8
REFORMATION IN WÜRTTEMBERG IMPRESSUM Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart Urbanstraße 25 · 70182 Stuttgart · www.hmdk-stuttgart.de REKTORIN Dr. Regula Rapp KANZLER Christof Wörle-Himmel KONZEPTION Prof. Dr. Peter Rückert, Prof. Dr. Andreas Traub TEXTAUFNAHMEN Sprecherstudio des Instituts für Sprechkunst und Kommunikationspädagogik der HMDK Stuttgart, Aufnahmen: Katja Schumann und Prof. Christian Büsen MUSIKAUFNAHMEN Tonstudio der HMDK Stuttgart TON UND MASTERING Arne Morgner REDAKTION Prof. Dr. Peter Rückert, Jörg R. Schmidt TITELBILD Ausschnitt aus dem Mömpelgarder Altar, um 1540 (KHM-Museumsverband) GESTALTUNG Katrin Klappert CD-PRODUKTION Michael Siefert © Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und Landesarchiv Baden-Württemberg, 2017

REKTORIN KANZLER Christof Wörle-Himmel … · / das hat getan ein guter gsell, / er ist sein wol bericht; / er hat es sungen auß freiem mut, / des heiß er mit namen: / der wenig

Embed Size (px)

Citation preview

REFORMATION IN WÜRTTEMBERG

Lieder und Stimmen der Reformation Lieder und Stimmen der Reformation

IMPRESSUMStaatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst StuttgartUrbanstraße 25 · 70182 Stuttgart · www.hmdk-stuttgart.deREKTORIN Dr. Regula RappKANZLER Christof Wörle-HimmelKONZEPTION Prof. Dr. Peter Rückert, Prof. Dr. Andreas TraubTEXTAUFNAHMEN Sprecherstudio des Instituts für Sprechkunst und Kommunikationspädagogik der HMDK Stuttgart, Aufnahmen: Katja Schumann und Prof. Christian BüsenMUSIKAUFNAHMEN Tonstudio der HMDK StuttgartTON UND MASTERING Arne Morgner REDAKTION Prof. Dr. Peter Rückert, Jörg R. SchmidtTITELBILD Ausschnitt aus dem Mömpelgarder Altar, um 1540 (KHM-Museumsverband)GESTALTUNG Katrin KlappertCD-PRODUKTION Michael Siefert

© Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und Landesarchiv Baden-Württemberg, 2017

REFORMATION IN WÜRTTEMBERGFür die Geschichte des deutschen Südwestens besitzt das Zeitalter der Reformation zentrale historische Bedeutung. Gerade für das damalige Herzogtum Württem-berg, wo ab 1534 die Reformation eingeführt und anschließend ein evangelischer Staat formiert wurde, spielten die Ereignisse des frühen 16. Jahrhunderts eine nachhaltige gesellschaft liche wie politische Rolle.

Die Reformation in Württemberg ist durch eine eigene Brisanz gekennzeichnet, die von Herzog Ulrich (1487–1550) besonders personifi ziert wird. Dieser Fürst war nicht nur der wesentliche Protagonist und Gestalter bei der Einführung der neuen Religion, sein bewegter Lebenslauf spiegelt gleichzeitig den Streit um die Reforma-tion in der zeitgenössischen Gesellschaft .

Die dramatischen Ereignisse um Herzog Ulrich von Württemberg sind gut bekannt und haben die Weichen für die Einführung der Reformation in Württemberg gestellt: Ulrich war nach seinem Angriff auf die Reichsstadt Reutlingen im Jahr 1519 vom Schwäbischen Bund aus Land und Herrschaft vertrieben worden. Für die folgenden 15 Jahre herrschten die Habsburger im Herzogtum Württemberg; Kaiser Karl V. bzw. ab 1522 sein Bruder, Erzherzog Ferdinand von Österreich.

Die österreichische Regierung stand für die altgläubige, katholische Religion und die Abwehr der neuen lutherischen Lehre. Doch gerade vom Luthertum erwar-teten sich die ländliche Gesellschaft wie auch ein großer Teil der Bevölkerung in den Städten eine Verbesserung ihrer persönlichen Freiheit und rechtlichen Abhän-gigkeit, was sich im Bauernkrieg von 1525 gewaltsam äußern sollte.

Als Herzog Ulrich 1534 mit Waff engewalt sein Herzogtum zurückeroberte, war die Einführung der Reformation als herrschaft liches Programm fi xiert: Bis zu seinem Tod 1550 ließ Ulrich Kirche und Verwaltung Württembergs nach seinen

2 « » 3

Vorgaben reformieren. Die Klöster wurden aufgelöst, der katholische Ritus abgeschafft , die Priesterschaft reformiert bzw. ausgetauscht. Unter Ulrichs Sohn Herzog Christoph wurde sein Land dann systematisch zu einem evangelischen Staat ausgebaut. Württemberg wurde damit zu einem vorbildlichen Modell für die evangelischen Territorien im Reich.

LIEDER UND SPRÜCHE ZUR REFORMATIONDiese bewegte Geschichte um Herzog Ulrich und die Einführung der Reformation in Württemberg spiegelt sich unmittelbar in etlichen Liedern und Sprüchen der Zeit wider. Diese kursierten öff entlich, waren vielfach einem breiten Publikum, gerade in den Städten, bekannt und bieten bemerkenswerte Eindrücke von der angeheizten Stimmung im Land.

Den zeitgenössischen Liedern und Sprüchen zur Reformation in Württemberg kommt in mehrfacher Hinsicht besondere Bedeutung zu. Zum einen erscheint die Reformation als herausragendes Medienereignis und ist durch die damals kursierenden Lieder und politischen Sprüche besonders profi liert. Zum anderen sind diese musikalischen und literarischen Äußerungen in ihrer gesellschaft lichen

Herzog Ulrich von Württemberg. Holzschnitt von Hans Brosamer, um 1545

4 « » 54 «

Pergamentblatt mit dem Lied „Wo das hauß nit bawet der Herr“, Text und Melodie am Fuß, 16. Jahr-hundert (HStA Stuttgart J 522 A 173)

Wirkmächtigkeit kaum zu überschätzen – und trotzdem kaum bekannt. Die Ver-bindung von Text und Melodie, die Frage nach dem „Klang“ der zeitgenössischen Stücke und ihrer Rezeption beim Publikum, stellt eine aktuelle Herausforderung sowohl für die musikwissenschaft liche wie die philologische und historische For-schung dar.

In den letzten Jahren ist es immerhin gelungen, einen intensiveren Einblick in das zeitgenössische musikalische Repertoire der frühen Reformationszeit in Württemberg zu erhalten. Einige prominente Dichter von politischen Liedern und Sprüchen, wie Th omas Murner aus Straßburg oder Michael Stifel aus Esslingen, sind bekannt, andere bleiben anonym oder können jetzt näher entdeckt werden, wie Hans Leberwurst aus Basel.

Auch zu der schon gut bekannten Kirchenmusik, die ja von Luther selbst und den frühen Reformatoren wesentliche Impulse erhielt, sind einige neue musikalische Zeugnisse und sogar Melodien entdeckt worden: So überliefert ein einzelnes Pergamentblatt, das sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart als abgelöstes Einband-fragment erhalten hat, das vierstrophige Psalmlied „Wo das hauß nit bawet der Herr“ (Psalm 127). Der Text kann dem Nürnberger Dichter Hans Sachs (1494–1574) zugewiesen werden und fi ndet sich hier außergewöhnlicherweise mit der Melodie am Fuß notiert.

Einen konkreten historischen Kontext bietet ein Lied, das Ambrosius Blarer am 1. Mai 1533 in die Reichsstadt Esslingen schickte, wo es an Christi Himmelfahrt gesungen werden sollte: „Frow dich mitt wunn, fromme Christenheit“. Als Melodie wird die Weise des 15. Psalms „O herr, wer wurt wonung han etc.“ angegeben, einem Psalmlied, das in Text und Melodie von Wolfgang Dachstein (1487–1533) stammt, der in Straßburg Organist war.

e

e

6 «

Auch das bislang unbekannte Lied „Wolauf Ir Christen alle“, das unter der Kor-respondenz Herzog Christophs von Württemberg mit Ottheinrich von der Pfalz handschriftlich überliefert ist, nimmt die evangelische Position ein. Es endet mit dem evangelischen Wunsch: „Gott thue uns ergetzen, dein wort lass preding rain, thue uns wider einsetzen dein leib und blut allein, wie du uns hasst bevolhen im neuen testament, zu brauchen bis ans end.“

DIE „TÖNE“ DER LIEDERDie Melodien dieser zeitgenössischen Lieder wurden normalerweise nicht aufge-zeichnet; man kannte sie unter ihrem Namen – etwa „Bruder Veiten Ton“ – und sang sie, wie man sie je und je im Ohr hatte. Dabei blieben das Gerüst der Strophe und die Kontur der Melodie erhalten, während Einzelheiten verändert werden konnten. Die Melodien lebten, indem sie gesungen wurden.

Für die hier anzusprechenden Lieder sind vier „Töne“ nachzuweisen: „Bruder Veiten Ton“ für „Johannes thut uns schreiben“ von Michael Stifel und Thomas Murners „Nun hört ich wil euch singen / jnn Bruder Veiten thon“; „Sant Jörg der edle Ritter“ (auch: „Reuterston“) für „Wie nun ir elenden pauern“ und „Ach got las dich erbarmen“; „Ich stund an einem Morgen“ für „Ain newes liedlein heb ich an“ und „Jörg Schillers Ton“ für „Dem höchsten Got sei lob und eer“. Zu „Wolauf Ir Christen alle“ ist kein „Ton“ angegeben. Will man es dennoch singen, so muss man eine möglichst gut passende Melodie der Zeit beiziehen; dazu bietet sich die Me-lodie des Kirchenliedes „Wenn meine Sünd mich kränken“ an, die im Babst schen Gesangbuch zu „Hilff Gott lass mir gelingen“ gehört und auf einen „thon Möcht ich von hertzen singen mit lust ein tage weis“ zurückgeht.

» 7

Die Melodie „Bruder Veit“ erscheint im Tenor der fünfstimmigen Bearbeitung des Liedes „Lobt Gott ihr Christen alle in Teutscher Nation“ von Stephan Mahu (1480/1490–um 1541). Er stand vielleicht schon ab 1520 als Posaunist in Diensten am Hof der Anne von Böhmen und Ungarn. 1528 wurde er in ein lebenslängliches Dienstverhältnis übernommen und war später Vizekapellmeister bei Ferdinand I., der damals ja auch das Herzogtum Württemberg regierte.

Der „Reuterston“ ist nur über verschiedene Umwege zu identifizieren; letztlich stößt man auf einen vierstimmigen Instrumentalsatz des bayerischen Hofkapell- meisters Ludwig Senfl. Einfacher ist es bei „Ich stund an einem Morgen“; diese Melodie hat Senfl in fünf verschiedenen Liedsätzen verarbeitet.

Bei „Jörg Schillers Ton“ ist in der Tradition der Meistersinger der Name des Verfassers überliefert. Jörg Schiller ist 1453 bis 1462 in Augsburg bezeugt. So weit erkennbar, dichtete er nur zu selbsterfundenen Melodien; von ihm sind 13 Lieder zu sechs verschiedenen „Tönen“ erhalten, deren Inhalt vor allem Zeitkritik und Zeitklage vermittelt.

Das Lied „Ain newes liedlein heb ich an“, in dem beiläufig auch Herzog Ulrichs „jegerhorn“ erwähnt wird (Str. 6, Vs. 2), hat noch eine spezielle Bedeutung. Die letzte Strophe lautet: „Der uns das liedlein news gesang, / von newem hat gedicht, / das hat getan ein guter gsell, / er ist sein wol bericht; / er hat es sungen auß freiem mut, / des heiß er mit namen: / der wenig gwint und vil vertut.“ Dieser „Name“ bezeichnet in einem Zeitspruch den Freihartsknecht Hans Leberwurst, der offenbar bei einem Brand 1528 in Basel ums Leben kam. Zeitspruch und Lied, die man Hans Leberwurst nun beide zuweisen kann, werden hier zum ersten Mal zusammen vorgestellt.

» 98 «

01} INTROITUS „RESURREXI“ (Lorcher Chorbuch, 1511/1512) 05:0802} FANFARE UND TROMMELN 01:0003} TROSTUNG DES HERTZOGEN ZU WÜRTENBERGS, 1519 01:0704} LUDWIG SENFL: ICH STUND AN EINEM MORGEN 01:1605} HANS LEBERWURST: AIN NEWES LIEDLEIN HEB ICH AN, 1519 02:1306} HANS LEBERWURST: SPRUCH DES FREYHARD AUS DEM SPIEL „DIE ZWEN STENND“ 01:3507} ACH GOT, LASS DICH ERBARMEN 01:5008} MARTIN LUTHER: VON DER FREIHEIT EINES CHRISTENMENSCHEN, 1520 01:4509} CREDO (Zwickauer Antiphonar des Stephan Roth, um 1520) 01:3710} MARTIN LUTHER: WIR GLAUBEN ALL AN EINEN GOTT, 1524 02:1311} AMBROSIUS BLARER AN SEINEN BRUDER THOMAS, 25.7.1522 00:5712} MICHAEL STIFEL: JOHANNES THUT UNS SCHREIBEN, 1522 01:4313} THOMAS MURNER: VON DEM GROSSEN LUTHERISCHEN NARREN, 1522 02:5814} THOMAS MURNER: AIN NEW LIED VON DEM UNDERGANG DES CHRISTLICHEN GLAUBENS, 1522 01:3815} JOHANNES MAGENBUCH: AIN SENDBRIEF VON AYM JUNGEN STUDENTEN ZU WITTENBERG, 1523 01:4916} VENI CREATOR SPIRITUS (Lucas Lossius, Psalmodia, 1561) 00:3117} MARTIN LUTHER: KOMM, GOTT SCHÖPFER, HEILIGER GEIST, 1524 01:3718} OBER- UND UNTERVOGT VON TÜBINGEN AN DIE WÜRTTEMBERGISCHE REGIERUNG, 16.8.1524 02:2519} LANDSKNECHTTROMMELN 00:1920} DIE WÜRTTEMBERGISCHE REGIERUNG AN DEN ADEL, 2.4.1525 02:5121} HANS SACHS: WO DAS HAUSS NIT BAWET DER HERR, 1526 01:4022} BAUERNHAUPTMANN LEONHARD SCHWARTZ AN DIE STADT CALW, 25.4.1525 02:32

23} DIE 12 ARTIKEL DER BAUERN, 1525 02:1124} MARTIN LUTHER: ERMAHNUNG ZUM FRIEDEN AUF DIE 12 ARTIKEL, 1525 01:5525} DAS LIED VOM HELLEN BAUERNHAUFEN, 1525 02:2126} URFEHDE DER BARBARA SILBER, 26.8.1525 02:1727} URFEHDE DES JÖRG MERCK UND SEINER FRAU ANNA, 26.3.1534 02:2128} ANDRÉ UND JACQUES PHILIDOR: MARCH FOR TWO PAIRS OF KETTLEDRUMS, 1683 00:2729} SPRUCH AUS „EIN BESONDER LIED“, 1534 00:1730} EIN SCHÖN LIED VON HERZOG ULRICH, 1534 00:4831} DEM HÖCHSTEN GOT SEI LOB UND EER, 1534 03:0932} DIE KLOSTERORDNUNG HERZOG ULRICHS, 1535 02:2033} KLOSTERAUSTRITT DES JOHANNES MAIER AUS BEBENHAUSEN, 13.7.1535 01:3534} KYRIE (Straßburg 1524) 00:3435} ES SEIND DOCH SELIG ALLE DIE (Straßburg 1530) 01:0736} AMBROSIUS BLARER: JAUCHZ, ERD, UND HIMMEL, 1536 01:0337} SPOTTVERSE DER NONNEN VON RECHENTSHOFEN (1535–1538) 01:4438} AMBROSIUS BLARER AN HERZOG ULRICH VON WÜRTTEMBERG, 1538 01:2539} AMBROSIUS BLARER: FROW DICH MIT WUNN FROMME CHRISTENHEIT, 1533 02:2240} MANDAT HERZOG ULRICHS VON WÜRTTEMBERG, 7.2.1540 01:3941} HEINRICH ISAAK: INNSBRUCK ICH MUSS DICH LASSEN, 1539 00:4442} O WELT ICH MUSS DICH LASSEN, um 1555 01:1643} PREDIGTTEXT HERZOG CHRISTOPHS VON WÜRTTEMBERG ZUM TOD SEINES VATERS ULRICH, 1550 01:3644} WOLAUF IR CHRISTEN ALLE, 1553 01:5045} HEINRICH ISAAK: INTROITUS „RESURREXI“ (Choralis Constantinus, 1508) 02:27 Gesamt 78:34

E

10 «

LIEDER UND SPRÜCHE IM GESELLSCHAFTLICHEN DISKURS – ZUR PROGRAMMGESTALTUNG:Das politische und religiöse Spektrum der Lieder und Sprüche zur Reformation spiegelt nicht nur die fl ießenden Übergänge zwischen geistlicher und weltlicher, höfi scher und bürgerlicher Musik der Zeit wider. Es führt besonders eindrücklich die gesellschaft lichen Dimensionen im Streit um die Reformation in Württemberg vor Augen und bietet eine intensive Annäherung an den spannungs-geladenen öff entlichen Diskurs.

Entsprechend wurden diese zeitgenössischen Stimmen zu einem Programm zusammenge-stellt, das die dynamischen Vorgänge um die Reformation aus unterschiedlichen Perspek-tiven entwickelt. Es ist dramaturgisch in drei „Aufzüge“ eingeteilt, die den historischen Abläufen entsprechen: Die unmittelbare Vor-geschichte der Reformation, mit der drama-tischen Vertreibung Herzog Ulrichs sowie die frühen Einfl üsse der neuen Lehre um Martin Luther eröff nen die Szenerie. Der Aufstand der „armen Leute“ im Bauernkrieg 1525 führt

Lorcher Graduale, Resurrexi, 1511/1512 (WLB Stuttgart Cod. Mus. 2o 65, 94r)

dann die sozialreligiösen Auseinandersetzungen um „Freiheit“ und „Evangelium“ wie das gewaltsame Scheitern der aufständischen Bauern vor Augen. Der dritte „Aufzug“ refl ektiert schließlich die herrschaft liche Einführung der Reformation in Württemberg, die mit Herzog Ulrichs Rückkehr 1534 verbunden war, und schließt die Geschichte mit seinem Tod im Jahr 1550.

Die zeitgenössische Musik, die zahlreichen Lieder und Texte aus diesen Jahren bieten vielfältige Stimmen und Klangfarben an: Mit dem Choral „Resurrexi“ aus der Osterliturgie, so notiert in den berühmten Lorcher Chorbüchern von 1511/1512, öff net sich zunächst der traditionsreiche Klangraum der Benediktiner-klöster, hier unter dem Einfl uss der Melker Klosterreform. Diese prächtigen Choralhandschrift en waren von Herzog Ulrich von Württemberg anlässlich seiner Hochzeit gestift et worden. Mit Ulrichs Vertreibung aus Land und Herrschaft verschwindet er zunächst auch aus der württembergischen Geschichte – Ulrichs Anhänger und Gegner haben diese Vorgänge vielfältig kommentiert.

Trotz der anschließenden, streng altgläubigen Herrschaft der Habsburger machte sich der Einfl uss Martin Luthers und seiner Lehre auch in Württemberg bemerk-bar und führte zu einem intensiven Streit um die Reformation. Mit den weit verbreiteten Liedern und Sprüchen sowie Texten von Luther selbst, wie seiner „Freiheit eines Christenmenschen“, die auch im deutschen Südwesten durchschla-gende Wirkung erzielte, fand seine Lehre hier bald überzeugte Anhänger. Der Benediktinermönch Ambrosius Blarer entfl oh aus seinem Kloster in Alpirsbach und sollte dann zu einem der bedeutenden Reformatoren im Bodenseeraum und später in Württemberg werden. Der Esslinger Augustinermönch Michael Stifel lieferte sich mit dem altgläubigen Straßburger Franziskaner Th omas Murner ei-nen polemischen Schlagabtausch „in Bruder Veiten ton“, gleichsam auf derselben musikalischen Frequenz.

» 11

» 1312 «

Dieser Thomas Murner hat vor allem mit seiner satirischen Schrift „Von dem großen Lutherischen Narren“ die altgläubige Perspektive auf die Glaubensideen der neuen Lehre eindrücklich zum Ausdruck gebracht. Seine drei Fahnenträger des Evangeliums, der Freiheit und der Wahrheit persiflieren in ihren Werbesprüchen die genannten Ideale der Lutheraner auf kernige Art, zugespitzt in dem Ruf: „Frei zue sein, hie frei hie frei! Verspricht unß Martins lutherei, darzue gelen hirsen brei.“

Wittenberg erschien damals als Ziel zahlreicher Studenten auch aus Württem-berg; Johannes Magenbuch aus Blaubeuren war einer der prominentesten von ihnen. Diese akademischen Kreise verbreiteten die neue Lehre in der Heimat bald ebenso wie die frühen evangelischen Geistlichen, die in den südwestdeutschen Reichsstädten „deutsche Messen“ hielten – so Matthäus Alber schon 1524 in Reut-lingen, wie uns ein amtlicher Bericht aus Württemberg detailliert mitteilt.

Erste Nachrichten von aufständischen Bauern machen in Schreiben der österrei-chischen Regierung in Stuttgart zur Mobilisierung des württembergischen Adels im April 1525 schon die Brisanz eines großen Aufruhrs deutlich. Auch die schwä-bischen Bauern selbst zeigen ihren Erfolgszug an und setzen württembergische Städte unter Druck, sich ihnen anzuschließen. Die berühmten „12 Artikel“, womit sie ihre „Freiheit“ durch das Evangelium begründen, werden durch Martin Luther in prominenten Schriften freilich deutlich zurückgewiesen.

Mit der gewaltsamen Niederschlagung des Aufstandes ernteten die Bauern und ihre evangelische Bewegung auch öffentlichen Hohn und Spott in Liedern und Sprüchen. Die zahlreichen Urfehden, welche die Aufständischen und Lutheraner dann gegenüber der altgläubigen Regierung zu schwören hatten, zeigen die an-haltende gewaltsame Unterdrückung der evangelischen Lehre in Württemberg in vielstimmiger Eindrücklichkeit an.

Fast schlagartig änderte sich die Situation, als mit der Rückkehr Herzog Ulrichs dann Loblieder auf den Einzug der Reformation gesungen werden sollten; manche entstanden schon im unmittelbaren Umfeld des württembergischen Hofes. Unter- stützt von den beiden zentralen Reformatoren Erhard Schnepf und Ambrosius Blarer wurden herrschaftliche Erlasse und Ordnungen zur Abschaffung der altgläubigen Messfeiern und Auflösung der Klöster vorgelegt, auch Formulare zum Klosteraustritt der Mönche. Die Gegenwehr etlicher Konvente wird vielfach deutlich, besonders drastisch in den Spottversen der Zisterzienserinnen von Rechentshofen. Doch die Reformation sollte in Württemberg mit herrschaftlicher Macht nachhaltig durchgeführt werden; Kirchenräume wurden nach lutherischer Lehre neu gestaltet, die deutsche Predigt sollte nun die Grundlage des Gottesdiens-tes bilden.

Als Herzog Ulrich 1550 stirbt, lässt dessen Sohn, Herzog Christoph, den Trauer-text für die Prediger zustellen und damit den Einzug der evangelischen Lehre preisen. Die Geschichte schließt mit dem Introitus „Resurrexi“ von Heinrich Isaac, der nicht nur den Anfangschoral wieder aufnimmt, sondern damit auch die Tradition der mittelalterlichen Liturgie beispielhaft erklingen lässt, wie sie dann auch in der evangelischen Kirchenmusik fortgeführt werden sollte.

Peter Rückert und Andreas Traub

***Die Vorlagen der Lieder und Texte finden sich im Ausstellungskatalog (Freiheit – Wahrheit – Evangelium. Reformation in Württemberg, Katalogband 2017) wiedergegeben und beschrieben. Die Texte werden im Originalwortlaut geboten und wurden nur dort geringfügig angepasst, wo es die Syntax erforderte.

14 «

Th omas Murner, Der Fahnenträger der Freiheit, 1522

» 15

MITWIRKENDEJohanna Pommranz, Sopran (9, 10, 17, 34, 35)Roger Gehrig, Tenor (5, 7, 9, 12, 14, 16, 21, 25, 31, 34, 36, 39, 42, 44)Antony Quennouelle, Trompete (2)Jessica und Vanessa Porter, Historische Trommeln (2, 19, 28) Cibele Endres, Fabian Grosch, Maik Hanschmann, Alfredo Zaine,Blockfl öten (4, 41, 45) Cibele Endres, Hans-Joachim Fuss, Maik Hanschmann, Nicola Pfeff er, Blockfl öten (mit Johanna Pommranz) Hans-Joachim Fuss, Leitung (10, 17) Schola Cantorum TübingenProf. Dr. Stefan Morent, Leitung (1) Sprecherinnen und Sprecher des Instituts für Sprechkunst und Kommunikationspädagogik:Elias Hartung (13, 15, 27, 29), Julia Reuter (6, 26, 29, 37), Magnus Rook (13, 18, 20, 29, 33), Ramon Schmid (13, 29, 32, 40), Jonathan Springer (11, 22, 23, 29, 38), Frederike Wiechmann (3, 27, 29, 30, 37, 43), Dorothea Wolfsberger (8, 24, 29, 37)Katja Schumann, Leitung

Textauswahl und Textbearbeitung:Prof. Dr. Peter Rückert, Eva-Linda Müller, Katja Schumann