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Deutsche Umweltstiftung (Hg.) AKW-Gefährdungsatlas Erläuterungen

Risikobereiche rund um deutsche Atomkraftwerke

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Deutsche Umweltstiftung (Hg.) AKW-Gefährdungsatlas Wie unsicher die Atomkraftwerke in Deutschland wirklich sind, zeigen die bisherigen seit Betrieb von Atomkraftwerken in Deutschland registrierten Störfälle. Nach Auskunft des Bundesamtes für Strahlenschutz (BFS) vom 16. Oktober 2009 hat es offiziell 5864 meldepflichtige Ereignisse gegeben (Stand 1. Oktober 2009). Hinzu kommt ein weiterer Störfall in Gorleben am 31. Oktober 2009, der sich nach Behebung des Schadens am 1. November 2009 wiederholte.

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Brokdorf9.185.919

Grohnde9.771.074

Unterweser11.586.504

Krümmel12.534.042

Emsland8.862.305

Brunsbüttel9.947.037

Gundremmingen5.543.075

Isar6.112.064

Grafenrheinfeld6.327.242

Neckarwestheim11.880.745

Biblis7.020.187

Philippsburg8.436.536

Deutsche Umweltstiftung (Hg.)

AKW-GefährdungsatlasErläuterungen

Wie unsicher die Atomkraftwerke in Deutschland wirklich sind, zeigen die bisherigen seit Betrieb von Atomkraftwerken in Deutschland registrierten Stör-fälle. Nach Auskunft des Bundesamtes für Strahlen-schutz (BFS) vom 16. Oktober 2009 hat es offiziell 5864 meldepflichtige Ereignisse gegeben (Stand 1. Oktober 2009). Hinzu kommt ein weiterer Störfall in Gorleben am 31. Oktober 2009, der sich nach Behe-bung des Schadens am 1. November 2009 wiederhol-te.

Ab Oktober 2009 gab es in Deutschland weitere 89 meldepflichtige Störfälle von insgesamt 117 Störun-gen in AKWs, so dass bis zum Jahresende 2009 ins-gesamt 5953 meldepflichtige Störfälle zu vermelden sind. Die so genannten „nicht meldepflichtigen“ Stör-fälle wurden erst gar nicht erwähnt, weil die Kraft-werksbetreiber regelmäßig versuchen, diese nicht zu veröffentlichen. Beunruhigend sind die Vorfälle in den beiden Atomblöcken in Biblis (siehe unter ande-rem Fernsehbericht in „Kontraste“ am 22. Oktober 2009), die selbst der Betreiber RWE nach langem Zö-gern der ARD gegenüber bestätigen musste.

Fast 6.000 Störfälle in deutschen AtomkraftwerkenDie vorgenannten Ereignisse in Biblis wie auch die Vorfälle allein im Jahr 2009, wie zum Beispiel Krüm-mel, Brunsbüttel, Neckarwestheim, Gundremmingen, Isar und Asse sowie das Verhalten des Betreibers in Neckarwestheim (künstlich gedrosselte Leistung, um eine Laufzeitverlängerung bis zum Regierungswech-sel zu erreichen) müssen mehr als nachdenklich stim-men. Trotzdem von „sicheren Atomkraftwerken“ zu sprechen, bezeugt ein hohes Maß an Realitätsverlust.

Von „Zuverlässigkeit“ der Kraftwerksbetreiber, wie dies das Atomgesetz fordert, kann überhaupt nicht die Rede sein. Es wird verschwiegen, vertuscht, die Öffentlichkeit hinters Licht geführt und oft genug auch die Aufsichtsbehörde nicht oder sehr verspätet informiert.

Unverständlich und brüskierend ist die Entscheidung der Atomaufsichtsbehörde, Biblis B wieder hoch zu fahren (Bericht von „Kontraste“ – RBB – vom 3. De-zember 2009), obwohl zuvor schwerste Mängel im AKW Biblis B zugeben wurden.

Die konkrete BedrohungslageIn Deutschland sind insgesamt in zwölf Standorten noch 17 Atomkraftwerksblöcke in Betrieb, davon zur-zeit drei (Stand Januar 2010) vorübergehend stillge-legt.

Diese zwölf Standorte verteilen sich auf

• drei in Schleswig-Holstein (Brokdorf, Brunsbüttel, Krümmel (Geesthacht),

• drei in Niedersachsen (Lingen, Esenshamm-Stad-land, Grohnde-Emmerthal),

• einer in Hessen (Biblis),

• zwei in Baden-Württemberg (Neckarwestheim, Philippsburg),

• drei in Bayern (Grafenrheinfeld, Gundremmin-gen, Ohu-Essenbach).

Der AKW-GefährdungsatlasEine Arbeitsgruppe der Deutschen Umweltstiftung unter Leitung des langjährigen Vorstandssprechers Hans Günter Schumacher ermittelte möglichst de-taillierte Bevölkerungszahlen in den Gefährdungsre-

Die Situation der Atomkraftwerke in Deutschland

Bevölkerung im erhöhten Risikobereich rund um deutsche Atomkraftwerke

• Biblis, 2 Blöcke, Landkreis Bergstraße Einzugsbereich: 7.020.187 Personen

• Brokdorf, 1 Block, Landkreis Steinburg Einzugsbereich: 9.185.919 Personen

• Brunsbüttel, 1 Block, Landkreis Dithmarschen Einzugsbe-reich: 9.947.037 Personen

• Emsland, 1 Block, Landkreis Emsland, Lingen Einzugsbe-reich: 8.862.305 Personen

• Grafenrheinfeld, 1 Block, Landkreis Schweinfurt Einzugs-bereich: 6.327.242 Personen

• Grohnde, 1 Block, Landkreis Hameln-Pyrmont Einzugsbe-reich: 9.771.074 Personen

• Gundremmingen, 2 Blöcke, Landkreis Günzburg Einzugs-bereich: 5.543.075 Personen

• Isar, 2 Blöcke, Landkreis Landshut Einzugsbereich: 6.112.064 Personen

• Krümmel, 1 Block, Landkreis Lauenburg-Geesthacht Ein-zugsbereich: 12.534.042 Personen

• Neckarwestheim, 2 Blöcke, Landkreis Heilbronn Einzugs-bereich: 11.880.745 Personen

• Philippsburg, 2 Blöcke, Landkreis Karlsruhe Einzugsbe-reich: 8.436.536 Personen

• Unterweser, 1 Block, Landkreis Wesermarsch Einzugsbe-reich: 11.586.504 Personen

gionen der aktuell in Betrieb befindlichen deutschen Kernkraftwerke. Berücksichtigt wurde dabei die Wohnbevölkerung in einem Umkreis von jeweils 150 km.

Im vorliegenden AKW-Gefährdungsatlas sind alle 17 AKW-Standorte erfasst und die Zonen erhöhter Ge-fährdung für die Bevölkerung dargestellt.

Dabei ergeben sich gefährdete Bevölkerungszahlen zwischen 5,4 Millionen (Gundremmingen) und bis zu 11,8 Millionen (Neckarwestheim). Besonders gefähr-det sind die Menschen um Bremen, die im unmittel-baren Einzugsbereich von bis zu 6 AKWs leben müs-sen.

Die so ermittelten Zahlen sind Untergrenzen, da durch einen größten anzunehmenden Unfall weit mehr Bür-gerinnen und Bürger in einem mehrfach erweiterten Umkreis durch die frei gesetzten radioaktiven Strah-len betroffen sein könnten, also um ihre Gesundheit und im schlimmsten Fall um ihr Leben fürchten müs-sten.

Die Einwohnerzahlen, die zu jedem Kraftwerksstand-ort zugeordnet sind, entsprechen den offiziellen Zah-len des Statistischen Bundesamtes nach dem Stand vom 31. Dezember 2007, ergänzt durch Direktabfra-gen bei einigen kreisfreien Städten und Landkreisen. Eventuelle Veränderungen nach oben und unten sind nicht auszuschließen.

Gefährdung auch durch und in NachbarstaatenDurch die noch in Betrieb befindlichen AKWs wären im Ernstfall nicht nur die fünf Bundesländer mit AKW-Standorten betroffen, sondern auch die angrenzen-den Bundesländer Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, die ost-deutschen Bundesländer und Berlin.

Hinzu kommen noch Gefahren in angrenzenden Nachbarstaaten, in denen Atomkraftwerke auch nicht störungsfrei funktionieren. So gab es in Frank-reich (zurzeit 58 Kernkraftwerksreaktoren in Betrieb) in den letzten Jahren zahlreiche Störfälle, letztmalig am 02.12.2009 am Atomstandort Cruas-Meysse in der Nähe von Montélimar in Südfrankreich. Exper-ten sprechen vom schwersten Zwischenfall seit vier Jahren. Diese seien vergleichbar mit zwei Störfällen 2001 im Atomkraftwerk Philippsburg. Auch von unse-ren europäischen Nachbarn können große Gefahren von AKWs ausgehen.

SchlussfolgerungenDer vorliegende AKW-Gefährdungsatlas führt in er-schreckender Deutlichkeit vor Augen, dass sich die politisch Verantwortlichen in Regierungen und Parla-menten, insbesondere aber die großen Energiekon-zerne EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall, nach unse-rer Auffassung nicht nur unverantwortlich, sondern menschenverachtend gegenüber Millionen betroffe-ner Menschen verhalten, wenn in einem so dicht be-siedelten Land wie Deutschland, aber auch in Europa, weiterhin Atomkraftwerke betrieben werden.

Es ist zudem davon auszugehen, dass die neu geschaf-fene politische Situation nach den Bundestagswahlen am 27. September 2009 zu einer Verlängerung von Laufzeiten der in Betrieb befindlichen Atomkraftwer-ke führen könnte.

Die Berufung von Herrn Hennenhöfer durch Umwelt-minister Norbert Röttgen zum Boss der deutschen Atomaufsicht ist ein sehr beunruhigendes Signal. Im Hintergrund ist eine übermächtige Energie-Lobby ak-tiv, die seit vielen Jahren ihre eigenen Interessen und Gewinnstreben über das Wohl der Bevölkerung stellt

Zusätzliche Gefährdung durch weitere Atomanlagen

In Deutschland geht die nukleare Bedrohung nicht allein von Atomkraftwerken aus. Zu einer zusätzlichen Gefährdung tragen die nachstehenden, öffentlich bekannten, Atomanlagen bei:

• Die bestehenden, maroden „Endlager“ in der Bundesre-publik sind Asse und Morsleben. Auch wenn der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz am 22. Oktober 2009 in Morsleben 500 m unter der Erde feststellte, von Morsle-ben gehe keine Gefahr aus.

• Zentrale Castoren-Lager gibt es in Gorleben, Ahaus und Greifswald. (Hallenlager).

• Außerdem ist in Gorleben das „Fasslager“ für schwach- und mittelaktiven Atommüll (Hallenlager).

• In Gorleben gibt es eine Pilotkonditionierungsanlage (noch nicht in Betrieb) und das geplante Endlager im Salzstock. Im dortigen Zwischenlager sind zurzeit insgesamt fünf Be-hälter mit abgebrannten Brennelementen und 86 Behälter mit Atommüll aus Wiederaufbereitungsanlagen unterge-bracht.

• Je ein Zwischenlager abgebrannter Brennelemente befin-det sich an den zwölf AKW-Standorten

• Weiterhin gibt’s Müll bei den Forschungsreaktoren und bei der Verglasung in Karlsruhe.

• Uranhexafluorid in verschiedenen Zusammensetzungen gibt es in Lingen und Gronau.

• In Gronau soll zudem ein Hallenlager für 60.000 Tonnen Uranoxid gebaut werden.

und gegen die wir uns alle engagiert zur Wehr setzen müssen. Dass sich auch in den politischen Parteien und Ministerien zahlreiche Lobbyisten, unter ande-rem der Energiewirtschaft, tummeln, ist nach wie vor zu vermuten, auch wenn Angela Merkel vor Jahren öffentlich versprochen hatte, dies zumindest in den Bundesministerien zu ändern. Geschehen ist unseres Wissens bisher nichts.

Forderungen der Deutschen UmweltstiftungDie Deutsche Umweltstiftung fordert deshalb die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag und Bundesrat nachdrücklich auf,

• endgültig einen Schlussstrich unter die weitere Nutzung der Atomenergie zu ziehen,

• demgemäß keiner Laufzeitverlängerung der sieb-zehn Atomkraftwerke zuzustimmen,

• eine sofortige Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke AKW Biblis A und B, Brunsbüt-tel, Neckarwestheim 1, Isar 1, Philippsburg 1 und Unterweser zu veranlassen,

• Hermesbürgschaften für den Export von Atom-müll ins Ausland zu versagen,

• Subventionen für Betreiber von Atomkraftwer-ken zu streichen und das Atomforum unverzüg-lich aufzulösen,

• der Nutzung regenerativer Energien einen abso-luten Vorrang gesetzlich auch in Zukunft einzu-räumen.

• die großen Energiekonzerne dazu zu verpflich-ten, ihre Milliardengewinne und Rücklagen aus-schließlich zugunsten der Nutzung regenerativer Energien einzusetzen.

• Und den Herrn Bundespräsidenten bittet die Deutsche Umweltstiftung, die Verfassungs-mäßigkeit einer ihm vorgelegten Novelle zum Atomgesetz prüfen zu lassen und solange seine Unterschrift zu versagen, bis eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vorliegt.

Braucht es eine Verfassungsklage?Sofern Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat weiterhin an der Nutzung der Atomenergie festhal-ten, sollte durch eine Verfassungsklage geprüft wer-den, ob durch den Weiterbetrieb und die Verlänge-rung der Laufzeiten von Atomkraftwerken Grund-rechte, wie sie im Grundgesetz unseres Landes veran-kert sind, verletzt werden. So haben sich zum Beispiel die Bundeskanzlerin und die Bundesminister durch den nachstehenden im Grundgesetz formulierten Eid verpflichtet:

„Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deut-schen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft er-füllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

Und im Katalog der Grundrechte steht unter ande-rem:

„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver-sehrtheit.“

Artikel 20a „Schutz der natürlichen Lebensgrundla-gen“ ergänzt darüber hinaus:

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künfti-gen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Recht-sprechung.“

Unter Bezugnahme auf diese zitierten Vorschriften des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland appelliert die Deutsche Umweltstiftung an alle Natur- und Umweltschutzverbände, Natur- und Umwelt-Bürgerinitiativen, Kirchen und Gewerkschaften, sich zusammen zu tun, um gemeinsam eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verhindern und die Abschaltung aller Atomkraftwerke bei den politisch Verantwortlichen einzufordern.

HerausgeberundV.i.S.d.P:

Deutsche Umweltstiftung, Postfach 1355, 76713 Germersheim (Ge-schäftsstelle), Telefon: +49(0)7274 – 4767, Fax +49(0)7274 – 77302

www.deutscheumweltstiftung.de

Spendenkonto: Nr. 20.024.444, Sparkasse Germersheim-Kandel, BLZ 54851440

Den AKW-Gefährdungsatlas bestellen

Exemplare des AKW-Gefährdungsatlas im DIN A1 Format können gegen Spende bei der Deut-schen Umweltstiftung bestellt werden.

Weitere Informationen hierzu finden Sie auf der Homepage der Deut-schen Umweltstiftung:www.deutscheumweltstiftung.de