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Ronin Ryu Ronin Ryu - die Kata und ihre Entwicklung (eine deutsch - slowakisch - malaysische Koproduktion) das Schwert der acht Himmelsrichtungen Einige Jahre lang besuchten wir Iaido-Seminare in Frankreich, Deutschland und der Schweiz, um Seitei Iaido, Muso Shinden Ryu, Katori Shinto Ryu zu üben und Erfahrungen mit Kumitachi und Tameshigiri zu machen. Im Laufe der Zeit wurde immer deutlicher, daß wir uns in unserem Dojo anders entwickeln als andere Iaido-Übende in ihren Vereinen. Ein Thema ist die Übungsatmosphäre, die in vielen Dojos und auf vielen Lehrgängen herrscht: Weder das Gefühl, bei einer Beerdigung zu sein noch den soldatisch-militärischen Drill finden wir ansprechend, auch strenge Hierarchie und Unterordnung locken uns gar nicht. Und das ständige Üben auf immer weitere Prüfungen hin fördert die Lebendigkeit der Schwertarbeit nicht. Ein weiteres zentrales Thema betrifft Kleidung und Schmuck. In geradezu religiöser Weise heißt es immer wieder, die Kleidung müsse schlicht sein und dürfe nur die vorgeschriebenen Farben zeigen: Blau, Schwarz oder Weiß. Das ent- spricht gar nicht unserem eigenen sehr lebendi- gen Iaido-Gefühl und entspricht nicht einmal der japanischen Samurai-Tradition, denn die Samu- rai waren oft prunkvoll gekleidet. Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb Schmuck generell ver- boten sein soll. Anders als im Karate birgt er beim Schwertkampf keine Verletzungsgefahr. Zwar kannten die Samurai keinen Schmuck - ihn deshalb heute zu verbieten ist aber wohl eher Folklore. Mit Schmuck und attraktiver Kleidung zeigen wir beim Schwert-Training, worum es auch geht: Um Lebensenergie und Freude! Um unser eigenes Iaido-Bewußtsein auszu- drücken entschieden wir uns daher im Jahr 2013, unserem Dojo im „Haus Lueginsland“ den Na- men „Ronin-Dojo“ zu geben und uns an der geis- tigen Unabhängigkeit von Miyamoto Musashi zu orientieren. Weder in unserer Art zu üben noch in der Art uns zu kleiden wollen wir nach Vorschriften handeln. (siehe dazu auch unsere Dojokun, die Regeln für das Verhalten im Übungsraum) Im Bemühen, die Tiefen und Höhen des Iaido auszuloten ist uns deutlich geworden, daß die Beschränkung auf „Prüfungs-Iaido“ in Form ei- nes unvariablen Seitei Iaido nicht zu einem Ver- ständnis des Schwertes führt. Die Arbeit mit dem Muso Shinden Stil bringt eine deutliche Ausweitung, aber fast nirgendwo wird das zuge- hörige Kumitachi (Partnertraining) geübt, ohne das man kein tieferes Verständnis eines Kampf- ablaufes gewinnen kann (soweit das ohne realen Kampf überhaupt geht). Dem Kumitachi des Muso Shinden Ryu fehlt außerdem völlig der Be- zug zu den Einzel-Kata. Und der Umgang mit einem scharfen Schwert - das Tameshigiri oder auch das Üben der Kata mit einem scharfen Ka- tana - findet in den meisten Iaido-Schulen nur in Ausnahmefällen statt. Dazu wurde es immer unbefriedigender für uns, die sehr stilisierten japanischen Kata zu üben ohne sie hinterfragen zu dürfen - angefangen von

Ronin Ryu - die Kata und Zwar kannten die Samurai keinen ... · Seitei Iaido, Muso Shinden Ryu, Katori Shinto Ryu zu üben und Erfahrungen mit Kumitachi und Tameshigiri zu machen

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Ronin

Ryu

Ronin Ryu - die Kata undihre Entwicklung

(eine deutsch - slowakisch - malaysische Koproduktion)

das Schwert der acht HimmelsrichtungenEinige Jahre lang besuchten wir Iaido-Seminarein Frankreich, Deutschland und der Schweiz, umSeitei Iaido, Muso Shinden Ryu, Katori ShintoRyu zu üben und Erfahrungen mit Kumitachiund Tameshigiri zu machen. Im Laufe der Zeitwurde immer deutlicher, daß wir uns in unseremDojo anders entwickeln als andere Iaido-Übendein ihren Vereinen. Ein Thema ist die Übungsatmosphäre, die invielen Dojos und auf vielen Lehrgängen herrscht:Weder das Gefühl, bei einer Beerdigung zu seinnoch den soldatisch-militärischen Drill findenwir ansprechend, auch strenge Hierarchie undUnterordnung locken uns gar nicht. Und dasständige Üben auf immer weitere Prüfungen hinfördert die Lebendigkeit der Schwertarbeit nicht.Ein weiteres zentrales Thema betrifft Kleidungund Schmuck. In geradezu religiöser Weise heißtes immer wieder, die Kleidung müsse schlichtsein und dürfe nur die vorgeschriebenen Farbenzeigen: Blau, Schwarz oder Weiß. Das ent-spricht gar nicht unserem eigenen sehr lebendi-gen Iaido-Gefühl und entspricht nicht einmal derjapanischen Samurai-Tradition, denn die Samu-rai waren oft prunkvoll gekleidet. Auch ist nichtnachvollziehbar, weshalb Schmuck generell ver-boten sein soll. Anders als im Karate birgt er

beim Schwertkampf keine Verletzungsgefahr.Zwar kannten die Samurai keinen Schmuck - ihndeshalb heute zu verbieten ist aber wohl eherFolklore. Mit Schmuck und attraktiver Kleidungzeigen wir beim Schwert-Training, worum esauch geht: Um Lebensenergie und Freude!Um unser eigenes Iaido-Bewußtsein auszu-drücken entschieden wir uns daher im Jahr 2013,unserem Dojo im „Haus Lueginsland“ den Na-men „Ronin-Dojo“ zu geben und uns an der geis-tigen Unabhängigkeit von Miyamoto Musashizu orientieren. Weder in unserer Art zu übennoch in der Art uns zu kleiden wollen wir nachVorschriften handeln. (siehe dazu auch unsereDojokun, die Regeln für das Verhalten imÜbungsraum)Im Bemühen, die Tiefen und Höhen des Iaidoauszuloten ist uns deutlich geworden, daß dieBeschränkung auf „Prüfungs-Iaido“ in Form ei-nes unvariablen Seitei Iaido nicht zu einem Ver-ständnis des Schwertes führt. Die Arbeit mitdem Muso Shinden Stil bringt eine deutlicheAusweitung, aber fast nirgendwo wird das zuge-hörige Kumitachi (Partnertraining) geübt, ohnedas man kein tieferes Verständnis eines Kampf-ablaufes gewinnen kann (soweit das ohne realenKampf überhaupt geht). Dem Kumitachi desMuso Shinden Ryu fehlt außerdem völlig der Be-zug zu den Einzel-Kata. Und der Umgang miteinem scharfen Schwert - das Tameshigiri oderauch das Üben der Kata mit einem scharfen Ka-tana - findet in den meisten Iaido-Schulen nur inAusnahmefällen statt.Dazu wurde es immer unbefriedigender für uns,die sehr stilisierten japanischen Kata zu übenohne sie hinterfragen zu dürfen - angefangen von

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den Bewegungen zum Schwertreinigen (chiburi),die nicht funktionieren können, bis hin zum Vor-und Zurückgehen oder Hinknien und Wieder-aufstehen, oder der Frage, ob etwas jetzt Angriffoder Abwehr sein kann. Oft scheint es uns mehrRitus als Kampfübung zu sein, genau wie dasMokuso, die Meditation vor und nach denÜbungen, die zu einem nur noch Sekunden dau-ernden Ritual geschrumpft ist. Bei uns gehörenwenigstens ein paar Minuten immer dazu.So entwickelte sich aus dem kritischen Üben be-stehender Kata fast von allein eine eigene Stil-richtung, die unseren Bedürfnissen gerecht wird:„Ronin Ryu“, der Schwertkampfstil des unab-hängigen Geistes. Die Ronin Ryu Kata haben wir im Jahr 2014meist aus bestehenden Seitei Kata oder Koryuentwickelt, so wie das seit Jahrhunderten ge-schieht. Sie ergeben sich alle aus einem realenPartnertraining, dem Kumitachi. So gehört zu je-der Solo-Kata eine Partnerform, damit man auchverstehen kann, was man tut, und so üben kann,daß vom Timing und von den Abläufen her sinn-volle und funktionierende Bewegungen entste-hen. Die Ausführung von Chiburi und Noto ist„Ronin“ - nicht vorgeschrieben, darf jedesmal jenach Ablauf und energetischem Zustand andersgemacht werden. Wir haben dazu das Chinuguieingeführt, das Reinigen des Schwertes mit ei-nem Tuch - denn ein blutiges Schwert klebt inder Scheide fest. Jede Kata besteht aus mindestens drei aufeinan-der aufbauenden Formen. Anders als bei den ja-panischen Kata beginnen wir immer mit einerAbwehr oder einem Ausweichen. Damit zeigenwir den überlegenen und friedfertigen Geist un-

seres Stils. Der Gegner muß angreifen, wir rea-gieren und besiegen (töten) ihn in der erstenAusführung der Kata. Das vertiefen wir mit derzweiten Variante, die bei jeder Kata mit einemfriedlichen Ausgang endet - der Angreifer wirdnicht „getötet“, der Schnitt am Ende gestoppt -beide gehen zurück und machen Noto ohne Chi-buri. In der dritten Variante, wenn der Angreifernicht aufgibt und noch einmal angreift, wird erniedergestreckt - Konsequenz ist angesagt. Dasdarf man fortsetzen, die Form verlängern, oder inden freien Kampf übergehen.Jede Ronin Ryu Kata hat also drei aufeinanderaufbauende Formen und zu jeder dieser Formengehört eine Partnerform. Bei einigen Kata gibt esweitere Varianten oder Verlängerungen, so daßeine einzelne Kata aus mindestens sechs, oftaber mehr Formen besteht. Wir haben den Schwerpunkt unserer Kata aufdie gehenden Formen gelegt und hierfür 12 Kataentwickelt, dazu kommen 6 sitzende Kata ausdem Tate Hiza und drei gegen mehrere Gegner -mehr Formen lassen sich zeitlich gar nicht lernenund üben, selbst wenn man im Schnitt 5 Stundenpro Woche Zeit hat. Denn das ergibt mit allenVarianten fast 200 Formen.Zum Ronin Ryu gehört regelmäßiges Tameshigi-ri, die Übung des Schneidens mit dem scharfenSchwert. Dabei werden genau die Schnitte ge-übt, die in den Kata vorkommen. Wir empfehlenaußerdem, die Solo Kata ab und zu mit einemscharfen Schwert zu üben, das erhöht die Auf-merksamkeit und vertieft die Fähigkeit des Um-gangs mit einem Katana. Wenn Partner gut auf-einander eingespielt sind sollten sie das Bokkendurch ein stumpfes Stahlschwert ersetzen, denn

Holzschwerter reagieren „unrealistisch“, sie fe-dern, im Gegensatz zu Stahlschwertern.

Die 8 Himmelsrichtungen1 - Die Meditation: wir praktizieren die Zen-Meditation, sie führt zu einem klaren und leerenGeist, der bei der Übung mit dem Schwert not-wendig ist.2 - Die Ki-Arbeit: Arbeit mit der Energie beimSchwert bedeutet, über die technischen Abläufehinaus zu gehen, das Schwert mit dem Geist zuführen.3. - Wir beenden die Kata nicht wie die anderenStilrichtungen immer mit dem Töten des Geg-ners. Wir haben in jeder Kata eine Form, in derder Gegner geschont wird.4. - Die Solo-Kata haben immer ein Gegenstückin einer identischen Kumitachi-Kata, denn ausihr wurden sie entwickelt.5. - Ronin-Kata sind vom Grund her friedlich -sie beginnen immer mit einer Verteidigung.6. - Alle Kata sollten auch mit einem echtenSchwert geübt werden - dann übt man aufmerk-samer und wird sich der Gefahr, mit der man um-geht, stärker bewußt.7. - Das Schwert versteht man besser, wenn manauch richtig schneidet - deshalb gehört Tameshi-giri unbedingt zum Iaido dazu. Es ist ein Reali-tätstest - eine Badematte kann ein undurch-dringliches Hindernis sein!8. - Iaido als Freizeitbeschäftigung ist spannend -aber erst, wenn man die Grundprinzipien auchim Lebensalltag entdeckt und anwendet, hatman es tiefergehend begriffen.www.haus-lueginsland.deyoutube: Haus Lueginsland