2
– 66 – Ingenieurspiegel 4 | 2010 Reservoir Engineering beim Tiefengeothermieprojekt Bernried Bedingt durch immer größere Bohrtiefen, gestiegene Schüt- tungserwartungen sowie gerin- gere Entfernungen der neu in Betrieb gehenden Projekte un- tereinander, sieht sich die tie- fengeothermische Erschließung und Nutzung steigenden tech- nischen und wissenschaftlichen Anforderungen gegenüberge- stellt. Mit der in den Projekten zunehmenden Verfügbarkeit von 3D-Seismik steigt die Qua- lität der Planungsgrundlage enorm. Zudem ermöglicht dies dem Betreiber, bereits im Vor- feld der Projektrealisierung das Reservoirverhalten zu model- lieren (Vorab-Simulation). Da- bei kommen nun auch in der Geothermie vermehrt Metho- den zum Einsatz, die in der Koh- lenwasserstoffindustrie bereits etabliert sind. Die BE Geothermal GmbH hat daher die Fa. Erdwerk GmbH für die Durchführung von hydrau- lisch-thermischen Vorab-Simu- lationen mit dem Softwarepa- ket Petrel™ / ECLIPSE™ der Fa. Schlumberger für das Geother- mieprojekt Bernried beauftragt. Eine hochwertige Simulation ist die Grundlage für ein ver- bessertes Reservoirverständnis und erhöht die Planungssicher- heit. Die BE Geothermal GmbH sieht in den Simulationen ein unerlässliches Werkzeug, das ein nachhaltiges Reservoirma- nagement und eine effizien- te Bewirtschaftung ermöglicht und ist daher für Investoren so- wie den Betreiber essentiell. Im Projekt Bernried ist die Er- richtung einer geothermischen Doppeldublette geplant (zwei Förderbohrungen und zwei In- jektionsbohrungen). Die Er- schließungstiefen bis zum Tie- fengrundwasserleiter „Malm“ (Kalksteine aus dem Oberjura) betragen jeweils ca. 4.500 m. Ziel der Vorab-Simulation war es, die thermische Entwicklung des Reservoirs um die beiden Reinjektionsbohrungen für ver- schiedene Nutzungszeiträume darzustellen. Bei der Erstellung des geologischen Modells war wichtig, dass der Projektplaner intensiv in die seismische Inter- pretation mit einbezogen wird. Ein fundiertes regionalgeolo- gisches Hintergrundwissen ist dabei eine grundlegende Vor- aussetzung. Nach Bewertung des Störungsinventars und seis- mischer Faziesdifferenzierung, wurde darauf aufbauend ein numerisches dreidimensiona- les hydrogeologisches Modell erstellt. Nach der Festlegung potenzieller Erschließungsziele konnten auf Grundlage dieses Modells verschiedene Szenari- en simuliert werden. Dabei rich- tete sich der Fokus der Vorab-Si- mulationen auf die thermische Reservoirentwicklung im Um- feld der Reinjektionsbohrun- gen. Erst nach Auswertung von Pumpversuchen lassen sich da- gegen fundierte hydraulische Simulationen durchführen. Die geologische Modellierung erfolgte auf dem im Jahr 2009 neu gemessenen 3D-Seismik- Cube mit Petrel™. Die Vorab-Si- mulation wurde mit dem ECLIP- SE™- Blackoil Simulator durch- geführt, welches beim vorlie- genden Kenntnisstand aus- reichend war. Der Einsatz des ECLIPSE™-Compositional Simu- lators ist dann für die im spä- teren Projektfortgang noch fol- genden Simulationen mit Bohr- lochdaten und für detaillierte hydraulische sowie thermische Betrachtungen der Bohrungen bzw. des Reservoirs vorgese- hen. Für die Vorab-Simulation wurde, unter Berücksichtigung der 3D-Seismikdaten, eine Se- lektion von markanten Störun- gen vorgenommen. Aufbau des geologischen Modells (Quelle: Erdwerk) Grid-Generierung und Parametrisierung (Quelle: Erdwerk) Vorab-Simulation Bernried: Ausbreitung des Abkühlungskörpers um die Injektionsbohrungen nach 125 Jahren Nutzungsdauer (Quelle: Erdwerk)

Reservoir Engineering beim Tiefengeothermieprojekt Bernried · Reservoir Engineering beim Tiefengeothermieprojekt Bernried Bedingt durch immer größere Bohrtiefen, gestiegene Schüt-tungserwartungen

  • Upload
    others

  • View
    11

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Reservoir Engineering beim Tiefengeothermieprojekt Bernried · Reservoir Engineering beim Tiefengeothermieprojekt Bernried Bedingt durch immer größere Bohrtiefen, gestiegene Schüt-tungserwartungen

– 66 – Ingenieurspiegel 4 | 2010

Reservoir Engineering beim Tiefengeothermieprojekt BernriedBedingt durch immer größere Bohrtiefen, gestiegene Schüt-tungserwartungen sowie gerin-gere Entfernungen der neu in Betrieb gehenden Projekte un-tereinander, sieht sich die tie-fengeothermische Erschließung und Nutzung steigenden tech-nischen und wissenschaftlichen Anforderungen gegenüberge-stellt. Mit der in den Projekten zunehmenden Verfügbarkeit von 3D-Seismik steigt die Qua-lität der Planungsgrundlage enorm. Zudem ermöglicht dies dem Betreiber, bereits im Vor-feld der Projektrealisierung das Reservoirverhalten zu model-lieren (Vorab-Simulation). Da-bei kommen nun auch in der Geothermie vermehrt Metho-den zum Einsatz, die in der Koh-lenwasserstoffindustrie bereits etabliert sind.

Die BE Geothermal GmbH hat daher die Fa. Erdwerk GmbH für die Durchführung von hydrau-lisch-thermischen Vorab-Simu-lationen mit dem Softwarepa-ket Petrel™ / ECLIPSE™ der Fa. Schlumberger für das Geother-mieprojekt Bernried beauftragt. Eine hochwertige Simulation ist die Grundlage für ein ver-bessertes Reservoirverständnis und erhöht die Planungssicher-heit. Die BE Geothermal GmbH sieht in den Simulationen ein unerlässliches Werkzeug, das ein nachhaltiges Reservoirma-nagement und eine effizien-te Bewirtschaftung ermöglicht und ist daher für Investoren so-wie den Betreiber essentiell. Im Projekt Bernried ist die Er-richtung einer geothermischen Doppeldublette geplant (zwei Förderbohrungen und zwei In-jektionsbohrungen). Die Er-schließungstiefen bis zum Tie-fengrundwasserleiter „Malm“ (Kalksteine aus dem Oberjura) betragen jeweils ca. 4.500 m. Ziel der Vorab-Simulation war

es, die thermische Entwicklung des Reservoirs um die beiden Reinjektionsbohrungen für ver-schiedene Nutzungszeiträume darzustellen. Bei der Erstellung des geologischen Modells war wichtig, dass der Projektplaner intensiv in die seismische Inter-pretation mit einbezogen wird. Ein fundiertes regionalgeolo-gisches Hintergrundwissen ist dabei eine grundlegende Vor-aussetzung. Nach Bewertung des Störungsinventars und seis-mischer Faziesdifferenzierung, wurde darauf aufbauend ein numerisches dreidimensiona-les hydrogeologisches Modell erstellt. Nach der Festlegung potenzieller Erschließungsziele konnten auf Grundlage dieses Modells verschiedene Szenari-en simuliert werden. Dabei rich-tete sich der Fokus der Vorab-Si-mulationen auf die thermische Reservoirentwicklung im Um-feld der Reinjektionsbohrun-gen. Erst nach Auswertung von Pumpversuchen lassen sich da-gegen fundierte hydraulische Simulationen durchführen.

Die geologische Modellierung erfolgte auf dem im Jahr 2009 neu gemessenen 3D-Seismik-Cube mit Petrel™. Die Vorab-Si-mulation wurde mit dem ECLIP-SE™- Blackoil Simulator durch-geführt, welches beim vorlie-genden Kenntnisstand aus-reichend war. Der Einsatz des ECLIPSE™-Compositional Simu-lators ist dann für die im spä-teren Projektfortgang noch fol-genden Simulationen mit Bohr-lochdaten und für detaillierte hydraulische sowie thermische Betrachtungen der Bohrungen bzw. des Reservoirs vorgese-hen. Für die Vorab-Simulation wurde, unter Berücksichtigung der 3D-Seismikdaten, eine Se-lektion von markanten Störun-gen vorgenommen.

Aufbau des geologischen Modells (Quelle: Erdwerk)

Grid-Generierung und Parametrisierung (Quelle: Erdwerk)

Vorab-Simulation Bernried: Ausbreitung des Abkühlungskörpers um die Injektionsbohrungen nach 125 Jahren Nutzungsdauer (Quelle: Erdwerk)

Page 2: Reservoir Engineering beim Tiefengeothermieprojekt Bernried · Reservoir Engineering beim Tiefengeothermieprojekt Bernried Bedingt durch immer größere Bohrtiefen, gestiegene Schüt-tungserwartungen

– 67 –Ingenieurspiegel 4 | 2010

hydraulische Auswirkung der Störungen wurde im Rahmen der Eclipse™-Vorab-Simulation vereinfacht mitberücksichtigt.Die thermische Simulation konnte aufzeigen, dass mit dem gewählten Erschließungs-kozept nach einer simulierten Betriebsdauer von 125 Jahren an der Doppeldublette Bernried noch kein thermischer Durch-bruch zu erwarten ist.

Lutz K. Stahl(BE Geothermal GmbH)Dr. Klaus Dorsch(Erdwerk GmbH)Martin Neudecker(Schlumberger GmbH)

wird die Zone der Malm-Mas-senfazies angesprochen. Die Parametrisierung des Modells erfolgte mit hydraulischen Da-ten einiger realisierter und ge-testeter Geothermiebohrun-gen im süddeutschen Molasse-becken. Die daraus entstehen-den Parametrisierungsvarian-ten wurden über hydraulische und hydraulische/thermische Simulationen statistisch ausge-wertet. Vorgabe seitens des Be-treibers war ein Prognose-Zeit-raum von 125 Jahren. Es wur-den die während der Produkti-on erwarteten Förder- und In-jektionsraten sowie die Injekti-onstemperatur angesetzt. Eine

Die nahtlose Integration von Petrel™ und ECLIPSE™ ermög-licht einen durchgängigen „Seismic-to-Simulation“-Pro-zess, der vollständig in Petrel™ aufgebaut wird. Aus dem geo-logischen Modell wird in Pet-rel™ das Simulationsmodell ge-neriert und zur Berechnung an den ECLIPSE™ Simulator über-geben. Das Resultat wird in Pe-trel visualisiert und analysiert. Das Prinzip des „Seismic-to-Simulation“-Prozesses erlaubt es dem Anwender, Modifikatio-nen am Modell an jedem Punkt des Prozesses sehr rasch vorzu-nehmen, ohne den gesamten Prozess von Anfang an neu auf-

bauen zu müssen. Dieser itera-tive Optimierungsprozess kann dabei jederzeit um neue, zu-sätzliche Daten (z.B. Log-Da-ten, aufgenommen während der Bohrung) ergänzt werden. Das Ziel ist es immer, das Reser-voir so gut es geht zu verstehen. Grundlegende Entscheidungen, allen voran die kostspielige Ent-scheidung hinsichtlich des opti-malen Bohrpfades, hängen letz-ten Endes davon ab.

Das Modell unterteilt sich in fünf Hauptzonen: Top Modell, Oberer Malm, Massenfazies, Unterer Malm und Basement. Als geothermisches Reservoir