Europäische Parlament hat in

den Verhandlungen somit drei zen-trale Ziele verfolgt und durchge-setzt: Stabilisierung des Bankensek-tors, Sicherstellung der Finanzie-rung der Realwirtschaft und Schaf-fung von mehr Fairplay innerhalbund zwischen den Banken.

Wodurch stabilisiert CRD IV?

Bisher müssen die Banken mindes-tens 8 % Eigenkapital halten. Diesmuss aus verschiedenen Arten vonKapital bestehen, 2 % müssen soge-nanntes „hartes Kernkapital“, dasheißt Kapital höchster Qualität, sein.Mit der Einführung von CRD IV sol-

len die Banken insgesamt weiterhin8 % Eigenkapital halten, der Anteilvon hartem Kernkapital wird aberauf 4,5 % erhöht. Zusätzlich sollensie zwei weitere Kapitalpuffer bil-den: 2,5 % Kapitalerhaltungspufferund 0 bis 2,5 % antizyklischer Kapi-talpuffer. Letzterer wird von den na-tionalen Aufsehern individuell fest-gelegt. Außerdem sollen systemrele-vante Banken („Sifis“ – systemicallyimportant financial institutions) zu-

sätzlich weitere 1 bis 3 % hartesKernkapital halten.

Auch für grundsätzliche volkswirt-schaftliche oder systembedingte Risi-ken können die Mitgliedstaaten un-ter bestimmten Bedingungen zusätz-liche Polster verlangen. Alle dieseÄnderungen sollen die Belastbarkeitder Banken in Krisensituationen er-höhen und für mehr Stabilität im eu-ropäischen Bankensektor sorgen.

Nicht vergessen werden darf aber,dass die Finanzkrise eine Liquiditäts-krise war. Es reicht nicht, mehr Kapi-tal zurückzulegen, wenn es im Kri-senfall nicht verwendet werdenkann, weil es nicht verfügbar istoder nur unter hohen Kosten verfüg-bar ist. Deshalb werden zwei neueKriterien für das Eigenkapital einge-führt: Die kurzfristige (Liquidity Co-verage Ratio) und die mittelfristigeLiquiditätskennziffer (Net StableFunding Ratio) der Banken dürfenbestimmte Werte nicht überschrei-ten. Die Banken müssen ab 2015 inder Lage sein, mindestens 30 Tagelang allen ihren finanziellen Ver-pflichtungen nachzukommen. Ab2018 wird auch die langfristige Liqui-ditätsanforderung verschärft. Derar-tige Regelungen gab es bisher imBankenbereich gar nicht, sie stelleneine entscheidende Weichenstellungin Richtung von mehr Stabilität undSicherheit dar.

Wachstum und Beschäftigung

80 % der europäischen Realwirt-schaft sind kreditfinanziert. SolideBanken, die ihrer Kernaufgabe nach-kommen, sind aus diesem Grund fürWachstum und Beschäftigung in derEU von enormer Bedeutung. DurchCRD IV wird die Kreditvergabe ankleine und mittlere Unternehmenspürbar erleichtert. Durch die Ein-führung eines Ausgleichsfaktors wer-den die Anforderungen zur Kapital-hinterlegung für derartige Krediteum rund ein Drittel reduziert und da-mit de facto das geltende Risikoge-wicht von 75 % auf ca. 50 % gesenkt.Um Unternehmensgründungen, In-novationen und bestimmte Existenz-gründungsmodelle mancher Länderzu fördern, soll der KMU-Faktorauch auf Kredite an Betriebsgründerangewandt werden. Darüber hinauswird die Definition des Retail-Kre-

dits verändert. Bisher galt das Risiko-gewicht von 75 % für Endkundenkre-dite bis zu 1 Mill. Euro. Das Parla-ment hat sich in den Verhandlungendurchgesetzt, sodass diese Grenzeauf 1,5 Mill. Euro erhöht wird. Da-durch fallen mehr Kredite unter diegenannte neue Regelung. Zusätzlichwird für bestimmte Export- und Han-delsfinanzierungen das Risikoge-wicht ebenfalls gesenkt.

Mehr Fairplay

Der Wert, den ein Bankangestell-ter für seine Bank hat, muss sich zu-allererst im Gehalt ausdrücken.Wenn die Bonuszahlungen das Ge-halt um ein Vielfaches überschrei-ten, verzerrt sich die Anreizstruktur.Die Boni sollen das Gehalt künftignicht mehr übersteigen (Verhältnisvon maximal 1 : 1). Nur ausnahms-weise können die Anteilseigner derBank erlauben, dass die Boni dasDoppelte des Festgehalts betragendürfen.

Die künftige Boni-Regelung setztzudem Anreize für langfristigereund nachhaltigere Vergütungsvarian-ten: Wird das Verhältnis auf 1 : 2 er-höht, müssen bis zu 25 % der varia-blen Vergütung in Form von langfris-tigen Instrumenten mit einer Lauf-zeit von mindestens fünf Jahren be-stehen. Dieser Teil der Bonuszahlun-gen soll mit einem Diskontierungs-faktor belegt werden, der von derEBA zu ermitteln ist, und muss zu100 % an das Institut zurückfallen,wenn die Nachhaltigkeit oder der Ge-schäftserfolg des Instituts nicht gege-ben ist. Bis Ende 2016 muss die EU-Kommission überprüfen, ob die Be-grenzung der Bonuszahlungen zu ei-nem Wettbewerbsnachteil für euro-päische Banken führt.

Beschluss fällt in Kürze

Wenn in zehn Tagen der Be-schluss im Europäischen Parlamentfällt, ist die umfassendste und tief-greifendste Bankenregulierung inder Geschichte der EU bald Realität.Sie ist die Voraussetzung für die Ban-kenunion und die geplante einheitli-che Bankenaufsicht, die nächstengroßen Projekte, die die EuropäischeUnion auf dem Weg zur Stärkungdes Binnenmarktes umsetzen muss.

„Nicht vergessenwerden darf, dass dieFinanzkrise eineLiquiditätskrise war.. . . Deshalb werdenzwei neue Kriterienfür das Eigenkapitaleingeführt.“

Solvency-II-Regeln realistisch ausgestaltenBei weiteren Verhandlungen muss trotz des Handlungsdrucks gelten: „Qualität vor Zeit!“ – Fingerspitzengefühl bei anstehenden Entscheidungen gefragt

VonAlexander Erdland

Präsident desGesamtverbandes derDeutschen Versiche-rungswirtschaft (GDV)

VonOthmar Karas

Vizepräsident desEuropäischenParlaments und dessenChefverhandler fürdie neue EU-Banken-regulierung

Weit mehr als nur Boni-BegrenzungUmfassendste und tiefgreifendste Bankenregulierung in der EU-Geschichte wird bald Realität

„Je länger die Niedrig-zinsphase anhält,desto schwierigerwird es für dieVersicherungswirt-schaft, ihre Folgenabzufedern.“

B 2 Börsen-Zeitung Nr. 66 Sonderbeilage Sonnabend, 6. April 2013

Page 3: Regulierung

Börsen-Zeitung, 6.4.2013Die Finanzwirtschaft wird derzeitvon der Politik in vielfältigster Weisebeeinflusst. Zum einen durch eineganze Flut von Regulierungen, zumanderen durch Weichenstellungenin der Europäischen Währungs-union, die die Marktbedingungendeutlich verzerren.

Das Jahr 2013 wird dabei entschei-dend für die wirtschaftliche Entwick-lung in Europa, für den Fortgang dereuropäischen Integration sowie füreine passgenaue und wirksame Re-gulierung. In Deutschland sehen wireine vergleichsweise robuste Kon-junktur. Vor allem jedoch ist positivzu betonen, dass in einigen europäi-schen Krisenländern erste Verbesse-rungen bei der Sanierung der Haus-halte und bei der Wettbewerbsfähig-keit festzustellen sind.

Kein Dauerzustand

Damit soll allerdings nicht vor-schnell das Ende der Krise in der Eu-rozone ausgerufen werden. Den zwi-schenzeitlichen Vertrauenszuwachs

verdanken wir vor allem den soge-nannten außergewöhnlichen Maß-nahmen des Eurosystems. Nun darfdie Europäische Zentralbank aller-dings nicht in die Rolle einer europäi-schen Ersatzregierung gedrängt wer-

den. Derzeit ist sie sehr nahe an dieFinanzierung von Staatshaushaltenherangerückt. Das ist nicht ihre Auf-gabe, gefährdet ihre Unabhängigkeitund birgt das Potenzial eines Abrü-ckens vom primären Ziel der Preisni-veaustabilität. Zudem mindert eineGeldpolitik, die sich in eine finanzpo-

litische Nothilfe drängen lässt, denHandlungsdruck auf Staaten, ihreReformbemühungen weiterzufüh-ren, denn faktisch wird die Bonitätnicht länger marktgerecht bewertet.Das mag kurzfristig und in extremaußergewöhnlichen Situationen an-gemessen sein, darf aber auf keinenFall ein Dauerzustand werden.

Die mit dieser Geldpolitik verbun-denen Niedrigzinsen beinhalten zu-dem große Gefahren. Niedrigzinsensollen zwar der Theorie nach unter-nehmerische Investitionen erleich-tern. Tatsächlich kommen die niedri-gen Zinsen bei den Unternehmender Krisenstaaten gar nicht an, weildortige Banken billiges Zentralbank-geld zum Kauf von Staatsanleihennutzen und Risikopositionen in denBilanzen abbauen.

Hinzu kommen mittelfristig erheb-liche Stabilitätsrisiken: Blasenbil-dung, Kapitalfehlleitungen und zuhohe Fremdkapitalhebel. Vor allemaber vermindern die momentanennegativen Realzinsen das Vermögender Sparer. Dies nimmt den Anreiz

zur Eigen- und Altersvorsorge undverleitet stattdessen zur übermäßi-gen Verschuldung. Hält die ausge-prägte Niedrigzinsphase länger an,werden das viele Sparer spätestensmit Eintritt in die Rente schmerzlichspüren. Und es ist hinzuzufügen: Mitdieser Politik werden auch Kredit-

instituten und Lebens-versicherungen erhebli-che Probleme bereitet.Deshalb muss in Europasehr bald der Einstieg inden Ausstieg aus derNiedrigzinsphase undauch aus der auf finanz-politische Zwecke ausge-richteten Geldpolitik ge-schafft werden.

Ein zweites zentralesThema für die deutscheFinanzwirtschaft ist dieumfängliche Agenda zurRegulierung der Finanz-

märkte. Dass es einer Neugestaltungdes Ordnungsrahmens für die inter-nationalen Bank- und Finanzmärktebedarf, versteht sich vor dem Hinter-grund der Finanzkrise von selbst.Die Frage ist aber die der Qualitätund Zielgenauigkeit, nicht der Quan-tität und Pauschalität. Wie viel Regu-lierung ist sinnvoll, und wo muss sieansetzen?

Mit dem Liikanen-Bericht sindnicht nur regulatorische, sondernauch marktstrukturelle Änderungenangeraten worden. Die Deutsche Kre-ditwirtschaft hält die obligatorischeAbspaltung einzelner Geschäftsberei-che nicht für geeignet, um die Stabili-tät des Finanzsystems insgesamt zuerhöhen. Die propagierten Vorteilesind sehr ungewiss, die sich aus ei-ner solchen Abspaltung ergebendenNachteile werden weitgehend ausge-blendet. Die deutsche Wirtschaftbaut ihre Stärke seit Jahrzehnten aufdie Finanzierungskraft des Universal-bankensystems. Für die exportorien-tierten deutschen Unternehmen istdies im internationalen Wettbewerb

ein Vorteil. Dieser darf nicht für ei-nen kurzfristigen Vorteil in der politi-schen Auseinandersetzung aufsSpiel gesetzt werden.

Für ungeeignet hält die DeutscheKreditwirtschaft die vorliegendenVorschläge für eine Finanztransakti-onssteuer. Die EU-Kommissionselbst stellt fest, dass diese Steuer zuWachstumseinbußen von 0,4 % desBruttoinlandsprodukts in der Euro-päischen Union führen wird. Es istschwer erkennbar, dass wir uns diesin Europa gerade jetzt leisten kön-nen. Umgekehrt weiß jeder: Eine sol-che Steuer hätte die Finanzkrisenicht vermieden und könnte auchneue Krisen nicht vermeiden. DieSteuer wird lediglich dazu führen,dass Handelsaktivitäten auf andereBörsenplätze verlagert werden, zu-mal unter anderem Großbritannienund Luxemburg als große und kon-kurrierende Finanzplätze ausgenom-men bleiben.

Es trifft die Kleinsparer

Zahlen müssen deshalb in ersterLinie Kleinsparer und mittelständi-sche Gewerbetreibende, die nichtauf andere Finanzzentren auswei-chen können. Auch wird die lücken-hafte Umsetzung der Finanztransak-tionssteuer im europäischen Binnen-markt zu allein aus dem Steuerwett-bewerb begründeten regionalen Kon-zentrationen der Finanzwirtschaftführen, deren potenzielle Lastendann wiederum über eine Banken-union ausgeglichen werden sollen.Das kann in meinen Augen jedochkeine sinnvolle Strategie sein.

Auch dezentral organisierte Ver-bundgruppen werden über den Kas-kadeneffekt benachteiligt. Die Belas-tung der kleinen Anleger steigt,wenn sie mit geringen Anlagebeträ-gen an Börsenentwicklungen teilha-ben und zur Risikostreuung Fonds-produkte nutzen wollen. Dies haltenwir für ebenso wenig sinnvoll wie

die überzogenen bürokratischen An-forderungen an die Wertpapierbera-tung.

Dass es aus Gründen unterschiedli-cher Informationsverteilung und Ver-handlungsstärke eines hoheitlich or-ganisierten Anleger- und Verbrau-cherschutzes bedarf, ist grundsätz-lich nicht in Frage zu stellen. Die ak-tuell herbeigeführte Überregulie-rung gerade im Wertpapiergeschäftführt jedoch dazu, dass teilweise inder Fläche des Landes keine Wertpa-pierberatung mehr angeboten wird.Die Kunden wandern dann entwe-

der in das beratungs- und weitge-hend bürokratiefreie Online-Ge-schäft ab, oder sie investieren man-gels Beratung vor Ort gar nicht mehrin Wertpapiere. Diese Entwicklungschließt breite Kundengruppen vonsinnvoll geplanten Engagements inWertpapieren und damit von dendort bestehenden Chancen aus. Undsie schädigt die Aktienkultur in dergrößten Volkswirtschaft Europasdeutlich. Vor allem aber ist es wohleine Fehlsteuerung, wenn das Ergeb-nis einer schärferen Regulierung we-

niger Beratung ist und es zumSchluss heißt: Anleger geschützt, Be-ratung abgeschafft, Aktienkultur ge-schädigt.

Grundsätzliche Probleme

Jenseits der Diskussion um Detailskonkreter Struktur- und Regulie-rungsvorhaben sei auf zwei grund-sätzliche Probleme hingewiesen:

Erstens ist heute niemand mehr inder Lage, die kumulativen Wirkun-gen der einzelnen Regulierungen ab-zuschätzen. Es kommt jedoch nichtnur auf die schlichte Kumulierungan. Die eigentlichen Komplexitäts-probleme entstehen durch eine Viel-zahl von Interdependenzen, die kei-ner mehr überschaut. Dies ist jedochsehr gefährlich für die Wettbewerbs-fähigkeit der besonders auf Kreditfi-nanzierungen angewiesenen deut-schen Unternehmen.

Zweitens hat die Finanz- undStaatsschuldenkrise erkennbareMängel im politischen System offen-gelegt: Politische Vereinbarungenbzw. Absichtserklärungen – seien esder Stabilitäts- und Wachstumspaktin Europa oder gemeinsame Regulie-rungsmaßnahmen auf Ebene derG 20 – werden nicht eingehalten.Ebenso besteht nicht ausreichendKlarheit darüber, welche Kompeten-zen an die EU zu übertragen sindund welche auf nationaler Ebene ver-bleiben sollten.

Die Regulierung sollte den Ord-nungsrahmen bilden, der Luft fürwirtschaftliches Handeln lässt undwettbewerbsgleiche Bedingungenzu anderen institutionellen Finanz-marktakteuren – Versicherungen,Anlagegesellschaften, freien Finanz-vermittlern oder Schattenbanken –schafft, statt Kreditinstitute überpro-portional und einseitig zu reglemen-tieren. Haftung muss sich auf Eigen-tümer und große Fremdkapitalgeberstatt auf die Gesellschaft konzen-trieren.

Börsen-Zeitung, 6.4.2013Brauchen wir Teil zwei der Finanz-marktrichtlinie? Die Antwort ist : Ja.Die EU hat sich ein ehrgeiziges Zielgesetzt – künftig soll es europaweitkein unreguliertes Finanzproduktund keinen unregulierten Finanz-platz mehr geben. Das ist die Kurz-

form von Mifid II, dem Vorschlagder Europäischen Kommission zurÜberarbeitung der Europäischen Fi-nanzmarktrichtlinie aus dem Okto-ber 2011.

Mifid II ist die Antwort der EU aufdie Folgen der Finanzmarktkrise, die2008 begann und die Schwachstel-len der bisherigen Finanzmarktregu-lierung (Mifid I) offenbarte. Die Re-gulierung hatte mit der rasanten Ent-wicklung der Finanzlandschaft inden vergangenen Jahren nichtSchritt gehalten: Mittlerweile bietetdas Angebot an Finanzprodukteneine noch nie da gewesene Vielfalt,und der technische Fortschritt er-möglicht den Handel in Bruchteilenvon Sekunden.

Was wird sich ändern?

Die Langform von Mifid II umfasst147 Artikel. Und das ist erst der An-fang, denn der jetzt vorliegende Vor-schlag als Rahmenregulierung(Stufe 1 der europäischen Gesetzge-bung) wird bis zur endgültigen Ein-führung durch weitere aufsichtstech-nische Standards (Stufen 2 und 3) er-gänzt werden.

Das Spektrum der Neuerungenreicht von A wie Anlegerschutz bis Zwie Zentrale Gegenpartei, lässt sichim Kern aber wie folgt skizzieren:

� Der Anlegerschutz soll durch dieEindämmung von Interessenkon-flikten gestärkt werden.

� Jeder Handel von Finanzinstru-menten soll unabhängig von derArt des Handelsplatzes beaufsich-tigt werden, bei Herstellung größt-möglicher Handelstransparenz.

� Die Befugnisse derAufsichtsbehördensollen erweitert wer-den.Im Mittelpunkt des

Anlegerschutzes stehenMaßnahmen zur Ge-währleistung einer fai-ren, interessenkonflikt-freien und damit „unab-hängigen“ Produktaus-wahl im Sinne des Kun-den. Zumindest soll dasGebot der unabhän-gigen Produktauswahldann gelten, wenn die

Bank dem Kunden eine Vermögens-anlage in bestimmten Finanzinstru-menten empfiehlt oder als Ver-mögensverwalter die Anlageent-scheidung für den Kunden trifft.Heftig umstritten ist dabei, ob dieseMaßnahmen bis zu einem Provisi-onsverbot reichen sollen, wie esetwa in Großbritannien oder in den

Niederlanden bereits eingeführtwurde, oder ob eine detaillierteInformation des Kunden über denInteressenwiderstreit zwischen deneigenen Interessen der Bank unddem Kundeninteresse an einerseinen Anlagezielen entsprechen-den Vermögensanlage ausreichenkann.

Weit weniger lautstark wird dieDiskussion um die internen Vergü-tungsstrukturen unterhalb der Vor-standsetagen geführt. Auch hier sindÄnderungen durch Mifid II für Anla-

geberater und Vertriebsmitarbeitervorgesehen. Das jüngste Papier derEuropäischen Wertpapieraufseher(ESMA) gibt Auskunft darüber, wiedie Aufseher das Thema Interessen-konflikte angehen: AbsatzbezogeneVergütungen sollen als „hausge-machte“ Interessenkonflikte zukünf-tig verboten werden.

Gleiche Spielregeln

Zielbild der Mifid II ist ein „voll-kommener Kapitalmarkt“ an denHandelsplätzen; das heißt vollstän-dige und gleiche Informationen füralle Handelsteilnehmer bzw. die Öf-fentlichkeit in Echtzeit. Zu diesemZweck sollen alle Handelsplätze,seien es die klassischen Börsen oderelektronische Handelsplattformen,die von Banken oder Handelshäu-sern (Brokern) betrieben werden,annähernd den gleichen Regelun-gen unterworfen werden. Handels-plätze sollen allen Interessenten diegleichen Zugangsmöglichkeiten bie-ten, ihre Handelsregeln und Preisfin-dungsmechanismen offenlegen, ihreHandelsdaten zu Angebot, Nach-frage und Geschäftsabschlüssen ver-öffentlichen und eine schnelle undsichere Geschäftsabwicklung, gege-benenfalls durch den Einsatz einerZentralen Gegenpartei, gewähr-leisten.

Kontroverse Diskussionen

Daneben sind Maßnahmen vorge-sehen, mit denen der Gefahr einesmöglichen Missbrauchs der Systemebegegnet werden soll, etwa durchden sogenannten Hochgeschwindig-keitshandel – also den computerge-stützten Aktienhandel in Sekunden-bruchteilen. Viele Einzelheiten dazuwerden aktuell noch kontrovers dis-kutiert, etwa ob die angestrebten Re-gelungen gleichermaßen für alle Ar-ten von Finanzinstrumenten – Ak-tien, Anleihen und Derivate – passenoder ob bilaterale Systeme, bei de-nen sich zwei Handelsteilnehmer be-gegnen, ebenso behandelt werdenkönnen wie multilaterale Systeme,die die Interessen einer Vielzahl vonHandelsteilnehmern zusammenfüh-

Fortsetzung Seite B 4

„Hält die ausge-prägte Niedrigzins-phase länger an,werden das vieleSparer spätestens mitEintritt in die Renteschmerzlich spüren.“

„Vor allem aber istes wohl eine Fehl-steuerung, wenn dasErgebnis einer schär-feren Regulierungweniger Beratung istund es zum Schlussheißt: Anlegergeschützt, Beratungabgeschafft, Aktien-kultur geschädigt.“

Luft für wirtschaftliches Handeln lassenRegulierung sollte den Ordnungsrahmen bilden, der wettbewerbsgleiche Bedingungen schafft – Haftung darf sich nicht auf die Gesellschaft konzentrieren

VonGeorg Fahrenschon

Präsident desfederführendenVerbandes der Deut-schen Kreditwirtschaft

VonUllrich Hartmann

Partner und Leiter desServicebereichesFinancial ServicesRegulatory bei Price-waterhouseCoopers(PwC)

„Zielbild der Mifid IIist ein ,vollkommenerKapitalmarkt‘ an denHandelsplätzen.“

Von A wie Anlegerschutzbis Z wie Zentrale Gegenpartei

Mifid II ist noch nicht auf der Zielgeraden – Aufschub bedeutet keine Schonfrist

Sonnabend, 6. April 2013 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 66 B 3

Page 4: Regulierung

Börsen-Zeitung, 6.4.2013Es ist schon bemerkenswert, welcheregulatorische Energie die europäi-sche AIFM-Richtlinie auf ihrem Wegin deutsches Recht freigesetzt hat.Ursprünglich sollte sie Regelungslü-cken bei alternativen Anlagevehi-keln wie Private-Equity- und Hedge-

fonds schließen. Inzwischen mün-dete sie in einen fast 600 Seiten star-ken Gesetzentwurf zum Kapitalanla-gegesetzbuch (KAGB). Das neue Re-gelwerk wird ab Juli 2013 das bishe-rige Investmentgesetz ablösen underheblich erweitern. Zwischen demvergleichsweise harmlosen Start derRichtlinie in Brüssel und der Lan-dung im aktuellen KAGB-Entwurf la-gen böse Überraschungen für diedeutsche Fondsbranche.

„Lawine“ blieb aus

Zuerst dehnte die EU den Anwen-dungsbereich der Richtlinie mangelsDefinition der Zielobjekte auf alleFonds aus, die nicht europaweitdurch die OGAW-Richtlinie reguliertsind. Wie an einem bergab rollendenSchneeball blieben danach immermehr Regelungsbereiche an der ur-

sprünglich sinnvoll begrenzten Richt-linie hängen. Im vergangenen Jahrwäre daraus beinahe eine Lawineentstanden, die mit Spezialfondsund offenen Immobilienfonds Ge-schäftsfelder des Asset Managementmit einem Volumen von gut 1 Bill.Euro unter sich begraben hätte.Dazu kam es nicht.

Schwerpunkt auf BVI-Agenda

Die drohenden Kollateralschädenkonnten dank des korrigierendenEingreifens der Politik verhindertwerden. Das geplante KAGB bleibtaber auch in den kommenden Mona-ten ein Schwerpunkt auf der Agendades BVI. Dabei geht es zunächst umNachbesserungen bei den Regeln zu

den offenen Immobilien-Publikums-fonds. Das KAGB wirkt aber weit da-rüber hinaus. Es wird den deutschenFondsmarkt verändern.

Das KAGB vereint zwei bisher ge-trennte Welten des Fondsmarktes un-ter einem regulatorischen Dach. Erst-mals werden die Anforderungen an

offene und geschlosseneFonds und deren Verwal-ter in einem gemeinsa-men Gesetz geregelt.Für offene Publikums-und Spezialfonds gilt bis-her noch das Investment-gesetz, das künftigdurch das KAGB abge-löst wird. Eine völligneue Geschäftsgrund-lage entsteht für die Ini-tiatoren der bislangkaum regulierten ge-schlossenen Fonds, wiebeispielsweise Schiffs-

fonds und Private-Equity-Fonds.Auch sie werden den neuen gesetzli-chen Anforderungen genügen müs-sen. Ein höherer Organisations- undVerwaltungsaufwand wird höhereKosten mit sich bringen.

Das neue Gesetz zieht eine Trenn-linie zwischen Investmentvermögen,die sogenannte „Organismen für ge-meinsame Anlagen in Wertpapie-ren“ (OGAW) sind, und solchen, dieals „alternative Investmentfonds“(AIF) gelten. Erstere sind richtlinien-konforme Wertpapierfonds im Sinneder europäischen OGAW-Richtlinie,die etwa in Aktien oder Anleihen in-vestieren. AIF sind dagegen alle ge-schlossenen Fonds und alle invest-mentrechtlich regulierten offenen In-vestmentfonds, die nicht als OGAWgelten. Das sind insbesondere offeneSpezialfonds und offene Immobilien-fonds. Der Unterschied ist nicht nurrein technischer Natur. Für Verwal-ter von OGAW und AIF gelten unter-schiedliche Zulassungsanforderun-gen und Berichtspflichten.

Mehr als Etikettenwechsel

Aus den bisherigen Kapitalanlage-gesellschaften (KAGs) werden nachInkrafttreten des KAGB sogenannteKapitalverwaltungsgesellschaften(KVGs). Diese KVGs wird es in zweiAusprägungen geben, je nach Artdes verwalteten Investmentvermö-gens: die KVG für OGAW-Invest-mentvermögen (OGAW-KVG) unddie für AIF-Investmentvermögen(AIF-KVG). Das ist mehr als ein Eti-kettenwechsel. Heute bereits alsKAGs operierende Fondsgesellschaf-ten müssen eine zweite Zulassungbeantragen, um künftig auch alsAIF-KVG agieren zu dürfen. Unab-hängig von einer fortgeltenden Li-zenz als OGAW-KVG werden nahezualle BVI-Gesellschaften eine Lizenzals AIF-KVG beantragen, da fast alleneben OGAW auch AIF, wie zum Bei-spiel Spezialfonds und OIF, anbie-ten.

Einige Neuerungen des KAGB wer-fen rechtliche Fragen auf, die nochmit den Aufsichtsbehörden geklärtwerden müssen. Jenseits solchertechnischer Details stellt sich aberdie Frage: Was bedeutet das Gesetzfür die tägliche Praxis der Fondsan-bieter und den Markt insgesamt?

Die Umsetzung der AIFM-Richtli-

nie bringt einen höheren bürokrati-schen Aufwand. Neue Zulassungsver-fahren, erweiterte Berichtspflichten,die erforderlichen Änderungen vonAnlagebedingungen und Vertriebs-anzeigen lösen eine regelrechte Bü-rokratieflut aus. Hochgerechnet aufalle BVI-Mitglieder und die künftigals AIF geltenden Investmentfonds,erfordern allein die Zulassungen derAIF-KVGs 165 000 Seiten Papier. Ins-gesamt müssen die Fondsgesellschaf-ten der BaFin zunächst Unterlagenvon mehr als 550 000 Seiten bereit-stellen und Jahr für Jahr weitere340 000 Seiten liefern.

AIF-Manager, ja oder nein?

Hier stellt sich die Frage, ob dieAufsicht eine solche Datenflut über-haupt sinnvoll bearbeiten kann. Ins-besondere für kleine und mittlereFondsgesellschaften ist der zusätzli-che Verwaltungsaufwand eine großeHerausforderung. Noch mehr Auf-wand beschert das KAGB den Initia-toren geschlossener Fonds. Sie müs-sen erstmalig gesetzliche Vorgabenerfüllen, die für offene Fonds bereitsseit Langem gelten. Essenziell ist,dass auch geschlossene Fonds künf-tig eine Depotbank (Verwahrstelle)benötigen. Die getrennte Verwah-

rung des Fondsvermögens vom Ver-mögen der Fondsgesellschaft erhöhtdie institutionelle Sicherheit für dieAnleger beträchtlich. Zudem müssendie Initiatoren geschlossener Fondsein Risikomanagement aufbauen,das unter anderem ein unabhängi-ges Risikocontrolling, Stresstestsund die Überwachung von Liquidi-tätsrisiken umfasst. Sie werden sichdaher als Erstes fragen, ob sie über-haupt AIF-Manager werden wollenoder nicht. Einige werden wohl nureine Lizenz zur Portfolioverwaltung(oder gar keine) beantragen.

Zwei wahrscheinliche Effekte

Nicht jeder Anbieter offener odergeschlossener Fonds wird die erfor-derlichen organisatorischen und fi-nanziellen Ressourcen aus eigenerKraft stemmen können oder wollen.Es sind daher zwei Effekte wahr-scheinlich. Erstens: Manche Anbie-ter werden angesichts der neuen An-forderungen ihr Geschäft entwederaufgeben oder versuchen, weiterhinunregulierte Vehikel dafür zu fin-den.

Zweitens: Andere Anbieter undInitiatoren werden sich dafür ent-scheiden, den erhöhten Administrati-onsaufwand an professionelle Ser-vice-Gesellschaften auszulagern. Da-durch ergeben sich neue Geschäfts-chancen für die Master-KVG. Dieseverzeichneten bereits in den vergan-

genen Jahren ein dynamischesWachstum und registrieren schonlänger ein steigendes Interesse anService-Lösungen zum Beispiel fürImmobilienfonds. Dieser Trendkönnte sich mit den höheren Ansprü-chen des KAGB verstärken. Dabeikann die Master-KVG sowohl dieRolle des reinen Administrations-dienstleisters als auch die des AIF-Managers spielen.

Neue Hüllen – neuer Markt

Geschlossene Fonds wird es nachdem KAGB nur noch als Investment-Aktiengesellschaft mit fixem Kapital(InvAG) oder als geschlossene Invest-m e n t - K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t(InvKG) geben. Damit stehen erst-mals regulierte Hüllen für geschlos-

sene Sachwertefonds zur Verfügung.Das eröffnet den Gesellschaften ausdem klassischen offenen Fondsbe-reich neue Möglichkeiten, insbeson-dere den etablierten Anbietern vonoffenen Immobilienfonds. Sie verfü-gen über die notwendige Expertiseim Immobilienmarkt und im AssetManagement von Sachwerten. Darü-ber hinaus stehen ihnen starke Ver-triebskanäle zur Verfügung. Fürdiese Anbieter könnte im neuen Re-gulierungsrahmen auch die Auflagegeschlossener Fonds für Sachwertewie Immobilien, Infrastruktur oderProduktionsanlagen für erneuerbareEnergien interessant werden.

Geschlossene Fonds verwalten der-zeit ca. 200 Mrd. Euro, ein großerTeil davon entfällt auf geschlosseneImmobilienfonds. Das erscheint auf

den ersten Blick gering, verglichenmit den mehr als 2 Bill. Euro, die An-bieter offener Fonds in Deutschlandverwalten. Hält man aber die 110Mrd. Euro dagegen, die derzeit in of-fene Immobilien-Publikumsfondsund -Spezialfonds investiert sind, er-gibt sich ein anderes Bild.

Fazit: Das Gesetz bringt neueSpielregeln für alle Beteiligten. Diekommenden Jahre werden zeigen,wer zu den Gewinnern und wer zuden Verlierern zählen wird. Insbe-sondere die Anbieter geschlossenerFonds werden sich neu aufstellenmüssen. Manche Anbieter offenerFonds werden ihre Produktpalette er-weitern. Zudem werden einigeFondsgesellschaften ihr Angebot ent-lang der Wertschöpfungskette neuausrichten.

Fortsetzung von Seite B 3

ren. Mifid II soll die Befugnisse derAufsichtsbehörden im Wesentlichenin dreierlei Hinsicht erweitern:

Erstens: Aufseher sollen zukünftigbefugt sein, in bestimmten Marktsi-tuationen den Handel mit Warende-rivaten durch die Festlegung einerHandelsobergrenze (Positionslimit)zu begrenzen. Auf diese Weise sol-len mögliche schädliche Auswirkun-gen des Warenderivatehandels aufdie Höhe der Preise an den Waren-märkten, insbesondere im Hinblickauf lebensnotwendige Güter, wiezum Beispiel Nahrungsmittel, verhin-dert werden.

Zweitens: Aufseher sollen die Be-fugnis erhalten, den Verkauf be-stimmter Finanzinstrumente zu ver-bieten, falls sie diese beispielsweiseim Hinblick auf das Verlustrisiko fürungeeignet für den Verkauf an Pri-vatanleger einstufen.

Drittens: Die Strafen für die Nicht-beachtung von Vorschriften sollenspürbar erhöht werden und können

ein Mehrfaches des eingetretenenSchadens betragen. Mehr noch: Mög-licherweise werden „Übeltäter“ so-gar durch die Veröffentlichung derSanktion an den Pranger gestellt. Da-gegen haben einige Mitgliedstaatenallerdings starke Vorbehalte ange-meldet.

Wie geht es weiter?

Mifid II ist noch nicht auf der Ziel-geraden. Eventuell wird Mifid II erstzum Jahresbeginn 2016 scharf ge-schaltet. Dennoch: Trotz aller Kon-troversen – sei es im Bereich Provisi-onsverbot oder Hochgeschwindig-keitshandel – bedeutet ein bloßerzeitlicher Aufschub keinesfalls eineSchonfrist für die Marktteilnehmer.Das hat der deutsche Gesetzgeberjüngst bewiesen, indem er quasi imAlleingang ein Gesetz zur Begren-zung des Hochfrequenzhandels be-schlossen hat und ein Gesetz zur Ho-noraranlageberatung vorbereitet,das die Idee des Provisionsverbotesvon Mifid II bereits aufgreift – jeden-

falls für den „unabhängigen“ Hono-raranlageberater.

Aber auch ohne eine solche „Hoch-geschwindigkeitsregulierung“ bietetMifid II für jeden Marktteilnehmer –egal ob Anlageberater, Vermögens-verwalter, Handelshaus, Börsen-platz, Emittent von Warenderivatenoder Warenhändler – schon heuteAnlass, die Zukunftsfähigkeit des Ge-schäftsmodells anhand des Mifid-II-Vorschlages zu überprüfen.

Beispiel verdeutlicht es

Ein Beispiel mag das verdeutli-chen: Lohnt es noch, aufwendigeNachweise über erhaltene und ge-zahlte Verkaufsprovisionen, das soge-nannte „Zuwendungsregister“, zu füh-ren – eine Forderung der BaFin, dieseit Jahresbeginn greift. Oder ist jetztder geeignete Zeitpunkt, die Erfolgs-chancen einer Honorarberatung zuüberprüfen? Das ist die Frage, vor derjeder Provisionsberater vor dem Hin-tergrund der Mifid-II-Vorschlägeheute steht. Nicht erst im Jahr 2016.

Von A wie Anlegerschutz . . .

„Die kommendenJahre werden zeigen,wer zu denGewinnern und werzu den Verlierernzählen wird.“

VonThomas Richter

Hauptgeschäftsführerdes BVI DeutscherFondsverband

Das KAGB bringt neue Spielregeln für alle BeteiligtenOffene und geschlossene Fonds wachsen regulatorisch zusammen – Höherer Verwaltungsaufwand bringt Chancen für Master-KVGs

„Insbesondere dieAnbieter geschlosse-ner Fonds werdensich neu aufstellenmüssen. MancheAnbieter offenerFonds werden ihreProduktpaletteerweitern. “

B 4 Börsen-Zeitung Nr. 66 Sonderbeilage Sonnabend, 6. April 2013

Page 5: Regulierung

Börsen-Zeitung, 6.4.2013

Herr Boschan, die aktuelle Diskus-sion um die Regulierung der Fi-nanzmärkte nimmt wenige Mo-nate vor der Bundestagswahl im-mer mehr an Fahrt auf. Stehendie richtigen Themen auf derAgenda und werden diese mitBlick auf die Zukunftsfähigkeitder Märkte hinreichend umge-setzt?

Die Ausgangsfrage ist doch, welcheZiele mit der Reregulierung der Fi-nanzmärkte erreicht werden sollen.Im Mittelpunkt müssen hier Funkti-onsschutz und Anlegerschutz ste-hen. Funktionsschutz bedeutet, dassder Finanzmarkt nach Umsetzungder Regulierungsmaßnahmen zu-mindest nicht schlechter funktionie-ren sollte als zuvor. Und mit Anleger-schutz ziele ich insbesondere auf die-jenigen, denen das ganze Marktge-schehen letztlich dienen sollte – denBürgern. Privatanleger sind jeneMarktteilnehmer mit der größtenSchutzbedürftigkeit und müssensich ohne weitere Prüfung auf hoheStandards im Wertpapierhandel ver-lassen können. Wenn die derzeitigeRegulierung dazu führt, dass Auf-träge von Privatanlegern nach wievor in den nicht überwachten und in-transparenten außerbörslichen Han-del verlagert werden, ist das kontra-produktiv. Aufträge von Privatanle-gern sollten generell nur über diehochregulierten Märkte laufen.

Aber sind die Börsen nicht auch inder Pflicht, zur Stabilisierung derFinanzmärkte beizutragen?

Das tun wir bereits. Als Börse mit ei-ner verlässlichen Marktordnung bil-den wir einen konstanten Stabilitäts-pfeiler für die hochsensiblen Finanz-märkte. Seit über 100 Jahren sinddie deutschen Börsen öffentlich-rechtliche Anstalten, die den Markt

organisieren. Die Deregulierung hatdie stabilisierende Funktion des Bör-senhandels allerdings zunehmendzurückgedrängt. Faktisch wurde da-mit die Grundidee einer zentralen,hochregulierten und verlässlichenPreisermittlungsstelle für den gesam-ten Wertpapierhandel weitgehendaufgegeben. So ist neben den Börsenin den vergangenen Jahren eine Viel-zahl von wenig regulierten außer-börslichen Handelssystemen entstan-den, auf die sich ein großer Anteildes Handels verlagert hat. Aller-dings weisen die außerbörslichenHandelsabläufe im Vergleich zumbörslichen Handel erhebliche Defi-zite auf: Diese reichen von einer ein-geschränkten Transparenz bei derordnungsgemäßen Preisermittlungbis zum Fehlen einer unabhängigenHandelsüberwachungsstelle.

Sie sehen also keinen Handlungs-bedarf für eine stärkere Regulie-rung der Börsen?

Zunächst sieht der Gesetzgeberselbst diesen nicht. Die Reregulie-rung der Märkte spielt sich ja ganzhauptsächlich im außerbörslichenBereich ab, der die Krise verursachthat – ohne dass dabei wie bereits er-wähnt immer die richtigen Schlüssegezogen werden. Aber auch wir ver-

schließen uns der aktuellen Regulie-rungsdebatte nicht – im Gegenteil.Als Sachverständige werden wir re-gelmäßig zu den Anhörungen des Fi-nanzausschusses im deutschen Bun-destag eingeladen und tragen unse-ren Teil zum Gesetzgebungsprozessbei. Nur ein Beispiel: Wir als BörseStuttgart stehen der Einführung ei-ner Finanztransaktionssteuer grund-sätzlich offen gegenüber. Allerdingsist uns wichtig, dass diese verantwor-tungsvoll ausgestaltet und umge-setzt wird. Diese Ansicht wird nichtvon allen innerhalb der Branche ge-teilt.

Bei der Finanztransaktionssteuerist der politische Prozess weit fort-geschritten, elf europäische Län-der wollen die Steuer einführen.Wie beurteilen Sie den aktuellenRichtlinienentwurf der EU-Kom-mission?

Erinnern wir uns zunächst an das ur-sprüngliche Postulat der Politik: DieVerursacher der Finanzkrise müssenan deren Kosten beteiligt werden,um die Folgen zu beheben. Daranwill die Politik offenbar nicht festhal-ten. Denn entgegen den vielfachenBekundungen rund um die Vorstel-lung des Kommissionsentwurfs istdort keine Ausnahme für Privatanle-ger zu finden. Dabei haben privateInvestoren diese Krise sicher nichtverursacht und beteiligen sich nichtan Spekulationen, die es einzudäm-men gilt. Sie tragen als Steuerzahlerdie Kosten der Krisenbewältigungund bestreiten zudem ihre Investitio-nen aus bereits versteuertem Arbeits-einkommen. Zur Beteiligung der Ver-ursacher an den Krisenkostenkönnte vielmehr das italienischeoder das griechische Modell einer Fi-nanztransaktionssteuer als Vorbilddienen: Dort werden weniger regu-lierte OTC-Geschäfte mit einem hö-heren Steuersatz belegt.

Fortsetzung Seite B 6

Börsen-Zeitung, 6.4.2013Noch nie zuvor war die Fondsbran-che in Europa so vielen Regulierun-gen ausgesetzt. Seit Beginn der Fi-nanzkrise sind die Bekämpfung dersystemischen Risiken und der Ver-braucherschutz Hauptziele der Poli-tik und der Aufsichtsbehörden. Der

Londoner G 20-Gipfel von 2009 hatgezeigt, dass kein Bereich des Fi-nanzsektors und kein Finanzproduktunreguliert bleiben sollen. Die „Stär-kung der Regulierung und Überwa-chung der Schattenbanken“ war zu-dem eines der Hauptanliegen desNachfolgegipfels von Seoul im No-vember 2010.

Einschneidende Veränderung

Im Jahre 2011 hat die Efama (Eu-ropean Fund and Asset ManagementAssociation) mehr als 20 verschie-dene regulatorische Maßnahmen be-gleitet, die sich alle auf die eine oderandere Weise auf die europäischeFondsbranche auswirken. 2012 ka-men einige weitere Maßnahmenhinzu. Hierbei sind insbesondere dieneuen Vorschläge zur Änderung derOGAW-Richtlinie (Organismen fürgemeinsame Anlagen in Wertpa-piere) hervorzuheben, in der zeitli-chen Reihenfolge als OGAW V undOGAW VI bezeichnet. Dies ist inso-weit bemerkenswert, als über dieseRegelungsvorschläge bereits disku-tiert wurde, als sich OGAW IV nochin der Umsetzung befand.

Eine weitere, einschneidende Ver-änderung ist die viel diskutierte

Richtlinie über die Verwalter alter-nativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie). Zusätzlich wird eine aufdie europäischen Wagniskapital-fonds und europäischen Fonds fürsoziales Unternehmertum zuge-schnittene Infrastruktur in Erwä-gung gezogen. Bei diesen Fondsty-

pen handelt es sich zwei-felsohne um Nischenpro-dukte, die gleichwohlChancen für Investment-manager bieten. Insge-samt lässt sich feststel-len, dass all diese regula-torischen Maßnahmenüber eine Produkt- oderManagerregulierung zueiner Regulierung desgesamten europäischenFondsmarktes sowie zueinem europäischenPass führen.

Die Schattenbankthe-matik ist ein weiterer, nicht zu ver-nachlässigender Faktor. Mit Blickauf die Finanzstabilität wird ihr welt-weit große Aufmerksamkeit ge-schenkt, was sich auch auf die Fonds-branche auswirkt. InsbesondereGeldmarktfonds stehen hierbei imMittelpunkt. Weitere Regulierungensind noch zu erwarten. Ferner müs-sen wir Gesetzesvorschläge im Hin-terkopf behalten, wie solche im Be-reich der Finanztransaktionssteuer,der Corporate Governance, der Fi-nanzmarktregulierung und des Kri-senmanagements. Diese sind zwarnicht unmittelbar auf die Fondsbran-che anwendbar, wirken sich aber in-direkt sehr wohl auf sie aus. Dane-ben kann man, zum Beispiel in denUSA, eine weitere Entwicklung beob-achten, die aufgrund ihres mögli-chen extraterritorialen Einflussessehr beunruhigend ist. Als Beispieleseien hier nur Fatca (Foreign Ac-count Tax Compliance Act), die Vol-cker Rule oder der Dodd-Frank Actgenannt.

Das Jahr 2013 wird für Invest-mentmanager weitere Herausforde-rungen bereithalten. Man kann näm-lich davon ausgehen, dass das Euro-päische Parlament und die Europäi-sche Kommission in ihrem letzten

vollständigen Jahr der jeweiligen Le-gislaturperiode noch versuchen wer-den, ihre Schlüsselinitiativen 2013durchzubringen. Wir müssen uns alsBranche vergegenwärtigen, dass dieregulatorischen Veränderungenletztendlich mit dem Ziel erfolgen,die Weltwirtschaft zu stärken undden Anlegerschutz zu verbessern.Vor diesem Hintergrund müssen wiruns als Fondsbranche diesen Verän-derungen stellen und uns daran neuausrichten.

Die Efama handelt mit Blick aufdie regulatorischen Maßnahmenstets mit dem Anleger im Fokus.Diese Vorgehensweise ermöglicht esuns, die zukünftigen Herausforde-rungen anzunehmen, Vertrauen wie-der aufzubauen und die Grundlagenfür ein nachhaltiges Wachstum zu le-gen.

Für eine Neubelebung der Wirt-schaft sind Investitionen entschei-dend. Eine an den Bedürfnissen desEndanlegers orientierte Regulierungnimmt bei der Rückgewinnung desAnlegervertrauens eine Schlüsselstel-lung ein. Immer zu berücksichtigenist der Einfluss, den eine Regulie-rung auf die Wertentwicklung derAnlegerportfolios und auch auf dieFähigkeit der Anleger hat, Kapitalan-lagen als solche zu verstehen undauszuwählen. Deshalb ist es klar imureigenen Interesse unserer Mitglie-der, diejenigen regulatorischen Maß-nahmen zu unterstützen, die das Be-dürfnis des Endanlegers bei der Aus-balancierung von Innovation, Kos-teneffizienz und Anlegerschutz zumInhalt haben.

Auf gleicher Linie

Aus diesem Grund unterstützt dieEfama ihrerseits uneingeschränktdie Initiative hinsichtlich der Anla-geprodukte für Kleinanleger (Pack-aged Retail Investment Products,Prips). Die Europäische Kommissionhatte Prips gestartet, um eine grö-ßere Transparenz und Vergleichbar-keit im Vertrieb von Anlageproduk-ten für Kleinanleger zu schaffen,und zwar unabhängig davon, obdiese von Banken, Versicherungsun-

ternehmen oder Investmentgesell-schaften stammen. Prips deckt sichmit dem Anliegen der EuropäischenKommission, den Anlegerschutz zustärken und für einheitliche Bedin-gungen im Bereich der Finanzmarkt-produkte zu sorgen. Hierbei liegt dieEfama mit der Europäischen Kom-mission auf gleicher Linie.

Prips ist eine großartige Anerken-nung der Anstrengungen unsererBranche in ihrem Bestreben, gleicheBedingungen zwischen den Produkt-anbietern aus allen Branchen zuschaffen. Die Efama hat hart an die-ser regulatorischen Maßnahme gear-beitet, indem wir klargestellt haben,dass die Investmentfondsbranche be-reits zuvor im Vergleich zu vielen an-deren konkurrierenden Produktenhöheren regulatorischen Anforde-rungen und auch höheren Kostenausgesetzt war. Seit Langem fordernwir einheitliche Vertriebsstandardsfür alle für den Kleinanleger verfüg-baren Anlageprodukte.

Vertriebspraktiken für Fonds

Eine noch offene Frage betrifft dieVertriebspraktiken für Investment-fonds. Diese Thematik schließt dieVorschläge zu Regeln bezüglich An-reizen (sogenannte Inducements)oder Kommissionen im Bereich derAnlageberatung sowie die Vor-schläge zur Klassifizierung vonOGAW als komplexe oder nichtkom-plexe Instrumente ein. Diese Punktewerden durch Mifid II aufgegriffenund derzeit noch in diesem Zusam-menhang vom Europäischen Parla-ment diskutiert. Die Diskussionenüber ein Verbot von Anreizen undüber die Klassifizierung von OGAWals komplexe bzw. nichtkomplexe In-strumente gefährden die Vertriebs-modelle der Fondsbranche.

Die Aufsichtsbehörden und die po-litischen Entscheidungsträger tendie-ren dazu, Anreize zu verbieten, ob-wohl dies für Kleinanleger weniger

Wahlmöglichkeit und höhere Kostenbedeuten würde. Viele von ihnenwerden dann nicht mehr in der Lagesein, eine Finanzberatung in An-spruch zu nehmen. Um eine kontra-produktive Regulierung zu verhin-dern, müssen wir zusammenarbei-ten und sicherstellen, dass die wah-ren Anlegerinteressen bei den Ent-scheidungen berücksichtigt werden.Wir müssen gleiche Bedingungenzwischen Versicherungs- und Invest-mentprodukten sowie für den Anle-ger zugänglichere Vergleichsmög-

lichkeiten sicherstellen. Hierfür müs-sen wir im Rahmen der Überarbei-tung und Neufassung der Versiche-rungsvermittlungsrichtlinie dafürSorge tragen, dass die gleichen Re-geln auch auf Anlageprodukte mit ei-nem Bezug zu Versicherungen An-wendung finden.

Chance ergreifen

In Zeiten einer alternden Bevölke-rung und von Staatssystemen, diedie Rentenlast nicht mehr stemmenkönnen, sind Alternativen für die po-litischen Entscheidungsträger inEuropa von großer Bedeutung. Fürlangfristige Anlagen wäre es nur

konsequent, wenn sich diese an lang-fristigen Möglichkeiten wie etwader Infrastrukturentwicklung, denerneuerbaren Energien oder sozia-lem Unternehmertum ausrichtenwürden. Die Efama ist dazu bereit,mit den politischen Entscheidungs-trägern in Europa bei dem Aufbau ei-nes europäischen Rahmens für lang-fristige Anlagen zusammenzuarbei-ten. Die Efama ist ferner dazu be-reit, auch weiterhin die Rolle derFondsbranche bei der Finanzierungder Gesamtwirtschaft durch langfris-tige Anlagen zu fördern. Die Euro-päische Kommission denkt geradedarüber nach, Investitionen in lang-fristige Anlagen einen rechtlichenRahmen zu geben. Dies ist eineChance für unsere gesamte Fonds-branche, die wir ergreifen, unterstüt-zen und zu deren Realisierung wirso früh wie möglich in der Lage seinmüssen.

Zufriedenheit als Ziel

Die Finanzkrise hat die Anleger inzweifacher Hinsicht geschädigt, so-wohl im Hinblick auf den Wert ihresVermögens als auch im Hinblick aufihr Vertrauen. Es ist an uns, das Ver-trauen in die Investmentfondsbran-che wieder aufzubauen. Dies kanndurch Regulierung und Praktiken er-folgen, die wirklich für den Anlegervon Vorteil sind und ihm den not-wendigen Schutz und eine positiveWertentwicklung in einer kosteneffi-zienten Art und Weise ermöglichen.Investmentmanager sollten den An-legern dabei helfen, die Verantwor-tung für ihre Investitionen zu über-nehmen. Sie sollten ihnen erlauben,die angemessene Mischung von Ri-siko und Rentabilität im Lichte ihrerjeweiligen persönlichen Zielsetzun-gen auszuwählen. Letztlich hat dieZufriedenheit des Anlegers als über-geordnetes Ziel im Mittelpunkt desgesamten Handelns unserer Fonds-branche zu stehen.

IM INTERVIEW: CHRISTOPH BOSCHAN, VORSTAND DER BOERSE STUTTGART AG

„Nicht gegen jedeFinanztransaktionssteuer“

Verantwortungsvolle Ausgestaltung und Umsetzung essenziell

VonClaude Kremer

Präsident der Efama –The European Fundand Asset Manage-ment Association

Bei regulatorischen Maßnahmen Anleger im Fokus habenDieses Vorgehen ermöglicht es, künftige Herausforderungen anzunehmen, Vertrauen wieder aufzubauen und die Basis für nachhaltiges Wachstum zu schaffen

„Die Efama ist dazubereit, mit denpolitischen Entschei-dungsträgern inEuropa bei demAufbau eines euro-päischen Rahmensfür langfristigeAnlagen zusammen-zuarbeiten.“

Christoph Boschan

Sonnabend, 6. April 2013 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 66 B 5

Page 6: Regulierung

Börsen-Zeitung, 6.4.2013In den letzten Jahren wurden die ver-schiedensten „Lehren“ aus der Fi-nanzmarktkrise von 2007/08 gezo-gen. Folge war eine Regulierungs-welle im Finanzsektor von bislangunerreichtem Umfang. Manche„Tropfen“ dieser Welle waren und

sind wichtig und richtig (wie zumBeispiel die Regeln über Gehälterund Boni für Banker), andere verbes-serungswürdig (so sieht der gegen-wärtige Stand der Liquiditätsregelnimmer noch eine 0-%-Risikogewich-tung für alle Staatsanleihen vor)und einige eher fragwürdig (willman wirklich Leverage-Ratio-Re-geln, die risikoarme Institute zumEingehen größerer Risiken drän-gen?) und verschiedene fußen ganzklar auf den Erfahrungen aus der Fi-nanzmarktkrise, andere in Wahrheiteher nicht.

Lektion gelernt?

Höhepunkt der Finanzmarktkrisewar der Lehman-Kollaps 2008. Die-ser hatte insbesondere deswegen sotiefgreifende Folgen, weil die Ver-

antwortlichen (ebenso wie dieMarktteilnehmer allgemein) keineausreichenden Informationen überUmfang und Struktur der konkretenRisiken auf den Derivatemärktenhatten. Genau an dieser Stellekommt nun die European MarketsInfrastructure Regulation (EU) Nr.

648/2012 (Emir) insSpiel. Sie stellt neue Re-geln für außerbörs-liche, das heißt Over-the-Counter-Derivate(OTC), insbesonderezur Einschaltung zentra-ler Gegenparteien (Cen-tral Counterparties –CCP) und zur Einfüh-rung von Transaktions-registern (Trade Reposi-tories – TRS) auf. Dazusieht sie vor, dass dieParteien, soweit die je-weilige Derivateklasse

als standardisiert eingestuft seinwird, ihre Geschäfte zukünftig nichtmehr rein bilateral, sondern überautorisierte CCP, zum Beispiel Eu-rex Clearing (DE), LCH Swapclear(UK) oder ICE Clear Europe (UK),unter Stellung von Sicherheiten(Margins) abwickeln (Clearing)müssen.

Die Clearingpflicht trifft neben fi-nanziellen Gegenparteien (Kreditin-stitute und Wertpapierfirmen) auchnichtfinanzielle Gegenparteien (Un-ternehmen der Realwirtschaft, diesich zum Beispiel absichern/hedgenwollen), wenn bestimmte Schwellen-werte überschritten werden. Fürmaßgeschneiderte Derivate, diekünftig zwar dem TRS-Reporting,nicht aber der Clearingpflicht viaCCP unterliegen, bestehen gestraffteVorgaben an das Risikomanagement

und an Sicherheiten, vor allem aberauch deutlich höhere regulatorischeEigenkapitalanforderungen (unterCRD IV).

Jetziger Gesetzgebungsstand

Nachdem die Regulierung derOTC-Märkte im September 2009von den G-20-Staaten in Pittsburghbeschlossen worden war, schuf dereuropäische Gesetzgeber die unmit-telbar anwendbare VerordnungEmir, die am 16. August 2012 inKraft trat. Gleichzeitig wurde es derEuropean Securities and MarketsAuthority (ESMA) übertragen, dienotwendigen Ausführungsvorschrif-ten als sogenannte ImplementingTechnical Standards (ITS) bzw. Re-gulatory Technical Standards (RTS)zu entwerfen.

Nachdem die EU-Kommission be-reits am 19. Dezember 2012 ersteStandards der ESMA angenommenhatte (unter anderem zu den clea-ringpflichtigen Derivateklassen, Ei-genkapital- und organisatorischenAnforderungen an CCP, Datenanfor-derungen), die im Januar 2013 inKraft traten, lieferte die ESMA am23. Februar 2013 die restlichenRTS/ITS (unter anderem zum TRS-Reporting und Risikomanagement-Regeln für nichtfinanzielle Gegen-parteien), die am 15. März 2013 inKraft getreten sind.

Das Clearing soll unter Emir abdem ersten Quartal 2014 verpflich-tend werden. In den USA ist mitdem Dodd-Frank Act (2010) ein Pen-dant zur Emir zwar ebenfalls verab-schiedet, doch die Festlegung detail-lierter Ausführungsvorschriften er-folgte bisweilen eher zögerlich. InDeutschland gilt seit dem 16. Feb-

ruar 2013 das Emir-Ausführungsge-setz, das bestimmte Vorgaben derEmir umsetzt. Nicht von Emir vorge-geben ist die neu eingeführte Pflichtdeutscher Kapitalgesellschaften, diein einem Geschäftsjahr entwedervon Emir erfasste Derivate mit ei-nem Gesamtnominalvolumen vonmehr als 100 Mill. Euro oder mehrals hundert einzelne Derivatekon-trakte eingegangen sind, die Einhal-tung der Emir-Bestimmungen durcheinen externen Prüfer bestätigen zulassen.

Als aufsichtsrechtliche Regelunglässt Emir die zivil- und sachenrecht-lichen Fragen, insbesondere die Fol-gen einer Insolvenz eines Clearing-mitglieds, offen und regelt nur dievon den CCP zu treffenden Vorkeh-rungen im Rahmen des Risikomana-gements. Auch hier greift das Emir-Ausführungsgesetz unterstützendein, indem einzelnen Maßnahmender CCP Vorrang vor insolvenzrecht-lichen Vorschriften eingeräumtwird. Die Insolvenzanfechtung wirdebenfalls ausgeschlossen und derlange Zeit kontrovers diskutierteNachteilsausgleich ist zu Rechtnicht Gesetz geworden. Dennochsind zahlreiche Fragen offen geblie-ben und es wird Aufgabe der Rechts-praxis werden, die verbleibendenThemen betreffend Sicherheiten-stellung, Netting und Übertragungvon Positionen und Sicherheiten zuklären.

Reporting – wichtiger Schritt

Wichtigste Neuerung unter Emirsind die Meldepflichten an die TRS,welche helfen sollen, zukünftig Si-tuationen wie die mangelnde Über-sicht der Aufseher über die Derivate-

märkte beim Lehman-Kollaps zu ver-meiden. Das tägliche TRS-Reportingsoll Angaben zu den Parteien, Ver-tragsinhalten, aktuellen Marktwer-ten, zu gestellten Sicherheiten (Mar-gins), Vertragsänderungen oder-kündigungen usw. enthalten undam nächsten Geschäftstag nach Ab-schluss erfolgen.

Zentrales Clearing

Durch die Pflicht zum Clearingwird nun die Nutzung börsengehan-delter Derivate attraktiver und beiOTC-Derivaten wird der Druck zurStandardisierung dramatisch er-höht. Es wird Marktteilnehmernzwar auch künftig unbenommensein, weiterhin maßgeschneiderteDerivate bilateral abzuschließen.Das wird jedoch nur noch zu starkerhöhten Transaktionskosten mög-lich und damit vielfach keine wahreOption fürs Hedging mehr sein. ImErgebnis werden die im OTC-Be-reich bislang bestehenden Kontra-hentenausfallrisiken tatsächlichdeutlich heruntergefahren, aber da-für die Risiken des CCP-Ausfalls(mit sehr viel dramatischeren Fol-gen als beim bisherigen Kontrahen-tenausfall) einerseits und eventuellfehlender Absicherungsmöglichkei-ten zu vertretbaren Preisen anderer-seits neu geschaffen.

Deshalb formulieren sowohl dieEmir selbst als auch technische Stan-dards qualitative und quantitativeAnforderungen für jede CCP. Die Ba-Fin wird als Aufsichtsbehörde für dieAutorisierung der CCP verantwort-lich, die ESMA hingegen kann eben-falls unter anderem standardisierteund damit clearingpflichtige Deriva-tekontrakte definieren (Dual Ap-proach). Zulassungsvoraussetzun-gen für CCP sind neben einer stren-gen Governance für Organisation, Ri-sikomanagement und Transparenz-anforderungen vor allem ausrei-chende Liquidität und regulatori-sches Eigenkapital (unter anderem

die Etablierung eines transaktionsbe-zogenen Ausfallfonds).

Darüber hinaus wird die Emir-Um-setzung arbeits- und kostenintensivestrukturelle Umbrüche mit sich brin-gen, die jedoch auch neue Geschäfts-nischen auftun. So sind die für dasneue Emir-Zeitalter notwendigenDienstleistungen und IT- und Ge-schäftsprozesse vorzubereiten. Insbe-sondere von der IT der Institute ver-langt Emir, dass alle Transaktionsda-ten mindestens fünf Jahre gespei-chert werden und dass Systeme zwi-schen clearingpflichtigen und nichtclearingpflichtigen Transaktionenunterscheiden können. Grenzüber-schreitende Transaktionen, insbeson-dere mit den USA, werden in Zu-kunft noch mehr Beratung erfor-dern, um Reibungsverluste (etwaDouble Reportings) zu vermeiden.Derivatehandelshäuser und Börsenarbeiten derzeit intensiv daran, dieAutorisierungsvoraussetzungen füreine CCP oder ein TR zu erfüllen,um die bevorstehenden Marktände-rungen ausnutzen zu können.

Es bleibt fraglich

Insgesamt bleibt zu hoffen, dasssich der betriebene Aufwand für dieNeuregulierung des Derivatehandelslohnen wird. Mehr Transparenz je-denfalls könnte sich zukünftig alsentscheidendes Frühwarnsystem fürden Finanzsektor erweisen, jedochunter der Voraussetzung, dass dieG-20-Ziele schnellstmöglich in allenJurisdiktionen homogen umgesetztwerden. Ob indes jegliches systemi-sche Risiko zu beseitigen sein wird,bleibt fraglich. Denn mit den CCP istgerade eine neue Generation unbe-kannter Marktteilnehmer geborenworden. Insoweit bleibt nur zu hof-fen, dass sich die Anforderungen andie CCP selbst als praxistauglich er-weisen und die Kontrolle der Clea-ringplattformen durch die zuständi-gen Aufsichtsbehörden gelingenwird.

Fortsetzung von Seite B 5

Was sollte bei der Ausgestaltungder Steuer noch beachtet wer-den?

Auch mit der fehlenden Ausnahmefür Market Maker versäumt es dieEU-Kommission in ihrem Entwurf,die Finanztransaktionssteuer ver-antwortungsvoll umzusetzen. DennMarktteilnehmer, die Liquiditätspenden, leisten einen maßgebli-chen Beitrag zur Funktionsfähigkeitund Effizienz der Märkte – ob sienun Market Maker, DesignatedSponsors, Specialists oder QualityLiquidity Provider heißen. Sie er-möglichen reibungslosen Handelund erbringen somit eine wichtigeDienstleistung, von der auch Privat-anleger profitieren. Liquiditätsspen-der sind daher von der Finanztrans-aktionssteuer auszunehmen. Leiderfand dieser Aspekt nicht den Weg inden aktuellen Entwurf. Bisher um-gesetzte Finanztransaktionssteuernin Frankreich und Italien sehen dieAusnahme von Market Makern je-doch selbstverständlich vor. Nochist es also nicht zu spät, eine Finanz-transaktionssteuer einzuführen, dieeinerseits dem Funktionsschutz derMärkte Rechnung trägt und ande-rerseits nicht den Privatanleger be-lastet.

Gibt es bereits Erfahrungswerteaus anderen Ländern?

Die Auswirkungen der französi-schen Finanztransaktionssteuer aufHandelsaktivität und Marktqualitäthat die Börse Stuttgart gemeinsammit der Forschungsgruppe „Finan-cial Market Innovation“ des Karlsru-her Instituts für Technologie (KIT)untersucht. Die Ergebnisse sind ein-deutig: Die Steuer beeinflusst dieHandelsaktivitäten und das Verhal-ten der Investoren in erheblichemMaße. An der Euronext Paris ist dasdurchschnittliche Handelsvolumender von der Steuer erfassten Aktienseit Einführung der Steuer am 1. Au-gust 2012 um rund 18 % gesunken.Auf der multilateralen Handelsplatt-form Chi-X reduzierte sich das Han-delsvolumen in den betroffenenWerten um 26 %. Auch die durch-schnittliche Anzahl der täglichenTransaktionen ist an der Euronextum 19 % und auf Chi-X um 14 % ge-sunken. Das zeigt: Die Investorensind aufgrund der gestiegenen expli-ziten Transaktionskosten zurückhal-tender.

Neben der Finanztransaktions-steuer steht auch der Hochfre-quenzhandel im Fokus der Regulie-rungsbehörden. Mit einem neuenGesetz soll der ultraschnelle Hoch-frequenzhandel eingedämmt wer-den. Wie stehen Sie dieser Geset-zesinitiative gegenüber?

Insgesamt sehen wir uns in unserenSelbstregulierungsbemühungen zu-gunsten der Privatanleger bestätigt.Hochfrequenzhandel wird an derBörse Stuttgart schon seit Langemrestriktiv behandelt. Denn wir mei-nen, die zur Verfügung gestellte Li-quidität soll dem Privatanleger undnicht einer spezialisierten Elite vonHochfrequenzhändlern zugutekom-men. Das bedeutet, dass die Order ei-nes Privatanlegers behandelt wirdwie die eines Hochfrequenzhänd-lers. Im Großen und Ganzen handeltes sich um einen sinnvollen Gesetz-entwurf.

Welche Aspekte werden Ihrer Mei-nung nach in der aktuellen Regu-lierungsrunde vernachlässigt?

Von der Politik sträflich vernachläs-sigt wird die Tatsache, dass dieMehrheit der heute operierendenHandelsplätze wenig regulierte au-ßerbörsliche Plattformen sind. Diefaire Preisermittlung beim Handelvon Wertpapieren muss wieder stär-ker in den ordnungspolitischen Fo-kus rücken. Denn eine stark regu-lierte, fortlaufende und aktuelle Er-mittlung des Börsen- und Marktprei-ses ist das beste Instrument, um füralle Marktteilnehmer eine verlässli-che Marktordnung zu schaffen. Ander Börse wird der Marktpreis trans-parent und für die Teilnehmer nach-vollziehbar ermittelt. Zudem han-delt es sich bei regulierten Märktenum einen besonders geschütztenRaum, indem anspruchsvolle Zulas-sungsverfahren die Professionalität,Zuverlässigkeit und Bonität der Han-delsteilnehmer sicherstellen. Vor derDeregulierung hatte das Interesse aneiner ordnungsgemäßen Marktpreis-entwicklung einen hohen Stellen-wert für die gesamte Wirtschaftsord-nung – zu Recht. Klar definierte undverlässliche Abläufe, Transparenzder Preisermittlung sowie eine unab-hängige Überwachung sind Stabili-tätspfeiler und müssen im Fokus derRegulierungsdebatte stehen.

Das Interview führteClaudia Weippert-Stemmer.

Finanztransaktionssteuer

VonPeter Scherer

Partner beiClifford Chance,Frankfurt am Main

Emir-Einführung begrenzt alte und schafft neue RisikenEuropean Markets Infrastructure Regulation stellt neue Regeln für Over-the-Counter-Derivate auf – Mehr Transparenz könnte sich als Frühwarnsystem erweisen

B 6 Börsen-Zeitung Nr. 66 Sonderbeilage Sonnabend, 6. April 2013