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Universitätsstrasse 150, D-44780 Bochum SS 2011 SS 2011 1. Auflage MASTERPraktikum RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM · 2011. 4. 19. · Universitätsstrasse 150, D-44780 Bochum 2011 SS 2011 1. Auflage MASTERPraktikum RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

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  • Universitätsstrasse 150, D-44780 Bochum

    SS2011

    SS 2011

    1. Auflage

    MASTERPraktikum

    RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

  • Allgemeine Hinweise

    Das Master-Praktikum Kommunikationstechnik gliedert sich in vier Versuche, welche die

    Inhalte der Vorlesungen „Schaltungstheorie“ und „Nachrichtentechnik“ weiter vertiefen.

    Die Praktikumsversuche sind jeweils drei Phasen untergliedert:

    1. Vorbereitung auf den theoretischen Teil des Versuchs anhand der Unterlagen.

    2. Praktische Durchführung des Versuchs und Erstellung eines Messprotokolls.

    3. Schriftliche Auswertung der Versuchsergebnisse.

    Vor dem Praktikum ist der theoretische Teil zu erlernen und die gestellten Vorbereitungs-

    aufgaben sind vollständig zu bearbeiten. Werden zu Beginn der Versuchsdurchführung bei

    einem Studierenden grobe inhaltliche oder formale Mängel in der schriftlichen Vorbereitung

    festgestellt oder sind essentielle Verständnislücken vorhanden, so kann der Versuch nicht

    durchgeführt werden. Es wird dann ein Ersatztermin gegen Ende des Semesters angeboten,

    der beispielsweise auch im Falle einer Krankheit in Anspruch genommen werden kann. Für

    das gesamte Praktikum wird nur ein Ersatztermin angeboten.

    Bei der Vorbereitung, Protokollierung und Auswertung sind gewisse Grundregeln des

    wissenschaftlichen und ingenieurgemäßen Arbeitens einzuhalten, wie ein sauberes Schriftbild

    in geordneten Zeilen und mit einem Lineal gezogene Linien. Wer hierbei Schwierigkeiten hat,

    kann die Unterlagen auch in Maschinenschrift anfertigen. Die Vorbereitungsaufgaben sind

    von jedem Teilnehmer einzeln anzufertigen, bei Protokollierung und Auswertung genügt eine

    Anfertigung je Gruppe. Die Schriftstücke sind geordnet und strukturiert mit Datum und

    Namen des Schreibers bzw. der Gruppe abzugeben. Insbesondere ist die in den Praktikums-

    unterlagen vorgegebene Nummerierung einzuhalten. Der Auswertung ist das Messprotokoll

    beizufügen und alle gemessenen Verläufe sind zu beurteilen und zu kommentieren. Ein

    schwer wiegender Verstoß gegen diese Regeln führt zur Nichterteilung des Testates. Liegt die

    schriftliche Auswertung nicht spätestens drei Wochen nach der Durchführung des Versuchs

    in einer bewertbaren Form vor, so wird das Testat ebenfalls nicht erteilt. Sind Korrekturen

    in der Ausarbeitung erforderlich, so müssen diese innerhalb von zwei Wochen eingearbeitet

    werden.

    Sollten sich bei der Bearbeitung der Aufgaben Unklarheiten oder Probleme ergeben, die

    der Studierende nicht selbstständig lösen kann, helfen die Betreuer des jeweiligen Prakti-

    kums – innerhalb ihrer Sprechstunden – gerne weiter. Gleiches gilt natürlich auch für die

    Auswertung der Versuchsergebnisse.

  • Versuchsverzeichnis

    Fernmeldekabel NT-V1

    Nichtlineare Verzerrungen NT-V2

    Reaktanzeintore NT-V3

    Reaktanzzweitore NT-V4

  • Versuch NT-V1: Fernmeldekabel

    Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 2

    2 Die Leitungsgleichungen 22.1 Leitungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Ersatzschaltbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    3 Verhalten der Leitung bei sinusförmiger Anregung 53.1 Entkopplung des DGL-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63.2 Die Lösung der gewöhnlichen Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . 73.3 Fortpflanzungskonstante und Wellenübertragungsmaß . . . . . . . . . . . . . 93.4 Reflexionsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103.5 Näherungslösungen für verschiedene Frequenzbereiche . . . . . . . . . . . . . 113.6 Kettenmatrix der Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.7 Eingangsimpedanz einer Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173.8 Messung von Leitungskenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    4 Verhalten der elektrischen Leitung bei impulsförmiger Anregung 194.1 Bestimmung des Typs und der Entfernung einer Störstelle . . . . . . . . . . 23

    5 Nebensprechen 245.1 Kopplungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255.2 Berechnung der kapazitiven Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265.3 Berechnung der induktiven Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

    6 Messaufgaben 286.1 Messungen bei pulsförmigem Signal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286.2 Messungen im eingeschwungenen Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    Literaturverzeichnis 33

    NT-V1 - 1

  • 1 Einleitung

    Mit dem Praktikumsversuch Fernmeldekabel soll veranschaulicht werden, welchen Einflüssenein Signal bei der Übertragung auf einem Fernmeldekabel ausgesetzt ist. Die Studierendensollen mit den wichtigsten Kenngrößen einer Leitung vertraut gemacht werden und die-se insbesondere im Hinblick auf ihre Frequenzabhängigkeit untersuchen. Im ersten Teildieses Umdrucks wird ein Ersatzschaltbild für ein kurzes Leitungsstück entwickelt, mitdessen Hilfe die sogenannten Telegrafengleichungen hergeleitet werden können. Für denwichtigen Spezialfall des eingeschwungenen Zustands bei sinusförmiger Anregung wird eineLösung dieser Leitungsgleichungen ermittelt. Zudem werden die wichtigsten Kenngrößeneiner Leitung vorgestellt. Im zweiten Teil wird das Verhalten der Leitung bei Anregungmit einem impulsförmigen Signal betrachtet. Es handelt sich hierbei um die Grundlage derReflektometrie, mit deren Hilfe man sich einen schnellen Überblick über den Typ einer Stör-stelle (z. B. Kabelbruch oder Kurzschluss) verschaffen kann. Weiterhin ist eine Abschätzungder Entfernung einer Störstelle möglich. Im dritten Teil wird schließlich auf das bekanntePhänomen des Nebensprechens, d. h. den Einfluss benachbarter Leitungen auf die betrachteteLeitung, eingegangen. Im Text sind insgesamt 8 Vorbereitungsaufgaben enthalten, die vonallen Versuchsteilnehmern schriftlich zu bearbeiten sind.

    2 Die Leitungsgleichungen

    2.1 Leitungsarten

    Die drahtgebundene Nachrichtentechnik arbeitete anfänglich nur mit Freileitungen. Diesesind kostengünstig, haben jedoch den Nachteil, dass sie allen klimatischen Schwankungen(Temperatur, Regen usw.) ausgesetzt sind. Im Laufe der Zeit haben sich daher die betriebs-sicheren Kabel durchgesetzt. In einem Kabel befinden sich mehrere mit einer Kunststoff-Isolation versehene Kupferdrähte, die so genannten Adern, von denen jeweils zwei zu einemSprechkreis gehören. Üblicherweise werden vier solcher Adern miteinander verseilt. BeimSternvierer haben die vier Adern an jeder Stelle des Viererseils die gleiche Lage zueinanderund sind so angeordnet, dass sich die zu einem Paar gehörenden Adern gegenüberliegen(Bild 1a). Wegen der größeren Kapazitäten hat der Sternvierer vorwiegend im regionalenBereich Bedeutung. Für Fernleitungen wird dagegen fast ausschließlich der Dieselhorst-Martin-Vierer verwendet, bei dem in getrennten Arbeitsgängen zunächst je zwei Adern zueinem Paar verseilt und anschließend die beiden Paare zu einem Vierer verseilt werden. Diezwei Paare haben somit an jeder Stelle des Viererseils eine andere Lage zueinander (Bild 1b).Im Normalfall enthält ein Kabel nicht nur einen Vierer, sondern um den innersten Vierer, dieso genannte Kabelseele, herum werden in mehreren Lagen weitere Vierer angeordnet. In derersten Lage haben 6 Vierer Platz, in der zweiten 12 und in jeder weiteren Lage jeweils 6 Vierermehr (Bild 2). Außer den Paralleldrahtleitungen werden in zunehmendem Maße Kabelmit koaxialen Leitungen verwendet. Ihr Vorteil ist, dass sie sich – insbesondere bei hohenFrequenzen – selbst abschirmen. Die Paralleldrahtleitungen und die Koaxialleitungen habengemeinsam, dass sie einen Leiter für die eine Stromrichtung und isoliert davon einen Leiterfür die Gegenrichtung besitzen. Es ist daher möglich, ein gemeinsames Ersatzschaltbild fürdie beiden Leitungstypen anzugeben.

    NT-V1 - 2

  • a)

    b)

    Bild 1: Anordnung der Adern im Sternvierer (a) und im Dieselhorst-Martin-Vierer (b)

    1

    2

    8 910

    113

    45

    6

    7Kabelseele

    1. Lage

    2. Lage

    Bild 2: Anordnung der Vierer in einem Kabel

    2.2 Ersatzschaltbild

    Die elektromagnetische Energie breitet sich auf einer Leitung wellenförmig aus. Zur Be-rechnung der Zeit- und Ortsabhängigkeit von Strom und Spannung entlang der Leitungwird die Leitung nach Bild 3a als Kaskade von vielen kurzen Leitungselementen der Län-ge Δx betrachtet. Für ein solches Leitungselement kann dann mithilfe der Kirchhoff-Gleichungen der Zusammenhang zwischen den Eingangs- und Ausgangsgrößen ermitteltwerden. Dabei muss allerdings vorausgesetzt werden, dass die Leitung homogen ist. Dasheißt, die Ausbreitungsbedingungen des elektromagnetischen Feldes müssen längs der Lei-tung konstant sein. Dazu gehören unter anderem der Abstand der Leiter, die Leitfähigkeitder Leiter, die Dielektrizität und die Permeabilität im Raum zwischen den Leitern. Infolgeder Ströme in den Leitungsdrähten wird in diesen und um sie herum ein magnetisches Feldaufgebaut, das einen magnetischen Fluss zur Folge hat. Das Leitungsstück der Länge Δx hatdaher eine Induktivität, die sich aus der Beziehung vom erzeugten Fluss zum erzeugendenStrom berechnen lässt. Zwischen den einzelnen Leitern gibt es außerdem eine Kapazität. DasBild 3b zeigt eine Ersatzschaltung des kurzen Leitungsstücks, in dem neben der Induktivitätund der Kapazität auch die Verluste der Doppelleitung berücksichtigt sind. Die Werte R′,L′, G′ und C ′ werden Leitungsbeläge genannt. Es handelt sich hierbei um längenbezogeneGrößen. Bezieht man R′ z. B. auf einen Kilometer Kabellänge, so lautet die Einheit desWiderstandsbelags Ω/km. Der Strom und die Spannung sind sowohl Funktionen der Zeit t

    NT-V1 - 3

  • als auch des Ortes x:

    u = u(x,t) und i = i(x,t) .

    Durch Anwendung der Kirchhoff-Maschenregel erhält man aus dem Bild 3b die folgendeGleichung:

    u(x,t) +Δu = u(x,t) − L′Δx∂i(x,t)∂t

    −R′Δx i(x,t)

    ⇔ ΔuΔx

    = −L′∂i(x,t)∂t

    − R′i(x,t) . (1)

    Führt man den Grenzübergang Δx → 0 durch, so folgt daraus die partielle Differentialglei-

    a)

    b)

    i1(t) = i(0,t) i2(t) = i(l,t)

    u1(t) = u(0,t) u2(t) = u(l,t)

    l

    x

    x

    Δx

    Δx

    u(x,t)

    u(x,t)

    i(x,t)

    i(x,t) i(x,t) +ΔiR′Δx L′Δx

    G′Δx C ′Δx u(x,t) +Δu

    x+Δx

    Bild 3: Man betrachtet die Leitung der Länge l als Kaskade von vielen kurzen Leitungselementender Länge Δx. Für jedes dieser Leitungselemente lässt sich dann die darunter abgebildeteErsatzschaltung mit den Leitungsbelägen R′, L′, G′ und C ′ angeben.

    chung:

    −∂u∂x

    = L′∂i

    ∂t+R′i . (2)

    Mit der Kirchhoff-Knotenregel erhält man die entsprechende Beziehung für den Strom i:

    i(x,t) +Δi = i(x,t) − C ′Δx∂ [u(x,t) +Δu]∂t

    −G′Δx [u(x,t) +Δu] .

    NT-V1 - 4

  • Wird diese Gleichung durch Δx dividiert und Gleichung (1) eingesetzt, so ergibt sich:

    Δi

    Δx= −C ′∂u(x,t)

    ∂t−G′u(x,t)

    +Δx

    {C ′L′

    ∂2i(x,t)

    ∂t2+ [C ′R′ +G′L′]

    ∂i(x,t)

    ∂t+G′R′i(x,t)

    }.

    Hieraus folgt mit dem Übergang Δx→ 0

    − ∂i∂x

    = C ′∂u

    ∂t+G′u. (3)

    Die Gleichungen (2) und (3) stellen zusammen ein System partieller Differentialgleichungen1.Ordnung dar. Leitet man nun in (2) auf beiden Seiten nach x und in (3) nach t ab, soergeben sich die Beziehungen

    −∂2u

    ∂x2= L′

    ∂2i

    ∂t∂x+R′

    ∂i

    ∂x(4)

    und − ∂2i

    ∂t∂x= C ′

    ∂2u

    ∂t2+G′

    ∂u

    ∂t. (5)

    Setzt man nun Gleichung (5) in (4) ein, so erhält man:

    ⇒ ∂2u

    ∂x2= L′C ′

    ∂2u

    ∂t2+ L′G′

    ∂u

    ∂t− R′ ∂i

    ∂x

    In diese Gleichung wird anschließend Gleichung (3) eingesetzt, so dass folgende partielleDifferentialgleichung 2.Ordnung entsteht:

    ∂2u

    ∂x2= L′C ′

    ∂2u

    ∂t2+ [L′G′ +R′C ′]

    ∂u

    ∂t+R′G′u . (6)

    Diese Differentialgleichung stellt eine der beiden Telegrafengleichungen dar. Die andere Te-legrafengleichung ist die entsprechende Differentialgleichung 2.Ordnung, welche man erhält,wenn man die Beziehungen (2) und (3) in Abhängigkeit vom Strom i(x,t) zusammenfasst.

    3 Verhalten der Leitung bei sinusförmiger Anregung

    Im vergangenen Abschnitt konnte man sehen, dass das Verhalten der Spannung auf einer Lei-tung durch eine lineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung beschrieben werdenkann. Wie man im vorherigen Abschnitt sehen konnte, lässt sich für die homogene Leitungeine lineare Ersatzschaltung angeben. Da ferner die Leitung bei sinusförmiger Anregungim eingeschwungenen Zustand betrachtet werden soll, kann die komplexe Wechselstrom-rechnung verwendet werden. Die Gleichungen (2) und (3) lassen sich in komplexer Formdurch

    −∂U∂x

    = jωL′I +R′I (7)

    und

    −∂I∂x

    = jωC ′U +G′U (8)

    darstellen.

    NT-V1 - 5

  • 3.1 Entkopplung des DGL-Systems

    Zur Lösung des Systems gekoppelter Differentialgleichungen (7) und (8) werden die Glei-chungen entkoppelt. Hierzu werden zwei neue komplexwertige und ortsabhängige VariablenA(x) und B(x) mit der Dimension einer Spannung eingeführt

    A : = U + ZI (9)B : = U − ZI . (10)

    In Matrizenschreibweise lauten die Gleichungen (9) und (10)[AB

    ]=

    [1 Z1 −Z

    ] [UI

    ]. (11)

    Die inverse Darstellung dieser Transformation ist[UI

    ]=

    1

    2

    [1 11Z

    − 1Z

    ] [AB

    ]. (12)

    Das DGL-System in den Gleichungen (7) und (8) mit p = jω

    − ∂∂x

    [UI

    ]=

    [0 R′ + pL′

    G′ + pC ′ 0

    ] [UI

    ](13)

    geht mit Gleichung (12) über in

    − ∂∂x

    [UI

    ]= −1

    2

    [1 11Z

    − 1Z

    ]∂

    ∂x

    [AB

    ]

    =1

    2

    [0 R′ + pL′

    G′ + pC ′ 0

    ] [1 11Z

    − 1Z

    ] [AB

    ].

    Hierbei haben wir die komplexe Größe Z, die auch als Wellenwiderstand bezeichnet wird,als vom Ort x unabhängig angenommen. Die letzte Gleichung führt unmittelbar auf dieBeziehung

    − ∂∂x

    [AB

    ]=

    1

    2

    [1 Z1 −Z

    ] [0 R′ + pL′

    G′ + pC ′ 0

    ] [1 11Z

    − 1Z

    ] [AB

    ].

    Die Auswertung des dreifachen Matrizenproduktes bringt zunächst[R′+pL′Z

    −R′+pL′Z

    G′ + pC ′ G′ + pC ′

    ]

    und dann

    1

    2

    ⎡⎣ R

    ′+pL′Z

    + (G′ + pC ′)Z (G′ + pC ′)Z − R′+pL′Z

    R′+pL′Z

    − (G′ + pC ′)Z −(R′+pL′Z

    + (G′ + pC ′)Z)

    ⎤⎦ . (14)

    NT-V1 - 6

  • Die Bedingung für die gewünschte Entkopplung beider Gleichungen ist

    (G′ + pC ′)Z − R′ + pL′

    Z= 0 (15)

    oder Z2 =R′ + pL′

    G′ + pC ′. (16)

    Wird für Z die positive Wurzel gewählt, so ergibt sich:

    Z =

    √R′ + pL′

    G′ + pC ′. (17)

    Die Festlegung der Größe Z in dieser Weise leistet mit den Transformationsgleichungen dieerwünschte Entkopplung des DGL-Systems. Als Quotient von Impedanz- zu Admittanzbelagist Z2 bei einer homogenen Leitung eine örtlich konstante Größe, die freilich von der Frequenzabhängig ist. Übrig bleibt dann der Ausdruck

    γ :=1

    2

    ((G′ + pC ′)Z +

    R′ + pL′

    Z

    )= (G′ + pC ′)Z =

    √(R′ + pL′)(G′ + pC ′) . (18)

    Die Größe γ wird auch als Fortpflanzungskonstante bezeichnet. Als Produkt aus Admittanz-und Impedanzbelag ist γ bei einer homogenen Leitung ebenfalls eine örtlich konstante,jedoch frequenzabhängige Größe.Damit lauten die entkoppelten Differentialgleichungen

    − ∂∂x

    [AB

    ]=

    [γ 00 −γ

    ] [AB

    ]. (19)

    3.2 Die Lösung der gewöhnlichen Differentialgleichungen

    Beide Differentialgleichungen (DGLn) sind gewöhnlich, linear, homogen und besitzen längsder Leitung den konstanten Koeffizienten γ. Somit kann man die Lösung einer DGL auf dieandere übertragen.Bei Trennung der Variablen ergibt sich aus der ersten Differentialgleichung

    A(x)∫A(0)

    dA

    A= − γ

    ∫ x0

    d ζ

    lnA(x)

    A(0)= − γ(x)

    A(x) = A(0)e−γx . (20)

    Entsprechend wird die zweite DGL durch Gleichung (21) gelöst

    B(x) = B(0)e+γx . (21)

    NT-V1 - 7

  • In der übersichtlichen Matrixschreibweise gewinnen wir[A(x)B(x)

    ]=

    [e−γx 00 eγx

    ] [A(0)B(0)

    ]. (22)

    Im stationären Zustand erhalten wir den Zeitverlauf a(x,t) aus der Gleichung

    a(x,t) = Re A(x) ept . (23)

    Für sinusförmige Schwingungen an jedem Ort x der Leitung setzen wir p = jω und benutzenaus Gleichung (22)

    A(x) = e−γxA(0) . (24)

    Wir erhalten nun

    a(x,t) = Re A(0) e−γx ejωt . (25)

    Für die rücklaufende Welle b(x,t) gehen wir ähnlich vor, und erhalten zunächst

    b(x,t) = Re B(x) ept . (26)

    Setzen wir nun Gleichung (21) ein, so ergibt sich

    b(x,t) = Re B(0) eγx ejωt . (27)

    Die Spannung u(x,t) längs der Leitung ergibt sich zu

    2u(x,t) = a(x,t) + b(x,t) . (28)

    In diese Beziehung werden die Gleichungen (25) und (27) eingesetzt und man erhält

    u(x,t) =1

    2Re{A(0) e−γx ejωt +B(0) eγx ejωt

    }. (29)

    Diese Spannung u(x,t) setzt sich aus dem Spannungsanteil der hinlaufenden Welle uh(x,t)und dem Spannungsanteil aus der rücklaufenden Welle ur(x,t) zusammen. Es ist also:

    u(x,t) = uh(x,t) + ur(x,t) , (30)

    wobei

    uh(x,t) =1

    2a(x,t) =

    1

    2Re A(0) e−γx ejωt = Re

    {Uhe

    −γx ejωt}

    (31)

    und

    ur(x,t) =1

    2b(x,t) =

    1

    2Re B(0) eγx ejωt = Re

    {Ure

    γx ejωt}. (32)

    NT-V1 - 8

  • Hierbei ist Uh die komplexe Amplitude des Spannungsanteils der hinlaufenden und Ur diekomplexe Amplitude des Spannungsanteils der rücklaufenden Welle. Zwischen den komple-xen Amplituden der Spannungsanteile und den komplexen Amplituden der Wellengrößenbestehen also folgende Zusammenhänge:

    Uh =1

    2A(0) , (33)

    Ur =1

    2B(0) . (34)

    Die komplexe Amplitude der Spannung kann man auch als

    U(x) = Uhe−γx + Ureγx (35)

    schreiben. Bildet man die Differenz aus (9) und (10), so ergibt sich

    2ZI(x) = A(x) − B(x) .

    Eine Division durch 2Z führt auf

    I(x) =1

    2Z(A(x) − B(x)) .

    In diese Gleichung wird nun (22) eingesetzt und man erhält

    I(x) =1

    2Z

    (e−γxA(0) − eγxB(0)) . (36)

    Unter Ausnutzung der Gleichungen (33) und (34) ergibt sich

    I(x) =1

    Z

    (e−γxUh − eγxUr

    ). (37)

    Dies kann durch

    I(x) = e−γxIh − eγxIr (38)

    mit

    Ih =UhZ, Ir =

    UrZ

    (39)

    ausgedrückt werden.

    3.3 Fortpflanzungskonstante und Wellenübertragungsmaß

    Wie stark die Welle gedämpft wird, lässt sich anhand des Eigenwertes γ aus Gleichung (18)ermitteln, welcher auch Fortpflanzungskonstante1 heißt:

    γ =√

    [jωL′ +R′][jωC ′ +G′] = α + jβ .

    1Tatsächlich ist γ eine Funktion von jω, die aber bezüglich des Ortes x konstant ist. Zur Entlastung derSchreibweise wird im Folgenden auf die korrektere Schreibweise γ(jω) verzichtet und lediglich γ verwendet.Entsprechend wird auch beim Real- und Imaginärteil von γ verfahren.

    NT-V1 - 9

  • Der Realteil von γ wird Dämpfungskonstante α und der Imaginärteil Phasenkonstante βgenannt. Wie man durch Einsetzen in die hinlaufende Welle uh(x,t) erkennt, entsprichtnämlich das Produkt aus α und der Länge x der Dämpfung a(x) und das Produkt aus βund x der Phasendrehung b(x):

    uh(x,t) = Re{Uh e−γxejωt} = Re{Uh e−[α+jβ]xejωt}= Re{Uh e−[a(x)+jb(x)]ejωt} = Re{Uh e−a(x)ej[ωt+b(x)]} .

    (40)

    Das Produkt der Fortpflanzungskonstante γ mit der Länge x heißt Wellenübertragungsmaßund wird mit g(x) bezeichnet. Es gilt

    g(x) = γx = aNp(x) + jbph(x) . (41)

    Da γ von ω abhängt, sind sowohl die Dämpfung als auch die Phasendrehung frequenz-abhängig. Aus (40) folgt, dass die Dämpfung aNp(x) dem logarithmierten Verhältnis ausder Amplitude der Spannung uh(0,t) am Leitungsanfang und der Amplitude der Spannunguh(x,t) an der Stelle x entspricht:

    aNp(x) = αx = lnmax |uh(0,t)|max |uh(x,t)| in Np .

    Die Einheit dieser Dämpfung heißt Neper. Heutzutage wird die Dämpfung häufiger in Dezibelangegeben, welche man erhält, wenn anstelle des natürlichen Logarithmus der dekadischeLogarithmus lg verwendet wird:

    adB(x) = 20 lgmax |uh(0,t)|max |uh(x,t)| in dB .

    Vorbereitungsaufgabe 3.1:

    Laut CCI (Comité Consultatif International) ist für eine Fernsprechleitung eine Dämpfungvon aNp(x) = 4.6 Neper noch zulässig [Artu57].

    a) Auf wie viel Prozent ihres Sendewertes max |uh(0,t)| ist die Spannung max |uh(x,t)|abgesunken, wenn sie um 4.6 Neper gedämpft worden ist?

    b) Wie groß ist diese Dämpfung in dB?

    3.4 Reflexionsfaktor

    Der Reflexionsfaktor (l) gibt das Verhältnis der komplexen Amplitude des Strom- bzw.Spannungsanteils der reflektierten Welle zur entsprechenden komplexen Amplitude der ein-fallenden Welle am Leitungsende x = l an:

    (l) =Ure

    γl

    Uhe−γl=

    Ireγl

    Ihe−γl.

    Durch Einsetzen in die Gleichungen (35) bzw. (38) erhält man daraus die Beziehungen:

    U(l) = Uhe−γl + Ureγl = Uhe−γl[1 + (l)]

    bzw. I(l) = Ihe−γl − Ireγl = Ihe−γl [1 − (l)] .

    NT-V1 - 10

  • Wenn die Leitung am Ende mit dem Widerstand ZA abgeschlossen ist, gilt

    ZA =U(l)

    I(l)=Uhe

    −γl[1 + (l)]Ihe−γl[1 − (l)] = Z

    1 + (l)

    1 − (l) ,

    wobei Z der Wellenwiderstand aus (17) ist. Diese Beziehung lässt sich in eine Bestimmungs-gleichung für den Reflexionsfaktor (l) umformen:

    (l) =ZA − ZZA + Z

    .

    Vorbereitungsaufgabe 3.2:

    Welchen Wert nimmt der Reflexionsfaktor (l) bei

    a) Leerlauf (ZA → ∞),b) Anpassung (ZA = Z) und

    c) Kurzschluss (ZA → 0)an?

    3.5 Näherungslösungen für verschiedene Frequenzbereiche

    Wenn die Frequenz ω nahezu null ist, gilt R′ � ωL′ und G′ � ωC ′, so dass sich dieErsatzschaltung aus dem Bild 3b zu der Ersatzschaltung im Bild 4a vereinfachen lässt. Aufdiesen Fall wird hier allerdings nicht eingegangen, da schon bei Frequenzen von wenigenHertz der Leitungsbelag G′ gegenüber ωC ′ vernachlässigbar ist. Die zu diesem Fall gehörigeErsatzschaltung zeigt Bild 4b. Bis zum mittleren Sprachfrequenzbereich2 gilt somit nähe-

    a) ω ≈ 0 b) bis mittlere Sprachfrequenzen c) höhere Frequenzen

    R′ΔxR′Δx

    G′Δx C ′ΔxC ′Δx

    L′Δx

    Bild 4: Vereinfachte Ersatzschaltungen des Leitungselements für verschiedene Frequenzbereiche

    rungsweise

    γ ≈√R′jωC ′ =

    √ωR′C ′ ejπ/4 = [1 + j]

    √1

    2ωR′C ′ . (42)

    2Kommerzielle Sprachübertragung, bei der es nur auf Verständlichkeit ankommt, erfordert gemäßCCITT-Empfehlung einen Frequenzbereich von 300 Hz bis 3.4 kHz [Flei73].

    NT-V1 - 11

  • Daraus folgt für die Dämpfungskonstante α und die Phasenkonstante β

    α ≈ β ≈√

    1

    2ωR′C ′ . (43)

    Der Wellenwiderstand Z vereinfacht sich mit den Annahmen R′ � ωL′ und ωC ′ � G′ zu

    Z ≈√

    R′

    jωC ′=

    √R′

    ωC ′e−jπ/4 . (44)

    Wird ein Kabel bei höheren Frequenzen genutzt, so macht sich der induktive Widerstandzunehmend bemerkbar, und es gilt das Ersatzschaltbild im Bild 4c. Die Bestimmung derNäherungslösung für die Konstanten γ, α und β erfordert einige Zwischenschritte. Zunächststellt man das Quadrat der Fortpflanzungskonstante γ mit Betrag und Phase dar:

    γ2 = [R′ + jωL′][G′ + jωC ′] =√

    [R′2 + ω2L′2][G′2 + ω2C ′2] ej[ϕL+ϕC ]

    mit ϕL = arctan(ωL′

    R′

    )und ϕC = arctan

    (ωC ′

    G′

    ).

    Für die Fortpflanzungskonstante γ gilt somit

    γ = 4√

    [R′2 + ω2L′2][G′2 + ω2C ′2] ej[ϕL+ϕC ]/2

    = 4√

    [R′2 + ω2L′2][G′2 + ω2C ′2][cos

    (ϕL + ϕC

    2

    )+ j sin

    (ϕL + ϕC

    2

    )]= α + jβ .

    Wegen ωL′ � R′ und ωC ′ � G′ ist es sinnvoll, die Winkel ϕL und ϕC in der folgendenWeise auszudrücken:

    ϕL =π

    2− arctan

    (R′

    ωL′

    )bzw. ϕC =

    π

    2− arctan

    (G′

    ωC ′

    ).

    Für kleine Argumente gelten die Näherungen

    arctan

    (R′

    ωL′

    )≈ R

    ωL′und arctan

    (G′

    ωC ′

    )≈ G

    ωC ′.

    Mit

    cos

    (ϕL + ϕC

    2

    )≈ cos

    2−[R′

    2ωL′+

    G′

    2ωC ′

    ])= sin

    (R′

    2ωL′+

    G′

    2ωC ′

    )≈ R

    2ωL′+

    G′

    2ωC ′

    erhält man somit für den Realteil von γ, d. h. für die Dämpfungskonstante α, die Approxi-mation

    α =4√ω2L′2ω2C ′2 cos

    (ϕL + ϕC

    2

    )≈ 2

    √ω2L′C ′

    [R′

    2ωL′+

    G′

    2ωC ′

    ]=R′

    2

    √C ′

    L′+G′

    2

    √L′

    C ′,

    die sich wegen der bei Kabeln gültigen Beziehung R′ � G′ weiter zu

    α ≈ R′

    2

    √C ′

    L′(45)

    vereinfachen lässt.

    NT-V1 - 12

  • Vorbereitungsaufgabe 3.3:

    Erläutern Sie anhand der Beziehung (45), weshalb es durch den Einsatz konzentrierterInduktivitäten möglich ist, die Reichweite von Kabelverbindungen zu erhöhen. WelchenNachteil hat dieses Verfahren, das auch als Pupinisierung bezeichnet wird?

    Der Imaginärteil von γ, d. h. die Phasenkonstante β, ergibt sich bei hohen Frequenzenwegen

    sin

    (ϕL + ϕC

    2

    )≈ cos

    (R′

    2ωL′+

    G′

    2ωC ′

    )≈ 1 (46)

    näherungsweise zu

    β =4√ω2L′2ω2C ′2 sin

    (ϕL + ϕC

    2

    )≈ 2

    √ω2L′C ′ = ω

    √L′C ′ . (47)

    Die Näherungslösung der Fortpflanzungskonstante γ lautet somit für hohe Frequenzen

    γ ≈ R′

    2

    √C ′

    L′+ jω

    √L′C ′ . (48)

    Der Wellenwiderstand Z nimmt mit ωL′ � R′ und ωC ′ � G′ den Wert

    Z ≈√

    jωL′

    jωC ′=

    √L′

    C ′. (49)

    an. Bei hohen Frequenzen ist der Wellenwiderstand Z folglich näherungsweise reell undkonstant. Die angegebene Näherung ist im Fall R′ = 0 und G′ = 0 sogar exakt, derWellenwiderstand einer verlustfreien Leitung folglich stets reell.

    Vorbereitungsaufgabe 3.4:

    Im Bild 5 sind die Ortskurven des Wellenwiderstands Z und der Fortpflanzungskonstante γeiner Leitung mit den Leitungsbelägen

    R′ = 74 Ω/km , L′ = 600μH/km , C ′ = 37 nF/km und G′ = 1μS/km

    abgebildet. In den Bildern 6 und 7 sind die zugehörige Dämpfungskonstante α und diePhasenkonstante β in Abhängigkeit von der Frequenz f doppelt logarithmisch dargestellt.

    1. Zeichnen Sie in die obere Teilgrafik des Bildes 5 die Näherungslösung (44) für denmittleren Frequenzbereich. Berechnen und markieren Sie außerdem den Wert

    √L′/C ′,

    gegen den die Ortskurve bei hohen Frequenzen strebt.

    2. Zeichnen Sie die Näherungslösungen (42) und (48) der Ortskurve der Fortpflanzungs-konstante γ in die untere Teilgrafik des Bildes 5 .

    3. Zeichnen Sie die Näherungslösungen (43) und (45) bzw. (43) und (47) in die Bilder 6und 7.

    4. Stellen die berechneten Näherungslösungen gute Approximationen der Kurven dar?

    NT-V1 - 13

  • Im(Z) in Ω

    f bzw. ω

    Re(Z) in Ω

    −500

    −1000

    −1500

    −2000

    −2500

    1000 2000 3000 4000

    0 0,5 1 1,5 20

    0,5

    1

    1,5

    2

    2,5

    3

    3,5

    4Im(γ) in km−1

    Re(γ) in km−1

    f bzw. ω

    Bild 5: Ortskurven des Wellenwiderstands Z und der Fortpflanzungskonstante γ

    NT-V1 - 14

  • α(f) in km−1

    f in Hz

    10−1

    10−2

    101 102 103 104 105

    Bild 6: Doppelt logarithmische Darstellung der Dämpfungskonstanten α

    β(f) in km−1

    f in Hz

    100

    10−1

    10−2

    101 102 103 104 105

    Bild 7: Doppelt logarithmische Darstellung der Phasenkonstanten β

    NT-V1 - 15

  • 3.6 Kettenmatrix der Leitung

    Betrachtet man die Leitung der Länge l als Zweitor (Bild 8), so entspricht die Spannung u1der Spannung u(0,t) am Leitungsanfang und der Strom i1 dem Strom i(0,t) bei x = 0. Inkomplexer Darstellung ergibt sich für den eingeschwungenen Zustand:

    U1 = [Uh + Ur] ,

    I1 =1

    Z[Uh − Ur] .

    Die Größen U2 und I2 sind gleich der Spannung bzw. dem Strom bei x = l:

    U2 = Uhe−γl + Ureγl ,

    I2 =1

    Z[Uhe

    −γl − Ureγl] .

    r

    E

    ZE 1 2

    1′ 2′

    U1 U2

    I1 I2

    ZAW1

    Leitung

    Bild 8: Interpretation einer Leitung als Zweitor

    Man kann folgende Matrixbeziehungen aufstellen:[U1Z I1

    ]=

    [1 11 −1

    ] [UhUr

    ](50)

    bzw. [U2Z I2

    ]=

    [e−γl eγl

    e−γl −eγl] [

    UhUr

    ]. (51)

    Löst man die letzte Beziehung nach Uh und Ur auf, so ergibt sich:[UhUr

    ]=

    1

    2

    [eγl eγl

    e−γl −e−γl] [

    U2Z I2

    ].

    Einsetzen in (51) führt zu der Darstellung[U1Z I1

    ]=

    1

    2

    [1 11 −1

    ] [eγl eγl

    e−γl −e−γl] [

    U2Z I2

    ].

    Daraus ergibt sich die Kettenmatrix des Zweitors zu[U1I1

    ]=

    [cosh(γl) Z sinh(γl)sinh(γl)/Z cosh(γl)

    ] [U2I2

    ]. (52)

    NT-V1 - 16

  • 3.7 Eingangsimpedanz einer Leitung

    Die Eingangsimpedanz der Leitung im Bild 8 ist

    W1 =U1I1. (53)

    Aus (52) erhält man die Beziehungen

    U1 = U2 cosh(γl) + I2Z sinh(γl)

    I1 = I2 cosh(γl) +U2Z

    sinh(γl) .

    Daraus folgt mit ZA = U2/I2 die Eingangsimpedanz

    W1 =U2 cosh(γl) + I2Z sinh(γl)

    I2 cosh(γl) +U2Z

    sinh(γl)

    = Z

    U2I2

    + Zsinh(γl)

    cosh(γl)

    Z +U2I2

    sinh(γl)

    cosh(γl)

    = ZZA + Z tanh(γl)

    Z + ZA tanh(γl). (54)

    Wie bei der Reflexion sind auch bei der Eingangsimpedanz die folgenden Sonderfälle vonbesonderem Interesse:

    • Leerlauf: ZA → ∞ W1L = Z coth(γl)• Anpassung: ZA = Z W1 = Z• Kurzschluss: ZA → 0 W1K = Z tanh(γl)

    .

    Vorbereitungsaufgabe 3.5:

    Der Wellenwiderstand Z und die Dämpfung a(l) = α l einer Leitung sind bekannt. Bestim-men Sie die Kurzschluss-Eingangsimpedanz W1K in Abhängigkeit von Z und a(l), wenn dieLänge der Leitung

    a) l = λ/2 bzw.

    b) l = λ/4

    beträgt.

    Hinweis:Nutzen Sie die Zusammenhänge

    λ =2π

    βund tanh(γl) =

    tanh(αl) + j tan(βl)

    1 + tanh(αl)j tan(βl).

    3.8 Messung von Leitungskenngrößen

    Der Betrag und die Phase der Leerlauf-Eingangsimpedanz und der Kurzschluss-Eingangs-impedanz sind leicht messbar. Die Beziehungen

    W1L = |W1L|ejϕL = Z coth(γl)und W1K = |W1K|ejϕK = Z tanh(γl)

    NT-V1 - 17

  • werden deswegen häufig zur Bestimmung des Wellenwiderstandes Z verwendet. Dieser ent-spricht dem geometrischen Mittel aus W1L und W1K:

    Z =√

    |W1L||W1K| ej[ϕL+ϕK]/2 = |Z|ejϕz . (55)

    Die Dämpfung a(l) und die Phase b(l) können ebenfalls aus den gemessenen Eingangsimpe-danzen bei Leerlauf und Kurzschluss ermittelt werden. Dazu werden die Beziehungen

    tanh(g(l)) = tanh(γl) =

    √|W1K||W1L| e

    j[ϕK−ϕL]/2 = Mg ejψg (56)

    und

    g(l) = aNp(l) + jbph(l)

    verwendet. Führt man die Leerlauf- und Kurzschlussmessungen für mehrere Frequenzendurch, so kann man Z und g(l) bzw. aNp(l) und bph(l) in Abhängigkeit von den interessie-renden Frequenzen bestimmen.

    Bisher wurden die Leitungsbeläge wie konstante Größen behandelt. Tatsächlich hängenR′, L′, G′ und C ′ jedoch von der Frequenz ab. R′ steigt – bedingt durch den Skineffekt –mit zunehmender Frequenz an. Dasselbe gilt für G′, da bei höheren Frequenzen auch diedielektrischen Verluste ansteigen. Der Induktivitätsbelag L′ nimmt bei steigender Frequenzleicht ab. Der Grund hierfür ist die Stromverdrängung durch den Skin-Effekt, vgl. [ZB86].In Bild 9 erkennt man, dass der Induktivitätsbelag und der Widerstandsbelag eines kurzenLeitungsstücks der Länge Δx aus der Kurzschluss-Eingangsimpedanz W1K ermittelt werdenkönnen. Im Kurzschlussfall fällt nämlich an den Elementen G′ und C ′ keine Spannung ab.Die daraus resultierende Beziehung

    R′Δx L′Δx

    G′Δx C ′ΔxW1K

    Bild 9: Liegt am Ende des kurzen Leitungsstücks ein Kurzschluss vor, so fällt an den Leitungsbe-lägen G′ und C ′ keine Spannung ab. In diesem Fall können die Leitungsbeläge R′ und L′

    direkt aus der Kurzschluss-Eingangsimpedanz W1K bestimmt werden.

    W1K = R′Δx+ jωL′Δx

    kann näherungsweise auch für längere Leitungsstücke verwendet werden. Die Leitungslängedarf allerdings nicht größer als λ/20 sein, da sonst der Einfluss der Wellenausbreitung dieErgebnisse verfälscht [Flei73]. Für kurze Leitungen der Länge l gilt somit

    [R′ + jωL′]l ≈W1K . (57)

    NT-V1 - 18

  • Vorbereitungsaufgabe 3.6:

    Eine 2-mm-Kabelleitung der Länge l = 5 km hat bei einer Frequenz von f = 1,4 kHz eineKurzschlussimpedanz von W1K = [58,5 + j26,4] Ω.

    a) Wie groß ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit v der elektromagnetischen Welle auf derLeitung, wenn εr = 1,95 und μr = 1 gilt?

    b) Bestimmen Sie die Wellenlänge λ.

    c) Bis zu welcher Leitungslänge lmax gilt die Näherung (57)?

    d) Ermitteln Sie die Leitungsbeläge R′ und L′.

    4 Verhalten der elektrischen Leitung bei impulsförmigerAnregung

    In den folgenden Abschnitten wird nicht mehr der eingeschwungene Zustand betrachtet,sondern es wird untersucht, was geschieht, wenn die Leitung mit einem Spannungsimpulsangeregt wird. Hierzu betrachten wir zunächst noch einmal die Gleichungen (2) und (3), diesich umgestellt zu

    ∂u

    ∂x+ L′

    ∂i

    ∂t+R′i = 0 , (58)

    ∂i

    ∂x+ C ′

    ∂u

    ∂t+G′u = 0 (59)

    ergeben. Stellt man die Spannung und den Strom durch

    u(x,t) =1

    2(a+ b)

    und

    i(x,t) =1

    2Z(a− b)

    dar, so ergibt sich für Gleichung (59):

    ∂a

    ∂x− ∂b∂x

    + C ′Z(∂a

    ∂t+∂b

    ∂t

    )+ ZG′(a+ b) = 0 , (60)

    Auf ähnliche Weise erhält man für Gleichung (58):

    ∂a

    ∂x+∂b

    ∂x+L′

    Z

    (∂a

    ∂t− ∂b∂t

    )+R′

    Z(a− b) = 0 . (61)

    Die Addition der beiden Gleichungen (60) und (61) ergibt

    2∂a

    ∂x+

    (C ′Z+

    L′

    Z

    )∂a

    ∂t+

    (ZG′+

    R′

    Z

    )a+

    (C ′Z−L

    Z

    )∂b

    ∂t+

    (ZG′−R

    Z

    )b = 0. (62)

    NT-V1 - 19

  • Subtrahiert man hingegen diese beiden Gleichungen, so erhält man

    2∂b

    ∂x−(C ′Z+

    L′

    Z

    )∂b

    ∂t−(ZG′+

    R′

    Z

    )b−

    (C ′Z−L

    Z

    )∂a

    ∂t−(ZG′−R

    Z

    )a = 0. (63)

    Eine Entkopplung der Gleichungen erhält man, wenn man den Fall einer verlustfreienLeitung (R′ = 0 = G′) betrachtet. Die Gleichung (17) vereinfacht sich hierbei zu

    Z =

    √L′

    C ′. (64)

    Ferner wird

    v : =1√L′C ′

    (65)

    gewählt. Es ergibt sich somit:

    C ′Z =√L′C ′ =

    1

    v=

    √L′C ′ =

    L′

    Z.

    Die Gleichungen (62) und (63) vereinfachen sich damit zu:

    ∂a

    ∂x+

    1

    v

    ∂a

    ∂t= 0 , (66)

    ∂b

    ∂x− 1v

    ∂b

    ∂t= 0 . (67)

    Diese partiellen Differentialgleichungen können wir in gewöhnliche Differentialgleichungenumwandeln, indem wir zunächst die neuen Variablen

    ξ = x+ vt und η = x− vt

    sowie deren Ableitung nach x und t einführen.

    ∂ξ

    ∂x=∂η

    ∂x= 1 und

    ∂ξ

    ∂t= −∂η

    ∂t= v.

    Für die Größe a ergibt sich hierbei zunächst

    da

    dx=∂a

    ∂ξ

    dx︸︷︷︸=1

    +∂a

    ∂η

    dx︸︷︷︸=1

    (68)

    und

    da

    dt=∂a

    ∂ξ

    dt︸︷︷︸=v

    +∂a

    ∂η

    dt︸︷︷︸=−v

    . (69)

    NT-V1 - 20

  • Dividiert man die Gleichung (69) durch v und addiert diese zu Gleichung (68), so ergibtsich unter Verwendung von Gleichung (66) folgende gewöhnliche DGL:

    2∂a

    ∂ξ=

    da

    dx+

    1

    v

    da

    dt= 0 . (70)

    Auf ähnliche Weise verfährt man, um eine gewöhnliche DGL nach b zu erhalten. Hierbei giltwieder:

    db

    dx=∂b

    ∂ξ+∂b

    ∂η(71)

    und

    db

    dt= v

    (∂b

    ∂ξ− ∂b∂η

    ). (72)

    Nun dividiert man die Gleichung (72) durch v und subtrahiert diese von Gleichung (71).Mit Hilfe der Gleichung (67) führt dies auf folgende gewöhnliche DGL:

    2∂b

    ∂η=

    db

    dx− 1v

    db

    dt= 0 . (73)

    Integriert man die Gleichungen (70) und (73) so erhält man:

    a(ξ,η) = 2f(η) = 2f(x− vt) ,b(ξ,η) = 2h(η) = 2h(x+ vt) .

    Die Spannung und den Strom kann man nun sehr leicht durch

    u(x,t) =1

    2(a+ b) = f(x− vt) + h(x+ vt) = uh(x− vt) + ur(x+ vt) ,

    i(x,t) =1

    2Z(a− b) = 1

    Z[f(x− vt) − h(x+ vt)] = 1

    Z[uh(x− vt) − ur(x+ vt)]

    bestimmen, wobei

    uh(x− vt) = f(x− vt)

    der Spannungsanteil der hinlaufenden und

    ur(x+ vt) = h(x+ vt)

    der Spannungsanteil der rücklaufenden Welle ist. Schließt man die verlustfreie Leitung miteinem ohmschen Widerstand RA ab, so folgt aus den obigen Beziehungen

    u(l,t) = RAi(l,t) ⇐⇒ RA [uh(l − vt) − ur(l + vt)] = Z [uh(l − vt) + ur(l + vt)]

    NT-V1 - 21

  • bzw.

    ur(l + vt) =RA − ZRA + Z

    uh(l − vt) = (l) uh(l − vt) ,

    wobei (l) der schon bekannte Reflexionsfaktor ist. Gibt man nun einen Spannungsimpulsauf die Leitung, so läuft dieser zunächst zum Ende der Leitung und entspricht in dieser Zeitder hinlaufenden Welle uh(x − vt). Am Leitungsende wird er – mit dem Reflexionsfaktorgewichtet – reflektiert und läuft danach wieder zurück zum Anfang der Leitung. Ist derAbschlusswiderstand RA kleiner als der Wellenwiderstand Z, so gilt für den Reflexionsfaktor

    (l) =RA − ZRA + Z

    = −|(l)| .

    Da beide Widerstände RA und Z positiv sind, gilt hierbei

    |(l)| < 1 .In diesem Fall hat die reflektierte Welle ur(x+ vt) somit die entgegengesetzte Polarität vonuh(x−vt) und eine kleinere Amplitude. Ist der Spannungsimpuls wieder am Leitungsanfangangekommen, wird er dort erneut reflektiert und läuft anschließend wieder in entgegenge-setzter Richtung auf das Leitungsende zu.

    u(x,t)

    u(x,t)

    u(x,t)

    x = 0

    x = 0

    x = 0

    uh(x− vt)

    ur(x+ vt)l

    l

    l

    x

    x

    x

    RA < Z

    Bild 10: Ist der Abschlusswiderstand RA kleiner als der Wellenwiderstand Z, so hat die reflektierteWelle ur(x + vt) eine kleinere Amplitude als die hinlaufende Welle uh(x − vt) sowie dieentgegengesetzte Polarität.

    NT-V1 - 22

  • In den drei Sonderfällen Leerlauf, Anpassung und Kurzschluss gilt:

    • Leerlauf: (l) → 1 ur(l + vt) = uh(l − vt) ⇒ gleiche Polarität,gleiche Amplitude

    • Anpassung: (l) = 0 ur(l + vt) = 0 ⇒ es wird kein Spannungs-impuls reflektiert

    • Kurzschluss: (l) → −1 ur(l + vt) = −uh(l − vt) ⇒ entgegengesetzte Polarität,gleiche Amplitude.

    Die theoretischen Betrachtungen im verlustlosen Fall sind Grundlage für die Reflek-tometrie, die besonders bei der fast verlustfreien Koaxialleitung detaillierten Aufschlussüber den Typ des Abschlusswiderstands und eventuell vorhandener Störstellen gibt. Beimverlustbehafteten Fernmeldekabel ist diese Methode eingeschränkt, weil der Impuls bei derÜbertragung sowohl in der Amplitude als auch in der Phase durch die Verluste beeinflusstwird. Man beobachtet z. B. ein Abnehmen in der Höhe und ein Auseinanderfließen desImpulses. Trotzdem bietet auch hier die Reflektometrie den Vorteil eines schnellen Über-blicks über das Verhalten einer Kabelverbindung gegenüber der Methode der Messung miteinzelnen Frequenzen.

    u(x)

    x = 0

    u(0)

    l x

    Bild 11: Bei der Übertragung auf einem verlustbehafteten Fernmeldekabel wird der Impuls sowohlin der Amplitude als auch in der Phase durch die Verluste beeinflusst.

    Vorbereitungsaufgabe 4.1:

    Ein Spannungsimpuls wird auf eine verlustfreie Leitung gegeben, die

    a) mit dem Widerstand RA = 2Z bzw.

    b) mit dem Widerstand RA = Z/2

    abgeschlossen ist, wobei Z der (reelle) Wellenwiderstand ist. Zeichnen Sie den Impuls ent-sprechend zum Bild 10 jeweils vor und nach der Reflexion.

    4.1 Bestimmung des Typs und der Entfernung einer Störstelle

    Ob eine Störstelle einen Kabelbruch oder einen Kurzschluss darstellt, lässt sich direkt ausder Polarität des reflektierten Impulses erkennen: Bei einem Leerlauf liegt gleiche Polaritätvor. Bei einem Kurzschluss erhält man dagegen entgegengesetzte Polarität.

    NT-V1 - 23

  • Zur Bestimmung der Entfernung einer Störstelle misst man mit einem Oszilloskop dieZeit t0 zwischen dem Eingangsimpuls und dem reflektierten Impuls. Wegen des Auseinander-fließens des Impulses sollte man die Zeit an den Vorderflanken der beiden Impulse messen.Die Entfernung s bis zum Reflexionspunkt ergibt sich aus den Beziehungen

    s =vt02

    und v =1√με

    ,

    wobei v die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Grundwelle des Impulses auf der Leitungbezeichnet.

    5 Nebensprechen

    Nebensprechen ist eine ungewollte Energieübertragung von einem Adernpaar auf ein be-nachbartes Adernpaar. Dabei leidet nicht nur die Übertragungsgüte im gestörten Adernpaar,sondern auch die Güte im störenden Adernpaar, da das Nebensprechen für dieses Adernpaareinen Energieverlust darstellt. Je nachdem, ob sich der störende Sender und der gestörteEmpfänger am gleichen oder am entgegengesetzten Ende des Übertragungssystems befinden,spricht man von Nahnebensprechen oder Fernnebensprechen.

    Die Nebensprechdämpfung entspricht dem logarithmierten Verhältnis aus der vom stö-renden Adernpaar gesendeten Leistung P1 und der vom gestörten Adernpaar am MesspunktUn,Nah bzw. Un,Fern empfangenen Leistung Pn:

    aNp =1

    2ln

    (P1Pn

    )bzw. adB = 10 lg

    (P1Pn

    ). (74)

    Um die Nebensprechdämpfung weiter umformen zu können, wird im Folgenden von derAnnahme ausgegangen, dass die Wellenwiderstände der Leitungen reell sind.3 Das heißt, eswerden verzerrungsfreie Leitungen vorausgesetzt, welche die Beziehung R′C ′ = G′L′ erfüllen.Diese Annahme gilt für den gesamten Abschnitt 5.

    Sind die Abschlusswiderstände, wie im Bild 12 dargestellt, gleich den Wellenwiderständender Leitungen4, so entspricht die gesendete Leistung P1 der Maximalleistung

    Pmax =|E|24Z1

    ,

    und die empfangene Leistung ergibt sich zu

    Pn =|Un|2Zn

    .

    3Diese Vorgehensweise ist auch in der Literatur üblich, siehe z.B. [Schm76].4Wenn die Wellenwiderstände der Leitungen nicht reell sind, müssen die Innenwiderstände der Span-

    nungsquellen gleich den Wellenwiderständen und die Abschlusswiderstände konjugiert komplex zu denWellenwiderständen sein, damit Leistungsanpassung vorliegt. Die Maximalleistung entspricht in diesemFall dem Ausdruck

    Pmax =|E|2

    4 Re Z1.

    NT-V1 - 24

  • a) b)

    EE U1U1 Z1Z1 Z1Z1

    Z1Z1

    ZnZn ZnZn ZnZn UnUn

    Leitung 1Leitung 1

    Leitung nLeitung n

    Nahnebensprechen Fernnebensprechen

    Bild 12: Nebensprechen ist eine ungewollte Energieübertragung von einem Adernpaar (Leitung 1)auf ein benachbartes Adernpaar (Leitung n). Befinden sich der störende Sender undder gestörte Empfänger am gleichen Ende des Übertragungssystems, so spricht manvon Nahnebensprechen (links). Befinden sich der störende Sender und der gestörteEmpfänger an unterschiedlichen Enden des Übertragungssystems, so handelt es sich umFernnebensprechen (rechts).

    Daraus resultieren die Darstellungen

    aNp =1

    2ln

    ( |E|24|Un|2

    ZnZ1

    )= ln

    ( |E|2|Un|

    )+

    1

    2ln

    (ZnZ1

    )(75)

    bzw.

    adB = 10 lg

    ( |E|24|Un|2

    ZnZ1

    )= 20 lg

    ( |E|2|Un|

    )+ 10 lg

    (ZnZ1

    ). (76)

    Diese Darstellungen sind für die Messung der Nebensprechdämpfung günstiger als die in(74), weil sich Spannungen leichter messen lassen als Leistungen.

    5.1 Kopplungsarten

    Zur elektrischen Energieübertragung sind drei Kopplungsarten geeignet:

    • die galvanische Kopplung,• die kapazitive Kopplung und• die induktive Kopplung.

    Alle drei Kopplungsarten können allerdings auch zur ungewollten Energieübertragung, d. h.zum Nebensprechen, beitragen. Während die galvanische Kopplung nur bei defekter Isolationin der Leitung auftritt, ist eine kapazitive oder induktive Kopplung – je nach Leitungsaufbau– immer mehr oder weniger stark vorhanden.

    NT-V1 - 25

  • 5.2 Berechnung der kapazitiven Kopplung

    Zur Berechnung der Nebensprechdämpfung bei kapazitiver Kopplung stellt man die kapa-zitive Kopplung vereinfacht durch zwei Kondensatoren dar, siehe Bild 13. Diese Schaltungentspricht näherungsweise der im Bild 14 dargestellten Ersatzschaltung.

    U1

    U1

    U2

    Z1

    Zn Zn

    C1 C2

    Leitung 1

    Leitung n (gestört)

    Bild 13: Vereinfachte Darstellung der kapazitiven Kopplung durch zwei Kondensatoren.

    U1

    CK =C1C2C1 + C2 I2

    U2Zn2

    Leitung 1 Leitung n (gestört)

    Bild 14: Ersatzschaltbild zur Berechnung der kapazitiven Kopplung

    Da CK sehr klein ist, gilt im allgemeinen Zn 1/[ωCK], woraus

    |U2| =

    ∣∣∣∣∣∣∣∣Zn2

    1

    jωCK+Zn2

    ∣∣∣∣∣∣∣∣ |U1| ≈ωCKZn

    2|U1|

    folgt. Sind die Wellenwiderstände der benachbarten Leitungen gleich, Z1 = Zn = Z, soerhält man die folgende einfache Beziehung zur Berechnung der Nebensprechdämpfung bei

    NT-V1 - 26

  • kapazitiver Kopplung:

    aC,Np =1

    2ln

    (P1Pn

    )=

    1

    2ln

    ( |U1|2|U2|2

    ZnZ1

    )= ln

    ( |U1||U2|

    )≈ ln

    (2

    ωCKZ

    ).

    Sind die Wellenwiderstände Z1 und Zn dagegen nicht gleich, so wird als Näherung derWellenwiderstand Z =

    √Z1Zn verwendet.

    5.3 Berechnung der induktiven Kopplung

    Die induktive Kopplung wird im Bild 15 durch eine verteilte Koppelinduktivität LK darge-stellt.

    U1

    I1

    Z1

    Zn ZnU2

    LKΦ

    Leitung 1

    Leitung n (gestört)

    Bild 15: Vereinfachte Darstellung der induktiven Kopplung

    In diesem Praktikumsversuch betrachten wir diese verteilte Koppelinduktivität als ortsun-abhängig, d. h. als ein konzentriertes Bauelement. Die in die gestörte Leitung induzierteSpannung Uind lautet somit

    Uind = jωLK I1 .

    Mit

    |U2| =∣∣∣∣ ZnZn + Zn

    ∣∣∣∣ |Uind| = 12 ωLK |I1| und |I1| = |U1|Z1ergibt sich die Nebensprechdämpfung für Z1 = Zn = Z zu

    aL,Np = ln

    ( |U1||U2|

    )≈ ln

    (2Z

    ωLK

    ).

    Sind die Wellenwiderstände Z1 und Zn nicht gleich, so wird zur Berechnung der induktivenKopplung als Näherung – wie im vorangegangenen Fall – der Wellenwiderstand Z =

    √Z1Zn

    verwendet.

    NT-V1 - 27

  • Φ

    ΦI

    IIA

    B

    C

    D

    Z2 = 10 kΩ

    Z2 = 10 kΩ

    Z1 = 350 ΩZ1

    Z2

    E

    U

    Z2

    350 Ω

    Bild 16: Schaltung zur Vorbereitungsaufgabe 1: Die gestrichelten Linien auf der linken Seite deutendie nicht gekreuzten Leitungen an (Verbindungen A-B, C-D) und die durchgezogenenLinien die gekreuzten Leitungen (Verbindungen A-D, C-B). Die Übertrager I und IImit dem Übersetzungsverhältnis 1/1 sind notwendig, um eine galvanische Trennung derLeitungen vom Quellspannungsgenerator und von dem Messgerät herzustellen.

    Vorbereitungsaufgabe 5.1:

    Bei einer sinusförmigen Quellenspannung mit der Frequenz f = 1 kHz und der AmplitudeE = 10 V werden mit dem Messgerät in der Leitung 2 folgende Spannungen gemessen, sieheBild 16:

    a) U = 126 mV bei nicht gekreuzten Leitungen und

    b) U = 11 mV bei gekreuzten Leitungen.

    Berechnen Sie in beiden Fällen die Dämpfung adB des Nebensprechens mit Hilfe der Glei-chung (74), und erläutern Sie kurz das Ergebnis.

    6 Messaufgaben

    6.1 Messungen bei pulsförmigem Signal

    Mithilfe der Reflektometrie kann man sich einen schnellen Überblick über den Typ und dieEntfernung von Störstellen machen. Im Folgenden werden Kabelbrüche und Kurzschlüsse

    NT-V1 - 28

  • im Fernmeldekabel simuliert, indem das vorhandene Kabel gezielt an verschiedenen Stellenmit einem Leerlauf oder Kurzschluss versehen wird. Verwenden Sie für die Messungen einePulsfrequenz von 1 kHz, eine Pulsbreite von 2μs und eine Pulsamplitude von 1 V.

    1. Zeichnen Sie schematisch den Messaufbau zur Messung des reflektierten Impulses.

    2. Skizzieren Sie die Schirmbilder des Oszilloskops, wenn sich der Funktionsgeneratorund das Oszilloskop

    a) am Leitungsanfang befinden und ein Leerlauf am Leitungsende ist,b) am Leitungsanfang befinden und ein Kurzschluss am Leitungsende ist,c) am Leitungsanfang befinden und ein Kurzschluss an der gelben Buchse ist,d) an der gelben Buchse befinden, ein Leerlauf am Leitungsanfang und ein Kurz-

    schluss am Leitungsende ist,e) an der gelben Buchse befinden, ein Kurzschluss am Leitungsanfang und ein

    Leerlauf am Leitungsende ist.

    Erläutern Sie Ihre Beobachtungen. Welche Erscheinungen sind auf das Nebensprechenbenachbarter Leitungen zurückzuführen?

    3. Bestimmen Sie die Gesamtlänge lges des Kabels, sowie die Kabellänge lgelb vom Lei-tungsanfang bis zur gelben Buchse (εr = 1,95, μr = 1).

    6.2 Messungen im eingeschwungenen Zustand

    Im Folgenden sollen einige Kenngrößen des Fernmeldekabels im Hinblick auf ihre Frequenz-abhängigkeit untersucht werden. Zunächst werden Messdaten aufgenommen, mit denen dieOrtskurven des Wellenwiderstands Z und des Wellenübertragungsmaßes g sowie die Dämp-fung aNp und das Phasenmaß bph als Funktionen der Frequenz f skizziert werden können.Anschließend wird die Frequenzabhängigkeit der Leitungsbeläge R′ und L′ untersucht.

    Wellenwiderstand, Wellenübertragungsmaß, Dämpfung und Phasenmaß

    1. Messen Sie den Betrag und die Phase der Leerlauf-Eingangsimpedanz WL und derKurzschluss-Eingangsimpedanz WK für die Frequenzen in Tabelle 1.

    2. Berechnen Sie aus den gemessenen Werten alle noch fehlenden Werte in der Tabelle 1.

    Hinweis:Nutzen Sie dazu die Gleichungen (55) und (56).

    3. Zeichnen Sie die Ortskurve des Wellenwiderstands Z(f) für den unter 1. gemessenenFrequenzbereich, und tragen Sie in das Diagramm eine Gerade mit dem Winkel −45◦ein. Vergleichen Sie die gemessene Kurve mit der Näherungslösung.

    4. Zeichnen Sie die Ortskurve des Wellenübertragungsmaßes g(f) für den unter 1. ge-messenen Frequenzbereich und tragen Sie in das Diagramm eine Gerade mit demWinkel +45◦ ein. In welchem Frequenzbereich stimmt die gemessene Kurve mit derNäherungslösung überein?

    NT-V1 - 29

  • f|W

    L|in

    Ωϕ

    Lin

    ◦|W

    K|in

    Ωϕ

    Kin

    ◦|Z

    |inΩ

    ϕZ

    in◦

    Mg

    ψgin

    ◦ψgin

    rad

    aN

    pin

    Np

    b ph

    inra

    d

    250

    Hz

    500

    Hz

    750

    Hz

    1kH

    z

    5kH

    z

    10kH

    z

    15kH

    z

    20kH

    z

    25kH

    z

    Tabelle 1: Wellenwiderstand Z, Dämpfung aNp und Phasenmaß bph

    5. Zeichnen Sie die Dämpfung aNp(f) und das Phasenmaß bph(f) in doppelt logarithmi-schem Maßstab. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit den Darstellungen in den Bildern6 und 7.

    NT-V1 - 30

  • Leitungsbeläge

    1. Erzeugen Sie einen Kurzschluss an der gelben Buchse, und messen Sie die Kurzschluss-Eingangsimpedanz WK dieser verkürzten Leitung für die Frequenzen in Tabelle 2.

    2. Bestimmen Sie die Leitungsbeläge R′(f) und L′(f) und tragen Sie die Werte in dieTabelle 2 ein.

    Hinweis:Wegen der relativ kurzen Leitungslänge kann die Näherung [R′ + jωL′]lgelb ≈ WKverwendet werden.

    3. Zeichnen Sie die Funktionen R′(f) und L′(f) in einfach logarithmischem Maßstab.Erläutern Sie Ihr Ergebnis.

    NT-V1 - 31

  • f |WK| in Ω ϕK in ◦ R′ in Ω/km L′ inμH/km

    250 Hz

    500 Hz

    1 kHz

    5 kHz

    10 kHz

    15 kHz

    25 kHz

    50 kHz

    75 kHz

    90 kHz

    100 kHz

    Tabelle 2: Leitungsbeläge

    NT-V1 - 32

  • Literatur

    [Artu57] W. Artus: Einführung in die elektrische Nachrichtentechnik. Oldenbourg, Mün-chen, 1957.

    [Flei73] H. Fleischer: Lehrbuch der Fernmeldetechnik. Schiele & Schön, Berlin, 1973.

    [FLS71] H. Fricke, K. Lamberts, W. Schuchardt: Elektrische Nachrichtentechnik, Teil 1.Teubner, Stuttgart, 1971.

    [Küpf73] K. Küpfmüller: Einführung in die Theoretische Elektrotechnik. Springer, Berlin,1973.

    [MG86] M. Meinke, F. W. Gundlach: Taschenbuch der Hochfrequenztechnik. Springer,Berlin, 1986.

    [Schm76] H. Schmid: Theorie und Technik der Nachrichtenkabel. Hüthig, Heidelberg, 1976.

    [ZB86] O. Zinke, H. Brunswick: Lehrbuch der Hochfrequenztechnik. Springer, 1986.

    NT-V1 - 33

  • Versuch NT-V2: Nichtlineare Verzerrungen

    Inhaltsverzeichnis

    1 Übersicht 2

    2 Arten nichtlinearer Verzerrungen 22.1 Reguläre nichtlineare Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Unregelmäßige nichtlineare Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Sonstige nichtlineare Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

    3 Quasilineare Systeme mit aussteuerungsunabhängiger Kennlinie 53.1 Beschreibung durch Taylor-Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53.2 Erregung durch eine sinusförmige Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . 53.3 Erregung durch mehrere sinusförmige Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . 6

    4 Definition von Klirrfaktoren und Intermodulationsfaktoren 9

    5 Messung von nichtlinearen Verzerrungen 11

    6 Nichtlineare Verzerrungen in Zweitoren und Verstärkern 126.1 Allgemeine Berechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126.2 Herabsetzung der nichtlinearen Verzerrungen durch Gegenkopplung . . . . . 12

    7 Wirkungen nichtlinearer Verzerrungen 14

    8 Vorbereitung 15

    9 Aufgaben 16

    10 Hinweise und Protokolle 1810.1 Kennlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1810.2 Klirrdämpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2210.3 Intermodulationsdämpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

    Literaturverzeichnis 26

    NT-V2 - 1

  • 1 Übersicht

    Neben den stets auftretenden linearen Verzerrungen beeinflussen die prinzipiell ebensounvermeidlichen nichtlinearen Verzerrungen die Übertragungsgüte eines Nachrichtensys-tems. Nichtlineare Verzerrungen entstehen, wenn zwei Übertragungsgrößen einander nichtproportional sind. Sie treten z. B. dadurch auf, dass einige Bauelemente, wie Spulen undÜbertrager, stets eine gewisse Nichtlinearität aufweisen. Auch Widerstände und Kondensa-toren sind nie exakt linear. Besonders auffällig ist das Auftreten von Nichtlinearitäten inaktiven Bauelementen, wie Röhren und Transistoren. Durch Einstellen eines geeigneten Ar-beitspunktes ist jedoch bei Übertragungsschaltungen (z. B. Verstärkern) eine Linearisierungmöglich. Eine nach dieser statischen Linearisierung verbleibende Nichtlinearität lässt sichz. B. durch Gegenkopplung noch weiter herabsetzen. Wird der Arbeitspunkt im Rhythmuseiner vorgegebenen Spannung gesteuert, so kann die Schaltung vom Standpunkt des Signalsaus als linear betrachtet werden, falls das Signal so klein ist, dass es praktisch keinenEinfluss auf die Arbeitspunktverschiebung hat. Bei dieser dynamischen Linearisierung istdie Schaltung nicht mehr zeitlich konstant, sondern sie verhält sich zeitvariabel. ZeitvarianteSysteme werden in diesem Versuch nicht behandelt.

    Das besondere Kennzeichen der nichtlinearen Verzerrung ist das Auftreten von Fre-quenzkomponenten am Ausgang des Systems, die im Eingangsspektrum nicht enthaltensind und die sich nicht durch Zeitvarianz ergeben. Das Überlagerungsgesetz ist nicht mehranwendbar.

    2 Arten nichtlinearer Verzerrungen

    Falls ein Übertragungssystem sich durch eine eindeutige zeitunabhängige und nicht von derAussteuerung abhängige Kennlinie beschreiben lässt, kann man die Abhängigkeit zwischenEingangs- und Ausgangsgröße des Systems durch eine Taylor-Reihe darstellen.

    2.1 Reguläre nichtlineare Verzerrungen

    Enthält das Ausgangssignal nur Glieder niederer Ordnung, so spricht man von regulärennichtlinearen Verzerrungen, wie z. B. quadratische oder kubische Verzerrungen. Vom Stand-punkt der Übertragung interessieren häufig nur Systeme mit geringen regulären nichtlinearenVerzerrungen, auch quasilineare Systeme genannt. Im Bild 1 sind Beispiele für Kennlinien beiregulären nichtlinearen Verzerrungen angegeben. Reguläre nichtlineare Verzerrungen tretenz. B. auf bei Kohlemikrofonen, elektromagnetischen und elektrodynamischen Lautsprechern,Übertragern, Verstärkern und Mischern.

    2.2 Unregelmäßige nichtlineare Verzerrungen

    Bildet die Kennlinie keine glatte Kurve, sondern weist sie innerhalb des BetriebsbereichsSchwankungen oder Unregelmäßigkeiten auf, d. h. enthält das Ausgangssignal auch Gliederhöherer Ordnung von nennenswerter Größe, so spricht man von unregelmäßigen nichtli-nearen Verzerrungen, siehe Bild 2. Sie treten weniger häufig auf als reguläre nichtlineareVerzerrungen.

    NT-V2 - 2

  • y

    x

    Bild 1: Beispiele für Kennlinien bei regulären nichtlinearen Verzerrungen

    y

    x

    Bild 2: Beispiele für Kennlinien bei unregelmäßigen nichtlinearen Verzerrungen

    NT-V2 - 3

  • Unregelmäßige nichtlineare Verzerrungen können neben regulären nichtlinearen Verzer-rungen ebenfalls in Verstärkern entstehen, sie werden z. B. durch "Lose" oder "Sättigung"der Kennlinie hervorgerufen. Bemerkenswert ist auch das Auftreten von unregelmäßigennichtlinearen Verzerrungen bei der linearen Überlagerung eines FM-Signals mit seinemeigenen zeitverzögerten Signal (z. B. Mehrfachwegausbreitung bei UKW), dass in diesemFall durch die nichtlineare Modulationsart in Verbindung mit linearen Verzerrungen bei derÜbertragung hervorgerufen wird.

    2.3 Sonstige nichtlineare Verzerrungen

    Reguläre und unregelmäßige Verzerrungen sind die wichtigsten Arten der nichtlinearenVerzerrungen. Daneben unterscheidet man noch die aussteuerungsabhängigen Verzerrungenund die dazu gehörenden Hystereseverzerrungen, die eine Eigentümlichkeit der ferromagne-tischen Stoffe sind. Ein Beispiel für Hystereseverzerrung ist im Bild 3 angegeben.

    y

    x

    1

    2

    Bild 3: Hystereseverzerrungen

    Der allgemeine Fall nichtlinearer Verzerrungen mit zeit- und aussteuerungsabhängigerKennlinie, die durch starke Nichtlinearitäten gekennzeichnet ist, soll nicht weiter untersuchtwerden, da er für die Nachrichtenübertragung nur von sehr geringer Bedeutung ist.

    NT-V2 - 4

  • 3 Quasilineare Systeme mit aussteuerungsunabhängigerKennlinie

    3.1 Beschreibung durch Taylor-Reihe

    Ein zeitinvariantes System mit aussteuerungsunabhängiger Kennlinie lässt sich durch eineTaylor-Reihe darstellen

    y = a0 + a1x+ a2x2 + a3x

    3 + a4x4 + a5x

    5 + · · · (1)

    Hierbei entspricht x dem Eingangs- und y dem Ausgangssignal. Das konstante Glied a0 trägtnicht zur Nichtlinearität bei und kann fortgelassen werden, weil man bereits im linearen Fallmit einer einfachen Proportionalität zwischen x und y rechnet. Da das System als quasilinearvorausgesetzt wurde, sind die Koeffizienten höherer Ordnung sehr klein, so dass man häufigmit folgendem Ansatz auskommt

    y = a1x+ a2x2 + a3x

    3 . (2)

    3.2 Erregung durch eine sinusförmige Schwingung

    Wir betrachten das Signal

    x = A cos(ω0t) , ω0 = konst.

    Dann ergibt sich mit Gleichung (2) das Ausgangssignal zu

    y = a1A cos(ω0t) + a2A2 cos2(ω0t) + a3A

    3 cos3(ω0t) . (3)

    Mit

    cos2(α) =1

    2[1 + cos(2α)] (4a)

    cos3(α) =1

    4[3 cos(α) + cos(3α)] (4b)

    folgt

    y = a1A cos(ω0t) + a2A2

    2[1 + cos(2ω0t)] + a3

    A3

    4[3 cos(ω0t) + cos(3ω0t)]

    =1

    2a2A

    2 + [a1A+3

    4a3A

    3] cos(ω0t) +1

    2a2A

    2 cos(2ω0t) +1

    4a3A

    3 cos(3ω0t) .

    (5)

    Durch die Nichtlinearität treten außer einem konstanten Anteil auch Komponenten imAusgangssignal auf, deren Frequenzen ein Vielfaches der ursprünglichen Frequenz ω0 sind,die also Oberschwingungen darstellen. Diese stören besonders, wenn sie in den Übertra-gungsbereich fallen, da dann eine Elimination durch Filterung unmöglich ist. Es fällt auf,dass das Glied a2x2 weder Einfluss auf die Stärke der Grundschwingung noch auf die derOberschwingung 3.Ordnung hat. Andererseits hat das Glied a3x3 weder Einfluss auf den

    NT-V2 - 5

  • y = x2

    1

    −1 1 x t

    t

    Bild 4: Entstehung der quadratischen Verzerrungen

    konstanten Anteil noch auf die Oberschwingung 2.Ordnung. Die Einflüsse beider Gliederlassen sich daher leicht mit Hilfe einer Sinusschwingung getrennt feststellen.

    Die Amplitude der Oberschwingung 2.Ordnung hängt quadratisch und die der Ober-schwingung 3.Ordnung kubisch von der Eingangssignalamplitude ab.

    Bei rein quadratischen Verzerrungen ist die Amplitude der Grundschwingung nur von a1abhängig. D. h., aus der Konstanz des Übertragungsfaktors für die Grundschwingung kannnicht auf das Fehlen nichtlinearer Verzerrungen geschlossen werden.

    3.3 Erregung durch mehrere sinusförmige Schwingungen unterschied-licher Frequenz und Amplitude

    Das Signal sei zunächst

    x(t) = A1 cos(ω1t) + A2 cos(ω2t) .

    Mit (2) folgt das Ausgangssignal

    y(t) = a1 [A1 cos(ω1 t) + A2 cos(ω2t)] + a2[A21 cos

    2(ω1 t) + 2A1A2 cos(ω1 t) cos(ω2t)

    + A22 cos2(ω2 t)] + a3 [A

    31 cos

    3(ω1 t) + 3A21A2 cos

    2(ω1t) cos(ω2 t)

    + 3A1A22 cos(ω1t) cos

    2(ω2t) + A32 cos

    3(ω2t)] .

    (6)

    NT-V2 - 6

  • y = x3

    −1

    1

    −1 1 x t

    t

    Bild 5: Entstehung der kubischen Verzerrungen

    Es treten außer den Oberschwingungen mit den Frequenzen 2ω1, 2ω2, 3ω1 und 3ω2 nochweitere Glieder auf, die aus den Produkten mit unterschiedlichen Frequenzen entstehen.

    Mit

    cos(α) cos(β) =1

    2[cos(α+ β) + cos(α− β)]

    folgt

    2a2A1A2 cos(ω1t) cos(ω2t) = a2A1A2cos[(ω1 + ω2)t] + cos[(ω1 − ω2)t] ,

    3a3A21A2 cos

    2(ω1t) cos(ω2t) =3

    2a3A

    21A2

    {cos(ω2t) +

    cos[(2ω1 + ω2)t]

    2+

    cos[(2ω1 − ω2)t]2

    }und analog

    3a3A1A22 cos(2ω1t) cos

    2(ω2t) =3

    2a3A1A

    22

    {cos(ω1t) +

    cos[(2ω2 + ω1)t]

    2+

    cos[(2ω2 − ω1)t]2

    }.

    Aufgrund des Gliedes a2x2 treten Kombinationsschwingungen mit den Frequenzen ω1 ± ω2auf und zwar mit einer für A1 = A2 doppelt so großen Amplitude wie bei den einfachen

    NT-V2 - 7

  • Oberschwingungen 2.Ordnung. Ebenso treten aufgrund des Gliedes a3x3 Kombinations-schwingungen mit den Frequenzen 2ω1±ω2 und 2ω2 ± ω1 auf und zwar mit einer für A1 = A2dreimal so großen Amplitude wie die einfachen Oberschwingungen 3.Ordnung. Die Schäd-lichkeit dieser Kombinationsschwingungen liegt aber nicht nur an der erhöhten Amplitude,sondern vor allem an der Tatsache, dass Differenzfrequenzen wie z. B. 2ω1 − ω2 von dergleichen Größenordnung wie ω1 und ω2 sein können und nicht durch Filterung eliminierbarsind. Das Auftreten solcher Kombinationsschwingungen kennzeichnet man auch durch denBegriff Intermodulation. Nimmt man an, dass in A1 und A2 auch die Information einereventuellen Amplitudenmodulation der Signale enthalten sein kann, so erkennt man, dass,durch das Glied a3x3 verursacht, eine gegenseitige Modulationsübernahme erfolgt. DieseTatsache wird als Kreuzmodulation bezeichnet.

    • Intermodulationsanteile:3

    4a3A

    21A2 cos[(2ω1 ± ω2)t], (7)

    3

    4a3A1A

    22 cos[(2ω2 ± ω1)t] (8)

    • Kreuzmodulationsanteile:3

    2a3A

    21A2 cos(ω2t), (9)

    3

    2a3A1A

    22 cos(ω1t) . (10)

    Intermodulation und Kreuzmodulation sind proportional zu a3, d. h., falls die Taylor-Reihe nur aus einem linearen Glied und aus einem quadratischen Glied besteht, tretenbeide Effekte nicht auf. Man erkennt, dass für A1 = A2 = A die Intermodulation kubischmit der Eingangssignalamplitude steigt und dass die Kreuzmodulation quadratisch mit derAmplitude des zweiten Eingangssignal wächst.

    Bei Erregung mit mehr als zwei Sinusschwingungen entstehen noch weitere Kombinati-onsschwingungen mit den Frequenzen

    ωk = n1ω1 ± n2ω2 ± n3ω3 ± · · · . (11)Hierbei sind die ni ganze positive Zahlen. Das Spektrum wird umso komplizierter, je höherdie Ordnungszahl der Verzerrung und je mehr Sinusschwingungen im Eingangsspektrumenthalten sind.

    Bei einem allgemeinen, d. h. durch ein Fourier-Integral darstellbaren Eingangssignal,lässt sich der Einfluss der Nichtlinearitäten ebenfalls berechnen, da sich beispielsweise diezu x2 und x3 gehörigen Spektralfunktionen durch Faltung im Frequenzbereich ausdrückenlassen.

    Liegt das Eingangsspektrum im Bereich zwischen f1 und f2, so gibt Bild 6 einen Überblicküber die von den Spektren 2. und 3.Ordnung belegten Frequenzbänder.

    Das erste Frequenzband des Spektrums 3.Ordnung fällt zum Teil immer mit dem Ein-gangsspektrum zusammen, unabhängig von der Größe von f1 bzw. f2. Im Bild 6 wird

    NT-V2 - 8

  • Δf

    Δf

    2Δf

    3Δf3Δf

    f

    f

    f

    f1 f2

    2f1 2f2

    3f1 3f2

    f2 − f1

    2f1 − f2 2f2 − f1

    Eingangsspektrum

    Spektr. 2. Ordnung

    Spektr. 3. Ordnung

    Bild 6: Die von den Spektren 2. und 3.Ordnung belegten Frequenzbänder

    keine Angabe über den Amplitudenverlauf der Spektren gemacht, es wird lediglich dieFrequenzlage angegeben. Bei quadratischen Verzerrungen verdichten sich die Amplitudenin der Umgebung von ω = 0 und ω = ω1 +ω2, bei kubischen Verzerrungen in der Umgebung

    von1

    2(ω1 + ω2) und

    3

    2(ω1 + ω2).

    4 Definition von Klirrfaktoren undIntermodulationsfaktoren

    Das Ausgangssignal eines Systems mit regulären oder unregelmäßigen nichtlinearen Verzer-rungen lässt sich bei sinusförmiger Erregung durch eine endliche Fourier-Reihe in folgenderForm darstellen (wenn man von einem eventuellen Gleichanteil absieht)

    y =

    I∑i=1

    √2Yi cos(iωt+ ϕi) , ω = konst. (12)

    Als Klirrfaktor oder Oberschwingungsgehalt wird das Verhältnis des Effektivwertes derOberschwingungen zum Effektivwert der gesamten Schwingung y definiert.

    k =

    √Y 22 + Y

    23 + · · ·

    Y 21 + Y22 + Y

    23 + · · ·

    . (13)

    Der Klirrfaktor liegt nach (4.2) immer zwischen Null und Eins bzw. 0% und 100%. DerKlirrfaktor ν-ter Ordnung wird definiert als

    kν =Yν√

    Y 21 + Y22 + Y

    23 + · · ·

    . (14)

    NT-V2 - 9

  • Da man bei geringen Verzerrungen den Ausdruck im Nenner näherungsweise durch Y1ersetzen kann, erhält man unter dieser Voraussetzung mit Gleichung (1)

    kν ≈ YνY1

    ≈ 12ν−1

    aνa1Aν−1 . (15)

    Setzt man bei geringen regulären nichtlinearen Verzerrungen die Eingangssignalamplitudeauf die Hälfte herab, dann nimmt der Klirrfaktor mindestens um die Hälfte ab. Die Klirr-dämpfung wird definiert durch

    Akν = 20 lg

    (1

    )in dB (16)

    bzw.

    Ak = 20 lg

    (1

    k

    )in dB . (17)

    Wird ein System mit regulären oder unregelmäßigen nichtlinearen Verzerrungen durch zweisinusförmige Schwingungen mit gleichen Amplituden A und unterschiedlichen Frequenzenω1, ω2 erregt, so enthält das Ausgangssignal neben Oberschwingungen und einfachen Diffe-renzschwingungen unter anderem auch spezielle Kombinationsschwingungen der Form

    √2Yn,n−1 cos {[nω1 − (n− 1)ω2]t} und

    √2Yn,n−1 cos {[nω2 − (n− 1)ω1]t} (18)

    mit n = 2, 3, . . ., deren Frequenzen in der Nähe der Eingangsfrequenzen ω1, ω2 liegen. Diesewerden durch die ungeraden Koeffizienten a3, a5, a7,· · · der Taylor-Reihe hervorgerufen.Der Intermodulationsfaktor ν-terOrdnung wird definiert als

    iν=2n−1 =Yn,n−1Y1

    mit n = 2, 3, . . . (19)

    AA

    ω1ω1

    ω2ω2 ωω

    y(t) =∞∑k=1

    akx(t)k

    x(t) y(t)

    4ω1−

    3ω2

    3ω1−

    2ω2

    2ω1−ω

    2

    4ω2−

    3ω1

    3ω2−

    2ω1

    2ω2−ω

    1

    Y1Y1

    Y21Y21

    Y32Y32Y43Y43

    Bild 7: Beispiel eines Intermodulationsspektrums

    Als Intermodulationsdämpfung bezeichnet man das logarithmische Maß

    Aiν = 20 log

    (1

    )in dB . (20)

    NT-V2 - 10

  • In der Literatur findet man stellenweise geringfügig von (19), (20) abweichende Definitionen.Die Intermodulationschwingungen werden dabei auf 2Y1 bezogen. Bei quasilinearen Syste-men entspricht dies der Erregung des Systems mit nur einer sinusförmigen Schwingung aufden gleichen Spitzenwert wie bei der Erregung durch zwei sinusförmige Signale gleicherAmplitude. Die Intermodulationsfaktoren sind dann nur halb so groß; die Intermodulati-onsabstände vergrößern sich um 6 dB.

    5 Messung von nichtlinearen Verzerrungen

    Zur Bestimmung des Klirrfaktors nach Gleichung (13) kann man direktanzeigende Klirr-faktormeßbrücken benutzen. In ihnen wird die Grundschwingung des Ausgangssignals einesnichtlinearen Systems unterdrückt und nach zweimaliger Effektivwertbildung der Klirrfaktorermittelt und angezeigt. Zur genaueren Analyse der Klirr- und Intermodulationsspektrenverwendet man Spektralanalysatoren, d. h. geeignete selektive Spannungsmesser mit geringerBandbreite. Sie arbeiten ähnlich wie ein Überlagerungsempfänger, nur dass sie kein NF-Signal am Ausgang liefern, sondern eine Gleichspannung in Abhängigkeit von der Amplitudeder Spektrallinien des Spektrums an einem Spannungsmesser anzeigen, siehe Bild 8.

    TP

    0−70 kHzMischer

    ZF 100 kHz

    Quarzfilter

    Δf = 30 HzDemodulator

    Oszillator

    100−160 kHz

    y Yi

    Bild 8: Blockschaltbild eines Spektralanalysators

    Die Berechnung von Klirrfaktoren, Klirrdämpfungen sowie Intermodulationsfaktoren,Intermodulationsdämpfungen erfolgt dann nach (13)-(20).

    Durch Anwendung der Wobbeltechnik lässt sich ein Spektralanalysator zur Darstellungdes Spektrums auf einem Bildschirm benutzen. Ebenso lassen sich Verfahren mit Hilfeder Wobbeltechnik entwickeln, die die Intermodulationsfaktoren in Abhängigkeit von derFrequenz bei konstanter Aussteuerung auf einem Bildschirm abbilden.

    NT-V2 - 11

  • 6 Nichtlineare Verzerrungen in Zweitoren undVerstärkern

    6.1 Allgemeine Berechnungsverfahren

    Die nichtlinearen Erscheinungen in Zweitoren sind infolge der Anwesenheit von Impedanzenstark frequenzabhängig. Man kann also im Allgemeinen keine einfachen Kennlinien zurBeschreibung der Nichtlinearitäten benutzen. Bei geringen Nichtlinearitäten, wie sie in derNachrichtentechnik häufig auftreten, kann man die Betrachtungen dadurch vereinfachen,dass man die nichtlinearen Wirkungen durch von der Grundschwingung gesteuerte Quellenersetzt, so dass das Netzwerk selbst als linear angesehen werden kann [Küpf68, Phil71].Im Bild 9 wird die Anwendung dieses Prinzips bei Röhren- bzw. Feldeffekttransistoren-Ersatzschaltbildern gezeigt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind nur die quadratischenGlieder eingetragen.

    u1

    i10 i11 i12 i22

    Zi u2 Za

    S10 S11 S12 S22

    Bild 9: Ersatzschaltung für nichtlineare Verzerrungen mit den Strömen i10 = −S10u1,i11 = −S11u21, i12 = −S12u1u2 und i22 = −S22u22.

    Die Steilheiten S10 bis S22 gelten für einen festen Arbeitspunkt und geringe Aussteuerungals konstant. Es ist dann z.B. möglich, die Abhängigkeit des Klirrfaktors von der Anpassungam Ausgang zu bestimmen.

    6.2 Herabsetzung der nichtlinearen Verzerrungen durch Gegen-kopplung

    Nichtlineare Verzerrungen lassen sich z. B. durch Kompensation, Verringerung der Aussteue-rung oder Gegenkopplung herabsetzen. Die Kompensation kann z.B. durch die Kettenschal-tung eines zweiten nichtlinearen Systems mit genau entgegengesetzter Kennlinie erfolgen,siehe Bild 10.

    x y1 y2

    Bild 10: Kompensation von Nichtlinearitäten

    Dieses Verfahren hat keine große Bedeutung, da es nur bei Freiheit von Dämpfungs- undPhasenverzerrung (linearen Verzerrungen) zwischen beiden Systemen anwendbar ist. Außer-

    NT-V2 - 12

  • dem ist es schwierig, Systeme mit vorgegebener nichtlinearer Kennlinie herzustellen. EineHerabsetzung der Aussteuerung führt zu einer starken Verringerung der Ausgangsleistungund ist deshalb nicht immer anwendbar. Daneben führt eine Verringerung der Aussteue-rung bei unregelmäßigen nichtlinearen Verzerrungen nicht unbedingt zur Herabsetzung derVerzerrungen.

    Das wichtigste Verfahren, mit dem sich sehr hohe Anforderungen an die Linearitäterfüllen lassen, ist das Verfahren der Gegenkopplung, welches im Bild 11 dargestellt ist.

    N

    x

    y

    y

    w

    w

    z

    NichtlinearerVerstärker

    Bild 11: Gegenkopplungsschaltung

    Über das Gegenkopplungsnetzwerk N wird ein Teil der Ausgangsspannung auf denEingang zurückgeführt. Es sei

    z = ky, (21)

    dann gilt

    w = x− z = x− ky (22)und es folgt für kleine Amplituden von w

    y = f(w) ≈ A0w , y ≈ A0x1 + kA0

    . (23)

    Der neue Übertragungsfaktor für kleine Amplituden ist daher

    A =A0

    1 + kA0. (24)

    Den Ausdruck 1 + kA0 bezeichnet man als Gegenkopplungsfaktor, da durch ihn die Ver-stärkung herabgesetzt wird. Die volle Ausgangsspannung kann daher nur durch eine ent-sprechend vergrößerte Eingangsspannung wieder erreicht werden. Entscheidend ist jedoch,

    NT-V2 - 13

  • dass dabei trotzdem die nichtlinearen Verzerrungen erheblich herabgesetzt werden können,da durch die Gegenkopplung die Kennlinie linearisiert wird, siehe Bild 12.

    Durch die Linearisierung der Kennline verringert sich der Klirrfaktor näherungsweise imgleichen Maße, wie der Übertragungsfaktor herabgesetzt wird. Der Verstärkungsverlust kanndurch Kettenschaltung mehrerer gegengekoppelter Verstärker wieder ausgeglichen werden,ohne dass dadurch die nichtlinearen Verzerrungen nennenswert ansteigen.

    x

    y

    w

    x,w

    K

    Bild 12: Linearisierung durch Gegenkopplung

    Die im Bild 11 gezeigte Gegenkopplungsschaltung stellt ein Übertragungssystem mitRückkopplung dar. Bei realen Systemen mit linearen Verzerrungen im Verstärker und imGegenkopplungsnetzwerk muss daher die Stabilität des geschlossenen Systems sichergestelltwerden [Küpf68, Phil71]. Die Gegenkopplung über eine Kettenschaltung mehrerer einstufigerVerstärker führt, z. B. infolge der starken Phasendrehungen an den Grenzfrequenzen, sehrleicht zur Instabilität.

    7 Wirkungen nichtlinearer Verzerrungen

    Die Beeinträchtigung von Sprachübertragungen durch nichtlineare Verzerrungen ist sehrgering, so dass man in diesem Fall eine für den Rauschabstand und die Senderaussteuerunggünstige Amplitudeneinschränkung durchführen kann (Begrenzung, Dynamikkompression).

    Unangenehme Erscheinungen bei Musikübertragungen werden nicht so sehr durch einengewissen Klirrfaktor sondern durch Intermodulation hervorgerufen. Die hierbei auftretendenKombinationsschwingungen zwischen Harmonischen nahe beieinander liegender Frequenzenführen zu Schwebungen der Klangkomponenten, so dass raue und schrille Töne entstehen.Außerdem können weit unterhalb der Grundfrequenz Schwingungen mit völlig unharmo-nischen Frequenzverhältnissen auftreten. In einem gewissen Ausmaß sind Kombinations-schwingungen schon in den natürlichen Klängen enthalten. Die Wirkung der nichtlinearenVerzerrungen bei der Übertragung besteht darin, dass diese Kombinationsschwingungen mitunnatürlich hohen Amplituden auftreten.

    Die Intermodulation ist von besonderer Wichtigkeit bei der Trägerfrequenztechnik undbei der drahtlosen Nachrichtenübertragung. Sie führt bei Trägerfrequenztechnik zu mehr

    NT-V2 - 14

  • oder weniger verständlichem Nebensprechen. Bedenkt man die große Zahl der in Kettegeschalteten Verstärker und Modulatoren, so wird deutlich, dass sehr hohe Linearitätsan-forderungen an diese Geräte gestellt werden müssen.

    Bei der drahtlosen Nachrichtenübertragung unterscheidet man zweckmäßigerweise zwi-schen Sende- und Empfangsseite. Auf der Sendeseite sollte zur Vermeidung von Störungen inden benachbarten Kanälen die Intermodulationdämpfung mindestens 35 dB betragen. DieseDämpfung kann bei hohem Aufwand in den Endstufen gerade noch erreicht werden. Da dieStärken der Empfangsignale in einem Frequenzband Unterschiede bis zu ca. 80 dB aufweisen,sind besonders hohe Anforderungen an die Intermodulationsdämpfung der Eingangs- undMischstufen vor der eigentlichen Filterung zu stellen, siehe Bild 13. Es sollte eine Intermo-dulationsdämpfung von mindestens 80 dB angestrebt werden. Diese Forderung lässt sich nurmit großem Aufwand erfüllen (Gegentaktmischstufen, keine HF-Vorstufen, JFETs). Geringe

    ue

    HF-VerstärkerMischer Filter

    ZF-Verstärker

    hohe Intermodulationsdämpfung

    Oszillator

    Bild 13: Linearitätsanforderungen an Eingangs- und Mischstufen

    Intermodulationsdämpfung an diesen Stellen führt bei geringem Nutzsignal und starkenNachbarsignalen zu vollständigem Verlust der Information, siehe Bild 14.

    8 Vorbereitung

    Vorbereitungsaufgabe 8.1:

    Gegeben ist ein System mit quadratischen Verzerrungen. Die Kennlinie dieses Systems wirddurch y = x+ 0.01 x2 beschrieben.

    1. Berechnen Sie die Fourier-Reihe des Ausgangssignals einer Kettenschaltung zweiersolcher Systeme, wenn das Eingangssignal sin(ω1t) ist. Berechnen Sie näherungsweiseden Gesamtklirrfaktor der Kettenschaltung und vergleichen Sie ihn mit dem Gesamt-klirrfaktor eines Systems.

    NT-V2 - 15

  • ue/dB

    Nutzsignal ω

    10

    80

    Bild 14: Verlust der Information des Nutzsignals durch starke Intermodulation benachbartermodulierter Signale mit hohen Amplituden sowie Rauschen

    2. Berechnen Sie nun die Frequenzen des Spektrums am Ausgang einer Kettenschaltungnach 1., wenn das Eingangssignal sin(ω1t) + cos(ω2t) ist. Skizzieren Sie die Lage derSpektrallinien (ω > 0) für ω2 = 1.3ω1.

    Vorbereitungsaufgabe 8.2:

    Gegeben ist ein System mit quadratischen und kubischen Verzerrungen, gekennzeichnetdurch die Taylor-Reihe

    y = x+1

    2x2 +

    1

    4x3.

    Das Eingangssignal wird durch folgendes Spektrum beschrieben:

    X(jω)

    ω/Ω

    1

    −5 −3 3 5

    Zeichnen Sie die Spektren X(jω) ∗X(jω) und X(jω) ∗X(jω) ∗X(jω).Zeichnen Sie das Spektrum Y (jω).

    9 Aufgaben

    Verstärker 1: Verstärker mit annähernd quadratischer KennlinieVerstärker 2: Verstärker mit stark nichtlinearer Kennlinie. Benutzen Sie den kompensiertenseitlichen Eingang.

    Max. Aussteuerung der Verstärker am Ausgang: ±12 V.Max. Aussteuerung der Verstärker am Eingang: ±4 V.

    NT-V2 - 16

  • Kennlinien

    1. Bestimmen Sie die Kennlinien y = f(x) von Verstärker 1 und Verstärker 2 bei denGegenkopplungseinstellungen "0" und "4". Tragen Sie Ihre Messergebnisse in Tabelle1 und 2 ein.

    2. Tragen Sie die Kennlinien in ein Diagramm ein. Kennzeichnen Sie die Kennlinien desVerstärkers 2 durch die Gegenkopplungseinstellungen.

    3. Stellen Sie die Kennlinien auf dem Oszillographen dar. Entwerfen Sie hierzu zunächsteine zweckmäßige Schaltung.Wie verändert sich die Kennlinie des Verstärkers 2 bei einer Veränderung der Gegen-kopplung?

    Klirrdämpfungen

    1. Bestimmen Sie bei dem Verstärker 1 die Klirrdämpfungen ν-terOrdnung bei einerGrundfrequenz von 1 kHz. Die Aussteuerung soll dabei so gewählt werden, dass dieSpitzenspannung Us am Ausgang 10 V beträgt. Tragen Sie Ihre Messergebnisse inTabelle 3 ein.

    Hinweis:Der Klirranalysator ist hierbei nicht genau auf die Frequenzen 1 kHz, 2 kHz usw.einzustellen, sondern es ist der maximale Zeigerausschlag des Messgerätes in derNähe der betrachteten Frequenz zu suchen. Dies wird dadurch gerechtfertigt, dass dasSpektrum nur bei Harmonischen überhaupt Energieanteile besitzen kann. EventuelleSkalenungenauigkeiten bei der Frequenzeinstellung werden somit ausgeglichen.

    Intermodulationsdämpfungen

    1. Der Verstärker 2 (Gegenkopplungseinstellungen "0" und "4") soll jetzt durch zweisinusförmige Spannungen mit den Frequenzen 3 kHz und 7 kHz von gleicher Ampli-tude so angesteuert werden, dass die Spitzenspannung Us am Ausgang 10 V beträgt.Die Zusammenschaltung der zwei Generatoren soll dabei über ein aus zwei auf dieFrequenzen 3 kHz und 7 kHz abgestimmten Serienschwingkreisen bestehendes Ankopp-lungsnetzwerk erfolgen. (Weshalb?)Messen Sie das Ausgangsspektrum im Frequenzbereich 1 . . . 20 kHz. Tragen Sie IhreMessergebnisse in Tabelle 4 und 5 ein.

    2. Tragen Sie das Spektrum in logarithmischem Maßstab in ein Diagramm ein. NormierenSie, damit die stärksten Anteile 0 dB entsprechen.

    Diskussion der Messergebnisse

    NT-V2 - 17

  • 10 Hinweise und Protokolle

    10.1 Kennlinien

    1. Aufnahme der Kennlinie des Verstärkers 1

    Verwendete Geräte:

    • 1 Vielfachmessinstrument HM8012• 1 Konstanter HM8040-3• 1 Verstärker mit quadratischer Kennlinie• 1 Stromversorgung für Verstärker

    V V

    Ua in V Ue in V1211109876543210.500.250.10

    Ua in V Ue in V12 -11 -10 -9 -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 -0.50 -0.25 -0.10 -

    Tabelle 1: Aufnahme der Messwerte des Verstärkers 1

    NT-V2 - 18

  • 2. Aufnahme der Kennlinien des Verstärkers 2

    Verwendete Geräte:

    • 1 Vielfachmessinstrument HM8012

    • 1 Konstanter HM8040-3

    • 1 Verstärker mit stark nichtlinearer Kennlinie

    • 1 Stromversorgung für Verstärker

    V V

    ohne ("0") mit ("4")Gegenkopplung

    Ua in V Ue in V Ue in V121110 2 29876543210.500.250.10

    ohne ("0") mit ("4")Gegenkopplung

    Ua in V Ue in V Ue in V-12-11-10 -2 -2-9-8-7-6-5-4-3-2-1-0.50-0.25-0.10

    Tabelle 2: Aufnahme der Messwerte des Verstärkers 2

    NT-V2 - 19

  • 3. Darstellung der Kennlinien

    Ua/V

    Ue/V

    2

    2

    4

    4

    6

    8

    10

    12

    −2−4

    NT-V2 - 20

  • Ua/V

    Ue/V

    Einstellung "0"

    Einstellung "4"

    2

    2

    4

    6

    8

    10

    12

    −2−2

    −4

    −6

    −8

    −10

    −12

    1−1

    4. Darstellung der Kennlinien auf dem OszillographenVerwendete Geräte:

    • 1 Signalgenerator HM8030-6• 1 Oszillograph HM504-2• 2 Verstärker• 1 Stromversorgung für Verstärker

    Generator Oszillographx y

    NT-V2 - 21

  • 10.2 Klirrdämpfungen

    1. Messung des Ausgangsspektrums

    Verwendete Geräte:

    • 1 Signalgenerator HM8030-6• 1 Klirranalysator KLA-48• 1 Verstärker mit quadratischer Kennlinie• 1 Stromversorgung für Verstärker• 1 Oszillograph HM504-2

    Generator Analysator

    fe = 1kHz , Ûa = 10Vs = 10Vss

    f in kHz Ua in mV Ua in dB Ak in dB12 034567891011121314151617181920

    Tabelle 3: Klirrdämpfungen Verstärker 1

    NT-V2 - 22

  • 10.3 Intermodulationsdämpfungen

    1. Messung der Ausgangsspektren

    Verwendete Geräte:

    • 2 Signalgeneratoren HM8030-6• 1 Klirranalysator KLA48• 1 Ankopplungsnetzwerk• 1 Verstärker mit stark nichtlinearer Kennlinie• 1 Stromversorgung für Verstärker• 1 Oszillograph HM504-2

    Ankopplungs-netzwerk

    AnalysatorGener.

    Gener.

    fe1 = 3kHz , fe2 = 7kHz , Ûa = 10Vs = 20Vss

    f in kHz Ua in mV Ua in dB Ai in dB123 ≈ 04567 ≈ 0891011121314151617181920

    Tabelle 4: Intermodulationsdämpfung mit Gegenkopplung ("4")

    NT-V2 - 23

  • f in kHz Ua in mV Ua in dB Ai in dB123 ≈ 04567 ≈ 0891011121314151617181920

    Tabelle 5: Intermodulationsdämpfung ohne Gegenkopplung ("0")

    2. Darstellung der Intermodulationsdämpfungen

    Verstärker mit stark nichtlinearer Kennlinie und einstellbarer Gegenkopplung, aufge-tragen: Dämpfung der Harmonischen und der Intermodulationsprodukte Ai in dB.

    NT-V2 - 24

  • 100

    50 0

    02

    46

    810

    12

    14

    16

    18

    20

    Ai/

    dB

    f/k

    Hz

    NT-V2 - 25

  • Literatur

    [Küpf68] K. Küpfmüller: Die Systemtheorie der elektrischen Nachrichtenübertragung. Hir-zel, Stuttgart, 1968.

    [Phil71] E. Philippow: Nichtlineare Elektrotechnik. Geest & Portig, Leipzig, 1971.

    NT-V2 - 26

  • Versuch NT-V3: Reaktanzeintore

    Inhaltsverzeichnis

    1 Passive Eintore 2

    1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

    1.2 Rationale positive Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    2 Verlustfreie Eintore 4

    2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

    2.2 Foster-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    2.3 Synthese verlustfreier Eintore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    3 Beispiele 10

    3.1 Widerstandspartialbruchschaltung erster Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    3.2 Berechnung der Kettenbruchschaltung zweiter Art . . . . . . . . . . . . . . . 12

    4 Vorbereitung 14

    4.1 Versuchseinarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    4.2 Versuchsvorbereitungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    5 Versuchsdurchführung 19

    Literaturverzeichnis 21

    NT-V3 - 1

  • 1 Passive Eintore

    1.1 Einführung

    Vor der Erörterung von Reaktanz-(LC-)Eintoren sollen zunächst passive (RLC)-Eintore

    betrachtet werden. Um deren Eigenschaften kennen zu lernen, wird von einem einfachen

    Beispiel ausgegangen. Die Impedanz Z(jω) des im Bild 1 gezeigten Eintores ist

    1

    jωCjωL

    RI

    UZ(jω)

    Bild 1: Passives Eintor

    Z(jω) = R +1

    jωC +1

    jωL

    =[jω]2RLC + [jω]L + R

    [jω]2LC + 1. (1)

    In der Netzwerktheorie empfiehlt sich die Verallgemeinerung auf komplexe Frequenzen

    p = σ + jω. (2)

    Hie