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30 Nr. 46 | Samstag/Sonntag, 23./24. Februar 2019 STUTTGARTER ZEITUNG BADEN-WÜRTTEMBERG Mitten im blühenden Leben P eter Scheffler ist eigentlich ein Bü- cherwurm. Eine mehrbändige Fan- tasyreihe wartet auf seinem Regal darauf, von ihm verschlungen zu werden. An diesem Morgen nimmt sich der 27-Jäh- rige trotzdem Zeit und geht zu den anderen an den Esstisch. Das ist ein bisschen müh- sam für ihn. Er braucht einen Stock, für län- gere Strecken benötigt er seinen Rollstuhl. Peter Scheffler ist einer von vier jungen Männern, die am 3. Januar die Rollstuhl- Wohngemeinschaft (WG) des Vereins Atoll im Heilbronner Neckarbogen bezogen ha- ben. Ihr neues Zuhause liegt inmitten des Geländes, wo am 17. April die Bundesgar- tenschau (Buga) eröffnet wird. „Ich bin ge- spannt, wie das Jahr wird“, sagt Peter Scheffler. Langweilig wird ihm sicherlich nicht, dessen ist er sich sicher: „Da gibt es jeden Tag irgendwo etwas, wo man hingehen kann.“ Schon jetzt bedauert Scheffler, dass das Veranstaltungsgelände der Buga später weiteren Wohnhäusern weichen soll: „Es wäre schöner, wenn es ein Konzert- und Openair-Gelän- de bliebe“, meint er. Dem gebürtigen Saarlän- der und seinen drei Mitbewohnern gehört der vierte Stock im Haus mit dem Namen Javie. Der Name ist eine Abkürzung und bedeutet Ja zur Vielfalt. In dem sechsstö- ckigen Niedrigenergiegebäude, das die Stadtsiedlung Heilbronn im neuen Stadt- quartier errichtet hat, findet nicht nur die vierte Rollstuhl-WG von Atoll Unter- schlupf. Einige Mietwohnungen sind reser- viert gewesen für Menschen mit Wohnbe- rechtigungsscheinen. Auch die Nachbargebäude haben Na- men, die Programm sind für ein abwechs- lungsreiches Zusammenleben im Haus: Famju steht für Familie und Junggebliebe- ne – dort leben mehrere Generationen unter einem Dach. Und Kinja soll Ja zu Kindern bedeuten und beherbergt die Neckarbogen-Kita mit ihren 90 Betreu- ungsplätzen. Die Wohnungen im vierten Obergeschoss von Kinja sind reserviert für alleinerziehende Mütter oder Väter. Der Neckarbogen soll nicht nur architekto- nisch Maßstäbe setzen, sondern auch im nachbarschaftlichen Miteinander. Ob das gelingt, ist allerdings offen. Im Moment ist das Gelände noch eine große Baustelle. Die Zeit wird an manchen Stellen wohl knapp bis zur Eröffnung am 17. April. Bis auf kurze Begegnungen im Aufzug gibt es noch kaum Kontakt zwischen den Mitbe- wohnern. Für André Ettl, den Ge- schäftsführer des Vereins Atoll, kam die Bundesgarten- schau mit dem Bau der Stadt- ausstellung im Neckarbogen jedenfalls wie gerufen. Die bereits be- stehenden Rollstuhlfahrer-Wohngemein- schaften in Heilbronn platzten aus allen Nähten. Das Haus, in dem sich die WGs be- finden, war renovierungsbedürftig – und der Wohnungsmarkt wie leer gefegt. Be- zahlbare Mietwohnungen sind in Heil- bronn auch dann Mangelware, wenn sie nicht auch noch behindertengerecht aus- gestattet sind. Ettl wandte sich daher an die kommunale Wohnungsbaugesellschaft und bat um Hilfe. Die Stadtsiedlung half. Die städtische Tochter musste am Neckarbogen ohnehin in die Bresche springen, weil Investoren abgesprungen waren – etwa beim Holz- hochhaus Skaio. Für die Rollstuhlfahrer- WG wurden zwei Wohnungen zusammen- gelegt. Es gibt automatische Türöffner, von der Keller- bis zur Wohnungstüre. An der Wendeltreppe zur Dachterrasse, die von der ganzen Hausgemeinschaft benutzt werden soll, wurde für die Rollstuhlfahrer ein Treppenlift installiert. Am Esstisch kommt man immer wieder zusammen und bespricht, was so ansteht. Mal geht es um den Speiseplan, mal um organisatorische Fragen. „Ich fühle mich hier viel wohler als in der alten WG“, sagt Peter Scheffler. In der Bahnhofstraße mit ihren 18 Bewohnern war ihm manchmal zu viel Trubel. Dabei hat er dort gut acht Jahre verbracht. Am 23. September 2010 hatte er sich die WG angeschaut. Eigentlich sollte es nur eine Besichtigung sein, aber „ich bin einfach geblieben“. Bis zum Umzug in den Neckarbogen. Dort kommt der Bücher- wurm nun anscheinend häufiger hinter sei- nen Schmökern hervor. „Peter sieht man jetzt öfter als früher“, sagt sein Mitbewoh- ner Bernd Eitel. Für den 31-Jährigen, der ursprünglich aus Neckarsulm stammt, bedeutet der Ein- zug in die Rollstuhlfahrer-WG das Ende eines Provisoriums. In der WG in der Bahn- hofsstraße hatte er im Gästezimmer zur Probe gewohnt. Jetzt blickt er von seinem neuen Zimmer aus Richtung Altneckar – und zu seinem Arbeitsplatz in einem Call- center. Auch Peter Scheffler hofft auf einen Job direkt vor seiner neuen Haustür. Er hat sich bei der Bundesgartenschau-Gesell- schaft auf eine Stelle bei der Verleihstation für Rollatoren, Rollstühle und Bollerwagen beworben. Damit dürfte er sich gut ausken- nen. Klappt das, kommt er 173 Tage lang praktisch nicht vom Buga-Gelände he- runter. Mit dieser Aussicht kann Scheffler gut leben. „Ich hoffe, das wird cool.“ Heilbronn Vier Rollstuhlfahrer sind in eine Wohngemeinschaft auf dem Gelände der Bundesgartenschau eingezogen. Von Carola Fuchs Michael Stopp (links) und Marcel Toth sitzen bei der Gartenschau in der ersten Reihe. Der Gebäudekomplex, in dem die WG liegt, bietet Blick aufs Wasser. Am Esstisch kommen die WG-Bewohner um Peter Scheffler (Mitte) und ihr Betreuer (rechts) regelmäßig zusammen, denn es gibt immer einiges zu besprechen. Fotos: factum/Weise Karlsruhe Start in die Freibadsaison „Wer draußen schwimmt, bleibt fit.“ Unter diesem Motto startete Karlsruhe am Frei- tag in die Freibad-Saison. Das Sonnenbad am Rheinhafen meldete sich nach Angaben der städtischen Bädergesellschaft als erstes Freibad in Deutschland aus der Winterpau- se zurück. Egal wie kalt es ist: Bis zum 1. Ad- vent kann bei einer Wassertemperatur von 28 Grad geplanscht und geschwommen werden. Wie jedes Jahr werden zum Start zahlreiche Stammgäste und Freibadfans von weiter weg erwartet. Zu Beginn der Freibad-Saison mussten die Schwimmer aber zunächst auf Sonne verzichten. In Karlsruhe blieb es bis zum Nachmittag stark bewölkt. „Durch den Ein- fluss eines Hochdruckgebiets wird es bald sonniger. Am Wochenende haben wir dann Sonne pur“, sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes am Freitag. dpa Anschlag aus Protest gegen Erdogan D rei junge Männer müssen wegen eines Brandanschlags auf die Räu- me einer türkischen Religionsge- meinschaft in Lauffen am Neckar ins Ge- fängnis. Das Landgericht Heilbronn ver- urteilte sie am Freitag unter anderem we- gen versuchter schwerer Brandstiftung. Ein Angeklagter erhielt eine Strafe von drei Jahren Haft, die anderen beiden wurden zu Jugendstrafen von zweieinhalb Jahren be- ziehungsweise zwei Jahren und acht Mona- ten verurteilt. Der Anschlag im März 2018 sei ein Pro- test gegen die türkische Regierung gewe- sen, sagte die Vorsitzende Richterin Eva Bezold. Das aggressive Vorgehen des Mili- tärs im syrischen Ort Efrîn radikalisierte laut Bezold die späteren Täter – die drei Männer im Alter von 20 bis 24 Jahren sind Kurden aus der Türkei beziehungsweise Syrien. Bei der Offensive gegen die zum Großteil von Kurden bewohnte Stadt ka- men laut Bezold auch Angehörige eines der Täter ums Leben: „Der Tod vieler unschul- diger Opfer verstärkte bei den Angeklagten die Ablehnung der türkischen Regierung.“ Dass die Angeklagten einen nebenan schlafenden Imam und dessen Ehefrau tö- ten wollten, schloss die Kammer aber aus. Die Angeklagten hätten die Brandsätze eben nicht in die Wohnräume geworfen, er- klärte die Vorsitzende Richterin. Ur- sprünglich waren die Männer auch wegen versuchten Mordes angeklagt. Verletzte hatte es bei dem Anschlag nicht gegeben, das Feuer war mit einem Schuh ausgetreten worden. Auch die im Gebäude untergebrachte Moschee hätten die Täter nicht im Visier gehabt. Es sei ih- nen darum gegangen, eine türkische Insti- tution zu treffen, betonte die Richterin. Die Räume wurden von der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüs („Nationale Sicht“) betrieben. Laut Bezold kommt der Religionsgemeinschaft eine politische Be- deutung zu, weil sie im Ruf steht, von der Partei des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gelenkt zu werden. Auch in anderen deutschen Städten flo- gen am Anfang des vergangenen Jahres, nach dem Beginn der Militär-Offensive in Syrien, Brandsätze auf türkische Gebets- häuser und Vereine. Nach einem mutmaß- lichen Anschlag in Ulm auf eine Moschee stehen seit vergangenem Dezember sechs Männer vor Gericht. Die drei Angeklagten in Heilbronn hat- ten die Tat bestritten. Zwei weitere Mittä- ter, die auf einem Handyvideo von dem An- schlag auf die Einrichtung zu sehen sind, wurden bislang noch nicht gefunden. dpa Lauffen Vor einem Jahr haben Kurden die Räume einer türkischen Religionsgemeinschaft in Brand gesetzt. Sie wurden nun verurteilt. „Da gibt es jeden Tag irgendwo etwas, wo man hingehen kann.“ Der WG-Bewohner Peter Scheffler freut sich auf die Buga-Veranstaltungen. Mannheim Von Straßenbahn erfasst Beim Zusammenprall mit einer Straßenbahn hat sich ein Betrunkener in Mannheim am Donnerstagabend schwer verletzt. Der 51-Jäh- rige hatte wohl die anfahrende Straßenbahn übersehen, wie die Polizei mitteilte. Diese er- fasste den Mann und schleuderte ihn zu Bo- den. Der Verletzte wurde mit Wunden am Kopf und Rippenbrüchen in eine Klinik gebracht, schwebt jedoch nicht in Lebensgefahr. dpa Jestetten Randalierender Ehemann Nach einer Attacke auf seine getrennt von ihm lebende Frau ist in Jestetten (Kreis Waldshut) ein 35 Jahre alter Mann festgenommen wor- den. Er hatte ihr am Donnerstag auf der Straße aufgelauert und auf sie eingeschlagen, wie die Polizei mitteilte. Die Frau kam verletzt in eine Klinik. Der Mann beschädigte zudem ihr Auto. Als ein Passant auf ihn aufmerksam wurde, flüchtete der Mann, wurde aber später in sei- ner Wohnung festgenommen. Er randalierte im Streifenwagen und biss einen Beamten. dpa Mosbach Einbrecher muss in Haft Wegen gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen ist ein 38 Jahre alter Mann vom Land- gericht Mosbach zu sechseinhalb Jahren Ge- fängnis verurteilt worden. Das Gericht sah es am Freitag als erwiesen an, dass der Angeklag- te im September 2018 gemeinsam mit einem Komplizen in ein Wohnhaus in Obrigheim eingebrochen war. Sie entwendeten Schmuck und Uhren im Wert von 500 Euro. dpa Kurz berichtet Kontakt Region/Baden-Württemberg Telefon: 07 11/72 05-13 11 E-Mail: [email protected] B unte Landschaften und ungeschön- te Akte: Der Faszination von Paris bei deutschen Künstlern ist eine Schau in Karlsruhe auf der Spur. Die Aus- stellung „Paris, Paris! Karlsruher Künstler an der Seine 1850–1930“ zeigt anhand von rund 200 Exponaten Einflüsse auf deut- sche Maler, Grafiker und Bildhauer. Von diesem Samstag an bis zum 2. Juni sind in der Städtischen Galerie Werke von 40 Künstlern der Karlsruher Akademie zu sehen, die sich seit Mitte des 19. Jahrhun- derts ins Zentrum der Avantgarde auf- machten. Unter ihnen Franz Xaver Winter- halter, Anselm Feuerbach, Hans Thoma, Karl Albiker, Karl Hubbuch, Martha Kropp, Otto Laible und Wilhelm Schnarrenberger. Paris und die französische Kunst zogen deutsche Künstler magisch an. Realismus, Impressionismus, Symbolismus und die Väter der Moderne mit Vincent van Gogh, Paul Cézanne und Auguste Rodin – der ra- sche Wechsel der Kunstrichtungen faszi- nierte die Ankömmlinge, die vor allem eines wollten: den erstarrten Akademiebe- trieb in Deutschland hinter sich lassen und an den privaten Akademien in Paris ihren eigenen künstlerischen Weg finden. Die Ausstellung dokumentiert die Viel- seitigkeit anhand von 80 Gemälden, 100 Zeichnungen und Druckgrafiken sowie acht Plastiken. Zu sehen sind lichte Szenen wie in Wilhelm Schnarrenbergers „Boule- vard du Montparnasse“ (1931), zarte Stillle- ben von Otto Laible („Frau am Fenster im gelben Kleid“/1932), expressive „Spazier- gänger im Park“ von Rudolf Levy (1910) oder fein gestrichelte Zeichnungen wie „Das Wahrzeichen“ von Hubbuch (1926). Für Künstlerinnen bedeutete Paris eine besondere Freiheitserfahrung: Sie konnten sich teils erstmals am echten nackten Men- schen orientieren. In der Schau wird dies anhand einer Reihe ungeschönter Akte von Clara Johanna Ris deutlich. Legendärer Künstlertreffpunkt am Boulevard du Montparnasse war das Café du Dôme. Dort ging man hin, wenn man nur wenige Tage da war, wie Hans Thoma. Und auch, wenn man mehrere Jahre blieb, wie Anselm Feu- erbach. Der Aufenthalt in Paris bedeutete für manche auch einen Karriereschub: Franz Xaver Winterhalter, der sich schon 1834 in Paris niederließ, avancierte später zum badischen Hofmaler und Liebling des europäischen Adels. dpa Karlsruhe Die Städtische Galerie zeigt Werke von Künstlern, die an der Seine inspiriert wurden. Schau zeigt Pariser Einfluss Bluttat Mutter nach Bluttat in Psychiatrie Die Frau, die Ende Januar im Landkreis Rottweil ihre Tochter getötet haben soll, ist in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht worden. Dort werde sie bis zum Hauptverfahren bleiben, teilte die Staatsanwaltschaft Rottweil am Freitag mit. Laut einem psychiatrischen Gutach- ten ist die 56-Jährige schuldunfähig. Der Haftbefehl wegen Totschlags und versuch- ten Mordes wurde aufgehoben. Die Frau hatte den Angaben nach ihre 22-jährige Tochter in Hardt erstochen und danach in Schramberg ihren 25-jährigen Sohn mit einem Messer schwer verletzt. In dessen Wohnung wurde sie festgenommen. An einer Wand und an der Tür der Moschee sind noch die Brandspuren zu sehen, die der An- schlag verursacht hat. Foto: dpa

Schau zeigt Mitten im Pariser Einfluss blh enden Lebenverein-atoll.de/images/20190223_STZ_D_STZ_030.pdf · blh enden Leben P eter Scheffler ist eigentlich ein B-cherwurm. Eine mehrbndige

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Page 1: Schau zeigt Mitten im Pariser Einfluss blh enden Lebenverein-atoll.de/images/20190223_STZ_D_STZ_030.pdf · blh enden Leben P eter Scheffler ist eigentlich ein B-cherwurm. Eine mehrbndige

30 Nr. 46 | Samstag/Sonntag, 23./24. Februar 2019STUTTGARTER ZEITUNGBADEN-WÜRTTEMBERG

Mitten im blühenden Leben

P eter Scheffler ist eigentlich ein Bü-cherwurm. Eine mehrbändige Fan-tasyreihe wartet auf seinem Regal

darauf, von ihm verschlungen zu werden.An diesem Morgen nimmt sich der 27-Jäh-rige trotzdem Zeit und geht zu den anderenan den Esstisch. Das ist ein bisschen müh-sam für ihn. Er braucht einen Stock, für län-gere Strecken benötigt er seinen Rollstuhl.

Peter Scheffler ist einer von vier jungenMännern, die am 3. Januar die Rollstuhl-Wohngemeinschaft (WG) des Vereins Atollim Heilbronner Neckarbogen bezogen ha-ben. Ihr neues Zuhause liegt inmitten desGeländes, wo am 17. April die Bundesgar-tenschau (Buga) eröffnet wird. „Ich bin ge-spannt, wie das Jahr wird“, sagt PeterScheffler. Langweilig wird ihm sicherlichnicht, dessen ist er sich sicher: „Da gibt esjeden Tag irgendwo etwas, woman hingehen kann.“ Schonjetzt bedauert Scheffler, dass das Veranstaltungsgeländeder Buga später weiterenWohnhäusern weichen soll:„Es wäre schöner, wenn es ein Konzert- und Openair-Gelän-de bliebe“, meint er.

Dem gebürtigen Saarlän-der und seinen drei Mitbewohnern gehörtder vierte Stock im Haus mit dem NamenJavie. Der Name ist eine Abkürzung undbedeutet Ja zur Vielfalt. In dem sechsstö-ckigen Niedrigenergiegebäude, das dieStadtsiedlung Heilbronn im neuen Stadt-quartier errichtet hat, findet nicht nur die vierte Rollstuhl-WG von Atoll Unter-schlupf. Einige Mietwohnungen sind reser-

viert gewesen für Menschen mit Wohnbe-rechtigungsscheinen.

Auch die Nachbargebäude haben Na-men, die Programm sind für ein abwechs-lungsreiches Zusammenleben im Haus:Famju steht für Familie und Junggebliebe-ne – dort leben mehrere Generationenunter einem Dach. Und Kinja soll Ja zuKindern bedeuten und beherbergt dieNeckarbogen-Kita mit ihren 90 Betreu-ungsplätzen. Die Wohnungen im vierten Obergeschoss von Kinja sind reserviert füralleinerziehende Mütter oder Väter. Der Neckarbogen soll nicht nur architekto-nisch Maßstäbe setzen, sondern auch imnachbarschaftlichen Miteinander. Ob das gelingt, ist allerdings offen. Im Moment ist das Gelände noch eine große Baustelle. DieZeit wird an manchen Stellen wohl knapp

bis zur Eröffnung am 17. April.Bis auf kurze Begegnungen imAufzug gibt es noch kaumKontakt zwischen den Mitbe-wohnern.

Für André Ettl, den Ge-schäftsführer des VereinsAtoll, kam die Bundesgarten-schau mit dem Bau der Stadt-ausstellung im Neckarbogen

jedenfalls wie gerufen. Die bereits be-stehenden Rollstuhlfahrer-Wohngemein-schaften in Heilbronn platzten aus allenNähten. Das Haus, in dem sich die WGs be-finden, war renovierungsbedürftig – undder Wohnungsmarkt wie leer gefegt. Be-zahlbare Mietwohnungen sind in Heil-bronn auch dann Mangelware, wenn sie nicht auch noch behindertengerecht aus-gestattet sind. Ettl wandte sich daher an diekommunale Wohnungsbaugesellschaftund bat um Hilfe.

Die Stadtsiedlung half. Die städtischeTochter musste am Neckarbogen ohnehin in die Bresche springen, weil Investorenabgesprungen waren – etwa beim Holz-hochhaus Skaio. Für die Rollstuhlfahrer-WG wurden zwei Wohnungen zusammen-gelegt. Es gibt automatische Türöffner, vonder Keller- bis zur Wohnungstüre. An derWendeltreppe zur Dachterrasse, die vonder ganzen Hausgemeinschaft benutztwerden soll, wurde für die Rollstuhlfahrerein Treppenlift installiert.

Am Esstisch kommt man immer wiederzusammen und bespricht, was so ansteht. Mal geht es um den Speiseplan, mal umorganisatorische Fragen. „Ich fühle michhier viel wohler als in der alten WG“, sagtPeter Scheffler. In der Bahnhofstraße mit ihren 18 Bewohnern war ihm manchmal zuviel Trubel. Dabei hat er dort gut acht Jahreverbracht. Am 23. September 2010 hatte ersich die WG angeschaut. Eigentlich solltees nur eine Besichtigung sein, aber „ich bineinfach geblieben“. Bis zum Umzug in denNeckarbogen. Dort kommt der Bücher-wurm nun anscheinend häufiger hinter sei-nen Schmökern hervor. „Peter sieht man

jetzt öfter als früher“, sagt sein Mitbewoh-ner Bernd Eitel.

Für den 31-Jährigen, der ursprünglichaus Neckarsulm stammt, bedeutet der Ein-zug in die Rollstuhlfahrer-WG das Endeeines Provisoriums. In der WG in der Bahn-hofsstraße hatte er im Gästezimmer zurProbe gewohnt. Jetzt blickt er von seinemneuen Zimmer aus Richtung Altneckar –und zu seinem Arbeitsplatz in einem Call-

center. Auch Peter Scheffler hofft auf einenJob direkt vor seiner neuen Haustür. Er hatsich bei der Bundesgartenschau-Gesell-schaft auf eine Stelle bei der Verleihstationfür Rollatoren, Rollstühle und Bollerwagenbeworben. Damit dürfte er sich gut ausken-nen. Klappt das, kommt er 173 Tage langpraktisch nicht vom Buga-Gelände he-runter. Mit dieser Aussicht kann Schefflergut leben. „Ich hoffe, das wird cool.“

Heilbronn Vier Rollstuhlfahrer sind in eine Wohngemeinschaft auf dem Gelände der Bundesgartenschau eingezogen. Von Carola Fuchs

Michael Stopp ( links) und Marcel Toth sitzen bei der Gartenschau in der ersten Reihe.

Der Gebäudekomplex, in dem die WG liegt,bietet Blick aufs Wasser.

Am Esstisch kommen die WG-Bewohner um Peter Scheffler (Mitte) und ihr Betreuer(rechts) regelmäßig zusammen, denn es gibt immer einiges zu besprechen. Fotos: factum/Weise

Karlsruhe

Start in die Freibadsaison „Wer draußen schwimmt, bleibt fit.“ Unterdiesem Motto startete Karlsruhe am Frei-tag in die Freibad-Saison. Das Sonnenbad am Rheinhafen meldete sich nach Angabender städtischen Bädergesellschaft als erstesFreibad in Deutschland aus der Winterpau-se zurück. Egal wie kalt es ist: Bis zum 1. Ad-vent kann bei einer Wassertemperatur von28 Grad geplanscht und geschwommen werden. Wie jedes Jahr werden zum Startzahlreiche Stammgäste und Freibadfansvon weiter weg erwartet.

Zu Beginn der Freibad-Saison musstendie Schwimmer aber zunächst auf Sonneverzichten. In Karlsruhe blieb es bis zumNachmittag stark bewölkt. „Durch den Ein-fluss eines Hochdruckgebiets wird es bald sonniger. Am Wochenende haben wir dannSonne pur“, sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes am Freitag. dpa

Anschlag aus Protest gegen Erdogan

D rei junge Männer müssen wegeneines Brandanschlags auf die Räu-me einer türkischen Religionsge-

meinschaft in Lauffen am Neckar ins Ge-fängnis. Das Landgericht Heilbronn ver-urteilte sie am Freitag unter anderem we-gen versuchter schwerer Brandstiftung.Ein Angeklagter erhielt eine Strafe von dreiJahren Haft, die anderen beiden wurden zuJugendstrafen von zweieinhalb Jahren be-ziehungsweise zwei Jahren und acht Mona-ten verurteilt.

Der Anschlag im März 2018 sei ein Pro-test gegen die türkische Regierung gewe-sen, sagte die Vorsitzende Richterin EvaBezold. Das aggressive Vorgehen des Mili-tärs im syrischen Ort Efrîn radikalisiertelaut Bezold die späteren Täter – die dreiMänner im Alter von 20 bis 24 Jahren sindKurden aus der Türkei beziehungsweise Syrien. Bei der Offensive gegen die zumGroßteil von Kurden bewohnte Stadt ka-men laut Bezold auch Angehörige eines derTäter ums Leben: „Der Tod vieler unschul-diger Opfer verstärkte bei den Angeklagtendie Ablehnung der türkischen Regierung.“

Dass die Angeklagten einen nebenanschlafenden Imam und dessen Ehefrau tö-ten wollten, schloss die Kammer aber aus. Die Angeklagten hätten die Brandsätzeeben nicht in die Wohnräume geworfen, er-klärte die Vorsitzende Richterin. Ur-sprünglich waren die Männer auch wegenversuchten Mordes angeklagt.

Verletzte hatte es bei dem Anschlagnicht gegeben, das Feuer war mit einem Schuh ausgetreten worden. Auch die imGebäude untergebrachte Moschee hätten die Täter nicht im Visier gehabt. Es sei ih-nen darum gegangen, eine türkische Insti-tution zu treffen, betonte die Richterin.

Die Räume wurden von der IslamischenGemeinschaft Millî Görüs („Nationale Sicht“) betrieben. Laut Bezold kommt der Religionsgemeinschaft eine politische Be-

deutung zu, weil sie im Ruf steht, von derPartei des Staatspräsidenten Recep TayyipErdogan gelenkt zu werden.

Auch in anderen deutschen Städten flo-gen am Anfang des vergangenen Jahres, nach dem Beginn der Militär-Offensive inSyrien, Brandsätze auf türkische Gebets-häuser und Vereine. Nach einem mutmaß-lichen Anschlag in Ulm auf eine Moschee stehen seit vergangenem Dezember sechsMänner vor Gericht.

Die drei Angeklagten in Heilbronn hat-ten die Tat bestritten. Zwei weitere Mittä-ter, die auf einem Handyvideo von dem An-schlag auf die Einrichtung zu sehen sind,wurden bislang noch nicht gefunden. dpa

Lauffen Vor einem Jahr haben Kurden die Räume einer türkischen Religionsgemeinschaft in Brand gesetzt. Sie wurden nun verurteilt.

„Da gibt es jeden Tag irgendwo etwas, wo man hingehen kann.“Der WG-Bewohner Peter Scheffler freut sich aufdie Buga-Veranstaltungen.

Mannheim

Von Straßenbahn erfasstBeim Zusammenprall mit einer Straßenbahn hat sich ein Betrunkener in Mannheim am Donnerstagabend schwer verletzt. Der 51-Jäh-rige hatte wohl die anfahrende Straßenbahn übersehen, wie die Polizei mitteilte. Diese er-fasste den Mann und schleuderte ihn zu Bo-den. Der Verletzte wurde mit Wunden am Kopf und Rippenbrüchen in eine Klinik gebracht, schwebt jedoch nicht in Lebensgefahr. dpa

Jestetten

Randalierender Ehemann Nach einer Attacke auf seine getrennt von ihm lebende Frau ist in Jestetten (Kreis Waldshut) ein 35 Jahre alter Mann festgenommen wor-den. Er hatte ihr am Donnerstag auf der Straße aufgelauert und auf sie eingeschlagen, wie die Polizei mitteilte. Die Frau kam verletzt in eine Klinik. Der Mann beschädigte zudem ihr Auto. Als ein Passant auf ihn aufmerksam wurde, flüchtete der Mann, wurde aber später in sei-ner Wohnung festgenommen. Er randalierteim Streifenwagen und biss einen Beamten. dpa

Mosbach

Einbrecher muss in Haft Wegen gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen ist ein 38 Jahre alter Mann vom Land-gericht Mosbach zu sechseinhalb Jahren Ge-fängnis verurteilt worden. Das Gericht sah es am Freitag als erwiesen an, dass der Angeklag-te im September 2018 gemeinsam mit einem Komplizen in ein Wohnhaus in Obrigheim eingebrochen war. Sie entwendeten Schmuck und Uhren im Wert von 500 Euro. dpa

Kurz berichtet

Kontakt

Region/Baden-WürttembergTelefon: 07 11/72 05-13 11E-Mail: [email protected]

B unte Landschaften und ungeschön-te Akte: Der Faszination von Parisbei deutschen Künstlern ist eine

Schau in Karlsruhe auf der Spur. Die Aus-stellung „Paris, Paris! Karlsruher Künstler an der Seine 1850–1930“ zeigt anhand vonrund 200 Exponaten Einflüsse auf deut-sche Maler, Grafiker und Bildhauer.

Von diesem Samstag an bis zum 2. Junisind in der Städtischen Galerie Werke von40 Künstlern der Karlsruher Akademie zusehen, die sich seit Mitte des 19. Jahrhun-derts ins Zentrum der Avantgarde auf-machten. Unter ihnen Franz Xaver Winter-halter, Anselm Feuerbach, Hans Thoma,Karl Albiker, Karl Hubbuch, Martha Kropp,Otto Laible und Wilhelm Schnarrenberger.

Paris und die französische Kunst zogendeutsche Künstler magisch an. Realismus,Impressionismus, Symbolismus und die Väter der Moderne mit Vincent van Gogh,Paul Cézanne und Auguste Rodin – der ra-sche Wechsel der Kunstrichtungen faszi-nierte die Ankömmlinge, die vor allemeines wollten: den erstarrten Akademiebe-trieb in Deutschland hinter sich lassen undan den privaten Akademien in Paris ihreneigenen künstlerischen Weg finden.

Die Ausstellung dokumentiert die Viel-seitigkeit anhand von 80 Gemälden, 100 Zeichnungen und Druckgrafiken sowieacht Plastiken. Zu sehen sind lichte Szenenwie in Wilhelm Schnarrenbergers „Boule-vard du Montparnasse“ (1931), zarte Stillle-ben von Otto Laible („Frau am Fenster imgelben Kleid“/1932), expressive „Spazier-gänger im Park“ von Rudolf Levy (1910)oder fein gestrichelte Zeichnungen wie„Das Wahrzeichen“ von Hubbuch (1926).

Für Künstlerinnen bedeutete Paris einebesondere Freiheitserfahrung: Sie konntensich teils erstmals am echten nackten Men-schen orientieren. In der Schau wird diesanhand einer Reihe ungeschönter Akte vonClara Johanna Ris deutlich. LegendärerKünstlertreffpunkt am Boulevard duMontparnasse war das Café du Dôme. Dortging man hin, wenn man nur wenige Tageda war, wie Hans Thoma. Und auch, wennman mehrere Jahre blieb, wie Anselm Feu-erbach. Der Aufenthalt in Paris bedeutetefür manche auch einen Karriereschub:Franz Xaver Winterhalter, der sich schon1834 in Paris niederließ, avancierte späterzum badischen Hofmaler und Liebling des europäischen Adels. dpa

Karlsruhe Die Städtische Galerie zeigt Werke von Künstlern, die an der Seine inspiriert wurden.

Schau zeigt Pariser Einfluss

Bluttat

Mutter nach Bluttat in Psychiatrie Die Frau, die Ende Januar im LandkreisRottweil ihre Tochter getötet haben soll, istin einer psychiatrischen Einrichtunguntergebracht worden. Dort werde sie biszum Hauptverfahren bleiben, teilte dieStaatsanwaltschaft Rottweil am Freitagmit. Laut einem psychiatrischen Gutach-ten ist die 56-Jährige schuldunfähig. DerHaftbefehl wegen Totschlags und versuch-ten Mordes wurde aufgehoben. Die Frauhatte den Angaben nach ihre 22-jährige Tochter in Hardt erstochen und danach inSchramberg ihren 25-jährigen Sohn miteinem Messer schwer verletzt. In dessenWohnung wurde sie festgenommen.

An einer Wand und an der Tür der Moschee sind noch die Brandspuren zu sehen, die der An-schlag verursacht hat. Foto: dpa