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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE VORTRÄGE VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT Copyright Rudolf Steiner Nachiass-Verwaitung Buch: 9 2 Seite: 1

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  • RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABEVORTRGE

    VORTRGE VOR MITGLIEDERNDER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT

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  • RUDOLF STEINER

    Die okkulten Wahrheitenalter Mythen und Sagen

    Griechische und germanische Mythologie

    Richard Wagnerim Lichte der Geisteswissenschaft

    Sechzehn Vortrge, gehalten in Berlin, Kln undNrnberg in den Jahren 1904, 1905 und 1907

    (Hrernotizen)

    1999

    RUDOLF STEINER VERLAGDORNACH / SCHWEIZ

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  • Nach vom Vortragenden nicht durchgesehenen Hrernotizenherausgegeben von der Rudolf Steiner-Nachlaverwaltung

    Die Herausgabe besorgte Helmuth von Wartburgunter Mitarbeit von Ulla Trapp

    1. Auflage Gesamtausgabe Dornach 1999

    Bibliographie-Nr. 92Alle Rechte bei der Rudolf Steiner-Nachlaverwaltung, Dornach/Schweiz

    1999 by Rudolf Steiner-Nachlaverwaltung, Dornach/SchweizSatz: Rudolf Steiner Verlag / Bindung: Spinner GmbH, Ottersweier

    Printed in Germany by Konkordia Druck, BhlISBN 3-7274-0920-7

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  • Zu den Verffentlichungenaus dem Vortragswerk von Rudolf Steiner

    Die Gesamtausgabe der Werke Rudolf Steiners (1861-1925) gliedertsich in die drei groen Abteilungen: Schriften - Vortrge - Knst-lerisches Werk (siehe die bersicht am Schlu des Bandes).

    Ursprnglich wollte Rudolf Steiner nicht, da seine frei gehal-tenen Vortrge - sowohl die ffentlichen als auch die fr die Mit-glieder der Theosophischen, spter Anthroposophischen Gesell-schaft - schriftlich festgehalten wrden, da sie von ihm als mnd-liche, nicht zum Druck bestimmte Mitteilungen gedacht waren.Nachdem aber zunehmend unvollstndige und fehlerhafte Hrer-nachschriften angefertigt und verbreitet wurden, sah er sich veran-lat, das Nachschreiben zu regeln. Mit dieser Aufgabe betraute erMarie Steiner-von Sivers. Ihr oblag die Bestimmung der Stenogra-fierenden, die Verwaltung der Nachschriften und die fr die Her-ausgabe notwendige Durchsicht der Texte. Da Rudolf Steiner nurin ganz wenigen Fllen die Nachschriften selbst korrigieret hat,mu gegenber allen Vortragsverffentlichungen sein Vorbehaltbercksichtigt werden: Es wird eben nur hingenommen werdenmssen, da in den von mir nicht nachgesehenen Vorlagen sichFehlerhaftes findet.

    ber das Verhltnis der Mitgliedervortrge, welche zunchstnur als interne Manuskriptdrucke zugnglich waren, zu seinenffentlichen Schriften uert sich Rudolf Steiner in seiner Selbst-biographie Mein Lebensgang (35. Kapitel). Der entsprechendeWortlaut ist am Schlu dieses Bandes wiedergegeben. Das dortGesagte gilt gleichermaen auch fr die Kurse zu einzelnen Fach-gebieten, welche sich an einen begrenzten, mit den Grundlagender Geisteswissenschaft vertrauten Teilnehmerkreis richteten.

    Nach dem Tode von Marie Steiner (1867-1948) wurde gemihren Richtlinien mit der Herausgabe einer Rudolf Steiner Ge-samtausgabe begonnen. Der vorliegende Band bildet einen Be-standteil dieser Gesamtausgabe. Soweit erforderlich, finden sichnhere Angaben zu den Textunterlagen am Beginn der Hinweise.

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  • INHALT

    IGRIECHISCHE UND

    GERMANISCHE MYTHOLOGIE

    ERSTER VORTRAG, Berlin, 24. Juni 1904 15Gut und BseDie Ereignisse der physischen Welt als Schatten des geistigenGeschehens auf hherem Plane. Das Gute und das Bse als das derMenschheitsentwicklung Entsprechende oder Nicht-Entsprechen-de. Die Einfhrung des Christentums unter Bercksichtigung desEntwicklungszustandes der betreffenden Vlker. Der monotheisti-sche Mohammedanismus, begrndet im Gegensatz zu den beste-henden Religionsformen, aber in Anknpfung an die aufkommen-de Naturwissenschaft. Nachwirkung der alten atlantischen Tao-Kultur in der chinesischen Religion; der Schamane Attila als un-zeitgemer Reprsentant jener Kultur.

    ZWEITER VORTRAG, 1. Juli 1904 22Lesen in der Akasha-Chronik. Wolfram von EschenbachEine Vorbedingung fr das Lesen in der Akasha-Chronik: DieFhigkeit zur Ausschaltung des Ich im Denkproze. Das bendieser Fhigkeit durch die mittelalterlichen Mnche. Wolfram vonEschenbach als inspirierter Dichter. Der bergang zur wissen-schaftlichen Betrachtung der physischen Welt durch Kopernikus.Die Bedeutung der Meister und ihrer Sendboten. Der okkulteSinn der Lohengrin-Sage und ihre Darstellung durch RichardWagner.

    DRITTER VORTRAG, 8. Juli 1904 29Sakramentalismus. Ddalus und IkarusDie Bedeutung der Sagen von Ddalus und Ikarus, von Talos undvon Theseus. Die Grndung Roms und die sieben rmischenKnige. Das Wesen des Sakramentalismus. Die Entstehung unddie sakramentale Wirksamkeit des Feuers.

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  • V I E R T E R V O R T R A G , 15. Juli 1904 37Germanische MythologieDie Bedeutung der nordischen und der keltischen Mythologie.Von der Geschlechter-Vermischung zur Zeit der Hyperborer,Lemurier und Atlantier. Die drei nordischen Initiierten Wotan,Wili und We. Vom Sinn der nordischen Mythen. Niflheim undMuspelheim. Der keltische Beitrag: Die Sage von Knig Artus undseiner Tafelrunde und von dem Zauberer Merlin. Loki als Gott derBegierden, und Hagen, der von ihm inspirierte Mensch. Das Hin-fhren zum Persnlichen, gezeigt am Beispiel der Liebe. Wolframvon Eschenbach als Eingeweihter und seine Darstellung der Parzi-val-Sage. Die Verbindung des germanischen Elementes mit demChristentum.

    FNFTER V O R T R A G , 22. Juli 1904 45ReinkarnationDie indische Lehre von der Wiederverkrperung in Tierleibern.Die Fabel von Buddha als Hase. Von der Bedeutung der Fabeln alsVorbereitung zum Empfangen der Geisteswissenschaft in einerspteren Inkarnation. Die Entwicklung des Menschen von derersten bis zur vierten Runde. Das Zurcklassen von Mineral,Pflanze und Tier auf niedrigerer Daseinsstufe und ihr Heraufhebenauf eine hhere Stufe durch den Menschen.

    SECHSTER V O R T R A G , 30. September 1904 53Die Mysterien der Druiden und DrottenDrotten oder Druiden als uralte germanische Eingeweihte. Diedrei Einweihungsstufen. Die Edda als Erzhlung dessen, was sichin den alten Drottenmysterien wirklich ereignet hat. Die Druiden-priester als Menschheitsbauer; ein schwaches Abbild davon in denAnschauungen der Freimaurer.

    SIEBENTER VORTRAG, 7. Oktober 1904 59Die Prometheus-SageDie exoterische, allegorische und okkulte Deutungsmglichkeitder Sagen. Die Deutung der Prometheus-Sage als Mysteriendar-stellung der nachatlantischen Menschheitsgeschichte. Die lemuri-sche, atlantische und nachatlantische Zeit. Die Erfindung des Feu-ers und Prometheus als Reprsentant der nachatlantischen Zeit.Der Gegensatz der kama-manasischen Denkart des Epimetheusund der manasischen des Prometheus, des in Weisheit und Tateingeweihten Fhrers der nachatlantischen Menschheit.

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  • A C H T E R V O R T R A G , 14. Oktober 1904 71Die Argonauten-Sage und die OdysseeDer erste Impuls fr die Entwicklung des Intellekts in der fnftenatlantischen Kultur; dieser Impuls erneuert in der griechischenKultur. Das Streben der griechischen Philosophen nach Weisheitohne Liebe. Das Erhalten der von Liebe durchtrnkten Weisheit inden griechischen Mysterien. Der Ausdruck dieses Kampfes in derArgonauten-Sage. Die einzelnen Zge der Odysseus-Sage als Bil-der fr die Einweihungsschritte der Schler in den griechischenMysterien.

    N E U N T E R V O R T R A G , 21 . Oktober 1904 83Die Siegfried-SageDie Erwartungsstimmung der nordischen Vlker in der Zeiten-wende. Das strenge Behten der Mysteriengeheimnisse und das un-gerechtfertigte Todesurteil gegen Sokrates. Die Lehre vom Tod, derzum wahren Leben fhrt - bei den alten Germanen und bei Buddha.Die Druiden-Einweihung. Siegfried, der Vorbereiter des Christen-tums. Einzelne Zge der Siegfried-Sage und ihre Bedeutung.

    Z E H N T E R V O R T R A G , 28. Oktober 1904 94Der Trojanische KriegBis zum Beginn der nachatlantischen Zeit waren die Menschheits-fhrer Manus, bermenschliche Wesen mit einer geistigen Ent-wicklung auf anderen Planeten. Von der sechsten Wurzelrasse anknnen auch Menschen zu Manus werden. Die Ablsung derPriesterherrschaft durch die Knigsherrschaft, dargestellt in derSage vom Trojanischen Krieg. Weitere Zge dieser Sage als Bilderfr den Abstieg der Menschheit auf den physischen Plan. DieGeheimhaltung der Mysterien.

    IIRICHARD WAGNER IM LICHTE

    DER GEISTESWISSENSCHAFT

    ERSTER VORTRAG, Berlin, 28. Mrz 1905 109Die Fhrung der Menschheit durch die groen Eingeweihten; einBeispiel ihrer Wirksamkeit in Jakob Bhme. Richard WagnersBestreben, durch die Gestaltung der Mythen im Gesamtkunstwerk

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  • die Menschheit ber das Versinken im Materialismus herauszu-heben. Sein Anknpfen an Sagen ber Karl den Groen undFriedrich Barbarossa. Die bildhafte Darstellung des bergangsvon der alten Hellseher-Kultur zur Erringung von Verstand undSelbstbewutsein in den Musikdramen Richard Wagners.

    ZWEITER VORTRAG, 5. Mai 1905 116

    Der bergang vom alten astralen Hellsehen zur verstandesmi-gen Weisheit. Die bildhafte Darstellung dieses Geschehens in denaltgermanischen Sagen und in einzelnen Zgen von Wagners Ringdes Nibelungen. Die vierfache Einweihung Wotans. Loki undBaidur als Reprsentanten des Monden- und des Sonnenreiches.

    D R I T T E R VORTRAG, 12. Mai 1905 123

    Vier vorbereitende Epochen in der nordisch-germanischen Ent-wicklung, entsprechend den vier Kulturepochen im Mittelmeer-raum. Die Geburt des Ich in der fnften Epoche. Die Darstellungdieses Geschehens in der Tetralogie von Richard Wagner. EinzelneZge dieser Darstellung und ihre esoterische Bedeutung. DasProblem der Zweigeschlechtlichkeit, erlebt in Tristan undIsolde. Die berwindung dieses Problems in der christlichenLiebe. Hinweis auf Parsifal.

    VIERTER VORTRAG, 19. Mai 1905 132Richard Wagners Verhltnis zur Mystik. Sein Dramen-EntwurfDer Sieger. Das Motiv der sich opfernden Jungfrau in Hartmannvon Aues Der arme Heinrich und in Richard Wagners Dramen.Das Tannhuser-Motiv. Der Kulturimpuls der Ursemiten. DieParsifal-Sage bei Wolfram von Eschenbach und bei RichardWagner. Der Impuls fr eine zuknftige Wiedervereinigung vonKunst, Religion und Wissenschaft im Werk Richard Wagners.

    VORTRAG Kln, 3. Dezember 1905 147Parzival und LohengrinDie berwindung der Druiden-Religion durch das Christentum,erlebt im Fllen der Donar-Eiche durch Bonifatius. Der tragischeZug in den Sagen um Siegfried. Friedrich Barbarossa und die Suchenach dem heiligen Gral. Parzival als der Eingeweihte des Gral. SeinSohn Lohengrin als Begrnder der Stdtekultur.

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  • FFENTLICHER VORTRAG, Nrnberg, 2. Dezember 1907. . 158Richard Wagner und sein Verhltnis zur MystikRichard Wagner als wahrer Mystiker. Seine Auffassung der Musikals Offenbarung aus einer anderen Welt. Die Sphrenmusik alsgeistige Wirklichkeit, Wagners Idee vom Gesamtkunstwerk. Derbergang vom hellseherischen Bewutsein der alten Atlantier zumVerstandes- und Ich-Bewutsein der neueren Zeit. Der Beginn desRheingold. Das leidenschaftlose, pflanzenartige Bewutsein desatlantischen Menschen und die zuknftige Rckkehr zu diesemBewutseinszustand auf hherer Stufe.

    HinweiseZu dieser Ausgabe 181Hinweise zum Text 182

    Personenregister 193Rudolf Steiner ber die Vortragsnachschriften 195bersicht ber die Rudolf Steiner Gesamtausgabe . . . . 197

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  • GRIECHISCHE UND

    GERMANISCHE MYTHOLOGIE

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  • ERSTER VORTRAG.

    Berlin, 24. Juni 1904

    Gut und Bse

    Ich mchte heute an die Dinge anknpfen, die ich vor vierzehnTagen besprochen habe. In der nchsten Zeit werden wir vielleichtauch Gelegenheit haben, ber die Amsterdamer Erlebnisse zu spre-chen. Heute mchte ich aber sprechen ber einige konkrete Dinge,die in unseren physischen Plan hereinreichen - was wir neulichschon begonnen haben.

    Schon oft habe ich betont, da die Ereignisse, die in unsererphysischen Welt vor sich gehen, nichts anderes sind als eine ArtSchattenreflexe dessen, was auf den hheren Planen vor sich geht.Fr den Okkultisten ist es klar, da er die Ereignisse in der phy-sischen Welt nur dann verstehen kann, wenn er wei, was auf denbersinnlichen Planen vor sich geht. Dem Okkultisten, der Ein-blick in die hheren Plane hat, erscheint es so, als ob die Menschengezogen wrden an Fden, die von den hheren Planen ausgehen.Es knnte scheinen, als ob das eine Beeintrchtigung der mensch-lichen Freiheit wre. Ich mchte aber heute zeigen, da das nichtder Fall ist. Einige Beispiele mgen uns zeigen, wie die hherenPlane auf uns einwirken.

    Da mu ich zunchst zurckgreifen auf etwas, was ich schonfrher gesagt habe: da es im Grunde genommen ein absolutesGutes und ein absolutes Bses nicht gibt. Das Bse ist nur eine Artversetztes Gutes. Wenn etwas geschehen ist, sagen wir in derlunarischen Entwicklungsepoche, die unserer Epoche vorangegan-gen ist, und es hat sich davon etwas fortgepflanzt in unsere Ent-wicklung hinein, dann erscheint das in der jetzigen Zeit als depla-ciert. Es war gut whrend der Mondepoche, aber es erscheint unsbse whrend der irdischen Epoche. Whrend der Mondepochekonnte jemand die Aufgabe haben, die Triebe in einer harmoni-schen Weise zu organisieren; diese Ttigkeit war aber abgeschlos-

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  • sen, als die Mondepoche beendet war. Die Aufgabe der irdischenEpoche besteht nun darin, vom Manas aus die Triebe wiederum zubeherrschen. Wrde heute jemand die Triebe so leben, wie der Pitrisie hat leben mssen, so wrde er in unserer Epoche ein bserMensch sein, whrend er in der lunarischen Epoche ein Weisergewesen war.

    Man macht sich gewhnlich nicht Gedanken darber, was sol-che Ereignisse zu bedeuten haben wie zum Beispiel das AuftretenMohammeds, des Begrnders der mohammedanischen Religion, imsechsten und zu Anfang des siebenten Jahrhunderts.

    Man mu sich dazu vorstellen, da zunchst das Christentumsich bemht hat, in die verschiedenen anderen Religionsformenhineinzuwachsen. Zunchst sehen wir ja nur eine kleine Juden-gemeinde in Palstina; diese ist auch recht klein geblieben. Einsolches Prinzip, wie es die christliche Lehre birgt, lassen sich dieVolksseelen nicht leicht aufdrngen. Der Apostel Paulus fand denWeg zu den Heiden, indem er zunchst die Gedanken der Heidenso gelassen hat, wie er sie vorfand, und die heidnischen Religions-formen dann bentzte, um die christliche Essenz hineinzugieen.In den sdlichen Gegenden Europas wurde der Mithrasdienst ge-pflegt; er war hnlich dem heutigen Meopfer. Die Heiden dortnahmen das Christentum an, weil man ihnen das ihnen liebgewor-dene Mithrasfest lie. So hnlich war es auch bei den Germanenmit dem Fest, das als Weihnachtsfest zum christlichen Symbolwurde. Ihre geheiligten Ahnen wurden als christliche Heilige auf-genommen. Dadurch ist das Christentum in immer neue Gebieteund Vlkerschaften hineingewachsen. Es war die Anpassungsfhig-keit des Christentums, die das ermglichte. Die christliche Religiondehnte sich immer mehr aus; wegen dieser Vielgestaltigkeit brauch-te sie aber auch einen mchtigen Zentralpunkt: das ist das rmischePapsttum. Alle Schden, die spter durch das Christentum hervor-gebracht worden sind, sind mit dieser weltgeschichtlichen Missiondes Papsttums verknpft.

    Die semitischen Vlker muten anders angefat werden. Das tatMohammed. Er hat einen ersten groen Lehrsatz aufgestellt, in

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  • dem er sagte: Alle Gtter auer dem Einen sind keine Gtter. Nurderjenige, den ich euch lehre, ist der einzige Gott. - Dieser Lehr-satz kann nur verstanden werden als Opposition zum Christentum.Von Anfang an hatte bei der Eroberung des physischen Planes dasChristentum die Aufgabe, bis in die menschliche Persnlichkeithinein zu wirken; es baut nicht auf alte Krfte auf, sondern es willdurch Manas wirken.

    Wir sehen, da im Mohammedanismus jetzt in bewuter Wei-se nicht mehr angeknpft werden soll an die alten, noch spiri-tuellen Religionsformen des Heidentums, sondern es soll nurnoch durch die physische Wissenschaft der richtige Weg gefun-den werden, um den physischen Plan zu erobern. Wir sehen, wiediese physische Wissenschaft die Heilkunst ergreift, die ausgingvon Arabien und die sich dann spter ausgebreitet hat in andereLnder. Die arabischen rzte gingen lediglich vom physischenPlan aus, anders als die Heiler bei den alten gyptern, bei denDruiden und selbst bei den alten Germanen. Alle diese warendadurch zu ihrem Heilberuf gekommen, da sie durch Askeseund andere bungen ihre psychischen Krfte ausgebildet hatten.Heute noch sehen wir hnliches in den Praktiken und Vorgn-gen des Schamanismus, nur sind dieselben heute degeneriert.Also psychische Krfte wurden bei diesen frhen Heilern ausge-bildet. Mohammed fhrte diejenige Heilkunst ein, welche ihreHeilmittel nur aus dem physischen Plan selbst nimmt. DieseHeilkunst wurde da ausgebildet, wo man von spirituellen Wesen-heiten nichts wissen wollte, sondern nur von einem einzigenGott. Alchimie und Astrologie im alten Sinne wurden ab-geschafft und zu neuen Wissenschaften gemacht: Astronomie,Mathematik und so weiter. Diese sind spter auch zu den Wis-senschaften des Abendlandes geworden. In den Arabern, die nachSpanien kamen, sehen wir auf dem physischen Gebiete gebildeteMnner, vor allem Mathematiker. Die wirklichen Anhnger die-ser Richtung sagten: Ehrerbietig verehren wir das, was in Pflan-ze, Tier und so weiter lebt, aber der Mensch soll das nicht nach-stmpern, was nur Gott allein zu schaffen berufen ist. - Daher

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  • finden wir in der maurischen Kunst auch nur Arabesken, For-men, die nicht einmal Pflanzenform haben, sondern die nurphantasiegestaltet sind.

    Die griechische Macht ist von Rom abgelst worden, aber diegriechische Bildung ist auf die Rmer bergegangen. Die Araberhaben das, was sie haben, von Mohammed erhalten. Mohammedfhrte die Wissenschaft ein, die nur von den Gesetzen des phy-sischen Planes durchzogen ist. Die christlichen Mnche bekamenAnregungen von den Mauren. Zwar wurden die Mauren durchpolitische Macht zurckgeschlagen, aber der Monotheismus, dereine Vertiefung der physischen Wissenschaft mit sich bringt, istdurch die Mauren nach Europa gekommen und hat zu einerReinigung des Christentums von allem Heidnischen gefhrt.

    Durch das Christentum wurde das Gefhlsleben der Menschenbis zum Kama-Manas hingefhrt. Durch den Mohammedanismuswurde der Verstand, der Geist, heruntergefhrt vom spirituellemLeben zum abstrakten Auffassen der rein physischen Gesetze.Durch verschiedene Stufen mute diese physische Wissenschaftgehen, um die Stufe, die sie jetzt einnimmt, sich zu erarbeiten. Siemute durch die Wissenschaft der Vedenpriester und alle folgen-den Stufen hindurchgehen bis zu den Errungenschaften unser heu-tigen Zeit. Schon bei den Atlantiern war manches davon erreicht,wenn auch durch psychische Krfte. Seit der atlantischen Zeit hatsich dieses Hinlenken auf physische Gesetze vorbereitet.

    Die Chinesen sind ein Rest der atlantischen Rasse der Mongo-len. Wenn wir bei den Chinesen das Wort TAO hren, so ist dasfr uns etwas schwer Verstndliches. Die damaligen Mongolenhatten einen Monotheismus ausgebildet, der bis zur psychischenGreifbarkeit, bis zum Fhlen des Geistigen ging, und wenn der alteChinese, der alte Mongole, das Wort TAO aussprach, so fhlte erdas beim Aussprechen. TAO ist nicht der Weg, wie das gewhn-lich bersetzt wird, es ist die Grundkraft, durch die der Atlantiernoch die Pflanzen verwandeln konnte, durch die er seine merkwr-digen Luftschiffe in Bewegung setzen konnte. Diese Grundkraft,die man auch Vril nennt, hat der Atlantier berall genutzt, und

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  • er nannte sie seinen Gott. Er fhlte diese Kraft in sich, sie war ihmder Weg und das Ziel. Daher hat jeder Mongole sich als einWerkzeug in der Hand der groen Vril-Kraft betrachtet.

    Dieser Monotheismus der Atlantier ist geblieben bei denjenigenRassen, welche die groe Flut berlebt haben. Von dieser Reli-gionsform, die aber noch geistig war, ging die fnfte Wurzelrasseaus. Diese alten spirituellen Religionsformen der Anbetung eineseinheitlichen Gottes arteten aber nach und nach zum Polytheismusaus. Der Monotheismus war nur noch bei den hchstentwickeltenPriestern vorhanden. Am Anfange des Christentums verhieltensich die Mnche schlau: Baidur, so sagten sie, sei in PalstinaMensch geworden. - In den frhen Jahrhunderten wrde man einmit Heidnischem bunt gemischtes Christentum gefunden haben,auch noch im arianischen Christentum. Diese Entwicklung erfolgtein der Zeit, als ein besonders lebhaftes Aufglimmen des religisenGefhls in den alten mongolischen Rassen durch hochentwickelteSchamanen veranlat wurde. Wir sehen als Reaktion auf den Poly-theismus einerseits das Heraufkommen einer neuen Einheitsreli-gion in Arabien durch Mohammed. Auf der anderen Seite sehenwir, etwas frher, sich erheben einen initiierten Schamanen in sei-nem TAO-Bewutsein, der sich zum Rcher macht gegenber den-jenigen, die abgefallen sind von der alten monotheistischen Gottes-idee. Attila wurde Gottesgeiel genannt. Wir sehen ringsum inseinem Reich die von ihm abgesetzten Frsten in Pracht und Prunkleben, er aber, der Schamane, lebt in grter Einfachheit. Von ihmwird gesagt, da seine Augen glhten und der Erdball erzitterte,wenn er sein Schwert erhob. Dieser groe Initiierte htte seinevolle Berechtigung gehabt in der atlantischen Zeit; in unserer heu-tigen Zeit wrde er sich ausnehmen wie ein Verbrecher. DieselbeKraft, die zu ihrer Zeit Ausdruck des gttlichen Feuers ist, er-scheint in einer anderen Zeitperiode als gttlicher Zorn. Warumgeschieht so etwas? Es ist ntig, um berhaupt eine Weiterentwick-lung mglich zu machen. Wenn die Entwicklung weitergebrachtwerden soll, mssen sich - vom hheren Plan aus gesehen - dieeinzelnen Fden wieder harmonisch ineinanderschlieen.

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 19

  • Wir hatten auch von den Druidenpriestern gesprochen, die dasVolk durch Mrchen und Mythen belehrt hatten. Sie waren zu-gleich Heiler, Priester, Astrologen; sie hatten inspirierte Kenntnis-se. Als das keltische Element abgelst wurde von den germanischenStmmen, trat auch der Glaube an die alte Form der Inspirationzurck. Dem Mann wurde die Eroberung des physischen Plansanvertraut; er wurde Krieger. Die intuitive und produktive Krafttritt uns im Weiblichen entgegen. Die Frau wurde Priesterin, die zugleicher Zeit Heilerin war, zum Beispiel die Weleda. Alle Heilkunstwar damals in den Hnden der Frau; der Mann wurde hinausge-drngt auf den ueren, physischen Plan. Auch in der Zeit derMerowinger und Karolinger treffen wir dies noch an. Erst durchdie von den Mnchen bei den Mauren erlernte Wissenschaft wurdedann das spirituelle Element immer mehr verdrngt. Und vom 16.bis zum 19. Jahrhundert nahm die materielle Denkweise immermehr zu. Die psychischen Heiler weichen; sie kommen in Mi-kredit und werden als Zauberer oder Hexen verachtet. Damit hngtzusammen der Verlust der Fhigkeit, berhaupt mit psychischenMitteln heilend zu wirken; die Heilung auf diesem Wege ist nichtmehr so wirksam. Paracelsus besa diese Fhigkeiten noch voll-kommen.

    Das hngt zusammen mit dem bergang der Fhrung derMenschheit von einem Dhyan Chohan hherer Art zu einem an-deren Dhyan Chohan. Den heilenden Dhyan Chohan nennt diechristliche Esoterik heiliger Michael, das ist der Erzengel, wel-cher den psychischen Idealismus des Menschen lenkt. Der Menschwird erst dadurch frei, da er sich bekanntmacht damit, da alles,was auf dem physischen Plane passiert, von hheren Krften be-wirkt ist. Er mu in ein Schlerverhltnis zu dem Erzengel Michaelkommen.

    Zwei Wesenheiten spielten im Alten Testament eine Rolle: Derfhrende Geist; er ist harmonisch. Disharmonisch ist Beelzebub,auch ein Dhyan Chohan - er ist der Fhrer aller Disharmonie aufdem physischen Plan; ihn mu man verstehen, um zu wissen, war-um eine Form zerstrend auf die andere wirken kann. Seit dem

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 2 0

  • 16. Jahrhundert sind die Scharen des Beelzebub gegenber denScharen des Michael ins bergewicht gekommen. Mammon ist derGott der Hindernisse, welcher den Menschen zurckhlt, seinengeraden Weg zu verfolgen. Es wre deplaciert, wenn sich dasfortsetzen wrde in das nchste Jahrhundert.

    Alle physischen Ereignisse sind Schatten bersinnlicher Ereig-nisse. Der Kampf zwischen den spirituellen Krften und demMaterialismus ist ein Widerschein des Kampfes zwischen den Scha-ren des Beelzebub und des Mammon gegen Michael. Dieser Kampfmute erst ausgefochten werden auf hheren Planen; er ist dort vordreiig Jahren entschieden worden fr Michael, und der jetzigeKampf hier auf dem physischen Plan ist davon ein Widerschein.Oben ist der Kampf entschieden, fr den einzelnen Menschen aberist der Kampf noch nicht ausgefochten. Wenn die Menschen vonheute ihm nicht gewachsen sind, mssen wir alle untergehen undneue Menschen mten kommen. Damit ist der Weg gezeigt, dieStelle, an der der einzelne Mensch heute einzutreten hat.

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 21

  • ZWEITER VORTRAG

    Berlin, 1. Juli 1904

    Lesen in der Akasha-ChronikWolfram von Eschenbach

    Nachdem ich am vorigen Freitag schon verschiedenes Esoterischesvorausgeschickt habe, wird Ihnen das, was ich heute zu sagen habe,nicht mehr so fremd erscheinen. Ich mchte nmlich ein Stck derGeschichte der letzten Jahrhunderte aus der Akasha-Chronik ab-handeln. Sie wissen, da alle Ereignisse, welche geschehen sind, ineiner gewissen Weise aufgezeichnet sind in einer ewigen Chronik,in dem Akasha-Stoff, der ein viel feinerer Stoff ist als die Stoffe,welche wir kennen. Sie wissen, da alle Ereignisse der Geschichteund Vorgeschichte in diesem Stoff aufgezeichnet sind. Das, wasman gewhnlich in der theosophischen Sprache die Akasha-Chro-nik nennt, sind aber nicht die ursprnglichen Aufzeichnungen,sondern es sind Abspiegelungen der eigentlichen Aufzeichnungenim astralen Raum. Um diese lesen zu knnen, sind gewisse Vor-bedingungen notwendig, von denen ich Ihnen wenigstens eineangeben will.

    Um in der Akasha-Chronik lesen zu knnen, ist es notwendig,da man seine eigenen Gedanken den Krften und Wesenheiten zurVerfgung stellt, die wir in der theososphischen Sprache dieMeister nennen. Die Meister mssen uns die ntigen Anweisun-gen geben, um in der Akasha-Chronik lesen zu knnen, diegeschrieben ist in Symbolen und Zeichen, nicht in Worten irgend-einer bestehenden Sprache oder einer, die frher bestanden hat.Solange man die Kraft noch anwendet, die der Mensch beim ge-whnlichen Denken anwendet - und jeder Mensch, der nicht aus-drcklich gelernt hat, sein Ich bewut auszuschalten, wendet dieseKraft an -, solange kann man nicht in der Akasha-Chronik lesen.Wenn Sie sich fragen: Wer denkt? -, so werden Sie sich sagen mssen:Ich denke. - Sie verbinden Subjekt und Prdikat miteinander, wenn

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  • Sie einen Satz bilden. Solange Sie selbst die einzelnen Begriffe mitein-ander verbinden, sind Sie nicht imstande, in der Akasha-Chronikzu lesen, weil Sie Ihre Gedanken mit dem eigenen Ich verbinden.Sie mssen aber Ihr Ich ausschalten; Sie mssen verzichten aufjeden Eigen-Sinn. Sie mssen lediglich die Vorstellungen hinstellenund die Verbindung der einzelnen Vorstellungen durch Krfteauerhalb Ihrer selbst durch den Geist herstellen lassen. Es ist alsoder Verzicht notwendig - nicht auf das Denken -, wohl aber darauf,von sich aus die einzelnen Gedanken zu verbinden. Dann kann derMeister kommen und Sie lehren, durch den Geist von auen IhreGedanken zusammenfgen zu lassen zu dem, was der universelleWeltengeist ber Ereignisse und Tatsachen, die in der Geschichtesich vollzogen haben, zu zeigen vermag. Wenn Sie nicht mehrurteilen ber die Tatsachen, dann spricht zu Ihnen der universelleWeltengeist selbst, und Sie stellen ihm Ihr Gedankenmaterial zurVerfgung.

    Nun mu ich ber etwas sprechen, was vielleicht Vorurteileerwecken wird. Ich mu etwas sagen, was eine gute Vorbereitungist, um zur Ausschaltung des eigen-sinnigen Ich zu kommen unddadurch in der Akasha-Chronik lesen zu lernen. Sie wissen, wieheute das verachtet wird, was die Mnche im Mittelalter gepflegthaben: sie haben das Opfer des Intellektes gebracht. Der Mnchhat nicht so gedacht wie der heutige Forscher. Der Mnch hatteeine bestimmte heilige Wissenschaft, die geoffenbarte heilige Theo-logie, deren Inhalt gegeben war, ber den man nicht zu entscheidenhatte. Der Theologe des Mittelalters hat seinen Verstand dazu ge-braucht, die gegebenen Offenbarungen zu erklren und zu vertei-digen. Das war - wie man sich auch heute dazu stellen mag - einestrenge Schulung: die Hinopferung des Intellektes an einen gegebe-nen Inhalt. Ob das nun nach modernen Begriffen etwas Vorzg-liches oder etwas Verwerfliches ist, davon wollen wir absehen. Die-ses Opfer des Intellektes, das der Mnch brachte, die Ausschaltungdes von dem persnlichen Ich ausgehenden Urteils, das fhrte ihndazu zu lernen, wie man den Gedanken in den Dienst eines Hhe-ren stellt. Bei der spteren Wiederverkrperung kommt dann das,

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  • was damals durch dieses Opfer hervorgebracht wurde, zur Auswir-kung und befhigt den Betreffenden zu selbstlosem Denken undmacht ihn zu einem Genie des Anschauens. Kommt das hhereSchauen, die Intuition dazu, dann kann er diese Fhigkeiten daraufanwenden, die Tatsachen in der Akasha-Chronik zu lesen.

    Es ist ganz besonders interessant, jenen Zeitraum in der geisti-gen Entwicklung Europas, den wir vor acht Tagen betrachtethaben, noch einmal von diesem Gesichtspunkt aus darzustellen, ichmeine die Zeit vom 9. bis zum 13., 14., 15. Jahrhundert. Wenn mandiese Selbstlosigkeit in bezug auf den Gedankeninhalt erreicht hatund damit vereinigt den richtigen Sinn fr Verehrung, fr Devo-tion, wie ihn auch der Mystiker haben mute, dann nimmt sich dieZeit, wo groe Geister in der Weltgeschichte auftreten, oft ganzanders aus als in der profanen Geschichtsschreibung. Wenn mandiesen Zeitraum in der Akasha-Chronik betrachtet, dann haftetunser Blick an einer groen Gestalt, die uns ber jene Zeit un-geheuer viel lehren kann, eine Gestalt, die sich dem Beobachter alsgro und die sich dem Okkultisten noch gewaltiger darstellt alsdem gewhnlichen Forscher: Wolfram von Eschenbach.

    Wolfram von Eschenbach hat deutsche, romanische und spani-sche Sagen bearbeitet. Er gehrt zu den groen initiierten Dich-tern, die selbstlos genug waren, groe gegebene Stoffe zu bearbei-ten, und die nicht geglaubt haben, selbst Stoffe erfinden zu mssen.Die groen Dichter wie Homer, Sophokles, Euripides, Aeschyloshaben niemals nach Stoffen suchen mssen. Zu diesen groenDichtern gehrt auch Wolfram von Eschenbach. Er stellt uns inseinen Werken die innere Geistesgeschichte der Zeit vom 9. biszum 15. Jahrhundert dar, die sich uerlich als die Vorbereitungs-zeit unserer neuen Zeit darstellt, in welcher, wie wir gesehenhaben, vorzugsweise alles das studiert wird, was zur ueren Sin-neswelt gehrt. Das beginnt mit Kopernikus. Die Menschen fingenan, den physischen Plan ernstzunehmen, nicht wie die frheren alsSymbol fr die hheren Plane. Die Weltanschauung der Alten warnicht eine falsche, sondern ein solche Weltanschauung, die voneinem anderen Gesichtspunkt ausging: sie betrachtete die Erschei-

    St A

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  • nungen der ueren Welt als Symbole fr devachanische Zustnde.Kopernikus sagte, wir wollen die physische Welt nicht mehr alsSymbol betrachten, sondern wir wollen die physische Welt selbstbetrachten. - Selbstverstndlich wurde dadurch das gesamte Welt-bild der Menschen ein anderes. Es wurde in dieser Zeit vorbereitetdie Hinlenkung auf das Praktisch-Physisch-Materielle. Die frhe-ren Kulturen, bei denen unser physisches Leben abhngig war vonTraditionen und Autoritten, gingen ber in eine solche, wo es aufpersnliche Tchtigkeit ankommt. Der Sohn eines Bauern hattefrher Geltung, weil er der Sohn eines Bauern war, der Sohn einesRitters erbte die Rechte seiner Vter. Das nderte sich in dieserZeit. Es ist dies die Zeit der Stdtegrndungen. berall strmte dasVolk vom Lande zusammen und grndete Stdte; das Brgertumkam hoch, praktische Erfindungen tauchten auf: die Taschenuhr,die Buchdruckerkunst wurden erfunden. Das ist aber nur deruere Aspekt der Sache. Es wurden die Seelen hingelenkt auf dasPraktische der Wissenschaften, wie sich das zeigt an Kopernikus,was dann in der Aufklrungszeit und politisch in der Fran-zsischen Revolution weiter ausgebildet wurde. Der Handelsstandpflegte die praktischen Interessen, persnliche Tchtigkeit warnotwendig. Es war nicht mehr so wichtig, ob man von diesem oderjenem Mann abstammte. Fr denjenigen, der in der Akasha-Chro-nik die Dinge verfolgt, stellt sich die Sache so dar, da das, was aufdem physischen Plane geschieht, gelenkt wird von den hherenPlanen aus. Die fhrenden Geister sind beeinflut von Initiierten,die auf den hheren Planen arbeiten. Geniale Persnlichkeitenfhren hinauf zu Wesenheiten, die hinter den Kulissen arbeiten,bis hinauf zu der weien Loge. Der physische Aspekt ist nur dieAuenseite. Die Innenseite ist die Arbeit der hchsten Initiiertender weien Loge und ihrer Sendboten, die hinausgehen in die Welt.

    Diese okkulte Hierarchie mchte ich kurz charakterisieren. Wirhaben da solche Wesenheiten, die sich nie sehen lassen: die Meister.Fr die Menschen auf dem physischen Plan sind sie zunchst nichtwahrnehmbar. Unter diesen stehen Chelas, Geheimschler, die esbernehmen, die groen Auftrge der Meister hinauszutragen auf

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  • den physischen Plan. Die ersten, die da unterrichten, nennt manHamsas, das heit Schwne. Diejenigen Chelas, die man hei-matlose Menschen nennt, werden so genannt, weil sie ihre Heimatnicht in dieser Welt haben, sondern auf hheren Planen wurzeln.Sie geben den Menschen den Unterricht, den sie selbst von denHamsas genossen haben. Sie sind die Sendboten fr die genialenMnner der Weltgeschichte. So ist zum Beispiel auch nachweisbar,da die Fhrer der Franzsischen Revolution in Zusammenhangstanden mit dieser geistigen Seite der Weltgeschichte.

    Die groe Weie Loge mute ihre Sendboten ausschicken, dieMenschen vorzubereiten und zu unterrichten, damit sie auf demphysischen Plane die Organe werden konnten, die den Willen derMeister ausfhren. So war es auch mit Wolfram von Eschenbach.Man wute im Mittelalter, da es eine Weie Loge gab, man nanntesie damals die Gralsburg. Darin war die weie Bruderschaft.Derjenige, welcher dazumal hinausgesandt worden ist, um dieStdtegrndung auf die physische Welt hinauszutragen, hieLohengrin; er war unmittelbar unterrichtet von einem Hamsa, under unterrichtete Heinrich L, der als der Stdtegrnder bezeichnetwird. Das bedeutet, da die Zeitseelen einen neuen Einschlagbekommen sollten von den heimatlosen Menschen.

    Die Seele wird in der okkulten Sprache immer durch eine weib-liche Persnlichkeit symbolisiert. Elsa von Brabant reprsentiertdie Zeitseele. Sie soll mit einem Ritter vermhlt werden, der deralten Tradition angehrt, mit Telramund. Es kommt aber ein Ge-sandter des Gral und freit die Zeitseele Elsa von Brabant. DurchWolfram von Eschenbach ist diese Zeit so charakterisiert, daHeinrich nach Rom gefhrt wird, wo das innere, das esoterischeChristentum die Weltfeinde des Christentums, die Sarazenen, be-kmpft. Lohengrin ist ein heimatloser Mensch, den man nichtfragen darf, woher er kommt. Wenn man ihn fragt, ist das gegenseine Ordenspflicht. Er ist mit einer Art von Januskopf behaftet;einerseits mu er nach der okkulten Bruderschaft hinblicken undandererseits nach den Menschen, die er in der physischen Weltfhren mu. Richard Wagner hat oft ergreifende Worte gefunden,

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  • so zum Beispiel, wenn er Lohengrin singen lt: Nun sei bedankt,mein lieber Schwan. - Das ist der Moment, wo ihn der Schwanverlt und er von den physischen Verhltnissen abhngig wird. Erwird in eine Welt versetzt, die ihm nicht ganz angemessen ist; es istnicht seine wahre Welt. Seine Welt ist die Welt der anderen Seite,so da er angesehen werden mu als ein Heimatloser. Wenn seineMission erfllt ist, dann verschwindet der Heimatlose wiederdahin, woher er gekommen ist. Wenn seine Herkunft entdeckt ist,dann mu er wieder verschwinden. Das fllt dem mit dem phy-sischen Plan in Beziehung Getretenen schwer. Deshalb mu Elsavon Brabant dreimal fragen, woher er stammt.

    So sehen wir, da durch den Initiierten Wolfram von Eschen-bach diese Zeit charakterisiert ist in ihrem Zusammenhang mit denhheren Planen. Lohengrin ist der Gesandte, der Bote der Gralsrit-ter. Die Gralsritter sind die Weie Loge auf dem Montsalvatsch. Eswar die Aufgabe der Sendboten des Grals, der Gralsritter, die altenTraditionen des echten, wahren Christentums immer wieder zuerneuern. Das hatte man auch da im Sinne, wo man ber die Grals-burg und ber den heiligen Gral selbst sprach. Man stellte sich dieGralsritter vor als die Hter desjenigen, was durch das richtigeChristentum in die Welt gekommen war. Angedeutet ist das auchim Johannes-Evangelium: Das Wort ist Fleisch geworden. - Wasdurch den Christus verklrt worden ist, das ist das physischeDasein selbst; er ist eingezogen in die physische Welt. Die anderengroen Persnlichkeiten sind Lehrer der Menschheit gewesen:Buddha, Zarathustra, Pythagoras, Moses - sie alle waren Lehrer.Sie sind der Weg und die Wahrheit; das Leben im okkultenSinne ist erst Christus; daher heit es: Niemand kommt zum Vater,denn durch mich. - Das Leben konnte erst seine Heiligung finden,wenn das Wort unmittelbar in den Menschenleib einzog. DiesesHerunterfhren des Gttlichen auf den physischen Plan sollteimmer wieder erneuert werden durch die Weie Loge. Daher istdie Gralsschale dargestellt als dieselbe Schale, aus der Jesus dasAbendmahl gereicht hat und in welcher Joseph von Arimathiadas Blut auf Golgatha aufgefangen hat. So soll das Prinzip des

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  • Christentums bewahrt werden und fortleben, und neue Kraft sollihm erteilt werden dadurch, da in Fortsetzung der Apostel zwlfGralsritter als Sendboten ausgeschickt werden, um neue Aufgabenzu bernehmen.

    Das war die Anschauung des ganzen Mittelalters, da wenn einewichtige Zivilisationsstufe erreicht werden soll, ein Chela, einSchwan die Menschen unterrichten sollte. In einer solchen Weisehat Wolfram von Eschenbach die Geschichte angesehen und dar-gestellt. Wer in Richard Wagners Lohengrin zwischen den Zeilenzu lesen versteht, der wird finden, da Wagner, wenn auch nichtverstandesmig, so doch gefhlsmig, intuitiv gefhlt hat, da daetwas Groes vorlag. Daher glaubte er an eine Wiedererneuerungder Kunst durch Anknpfung an bermenschliches. Im Mittelalterwurde das so dargestellt, da, als Elsa von Brabant Lohengrin indiese Welt bannen wollte, er sich zurckzog, und zwar, wie Wolf-ram von Eschenbach sagt, nach Indien. Zuletzt wird auch dieGralsburg als in Indien liegend vorgestellt. Auch von den Rosen-kreuzern heit es, da sie, als sie sich am Ende des 18. Jahrhundertszurckzogen, nach Asien gegangen seien, nach dem Orient. Das istdie Geschichte der Stdtegrndung des Mittelalters, nach den Ein-tragungen in der Akasha-Chronik. Einzelheiten knnten vielleichtvon anderen etwas anders dargestellt werden, im groen und gan-zen werden sie aber immer damit bereinstimmen.

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  • DRITTER VORTRAG

    Berlin, 8. Juli 1904

    SakramentalismusDdalus und Ikarus

    Ist das Wissen von dem, was die Theosophie lehrt, berhaupt et-was, was fr weitere Kreise von einer besonderen Wichtigkeit undBedeutung ist, oder ist Theosophie etwas, was nur fr einige, be-sonders sich dafr Interessierende bestimmt sein kann? Diese Fragefhrt auf ein Thema, das sehr selten besprochen wird, das abereinmal besprochen werden mu: das ist der sogenannte Sakramen-talismus und die besondere Aufgabe unserer gegenwrtigen Wur-zelrasse. Die Frage ist: Was ist Sakramentalismus, und wie verhltsich unsere rein menschliche Aufgabe dazu? - Man knnte fragen:Was hat es fr eine Bedeutung fr irgendeinen Handwerksmann,der den ganzen Tag in einer Tischlerwerksttte arbeitet, wenn erwei, da Lohengrin einstmals als ein Abgesandter des heiligenGral die wichtigsten Kulturbewegungen des Mittelalters inspirierthat? Was hat berhaupt all das Reden von diesen hohen geistigen,idealen Zielen fr eine Bedeutung fr die breite Masse? - Die ganzeFrage beantwortet sich dann, wenn man das Wesen des Sakramen-talismus versteht.

    Ich mchte heute, anknpfend an die Anschauungen der Grie-chen, ber die Entstehung unserer gegenwrtigen, nachatlantischenWurzelrasse im Verhltnis zu der vorhergehenden, der atlantischenWurzelrasse, sprechen und daran einiges andere anknpfen berdie Bedeutung des Sakramentalismus. Sie alle kennen die Sage vonDdalus und Ikarus und auch die Sage von Theseus. Ich mchtekurz den ungeheuer tiefen Sinn berhren, der in der Ddalus-Ikarus-Sage steckt. Man erzhlt, da einst ein Mensch gelebt hatmit Namen Ddalus, der imstande war, Kunstwerke zu schaffen,die lebten, Statuen, die sehen und hren konnten, Maschinen, diesich selbst bewegten. Das alles verstand Ddalus. Er war angesehen

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  • im ganzen Lande, aber er war auch auerordentlich ehrgeizig. Erhatte einen Schwestersohn, Talos, den er unterrichtete und der ihnbald bertraf in gewisser Beziehung. Es wird uns geschildert, daTalos imstande war, Tpferscheiben zu bentzen, und da er auchgewisse Knste beherrschte, die dem Ddalus fremd waren. Talosstudierte zum Beispiel die Kinnbacken einer Schlange und hatte dieIdee, aus den Zhnen der Schlange eine Sge zu formen. So wurdeer der Erfinder der Sage. Wenn wir das einander gegenberstellen,was uns als Charakter bei Ddalus und was uns als Charakter beiTalos entgegentritt, so werden wir sehen, da es sich bei Ddalusum Dinge handelt, die unserer fnften Wurzelrasse schon fremdgeworden sind. Dagegen erfindet Talos solche Dinge, die zu dentechnischen Fertigkeiten der fnften Wurzelrasse gehren. Wennwir einen Vergleich ziehen zu der vierten Wurzelrasse, den Atlan-tiern, so sehen wir, wie die Atlantier imstande waren, die Vril-Kraft anzuwenden, so wie wir den Dampf zum Antrieb von Loko-motiven, Maschinen und so weiter benutzen. Diese Kunst ist in dernachatlantischen Zeit verlorengegangen. Dagegen hat unsere Zeitdie moderne Fhigkeit, unorganische Objekte zu Maschinen zu-sammenzufgen. Diesen bergang will uns die Sage zeigen. Dda-lus bringt es dann dazu, da er sich eine Art von Flgel machenkann, womit er sich ber die Erde zu erheben vermag. Sein SohnIkarus will das auch machen, aber es gelingt ihm nicht, er gehtdabei zugrunde. Diese Gegenberstellung soll aus dem griechi-schen Geist heraus zeigen, da die verschiedenen Epochen unsererErdentwicklung verschiedene Aufgaben haben. Wollte eine Epocheder Erdentwicklung eine Aufgabe bernehmen, die nur fr eineandere taugt, so wrde sie dabei zugrundegehen. Alles an seinemOrt, alles zu seiner Zeit.

    Nun hat die griechische Sage mit der Ddalus-Sage noch etwasanderes verknpft. Ddalus geht, nachdem er Talos gettet hat,nach Kreta zu Minos. Dort ist ein Ungeheuer, der Minotaurus. DerMinotaurus steht im Gegensatz zur Sphinx. Der Minotaurus hateinen Stierkopf mit menschlichem Krper, die Sphinx hat einenMenschenkopf mit tierischem Krper. Der Minotaurus soll ge-

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  • hemmt werden in seinen verheerenden Wirkungen. Ddalos sollihn bannen; das kann er, indem er ihm ein Labyrinth baut. DerMinotaurus mu mit Menschen ernhrt werden. Alle neun Jahremssen ihm sieben Jnglinge und sieben Jungfrauen geopfert wer-den. Mit der Minotaurus-Sage steht die Theseus-Sage in Verbin-dung. Theseus war der Sohn des Ageus. Dieser hatte bestimmt, daTheseus das Schwert und die Sandalen unter einem groen Fels-stck hervorholen sollte, die der Vater dort verborgen hatte. Nach-dem Theseus in Athen verschiedenes vollbracht hatte, geht er nachKreta, um den Minotaurus zu berwinden und die Stadt Athen vonder Lieferung der sieben Jnglinge und der sieben Jungfrauen zubefreien. In Kreta wurde von Seiten der Griechen immer etwasganz besonderes gesucht. In Kreta soll auch Lykurg gelernt undseine Verfassung fr eine Art kommunistisches Gemeinwesen er-halten und nach Sparta gebracht haben, denn in Kreta soll es eineVerfassung gegeben haben, die in allen alten Priesterstaaten hei-misch war; es waren berreste des alten atlantischen Priester-Kommunismus, der auf jeden persnlichen Besitz verzichtet. Mitjeder ursprnglichen Religionsgrndung hngt eine Art Kommu-nismus zusammen. Nach Kreta sieht sogar noch Plato als dem Sitzeiner mustergltigen Verfassung. Diese Priesterverfassung ist einberbleibsel der alten atlantischen Gestaltung. Ddalus konntedas, was in Kreta schdlich war, bannen, weil er mit dem atlanti-schen Leben bekannt war. In dem Minotaurus haben wir den Re-prsentanten der schwarzen Magie in Kreta zu sehen. Das soll jetztaufhren. Jetzt wollen die Athener nicht mehr die sieben Jnglingeund die sieben Jungfrauen nach Kreta schicken. Das Schiff desTheseus fuhr hinaus mit schwarzen Segeln. Er wollte nach ber-windung des Minotaurus ein weies Segel hissen statt des frherenschwarzen. Die schwarze Magie sollte wei werden. Mit Hilfe desFadens der Ariadne gelingt Theseus das Unternehmen, und erkehrt nach Athen zurck, [aber er verga, die weien Segel zusetzen]. Die Griechen waren aber noch nicht so weit, da sie desweien Pfades vollkommen wrdig waren. Liebe soll regieren imAriadnefaden. Es wird aber in jener Zeit schon auf das Christen-

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  • turn so hingedeutet, da das Liebesprinzip - Ariadne - durch Bac-chus geraubt wird, der noch nicht dieses Prinzip ausgebildet hat,welches durch das Christentum verbreitet werden soll. Theseus galtwie Herkules als ein Held, als ein Sonnenlufer, als ein im sechstenGrade Initiierter.

    Ein solcher Sagenkomplex wurde in Griechenland Volksgut.Das Volk als solches kannte diese Sagen. Warum suchten die Prie-ster in die Sagen die Weltengeheimnisse hineinzulegen? Jeder Prie-ster htte es als etwas Unheiliges, ja als eine unmgliche Profana-tion empfunden, irgend etwas in die Dichtung einflieen zu lassen,was nicht einen tiefen Sinn hatte. Dabei war der Priester sich klardarber, da der tiefe Sinn dem Volke nicht ohne weiteres aufge-hen konnte. Dem Volke erzhlte man die Fabel, das Mrchen, denMythos; in ihnen lag der tiefe Sinn. Das ist das Grundkennzeichender ganzen Dichtung der Alten. Je weiter wir zurckgehen, destotiefer wird der Sinn. Eine Dichtung, die nicht einen tiefen Sinnhtte, gibt es in jenen Zeiten nicht. Erst sptere Zeiten kamen abvon dieser Priesteranschauung und brachten Werke hervor, dienichts mehr von diesen spirituellen Geheimnissen hatten. Selbst aufdem Markte sollten nur Dinge vorgetragen werden, die herausge-flossen sind aus dem spirituellen Leben. Wenn wir uns das vorAugen halten, so knnen wir sagen, eine andere Fhrung als die derPriester gab es damals noch nicht. Erst spter wird der Priester-knig durch den weltlichen Knig abgelst. Damit folgt der ber-gang der alten priesterlichen Knigsstaaten in weltliche Knigsstaa-ten - Archont heit Verwalterknig.

    Ein Beispiel fr diese Anschauung ist die Sage von der Grn-dung des rmischen Staates. Man dachte im Altertum ber Ge-schichte nicht so, da man uere Ereignisse erzhlte. Erst seitHerodot wird Geschichte als Chronik erzhlt. Vorher gab es dasnicht. Alles wurde in symbolischer Darstellung gegeben. WasAugen sehen und Ohren hren, sollte damals noch etwas Hheresbedeuten, es sollte der Ausdruck des Spirituellen sein. Wenn derPriester klarzumachen versuchte, woher das Volk der Rmer sei-nen Ursprung hat, dann erzhlte er das folgende: Immer, wenn

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  • etwas derartiges sich verwirklicht, treten die sieben heiligen Prin-zipien in der Welt in Wirkung. Alles geschieht in der Aufeinander-folge der sieben Prinzipien. Zuerst steigt aus dem Himmel dergttliche Grnder. Dann entnimmt der Priester das, was lebendigist an der Sache; das lebt dann als Kama. Dann wird in dem Kamadas Manas, der Verstand, geboren. Der Leib, der selbst ein Heiligesist, lebt im Himmel. Unheilig ist er nur, wenn er mibraucht wird.Das sind die vier unteren Prinzipien. Dann mssen die drei oberenhineinkommen. Etwas, was vollkommener, vollstndiger ist, muhineinsteigen.

    So ging es auch bei der Grndung der Stadt Rom. Zuerst kamRomulus; er kam aus himmlischen Sphren, er war der Grnder.Rom war eine Grndungsstadt des alten Troja. Knig Numitorvon Alba Longa war der Nachkomme des mit trojanischen Flcht-lingen in Latium gelandeten Aeneas. Wir brauchen nur die Wortezu verstehen: alba longa ist das weie, lange Kleid der katholi-schen Priester. Amulius heit: der Unbeweibte, der Priester. EinePriesterstadt als Tochterstadt von Troja war also Rom. Numitor istder Willensmensch. Der wird zunchst verbannt in den Wald, wirdaber der Stammvater der Grnder der Stadt Rom. Romulus ist derGrnder der rmischen Kultur, der erste Knig. Er wird auchversetzt unter die Gtter unter dem Namen Quirinus. Der zweiteKnig ist Numa Pompilius. Der dritte Knig ist Tullus Hostilius;er ist der Reprsentant von Kama; da herrscht der Krieg; es entwik-kelt sich dasjenige, was man in der Theosophie als Kama-Rupa zubezeichnen hat. Der vierte Knig ist Ancus Martius; er ist derReprsentant von Kama-Manas. Technische Dinge werden da ge-macht. Als das vierte Prinzip reif war, wurde die etruskische Kul-tur herbeigerufen. Tarquinius Priscus, der fnfte Knig, bringtManas hinein. Die groen Bauten und Wasserleitungen legte er an.Das, was man Manas nennt, das ist vertreten in Tarquinius Priscus.Das sechste Prinzip ist Budhi. Es bewirkt die Segnungen desmenschlichen Zusammenlebens durch Liebe und Gerechtigkeit.Servius Tullius ist der sechste Knig der Rmer. Er war derjenige,der Ordnung schaffte, der Gesetze gab, die denen der Etrusker

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  • entsprachen. Der siebente Knig ist Tarquinius Superbus, derErhabene, der aber heruntergestrzt ist.

    So sah der Priester die Entstehung der Stadt Rom an. Das warnicht etwa eine Interpretation, sondern es war eine Wirklichkeit.Die Stdte waren so geleitet, da die sieben Prinzipien die Richt-linien des Herrschens waren. Wenn etwas auf der Erde gedeihensoll, dann mu es in der Ordnung der sieben Prinzipien geschaffenwerden. Niemals htte ein Priester etwas getan, was erst sein Nach-folger htte tun sollen. Das war alles aufgezeichnet in den Bchernder Tempel, die man die Sibyllinischen Bcher nannte. Das wargleichsam der Plan der Geschichte. Die Priester hatten sich zu rich-ten nach den Sibyllinischen Bchern.

    Hier haben wir es zu tun mit einer Verwirklichung spirituellerKrfte, die lebten in dieser Priesterkultur. Wir sehen, da die Weltgelenkt und geleitet wurde durch Spiritualitt. Erst spter verlorman das Verstndnis fr die spirituelle Regentschaft. Es wird unserzhlt von dem etruskischen Hauptgott Tages, der aus der Erdeheraufgestiegen sei beim Umackern des Feldes mit dem Pfluge.Technische Bauten und Kunstgewerbe waren das Merkmal deretruskischen Kultur. Jeder Stein der etruskischen Baukunst zeigt,da da etwas Besonderes ist. Es wurde erstrebt, mit dem wenigstenMaterial die grten Lasten tragen zu knnen. Es ist das Prinzip,das der etruskischen Baukunst, den Gewlbe- und Bogen-Bautenzugrundeliegt. Heruntergestiegen ist diese spirituell geleitete Kul-tur auf den physischen Plan. Persnliche Tchtigkeit gewinnt nunden Vorrang. Jegliches Bewutsein hrt auf, da ein Zusammen-hang besteht zwischen der niedersten Verrichtung und dem Spiri-tuellen. Fr den Okkultisten ist es klar, ob ein Mensch, der an einerbestimmten Stelle steht, etwas gehrt hat von den gttlichen Inten-tionen und Absichten und ob er etwas aufgenommen hat von dem,was ausgeflossen ist aus dem Spirituellen, denn ein solcher Menschtut auch das Alltglichste in einer ganz anderen Weise als ein an-derer, bei dem das nicht der Fall ist. Die Weihe, die sich von denhheren Sphren auf das irdische Leben ergiet, giet sich nicht soaus bei denen, die nur an dem physischen Plane haften.

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  • Es ist das Wesen des Sakramentalismus, da der Mensch dasAlltgliche mit spiritueller Weihe erfllt. Die alten Sagen hattenden Sinn, die Seelen der Menschen in die richtigen Schwingungenzu versetzen, so da sie mit spiritueller Kraft erfllt waren. Dieeinfachste Handlung eines naiven Gemtes kann dadurch geheiligtwerden. Das ist etwas, was wirksam ist und immer wieder wirksamsein wird. Wer das wei, der wei auch, da bei unserer Kultureine Umkehr notwendig ist. Man mag sich noch so sehr bemhen,diesen physischen Plan in Harmonie, in Ordnung zu bringen, eswird fehlschlagen, solange man nur auf dem physischen Planearbeitet; wird auf der einen Seite Harmonie geschaffen, so wird aufder anderen Seite Disharmonie entstehen. Lassen Sie aber dasSpirituelle wirken, so werden Sie sehen, da das Alltgliche in einerganz anderen Weise angefat wird. Das ist Sakramentalismus.

    Dieser Gedanke liegt auch dem christlichen Sakramentalismuszugrunde: die Heilung vom spirituellen Plane aus. Ein Sakramentist eine physische Handlung, die so verrichtet wird, da in ihr sichsymbolisch ein geistiger Vorgang ausdrckt. Es ist eine Symbolik,die ihre Rechtfertigung auf hheren Planen hat. Nichts ist imSakrament willkrlich. Alles ist bis ins Kleinste hinein ein Abbildeines hheren okkulten Vorganges. Derjenige, der ein Sakramentverstehen will, bei dem das Zeremoniell ein Abbild ist eines gei-stigen Vorganges, der mu sich bekanntmachen mit dem, was dazugrundeliegt. Es ist ein okkulter Vorgang, der den ueren Augenentzogen ist. Bei jedem Sakramentalismus vollzieht sich nicht nuretwas Verstandesmiges, sondern es vollzieht sich etwas, was einereale, okkulte Bedeutung hat. Nehmen wir zum Beispiel die okkul-te Bedeutung des Feuers. Feuer hat es in den frhesten Entwick-lungsepochen nicht gegeben. Es konnte erst entstehen, als die Erdeso weit verdichtet war, da sich aus der irdischen Materie herausdieses Feuer schlagen lie. Daher wird uns die Erfindung desFeuers als ein Vorgang unserer fnften Wurzelrasse geschildert.

    Prometheus hat das Feuer vom Himmel zur Erde gebracht. DasHervorbringen des Feuers hat unserer Kultur ihren Charaktergegeben. Machen Sie sich klar, wie es wre, wenn wir kein Feuer

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  • htten. In den ersten Zeitepochen hatte man noch kein Feuer ge-habt. Unsere Entwicklung verdankt dem Feuer alles Verstandes-mige, alles Technische. Das Feuer ist dasjenige, was herunter-fhrt auf den physischen Plan. Die materielle Kultur verdanken wirdem Feuer. Die Priester muten daher etwas Besonderes im Feuersehen. Daher haben in der zweiten nachatlantischen Kulturepochedie persischen Magier im Feuer vor allem dasjenige gesehen, was imSakrament wirken mu. Was hat der persische Priester auf seinemAltar zeremoniell verwirklicht? Der Okkultismus wei, da essieben Zoroaster gegeben hat. Der Zoroaster der Geschichte ist dersiebente. Der persische Magier hatte eine besondere Art, das Feuerhervorzubringen. Dieser Vorgang war das Abbild der groen kos-mischen Entstehung des Feuers. Da stand der persische Magier mitseinem Thyrsus und machte seine Zeremonien, die jeder Okkultistwohl kennt, aber auch nur der Okkultist. Dieser Vorgang war einAbbild der groen kosmischen Entstehung des Feuers. Als mannicht mehr verstand in den Priesterschulen, mit dem Thyrsus dasFeuer zu erzeugen, wurde wenigstens ein Naturfeuer gesucht.Zunchst haben sie da das Feuer durch den Blitz geschaffen, unddann haben sie es durch das sogenannte ewige Feuer fortgepflanzt,das immer nur aneinander entzndet werden durfte. Das Feuer, dasdurch die Natur gewonnen wird, soll wirksamer sein als das knst-lich erzeugte. Als im Jahre 1826 in England und im Jahre 1828 inHannover eine Tierseuche aufgetreten war, haben die MenschenHolz genommen und damit Feuer gerieben, weil sie glaubten, dadie damit gekochten Kruter wirksamer seien.

    Der Mensch mu wiederum spirituelles Leben schaffen bis injeden Handgriff und jeden Schritt hinein; und das wieder einzufh-ren, ist die Aufgabe und das Bestreben der spirituellen Bewegung.Der Sakramentalismus der frheren Zeit mu wiederkommen. Manmu wissen, da es ein anderes ist, aus dem Geiste heraus zu han-deln, als aus dem Materiellen heraus zu handeln. Spirituelles Lebenwieder ausstrmen zu lassen, das ist unser Ziel.

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  • VIERTER VORTRAG

    Berlin, 15. Juli 1904

    Germanische Mythologie

    Sie wissen, da, wenn wir zurckgehen in der Entwicklung un-seres Geschlechtes, wir zu der atlantischen Wurzelrasse kommen,deren Reich der Boden des [heutigen] Atlantischen Ozeans ist.Und wenn wir noch weiter zurckgehen, dann kommen wir zurlemurischen Wurzelrasse; das ist eine Rasse, die Sie sich noch ganzanders in ihrer Organisation denken mssen als unsere heutigeWurzelrasse und selbst anders als die atlantische. Die Menschenwohnten auf einem Kontinente, der sich sdlich von Vorder- undHinterindien ausdehnte und der heute auch Meeresboden gewor-den ist. Einige Nachkommen dieser Bevlkerung sind noch inAustralien vorhanden. Wo haben wir aber die zweite Menschen-rasse zu suchen? Da ist schon zu bercksichtigen, da auch diedritte Menschenrasse, die Lemurier, ganz anders ausgesehen hatals wir und auch ganz anders als die vierte Menschenrasse, die At-lantier. Die Lemurier haben nicht das gehabt, was wir Gedchtnis,Vorstellung, Verstand nennen; die Lemurier hatten dies erst imKeime entwickelt. Dagegen war die zweite Menschenrasse miteiner hohen Spiritualitt begabt, die nur nicht in den Kpfen derMenschen sa, sondern die wie eine fortwhrende Offenbarungvon auen vorzustellen ist. Man nannte die zweite Menschenrassedie Hyperborer. Sie wohnten um den Nordpol herum, in Sibi-rien, Nordeuropa mit Einschlu der Gebiete, die Meer gewordensind. Und wenn Sie sich dieses Land denken mit einer Art vontropischer Temperatur, so bekommen Sie ungefhr die Vorstel-lung, wie das Land damals war. Es war ursprnglich bevlkertvon Menschen, welche als einzelne Individuen wie Traumwesenherumwandelten. Wren sie sich selbst berlassen gewesen, sowrden sie gar nichts gekonnt haben. Es war sozusagen Weisheitin der Luft, in der Atmosphre.

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  • Erst in der lemurischen Zeit fand die Ehe der Weisheit mit demSeelischen statt, so da wir uns vorher die ganze Geistigkeit derMenschen nebelhaft vorzustellen haben. Es waren das die Keimedes nebligen Geistes und die Keime des Lichtgeistes. Die Geistig-keit, die als Keim in den Shnen des Feuernebels aufging, die unsnoch vertraut erscheint, die haben wir in den sdlichen Gegendenzu suchen, in Lemurien. In den Gegenden, die von uns aus nrd-lich gelegen sind, lebten Menschen, Vlker, die mit einem Traum-bewutsein begabt waren, das deutlicher war als das Pitribewut-sein. Im ganzen mssen wir uns nicht denken, da die Menschen,die da oben wohnten, auch da oben geblieben sind. Sie habenWanderzge gemacht, die nach Sden gingen. Und diese Wander-zge erstreckten sich noch lange in die Zeiten hinein, in denen imSden die lemurische Rasse aufgesprot war. Es gab sozusagen einenrdliche lemurische Rasse und eine sdliche lemurische Rasse. Eswaren zwlf groe Wanderzge. Diese zwlf groen Wanderzgebrachten die Bewohner der verschiedenen Gegenden allmhlichmiteinander in Berhrung. Sie brachten diese Menschen auch inGegenden, die den unsrigen nicht fernliegen, in Gegenden, die alsmittleres Deutschland, Frankreich, Mittelruland und so weiterangesprochen werden knnen.

    Nun mssen Sie sich vorstellen, da wir von einer Zeit sprechen,in der das, was wir hhere Tiere nennen, schon vorhanden war. DieLemurier wurden wie eine Art Riesen dargestellt, und diese kamenmit den von Norden kommenden Menschen in Berhrung. Da-durch entstanden zwei Geschlechter. Es entstand ein Geschlecht,das in der Vorgeschichte der Menschheit die Grundlage der Atlan-tier wurde; alle diese Menschen vermischten sich damals in demheutigen Europa. Wir drfen uns das nicht so einfach vorstellen,wie das hier in Worte gefat wird. Nun gingen aus dieser Ge-schlechtervermischung der Hyperborer, der Lemurier und spterauch der Atlantier Initiierte hervor, die sich unterschieden von denInitiierten, die wir heute als unsere Lehrer anzusehen haben; dieseletzteren stammen wesentlich aus dem Sden, dem lemurischenKontinent.

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  • Im Norden entwickelte sich, ich mchte sagen eine Art vonNebelwelt, und die drei Hauptinitiierten, die wir hier auf dieserMenschheitsinsel zu suchen haben, sie nannte man in der Zeit, dieselbst noch hineinragte bis in die Entstehung unseres Christen-tums: Wotan, Wili und We. Das sind die drei groen nordischenInitiierten. Sie leiteten ihren Ursprung her in ganz regelrechterWeise, in populrer Weise knnte man sagen aus dem Erdenreich,in dem noch ungemischt alles das enthalten war, was jetzt auf dieMenschen verteilt ist. In populrer Weise knnte man sagen, es istaus diesem Erdenreich hervorgegangen ein Geschlecht, das sehrunhnlich war der gegenwrtigen Menschheit. Dieses Geschlechtwar beherrscht von einer Allweisheit. Diese Allweisheit nanntendie lehrenden Priester Allvater. Dann wird gesprochen von denzwei Reichen, von dem Nebelheim und dem Muspelheim. DasNebelheim ist das Nifelheim des Nordens, der dmmernde Nebel-zustand der hyperborischen Wurzelrasse, im Gegensatz zuMuspelheim. Es werden geschildert zwlf Strme, die sich gestauthaben und dann zu Eis wurden. Daraus entstand ein Menschen-geschlecht, dessen Reprsentant der Riese Ymir war, und dann dasTiergeschlecht, die Kuh Audhumbla. Von Ymir stammten dieShne der Reifriesen. Die Menschen, die schon verstandesbegabteMenschen waren, entstanden, auch im Sinne der Geheimlehre,spter. Und so erzhlt auch die deutsche Sage, da [die Nachkom-men von Ymir und Audhumbla], Wotan, Wili und We, am Strandegingen und die Menschen bildeten. Damit sind jene Menschen derGeheimlehre gemeint, die erst spter entstanden, und die mitVerstand begabt worden sind.

    In dieser urgermanischen Sage liegt eine alte Wahrheit. Es wirduns auch gesagt, wie spter die zwei groen Zge waren, die vomfernen Osten nach dem Westen [und vom Westen nach dem Osten]gegangen sind. Wir haben uns vorzustellen, da zuerst die keltischeBevlkerung da war, die dann eine Kolonie gebildet hat. Dieseursprngliche keltische Bevlkerung stand ganz unter dem Einfluihrer Initiierten. Diese haben fortgepflanzt die ursprngliche Lehrevon Wotan, Wili und We und ihrer Priesterschaft. Die Kelten hat-

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 3 9

  • ten Priester, die wir Druidenpriester nennen. Diese waren zentriertin einer groen Loge, in der nordischen Loge. Dies hat sich erhal-ten in der Sage vom Knig Artus und der Tafelrunde. Tatschlichhat diese Loge der nordischen Initiierten bestanden, die heiligeLoge der Ceridwen - die Weie Loge des Nordens. Spter wurdesie der Bardenorden genannt. Diese Loge bestand noch lange bis indie spteren Zeiten hinein. Aufgelst wurde sie erst im Zeitalter derKnigin Elisabeth. Dann zog der Orden sich ganz von dem phy-sischen Plan zurck. Davon geht alles aus, was wir an altgermani-schen Sagen haben. Alle germanische Dichtung geht zurck auf dieursprngliche Loge von Ceridwen, die auch der Zauberkessel derCeridwen genannt worden ist. Derjenige, welcher am meisten ge-wirkt hat noch bis herein in die ersten Jahrhunderte nach ChristiGeburt, das war der groe Initiierte Meredin, der uns erhalten istunter dem Namen des Zauberers Merlin. Er war genannt derZauberer der nordischen Loge.

    Dies ist alles in alten keltischen Geheimlehren direkt enthalten.Da finden Sie angedeutet, was die Initiierten des Ostens zu gebenhatten. Und das, was ihnen der Kelte zurckgegeben hat, das wardie Baldur-Sage, die Sage von dem Gott des Lichts und dem Gottder Finsternis. So haben die Initiierten des Westens langsam dieseSage an die Initiierten des Ostens herangebracht, in der wohlweis-lichen Absicht, ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen. Und in demGlauben, da da noch etwas nachkommen mu, haben sie zu dieserSage noch etwas hinzugefgt, was noch in der Zukunft lag, nmlichden Untergang der Gtter in der Zukunft. Baidur konnte demUntergang nicht widerstehen. Es wurde daher ein zweiter Zug vor-bereitet nach der Gtterdmmerung. Es wurde gesagt, ein neuerBaidur wrde erstehen, und dieser neue Baidur, welcher demVolke angekndigt wurde, ist kein anderer als der Christus. Hierim Norden konnten sich diese Dinge nicht gleich ausbilden wie imSden, zum Beispiel in Griechenland. Im Norden waren mehr diemnnlichen Gtter, im Sden war man mehr dem Kultus derSchnheit ergeben. Dem ganzen nordischen Element war etwaseigen, was lange bestanden hat, was aber gleichzeitig der Keim des

    A (*\Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 4 0

  • Verderbens war, die Kampfnatur. Wir haben also im NordenWotan, Wili und We und daneben Loki. Loki ist das Begehrliche,der Wunsch, und das macht die nordische Welt zu einer Kampf-natur, die in sich hat das Element der Walkren. Diese begeisternzum Kampf. Sie sind etwas, was das nordische Element immerhatte. Loki war der Sohn der Begierde; Hagen ist die sptere Formfr den ursprnglichen Loki.

    Und nun noch einige Worte darber, wie ein Initiierter beschaf-fen war in jener Zeit. Wenn er initiiert wurde und dadurch mitgeistigen Mchten bekanntgemacht wurde, dann drckte man dasso aus, da man sagte: Er hat den Zug unternommen in das Reichder guten Toten, ins Alfen-Reich, nach Alfgard, damit er sich dorthole das Gold des Nifeiheim - das Gold ist das Symbol fr dieWeisheit. Siegfried war der Initiierte des alten germanischen Ele-mentes in der Zeit, als sich das Christentum verbreitete. Er wareigentlich unverwundbar, hatte aber noch eine verwundbare Stelle,weil in dieser nordischen Initiation noch Loki anwesend war, derBegierdengott in der Gestalt von Hagen. Hagen ist derjenige, wel-cher den Initiierten an der schwachen Stelle ttet. Brnhilde ist inder Nibelungen-Sage eine hnliche Gestalt, eine hnliche weiblicheGottheit wie die Pallas-Athene der Griechen. Im Norden bedeutetsie die Verkrperung des wilden, ttenden Kampfelementes. Denalten germanischen Initiierten haben Sie in Siegfried gegeben. DasKampfelement ist ausgedrckt durch das alte germanische Ritter-tum. Da es vorzugsweise ein weltliches Element war, so mute dasweltliche Rittertum bis ins 8., 9., 10., 11. Jahrhundert hinein seinenUrsprung zurckfhren auf Siegfried als einen Initiierten. DerUrsprung dieses Rittergeschlechts war die Tafelrunde des KnigsArtus. Von dort aus kamen die groen Ritter, oder vielmehr, esmuten diejenigen, welche fhrende weltliche Ritter werden woll-ten, zur Tafelrunde des Knigs Artus gehen. Dort lernte man welt-liche Weisheit, aber es war dem beigemengt der Kampfeswille, dasLoki-Hagen-Element.

    Im besonderen war im germanischen Element etwas vorzuberei-ten, was im nordischen Elemente ganz besonders herauskommen

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 41

  • konnte. Hier konnte etwas vorbereitet werden, was mit der Ent-wicklung des Menschen auf dem physischen Plan zusammenhngt.Wir wissen, da sich da abgespielt hat das Heruntersteigen desHchsten bis zum physischen Plan; das Persnliche ist die Gestaltdes Hchsten auf dem physischen Plan. Da entwickelte sich alsodas persnliche Element, die persnliche Kampftchtigkeit, dievielleicht bei Hagen am hchsten ausgebildet war.

    Gehen wir zurck zu den Lemuriern. Bei den Lemuriern gab esnoch nicht das, was der Mensch von heute die Liebe nennt. EineLiebe zwischen Mann und Weib war nicht vorhanden. Es entstandwohl die Sexualitt; aber die Liebe sollte erst spter die Sexualittheiligen. Die Liebe im heutigen Sinne war auch bei den Atlantiernnoch nicht vorhanden. Erst als das persnliche Element jene Wich-tigkeit erlangt hatte, erst da konnte sich die Liebe entwickeln. ImAusgange der lemurischen Zeit gab es in gewissen Gegenden eineigentmliches System. Es wurde systematisch eine in bestimmtenGegenden lebende Menschheit in vier Gruppen geteilt. Dies wurdeso aufgefat, da niemals ein Mensch der ersten Gruppe - sagenwir der Gruppe A - einen Menschen aus der Gruppe B heiratendurfte. Es muten sich verheiraten Menschen der Gruppe A mitMenschen der Gruppe C und Menschen der Gruppe B mit Men-schen der Gruppe D. Dadurch wurde die persnliche Willkr ver-mieden, das heit, es wurde dadurch das Persnliche ausgeschlos-sen. Es war diese Einteilung im Dienste der ganzen Menschheitgetroffen. Damals war nichts darinnen von persnlicher Liebe. Erstlangsam entwickelte sich die persnliche Willkr in der Liebe; daswar nmlich die Liebe, die ganz auf den physischen Plan herunter-kam, und dies wurde damals erst vorbereitet. Je weiter Sie zurck-gehen in der Zeit, umso mehr werden Sie finden, da die Erotikeine geringe Rolle spielt. Auch in der ersten Zeit der griechischenDichter spielt sie fast keine Rolle. Aber sie spielt eine besondereRolle in der deutschen Dichtung des Mittelalters. Sie sehen da dieLiebe in zweierlei Gestalt dargestellt, Sie sehen dargestellt die Liebeals Minne und als Begierde. Die Schicksale, die Siegfried erleidenmute, waren die Folge der Hereinziehung des Persnlichen. Ge-

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 42

  • hen Sie zurck nach Rom, und Sie werden finden, da da die Ehenach ganz anderen Grundstzen geschlossen wurde. Auch in Grie-chenland hat man im Anfang keine persnliche Liebe gekannt; sieentstand erst spter.

    Dann kam das Christentum nach Mitteleuropa. Wir haben gese-hen, da in Mitteleuropa in der ersten Zeit das Christentum mitAufrechterhaltung des Alten eingefhrt wurde. Langsam verwan-delte sich die Vorstellung der Gestalt des Baidur in die Vorstellungder Gestalt des Christus. Das ging durch mehrere Generationenhindurch; Bonifatius fand deshalb schon einen vorbereitetenBoden.

    Die Sage vom Knig Artus und seiner Tafelrunde verband sichallmhlich mit der Sage vom heiligen Gral. Diese Verbindung istherbeigefhrt worden durch einen wirklichen Initiierten des 13.Jahrhunderts, durch Wolfram von Eschenbach. Die Siegfried-Initiation war noch die alte Initiation. Dabei spielte noch die welt-liche Ritterschaft eine Rolle und die Gefahr, durch das Element derBegierde und der Eigenliebe verraten zu werden. Erst wenn mandieses Element berwunden hatte, erst wenn man es ganz von sichabgetan hatte und wenn man vom Prinzip der weltlichen Ritter-schaft zum Prinzip der geistigen Ritterschaft aufgestiegen war,dann konnte man die geistige Initiation erreichen. Das stellt Wolf-ram von Eschenbach im Parzival dar. Zuerst gehrt Parzival demweltlichen Rittertum an. Sein Vater ist durch Verrat bei dem Zugnach dem Orient ums Leben gekommen. Dem liegt zugrunde, dader Vater schon nach hherer Initiation gesucht hat; aber weil ernoch das Element der alten Initiation innehatte, wurde er verraten.Durch seine Mutter Herzeleide sollte Parzival entfremdet werdendem physischen Plan; eine Narrenkappe setzte sie ihm auf. Den-noch wird Parzival erfat von dem Strome des weltlichen Ritter-tums und kommt so an den Hof des Knigs Artus. Da Parzivalbestimmt ist fr die christliche Strmung, wird uns angedeutetdadurch, da er nach der Burg des heiligen Gral kommt. Es ist ihmeine wichtige Lehre mitgegeben worden: nicht viel zu fragen. Diesbedeutet nichts anderes, als den Ruhepunkt in seinem Innern zu

    A *?Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 4 3

  • finden, innere Ruhe und Frieden gefunden zu haben und nichtmehr neugierig durch die uere Welt zu gehen. Parzival fragt auchnicht, als er Einla will in die Burg. Er wird daher zuerst abgewie-sen. Dann aber kommt er doch zum kranken Amfortas. Er wirddurch die christliche Initiation hher gefhrt.

    Wo Sie Wolfram von Eschenbach aufschlagen, Sie werden ber-all finden, da er ein Eingeweihter war. Er hat diese zwei Sagen-kreise verbunden, weil er wute, da das schon geschehen war, waswir die Vereinigung der Artus-Loge mit der Grals-Loge nennen.Die Artus-Loge ist ganz in der Grals-Loge aufgegangen.

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  • FNFTER VORTRAGBerlin, 22. Juli 1904

    Reinkarnation

    Heute mchte ich zu Ihnen von etwas sprechen, das in einem fer-neren Zusammenhang steht mit dem, was ich Ihnen schon frhergesagt habe. Trotzdem die theosophische Bewegung seit 29 Jahrenbesteht, ist es doch immer noch so, da die Grundlehren oft mi-verstanden werden. Zum Beispiel wird die Lehre von der Reinkar-nation von denen, die vielleicht niemals etwas anderes als denNamen oder ein paar Begriffe gehrt haben, vielfach so aufgefat,als lehrten wir die Seelenwanderung durch die verschiedenstenKrper und auch durch Tierleiber hindurch. Es wird uns diesgewissermaen zum Vorwurf gemacht.

    Die Wiederverkrperung in Tierkrpern ist in gypten und inGriechenland gelehrt worden, und wir knnen nicht umhin zusehen, da sie auch in Indien als eine uerliche Lehre immer wie-der zu finden ist. Es ist richtig, und es darf nicht bestritten werden:In den esoterischen Lehren ist berall davon die Rede, da das, waswir heute die menschliche Seele nennen, durch Entwicklungssta-dien hindurchgegangen ist, welche in tierischen Leibern sich ab-gespielt haben sollen. Besonders bekrftigt scheint das zu werdendurch einen Umstand, der auf der anderen Seite hchst interessantist, nmlich dadurch, da weitaus die grte Zahl aller Mrchen,Sagen und Fabeln eigentlich ursprnglich auf Indien zurckfhren.Wenn Sie die Tierfabeln und sonstigen Mrchenerzhlungen derverschiedensten Lnder Europas durchgehen, so werden Sie zwarkleinere oder grere Vernderungen vorfinden, Sie werden abersehen, da der Grundstock vieler europischer Mrchen sich in denalten indischen Bchern findet. Das ist fr uns nicht zu verwun-dern, da doch die Kulturen gemeinsam zur fnften Wurzelrassegehren, die sich von der Wste Gobi ber gypten und Grie-chenland nach Europa herber verbreitete. Da die Initiierten der

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 4 5

  • verschiedenen Vlker die Lehren in Form von Fabeln darlegten,ist fr uns nicht wunderbar. Doch mssen wir uns klar machen,welche Bedeutung diejenigen Fabeln haben, die in der Tierweltsich abspielen. Von daher wird Ihnen das Reinkarnationsproblemin einer neuen Beleuchtung erscheinen, die noch nicht allgemeinbekannt sein drfte.

    Die indische Kultur hat sich ber die ganze Welt verbreitet,auch wenn sie heute als etwas Fremdes empfunden wird. Sie mgendas daran erkennen, da Buddha frh unter die Reihe der katholi-schen Heiligen aufgenommen worden ist, und zwar unter demNamen Josaphat. Das geschah vor vielen Jahrhunderten. DurchJohannes von Damaskus, der den ganzen EntwicklungsgangBuddhas in der Heiligenlegende schildert, konnte die innere LehreBuddhas in das katholische Christentum aufgenommen werden.Nur die uere Ausprgung des Buddhismus wurde abgelehnt. Dassoll Ihnen ein Licht darauf werfen, welche ungeheure Bedeutungdie indische Kultur fr die ganze fnfte Wurzelrasse hat.

    Es gibt eine groe Sammlung von vielen hundert Fabeln, dieJatakam-Sammlung. So wie diese Fabeln in den verflossenen Jahr-hunderten in Indien verbreitet worden sind, spielte immer Buddhadarin eine Rolle. Da wird uns erzhlt, da Buddha als dieses oderjenes Tier verkrpert war, wie er als dieses oder jenes Tier da unddort gelebt hat, wie er sich innerhalb der Tierwelt benommen hatund wie er sich daran erinnert. Und dann kommt gewhnlich einemoralische Lehre, wie man sich in hnlichen Fllen zu verhaltenhabe. Als ein vorzgliches Erziehungsmittel fr Knigsshne galtdie Form der Fabel. Auch in Europa drfte diese pdagogischeMethode angewendet worden sein.

    Sie alle kennen die Erzhlung, da, wenn man in den Mondschaut, darin eine Tierfigur zu sehen ist. Jedenfalls sehen mancheLeute darin eine Tierfigur; am verbreitetsten ist ein Hase. Die Artund Weise, wie der Hase in den Mond gekommen ist, wird inverschiedener Weise erzhlt. Auch das fhrt zurck auf die indi-sche Fabelsammlung Jatakam. Einstmals in seinen vielen Leben warBuddha ein Hase, er lebte im Walde und hatte drei Freunde. Sein

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  • erster Freund war ein Schakal, sein zweiter Freund ein Affe undsein dritter Freund ein Fischotter. Er wohnte also mit diesen dreiTieren zusammen und war als Hase schon damals ein sehr vorge-rcktes Wesen, so da er die Tiere in der verschiedensten Weiseunterrichten konnte. Er gab ihnen Lehren und lehrte sie vor allenDingen, da man die Festtage heiligen und an den Festtagen Opferdarbringen solle. Er sagte ihnen: Ihr mt vor allem danach trach-ten, von dem, was ihr zur Nahrung habt, etwas zu ersparen, unddas mt ihr abgeben an diejenigen, die als Bittende zu euch kom-men, damit auch sie in wrdiger Weise am Festtage die Opfergabendarbringen knnen. Nun kam ein Festtag heran. Eines der Tiereging in eine benachbarte Gegend und fand, da die Leute damitbeschftigt waren, Fische als Speise zusammenzutragen. Nachdemdie Leute sich entfernt hatten, dachte das Tier: Da kann ich mirdoch etwas nehmen. Ich will mich aber doch schtzen, dachte esdann und sprach: Gehrt jemand diese Speise? - Da sich niemandmeldete, nahm es von der Speise. Ebenso machte es das zweite Tierund dann auch das dritte Tier. Nun kamen die vorhergesagten Tageder Feste. Da verkleidete sich der Gott Indra als Brahmane undging, die verschiedenen Tiere zu besuchen. Indra kam zu dem er-sten Tier und fragte: Kannst du mir nicht etwas Nahrung geben zuder Opferung? - Das Tier erzhlte, wie es die Nahrung gefundenhabe. Da sagte Indra: Ich will wieder zurckkommen und mir dannetwas davon nehmen. - Ebenso ging er dann zum zweiten und zumdritten Tiere. Der Hase aber hatte etwas Gras gefressen und sagtesich: Wenn jemand jetzt zu mir kommt, um mich um etwas zubitten, so kann ich ihm doch kein Gras geben; ich werde michselbst ihm als Nahrung anbieten. - Als nun Indra zu ihm kam undihn um eine Gabe ansprach, da sagte der Hase: Ich habe nichts, wasich dir geben kann, aber ich biete mich selbst dir als Speise an.Mache ein Feuer, du wirst mich rsten knnen, um mich dann zuverspeisen. Ich bitte dich nur, da dabei keines der Insekten, wel-che sich bei mir finden mgen, zugrunde geht. - Indra sah daran,wie vorgerckt der Hase in moralischer Beziehung war und be-wirkte, da das Feuer ihm nichts anhaben konnte, so da der Hase

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 4 7

  • vllig unversehrt blieb. Als der Hase den Gott Indra so vor sichhatte, da sagte er: O weiser Gott Indra, bleibe da, wir wollen zu-sammen die Lehre verkndigen. - Und der Gott Indra antwortete:Ja, wir wollen sie so verkndigen, da sie niemals mehr ausgelschtwerden kann whrend dieses ganzen Weltalters. - Und er nahmeinen Stift und zeichnete einen Hasen auf den Mond, der nun sicht-bar ist whrend des ganzen Weltalters.

    Das ist also die Fabel von Buddha, der als Hase in die Tierweltversetzt ist und der sich vllig selbst hinopfert. Diese Fabel ist ganzdazu angetan, sich tief einzugraben in die Geister derjenigen, denensie erzhlt wurde, um sie dadurch vorzubereiten fr eine sptereInkarnation, damit die Seelen reif wurden, die Wahrheit dann selbstzu suchen. Das ist berhaupt der Sinn der Fabeln gewesen. Ur-sprnglich wurden nicht Fabeln erzhlt wie heute, wo man garnicht wei, warum ein Tier so oder so handelt. Man hat vielmehrdarauf gezhlt, da die Menschen whrend des Erzhlens in ihrenVorstellungen gewisse Bilder erlebten, die auf den Kausalkrperwirken und im nchsten Leben als Sinn fr die Wahrheit aufgehen.Fabeln wurden nicht erzhlt, um den Menschen einen sthetischenGenu zu bieten, sondern um die Seelen vorzubereiten, da sie,wenn sie dann nach vielen Jahren wiedergeboren werden, so prpa-riert sind, da sie die Wahrheit leichter aufnehmen knnen. Wenneine solche Fabel diese Bedeutung haben soll, wenn sie gleichsamdie geistige Form schaffen soll, um spter die reine Wahrheit auf-nehmen zu knnen, so mu sie in sich selbst reine Wahrheit haben,sonst werden im Astralkrper und im Kausalkrper der Menschennicht solche Schwingungen erregt, die sie befhigen, spter diewirkliche Wahrheit aufzunehmen. Gerade in dieser Fabel liegt aberein so ungemein tiefer Sinn, und sie ist so fein dichterisch geprgt,da wir ber die alten Rishis - wenn wir nicht wten, da siedurch Devas unterrichtete Mnner waren - uns sehr verwundernmten. Und auch wundern mten wir uns, wenn wir nichtwten, da diese Fabel zusammenhngt mit einer Grundtatsache,nmlich mit der Beziehung der Menschenseele zu allen brigenWesenheiten in der Natur.

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 4 8

  • Nun bedenken Sie, wie sich der ganze Vorgang unseres Erden-lebens abgespielt hat. Wir sind jetzt in der vierten Runde, diesergingen voran die dritte, zweite und erste Runde. In der erstenRunde waren wir Menschen alle schon vorhanden, aber nicht in derForm, in der wir jetzt vorhanden sind. Wir hatten eine wesentlichandere Form. Wir kamen als Pitris von einem frheren Planetenherber und begannen unseren Erdenlauf in der ersten Runde. Dagingen wir durch das Mineralreich hindurch. Wir waren als Pitrisimstande, an den Formen des Mineralreiches mitzuarbeiten, diedamals geschaffen worden sind. Das Mineralreich hat dazumalganz anders ausgesehen als heute; keine Kristallformen waren da;alle physischen Stoffe waren in einem mineralisch-elementarischenZustand, auch das, woraus die Menschen-, Tier- und Pflanzenleibergeworden sind. In dieser ersten Runde lebten noch nicht Pflanzen,noch nicht Tiere, noch nicht Menschen - wenn wir die uereForm bercksichtigen -, alles lebte da seelisch, aber noch nicht inder Form. Die Formen, die damals in der ersten Runde geschaffenworden sind und die dann zum Knochensystem geworden sind,haben sich die Pitris als einen mineralischen Unterbau vorbereitet.

    In der zweiten Runde bereiteten sich die Pitris ihren pflanz-lichen Unterbau vor. Alles das, was spter modelliert wurde zumVerdauungs- und Atmungssystem, war noch nicht so gestaltet wieheute, aber es war vorbereitet als Unterbau. Daneben bildete sichdas Mineralreich als eine Art selbstndiges Wesen weiter. Ein selb-stndiges Mineralreich entstand dadurch, da nicht alles, was ineiner Runde gebildet worden ist, brauchbar war, um in die hhereStufe der Pflanzen aufgenommen zu werden. Das wurde abgeson-dert. Nun bitte ich Sie, den Vorgang in seiner ganzen Bedeutungzu erkennen. Die Menschen bildeten dazumal ihren pflanzlichenUnterbau. Wrden wir whrend der zweiten Runde nur alle dieSubstanzen haben, die whrend der ersten Runde gebildet wordensind, so wrden wir niemals einen hheren Pflanzenbau erreichthaben. Whrend der zweiten Runde haben wir, als menschlichePitris, eine eminent egoistische Handlung ausgefhrt. Wir habenuns gleichsam gesagt, wir wollen herausnehmen aus dem Brei, was

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 4 9

  • wir brauchen knnen, und das, was fr unsere Weiterentwicklungnichts taugt, lassen wir drauen. Wir haben in der Pitri-Kultur dasMineralreich aus uns herausgeworfen. Wir haben uns hher ent-wickelt auf Kosten des Mineralreiches.

    In der dritten Runde stieen wir dann das Pflanzenreich ab alseine Wesenheit fr sich. Da entstanden erst die Pflanzen. Wir saug-ten alles auf, was wir brauchten, um unsere Systeme so zu bilden,da wir Kama aufbauen und eine Blutzirkulation bekommenkonnten. Dadurch haben wir uns in das Tierreich erhoben undhaben andere Wesen in das Pflanzenreich hinabgestoen. Wir ha-ben uns in der dritten Runde das Tierreich erkmpft. Das damaligeTierreich ist aber nicht zu vergleichen mit irgendeiner Form, dieheute besteht.

    Whrend der vierten Runde haben wir uns zu Menschen entwik-kelt, indem wir das, was wir brauchen konnten, wiederum in ganzegoistischer Weise herausgenommen haben aus dem Tierreich. Dasandere haben wir ausgesondert, und das Ausgesonderte wurde dasheutige Tierreich.

    Wir haben uns also whrend der ersten Runde zunchst alsmineralische Wesen entwickelt. Whrend der zweiten Runde habenwir das Mineralreich abgesondert, whrend der dritten Runde dasPflanzenreich und whrend der vierten Runde das Tierreich. Wassind die Mineralien, die Pflanzen und die Tiere? Die Mineralien,die Pflanzen und die Tiere sind die aus uns selbst herausgestellten,einstmals mit uns verbundenen Entwicklungselemente unsererNatur. Alles, was wir nicht haben brauchen knnen, haben wir derErde bergeben, damit es sich selbstndig entwickeln knne. ber-blicken wir das Tierreich, so ist es dasselbe, was von uns herausge-stellt worden ist, das noch in der dritten Runde mit uns eins war.Nun sagt der Okkultist: Was du heute erblickst im Tierreich, dasist nichts von dir Getrenntes, das ist etwas, was noch in der drittenRunde in dir selbst war und in dir gewaltet hat. Im Laufe dervierten Runde hast du es aus dir herausgeworfen. Die Wut desSchakals, die List des Fuchses sind deine kamischen Elemente. Ausder List, die in dir war, ist der Fuchs geschaffen, die Wut, die du

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 50

  • hattest, hat den Schakal gemacht. So ist das ganze Tierreich deineeigene Kamawelt. Du selbst hast die Tierwelt gestaltet und geschaf-fen. Was heute im Tierreich physisch geworden ist, das sind dieVorgnge innerhalb deines eigenen Kamakrpers whrend der drit-ten Runde gewesen. Blicke auf die Tiere und du blickst auf deineeigene Vergangenheit. - Wir haben diese Stufen erreicht, indem wirandere unter uns zurckgelassen haben. So erkaufen wir auch jetzteine hhere Stufe der Vollkommenheit dadurch, da wir anderezurckstoen. Jeder Asket erkauft seine eigene Vervollkommnungdadurch, da er einen anderen Menschen in umso blindere Sinnen-wut hineinstrzt. Das ist eine ewige Notwendigkeit.

    Immer vorwrts und vorwrts schreitet die ganze Entwicklung.Das Mineralreich, das whrend der ersten Runde herausgebildetworden ist, hat sich whrend der zweiten und dritten Runde selb-stndig entwickelt und in der vierten Runde die Formen angenom-men, die wir heute kennen. Es wird in der fnften Runde nichtmehr existieren, es wird zerstieben am Ende der vierten Runde, eswird abfallen, wie von einem Baume die verdorrte Borke abfllt. Inder nchsten Runde, der fnften, wird dann das Pflanzenreich dasniederste sein, in der darauf folgenden das Tierreich, und in dersiebenten Runde wird nur noch der Mensch da sein.

    Die Mineralien sind als Formen auf der hchsten Entwicklungs-stufe angelangt. Der Stoff derselben ist ganz gleichgltig. Durch dieVerwandlung der zerstiebten Formen wird er eine andere Strukturbekommen und die Urform zu einem neuen Weltsystem bilden.Am Schlsse der siebenten Runde wird das Menschenreich auf-gelst sein. Das ist der Fall, wenn der Stoff seine normale Entwick-lung durchgemacht hat. Wir haben jedes Reich erkauft durch Ab-sonderung des vorhergehenden. Damit die Menschen so werdenkonnten, muten sie das Mineralreich, das Pflanzenreich und dasTierreich durch Abstoung aus sich herauslassen. Wir sind jetztetwas ber der Mitte eines Kaipas - eines Weltalters - hinaus. DieEntwicklung in der zweiten Hlfte besteht darin, da wir das, waswir frher ausgestoen haben, wieder in uns hineinnehmen und aufhheren Stufen verarbeiten mssen. Das mu geschehen mit dem

    Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 9 2 Seite: 51

  • Tierreich, dem Pflanzenreich und dem Mineralreich. Im Tierreichhaben wir wie in einem groen Tableau ausgebreitet unsere Lei-denschaften.

    Einen astralen Vorgang, der sich in uns abspielt, knnen wir insTierreich versetzen, wenn wir Fabeln erzhlen. Wir knnen alsoHandlungen im Tierreich erzhlen, und wir erzhlen unsere eige-nen Leidenschaften. Und wenn wir die berwindung einer Leiden-schaft im Tier erzhlen, so erzhlen wir die berwindung einerLeidenschaft in uns selbst. Der Okkultist ist sich klar darber, daer, indem er von seinem eigenen Leibe erzhlt, von dem erzhlt,was er selbst geformt hat, denn wir haben ja erst whrend dervierten Runde unsere Leiber gebildet. In Kama leben wir jetzt, undder Kampf von Kama mit Manas stellt sich uns jetzt dar. Blickenwir hinauf zu hheren Etappen, so bereiten wir eine ethischeHherentwicklung vor. Sind unsere Vorstellungen verkn