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Martin/Sauters – Understanding Theatre. Performance Analysis in Theory and Practice. Approaches to Performance Analysis. Working on Performance Analysis. Kapitel 6 - Verständnisrahmen Die Hermeneutik beschäftigt sich mit Interpretation, Verstehen und Erklären. Sie legt den Fokus auf das Individuum, den Zuschauer, auf sein Erlebnis des theatralen Ereignisses. Es wird anerkannt, dass jeder Zuschauer mit Vorwissen, Vorurteilen und Erwartungen ins Theater kommt, diese bilden die Basis für seinen horizon of understanding“, der geprägt ist, von allem, dass den Menschen prägt - sein politischer, ästhetischer, kultureller, sozialer Hintergrund, seine Prinzipien, sein Wissen über das Stück oder das Theater. Daher gibt es auch viele mögliche Interpretationen. Der Hermeneutische Zirkel Die hermeneutische Aufführungsanalyse ist wie ein Puzzle, bei dem kleine Teile an Information zu einem Ganzen zusammengefügt werden müssen. Jedoch ist der Vorgang hier nicht linear (man weiß vorher schon, wie das Puzzle am Ende aussieht) sondern kreisförmig. In diesem Prozess müssen folgende Kriterien beachtet werden: Teil/Ganzes-Interaktion: Der Prozess geht vom Teil zum Ganzen und zurück, bis zur endgültigen Interpretation geht das mehrfach vor und zurück. Wenn man mehr Wissen gesammelt hat, kehrt man zum den Einzelteilen zurück, passt sie an, formt ein neues Ganzes, das kann erfordern, sich das Stück öfter anzusehen. Die Erklärung für einen Teil muss zu der vom Ganzen passen. Interpretation bezogen auf das Objekt der Analyse: Die endgültige Interpretation muss sich auf die Aufführung beziehen und nicht versehentlich auf etwas von außen. Also müssen alle Beweise in der Argumentation vom Stück selbst geliefert werden. Wenn etwas nicht zusammenpasst, muss man alles noch einmal durchgehen. gültige und ungültige Interpretationen: Es gibt zwar nicht eine richtige Interpretaion, aber man muss entsprechend begründen können

Sauters Zusammenfassung 6&7

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Martin/Sauters Understanding Theatre. Performance Analysis in Theory and Practice.Approaches to Performance Analysis.Working on Performance Analysis.Kapitel 6 - Verstndnisrahmen

Die Hermeneutik beschftigt sich mit Interpretation, Verstehen und Erklren. Sie legt den Fokus auf das Individuum, den Zuschauer, auf sein Erlebnis des theatralen Ereignisses. Es wird anerkannt, dass jeder Zuschauer mit Vorwissen, Vorurteilen und Erwartungen ins Theater kommt, diese bilden die Basis fr seinen horizon of understanding, der geprgt ist, von allem, dass den Menschen prgt - sein politischer, sthetischer, kultureller, sozialer Hintergrund, seine Prinzipien, sein Wissen ber das Stck oder das Theater. Daher gibt es auch viele mgliche Interpretationen.

Der Hermeneutische Zirkel

Die hermeneutische Auffhrungsanalyse ist wie ein Puzzle, bei dem kleine Teile an Information zu einem Ganzen zusammengefgt werden mssen. Jedoch ist der Vorgang hier nicht linear (man wei vorher schon, wie das Puzzle am Ende aussieht) sondern kreisfrmig.

In diesem Prozess mssen folgende Kriterien beachtet werden:

Teil/Ganzes-Interaktion: Der Prozess geht vom Teil zum Ganzen und zurck, bis zur endgltigen Interpretation geht das mehrfach vor und zurck. Wenn man mehr Wissen gesammelt hat, kehrt man zum den Einzelteilen zurck, passt sie an, formt ein neues Ganzes, das kann erfordern, sich das Stck fter anzusehen. Die Erklrung fr einen Teil muss zu der vom Ganzen passen.

Interpretation bezogen auf das Objekt der Analyse: Die endgltige Interpretation muss sich auf die Auffhrung beziehen und nicht versehentlich auf etwas von auen. Also mssen alle Beweise in der Argumentation vom Stck selbst geliefert werden. Wenn etwas nicht zusammenpasst, muss man alles noch einmal durchgehen.

gltige und ungltige Interpretationen: Es gibt zwar nicht eine richtige Interpretaion, aber man muss entsprechend begrnden knnen

Korrektur vom Ganzen zum Teil: Wenn der Zuschauer sich die Auffhrung als Ganze angesehen hat, kann er anfangen, sein ursprngliches Verstndnis zu adjustieren und korrigieren.

Die Ergebnisse kommunizieren: Die Funktion der Hermeneutik ist die des Botschaft bermittelns. Der Zuschauer muss in der Lage sein, die Ergebnisse seiner Interpretation mit jemandem zu teilen, der die Erfahrung nicht gemacht hat. Dafr muss er

simpel und deutlich kommunizieren knnen dem Leser sein prior-knowledge (mitgebrachtem Vorwissen, horizon of understanding) nahebringen, damit dieser der eigenen Argumentationslinie folgen kann zeigen, dass er das Objekt der Analyse so gut wie mglich dokumentiert hat und fr seine Interpretation argumentieren kann, also alle gesammelten Daten und Informationen vorweisen knnen wenn ntig, aber nicht alle prsentieren sondern einschrnken.

Die Hermeneutische Spirale

Da sich der Mensch sein Leben lang entwickelt, bis er die Auffhrung sieht aber danach auch noch, kann alles, das Einfluss auf den Zuschauer als Menschen hat, auch Einfluss auf die Interpretation haben, auerdem hat schon die Auffhrung selbst Einfluss. Daher ist der Prozess viel eher eine Spirale mit zwei offenen Enden als ein in sich geschlossener Kreis. Eine Interpretation ist nur ein freeze, ein kurzer Moment, bevor man weitermacht und neu interpretiert.

Kapitel 7 - Hermeneutische Semiotik

Dieser Ansatz versucht die semiologische Methologie mit der Hermeneutik zu einem tauglichen Modell der Auffhrungsanalyse zu verbinden. Die Semiotik liefert die Struktur, die der Hermeneutik fehlt, die Hermeneutik die Gewichtung des Zuschauers.

Folgende Punkte werden der hermeneutischen Spirale beim hermeneutisch-semiotischen Modell noch hinzugefgt:

Segmentierung (segmentation): Als erstes muss man sich entscheiden, nach welcher Leitfrage oder welchem Schema man die Auffhrung in kleinere Einheiten teilen will, fr eine detailliertere Analyse, wichtige Entscheidung, um Einheiten zu finden, die fr das Macro-Sign oder Level of Totality von Bedeutung sind (siehe nchstes Kapitel) Funktion der Zeichen (sign function): Auf was sich die Analyse fokussiert, hngt von der bedeutenden Funktion der theatralen Zeichen ab, manche Zeichen wurden in der Auffhrung mehr hervorgehoben als andere. (natrliche vs. knstliche Zeichen; ikonische, indexikalische oder symbolische Zeichen; ...jede Menge mgl. Klassifizierungssysteme) Codes und Sub-Codes: Anhand der Zeichen knnen wir jetzt erkennen, welche Codes und Sub-Codes verwendet werden und die Zeichen den Codes zuordnen. Gegenstze und Gleichwertiges im Zeichensystem (Opposites and equivalents in the sign system): Zeichen unterteilen, unterscheiden, strukturieren - Nachdem man sich nicht mit jedem Mikrozeichen aufhalten kann, muss man sich entscheiden, wie man die Zeichen gruppiert. Dafr mssen bereinstimmungen und Kontraste/Gegenstze und Gleichwertiges im ganzen Stck gefunden werden, z.Bsp. zwei Schauspieler mit Helmen, alle anderen ohne. Dominante Zeichen (dominants): Manche Zeichen stechen besonders hervor, wurden von der Regie im Stck hervorgehoben interne und externe Codierung (internal and external coding): Wir verbinden mit Zeichen gewisse Bedeutungen, dieses Wissen stammt entweder aus der Auffhrung selbst (interne Codierung/Bedeutungsgenerierung) oder aus unserem gesamten Wissensspektrum (externe Codierung). The Universe of Discourse: Die Gesamtheit dieser Informationen zwischen Bhne und Zuschauern Interpretation: Werden alle vorherigen Segmente verbunden, kommt es zur Interpretation. Die Interpretation ist das Ergebnis, das erzielt wird, wenn der Zuschauer die Codes und ihre Ableitungen definiert, erkennt wie die Zeichensysteme verbunden sind, Gegenstze und Gleichwertiges aussortiert um zu den dominanten Zeichen zu kommen, dabei die interne und externe Codierung prft und das Ergebnis mit seinem universe of discourse verknpft.

Vor- und Nachteile der Hermeneutik die Freiheit/keine strikte Linie: wie kommuniziere ich mit dem Leser, gehe ich davon aus, dass der Leser die Auffhrung kennt oder nicht? Wie strukturiere ich meine Interpretation?+unzhlige verschiedene mgliche Interpretationen, vom Individuum abhngig, daher Raum fr historisch relevantere Interpretation, indem sowohl Auffhrung als auch Analytiker in eine bestimmte historische Zeit gesetzt werden. +Durch die Teil/Ganzes-Interaktion, besteht kaum Gefahr, dass sich die Interpretation nicht auf die Auffhrung als Ganzes bezieht+Die Ergebnisse werden kommuniziert

Vor- und Nachteile der Semiotik Verwendete Terminologie und Sprache ist abschreckend fr den Leser, auch Analytiker fhlt sich durch den Zwang dieser Korrektheit in seiner Interpretation eingeschrnkt unsystematisch, die Interpretation luft Gefahr, unwichtigen Details zu viel Aufmerksamkeit zu schenken setzt die Kommunikation der Interpretation nicht voraus, was oft zu schwer verstndlichen Ergebnissen fhrt fast unmglich durchzufhren da zu detailliert (transitorische Eigenschaft des Theaters)+systematischer und logischer Ansatz, schlgt eine Mglichkeit der Differenzierung zwischen wichtigen und unwichtigen Zeichen vor+hilft dabei, worauf man den Fokus legen soll

Hermeneutische Semiotik in der Praxis

Der Ansatz von Martin und Sauter wendet nun die Punkte, welche die Semiotik der Hermeneutik noch hinzufgt, auf die hermeneutische Spirale an. Wenn man sich auf die Teil/Ganzes-Interaktion konzentriert whrend man der semiotischen Methodik von oben folgt, wird die Analyse systematischer.

Der Prozess teilt sich in 3 Phasen mit 8 Schritten:

1. Phase (1-4) Anschauen, Codes erkennen, Zeichen sortieren:1) prior knowledge angeben, Vorurteile und Erwartungen beinhaltet

2) Ganze Auffhrung ansehen, Analyse als Ganzes, Codes und Sub-Codes erkennen

3) Segmentierung (segmentation) in kleinere Teile und feststellen, welche davon eine bedeutende Funktion haben

4) Im Zuge der Segmentierung werden Gegenstze und Gleichwertiges (opposites and equivalents) geprft, damit man die dominanten Zeichen (dominants) erkennen kann, durch die ganze Auffhrung vom Teil zum Ganzen um zu prfen, ob man alle dominanten Zeichen erkannt hat.

2. Phase (5-7) Interpretieren:5) Interne und externe Codierung (internal and external coding) berprfen und mit der Interpretation der Auffhrung verbinden

6) gltige und ungltige Interpretationen checken, wo notwendig, vom Ganzen zum Teil korrigieren (correcting from whole to part)

7) Da man die Auffhrung als Spirale betrachten kann, muss man womglich fter zurckkehren, irgendwann gelangt man zu einem bestimmten universe of discourse und der damit einhergehenden Interpretation

3. Phase (8) Ergebnisse kommunizieren:8) kohrent und berzeugend die Ergebnisse der Analyse prsentieren knnen (communicating the results), so, dass der Leser, dem Ausgangspunkt des Analytikers folgen kann, die Befunde sollten mit Beispielen aus der Auffhrung belegt sein