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SCHLAMMBELÜFTUNG GEGEN KALKABLAGERUNGEN Auf dem Klärwerk Werdhölzli soll ein neues Verfahren eingesetzt werden, um unerwünschte Kalk- ablagerungen im Bereich der Schlammentwässerung zu verhindern. Dazu wurden Pilotversuche mit einer Belüftung des Schlammes nach der Faulung durchgeführt. Die Versuche zeigten, dass die Schlammbelüftung eine wirkungsvolle Methode darstellt, um mineralische Ausfällungen gezielt zu beeinflussen. Nina Gubser*, Hunziker Betatech AG Sabine Burger, ERZ Entsorgung + Recycling Zürich PILOTVERSUCHE AUF DEM KLÄRWERK WERDHÖLZLI HINTERGRUND ENTSTEHUNG VON AUSFÄLLUNGEN Es ist ein bekanntes Problem auf Schweizer Kläranlagen, dass es nach der Faulung im Bereich der Schlammentwässerung zu unerwünschten mineralischen Ablagerungen und Verkrus- tungen kommt. Im Klärwerk Werdhölzli werden insbesondere Ablagerungen in den Entwässerungszentrifugen und in den Zentratpumpen und -leitungen beobachtet. Die Ablagerun- gen verkleinern den Durchmesser und führen langfristig zur kompletten Verstopfung der Leitungen und Blockierung der Aggregate. Ursächlich für die Entstehung von Ausfällungen im Bereich der Schlammentwässerung ist der Übergang aus einem geschlossenen (Faulung) in ein offenes System (Entwäs- serung) mit atmosphärischem Druck. Der Faulschlamm aus der Faulung enthält bei einem CO 2 -Anteil von rund 35% im Klärgas beachtliche Mengen an gelöstem CO 2 . Die Atmosphäre hinge- gen weist einen sehr geringen CO 2 -Anteil von lediglich 0,04% auf. Durch den Kontakt mit der Atmosphäre verschiebt sich das Kohlensäuregleichgewicht und gasförmiges CO 2 entweicht aus dem Faulschlamm. Mit der CO 2 -Ausgasung steigt der pH-Wert im Faulschlamm und es bilden sich mineralische Ausfällun- gen. Diese Ausgasung geschieht nicht unmittelbar nach dem Austritt aus der Faulung, sondern erst bei aktivem Kontakt mit 72 | FACHARTIKEL AQUA & GAS N o 7/8 | 2017 RÉSUMÉ AÉRATION DES BOUES CONTRE LES DÉPÔTS CALCAIRES ESSAIS PILOTES À LA STATION D’ÉPURATION DE WERDHÖLZLI La station d’épuration de Werdhölzli est confrontée à des dépôts et des incrustations indésirables dans les centrifugeuses de déshydra- tation et dans les pompes et conduites centrales. Jusqu’à présent, l’acide phosphorique était dosé pour réduire les précipitations et garantir la fiabilité de l’exploitation. Les coûts de ce produit et du nettoyage périodique des appareils et des conduites étant consi- dérables, ERZ Entsorgung + Recycling Zurich a jugé bon d’examiner des méthodes alternatives pour prévenir la formation de dépôts. L’aération des boues après leur digestion représente une alterna- tive au dosage d’acide. Le principe est simple: grâce au contact actif avec l’air atmosphérique, le dioxyde de carbone (CO 2 ) se dégage des boues digérées et le pH augmente de 8,0, entraînant une importante sédimentation calcaire. Les précipitations sont dissoutes de manière ciblée dans les boues, afin de prévenir les précipitations et les dépôts sur les surfaces dures aux étapes ultérieures du processus. Des essais pilotes ont permis d’étudier le comportement du dégagement de CO 2 dans les boues digé- rées avec aération active du point de vue des installations et des conséquences. En résumé, on peut dire qu’une aération des boues en amont du drainage est une méthode qui permet d’influencer les précipitations de manière ciblée. Des précipitations allant jusqu’à > S. 76 * Kontakt: [email protected]

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SCHLAMMBELÜFTUNG GEGEN KALKABLAGERUNGEN

Auf dem Klärwerk Werdhölzli soll ein neues Verfahren eingesetzt werden, um unerwünschte Kalk-ablagerungen im Bereich der Schlammentwässerung zu verhindern. Dazu wurden Pilotversuche mit einer Belüftung des Schlammes nach der Faulung durchgeführt. Die Versuche zeigten, dass die Schlammbelüftung eine wirkungsvolle Methode darstellt, um mineralische Ausfällungen gezielt zu beeinflussen.

Nina Gubser*, Hunziker Betatech AGSabine Burger, ERZ Entsorgung + Recycling Zürich

PILO T V ERSU CHE AUF DEM K L Ä RW ERK W ERDHÖL ZLI

HINTERGRUND

ENTSTEHUNG VON AUSFÄLLUNGENEs ist ein bekanntes Problem auf Schweizer Kläranlagen, dass es nach der Faulung im Bereich der Schlammentwässerung zu unerwünschten mineralischen Ablagerungen und Verkrus-tungen kommt. Im Klärwerk Werdhölzli werden insbesondere Ablagerungen in den Entwässerungszentrifugen und in den Zentratpumpen und -leitungen beobachtet. Die Ablagerun-gen verkleinern den Durchmesser und führen langfristig zur kompletten Verstopfung der Leitungen und Blockierung der Aggregate. Ursächlich für die Entstehung von Ausfällungen im Bereich der Schlammentwässerung ist der Übergang aus einem geschlossenen (Faulung) in ein offenes System (Entwäs-serung) mit atmosphärischem Druck. Der Faulschlamm aus der Faulung enthält bei einem CO2-Anteil von rund 35% im Klärgas beachtliche Mengen an gelöstem CO2. Die Atmosphäre hinge-gen weist einen sehr geringen CO2-Anteil von lediglich 0,04% auf. Durch den Kontakt mit der Atmosphäre verschiebt sich das Kohlensäuregleichgewicht und gasförmiges CO2 entweicht aus dem Faulschlamm. Mit der CO2-Ausgasung steigt der pH-Wert im Faulschlamm und es bilden sich mineralische Ausfällun-gen. Diese Ausgasung geschieht nicht unmittelbar nach dem Austritt aus der Faulung, sondern erst bei aktivem Kontakt mit

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RÉSUMÉ

AÉR ATION DES BOUES CONTRE LES DÉPÔTS CALCAIRESESSAIS PILOTES À L A STATION D’ÉPUR ATION DE WERDHÖLZLILa station d’épuration de Werdhölzli est confrontée à des dépôts et des incrustations indésirables dans les centrifugeuses de déshydra-tation et dans les pompes et conduites centrales. Jusqu’à présent, l’acide phosphorique était dosé pour réduire les précipitations et garantir la fiabilité de l’exploitation. Les coûts de ce produit et du nettoyage périodique des appareils et des conduites étant consi-dérables, ERZ Entsorgung + Recycling Zurich a jugé bon d’examiner des méthodes alternatives pour prévenir la formation de dépôts.L’aération des boues après leur digestion représente une alterna-tive au dosage d’acide. Le principe est simple: grâce au contact actif avec l’air atmosphérique, le dioxyde de carbone (CO2) se dégage des boues digérées et le pH augmente de 8,0, entraînant une importante sédimentation calcaire. Les précipitations sont dissoutes de manière ciblée dans les boues, afin de prévenir les précipitations et les dépôts sur les surfaces dures aux étapes ultérieures du processus. Des essais pilotes ont permis d’étudier le comportement du dégagement de CO2 dans les boues digé-rées avec aération active du point de vue des installations et des conséquences.En résumé, on peut dire qu’une aération des boues en amont du drainage est une méthode qui permet d’influencer les précipitations de manière ciblée. Des précipitations allant jusqu’à

> S. 76

* Kontakt: [email protected]

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atmosphärischer Luft oder in Zonen mit Unterdruck, wie dies beispielsweise beim Zentrifugieren und Pumpen der Fall ist.Am Ausfällungsprozess sind zumeist vier verschiedene Ionen beteiligt: Calcium (Ca2+), Magnesium (Mg2+), Phosphat (PO4

-2) und Karbonat (CO3

-2). Je nach Übersättigung können diese Ionen miteinander unterschiedliche Verbindungen eingehen und als Kristalle ausfallen. Die geläufigsten Ausfällungsprodukte sind Kalk (CaCO3), Dolomit (MgCa(CO3)2) und Struvit (NH4MgPO4). In der Schweiz sind durch den hohen Anteil an Calcium- und Magnesium-Ionen im Trinkwasser vor allem Kalk- und Dolo-mit-Ausfällungen verbreitet. Struvit-Ausfällungen sind typisch bei hohen Phosphatkonzentrationen. Mit der Einführung des Phosphatverbotes für Waschmittel in den 1980er-Jahren sind die Phosphatkonzentrationen im Faulschlamm stark gesunken. Eine Ausnahme bilden BioP-Anlagen, wo ein Teil des biologisch gebundenen Phosphates in der Faulung rückgelöst wird. Es ist zu beachten, dass die Wechselwirkungen der einzelnen Ionen untereinander sehr komplex sind. Hohe Phosphatkonzentra-tionen können beispielsweise auch eine hemmende Wirkung auf Kalkausfällungen haben. So hat sich die Problematik mit Kalkausfällungen auf dem Klärwerk Werdhölzli mit der Einfüh-rung des Phosphatverbotes verschärft.

METHODEN GEGEN ABL AGERUNGENEs gibt mehrere Methoden zur Verhinderung von minerali-schen Ablagerungen. Heute wird auf dem Klärwerk Werdhölzli Phosphorsäure dosiert, um einen zuverlässigen Betrieb zu ge-währleisten. Die Phosphorsäure führt einerseits durch die Säu-refunktion zu einer pH-Absenkung und andererseits durch die Erhöhung der Phosphatkonzentration zu einer Hemmung der Kalkausfällungen [1]. Die langjährigen Erfahrungen mit der Säuredosierung zeigen jedoch, dass die unerwünschten Abla-gerungen auf den Entwässerungszentrifugen und in den Zent-ratpumpen und -leitungen nicht verhindert, sondern lediglich reduziert werden. Zudem sind die Kosten für die Phosphorsäure sowie der Aufwand für die periodische Reinigung der Aggregate und Leitungen namhaft.Eine weitere Methode ist die elektromagnetische Behandlung, die in den Jahren 1995 und 1996 auf dem Klärwerk Werdhölzli getestet wurde [2]. Das Ergebnis dieser Versuche war nicht überzeugend genug, um diese Methode weiter zu verfolgen. Auf einigen ARA konnte allerdings eine Beeinflussung der Ausfäl-lungen durch elektromagnetische Felder nachgewiesen werden. Der genaue Prozess elektromagnetischer Felder kann bis heute wissenschaftlich nicht erklärt werden. Eine Alternative zu den gängigen Methoden wäre die Belüftung des Faulschlammes. Das Prinzip ist simpel: Durch den akti-ven Kontakt mit atmosphärischer Luft gast das CO2 aus dem Faulschlamm aus und der pH-Wert steigt an. Die Ausfällungen werden gezielt in den Schlamm ausgelöst, sodass nachfolgende Verfahrensstufen vor weiteren Ausfällungen und Ablagerun-gen an festen Oberflächen geschützt werden. Bei dieser Methode handelt es sich nicht um eine Verhinderung von Ausfällungen im eigentlichen Sinne, sondern mehr um eine gezielte Beeinflus-sung der Ausfällungen, sodass Ablagerungen an unerwünsch-ten Stellen verhindert werden. Diese Methode wurde in den nachfolgend beschriebenen Pilotversuchen getestet.Auch bei der Erzeugung eines Vakuums kann eine CO2-Aus-gasung mit pH-Anstieg erreicht werden. Eine gezielte Beein-flussung der Ausfällungen durch Erzeugung eines Vakuums

war gemäss Herstellerangaben bisher keine Zielsetzung von Vakuumentgasungsanlagen. Die Vakuumentgasung konnte im Rahmen eines Vorversuches mit einer Laborinstallation auf dem Klärwerk Werdhölzli erfolgreich getestet werden. Die Methode erforderte allerdings beachtliche Unterdrücke im Bereich von bis zu –0,9 bar und kann gemäss Erfahrungsaustausch mit bestehenden Vakuumentgasungsanlagen zu erheblichen Ver-krustungen im Entgasungsbehälter führen [3]. Daher wird diese Methode als unkontrollierbar eingeschätzt und für den Einsatz auf dem Klärwerk Werdhölzli nicht weiterverfolgt.

PILOTVERSUCHE KLÄRWERK WERDHÖLZLI

VORVERSUCHE2015 wurden auf dem Klärwerk Werdhölzli von Juni bis No-vember Belüftungsversuche im Grossmassstab durchgeführt [4]. Dabei wurde in einer Linie der Schlammentwässerung eine Belüftung in der Faulschlammvorlage installiert. Es zeigte sich, dass in der belüfteten Linie die Ablagerungen sowohl in der Entwässerungszentrifuge als auch in den nachfolgenden Zentratpumpen und -leitungen reduziert auftraten und leicht entfernbar waren. In der nicht belüfteten Linie wurden erneut die bekannten, harten Ablagerungen festgestellt. Die Belüftung wurde mit Druckluft betrieben, was zu einem erheblichen Ener-gieaufwand führte. Da die Faulschlammvorlagen an den Betrieb der Klärschlammentwässerung gekoppelt sind und daher mit variablem Niveau betrieben werden, ist eine kontrollierte und energieeffiziente CO2-Ausgasung betrieblich eingeschränkt. Da-her ist die Anordnung der CO2-Ausgasung in einem separaten Reaktor vor der Faulschlammvorlage interessant, wie es in den Pilotversuchen getestet wurde.

VERSUCHSANORDNUNGDie Schlammbelüftung wurde auf dem Klärwerk Werdhölzli über einen Zeitraum von zehn Wochen von Anfang Juli bis Mit-te September 2016 unter realen Bedingungen im Pilotmassstab getestet. Der in einem Container installierte Belüftungsreak-tor wies ein Nutzvolumen von 4 m3  auf (Fig. 1). Die Pilotanlage wurde von der Firma Alwatec AG, Bellach, nach den Vorgaben von Hunziker Betatech AG und ERZ Entsorgung + Recycling Zürich erstellt.

Fig. 1 Pilotanlage Schlammbelüftung Installation pilote d’aération des boues

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Ziel der Versuche war es, das Verhalten der CO2-Ausgasung im Faulschlamm bei Belüftung hinsichtlich Anlagentechnik und Folgeerscheinungen zu untersu-chen. Es wurde einerseits eine grobbla-sige Belüftung mit gelochten Rohren und andererseits eine feinblasige Belüftung mit Tellerbelüftern und herkömmlichen Membranen getestet. Die Belüftung konnte mit unterschiedlichen Intensitä-ten betrieben werden. Die Versuchsanla-ge wurde sowohl im Batch- als auch im Durchlaufbetrieb mit kontinuierlicher Schlammzufuhr gefahren. Wichtigster Messparameter war der pH-Wert, der während der CO2-Ausgasung ansteigt. Diese Online-Messungen wur-den mit Labormessungen der Calcium-, Magnesium- und Phosphat-Ionen, des to-talen anorganischen Kohlenstoffes (TIC) und der Alkalinität ergänzt. Zudem wur-den Proben der Ausfällungen mithilfe von X-Ray Diffraction Analysis (XRD) an der Eawag auf die elementare Zusammen-setzung untersucht.

ERGEBNISSE

VERHALTEN DER CO2-AUSGASUNGMit der Belüftung des Faulschlammes konnte die CO2-Ausgasung gezielt aus-gelöst werden. Dabei konnte der erwar-tete Anstieg des pH-Wertes beobachtet werden. Beim Batchbetrieb verlaufen die pH-Kurven logarithmisch, d. h. dass zu Beginn der Belüftung am meisten CO2

entweicht (Fig. 2). Der pH-Wert im unbe-handelten Faulschlamm lag bei 7,2. Ein Anstieg auf pH-Wert 7,6 wurde mit nur geringen Lufteinträgen innert kürzester Zeit erreicht. Genau dieser pH-Wert von 7,6 wird auch durch Zentrifugieren von unbehandeltem Faulschlamm erreicht. Für höhere pH-Werte sind entspre-chend höhere Lufteinträge und längere Versuchsdauern erforderlich. In den Versuchen wurde ein maximaler pH-Wert von 8,9 erreicht. Mit Anstieg des pH-Wertes nahm die CO2-Konzentration im Schlamm ab. Die Abnahme der CO2-Konzentration im Schlamm konnte nicht direkt gemessen, jedoch mithilfe der TIC-Messungen theoretisch berechnet werden (Fig. 3). Bei den Versuchen mit kontinuierlicher Schlammzuführung (Durchlaufbetrieb) hat sich bei vorgegebenem Schlamm- und Luftdurchsatz ein bestimmter pH-Wert eingestellt. Der Durchlaufbetrieb ist im Vergleich zum Batchbetrieb weni-

ger effizient, da längere Belüftungsdau-ern respektive höhere Lufteinträge und mehr Energie nötig waren für denselben pH-Anstieg. Ursächlich für die grössere

Effizienz im Batchbetrieb ist die höhere CO2-Gasaustauschrate bei tiefen pH-Wer-ten, was aus dem logarithmischen Verlauf der pH-Kurven hervorgeht.

Fig. 3 Theoretisch berechnete CO2-Konzentration im Faulschlamm in Abhängigkeit des pH-Wertes. Die CO2-Konzentration bei pH 7,0 wurde aus den physikalischen Bedingungen im Faulraum hergeleitet. Die weiteren CO2-Konzentrationen wurden mit den gemessenen TIC-Konzentrationen bestimmt.

Concentration de CO2 théorique dans les boues digérées en fonction du pH. La concentration de CO2 à pH = 7,0 a été déduite des conditions physiques dans le digesteur. Les autres concentrations de CO2 ont été déterminées à partir des concentrations de carbone inorganique total (TIC).

Fig. 2 pH-Verlauf im Faulschlamm bei Batchbetrieb mit feinblasiger Belüftung und unterschied-lichen Belüftungsintensitäten. Die pH-Kurven zeigen einen logarithmischen Verlauf, d. h. dass zu Beginn der Belüftung die höchsten CO2-Austauschraten erreicht werden.

Évolution du pH dans les boues digérées en exploitation discontinue avec diffuseurs à bulles fines, à différentes intensités de ventilation. Les courbes du pH montrent une évolution log-arithmique, soit que le taux d’échange de CO2 le plus élevé est atteint en début d’aération.

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SENSITIVITÄT DER AUSGASUNGSRE AKTIONDie unterschiedlichen Belüftungsarten (grob- oder feinblasig) hatten einen gerin-gen Einfluss auf die CO2-Ausgasung. Die Ausgasungsreaktion war bei feinblasiger Belüftung und vergleichbarer Belüftungs-intensität sogar etwas langsamer und es dauerte entsprechend länger, um einen entsprechenden pH-Anstieg zu erreichen. Die Erhöhung der Gas-Wasser-Oberfläche durch feinblasige Belüftung vermochte die Belüftungseffizienz nicht zu steigern, wie man sich dies von anderen Belüftun-gen gewohnt ist (Bsp. Biologiebelüftung mit Sauerstoff). Eine Erklärung für die ge-ringe Effizienz der feinblasigen Belüftung liegt in der physikalischen Beschaffenheit von Kohlendioxid. Kohlendioxid ist im Vergleich zu Sauerstoff relativ gut löslich. Bei gut löslichen Substanzen stellt sich innert kürzester Zeit ein Gleichgewicht zwischen der Gas- und Flüssigphase ein. Aus diesem Grund ist eine grobblasige Belüftung für die CO2-Ausgasung oft aus-reichend [5]. Zudem ist das Verhalten von feinen Blasen im Schlamm nicht bekannt. Möglicherweise sind die Blasen unmittel-bar nach Austritt aus den Membranen zu grösseren Blasen koalesziert, sodass gar keine eigentliche feinblasige Belüftung erreicht wurde.Im Gegensatz zur Belüftungsart reagier-te die CO2-Ausgasung sehr sensitiv auf die Belüftungsintensität. Mit hohen Luft-durchsätzen konnte die Ausgasungsreak-tion beschleunigt werden. Der gesamte Luftbedarf, um einen bestimmten pH-Wert zu erreichen, blieb jedoch unabhängig von der Belüftungsintensität konstant. Für einen pH-Wert von 8,0 wurden beispiels-weise 15 Nm3 Belüftungsluft pro m3 Faul-schlamm im Batchbetrieb benötigt. Im Durchlaufbetrieb waren es über 30 Nm3 Luft pro m3 Faulschlamm. Dieser spezifi-sche Luftbedarf wurde bei der gegebenen Reaktorgeometrie und Belüftungstiefe in der Pilotanlage ermittelt. Für belüftete Becken und Reaktoren mit einer anderen Geometrie ist der Luftbedarf in Abhängig-keit der Steighöhe der Blasen zu berech-nen. Neben dem eigentlichen Lufteintrag trägt auch die durch die Belüftung indu-zierte Turbulenz zum aktiven Kontakt des Faulschlammes mit atmosphärischer Luft bei. Dieser Effekt konnte in den Versuchen nicht quantifiziert werden.

ANALY TISCHER NACHWEIS Die Ausfällungen konnten analytisch nachgewiesen werden (Fig. 4). Die Calci-

um- und Magnesium-Ionen-Konzentrati-onen nehmen mit Anstieg des pH-Wertes ab. Dies ist auf Ausfällungen von Kalk (CaCO3) und Dolomit (MgCa[CO3]2) zu-rückzuführen. Mit den XRD-Spektren konnte in den Ausfällungsproben Kalk und Dolomit nachgewiesen werden. Pa-rallel zu den Calcium- und Magnesium-konzentrationen nehmen auch die TIC-Konzentration respektive die Alkalinität ab, was ebenfalls auf die erwähnten Aus-fällungen zurückzuführen ist. Nur die Phosphatkonzentration bleibt auf einem konstant tiefen Niveau, weshalb keine Struvit-Ausfällungen zu erwarten sind.Interessant ist nicht nur die Tatsache, dass Ausfällungen nachgewiesen werden, sondern auch die Grössenordnung der Konzentrationsverläufe und die resultie-renden Ausfällungsmengen. Mit den La-bormessungen konnte eindrücklich auf-gezeigt werden, dass im Faulschlamm ein Übersättigungszustand vorliegt. Wenn im Faulraum ein Gleichgewichtszustand vorläge, würde der Faulschlamm den Faulraum mit einer Calciumkonzentrati-on von unter 1 mmol/l verlassen. Effektiv wurden aber über 6 mmol/l gemessen. Dies bedeutet, dass wesentlich mehr Kalk erst nach der Faulung ausfällt, als zunächst erwartet wird. In natürlichen Umweltsystemen sind solche Übersätti-gungszustände ein bekanntes Phänomen.Im Labor wurde im Bereich von pH-Wert 7,6 bis 8,2 Konzentrationsabnahmen von

4 mmol Ca/l und 1 mmol Mg/l gemessen. Dies entspricht einer Ausfällungsmenge von rund 500 g/m3 Faulschlamm. Hochge-rechnet auf den jährlichen Klärschlamm-anfall ergibt dies eine Menge von rund 150 t Ausfällungen, was 2% der jährlichen TS-Fracht des Klärwerks Werdhölzli ent-spricht.Bei der Probenaufbereitung im Labor stieg der originale pH-Wert von 7,2 auf 7,6 an. Es ist davon auszugehen, dass bei der Probeaufbereitung tatsächlich noch mehr Ausfällungen anfallen, die nicht messbar sind.

BETRIEBSSICHERHEIT UNDFOLGEERSCHEINUNGENMit den Pilotversuchen konnten wertvol-le Erfahrungen in betrieblicher Hinsicht gesammelt werden. Während den Versu-chen hat sich auf der Oberfläche des be-lüfteten Schlammes eine Schaumschicht gebildet. Die Schaumschicht blieb über die ganze Versuchsdauer konstant und das anfangs gefürchtete «Überschäumen» blieb aus. Nach über zwei Wochen kontinuierlichem Betrieb der Pilotanlage wurde der Reak-tor vollständig entleert. Dabei wurden Ablagerungen an den Wänden und Be-lüftungsrohren des Belüftungsreaktors festgestellt. Auch die pH-Sonde im Belüf-tungsreaktor war von Ablagerungen be-troffen (Fig. 5). Bereits nach 24 Stunden kontinuierlichem Betrieb war die Funk-

Fig. 4 Gemessene Konzentrationen der Calcium-, Magnesium- und Phosphat-Ionen, totaler anorganischer Kohlenstoff (TIC) und Alkalinität.

Concentrations d’ions de calcium, magnésium et phosphate mesurées, carbone inorganique total (TIC) et alcalinité.

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tionsfähigkeit der Sonde eingeschränkt. Die Ablagerungen konnten in Säure wie-der vollständig aufgelöst werden. In den Versuchen wurde eine herkömmliche pH-Sonde verwendet. Für eine Anwendung im Grossmassstab empfiehlt es sich, eine pH-Sonde mit autonomem Säurereini-gungssystem einzusetzen.Um die Ablagerungen in der Belüftungs-kammer zu minimieren, erscheint ein grosses Schlammvolumen im Vergleich zur Reaktoroberfläche optimal, sodass ein möglichst grosser Teil der Ausfällungen direkt an den suspendierten Schlamm-flocken erfolgt und die Ablagerungen an festen Oberflächen reduziert werden.Ausserhalb des Belüftungsreaktors waren keine Ablagerungen auszumachen. Diese Beobachtungen lassen darauf schliessen, dass sich die Ausfällungsreaktionen auf den Belüftungsreaktor beschränken und somit die nachfolgenden Aggregate und Leitungen von Ablagerungen verschont bleiben. Aufgrund der Versuchsanord-nung konnte der belüftete Schlamm nicht separat entwässert werden. Damit konnten die erwarteten Verbesserungen hinsichtlich Ablagerungen in den Zentri-

fugen nicht direkt nachgewiesen werden. Die Beobachtungen in den Vorversuchen haben jedoch gezeigt, dass die Schlamm-belüftung die gewünschte Verbesserung bringt.

FAZIT UND AUSBLICK

Die Pilotversuche haben gezeigt, dass die Schlammbelüftung eine wirkungsvolle Methode zur gezielten Beeinflussung der Ausfällungen darstellt. Im Wesentlichen lassen sich aus den Versuchen folgende Schlussfolgerungen ableiten:– Die Wahl einer grobblasigen Belüftung

hat sich zur Ausgasung des gut lösli-chen Kohlendioxid-Gases bewährt.

– Der Batchbetrieb ist energetisch effi-zienter, da bei tiefen pH-Werten eine höhere CO2-Gasaustauschrate erreicht wird.

– Durch die Übersättigung im Faulsys-tem fällt mehr Kalk aus als zunächst gemäss Löslichkeitsgleichgewicht erwartet wird. Ausfällungen in der Grössenordnung von bis zu 500 g/m3 Schlamm konnten im Labor nachge-wiesen werden.

Zusammen mit den Beobachtungen aus den Vorversuchen kann mit genügender Si-cherheit davon ausgegangen werden, dass die Schlammbelüftung die gewünschte Verbesserung bringt. Die Versuchsergeb-nisse fliessen nun in die Projektierung zur Erneuerung der Schlammbehandlung auf dem Klärwerk Werdhölzli mit ein und es wird eine Schlammbelüftung im Batch-betrieb geplant. Diese soll gemäss dem aktuellen Bauprogramm im Jahr 2022 in Betrieb gehen. Auch andere Klärwerke ha-ben Interesse signalisiert, eine Schlamm-belüftung als Abhilfe gegen Ablagerungen zu installieren.

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magnetische Wasserbehandlung, Fallstudie in Ab-

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schaft Wassertechnik. Herausgegeben von HUSS-

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Herausgegeben als Vorlesungsskript ETH Zürich

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Fig. 5 Ablagerungen auf der pH-Sonde vor (links) und nach der Behandlung mit Säure (rechts). Précipitation sur la sonde pH avant (gauche) et après le traitement à l’acide (droite).

DANKSAGUNGDie Pilotversuche wurden in enger Zusammenarbeit zwischen ERZ Entsorgung + Recy-cling Zürich, der Eawag und der Hunziker Betatech AG geplant und durchgeführt. Das Betriebspersonal von ERZ hat die Versuche betreut und die analytischen Auswertungen wurden in den Labors von ERZ und der Eawag durchgeführt. An dieser Stelle möchten sich die Autorinnen namentlich bei Roger Kohler, Björn von Burg, Susanne Casartelli, Horst Reber, Daniel Howald und Michael Wehrli von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich, bei Kai Udert von der Eawag und bei Thomas Haltmeier von der Hunziker Betatech AG für die wertvolle Unterstützung bedanken.

500 g/m3 de boues ont pu être déce-lées de manière analytique. Extrapolé sur une année de boues d’épuration, le résultat correspond à environ 150 t de précipitations, soit 2% de la matière sèche de la station d’épuration de Werdhölzli. Dans l’idéal, une grande partie de ces précipitations se dépose directement sur les flocs de boue en suspension et non sur les surfaces dures. Il ressort des essais qu’un dif-fuseur à grosses bulles suffit pour le dégazage du CO2 facilement soluble et qu’une exploitation discontinue amé-liore l’efficacité énergétique.

SUITE DU RÉSUMÉ>

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