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133 Rellinghausen Rellinghausen - 1000 Jahre in zwei Stunden Dauer: ca. 2 Stunden Länge: 5,8 km Ausgangspunkt: Rathaus Rellinghausen Haltestelle: Rathaus Rellinghausen Rellinghausen ist reich an Zeugen seiner vor- industriellen Vergangenheit: Das Frauenstift Rellinghausen wurde um das Jahr 1000 von der Essener Äbtissin Mathilde für Töchter des Dienstadels gestiftet. Rund um die frühere Stiftskirche St. Lambertus hat sich das his- torische Ortszentrum mit Fachwerkhäusern erhalten. Auch die barocke Annenkapelle, das Schloss Schellenberg und der Gerichtsturm, trauriger Zeuge der schrecklichen Hexenver- folgung im 16. Jh., lohnen einen Besuch. (1) Rathaus Rellinghausen: Errichtet 1876/77 als Bürgermeisteramt für die 1876 selbstständig gewordene Bürgermeisterei Rellinghausen; streng symmetrischer Zie- gelbau mit reicher Fassadengliederung im Renaissancestil (Arch. Friedrich Kunhenn); zugunsten der kubischen Wirkung (Gebäude- würfel) wird auf einen Turm oder malerische Elemente verzichtet; über dem Portal eine bis ins Dach reichende Ädikula mit Doppelsäulen und Balustrade in der Beletage; links daneben das ehem. Wohnhaus des Bürgermeisters. (2) Altes Stiftshaus: Zwischen 1560 und 1580 errichtetes Konventsgebäude des Stiftes Rellinghausen, in dessen Obergeschoss ver- mutlich der Festsaal lag; die großen Kreuz- stockfenster rekonstruiert; östlich an der Rellinghauser Straße ein Turmstumpf (15. Jh.); der Verteidigungsbau war Teil des Stie- pelhofes und wurde bei dessen Abriss 1962 freigelegt. (3) Stiftsplatz: Kaiser-Wilhelm-Denkmal (1895, Bildhauer Albert Moritz Wolff); Kreu- zigungsgruppe und „Alter Friedhof“ mit his- torischen Grabsteinen; Stiftsmauer aus der Zeit um 1000; div. Fachwerkhäuser (ehem. Brauhaus, Küsterei, Schule bzw. Armenhaus und nördlich der Kirche ein Restgebäude der Propstei). Frühere Stiftskirche St. Lamber- tus: Der romanische Turm (um 1000) und das im Inneren aufbewahrte Taufbecken (12. Jh.) sind Reste der 1822 abgebrochenen Stiftskir- che; klassizistischer Neubau nach dem Vor- bild altchristlicher Basiliken als Saalkirche mit großen Rundbogenfenstern von 1826/27 (Arch. Heinrich Theodor Freyse und Bauin- spektor Otto von Gloeden, Mitwirkung Karl Friedrich Schinkel); an der Nordseite (früher Kreuzgang) Sakristei des 17. Jhs.; die Innen- ausstattung von 1832 im Zweiten Weltkrieg zerstört. (4) Friedhof: 1870 eröffnet, in seiner Mitte das großzügig umfriedete neugotische Grab- denkmal der Familie von Vittinghoff-Schell. (5) Annenkapelle: Die Kapelle (ursprünglich Corporis Christi zur heiligen Stätte) entstand als Sühnekapelle für einen Hostienfrevel (1516); der heutige, bis 1707 errichtete ba- St. Lambertus: Schinkel-Klassizismus Lambertuskirche um 1920

Rellinghausen Rellinghausen - 1000 Jahre in zwei Stunden...zung mit zeitgenössischer Kunst (siehe Kul-turadressen S. 193). (8) Schloss Schellenberg: Zur repräsentati-ven Schlossanlage

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Page 1: Rellinghausen Rellinghausen - 1000 Jahre in zwei Stunden...zung mit zeitgenössischer Kunst (siehe Kul-turadressen S. 193). (8) Schloss Schellenberg: Zur repräsentati-ven Schlossanlage

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Rellinghausen

Rellinghausen - 1000 Jahre in zwei Stunden

Dauer: ca. 2 StundenLänge: 5,8 kmAusgangspunkt: Rathaus RellinghausenHaltestelle: Rathaus Rellinghausen

Rellinghausen ist reich an Zeugen seiner vor-industriellen Vergangenheit: Das Frauenstift Rellinghausen wurde um das Jahr 1000 von der Essener Äbtissin Mathilde für Töchter des Dienstadels gestiftet. Rund um die frühere Stiftskirche St. Lambertus hat sich das his-torische Ortszentrum mit Fachwerkhäusern erhalten. Auch die barocke Annenkapelle, das Schloss Schellenberg und der Gerichtsturm, trauriger Zeuge der schrecklichen Hexenver-folgung im 16. Jh., lohnen einen Besuch.

(1) Rathaus Rellinghausen: Errichtet 1876/77 als Bürgermeisteramt für die 1876 selbstständig gewordene Bürgermeisterei Rellinghausen; streng symmetrischer Zie-gelbau mit reicher Fassadengliederung im Renaissancestil (Arch. Friedrich Kunhenn); zugunsten der kubischen Wirkung (Gebäude-würfel) wird auf einen Turm oder malerische Elemente verzichtet; über dem Portal eine bis ins Dach reichende Ädikula mit Doppelsäulen und Balustrade in der Beletage; links daneben das ehem. Wohnhaus des Bürgermeisters.(2) Altes Stiftshaus: Zwischen 1560 und 1580 errichtetes Konventsgebäude des Stiftes Rellinghausen, in dessen Obergeschoss ver-mutlich der Festsaal lag; die großen Kreuz-stockfenster rekonstruiert; östlich an der Rellinghauser Straße ein Turmstumpf (15. Jh.); der Verteidigungsbau war Teil des Stie-

pelhofes und wurde bei dessen Abriss 1962 freigelegt.(3) Stiftsplatz: Kaiser-Wilhelm-Denkmal (1895, Bildhauer Albert Moritz Wolff); Kreu-zigungsgruppe und „Alter Friedhof“ mit his-torischen Grabsteinen; Stiftsmauer aus der Zeit um 1000; div. Fachwerkhäuser (ehem. Brauhaus, Küsterei, Schule bzw. Armenhaus und nördlich der Kirche ein Restgebäude der Propstei). Frühere Stiftskirche St. Lamber-tus: Der romanische Turm (um 1000) und das im Inneren aufbewahrte Taufbecken (12. Jh.) sind Reste der 1822 abgebrochenen Stiftskir-che; klassizistischer Neubau nach dem Vor-bild altchristlicher Basiliken als Saalkirche mit großen Rundbogenfenstern von 1826/27 (Arch. Heinrich Theodor Freyse und Bauin-spektor Otto von Gloeden, Mitwirkung Karl Friedrich Schinkel); an der Nordseite (früher Kreuzgang) Sakristei des 17. Jhs.; die Innen-ausstattung von 1832 im Zweiten Weltkrieg zerstört.(4) Friedhof: 1870 eröffnet, in seiner Mitte das großzügig umfriedete neugotische Grab-denkmal der Familie von Vittinghoff-Schell.(5) Annenkapelle: Die Kapelle (ursprünglich Corporis Christi zur heiligen Stätte) entstand als Sühnekapelle für einen Hostienfrevel (1516); der heutige, bis 1707 errichtete ba-

St. Lambertus: Schinkel-Klassizismus

Lambertuskirche um 1920

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(9) Kockshusen: Früheres Gesindehaus von 1688, das heute als Gaststätte dient; in dem das Schloss weitläufig umgebenden Schellen-berger Wald mit seinen tiefen Taleinschnitten und romantischen Wanderwegen erinnert ein künstlich aufgeschütteter Hügel an die frü-her hier gelegene Schachtanlage Gottfried Wilhelm (10), die mittels einer Seilbahn mit den Aufbereitungsanlagen am Bahnhof Rel-linghausen verbunden war; in der Nähe ne-ben einem malerischen Fachwerkkotten das Alte Forsthaus (11), ein spätklassizistischer Bruchsteinbau des 19. Jhs.(12) Evangelische Kirche: Monumentaler Wandpfeilersaal mit tempelartiger Eingangs-front (1934, Arch. Hans Hörner); die seitlich angebaute Werktagskapelle ist mit dem Por-tal, dem Leuchter, dem Taufstein und der Ba-rockkanzel der Vorgängerkirche von 1772-75 ausgestattet; die Kanzel war ursprünglich Teil eines Kanzel-Orgel-Altars. (13) Oberstraße: Fachwerkbebauung im alten Ortskern; hier steht auch der Gerichts-turm, Blücherturm genannt, den der bekannte Vogt des Stiftes Essen – Wilhelm van Eyll – Herr auf Baldeney, 1567 erbauen ließ; der Blücherturm stand im Mittelpunkt zahlrei-cher Hexenprozesse (insges. 42 Todesurtei-le); die Vorbereitungen nahmen meist an der „Hexentaufe“ an der Ruhr ihren Anfang und endeten auf dem Galgenberg des Stiftes Rel-linghausen, der in der Nähe der Schillerwie-se am Stadtwaldplatz lag; heute ist der Turm Veranstaltungsort der Bürgerschaft Essen-Rellinghausen.

rocke Bruchsteinbau (Baumeister Conrad Fischer) birgt eine hübsche Ausstattung des 16./17. Jhs.; das alljährliche Annenfest mit Prozession findet noch heute statt.(6) Kläranlage Rellinghausen: Erste biolo-gische Abwasserreinigungsanlage Europas von 1925.(7) Gottfried-Wilhelm-Kolonie/Kunsthaus Essen: 1909-13 als Bergarbeiterkolonie mit 480 Wohnungen für die Zeche Gottfried-Wilhelm errichtet (Arch. Oskar Schwer); auch wenn als Folge der „Privatisierung“ ein merklicher Verlust an originaler Bausubstanz beklagt werden muss, ist das dorfähnliche Siedlungsbild der Gartenvorstadt aus Reihen-hausgruppen mit bis zu zehn Kleinhäusern in städtebaulich anspruchsvoller Anordnung noch zu erkennen; die ehem. Gottfried-Wil-helm-Schule ist heute Sitz des Kunsthauses Essen, einem Forum für die Auseinanderset-zung mit zeitgenössischer Kunst (siehe Kul-turadressen S. 193).(8) Schloss Schellenberg: Zur repräsentati-ven Schlossanlage erweiterte Wasserburg (12. Jh.) mit großem Wirtschaftshof; diente von 1452 bis 1909 als Wohnsitz der Familie von Vittinghoff-Schell (bis 1803 Erbdroste des Essener Stiftes) und ist noch heute im Famili-enbesitz; von der Straße aus ist die gewachse-ne malerische Baugruppe gut zu überblicken: Bergfried und Steinhaus des 14. Jhs., im 17. Jh. veränderte gotische Kapelle, klassizisti-sches Herrenhaus (um 1820), neugotisches Torhaus; im Steinhaus Rittersaal mit reicher Stuckdekoration (um 1670); englischer Land-schaftspark mit zwei barocken Gartenpavil-lons; heute ist das Schloss ein moderner Bü-rostandort, Hof und Park können daher nicht immer betreten werden.

Fachwerkhäuser an der Oberstraße

Rellinghausen

Winterliche Idylle an der Annenkapelle

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Impressum

Wir sagen Danke:Alt-Katholische Gemeinde Essen, Evangeli-sche Kirchengemeinde Essen-Frohnhausen, Domschatz Essen, Jüdische Kultus-Gemein-de Essen, Ruhr Museum, Theater und Phil-harmonie Essen GmbH, Stadtverwaltung Es-sen mit Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster, Alte Synagoge/Haus jüdischer Kultur, Folkwang Musikschule, Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv, Jugendamt, Kulturzentrum Schloß Borbeck, Volkshoch-schule, Stadtbibliothek

sowie bei Carlo Bordihn, Martin Faller, Dr. Johannes von Geymüller, Anke Hansen, Dr. Detlef Hopp, Jutta Kaiser, Dr. Uri Kaufmann, Zehra Kaya-Cakir, Dr. Frank Knospe, An-dreas Körner, Dr. Ernst Kurz, Nicole Mause, Achim Mikuscheit, Sabine Ritzdorf, Andreas Ruff, Martin Siebold, Elke Toubartz, Mar-tina Strehlen, Susanne Wilde und Dr. Klaus Wisotzky.

Zum Autor Robert Welzel:Geboren 1969. Lebt und arbeitet in Essen. Diverse Veröffentlichungen zur Essener Ar-chitekturgeschichte (u.a. Essener Beiträge). Stadt- und architekturgeschichtliche Füh-rungen in Essen (u.a. Kunstring Folkwang, Historischer Verein für Stadt und Stift Essen, Tag des offenen Denkmals). Gemeinde- und Stadtteilgeschichte in Essen-Frohnhausen.

Bildnachweis:(l. = link, r. = rechts, m. = mitte, o. = oben, u. = unten)

Alt-Katholische Gemeinde Essen: S. 27 (u.)/174 (l.).

Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster der Stadt Essen: S. 8, 9, 23, 29. (r.), 30 (r.), 32 (l.u.), 35 (l.o.), 39, 40 (l.), 42, 45 (o. und m.r.), 50, 51, 54 (o.), 55 (l.), 60 (u.)/187 (r.), 70 (o.)/188 (u.), 72 (u.), 78 (o.), 82, 84 (l.), 86, 87 (o.r. und u.), 97 (o.), 132 (o.) sowie die Ausschnitte des Amtlichen Stadtplans von Essen.

Bühne, Horst W.: S. 144 (r.o., Luftbild).

Domschatz Essen: S. 13 (Foto: Jens Nober), 15 (o., Foto: Peter Happel, u., Foto: Jens No-ber), 16/183 (l.) (Foto: Anne Gold, Aachen), 19 (o., Foto: Nicole Cronauge), 59 (u., Foto: Jens Nober).

Evangelische Kirchengemeinde Essen- Frohnhausen: S. 195

Folkwang Musikschule/Kulturzentrum Schloß Borbeck: S. 106.

Fotoarchiv Ruhr Museum, Bestand Stadt-bildstelle: S. 9 (Schloß Borbeck), 14, 22 (r.o.)/173 (o.), 22 (r.u.), 24 (u.), 29. (l.), 32 (l.o.)/174 (m), 38 (l.), 49 (r.), 56 (r.), 63 (o.), 75 (r.), 76 (u.), 79, 81, 84 (r.), 85 (l.u.)/171 (u.), 85 (r.u.)/180 (r.), 89 (u.), 94 (o.), 95, 102 (l.), 117 (l.), 118, 162 (o.), 170, 183 (o.).

Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv: S. 38 (r.).

Historischer Verein für Stadt und Stift Essen: S. 161, 162 (u.).

Jüdische Kultus-Gemeinde Essen: S. 153 (l.u.).

Lichtburg Essen: S. 21.

Museum Folkwang Essen: S. 89 (o., Foto: Jens Nober), 90 (o.)/190, 90 (u.).

Ruhr Museum Essen: 120 (u., Foto: Brigida Gonzáles).

Stadtarchäologie Essen: S. 12 (u.r.), 40 (r.).

Alle übrigen Bilder: Robert Welzel/Samm-lung Robert Welzel Essen.

Rechtlicher Hinweis:© 2014. Die Rechte der Texte liegen beim Historischen Verein für Stadt und Stift Es-sen e.V. und beim Autor Robert Welzel. Die Bilder und Karten sind urheberrechtlich ge-schützt. Alle Rechte der Verbreitung nur mit Erlaubnis des Herausgebers. Als Vervielfäl-tigung gelten z.B. Nachdruck, Fotokopie, Mikroverfilmung, Digitalisieren, Scannen, Speicherung auf Datenträger, Film, Funk, Fernsehen und Übersetzung.