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SchizophrenieSchizophrenieDie falsch verstandene Die falsch verstandene
KrankheitKrankheit
Dr. Boris B. QuednowUniversitätsklinik Bonn
Schizophrenie - Übersicht
1. Was ist Schizophrenie ?2. Symptomatik3. Varianten4. Verlauf der Erkrankung5. Morphologie und Physiologie der Schizophrenie6. Auslöser7. Behandlung8. Empfehlungen für Literatur und andere Medien
Was ist Schizophrenie ? Benennung von Eugen Bleuler 1911, Schweizer Arzt Alternativ oft auch Psychose genannt Zusammengesetzt aus den Wörtern:
Schizo [griechisch], spalt..., gespalten Phrenos [griechisch] der Geist, das Bewusstsein
Fehlverstanden oft als gespaltene Persönlichkeit oder multiple Persönlichkeit Unterscheidung:
Multiple Persönlichkeiten haben 2 oder mehr Identitäten, die aber jede für sich gut angepasst und unauffällig ist
Schizophrene haben nur eine Persönlichkeit die sich aber durch die Krankheit so verändert, dass die Person auffällig und unfähig wird ihr Leben selbst in den Griff zu bekommen
Auftretenshäufigkeit: 1% in allen Kulturen Männer erkranken leicht häufiger Höhere soziale Schichten seltener
Bedeutung der Schizophrenie
1. In psychiatrischen Kliniken die zweithäufigste Erkrankung nach Depressionen
2. 60 Mio Menschen Weltweit daran erkrankt3. 6-9 Mio davon werden durch die Erkrankung sterben4. Große Belastung für Angehörige5. Große Finanzielle Belastung für das Gesundheitswesen
da Heilung im Moment nicht möglich
Schizophrenie - Symptomatik
Aus „das weiße Rauschen“ © by Warner Bros Entertainment
Symptombereiche der Schizophrenie
Frühstadium1. Emotional2. Motorisch3. Denken4. Aufmerksamkeit und Wahrnehmung5. Alltagsfertigkeiten
Residual- / Alterssymptome
Frühsymptome (Prodromalsymptome) einer Schizophrenie
Gefühle von sozialer Unsicherheit, Sozialer Rückzug Über Wochen gedrückte Stimmung Schlafstörungen Gefühle von Lustlosigkeit, Antriebsstörungen Anspannung, Nervosität, innere Unruhe Gedanken geraten durcheinander, werden von anderen Gedanken
unterbrochen Konzentrationsstörungen Erhöhtes Misstrauen, Reizbarkeit, vermehrte Konflikte Gefühle von Unwirklichkeit ("alles wie im Film") Erhöhte Licht- und Geräuschsempfindlichkeit Tendenz belanglose und zufällige Gegebenheiten auf sich zu
beziehen Trugwahrnehmungen
Symptome aus dem emotionalen Bereich
flacher Affekt unangebrachter Affekt Anhedonie (Unfähigkeit zum Genießen) Antriebsarmut Probleme beim Erkennen von emotionalen
Gesichtsausdrücken und bei der Einschätzung von zu erwartendem Verhalten
Widersprüchlichkeit der verschiedenen Ausdrucksebenen von Emotionen
Motorische Symptome einer Schizophrenie
Verlust der Bewegungsspontaneität Gesten und Manierismen rituelle oder magische Handlungen katatone Rigidität bis Stupor Haltungsstereotypien Flexibilitas carea (wächserne Biegsamkeit) Aber auch katatone Erregung (hypermotorisch)
Katatone Symptome bei Schizophrenen
Störungen der Sprache und des Denkens
Gelockerte Assoziationen oder Zerfahrenheit des Denkens
Schnelle Themawechsel Unzusammenhängende Bemerkungen Gedankenabriss Neologismen (Traurig + grausam = trauram) Perseverationen (Wiederholungen) Wahnvorstellungen Suizid bei 10-15% der Patienten
Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen
Erhöhte Empfindlichkeit für Geräusche und optische Eindrücke Überflutet werden der Sinne Es fällt schwer die Aufmerksamkeit auf etwas wichtiges
zu richten Halluzinationen
Meist auditorisch Stimmen die kommentieren, warnen oder anweisen Aber auch alle anderen Sinne
Gedankeninduktion, Gedankenentzug Störungen der Augenfolgebewegungen
Einschränkungen der Alltagsfertigkeiten
Ausfall sozialer Fertigkeiten und Wegfall sozialer Kontakte
Ausfall von Exekutiv- und Planungsfähigkeiten Schwere Verwahrlosung ist oft die Folge
Residual- (Rest-) Symptome einer Schizophrenie
1. Meist Rückkehr zum Stadium der Frühsymptome2. Flacher Affekt3. „Merkwürdiges“ Verhalten4. Soziale Zurückgezogenheit5. Aber keine akuten Wahn- oder Halluzinationssymptome
Andere Unterteilung der Symptome
Unterteilung in positive und negative Symptomatik Positiv = Produktiv also etwas das über das normale
hinaus geht: Halluzinationen, Wahn
Negativ = Verlust von Funktionen im Vergleich zum Normalen: Flacher Affekt, motorische Verlangsamung
Unterteilung für Diagnose und Medikation von Bedeutung
Varianten der Schizophrenie
sehr variantenreiche Erkrankung selten alle Symptome auf einmal evtl. nicht eine einzelne Erkrankung Schizophrenie mit
vielen Varianten sonder verschiedene Erkrankungen gängige Unterteilung heute:
Paranoider Typus (Wahn + Halluzinationen) Desorganisierter Typus (Sprechen und Denken) Katatoner Typus (vor allem motorisch) Residualer Typus (Restsymptomatik)
Alternative Einteilung
Typ I (positive Symptomatik) Typ II (negative Symptomatik)
Unterscheidung gewinnt an Bedeutung fürPrognose Behandlung und Ursachenforschung Prognose bei Typ-I besser Typ I reagiert besser auf Medikamente Typ I eher biochemische Auffälligkeiten Typ II eher hirnanatomische Normabweichungen
Evtl. also zwei getrennte Erkrankungen
Verlauf der Erkrankung
Krankheit verläuft immer in Schüben (floride Episoden) unterbrochen von relativ ruhigen Phasen (Residualphasen)
4 Verläufe 25 % eine einzelne Episode ohne weitere Erkrankung 32 % mehrere Phasen ohne akute Residualsymptomatik 8 % mehrere Phasen mit konstanter Residualsymptomatik 35 % mehrere Phasen mit sich verschlechternder
Residualsymptomatik Letzte Gruppe ist praktisch Lebenslang beeinträchtigt und muss
i.d.R. hospitalisiert werden
Neurophysiologie der Erkrankung 1
Dopamin Dopaminüberschuss führt zu positiven Symptomen der
Schizophrenie Aber bei Erkrankten wohl eher eine Überfunktion der
Dopamin-Rezeptoren oder zu große Anzahl derer, aber nicht zu viel Dopamin
Dopamin-Unterfunktion führt zu Parkinson-Symptomen (Problem bei der Therapie)
Kausaler Zusammenhang Dopamin -> Symptome ist noch nicht geklärt daher ist eine kausale Therapie noch nicht möglich
Neurophysiologie der Erkrankung 2
NMDA Relativ neue Theorie NMDA ist wichtigster Botenstoff im Gedächtnis- und Bewusstseinssystem
des Gehirns NMDA und Dopamin stehen in reziprokem Zusammenhang (NMDA-
Theorie beinhaltet auch die Dopamin-Theorie) Belege ergeben sich aus Beobachtungen:
Bei einer Narkose werden primär die NMDA-Rezeptoren ausgeschaltet Narkose kann Episode bei erkrankten auslösen
NMDA-Agonisten lösen Krampfanfälle aus aber Krampfbehandlung ist wirksam bei Schizophrenie
Vorteile: Erklärung des Zusammenhangs zu Stress und Erkrankung Erklärung sowohl negativer als auch positiver Symptome Neue Pharmakologische Therapien
Neuroanatomie der Erkrankung
1. Vergrößerung des 3. Hirnventrikel vor allem bei Typ-II-Schizophrenie sowie Volumenverlust des Vorderhirns
Auslöser der Erkrankung 1
Endogene Ursachen: Hoher Anteil genetischer Verursachung
1% Erkrankung in Grundpopulation unabhängig von Kultur spricht für genetische Ursachen
33-50% Erkrankung bei eineiigen Zwillingen schizophrener Patienten
Weitere Belege aus der Endophänotypforschung: Störungen der Augenbewegungen lassen sich auch bei Eltern
schizophrener Patienten finden Aber keine 100%ige Vererbung also auch andere Auslöser
nötig
Auslöser der Erkrankung 2
Diathese-Stress-Modell: Man erbt ein Risiko für Schizophrenie Ob die Krankheit ausbricht wird von äußeren Faktoren vor allem von
Stress bestimmt Belege:
Expressed Emotions sind bester Rückfallprädiktor bei Schizophrenen Patienten:
In Familien ohne EE 12-15% Rückfall In Familien mit hohem EE 53-90% Rückfall
Episoden einer Erkrankung geht häufig eine Zeit mit erhöhtem Stress voraus Kann gut mit der NMDA-Theorie erklärt werden, da Stresshormon Cortisol die
Produktion von NMDA hemmt Ältere Ansätze:
Schizophrenogene Mutter Double Bind Eigentlich alle wissenschaftlich widerlegt
Auslöser der Erkrankung 3
Drogen: Halluzinogene wie LSD, PCP oder Psilocybin lösen durch unterschiedliche
Wirkmechanismen (5-HT2A Agonismus, NMDA Antagonismus) Halluzinationen und verfälschte Sinneswahrnehmungen aus
Cannabis wirkt mittelbar auf NMDA Rezeptoren Amphetamine und Kokain wirken direkt auf den Dopamin-Haushalt Bei Personen mit erhöhtem genetischem Schizophrenie-Risiko können
diese Drogen eine Episode mit massiven Symptomen auslösen Bei regelmäßigem oder massivem Konsum kann es auch ohne
genetisches Risiko zu Ausbruch einer drogeninduzierten Psychose kommen
Besonders gefährlich: Cannabis Während Drogenpsychosen bei LSD von relativ kurzer Dauer sind können
Cannabis-Psychosen bis zu einem Jahr anhalten und anschließend zu einer Residualsymptomatik führen
Behandlung 1
Psychopharmaka: Müssen in den meisten Fällen lebenslang genommen werden Vorsichtige Eindosierung ist immer nötig Problem ist die Mitarbeit der Patienten bedingt durch die Symptome der Krankheit Typika (Haldol, Chlorpromazin)
Wirken auf D2-Rezeptor Wirken vor allem bei Typ I Starke Nebenwirkungen (Tremor bis Rigor) Malignes Neuroleptisches Syndrom Spätdyskinesien (sehr ähnlich der Parkinsonkrankheit) bereits nach wenigen Jahren der
Einnahme Atypika (Clozapin, Risperidon, Olanzapin, Quetiapin, Amisulprid)
Wirken jeweils auf D2 und 2-HT2A Rezeptoren Weniger motorische Nebenwirkungen auch keine Spätdyskinesien Clozapin: Gefahr von Agranulozytose (mehrere Todesfälle) Wirken auch bei Typ II
Behandlung 2
Aussichten für Psychopharmaka Zusammen mit der NMDA-Theorie hat man auch nach
pharmakologischen Umsetzungen gesucht NMDA-Agonisten bergen zu hohes Krampfpotential
daher für Behandlung unbrauchbar Zum Funktionieren der NMDA-Rezeptoren ist eine
Aminosäure namens D-Serine notwendig Gabe von D-Serine hat sehr große Erfolge bei der
Behandlung von Schizophrenie gezeigt mit minimalen Nebenwirkungen
Marktreife solcher Präparate in 5-10 Jahren
Behandlung 3
EKT – Elektrokrampftherapie Sehr umstrittene Therapie Kleiner „Elektroschock“ ins Gehirn Unter Vollnarkose Auslösung eines epileptischen Anfalls Evtl. so eine Art „Reset“ des Gehirns Wirkt bei Schizophenie und Depressionen Kann aber zu kurzen Amnesien führen
Behandlung 4
Psychotherapie Nur unterstützend Am ehesten noch begleitend zu einer
Pharmakotherapie Hospitalisation und Betreuung notwendig Suizidprävention Arbeit mit Angehörigen sehr wichtig
Weitere Informationen
Gehirn und Geist, Ausgabe 4/2002
Meine Psychose, mein Fahrrad und ich –
Zur Selbstorganisation der Verrücktheit (Fritz B. Simon)
http://www.zebb.de
http://www.kompetenznetz-schizophrenie.de
http://www.psychosenetz.de