6
12 Schlüsselerlebnis Ein Paula-Ender-Krimi für Security Land von Ilona Mayer-Zach

Schlüsselerlebnis - Kapitel 3

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Schlüsselerlebnis - Kapitel 3

Citation preview

Page 1: Schlüsselerlebnis - Kapitel 3

12

Schlüsselerlebnis

Ein Paula-Ender-Krimi für

Security Land

von

Ilona Mayer-Zach

Page 2: Schlüsselerlebnis - Kapitel 3

13

DREI

Am nächsten Morgen wachte Paula wie gerädert auf.

Sie hatte eine schlaflose Nacht hinter sich und war

erst im Morgengrauen in einen unruhigen Schlaf

gesunken. Nun traf sie die Erinnerung an den Ein-

bruch erneut mit voller Wucht. Sie griff nach dem

Papier, das auf dem Nachtkästchen lag. Irgendwie

kamen ihr die eigenartigen Kritzeleien bekannt vor,

doch so sehr sie sich auch das Hirn zermarterte, es

fiel ihr einfach nicht ein.

Sie wollte Alina um Rat fragen, doch es war bereits

nach neun und die Freundin war schon längst mit

Vivaldi in die Kanzlei gegangen. Gern hätte Paula

Nachforschungen angestellt, doch die mussten noch

warten. Zuerst musste sie sich um die eigenen vier

Wände kümmern.

Paula trank eine Tasse starken Kaffee, dann noch

eine. Schließlich griff sie zum Telefonhörer und wähl-

te die Nummer von Wolfgang Reichsthaler. Der Si-

cherheitsfachberater von Security Land war nach

Page 3: Schlüsselerlebnis - Kapitel 3

14

dem zweiten Klingeln am Apparat und hörte sich

geduldig Paulas Schilderungen vom Einbruch an.

„Wahrscheinlich halten Sie mich für überängstlich,

aber ich traue mich momentan nicht allein in meine

Wohnung“, fügte sie erklärend hinzu.

Doch Reichsthaler hatte volles Verständnis für ihre

Angst. Er müsse nur seine Termine sichten, aber er

würde sich verlässlich binnen einer Stunde wieder

bei ihr melden. Dann würden sie ein Treffen verein-

baren.

Als ihr Handy läutete, stand Paula gerade eingeseift

unter der Dusche. So rasch hatte sie nicht mit dem

versprochenen Rückruf gerechnet. Er habe einen

Termin verschieben können, sagte Reichsthaler und

schlug Paula vor, am Nachmittag eine gemeinsame

Wohnungsbesichtigung durchzuführen. Er wolle mit

ihr die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen bespre-

chen, damit sie so rasch wie möglich wieder in ihre

Wohnung ziehen könne. Paula bedankte sich herz-

lich beim Sicherheitsberater, der ihr in ihrer Not so

hilfsbereit zur Seite stand. Wenngleich die Seife

noch immer höllisch in den Augen brannte, fühlte

sich Paula gleich bedeutend wohler.

Reichsthaler wartete bereits vor dem Haus, als Paula

eintraf. Er war in natura genauso sympathisch wie

Page 4: Schlüsselerlebnis - Kapitel 3

15

am Telefon. Ihre Bedenken, dass er sie wegen ihrer

Angst nach dem Einbruch für eine hysterische Zicke

halten könnte, zerstreute er sofort mit einem freund-

lichen Lächeln. Im Gegenteil, er bestätigte ihr sogar,

dass es für Einbruchsopfer meist das Schwierigste

war, das gewaltsame Eindringen in ihre Privatsphäre

psychisch zu verkraften.

„Jetzt verschaffen wir uns erst einmal einen Über-

blick, und dann werden wir gemeinsam ein Konzept

entwickeln, um Kriminellen künftig das Leben so

schwer wie möglich zu machen.“

Sein Oberlippenbart zuckte schelmisch. Man konnte

Reichsthaler ansehen, dass ihm diese Vorstellung

Vergnügen bereitete. Vor der aufgebrochenen Tür

runzelte er die Stirn.

„Das Schloss war keine große Herausforderung für

die Täter“, stellte er fest. „Die Tür und der Rahmen

sind aber stabil genug. Sicherheitstür brauchen Sie

keine. Ein Panzerriegel ist in diesem Fall völlig aus-

reichend. Den gibt es übrigens auch in italienischem

Design.“

Der Preis, den er Paula für die Maßnahmen nannte,

lag weit unter dem Kostenvoranschlag, der ihr da-

mals für die Sicherheitstür gemacht worden war.

Wolfgang Reichsthaler begutachtete auch die Bal-

Page 5: Schlüsselerlebnis - Kapitel 3

16

kontür, die auf Paulas kleine Terrasse führte, aber da

er weit und breit keine Aufstiegshilfe – wie etwa eine

Regenrinne – entdecken konnte, hielt er weitere

Sicherheitsvorkehrungen für überflüssig.

Nachdem Reichsthaler gegangen war, blieb Paula

noch eine Weile in der Wohnung und begann mit den

Aufräumarbeiten. Doch mit der Dunkelheit kehrte die

Angst zurück. Wie gut, dass ihr Alina angeboten

hatte, bei ihr zu wohnen, bis sie sich in der eigenen

Wohnung wieder sicher fühlte.

Auf einmal durchfuhr es Paula wie ein Blitz: Jetzt

wusste sie wieder, wo sie die kryptischen Graffiti

schon einmal gesehen hatte! Sie lief hinunter zur

Haustür. Und tatsächlich: In der Mauer waren neben

jedem Namen auf der Sprechanlage Zeichen einge-

ritzt. Neben ihrem Namen stand ein Kreuz. Doch was

hatte das zu bedeuten?

Während Paula überlegte, bemerkte sie einen Schat-

ten, der hinter ihrem Rücken vorbeihuschte und in

einem Hauseingang verschwand. Ihr Herz pochte bis

zum Hals und sie beeilte sich, zu Alina zu gelangen.

Erschöpft schloss Paula die Wohnungstür hinter sich

und schob den Sicherheitsbalken vor. Als sie später

aus dem Fenster blickte, sah sie auf der gegenüber-

Page 6: Schlüsselerlebnis - Kapitel 3

17

liegenden Straßenseite einen Mann, der sich su-

chend umblickte.

War es derselbe, der vorhin im Hauseingang ver-

schwunden war? Ihre Paranoia trieb wieder einmal

seltsame Blüten, rügte sich Paula.