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DAV Panorama 2/2004 30 Im Berchtesgadener Land findet sich mit dem Nationalpark Berchtesgaden der einzige deutsche Alpennationalpark. Die Region ist aber nicht nur Pionier des alpinen Naturschutzes, sie bietet als überschaubares Skitouren- paradies auch eine ganze Reihe attraktiver Tourenmöglichkeiten. VON ULLI KASTNER Im des Reich Watzmann Im des Reich Watzmann Großes Foto: Eckehard Radehose; kleines Foto: Georg Hohenester

ReichIm Reich des Im Watzmann - alpenverein.de · tepol Deutschlands eine Nacht verbringen zu können – am Heiligen Abend 2003 etwa wur-den hier minus 42,7 Grad Celsius gemessen

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Im Berchtesgadener Land findet sich mit

dem Nationalpark Berchtesgaden der

einzige deutsche Alpennationalpark. Die

Region ist aber nicht nur Pionier des

alpinen Naturschutzes, sie bietet als überschaubares Skitouren-

paradies auch eine ganze Reihe attraktiver Tourenmöglichkeiten.

� VON ULLI KASTNER

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Rund 2000 Meter über Berchtesgadenthront König Watzmann. Der 2713Meter hohe Gebirgsstock ist unüber-sehbares Wahrzeichen der Märchen-

landschaft im äußersten Südosten Deutsch-lands. Zu drei Vierteln von der österreichischenGrenze eingefasst, gehört die Szenerie zwischenReiteralpe und Hohem Göll, Hochkönig undUntersberg zu den eindrucksvollsten der Alpen.Maler, Musiker und Philosophen ließen sich anKönigssee und Hintersee bereits vor Jahrhun-derten inspirieren, später kamen Landvermes-ser und Forscher, die auch viele Berggipfel erst-mals bestiegen – so der slowenische HumanistValentin Stanic, der vermutlich im Jahr 1800als erster Mensch auf der Watzmann-Mittel-spitze stand. Der bayerische ReiseschriftstellerHeinrich Noë kam nie soweit hinauf, doch mit sei-nem bekannten Vergleichbrachte er 1898 als Ersterden Nationalparkgedan-ken nach Berchtesgaden:„Das BerchtesgadenerLand ist der Yellowstone-park der deutschen Alpen“. Genau 80 Jahrespäter war der Nationalpark BerchtesgadenRealität. Und seinem amerikanischen Vorbildhat er eines voraus: Er ist auch ein Paradezielfür Skibergsteiger.

Wild und geschütztNur wenige der rund 350.000 Touristen, diealljährlich das Berchtesgadener Land aufsu-chen, sind aktive Bergsteiger. Den meisten ge-nügt eine beschauliche Schifferltour über denKönigssee, eine gemütliche Wanderung auf dieKneifelspitze oder eine aussichtsreiche Fahrtmit der Jenner-Seilbahn. Mit den Bergsteigernhaben sie aber eines gemeinsam: Sie fühlen sichangezogen von der gewaltigen Naturkulisse,von außergewöhnlicher Fauna und Flora mitüber 4000 Tier- und Pflanzenarten im Natio-nalpark, der 2003 sein 25-jähriges Bestehenfeierte. Schließlich waren sich die Berchtesga-dener ihrer Verantwortung gegenüber diesereinzigartigen Landschaft schon immer bewusstund haben durch ihr Verhalten maßgeblich da-zu beigetragen, den wilden Charakter der Re-gion zu erhalten. Letztendlich hat hier – imGegensatz zu schlechten Beispielen andernorts– der Tourismus nichts zerstört, sondern derNatur sogar geholfen. Die profitierte wohl ammeisten von den geplatzten Olympiaträumen

1992. Und auch die nächsten Jahre wird manim Berchtesgadener Land ohne die fünf Ringedurchhalten müssen, ging doch die Gemein-schaftsbewerbung mit Salzburg für 2010 eben-falls in die Hose.

Kampf um den WatzmannMit der Ausweisung des „PflanzenschonbezirksBerchtesgadener Alpen“ bereits 1910 erwiessich Berchtesgaden als Wegbereiter des Natur-schutzes im gesamten Alpenraum. Das Gebietumfasste damals ein rund 86 Quadratkilometergroßes Areal. Die Aufwertung zum Natur-schutzgebiet 1921 brachte eine Ausdehnungauf 200 Quadratkilometer. Ende der 60er Jah-re erregten Pläne zum Bau einer Watzmann-Seilbahn die Gemüter. Vertreter des Natur-

schutzes riefen damalszum „Kampf um denWatzmann“ auf. An ihrerSpitze standen die imWatzmanngebiet tätigeAlpenvereinssektion Mün-chen und der Verein zumSchutz der Bergwelt. Die

Forderung nach einem Nationalpark war dieKonsequenz aus diesem Erschließungsdrang.Seit dem 1. August 1978, dem Geburtstag desNationalparks, kann die Natur aufatmen.Denn auf 210 Quadratkilometer Fläche sindgrundsätzlich alle Pflanzen und Tierartenstreng geschützt, soll die Natur weitgehend sichselbst überlassen bleiben.

Die Berchtesgadener selbst hatten zunächstProbleme mit dem „vom Staat übergestülpten“Nationalpark, weil sie Einschränkungen vor ih-rer Haustür befürchteten. Misstrauen gegen-über den Behörden und Forschern war die Fol-ge. Gut 25 Jahre nach Parkgründung haben dieEinheimischen ihre Skepsis weitgehend abge-legt, weil man erkannt hat, dass mit dem Prä-dikat Nationalpark auch gute Werbung für dasTourismusgebiet Berchtesgadener Land ver-bunden ist. Etwas schwerer tut man sich der-zeit noch mit der Auszeichnung Biosphären-reservat, das 1990 durch die UNECSOzugesprochen wurde. Nachdem sich Ende der90er Jahre erneut aus Furcht vor Einschrän-kungen noch sämtliche politischen Institutio-nen gegen eine Umsetzung des Biosphärenre-servats ausgesprochen hatten, kommt es seitvergangenem Jahr, als der neu gewählte Land-rat Georg Grabner die Sache wieder in dieHand nahm, allmählich zum Umdenken.

Alle Pflanzen und Tiere sind

streng geschützt

Der Schneibstein (kl.Bild rechts) ist das erste Gipfelziel aufder Großen Reibn.Nach einer Übernach-tung im Stahlhauswird den Touren-gehern während desfrühmorgendlichenAufstiegs schnellwarm (großes Bildrechts, kl. Bild linksunten).

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Links: Über den Dächernvon Berchtesgaden impo-nieren die Gipfel desWatzmann. Die GroßeReibn führt im Uhrzeiger-sinn um das gesamteBergmassiv. Die gewaltigeWatzmann-Ostwand istimmer wieder Blickfangwährend des ersten Tou-rentages. Im Morgenlichtleuchtet sie zum Schneib-stein herüber (rechts).

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Die Durchquerungdes Hagengebirgeshinterlässt einen dernachhaltigsten Ein-drücke auf der Gro-ßen Reibn: In ständi-gem Auf und Ab gehtes durch eine Schnee-wüste ohne jede Spurmenschlicher Erschlie-ßung (gr. Bild l., dreiBilder r.). Nach demMarsch sorgt die Ab-fahrt durch den Eis-graben für prickelndeAbwechslung (kl. Bildu.). Ein Stück näherals auf der GroßenReibn rückt die Watz-mann-Ostwand beider Kleinen Reibn,hier bei der Priesberg-alm (gr. Bild r.).

cherheit aber begegnet man den weit verbrei-teten Murmeltieren oder Gämsen. Um dieWanderer auf Wegen und Steigen zu halten unddamit Natur zu schonen, pflegt die National-parkverwaltung regelmäßig die Anlagen. Trotzseiner Schutzfunktion für die Natur ist der Na-tionalpark auch Erholungsgebiet geblieben, indem der Mensch – in gewissen Grenzen – sei-nen sportlichen Aktivitäten nachgehen kann.

Zum deutschen KältepolDer Skibergsteiger hat den Vorteil, den Natio-nalpark außerhalb der sommerlichen Rush-

hour kennen lernen zukönnen. Wer im Winter –vielleicht sogar wochen-tags – loszieht, der schiebtseine Ski meist auf einsa-men Spuren dem Gipfelentgegen. Den besten Über-blick über das Schutzge-

biet bekommt man auf der „Großen Reibn“(Reibn = Reibe, Rundtour), der großzügigsten

Schließlich werden Projekte, die der Nachhal-tigkeit dienen, mit stattlichen EU-Mitteln ge-fördert. So können vor allem Land- und Forst-wirtschaft mit Finanzspritzen rechnen. Die gabes auch zur 25-Jahr-Feier des Nationalparks:Der bayerische Ministerpräsident Dr. EdmundStoiber persönlich versprach den Berchtesgade-nern auf Staatskosten ein „Haus der Berge“,das vor allem der Umweltbildung dienen soll.

Mit über einer Million Besuchern pro Jahr– die meisten sind Tagesausflügler – gehört derNationalpark Berchtesgaden zu den beliebtes-ten deutschen Nationalparks. Doch nur einBruchteil der Gäste machtsich auf, die wilde Ro-mantik der Berge selbst zuerkunden. Denn dazumuss man die geteertenWege verlassen und sichaufmachen in das Herzdes Schutzgebiets. MitGeduld und Glück lässt sich vielleicht eines derneun Steinadler-Brutpaare erspähen, mit Si-

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Der Nationalpark Berch-tesgaden ist Schutz-und Erholungsgebiet

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Skitour im deutschen Alpenstreifen. Auf einerLänge von rund 40 Kilometern durchstreiftman fast die gesamte Berchtesgadener Bergweltin Hufeisenform rund um den Königssee.Wenngleich Gebietskenner die Tour mit rund3200 Höhenmetern Aufstieg gelegentlich an ei-nem Tag machen (siehe Seite 42), so wird in derRegel eine Übernachtung im Kärlingerhaus amFuntensee einkalkuliert. Und wer sich den früh-morgendlichen Aufstieg über die zumeist hart-gefrorenen Hänge am Jenner sparen möchte,der kann die Tour durch eine weitere Über-nachtung im Stahlhaus am Torrener Joch nocheinmal entschärfen. Von dort bis hinüber zumFuntensee ist man allerdings auf sich alleine ge-stellt und stundenlang unterwegs in einem Ge-biet, in dem die Orientierung schwer fällt. Erstrecht, wenn keine Spur vorhanden ist.

Bereits vom Gipfel des Schneibstein (2276 m)lässt sich das zu durchquerende Hagengebirgein seiner ganzen Wildheit überblicken. Es istLebensraum der Steinböcke, die sich in der kal-ten Jahreszeit aber zumeist auf die in Öster-

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reich gelegenen Südhänge des Gebirges zurück-ziehen, wo sie eher Futter finden. Keine offi-ziellen Wege, höchstens ein paar Steigspurenlassen den abenteuerlich orientierten Bergstei-ger hier auch im Sommer Einsamkeit finden.Lediglich der Kahlersberg ist winters wie som-mers beliebt. Auf der Großen Reibn lässt manden Gipfel aus Zeitgründen jedoch rechts lie-gen und rutscht ohne große Höhenunterschie-de hinüber bis zum Fuß des Jägerbrunntrog(2247 m), der nach etwa halbstündigem Auf-stieg erreicht wird.

Die folgende Abfahrt durch den Eisgrabensollte man genießen, dennmit dem langwierigenAufstieg bis zur Tauern-scharte schließt sich diekonditionelle Schlüsselstel-le der Reibn an. Von hierkann man dann entspanntrund 800 Höhenmeterzum traumhaft gelegenen Funtensee hinunter-wedeln, an dessen Rand das Kärlingerhaus derAlpenvereinssektion Berchtesgaden steht (sie-he Seite 62). Spätestens wenn der Kachelofenim Winterraum glüht, freut man sich, am Käl-tepol Deutschlands eine Nacht verbringen zukönnen – am Heiligen Abend 2003 etwa wur-den hier minus 42,7 Grad Celsius gemessen.

In aller Ruhe darf man am nächsten Tagden westlichen Teil des Steinernen Meeres ent-decken, denn die zweite Etappe sollte in rundsechs Stunden leicht zu bewältigen sein. Dieallerdings haben es noch einmal in sich: Da istdie sensationelle Abfahrt in den Kessel der

Hochwies, umgeben von Wänden und Hängen.Und dann folgt der letzte Aufstieg hinauf zurKematenschneid. Hochstimmung kommt auf,wenn man bei sich rötlich verfärbender Sonnein luftiger Höhe, aber auf mäßig steilen Hän-gen hinüberwedelt zur Einfahrt in den Seiler-graben, der einem erst einmal den Atem ver-schlägt. Bei Vereisung kann eine Abfahrt durchdie steile Rinne tatsächlich zur Gefahr werden,bei akzeptablen Verhältnissen und mit aus-reichenden Kraftreserven aber ist diese ras-sige Abfahrt ein genussvoller und würdiger Abschluss der Runde. Beim Hinausgleitendurch das Wimbachgries bleibt dann nur dieHoffnung, dass die Sonne der Schneeauflagenicht schon zu stark zugesetzt hat. Andernfallswird die restliche Strecke bis zur Wimbach-brücke mit den Skiern auf den Schultern ziem-lich lang.

300 Meter Kies unter den FüßenDie Wimbachbrücke ist auch Startpunkt für dieHundstodreibn, die den letzten Abschnitt derGroßen Reibn mit einschließt. Zwar stellt auchdiese Unternehmung hohe Anforderungen andie Kondition, doch ist die Umrundung desHundstods an einem Tag zu schaffen. BeimAufstieg durch das neun Kilometer lange Wim-bachgries wandert man über ein bis zu 300Meter starkes und bis zu zwei Kilometer brei-tes Kiesbett, dessen im Verborgenen fließendesWasser das ganze Berchtesgadener Land ver-

sorgt. Selbst in Trockenpe-rioden wie im vergange-nen Sommer gibt es imTalkessel immer genügendWasser, im Notfall stehtsogar der Königssee zurVerfügung, dem von amt-licher Seite Trinkwasser-

qualität bescheinigt wird. Doch vom Quell-wasser bemerkt der Tourengeher nichts. SeineBlicke wenden sich vielmehr den unübersicht-lichen, brüchigen und deshalb so gut wie niebegangenen Westabstürzen des Watzmann zuoder sie gehen hinüber zu den bizarren, aberebenso schottrigen Palfenhörnern.

Erst nach der Wimbachgrieshütte wird dieSpur steiler. Sie führt hinauf in RichtungTrischübel-Pass und hinüber zum Hundstod-Gatterl. Dieser Streckenabschnitt ist bei Verei-sung mit Vorsicht zu genießen. Harscheisenkönnen hier gute Dienste leisten, bei sehr un-günstigen Witterungsbedingungen sind sogar

Die Große Reibn – etwa50 Kilometer Strecke auf

ca.3500 Höhenmeter

V.o.n.u.: Das Kärlin-gerhaus der SektionBerchtesgaden amRand des Funtenseesist willkommenerStützpunkt nach demlangen ersten Touren-tag auf der GroßenReibn; der Winter-raum des stattlichenBaus ist stets geöffnet.Am Folgetag zieht dieTour über das einsameSteinerne Meer (unten).

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BERCHTESGADENER LAND UNTERWEGS

Anreise: Über die Autobahn A 8 Mün-chen-Salzburg, Ausfahrt Bad Reichen-hall, über die Bundesstraße 20 nachBerchtesgaden. Tägliche Direktverbin-dungen bieten die InterCity-Züge „Al-penland“ aus Münster und „Königssee“aus Hamburg.

Unterkunft

Berchtesgaden und die Nationalpark-Gemeinden Schönau am Königssee undRamsau bieten eine Vielzahl von Unter-künften aller Kategorien. Außerhalb derSommersaison sind Zimmer fast immerauch kurzfristig erhältlich. Reservie-rung bei der Berchtesgaden TourismusGmbH, Tel.: 08652/96 72 70, E-Mail: info@ berchtesgadener-land.com, www. berchtesgadener-land.com; Stahlhausam Torrener Joch/Große Reibn (OeAV-

Sektion Salzburg, ganzjährig bewirt-schaftet, Tel.: 08652/27 52, E-Mail:[email protected], www.carl-von-stahl-haus.com); Kärlingerhausam Funtensee/Große Reibn (DAV-Sek-tion Berchtesgaden, bewirtschaftet von8. April bis 1. Mai 2004, sonst Winter-raum, Tel.: 08652/94 88 73, E-Mail:www.kaerlingerhaus.de).

Weitere Informationen

Nationalpark Berchtesgaden, Tel.:08652/9 68 60, E-Mail: [email protected], www.na-tionalpark-berchtesgaden.de; DAV-Sek-tion Berchtesgaden, Tel.: 08652/22 07,E-Mail: [email protected],www.dav-berchtesgaden.de; InfoportalBerchtesgadener Land www.info-bgl.de; Bergschule Watzmann (geführte

Skitouren), Tel.: 08657/711, E-Mail: [email protected],www.bergschule-watzmann.de.

Führer

Nowak/Anfang, „Skitouren rund umBerchtesgaden“ (Plenk Verlag); SeppBrandl, „Skitourenführer Berchtesgade-ner und Chiemgauer Alpen“ (BergverlagRother); Clemens M. Hutter, „Skitourenin und um Salzburg“ (Verlag Anton Pu-stet); Norbert Asen, Skitourenführer„Zwischen Dachstein und KitzbühelerAlpen“ (NP Buchverlag).Karten: Nationalpark Berchtesgaden(Bayerisches Landesvermessungsamt;UK 25-1); Berchtesgadener Land/Chiem-gauer Alpen (Kompass, Nr. 14); für großeReibe AV-Karten Steinernes Meer undHagengebirge (GPS-tauglich).

Große Reibn

Ausgangspunkt: Parkplatz Hinterbrand inSchönau am Königssee, bei Benützung derJennerbahn: Parkplatz Königssee.Zielort: Wimbachbrücke in Ramsau.Großzügige Skidurchquerung des National-parks in beeindruckender Einsamkeit, dienicht zu unterschätzen ist. Gesamtlänge et-wa 50 Kilometer, rund 3500 Höhenmeterim Aufstieg, bei Benützung der Jennerbahn2800 Höhenmeter. Zeit- und Kraftaufwandsind stark von den Schnee- und Witte-rungsverhältnissen abhängig, nur bei siche-rem Wetter angehen, zum Teil schwierigeOrientierung. Übernachtungsmöglichkeitenim Kärlingerhaus am Funtensee, bei BedarfStahlhaus am Torrener Joch.

Kleine Reibn

Ausgangspunkt/Zielort: Parkplatz Hinter-brand in Schönau am Königssee, bei Be-nützung der Jennerbahn: Parkplatz Kö-nigssee.Beliebte Skitour in alpiner Umgebung überSchneibstein, Seeleinsee und Hohe Roß-felder zurück zum Jenner, meist gespurt,ansonsten Orientierung nicht ganz leicht.Bis Königssee 1700 Höhenmeter Abfahrt,bei zu geringer Schneeauflage im unterenTeil über Mittelstation zum ParkplatzHinterbrand queren. Gesamtzeitaufwand 5bis 6 Stunden.

Hundstodreibn

Ausgangspunkt/Zielort: Wimbachbrückein Ramsau.Anstrengende Tagestour in wildromanti-scher Landschaft durch das Wimbachtalund rund um den Hundstod mit anschlie-ßender Abfahrt über den steilen Sailergra-ben, zirka 30 Kilometer, rund 2000 Hö-henmeter Aufstieg, Gesamtzeitaufwand 8bis 10 Stunden.

Hocheis

Ausgangspunkt/Zielort: Parkplatz Hirsch-bichl/Hintersee in Ramsau.Knackige Frühjahrsskitour mit langem An-marschweg auf asphaltierter Straße durchdas Klausbachtal/Hirschbichl und dasHocheiskar auf die Hocheisspitze (2523Meter), evtl. Rad ratsam, 1500 Höhenme-ter, Gesamtzeit zirka 7 bis 8 Stunden.

Watzmann-Hocheck

Ausgangspunkt/Zielort: Entweder Wim-bachbrücke in Ramsau oder ParkplatzHammerstiel in Schönau am Königssee.Aussichtsreicher Aufstieg auf das Wahr-zeichen Berchtesgadens (2651 m), Felsenim oberen Teil verschwinden oft erst abMitte März unter feuchtem Frühjahrs-schnee. Zwischen 1800 (Hammerstiel) und2000 (Wimbachbrücke) Höhenmeter imAufstieg, Gesamtzeitaufwand ca. 7 Stunden.

Watzmann-Kar

Ausgangspunkt/Zielort: Wie Watzmann-Hocheck.Über Forststraße und Waldhänge ins wild-romantische Watzmann-Kar. An dessenEnde drei Gipfelmöglichkeiten (DrittesKind/2165 m, Fünftes Kind/2225 m oderSkischarte/ca. 2230 m), von allen Gipfelnspektakulärer Ausblick zum Königsseeund in die Watzmann-Ostwand, etwa 1500Höhenmeter, 3 bis 4 Stunden.

Eisbachtal

Ausgangspunkt/Zielort: Halbinsel St. Bar-tholomä am Königssee (erreichbar mitElektrobooten der Königsseeschifffahrt). Sehr abgelegene Frühjahrs- und Frühsom-mertour unweit der Watzmann-Ostwand biszum Ende der Schneehänge (ca. 1800 m),bei guten Verhältnissen Aufstieg zum Gratmöglich, fantastischer Blick auf den Königs-see, Aufstieg etwa 1200 Höhenmeter, Zeit-aufwand ab St. Bartholomä etwa 3 Stunden.

Hoher Göll

Ausgangspunkt/Zielort: Bundesstraßeunterhalb des Alpeltals bei Hinterbrand(etwa 1100 m). Steile Tour, die vor allem imFrühjahr gegangen wird, aber auch imHochwinter oft schon möglich ist. VomGipfel (2522 m) 1400 Höhenmeter meiststeile Abfahrt, Aufstieg 3 bis 4 Stunden.

Skitouren im Berchtesgadener Land :info:

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Steigeisen anzuraten. Vom Hundstodgatterl ausoffenbart sich dann der Blick auf das SteinerneMeer und auf die vom Kärlingerhaus herüber-ziehende Spur der Großen Reibn, auf die mannach kurzer Abfahrt trifft. Ab hier sind Hunds-todreibn und Große Reibn identisch.

Den Watzmann-Kindern aufsHaupt gestiegen

Wem es beim Skibergsteigen eher um intensiveAbfahrtsfreuden mit geringerem Aufwandgeht, der sollte sich anderen Zielen zuwenden.Klassiker sind etwa die Gipfel der Watzmann-Kinder oberhalb des Watzmann-Kars – alle indrei bis vier Stunden zu erreichen. Zwar führtder Aufstieg im unteren Teil von Hammerstieloder der Wimbachbrücke aus über eine langeForststraße, doch weiter oben ist man zwischenGroßem und Kleinem Watzmann von mauer-glatten Wänden umgeben, in denen Kletterge-schichte geschrieben wurde. Spätestens am Fuß

der Jungfrau, dem Vierten Watzmannkind,wendet sich der Blick wieder geradeaus. Hiermuss man sich für einen Gipfel entscheiden:Links geht es hinauf zum Dritten Kind (2165 m),die rechte Spur zieht empor zum steilen Fünf-ten Kind (2225 m) und zur Skischarte (ca.2230 m). Der Blick zum 1500 Meter tiefer ge-legenen Königssee mit St. Bartholomä ist vonallen Kinderhäuptern gleich spektakulär. Unddirekt gegenüber – zum Greifen nah – posiertstolz die 1800 Meter hohe Ostwand von KönigWatzmann.

Eine Disziplin der Einheimischen ist die Be-steigung aller drei Gipfel nacheinander, schließ-lich gelten die Berchtesgadener als ehrgeizigeTourengeher. Wen wundert’s, ist doch einGroßteil der besten Skibergsteiger Deutsch-lands hier zu Hause - darunter auch der Ram-sauer Wolfgang Palzer. Der „Wof“ schnapptein der vergangenen Saison seinem Spezl FranzGraßl den deutschen Meistertitel vor der Naseweg. Der „Moarei“ dagegen will heuer allesauf eine Karte setzen und seine Dominanz derletzten Jahre endlich in den ersten Meistertitel

„Moarei“, „Wof“ und „Watz-mann-Gams“ – Berchtes-

gadener Spezialitäten

V.o.n.u.: Am zweitenTag der Großen Reibndurchquert man dasSteinerne Meer Rich-tung Hundstodschar-te. Nach dem Hunds-tod folgt die Abfahrtin die Hochwies undder Aufstieg zur Ke-matenschneid. Von denWatzmann-Kinderngenießt man spektaku-läre Ausblicke in dieWatzmann-Ostwand.

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umsetzen. Auch im Watzmann-Kar haben diebeiden bereits Geschichte geschrieben. Hiergibt es seit 1972 alljährlich das Skirennen umdie „Watzmann-Gams“ mit Start und Ziel inKühroint. Dazwischen müssen rund 800 Hö-henmeter bis zur Watzmann-Skischarte und zu-rück bewältigt werden, wobei zum Teil un-glaubliche Zeiten erzielt werden. Keine 50Minuten brauchen die Schnellsten für die gan-ze Strecke, der Reichenhaller Fritz Riegel istmit 3.38 Minuten bis heute Rekordhalter alsAbfahrer.

Birkhühner und Auerhähne

Für „Otto Normalskifahrer“ stellen diese Zei-ten keine Orientierungshilfe dar. Der muss erst

einmal zusehen, dass er die relativ steilen Hän-ge zum Beginn der Abfahrt sturzfrei bewältigt.Am rassigsten ist die vom Fünften Watzmann-Kind. Doch schon nach rund 200 Höhenme-tern treffen alle drei Touren im Kar wieder zu-sammen. Gemütlich lässt es sich dann zwischenFelsblöcken hindurch hinabwedeln, wobei mansich am besten in der Mulde rechts hält. Dennder links liegende Rücken ist wichtiges Winter-quartier für Birkhühner. Deshalb empfiehlt derDeutsche Alpenverein in seinem Projekt „Ski-bergsteigen umweltfreundlich“, dieses Gebietzu meiden. Seit Beginn der Wintersaison2003/2004 deuten im Berchtesgadener LandHinweistafeln auf das Projekt hin und leitendie Skibergsteiger um problematische Gebieteherum. Zu einschneidenden Beschränkungendes Tourensports kam es im gesamten Berch-tesgadener Land nicht. Lediglich einzelne Hän-ge sollen gemieden werden, was der DAV unddie Sektion Berchtesgaden durch freiwilligeLenkungsmaßnahmen erreichen wollen.

Auch auf der in Höhe und Sichtweite desWatzmann-Hauses (1928 m) gelegenen Gugel

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Feine Skitouren bietetdas Watzmannkar mitden Gipfeln dreierWatzmann-Kinder(rechts). Seit Beginnder Wintersaison2003/04 weisen DAV-Hinweistafeln auf umweltfreundlicheRoutenführung hin.Vom Gipfel des Hoch-eck schaut man aufdie Häupter der Watzmannkinder – im Hintergrund glänzt der Hochkönig(unten).

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gibt es solche Konfliktzonen, die man meidensollte. Das teilweise lichte Waldgebiet im Be-reich der Stuben-, Gruben-, Mitterkaser- undder verfallenen Gugel-Alm ist Lebensraum von Auerhühnern. Die Experten konnten beider Abfahrt sogar einen „balztollen“ Auerhahnaus nächster Nähe beobachten. Die empfoh-lene Lenkung beeinträchtigt aber die Freudeneiner Skitour auf die Gugel in keiner Weise.Weil dieses Ziel als relativ lawinensicher gilt, ziehen an Wochenenden auch bei Neu-schnee Scharen von Skibergsteigern hinauf, umden „Schlag“, auf dem vor Jahrzehnten Skiren-nen ausgetragen wurden,in wenigen Stunden in eine Skipiste zu verwan-deln.

Selbst im Frühjahr,wenn Schneerose undvielleicht sogar Krokusseden Anstieg mit ihrerPracht verfeinern, steigen manchmal noch Dut-zende von Skibergsteigern zur Gugel empor.Abfahrtsfreuden sucht man dann allerdingsweiter oben, denn im März und April lockt dasWatzmann-Hocheck (2651 m). Erst wenn et-was gestiegene Temperaturen dem Schnee aus-reichend Feuchtigkeit und Schwere geben, haf-tet das Weiß an den Hängen des Hochecks.Dann gehört die Ersteigung des Watzmann-Vorgipfels zu den Höhepunkten winterlicherUnternehmungen im Berchtesgadener Land.Oben wähnt man sich neben dem meist stark

verwechteten Gipfelgrat noch im tiefsten Win-ter, während 2000 Meter tiefer der Berchtesga-dener Talkessel in sattem Grün bereits auf denOsterhasen wartet.

Bevor der kommt, steht aber noch der Kar-freitag an, der traditionell dem Hohen Göll(2522 m) gewidmet ist. Hunderte von Autossäumen an diesem Tag die Bundesstraße unterdem Pflugtal, noch mehr Alpinisten reihen sichin die Schlange der Gipfelanwärter ein. Wemoben ein Quadratmeter zum Brotzeit machennicht reicht, der sollte also lieber einen anderenTag wählen – bei entsprechenden Verhältnissen

ist die Tour auch im Hoch-winter möglich. Doch so-gar am Karfreitag werdenalle für den drei- bis vier-stündigen Aufstieg mit ei-ner abwechslungsreichenAbfahrt über rund 1500Höhenmeter belohnt. Und

wer im Mai seine Brettl immer noch nicht ein-gekellert hat, dem bleibt nach einer Bootsfahrtüber den Königssee ja noch das von St. Bar-tholomä aus erreichbare Eisbachtal, das gran-diose Ausblicke in die Watzmann-Ostwand ge-währt. Im Anschluss lässt sich durch einenSprung in den Königssee dann endgültig derSommer einleiten. �

Ulli Kastner ist Redakteur beim Berchtesgadener Anzeiger und

seit über 20 Jahren als Skibergsteiger und Kletterer unterwegs.

Als Vortragswart der Sektion Berchtesgaden organisiert er das

Bergfilm- und Diafestival BERGinale mit.

Im Frühling lockenHocheck und Hoher Göllals Skitourenschmankerl

V.o.n.u.: Das Hocheckgehört zu den anspruchsvolleren Skitourenzielen der Region. Am Watz-mannhaus vorbei istdieser Watzmann-Gipfel im Frühjahr bei guten Verhältnis-sen zu machen. BeimAufstieg auf die Watz-mann-Gugel streiftman den Lebensraumvon Auerwild. Ent-sprechende Rücksicht-nahme ist geboten.Auch die Tour auf den Hohen Göll stelltein attraktives Ziel für routinierte Skiberg-steiger dar (großesBild).

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Des Menschen Wille ist seinHimmelreich.“ An dieses alt-ehrwürdige Sprichwort muss

ich denken, als mich das penetrantePiepsen meines Weckers an einemMontag Ende März um halb fünf Uhraus den Federn reißt. Es ist ja meinefreie Entscheidung, zu dieser un-christlichen Zeit das Reich der Träu-me zu verlassen. Um ein ganz realesReich der Träume handelt es sichallerdings auch bei der bergsport-lichen Herausforderung, der ich mich

an diesem Tag stellen will. Ich habenämlich aus einer Wochenendlauneheraus beschlossen, mich alleine undohne nächtlichen Zwischenstopp aufdie Spur des Mythos „Große Reibn“zu machen.

Gegen viertel nach sechs stapfe ichvom Parkplatz Hinterbrand in Rich-tung Jennerbahn-Mittelstation. Dienoch kühlen Temperaturen gestattenzügiges Vorankommen auf der Piste.„Gehst an Schneiber?“ fragt mich einFußgänger, dem ich unmittelbar vordem Stahlhaus begegne. Natürlich istder Schneibstein das erste Etappen-ziel. Allerdings bilden die 1150 Hö-henmeter, die ich beim Erreichen die-ses Gipfels in den Beinen habe, nurknapp ein Drittel der insgesamt zubewältigenden Aufstiegsleistung.

Abtauchen in dieEinsamkeitSolche mathematischen Überlegungensind mir in diesem Augenblick jedochfremd. Auch ist mir noch nicht be-wusst, dass der Abschiedsgruß, denich an zwei andere Wintersportlerrichte, das letzte Wort sein würde,das ich während der nächsten elfStunden mit einem menschlichen We-

sen wechsle. Mehr als die gar nicht sounwillkommene Sprachlosigkeit störtmich die zusehends spürbare Kraftder Frühlingssonne. Gottlob wird siedurch ein auflebendes Lüftchen in dermuldenreichen Schlum abgemildert.Mein Schweigemarsch zum Jäger-brunntrog ist durch das ständige Aufund Ab ohnehin schon anstrengendgenug.

Bevor ich mich über die erste grö-ßere Abfahrt freuen kann, muss icheine apere Stelle unter leisem Murren

zu Fuß überwinden.Als Lohn für dieseMühe finde ich aufder Teufelshorn-Sei-te des Eisgrabensaber noch Pulver-schnee vor. BeimLehlingskopf füh-ren mich kurzeGegenanstiege undebenso geringfügigeSchuss-Passagen zueiner weitläufigenLichtung. Dort gön-ne ich mir im Ste-hen eine rasche Mit-tagspause. Gut, dassich insgesamt fünfLiter an Frucht-saftgetränken dabei habe, denn meineKehle fordert unmissverständlich Er-satz für den vergossenen Schweiß.

Wieder auf der Strecke macht miraufgeweichter Windharsch gehörig zuschaffen. Zu allem Überfluss entpupptsich die Spur, der ich in der Hoffnungauf Zeitersparnis gefolgt bin, als mus-tergültiger „Verhauer“. Eine abenteu-erliche Abfahrt bringt mich wiederauf die rechte Bahn. Während ich dasunter den weißen Massen begrabene

Schäferhütterl am Anfang der LangenGasse zu lokalisieren versuche, be-merke ich „Stöckeln“ am rechten Ski.Unverzüglich tausche ich die ange-stollten Felle gegen das Reserve-Paaraus, doch der Schnee hier heroben istauch so schon derart grundlos, dassich den Funtenseetauern rechts liegenlasse und in der Nähe der Lederer-köpfe in das gleichnamige Kar hinein-schwinge. Staubender Pulver machtdas Brettlrutschen auf dem nordwest-seitigen Hang zum puren Vergnügen,

aber schon im Stuhlgraben tauche ichwieder in ein nicht mehr tragfähiges„Mus“ ein.

Wettlauf gegen die ZeitGegen halb vier gelange ich am Kär-lingerhaus an. In drei Stunden wirdsich die Sonne vom Himmel verab-schieden und wenn ich bis dahin denLoferer Seilergraben noch nicht er-reicht habe, gerate ich in ernste

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Kein Tag wie jeder andereAuf der Spur des Mythos „Große Reibn“

V.r.n.l.: Nach dem langen Weg durch das Hagengebirgemarkiert der Eisgraben links der Teufelshörner die erstegrößere Abfahrt der Tour. Der Autor nahe der Pries-bergalm, die man während der Kleinen Reibn passiert.

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BERCHTESGADENER LAND UNTERWEGS

Schwierigkeiten. Dieser Zeitdruck undmeine schon ziemlich schweren Füßeverleihen der Möglichkeit, im Winter-raum der Alpenvereinshütte zu über-nachten, eine nicht zu leugnende At-traktivität. Doch mein Abscheu vorden spartanischen Lagern und die festeAbsicht, die Tour so wie geplantdurchzuführen, treiben mich danndoch zu ungeahnter Leistung. Trotzdes nervenaufreibenden Verlusts einesStocktellers und der schier endlosscheinenden Durchquerung des welli-gen Plateaus schlurfe ich schon kurznach fünf am Ingolstädter Haus vor-bei. „Eigentlich reicht’s jetzt“ denkeich mir. Den wenigen Höhenmeternzur Hundstodscharte und zum Dieß-

bacheck gelingt es dann auch beinahe,mich völlig aufzuarbeiten. Die Abfahrtzur Hochwies, die ich nur einen Mo-nat früher auf der Hundstodreibn beitraumhaften Verhältnissen genießendurfte, verkommt heute bei schweremSulz zur reinen Pflichtübung.

Ein allerletztes Mal klebe ich dieFelle auf meine Ski. Meine Fersen he-ben sich mechanisch, mental taucheich in ein Wechselbad der Gefühleein. Jetzt nämlich steht außer Zweifel,dass mich das letzte Tageslicht nochauf meiner Fahrt durch den LofererSeilergraben begleiten wird. Die Er-leichterung darüber tritt allerdings in

unerbittliche Konkurrenz zu der Er-schöpfung, die nun endgültig vonmeinem Körper Besitz ergreift.

Auf der Kematenschneid entfährtmir ein Schrei, der in abendlicher Ein-samkeit ungehört verhallt: Ab jetztgeht es nur noch hinab! Ich hole ein-mal tief Atem und wage mich dann inden Loferer Seilergraben hinein. Un-ter der seichten Schnee-Auflage spit-zen immer wieder Steine hervor, diemich zu einer beherrschten Abfahrtund äußerster Konzentration nötigen.

Die Vorstellung, im Schein meinerStirnlampe unbeschwert über dasGries hinauszugleiten, erweist sich in-dessen als pure Illusion. Bruchharschder übelsten Sorte fordert den kläg-

lichen Rest meiner Kräfte. BeimWimbachschloss wird die weißePracht dann so lückenhaft, dass ichmir die letzte knappe Stunde bis zurWimbachbrücke zu Fuß vornehme.Per Mobiltelefon bestelle ich meinPrivat-Taxi.

Der Reiz des RisikosDas monotone Geräusch meiner Ski-schuhe hat etwas Einschläferndes.Jetzt kommt mir urplötzlich in denSinn, dass es aus sicherheitstheoreti-scher Perspektive heraus heller Wahn-sinn ist, eine solche Tour Ende Märzganz alleine zu unternehmen. Was,

wenn ich die im Voraus geschätzteGehzeit doch überschreite und vonder noch sehr früh einsetzenden Dun-kelheit überrascht werde? Was, wennich mich verletze? Was, wenn sichmein Handy in kein Netz einwählenkann? Während ich beim Wimbach-lehen auf die Teerstraße und somitnach etwa vierzehn Stunden wiederauf besiedeltes Gebiet stoße, frage ichmich, ob das zugegebenermaßen hoheRisiko nicht auch zu einem beträcht-lichen Teil für den Reiz eines derarti-gen Abenteuers verantwortlich zeich-net. Doch diese Vermutung kann ichschlichtweg verneinen – an Adrena-linsucht und übertriebener Tollkühn-heit leide ich wahrlich nicht.

Als ich in meinem Bett liege undein redlich verdientes Weißbier trin-ke, sage ich laut vor mich hin: „So et-was Verrücktes mache ich nicht nocheinmal.“ Verrückt, weil gefährlich.Verrückt, weil übermäßig anstren-gend. Doch schon am nächsten Mor-gen, als sich die zahllosen Eindrückeetwas sortiert haben und ich auchschon wieder schmerzfrei stehen undgehen kann, relativiert sich mein Geschwätz von gestern: Wer weiß,vielleicht gibt es auch im nächsten Frühling wieder einen solchen Tag, an dessen Ende ich ausrufe: „Nie wieder.“ �

� VON MATTHIAS RINGHOF