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2. Frankenthaler Sozialpartner Forum 2012
2. FRANKENTHALER SOZIALPARTNER FORUM 2012
Wie wird die chemische Industrie im Jahr 2030 aussehen? Ressourcenknappheit,
Globalisierung und Weltbevölkerungswachstum sind nur drei der weltweiten
Megatrends, die Einfluss auf die Chemiebranche haben werden. Die Chemieunter-
nehmen sind wirtschaftlich und technologisch gut aufgestellt. Wenn die Branche
weiterhin ihre Innovations- und Wirtschaftskraft beibehält, kann sie ihren Anteil
am Weltmarkt behaupten.
Welche Auswirkungen haben die globalen Trends auf die Gestaltung und Organi-
sation der Schichtarbeit? Der demografische Wandel, die Qualifizierung von Fach-
kräften, Ressourceneffizienz und erhöhte Produktivität sind nur einige der Fak-
toren, die die Produktionsarbeit beeinflussen werden. Für die Herausforderungen
gibt es noch keine finalen Lösungen oder Modelle. Wohl aber gute Ansätze aus
der betrieblichen Praxis. Diese wurden auf dem 2. Frankenthaler Sozialpartner
Forum von Vertretern des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und
der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vorgestellt und diskutiert.
2030: Zukunft der
Schichtarbeit
PRODUKT
PROZESS
NICHT-
TECHNISCHTECHNISCH
PRODUKT- INNOVATION
DIENSTLEIS- TUNGS-
INNOVATION
TECHNISCHE PROZESS-
INNOVATION
ORGANISA- TORISCHE
INNOVATION
DR. CHRISTOPH ZANKER
Entwicklungspfade der Chemie bis 2030
Wie sich Weltwirtschaft und Wachstumsperspektiven für die deutsche
Chemieindustrie bis 2030 entwickeln werden, zeigt die neue Studie des
Verbandes Chemischer Industrie e.V. (VCI). „Die deutsche Chemiewirt-
schaft wird auch in zwanzig Jahren erfolgreich sein“, so Johann-Peter
Nickel, Geschäftsführer beim VCI. Sie kann vom Weltbevölkerungswachs-
tum und der steigende Nachfrage nach Konsumgütern profitieren, die auf
chemischen Vorprodukten basieren. Dafür müssen jedoch eine Reihe von
Voraussetzungen erfüllt sein.
Stabile und innovationsfreundliche politische Rahmenbedingungen,
unter denen die Chemieunternehmen am Standort forschen und produzie-
ren, gehören dazu. Es ist zentral, die Grundlage für die gute wirtschaftliche
Aufstellung der Branche zu erhalten: der starke industrielle Kern, die eng
vernetzten Wertschöpfungsketten und die Produktionsverbunde. Aller-
dings muss die deutsche Chemie weiterhin effizient produzieren und
bisherige Prozessoptimierungen weiterführen, auch weil steigende Roh-
stoff- und Energiekosten im internationalen Wettbewerb kontinuierliche
Anpassungen fordern. Grade bei den Energie- und Rohstoffpreisen darf es
keine drastische Steigerung geben, wenn die deutsche Chemie wettbe-
werbsfähig bleiben soll.
„Deutschland wird eine Wissensgesellschaft.“
Zentrale Erfolgsfaktoren für die deutsche Industrie sind und bleiben Inno-
vationen und damit Investitionen in Forschung und Entwicklung. Dieses
Potential kann allerdings nur dann gehoben werden, wenn das Bildungs-
niveau weiter verbessert wird und die Arbeitnehmer über eine hohe Quali-
fizierung verfügen. „Deutschland wird eine Wissensgesellschaft“, resü-
miert Nickel. Das technologische Know-how der deutschen chemischen
Industrie wird auch zukünftig ein wettbewerbsrelevanter Faktor für Inno-
vations- und Wirtschaftskraft sein. Eine Aufgabe, die durch den demogra-
fisch begründeten Fachkräftemangel zunehmend schwieriger wird.
Download der VCI-Prognos-Studie: http://goo.gl/xdQRg
Blick in die Zukunft – Die deutsche Chemieindustrie 2030
Innovationsfelder mit Wachstumspotential
Es kommt auf die Wandlungsfähigkeit an
Welche Auswirkungen globale Megatrends auf die Unternehmen haben,
beschrieb Dr. Christoph Zanker vom Fraunhofer-Institut für System- und
Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Er betonte, dass die größte zukünf-
tige Herausforderung die Wandlungsfähigkeit der Unternehmen, also eine
„langfristige, strukturelle Anpassung des Systems“, sei. Gleichzeitig muss
in diesem System eine gewisse Flexibilität gegeben sein. Gemeint ist
die Fähigkeit, „gegebene Spielräume kurzfristig auszunutzen“, so Zanker.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass für die Weiterentwicklung hin
zu wandlungsfähigen Organisationen bzw. Unternehmen unternehmen-
sindividuelle Lösungen geschaffen werden müssen. Solche Lösungen kön-
nen in verschiedensten Feldern realisiert werden. Die nachfolgende Vier-
Felder-Matrix zeigt den Such- bzw. Lösungsraum für Innovationen auf:
JOHANN-PETER NICKEL, VERBAND CHEMISCHER INDUSTRIE
DR. CHRISTOPH ZANKER, FRAUNHOFER ISI
2030: Die Zukunft der Schichtarbeit
2. FRANKENTHALER SOZIALPARTNER FORUM 2012
Die Orientierung an Dienstleistungen im Verar-
beitenden Gewerbe: Damit geht eine zeitliche
und räumliche Flexibilisierung einher. Flexibi-
lisierung und Individualisierung der Leistungs-
erstellung heißt, dass kundenspezifische Prob-
lemlösungen an Bedeutung gewinnen.
Steigende Energie- und Ressourceneffizienz in
der industriellen Produktion: Hier werden die
Einsparpotentiale als eher gering eingeschätzt,
da eine energieeffiziente Produktion bereits rea-
lisiert ist. Die Frage ist, welche Möglichkeiten
im verbesserten Materialeinsatz liegen.
Die beschleunigte Entwicklung und die techno-
logischen Brüche bei der Informations- und Kom-
munikationstechnik und der Produktionstech-
nik: Innovationen in der Werkstoffforschung,
Laserbasierte Verfahren oder Smart Surfaces
sind nur drei der Zukunftsthemen.
„Der Dreh- und Angelpunkt ist Frage, wie die Wettbewerbsfähigkeit
der Chemieindustrie in zwanzig Jahren aussieht. Die Wirtschafts-
krise hat uns gezeigt, wo wir stehen, was wir können, wie flexibel
wir technologisch und organisatorisch sind. Diese Erfahrungen soll-
ten wir mitnehmen, wenn wir die Zukunft der Produktionsarbeit dis-
kutieren.“
„Die Zukunft des technologischen und demografischen Wandels
betrifft alle Akteure im Betrieb. Wir diskutieren das Thema Schicht
2030 seit geraumer Zeit, mehr unter dem Fokus des demografischen
Wandels. Aber es stellt sich auch die Frage: Was tut sich techno-
logisch? Welchen Einfluss haben Veränderungen in neuen Produk-
tionsprozessen auf die Frage von Qualifikation oder von Arbeitsorga-
nisation?“
Megatrends der Zukunft
DR. BERND VOGLER, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER CHEMIEVERBÄNDE RHEINLAND-PFALZ
RALF SIKORSKI, LANDESBEZIRKSLEITER DER INDUSTRIEGEWERKSCHAFT BERGBAU,
CHEMIE, ENERGIE RHEINLAND-PFALZ/SAARLAND (IG BCE)
DR. CHRISTOPH ZANKER
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Die fortschreitende Globalisierung von Absatz,
Produktion sowie Forschung und Entwicklung
(FuE): Es wird zunehmend Aufgaben in der Koor-
dinations- und Qualitätssicherung geben, wobei
die internationale Zusammenarbeit zunehmen
wird – „Nicht nur bei Führungskräften, sondern
auch bei Werkern“, so Zanker.
2030: Die Zukunft der Schichtarbeit
Wissensmanagement und Betriebsorganisation
Opal 21 – so heißt das Projekt, mit dem seit 2009 schrittweise das so
genannte BASF-Produktionssystem an den BASF-Standorten Ludwigsha-
fen und Antwerpen eingeführt wird. „Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit
der Standorte sichern“, sagte Projektleiter Theo Proll. „Eine kontinuier-
liche Verbesserung ist die Grundlage für eine dauerhafte Wandlungsfähig-
keit. Dieser Prozess soll in jedem Betrieb verankert werden.“ Durch die
Einführung von Lean Management-Prinzipien werden die bisherigen Be-
triebsabläufe und Produktionsprozesse optimiert. Auch die Bedienkomple-
xität der Anlagen wird verringert. Nicht zuletzt soll eine klare Festlegung
von Aufgabenbereichen und Verantwortlichkeiten – standardisiert für alle
Betriebe – die Optimierung der Produktion vorantreiben.
Kontinuierliche Verbesserung ist eine Grundlage
für Wandlungsfähigkeit
Ein Ziel des Projekts ist es auch, den Wissenstransfer in die nächste Ge-
neration zu sichern, denn schon heute liegt das Durchschnittsalter der
Belegschaft bei 45 Jahren. Dafür werden in den Anlagen Betriebstrainer
ernannt, die in aller Regel erfahrene Produktionsmitarbeiter sind. Ihre
wichtige Aufgabe ist es sicherzustellen, dass das Fachwissen eines
Schichtarbeiters bei seinem Ausscheiden aus dem Betrieb nicht verloren
geht, sondern an die nächste Generation weitergegeben wird.
Schichtarbeit muss wieder attraktiver werden
Die Schichtorganisation wird 2030 genau wie heute von gut ausgebilde-
ten Fachkräften abhängen. Folglich liegt auch zukünftig „der Schwerpunkt
auf Weiterbildung und Qualifizierung“, so Axel Baumann, Konzernbetriebs-
ratsvorsitzender bei Boehringer Ingelheim. Allerdings wird es im Zuge des
demographischen Wandels weniger Arbeitskräfte geben. Selbst wenn der
Kreis der möglichen Arbeitnehmer erweitert wird und beispielsweise ver-
mehrt Quereinsteiger oder Personen ohne Schulabschluss in die Erwerbs-
arbeit gebracht werden, bleibt die Suche nach Schichtpersonal schwierig.
Viele unterschätzen die körperlichen Anforderungen oder planen nach
wenigen Jahren Schichtarbeit eine Weiterqualifizierung oder ein Studium.
Andrea Conrady, Head of HR Cross functional Local Topics bei Boehrin-
ger Ingelheim, wies auf einen weiteren Faktor hin. Unter den Bewerbern
sei ein Wertewandel zu beobachten. Die Vereinbarkeit des Berufs mit
Familie und sozialen Kontakten gewinne zunehmend an Bedeutung, auch
wenn ein gutes Entgelt und ein sicherer Arbeitsplatz nach wie vor eine
große Rolle spielen.
Neue Arbeitszeitmodelle für Schichtarbeit?
Die vielfältigen Ansprüche stellen die Unternehmen vor große Herausfor-
derungen, die auch die Organisation der Schichtarbeit beeinflussen. Auf
dem Sozialpartnerforum zeigte sich, dass auch der Ausbau von mehreren
lebensphasenbezogenen Arbeitszeitmodellen für wahrscheinlich gehalten
wird. Denn eine moderne Schichtorganisation muss verschiedene Arbeits-
zeitmodelle ebenso berücksichtigen, wie die Anforderungen an Produkti-
vität und Anlagenauslastung. Fazit: Die Schichtgestaltung der Zukunft
wird von einer hochkomplexen Organisation geprägt sein.
THEO PROLL, BASF ANDREA CONRADY, BOEHRINGER INGELHEIM
Fokus Prozessoptimierung Fokus Ausbildung
2. FRANKENTHALER SOZIALPARTNER FORUM 2012
Lernen ist Lernbar – Kompetenzförderung für Produktionsmitarbeiter
Im Rahmen der technologischen Entwicklungen verändert sich die Gestaltung von Arbeits-
plätzen, auch in den Produktionsbetrieben. Moderne Anlagen, neue Bedienfelder und ver-
änderte Prozessabläufe beeinflussen den Arbeitsalltag. Die Belegschaft muss sich auf die
neuen Bedingungen einstellen. Dass das nicht als Belastung wahrgenommen werden muss
und dass es sich auch für ältere Produktionsmitarbeiter lohnt, sich in Schulungen und durch
Qualifizierungsmaßnahmen weiterzuentwickeln, belegt ein Projekt des Reifenherstellers
Michelin in Bad Kreuznach. Dort wurde 2011 mit wissenschaftlicher Begleitung eine kleine
Studie zum altersdifferenzierten Lernen durchgeführt.
„Noch haben viele eine Schranke im Kopf“, so Uwe Kumpa, Betriebsratsvorsitzender bei
Michelin. „Der Glaube, dass Ältere aufgrund abnehmender Gedächtnisleistung weniger
lernfähig seien, hält sich hartnäckig. Wir haben jedoch zeigen können, dass diese Ansicht
unbegründet ist.“ Fakt ist, dass in jedem Lebensalter effektiv gelernt werden kann. Die Teil-
nehmer, die aus produktionsnahen Bereichen kamen, nahmen an Schulungen teil, die ihnen
einen neuen Blick auf ihre eigene Lernfähigkeit öffneten. Sie erfuhren alles über einfache
Lerntechniken, die sich im Berufsalltag umsetzen lassen.
„Unser Ziel war es, ein Arbeitsklima zu schaffen, das motiviert und zur Weiterentwick-
lung anregt – und damit zum Erfolg führt“, so Cyrille Beau, Werksdirektor bei Michelin in
Bad Kreuznach. „Es geht auch um die Überzeugungsarbeit, dass lebenslanges Lernen einer-
seits notwendig, andererseits aber auch möglich ist.“ Lernen sollte nicht als Stress wahrge-
nommen werden, sondern als eine Erweiterung der Perspektive.
Fokus Weiterbildung
UWE KUMPA, MICHELIN
• Chemie-Stiftung Sozialpartner-Akademie CSSA
• Jacobs University Bremen
• 146 Mitarbeiter aus Produktionsbereichen
• Entwicklung von altersdifferenzierten Lernstrategien
• Motivation zu Weiterbildung
• Langfristige und tragfähige Verbesserungen des Lernverhaltens
• Teilnehmer verfügten über eine signifikant kürzere Lernzeit
von 20 Prozent
• Sicherheit und Selbstvertrauen in der Wiedergabe des Erlernten
• Positive Einstellung gegenüber Lernen, Motivation
Projektpartner:
Teilnehmer:
Ziel:
Ergebnis:
Das Michelin-Projekt
2030: Die Zukunft der Schichtarbeit
Gute Gründe für betriebliches Gesundheitsmanagement
Vor dem Hintergrund einer älter werdenden Belegschaft erhält die Förde-
rung und Erhaltung der Gesundheit eine größere Bedeutung. Statistiken
zeigen, dass mit einem höheren Alter die krankheitsbedingten Arbeitsaus-
fälle signifikant steigen. Und: Zukünftig wird weniger Personal bereit ste-
hen, um die Produktion zu führen. Eine ausgebaute Automatisierung wird
nicht jeden Engpass entschärfen können. Damit die Wirtschaftsleistung
der Unternehmen nicht beeinträchtigt wird, müssen Produktionsabläufe
noch effizienter gestaltet werden. Im Zentrum steht eine Belegschaft, die
leistungsfähig und motiviert ist.
Bedingung dafür ist, dass nicht nur die körperlichen Anforderungen
berücksichtigt werden. Auch die psychischen Belastungen dürften nicht
aus den Augen verloren werden, so Ralf Sikorski. Der Landesbezirksleiter
der IG BCE appellierte an ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit
im Betrieb und Arbeitsgestaltung.
Viele Möglichkeiten für Gesundheit im Betrieb
Statistiken zeigen, dass besonders bei Arbeitnehmern in Schichtarbeit
Maßnahmen zur Vorbeugung von Erkrankungen und präventive Maßnah-
men sinnvoll sind. Nicht nur Krankheitsausfälle lassen sich mit gezielten
Maßnahmen enorm verringern. Das allgemeine Wohlbefinden kann ver-
bessert werden, wenn einige Grundregeln einer gesunden Lebensweise
beachtet werden. So können schon einfache Übungen ein Bewusstsein für
ungünstige Belastungen und Haltungsfehler schaffen und Schmerzen oder
bleibende Schäden verhindern. Wichtig für erfolgreiche Gesundheitsmaß-
nahmen im Betrieb ist, die Angebote auf freiwilliger Basis durchzuführen
und die Maßnahmen mit Blick auf die Umsetzung im Alltag zu gestalten.
Fokus Gesundheit
Der Maßnahmenkatalog für betriebliches Gesundheitsmanagement ist
vielseitig. In den Unternehmen finden sich entsprechend unterschied-
lichste Umsetzungen wieder. In vielen Chemiebetrieben sind beispiels-
weise Gesundheitstage durchgeführt worden; andere führen regelmäßig
Schulungen zur Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz durch. Wieder
andere bieten in Kooperation mit Gesundheitsdienstleistern oder Kranken-
kassen Sportprogramme an.
Impressum
Herausgeber
Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e.V.
Bahnhofstraße 48, 67059 Ludwigshafen
Telefon 06 21-5 20 56-0
Telefax 06 21-5 20 56-20
www.chemie-rp.de
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
Landesbezirk Rheinland-Pfalz / Saarland
Kaiserstraße 26-30
55116 Mainz
Telefon 06 131-28 728-0
Telefax 06 131-28 728-25
www.rheinland-pfalz-saarland.igbce.de
Redaktion
Stefanie Lenze, Malte Lückert
Gestaltung
magenta kommunikation, design und neue medien
gmbh & co. kg, Mannheim
Fotos
Marcel Hasübert, mh-foto.de
Druck
prints + forms GmbH & Co. KG, Mannheim
Auflage 1.000
Stand Dezember 2012
Die Veranstaltung fand am 10. 10. 2012 in Frankenthal statt