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~n > ~o~ ~ ~ ~°fTSchadlingskunde PflanzenschutzUmweltschutz 50 .Jahrgang Heft10,Oktober1977 Anz .Schadlingskde .,Pflanzensdiutz,Umweltschutz50,145-150 (1977) ©1977,VerlagPaulParey,BerlinandHamburg ISSN0340-7330/ASTM-Coden :ASPUCR SchadlingsplagenaufBeichtspiegelnandgraphischenBlattern des15.andbeginnenden16 .Jahrhunderts VonK .BONING,Miinchen(t) Mit9Abbildungen Abstract Frescosandoil-paintingsfromthe15 .andthe beginningofthe16 .centuryshowing outbreaksofpests Inthe15.andthebeginningofthe16 .centuryfrescos andoil-paintingswerecreatedforcatecheticpurposes on whichtheTenCommandmentsrespectively theirtrans- gressionswereconfrontedwiththeTenEgyptianTroubles. Suchpaintingsarestilltobefoundinthechurch ofthe HolyVirginatLemgo,inthemunicipalchurchofZieren- berg(Kasseldistrict),inthechurch atNonnbergnear AltoettinginUpperBavaria,inthechurchtatWerschling inCarinthia,inthemunicipal churchatFriedbergin Hassia,intheSt .GeorgeschurchatDinkelsbuehl andin theconventualchurchatBenediktbeuerninUpper Bava- ria .Naturallyonlythistroublesareinterestingherewhere calamitiesbyverminsarepresented . WhileinLemgo, ZierenbergandfarextendingalsoinDinkelsbuehlthever- minsareshownmoresymbolicinaformofastandardized letterlikeoncontemporarygraphicdesignsandonolder book-paintings,theverminsonthefrescos atNonnberg andonthepaintingsatBenediktbeuernarerendered full oflifeandnatural.Inregardtothepaintings aboutthe troubleofmigratorylocuststheartistsofNonnberg and Benediktbeuernhavepossiblyproducedtheirworks under theimpressionoftheinvasionoflocustsduringtheyears from1475till1477inTyrol,StyriaandVenetia . WahrendbiblischeDarstellungenvonden10agyp- tischenPlagenanddamitauchvondendartberich- tetenSchadlingskalamitatenbereitsinderBuchmale- reides13.Jahrhundertszufindensind,tretensolche DarstellungenaufWandmalereienand Tafelbildern erstvom15 .Jahrhundertabauf.Offenbar dienten siemeistimZusammenhangmitentsprechenden Bil- dern, InschriftenandSpruchbandernvonden10Ge- botenkatechetischenZwecken, wobeidieKompila- tionder10Gebotemitden10agyptischen Plagen schonsehraltist - sicgehtaufdieTheologiedes heiligenAugustinuszuriick - andihrenGrundnach MOLSDORF (1926)letztlichinderZahlensymbolik finder.DieEntstehungdieserBildkompositionenfa11t zusammenmitzeitgenossischer religioserUnterwei- sungsliteratur .AlsBeispielseibieraufdieSchriftvon JOANNES SCHOTTUS (1509),Spiegelchristlicherwal- fahrt"hingewiesen, woineinfachenHolzschnitten innaiverDarstellunggleichfallsGeboteandPlagen nebeneinanderabgebildetsind .DerAusdruckBeicht- spiegel,derseitderMittedes15 .Jahrhunderts fiir einnachdenGebotengeordnetesVerzeichnis haufig vorkommenderSindengebrauchtwird,weistdarauf hin,daf3auchdiehierhergehorigen Malereiender VorbereitungaufdieBeichtedienten .Fureinephyto- medizin-historischeBetrachtungsindsicinsofern von Interesse,alssiczeigen,wiemanzurdamaligenZeit einMassenauftreten vonSchadlingen darzustellen versuchte . Bilder-Beichtspiegel mitDarstellungenderagyp- tischenPlagensindnocherhaltenalsWandfreskenin derMarienkirchezuLemgo, inderStadtkirchezu Zierenberg(BezirkKassel),inderKirchevonNonn- berg,LandkreisAltottinginOberbayernandan der AulenwandderKirchezuWerschlingbeiHimmel- berginKarntensowiealsTafelbilderinderStadt- Abb .1 .WandfreskoinderStadtkirchezuZierenberg

Schädlingsplagen auf Beichtspiegeln und graphischen Blättern des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts

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~n>~o~~~ ~°fT SchadlingskundePflanzenschutz Umweltschutz50. Jahrgang • Heft 10, Oktober 1977

Anz. Schadlingskde., Pflanzensdiutz, Umweltschutz 50, 145-150 (1977)© 1977, Verlag Paul Parey, Berlin and HamburgISSN 0340-7330/ASTM-Coden : ASPUCR

Schadlingsplagen auf Beichtspiegeln and graphischen Blatterndes 15. and beginnenden 16. JahrhundertsVon K. BONING, Miinchen (t)

Mit 9 Abbildungen

AbstractFrescos and oil-paintings from the 15 . and thebeginning of the 16. century showingoutbreaks of pests

In the 15. and the beginning of the 16 . century frescosand oil-paintings were created for catechetic purposes onwhich the Ten Commandments respectively their trans-gressions were confronted with the Ten Egyptian Troubles.Such paintings are still to be found in the church of theHoly Virgin at Lemgo, in the municipal church of Zieren-berg (Kassel district), in the church at Nonnberg nearAltoetting in Upper Bavaria, in the churcht at Werschlingin Carinthia, in the municipal church at Friedberg inHassia, in the St. Georges church at Dinkelsbuehl and inthe conventual church at Benediktbeuern in Upper Bava-ria . Naturally only this troubles are interesting here wherecalamities by vermins are presented . While in Lemgo,Zierenberg and far extending also in Dinkelsbuehl the ver-mins are shown more symbolic in a form of a standardizedletter like on contemporary graphic designs and on olderbook-paintings, the vermins on the frescos at Nonnbergand on the paintings at Benediktbeuern are rendered fullof life and natural. In regard to the paintings about thetrouble of migratory locusts the artists of Nonnberg andBenediktbeuern have possibly produced their works underthe impression of the invasion of locusts during the yearsfrom 1475 till 1477 in Tyrol, Styria and Venetia .

Wahrend biblische Darstellungen von den 10 agyp-tischen Plagen and damit auch von den dart berich-teten Schadlingskalamitaten bereits in der Buchmale-rei des 13. Jahrhunderts zu finden sind, treten solcheDarstellungen auf Wandmalereien and Tafelbildernerst vom 15 . Jahrhundert ab auf. Offenbar dientensie meist im Zusammenhang mit entsprechenden Bil-d ern, Inschriften and Spruchbandern von den 10 Ge-boten katechetischen Zwecken, wobei die Kompila-tion der 10 Gebote mit den 10 agyptischen Plagenschon sehr alt ist - sic geht auf die Theologie desheiligen Augustinus zuriick - and ihren Grund nachMOLSDORF (1926) letztlich in der Zahlensymbolikfinder. Die Entstehung dieser Bildkompositionen fa11tzusammen mit zeitgenossischer religioser Unterwei-sungsliteratur . Als Beispiel sei bier auf die Schrift vonJOANNES SCHOTTUS (1509) ,Spiegel christlicher wal-fahrt" hingewiesen, wo in einfachen Holzschnittenin naiver Darstellung gleichfalls Gebote and Plagennebeneinander abgebildet sind. Der Ausdruck Beicht-spiegel, der seit der Mitte des 15 . Jahrhunderts fiir

ein nach den Geboten geordnetes Verzeichnis haufigvorkommender Si nden gebraucht wird, weist daraufhin, daf3 auch die hierher gehorigen Malereien derVorbereitung auf die Beichte dienten . Fur eine phyto-medizin-historische Betrachtung sind sic insofern vonInteresse, als sic zeigen, wie man zur damaligen Zeitein Massenauftreten von Schadlingen darzustellenversuchte .

Bilder-Beichtspiegel mit Darstellungen der agyp-tischen Plagen sind noch erhalten als Wandfresken inder Marienkirche zu Lemgo, in der Stadtkirche zuZierenberg (Bezirk Kassel), in der Kirche von Nonn-berg, Landkreis Altotting in Oberbayern and an derAulenwand der Kirche zu Werschling bei Himmel-berg in Karnten sowie als Tafelbilder in der Stadt-

Abb. 1 . Wandfresko in der Stadtkirche zu Zierenberg

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K. BONING: Schadlingsplagen auf Beichtspiegeln and graphischen Blattern

kirche zu Friedberg in Hessen, in der St. Georgskirchein Dinkelsbiihl and in der Klosterkirche von Bene-diktbeuern in Oberbayern . Die Fresken von Lemgoand Zierenberg sind in der Anlage ahnlich (Abb . 1) .In der Mitte dieser Darstellungen befindet sich dieiiberragende Gestalt des gehornten Moses, zu seinerLinken sind die 10 Bilder der Plagen in einerReihe untereinander von oben her beginnend angeord-net, zu seiner Rechten die Bilder der 10 Gebote ingleicher Anordnung . Jede Plage and jedes Gebot istmit einem Spruchband mit der Mosesfigur verbunden,der in der Mitte seines Gewandes 10 weitere Tafelnmit Inschriften tragt. In Lemgo sind die 20 Einzel-bilder von den Plagen and Geboten sowie die Schrift-tafelchen auf dem Gewand des Moses in rundenMedaillons wiedergegeben, in Zierenberg sind dieseBilder and Schrifttafelchen rechteckig . Damit stimmensic mit einem deutschen Einblattholzschnitt iiberein,der sick im Britischen Museum in London befindetand in die Zeit von 1465-1480 datiert wird (Abb . 2) .Es scheint demnach, daft die Kiinstler von Lemgoand Zierenberg nach der gleichen Vorlage gearbeitet

Abb. 2 . Deutscher Einblattholzschnitt Nr . A 118 vom Bri-tischen Museum London (nach KLUGE, 1959)

haben. Die Fresken von Lemgo and Zierenberg sindnur schlecht erhalten ; man kann sich aber ein zusatz-liches Bild von den einzelnen Bildern machen, wennman eine andere graphische Darstellung, ein ebenfallsdeutsches Schrotblatt aus derselben Zeit (Abb . 3), an-sieht, das sick im Besitz der Mnnchener StaatlichenGraphischen Sammlung befindet. Die auf diesem Blattwiedergegebene Reihenfolge der Plagen basiert aufder Schrift des heiligen Augustinus De Civitate Dei,wo von den hier interessierenden Plagen an zweiterStelle Frosche, an dritter Stelle Miicken, an vierterStelle Stechfliegen, an siebenter Stelle Hagelschauerand an achter Stelle Heuschrecken angegeben sind .

Abb . 3 . Schrotblatt 1 5 . Jahrhundert. Deutsch . Staatl. Graph .Samml. Mnnche n

Das Schrotblatt, auf dem die Plagen in Medaillonsauf der rechten Seite dargestellt sind and das dievon Moses gehaltenen Gesetzestafeln starker in denMittelpunkt stellt, zeigt auf dem zweiten Bild deut-lich die vom Himmel auf die Erde herabfallendenFrosche . Auf dem 3 . Bild sind offenbar Insektenschad-linge (vielleicht Kafer) an stehendem Getreide andan einem (Obst-?)baum dargestellt, das 4 . Bild zeigtwahrscheinlich nochmals Pflanzenschadlinge in derFlur, die wie auf dem 3. Bild vom Himmel herab-kommen. Deutlicher sind wieder die Heuschrecken aufdem 8 . Bild durch ihre Sprungbeine zu erkennen, diewie auch die Hagelkorner auf dem 7 . Bild aus einerstilisierten Wolke herunterfallen . Im ganzen gesehenstehen die Darstellungen noch im wesentlichen aufderselben Stufe wie einige Buchmalereien des 13 . Jahr-hunderts (Psalter des hl . Ludwig, Paris, National-bibliothek (Abb . 4) ; Haggadah des Rabban Gamaliel,Serajewo), wo die Schadlinge nur symbolisch in Formeiner Art standardisierten Schriftzeichens wieder-gegeben sind.

Ein anderes kiinstlerisches Niveau zeigen die Fres-ken in der Kirche von Nonnberg (Abb . 5) . Hiersind die Bilder realistischer and von Kiinstlern aus-gefiihrt, die sich von der alteren Tradition frei ge-macht batten . Das dnrfte nicht zuletzt darauf zu-riickzufiihren sein, dai hier reichlich Geldmittel zurVerfiigung standen, die Krafte aus der fortschritt-lichen Salzburger Malerschule verpflichten konnten,was darauf zurdckzufiihren gewesen sein dnrfte, dalidiese Kirche das Zentrum einer ausgedehnten reichen

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K. BONING: Schadlingsplagen auf Beichtspiegeln and graphisehen Blattern

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Abb . 4 . Die 10 Plagen im Psalter des hl . Ludwig. 13 . Jahr-hundert. Nationalbibliothek Paris

Okonomie war, die die wirtschaftliche Grundlage desMutterklosters Nonnberg bei Salzburg bildete. Leiderist nur die eine Halfte der groflflachigen Bilderfolgenmit den ungradzahligen Geboten 1, 3, 5, 7 and 9vollstandig erhalten, die andere Halfte mit den ge-radzahligen Geboten 2, 4, 6, 8 and 10 ist durch einspater eingebrochenes groies Mittelfenster stark redu-ziert. Die Bilder sind horizontal jeweils dreiteiligangelegt, wodurch dieser ursprunglich 30 Einzelbilderumfassende Zyklus der umfangreichste seiner Gattungist (Breite der Freskenfelder mit je 3 Bildern 2,40 m,Hohe mit je 5 Reihen 4,50 m, Einzelbild ca. 0,80 mat0,60 m, Breite des spater eingebrochenen Fensters1,30 m, Hohe ca . 3 m) . Eine Mosesfigur findet sichbei dieser freier gestalteten Bilderfolge nicht . Zu denBildern auf der linken Seite, die die Gebote illustrie-ren, and den Bildern der agyptischen Plagen auf derrechten Seite jeden Freskenfeldes kommt noch einemittlere Reihe von Bildern, die Ubertretungen derGebote veranschaulichen . Die schriftlichen Erlaute-rungen zu den Bildern sind unter diesen angebracht,sie Bind jedoch nur noch teilweise zu entziffern . DieKompilation der Plagen zu den Geboten and ihrenUbertretungen weicht in einem Falle von der sonstbblichen insofern ab, als die Heuschreckenplage inVerbindung mit dem 3 . Gebot der Feiertagsheiligungand seiner Ubertretung durch Tanzvergnugungen, diesehr lebhaft and anschaulich dargestellt sind, gebrachtwird. Die weiteren Plagenbilder auf der rechten Seitesind infolge des Fensterdurchbruchs nur bruchstiick-haft erhalten . Von dem Bild von den Froschen alsFolge fur die Ubertretung des 2 . Gebots in der Spitzedes rechten Freskenbildes ist fast nichts mehr zu er-

kennen and von den Bildern der Insektenplagen imZusammenhang mit dem 4. and 8. Gebot, sieht mangerade noch, dali hier Kafer oder Fliegen gemeintsein diir£ten, im letzteren Falle anstelle der bier sonstiiblichen Heuschrecken . In der Hauptsache sind inNonnberg von den Plagenbildern nur das der Heu-schrecken and das des Hagels gut erhalten. Wahrendsich die Heuschrecken noch uber eine noch nicht ganzkahlgefressene Landschaft bewegen, hat der Hagelanscheinend schon alies GrUne zerstort and tiefeWasserfurchen in den Boden gerissen . An den Heu-schrecken fallen die ausgebreiteten hellweiflen Flugelan den schwarzen Insektenkorpern auf ; damit erin-nert die Darstellung an neuzeitliche Wiedergaben wiez. B. auf den grofiformatigen Illustrationen in BrehmsTierleben (4 . Auflage, Band 2, 1915) . Ob der Kiinst-ler selbst einen einfallenden Heuschreckenwanderzugbeobachtet hat, wissen wir nicht ; doch erscheint seinBild im Gesamteindruck so lebendig, daft man es fastannehmen mochte. Er konnte, wenn die Fresken erstim letzten Viertel des 15 . Jahrhunderts entstandensind*, von dem Heuschreckeneinfall erfahren haben,der nach BODENHEIMER (1929) von DALLA TORREfur die Jahre 1475/77 in Tirol registriert wurde andder seinerseits identisch sein durfte mit der Heu-schreckenplage, die in einem WandgemHlde an derSiidseite des Grazer Domes vom Jahre 1480 fest-gehalten worden ist . Eine nahere Beschreibung dieses

Abb . 5 . Linke Halfte der Zehn Gebote, Fresken in derDorfkirche zu Nonnberg. Aufn. B. Landesanst. f. Boden-kultur u. Pflbau, Munchen

Die Fresken werden allerdings von LECHNER friiher,zu Beginn des 3. Viertels des 15 . Jahrhunderts, angesetzt .

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Wandgemaldes findet sich bei SCHIMITSCHEK (1953),aus der zu entnehmen ist, daf3 hier die Heuschreckennur schematisch dargestellt werden . Dieser Wander-heuschreckenzug mull ziemlich ausgedehnt and ver-heerend gewesen sein, denn nach der AllgemeinenEncyclopadie der Wissenschaft and Kunst, Leipzig1830, sollen im Gebiet von Venedig 1478 mehr als30 000 Menschen einer in seinem Gefolge eingetre-tenen Hungersnot zum Opfer gefallen sein .

Die Fresken an der Auienwand der nur schwerzuganglichen Kirche von Werschling befinden sichnach einer Mitteilung von Herrn P . Dr. LECHNERin so schlechtem Zustand, dali ein Eingehen auf dieseBilderfolge nicht moglich ist.

Abb . 6 . Beichtspiegeltafel in St . Georg zu Dinkelsbuhl .Aufn. Verlag A . Hermann u. Co ., 7 Stuttgart 0

Ebenfalls nur sehr schlecht erhalten sind die Tafel-bilder an den Ruckwanden des sudlichen Chorgestuhlsin der Stadtpfarrkirche zu Friedberg in Hessen. Siestammen nicht von Kunstlerhand, sondern durftenvon Handwerkern angefertigt worden sein. Die Bil-der Bind so angeordnet, dali in einer oberen ReiheUbertretungen der 10 Gebote dargestellt sind, wobeisich in jedem Einzelbild in der linken oberen Eckeeine Mosesfigur mit den beiden Gesetzestafeln in derHand befindet. Unter dieser Reihe sind auf einemdurchlaufenden gemeinsamen Hintergrund die 10Plagenbilder gemalt. Das gemeinschaftliche Land-schaftsbild zeigte nach RASCH (1891) matte Farben,einen weiliien Himmel, grunes Land and grune Bergemit Baumen, Strauchern and Grasern ohne rechtePerspektive . In bezug auf die Zuordnung von Gebotand Plage wurde anscheinend die ubliche Reihenfolgeeingehalten ; jedoch waren nach einer Beschreibungvon KELLER (1932), einem Friedberger Religionsleh-rer, nur noch die Froschplage and der Hagelschlag zu

erkennen, alle ubrigen Plagen konnten nicht mehridentifiziert werden .

Erheblich besser erhalten ist die Bildtafel in derSt. Georgskirche von Dinkelsbuhl (Abb . 6) . Sie wird indie Zeit von 1520-1530 datiert and zeigt ahnlichwie die Nonnberger Fresken eine freiere and leben-digere Gestaltung der Figuren auf der Seite der Ge-bote. Dagegen lehnt sich die Wiedergabe gerade beiden hier interessierenden Schadlingsplagen meist andie alteren Vorbilder insofern an, als die Schadlingebzw. beim Hagel die massiven Eisbrocken vom Him-mel herab aus dunklen Wolken auf die Erde her-unterprasseln and die Menschen, stellvertretend dar-gestellt meist durch eine, in einem Falle durch zweibedrangte Gestalten, bedrohen . Bezuglich der Reihen-folge der Bilder diirfte die Tafel in spaterer Zeit,als man ihren Sinn and Verwendungszweck nichtmehr verstand, falsch zusammengefugt worden sein .Die 10 Bilder der rechten Tafelhalfte gehoren tat-sachlich auf die linke Seite, so dali die jetzige linkeHalfte zur rechten Halfte wird . Das 1. Gebot mit1 . Plage beginnt alsdann nach der Vertauschung derbeiden Halften links oben, daneben folgt das 2 . Gebotmit 2. Plage ; darunter in der zweiten Reihe links das3 . Gebot mit 3 . Plage, daneben rechts das 4 . Gebotmit 4. Plage and so fort his zur untersten Reihe linksdas 9. Gebot mit der 9 . Plage and daneben das10 . Gebot mit der 10 . Plage . Auf diese Weise wird dieubliche Reihenfolge and Zuordnung der Gebote andPlagen hergestellt : Froschplage zum 2. Gebot,„schnacken" als Pendant zum 3 . Gebot, womit Stech-mucken gemeint sein durften, ,mucken" offenbargleich Fliegen zum 4. Gebot, Hagel zum 7 . Gebot andHeuschrecken zum 8 . Gebot. Frosche and Hagel-schloflen sind klar and deutlich zu erkennen, auch dieHeuschrecken lassen sich an den Sprungbeinen identi-fizieren. Es ist moglich, daf3 die ursprungliche Tafelgrofler gewesen ist, zumindesten fehlen die Unter-schriften zu den untersten Bildern . Ob man sich fiberdiesen noch eine Mosesfigur vorzustellen hat, ist nichtwahrscheinlich, da eine solche sicher auch bei denNonnberger Fresken nicht vorgesehen war .

Abb. 7 . Beichtspiegel-Tafelbild in der Vorhalle zur Kloster-kirche Benediktbeuern . Aufn. B. Landesanst. f. Boden-kultur u . Pflbau, Miinchen

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K. BONING : Schadlingsplagen auf Beichtspiegeln and graphischen Blattern

Dagegen stelit die Mosesgestalt mit den beidenGesetzestafeln wieder den Mittelpunkt der Benedikt-beuerner Tafel dar, die vermutlich ebenfalls aus derZeit um 1500 stammt (Abb . 7) . Diese Tafel (Innen-flache 1,35 mal 0,98 m, Teilbilder 32,3 mal 17,5 cm,gesamte Tafel bestehend aus 6 Brettern) verfugt imGegensatz zu alien ubrigen Beichtspiegeln nur fiberbildliche Darstellungen der 10 Plagen. Auf die Geboteweisen nur die schriftlichen Angaben auf den beidenGesetzestafeln bin. Da these interessante Tafel an-scheinend bisher in der Literatur der christlichen Iko-nographie keine Berucksichtigung gefunden hat, seihier auch der Text der beiden Tafeln aufgefuhrt .Er lautet :

„Glaub in ainen got in der gmain .Und den selbigen soltu anpeten alain .Seinen namen nenn nit eytel oder inspot .Auch nicht in schweren an der rechtens nott .Heylig dye feier mit got tzw loben .Insiinderheit vmeit dar an in den si nde zwtoben .Dye trew gepot got geaygent sindt .Und die andern simme des menschen chindt .Vater and muetter soltu treu sein .Wildw lang haben daz leben dein .Dw solt nyement totte weder an leib noch eren .Stel nicht sunder tue yerz lob meren .Unkeuschs soltu vermeiden tzw tain .Auch valsche tzewgnuf3 mitsamt liegen gmain .Nicht peger frandes guets noch aines ander weib .Also verleicht got daz ewig leben sel and leib amen ."Darunter heillt es dann noch „Dye tzwo tafelnMoyse ."Auch dieser Text weist auf •das Ende des 15 . bzw.

den Anfang des 16 . Jahrhunderts bin. Die Anordnungder Bilder von oben nach unten (links 1 . - 5. Plage,rechts 6 .-10. Plage) folgt der kanonischen Reihen-folge . Es handelt sick gerade in bezug auf die Sdzad-lingsplagen wiederum um realistische Wiedergaben(Abb . 8) . Die abgebildeten Landschaften ahneln sichweitgehend mit Bergen and Hi geln im Hintergrundand Baumen in wechseinder Zahl im Vorder- andMittelgrund . Der Kunstler hat offenbar mehr Natur-verstandnis eingebracht . Er laflt eigentlich nur den Ha-gel unmittelbar vom Himmel herabkommen . DieFrosche steigen anscheinend aus deco Wasser herausand bewegen sich auf dem Land weiter . Die Insektenbefinden sich gleichmaflig verteilt in der Luft zwischenand uber den Baumen. Auf den Bildern der 3 . Plagesoil es sich anscheinend um Stechmucken handeln, aufdem von der 4 . Plage sind mit Sicherheit einige Fliegenzu erkennen, im ubrigen aber auch noch andere gleichgrol3e oder etwas groflere Insekten . Gut getroffen sinddie Heuschrecken auf dern Bild der 8. Plage (Abb . 9) .Wenn sic auch im Verhaltnis zur Umgebung zu groggeraten sind, was vielieicht die Gefahrlichkeit unter-streichen soil, so geben sic loch das Durcheinandercines Heuschreckenschwarmes deutlich wieder. Audihier konnte man meinen, daf3 der Kiinstler noch unterdem Eindruck des Heuschreckenzuges von 1475177 ge-standen hat .

Die Bilder der Benediktbeuerner Tafel sind zwarin ihrer Reihenfolge an die kanonische Regel gebun-

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den, aber unabhangig in bezug auf ihre Zuordnungzu den 10 Geboten, die nur schriftlich den Gesetzes-tafeln zu entnehmen sind and bei deren Erlauterungder Katechet selbst uber die Zuordnung bestimmenoder nur allgemein auf Zusammenhange zu verweisenbrauchte. Hier entsteht auch kein Zweifel in bezug

Abb.8. Vergrolerte Ausschnitte in der Klosterkirche zuBenediktbeuern. Aufn. B. Landesanst. f. Bodenkultur u .Pflbau, MUnchen

Abb . 9. Vergralerter sschnitt des enbildes 8 derBeichtsp el-Bildtafel Klosterk Benedikt-beuern. Aufn. B. Lan sanst. f. Bodenkultur u . Pflbau,Mnnchen

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150 R. AHMAD : Zur Kenntnis von Hyperodes bonariensis Kuschel and seiner Feinde in Argentinien

auf die Anbringung der Gebote and Plagen auf derlinken oder rechten Seite des Beichtspiegels . Wohldurfte man allgemein davon ausgehen, daf3 die Pla-gen als Folge der Obertretung der Gebote aufgefaf3twerden sollen, daf3 sie also auf der rechten Seite an-gebracht werden muf3ten . Dem widerspricht aber dasKonzept der Lemgoer and Zierenberger Fresken so-wie das des hierhergehorigen Einblattholzschnittes desBritischen Museums, das vielleicht so zu deuten ist,daf3 man hier von den Plagen ausgegangen ist andsie als Folge von Ubertretungen der Gebote zu inter-pretieren versucht . Das ware also eine Erklarung furschadenbringende Naturereignisse, wahrend im um-gekehrten Falle einsichtig gemacht werden soll, wo-mit bei Ubertretungen gottlicher Gesetze zu rechnenist .

Fur freundliche Hinweise and Bemuhungen um Auf-nahmen and die Erlaubnis hierzu sowie sonstige Unter-stiitzung babe ich folgenden Herren zu darken : PresidentDr. A. KRAUS, Munchen ; Oberlandwirtschaftsrat KRUMREY,Rosenheim ; Pater Dr. GEORG MARTIN LECHNER OSB,Stift Gottweig, Niederosterreich ; Gemeindschreiber PRAML,Geratskirchen ; Kaufmann i . R. H. ROSENSCHoN, Fried-berg in Hessen; Pater Dr. LEO WEBER, SDB, KlosterBenediktbeuern, Oberbayern, and LandwirtschaftsdirektorH. ZIMMERMANN, Kassel.

ZusammenfassungIm 15 . and beginnenden 16 . Jahrhundert sind fur kate-

chetische Zwecke Fresken and Tafelbilder angefertigt wor-den, auf denen den 10 Geboten bzw . deren Obertretungendie 10 agyptischen Plagen gegeniibergestellt wurden . SolcheBilder befinden sich noch in der Marienkirche zu Lemgo,in der Stadtkirche zu Zierenberg (Bezirk Kassel), in derKirche zu Nonnberg, Landkreis Altotting in Oberbayern,an der Kirche zu Wersdiling in Karnten, in der Stadtkirchezu Friedberg in Hessen, in der St. Georgskirche in Din-kelbiihl and in der Klosterkirche von Benediktbeuern inOberbayern. Hier interessieren naturlich nur diejenigen

Anz. Sdiadlingskde ., Pflanzenschutz, Umweltschutz 50, 150-151 (1977)© 1977, Verlag Paul Parey, Berlin and HamburgISSN 0340-7330/ASTM-Coden: ASPUCR

Commonwealth Institute of Biological Control, South American Station, Bariloche, Argentina

Zur Kenntnis von Hyperodes bonariensis Kuschel (Col ., Curculionidae)and seiner Feinde in ArgentinienVon R . AHMAD

Abstract

On the knowledge of Hyperodes bonariensis Kuschel(Col ., Curculionidae) and its antagonistsin Argentina

Studies were made on damage of Hyperodes bonariensisas a pest of pasture plants and on incidence of its parasitesand predators . Among its natural enemies, Patassonatomarius (Breth .) (Mymaridae, parasitic on eggs)appeared to be polyphagous, having a good potentialrate of increase and substantical ecological tolerance andseemed to be a promising parasite . Sericophanes obscuricor-nis Popp. (Miridae), Nabis punctipennis Blanch. (Nabidae),Philonthus sp . (Staphylinidae) (predaceous on eggs),Pterostichus aereus (Dej.), Pt. unistriatus (Dej .), Barypusclivinoides Curt ., Cnemalobus gavi Putz ., Metius blandus(Dej .) and M. malachiticus (Dej.) (Carabidae, predaceouson adult weevils) destroyed the host to some extent, but

Plagen, auf denen Schadlingskalamitiiten dargestellt sind .Wahrend in Lemgo, Zierenberg and weitgehend auch inDinkelsbuhl die Schadlinge mehr symbolisch in einer Artstandardisierter Schriftzeichen wiedergegeben sind, eineDarstellungsform, die mit zeitgenossischen Zeichnungen aufgraphischen Blattern and alteren Buchmalereien iiberein-stimmt, sind die Schadlinge auf den Fresken von Nonn-berg and auf der Tafel von Benediktbeuern in einer leben-digen and naturlichen Art dargestellt . In "bezug auf dieBilder von der Heuschreckenplage haben die Kunstler vonNonnberg and Benediktbeuern vielleicht unter dem Ein-druck des Heuscbreckeneinfalls von 1475/77 in Tirol,Steiermark and Venetien ihre Arbeiten gefertigt .

LiteraturverzeichnisBODENHEIMER, F. S ., 1929 : Materialien zur Geschichte der

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Anschrift des Verfassers : RD i. R. Prof. Dr. KarlBONING (1'), Ossingerstrafle 45, 8000 Munchen 70 .

they are not of much importance in regulating the popula-tion of this pest.

1 . EinleitungIm Rahmen von Untersuchungen fiber Weidegras-

Schadlinge in Argentinien wurden auch Beobachtun-gen uber Hyperodes bonariensis Kuschel and seineFeinde in den Provinzen Rio Negro, La Pampa andCordoba durchgefuhrt. LOAN and LLOYD (1974) be-schrieben u . a. die Grundziige der Biologie diesesRilsselkafers . Danach hatte er bei Bariloche (RioNegro) eine Generation, in nordlidleren Gegendendagegen zwei Generationen im Jahr. In der vorliegen-den Studie soil fiber das Auftreten des Schadlingsand seiner Feinde in den Zentralprovinzen von Argen-tinien in den Jahren 1972 and 1973 berichtet werden .