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*RLQJ:HVW6WXGHQWLVFKHV/HEHQLQ&DPEULGJH $XVODQGVHPHVWHUDQGHUHQJOLVFKHQ(OLWH8QL Die Entscheidung für ein Auslandsse- mester war gemacht, der Platz geneh- migt, der Flug gebucht. Vor Augen schwebten mir das Erlernen der Spra- che, das Kennenlernen kultureller Eigenheiten sowie der Briten an sich und vor allem das Studieren im englischen Unisystem. Am 18. September hob der Flieger zu einem 3-monatigen Studienerlebnis in Englands Topadresse in Sachen Bildung ab: Cambridge. Elitäre Kleinstadt im (relativ gesehenen) regenärmeren Südostteil Großbritanniens in der Region Cambridgeshire. Auf Meeresniveau schlängelt sich der river Cam entlang der 31 Colleges, wo sich historisch Bewährtes und Topaktuelles aneinander reiht. 120.000 Einwohner jeglicher Nationalität, vermengt mit Touristen aus aller Welt, füllen die Straßen, Plätze, Kirchen und Cafés mit Leben. Ich bewohne ein gemütliches, warmes Zimmer im Stadtteil Chesterton, nutze die Stube mit DVD und Video-Vorräten und verstehe ich mich super mit meinen Mitbewohnern Andrew und Ian. In Deutschland wären 8 m 2 winzig und mit 465¼ LP 0RQDW KHLOORV EHUWHXHUW 'RFK der Ort heißt Cambridge und der Preis wird bezahlt. Was mir in der ersten Woche auffällt sind neben der schönen Stadt die horrenden Preise für alles, der Linksverkehr und die unglaubliche Höflichkeit und Aufgeschlossenheit der Menschen. Ich bin Studentin der Anglia Ruskin Uni- versity. In der Einführungswoche lerne ich den Campus, die Bibliothek, die Stadt kennen, schreibe einen Eingangstest, kläre Formalitäten und besuche Welcome- Parties. Im Prinzip alles wie bei uns. Doch die folgenden 12 Wochen Uni sind nicht mit deutschen bzw. Jenaer Bedingungen zu vergleichen. Ich belege fünf Kurse: Am Montag zur ru- higen Einstimmung ein Seminar auf Deutsch: Interkulturelle Perspektiven, ein Vergleich zwischen Großbritannien und Deutschland, der mir einige Phänomene begreiflich macht, die mir im Alltag und dem Verhalten der Menschen so auffallen. Um Literarisch über den Tellerrand hinaus zu blicken, höre und lese ich Angela Carter, eine postmoderne britische Gothic- Autorin sowie Reiseromane des 20. Jahr- hunderts, wo mir vor allem Virginia Woolf eine Bereicherung ist. Hauptaugenmerk je- doch liegt auf den beiden Geographiesemi- naren mit dazugehöriger Vorlesung: Am Dienstag „Environment and Politics in the European Union“ sowie am Donnerstag „Geography of Sport and Sports Tourism“. Mittwoch und Freitag sind dem Selbststu- dium vorbehalten, was zum einem auf- ,PSUHVVLRQHQDXV&DPEULGJH)RWRV>@$%LHZHQGW

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Formalitäten und besuche Welcome-Parties. Im Prinzip alles wie bei uns. Doch die folgenden 12 Wochen Uni sind nicht mit deutschen bzw. Jenaer Bedingungen zu vergleichen. Ich belege fünf Kurse: Am Montag zur ru-higen Einstimmung ein Seminar auf Deutsch: Interkulturelle Perspektiven, ein Vergleich zwischen Großbritannien und Deutschland, der mir einige Phänomene begreiflich macht, die mir im Alltag und dem Verhalten der Menschen so auffallen.

Um Literarisch über den Tellerrand hinaus zu blicken, höre und lese ich Angela Carter, eine postmoderne britische Gothic-Autorin sowie Reiseromane des 20. Jahr-hunderts, wo mir vor allem Virginia Woolf eine Bereicherung ist. Hauptaugenmerk je-doch liegt auf den beiden Geographiesemi-naren mit dazugehöriger Vorlesung: Am Dienstag „Environment and Politics in the European Union“ sowie am Donnerstag „Geography of Sport and Sports Tourism“. Mittwoch und Freitag sind dem Selbststu-dium vorbehalten, was zum einem auf-

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grund der Quantität der zu lesenden Litera-tur und zum anderem aufgrund der Fremd-sprache notwendig ist. Das Angebot der Bibliothek ist ausreichend, das Ausleihen von 22 Büchern gleichzeitig möglich, die Öffnungszeiten fabelhaft: 6 Tage die Wo-che von 8:30-23:45Uhr und am Sonntag bis zum Nachmittagstee um 16 Uhr. Jacken und Rucksäcke werden mitgenommen, Schließfächer böten Platz für Bomben. Der Herbst ist mild, mit dem Fahrrad geht es täglich in 15 Minuten zur Uni, entlang des Flusses, auf dem von früh um 7 bis abends um 10 die Ruderboote der Colleges trainieren.

Cambridge beherbergt die zweitälteste Universität der englischsprachigen Welt. Die Stadt versprüht durch ihren Charme und einer Art „Wissensflair“ Lust auf extravagante Ideen und elitäre Ereignisse. Insgesamt brachte die Universität 81 Nobelpreisträger hervor: Ein Apfelbaum vor dem Trinity-College soll ein Abkömm-ling jenes Baumes sein, der Isaac Newton zur Entwicklung der Gravitationstheorie inspirierte. In der Stadt stößt man immer wieder auf Spuren vergangener Zeiten, bei-

spielsweise wenn man im Pub „The Eagle“ ein Ale zu sich nimmt und erfährt, dass hier Watson & Crick ihre DNA-Entdeckung feierten. John Cleese, besser bekannt als Monty Python Frontmann, be-gann hier zu Studienzeiten seine komödi-antische Laufbahn. Nach einem sonnigen Herbst werden der November und Dezember sehr kalt, dafür aber klar. Lediglich einmal regnet es ca. 2 Wochen permanent jeden Tag, wenn ich das Haus verlasse. Nach der Hälfte der Zeit vermisse ich ordentliches Mischbrot und Wasserhähne, an denen sich die Temperatur regulieren lässt.

Das EU-Seminar beschäftigt sich mit der Entwicklung des Umweltressorts innerhalb der EU sowie

umweltrelevanten Problemen der Gegenwart. Während dieses Modul eher theoretisch ist, bedient das Sportgeographie-Modul mit zwei Tagesexkursionen auch den praktischen Teil. Wir fahren nach Newmarket, der Heimat des Pferderennsports und untersuchen, wie eine ganze Stadt und Region von Pferden,

Pferderennen und dem Geldeinsatz auf jene dominiert wird. Der zweite Ausflug führt uns in den noblen Londoner Stadtteil Wimbledon, wo wir den heiligen Rasen des wohl renommiertesten Tennisturniers der Welt betrachten und die Popularität eines Boris Beckers ungebrochen ist. In Seminar und Vorlesung erörterten wir die Entstehung von Sportarten, deren Entwick-lung unter dem jeweiligen gesellschaftli-chen Einfluss, die Wirtschaftlichkeit von Sportgroßereignissen oder die Vor- und

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Nachteile der Austragung der Olympischen Spiele 2012 in London. Beide Geomodule sind sehr familiär, im EU-Seminar sind wir im Schnitt 12 Leute, bei Sports Geography 8-10. Selbst das hält unser Prof. Nick für zu viel. Sowohl Nick als auch Georges (Prof. EU-Seminar) gehen auf individuelle Fragen ein, geben Ratschläge und Literaturtipps und man spürt, wie jeder Einzelne ge-fördert wird. (Das Siezen wurde mir sehr schnell abgewöhnt.) Die optimalen Arbeitsbedingungen, die geringe Anzahl an Studenten sowie die Zahlung von Studiengebühren führen dazu, dass ein kollegiales, fast freundschaftliches Verhältnis zwischen Dozenten und Stu-denten entsteht, von dem beide profitieren. Luxus und purer Genuss: Studienbe-dingungen der Extraklasse. Die Elitesch-miede stimmt. Für bare Pfunde auf den Tisch, gibt es eine Ausbildung, die dem Namen Cambridge gerecht wird. Neben der Uni erkunde ich das Land, fahre in die Heimat der Beatles nach Liverpool, bewundere die Schafe in Nordwales, be-wege mich in der Metropole London, suche verschlafene Ecken in den Cotswolds, lasse bei Sonnenuntergang den Mythos Stonehenge auf mich wirken und stelle fest, dass das Wetter gar nicht so schlecht ist wie man denkt, das Essen auch besser sein kann als man denkt und der britische Humor tatsächlich einzigartig und schwer zu beschreiben ist. Was ich mitgenommen habe ist die Tugend der Geduld, nach dem ich bei jedem Ein-kauf mindestens 5 Minuten an der Kasse stand, obwohl nur eine Person vor mir war und diese nur 10 Artikel auf dem Band hatte. Daraus spricht eine gewisse Ge-lassenheit, mit deren Hilfe ich nun die end-losen Aldi-Schlangen ohne Aufregung meistere. Außerdem bleibt im Gedächtnis fest verankert die Hilfsbereitschaft und Höflichkeit der Menschen, die Erfahrung,

dass der Großteil des hoch entwickelten Landes kein Umweltbewusstsein besitzt, dass Großbritannien trotz der Zugehörig-keit zur Europäischen Union von uns Kon-tinentlern als „Europeans“ spricht (sich selbst also separiert) und man auf keinen Fall die Pfundpreis in Euros umrechnen sollte!

Ich sitze in der übermäßig klimatisierten Bibliothek der Anglia Ruskin University. Es sind Semesterferien, nur einzelne Plätze des sonst gut gefüllten Computerlabors sind besetzt. Im Eingangsbereich finden Verbesserungs- und Restaurierungsarbeiten statt. Wenn in 2 Wochen das Som-mersemester beginnt, sind die Arbeitsbe-dingungen wieder ideal. Ein letzter Trip steht für mich an: Die Insel Arran im Südwesten Schottlands. Danach geht es zurück in den deutschen Unialltag. Eins wird bleiben: Die Horizonterweite-rung, die das Leben auf der Insel mit sich brachte.

Annegret

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9RQ�-HNDWHULQEXUJ�QDFK�9lUPODQG�QXU�HLQ�.DW]HQVSUXQJ�6FKZHGHQ�([NXUVLRQ�LP�6RPPHU������ 2600 km sind nur ein Katzensprung? So weit ist es in etwa von Jekaterinburg bis ins schwedische Värmland (Luftlinie). Eigentlich eine beachtliche Entfernung, doch Prof. Sedlacek und seine 11-köpfige Exkursionsgruppe stellten sich ziemlich schnell von russischen auf skandinavische Verhältnisse um:

Ursprünglich bot Prof. Sedlacek eine Aus-landsexkursion ins russische Jekaterinburg an. Einige Studenten schienen die Exkur-sionstage aber wohl doch nicht so dringend zu benötigen, denn als es ans Bezahlen ging, sprang ein Großteil der einge-schriebenen Studenten ab - für den Rest und natürlich auch für Prof. Sedlacek eine ärgerliche Situation. Doch unser Wirt-schaftsgeo-Prof erinnerte sich an seine Zeit in Schweden in den 1980ern und organisierte kurzerhand für die ver-

bliebenen Studenten eine neue Exkursion, und zwar nach Värmland. Värmland ist eine Provinz im Südwesten Schwedens. Im Rahmen der wirtschafts-geographisch ausgerichteten Exkursion sollte die Verändeurng der Wirtschaftsstruktur Schwedens und insbesondere Värmlands seit den 1980er

erkundet werden. Die Besichtigung von

alten Industriestandorten

wie Silber- und Kupfer-Abbaustätten und Gespräche mit Wissenschaftlern der Uni Karlstad und der Uni Uppsala boten einen Einblick in die

wirtschaftliche Situation Värmlands.

Ein „Markenzeichen“

Värmlands ist das Verpackungscluster

„Packaging Arena“, die Heimat des uns allen wohlbekannten Tetra Paks. Neben diesem Cluster sei v.a. die Natur und

damit der Tourismus ein wichtiges Standbein für die Wirtschaft Värmlands, welcher in den letzten Jahren für einen Aufschwung gesorgt habe, wie die Exkursionsgruppe immer wieder erfuhr. „Doch Vieles war Schönrederei“, äußert Manuala ihren Eindruck. Denn Värmland ist dünn besiedelt und eine eher wirtschaftsschwache Region. Zudem kommen viele Touristen mit dem Wohnmobil nach Värmland, so dass der

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Tourismus nur eingeschränkt Geld in die Region bringt. Um Värmland weiter nach vorn zu bringen, wird in Karlstad ein großes Einkaufszentrum errichtet. So sollen die einkommensstarken Norweger über die nahe gelegene Grenze vom teuren Norwegen ins günstigere Schweden gelockt werden. In Uppsala, dem Geburtsort von Anders Celsius, informierte sich die Exkursionsgruppe nicht nur über die Stadtgeschichte, sondern erfuhr auch etwas über die dortigen Studienbedingungen und den – wesentlich entspannteren - schwedischen Arbeitsmarkt für Geographen. In Stockholm entdeckten die Jenaer Studis schließlich viele deutsche Einflüsse: Beispielsweise gab es eine deutsche Kirche und zahlreiche deutsche Straßennamen. Neben dem Stadtmuseum und dem Wasa-Museum stand in Schwedens Hauptstadt v.a. der Besuch des Industrieviertels „Kista“ auf der Tagesordnung. Dort haben sich zahlreiche Unternehmen der IT-

Branche angesiedelt, wie z.B. Ericsson. Da die Exkursion sehr kurzfristig war, sag-ten leider viele, mit vor Ort verabredeten Leute, ab. „Manchmal wussten wir abends nicht, ob das für morgen ausgemachte Treffen klappt“, erzählt Manuela. Doch die trotzdem sehr informative und lehrreiche

Exkursion sei nicht zuletzt auch wegen der guten Atmosphäre zwischen allen Exkur-sionsteilnehmern ein unvergessliches Erlebnis gewesen. „Nur eins hat mich wirklich deprimiert“, erzählt Manuela, „Wir haben keine Elche gesehen...“

/|VXQJ�GHV�5lWVHOV� 33° 20' E 35° 20' N Nikosia - 48° E 29° 20' N Kuwait - 70° W 18° 30' S Arica - 79° 50' E 7° N Colombo - 90° W 30° N New Orleans - 138° 30' E 35° S Adelaide - 130° W 25° S Adamstown - 45° 20' E 2° N Mogadischu - 141° 20' E 43° N Sapporo - 0° 10' E 49° 30' N Le Havre - 47° 30' E 19° S Antananarivo - 33° 30' E 44° 30' N Sevastopol - 44° 10' E 15° 20' N Sanaa - 97° W 50° N Winnipeg - Der gesuchte deutsche Geograph heißt ALEXANDER VON HUMBOLDT.