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Schlüsselerlebnis - Kapitel 3
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Schlüsselerlebnis
Ein Paula-Ender-Krimi für
Security Land
von
Ilona Mayer-Zach
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DREI
Am nächsten Morgen wachte Paula wie gerädert auf.
Sie hatte eine schlaflose Nacht hinter sich und war
erst im Morgengrauen in einen unruhigen Schlaf
gesunken. Nun traf sie die Erinnerung an den Ein-
bruch erneut mit voller Wucht. Sie griff nach dem
Papier, das auf dem Nachtkästchen lag. Irgendwie
kamen ihr die eigenartigen Kritzeleien bekannt vor,
doch so sehr sie sich auch das Hirn zermarterte, es
fiel ihr einfach nicht ein.
Sie wollte Alina um Rat fragen, doch es war bereits
nach neun und die Freundin war schon längst mit
Vivaldi in die Kanzlei gegangen. Gern hätte Paula
Nachforschungen angestellt, doch die mussten noch
warten. Zuerst musste sie sich um die eigenen vier
Wände kümmern.
Paula trank eine Tasse starken Kaffee, dann noch
eine. Schließlich griff sie zum Telefonhörer und wähl-
te die Nummer von Wolfgang Reichsthaler. Der Si-
cherheitsfachberater von Security Land war nach
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dem zweiten Klingeln am Apparat und hörte sich
geduldig Paulas Schilderungen vom Einbruch an.
„Wahrscheinlich halten Sie mich für überängstlich,
aber ich traue mich momentan nicht allein in meine
Wohnung“, fügte sie erklärend hinzu.
Doch Reichsthaler hatte volles Verständnis für ihre
Angst. Er müsse nur seine Termine sichten, aber er
würde sich verlässlich binnen einer Stunde wieder
bei ihr melden. Dann würden sie ein Treffen verein-
baren.
Als ihr Handy läutete, stand Paula gerade eingeseift
unter der Dusche. So rasch hatte sie nicht mit dem
versprochenen Rückruf gerechnet. Er habe einen
Termin verschieben können, sagte Reichsthaler und
schlug Paula vor, am Nachmittag eine gemeinsame
Wohnungsbesichtigung durchzuführen. Er wolle mit
ihr die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen bespre-
chen, damit sie so rasch wie möglich wieder in ihre
Wohnung ziehen könne. Paula bedankte sich herz-
lich beim Sicherheitsberater, der ihr in ihrer Not so
hilfsbereit zur Seite stand. Wenngleich die Seife
noch immer höllisch in den Augen brannte, fühlte
sich Paula gleich bedeutend wohler.
Reichsthaler wartete bereits vor dem Haus, als Paula
eintraf. Er war in natura genauso sympathisch wie
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am Telefon. Ihre Bedenken, dass er sie wegen ihrer
Angst nach dem Einbruch für eine hysterische Zicke
halten könnte, zerstreute er sofort mit einem freund-
lichen Lächeln. Im Gegenteil, er bestätigte ihr sogar,
dass es für Einbruchsopfer meist das Schwierigste
war, das gewaltsame Eindringen in ihre Privatsphäre
psychisch zu verkraften.
„Jetzt verschaffen wir uns erst einmal einen Über-
blick, und dann werden wir gemeinsam ein Konzept
entwickeln, um Kriminellen künftig das Leben so
schwer wie möglich zu machen.“
Sein Oberlippenbart zuckte schelmisch. Man konnte
Reichsthaler ansehen, dass ihm diese Vorstellung
Vergnügen bereitete. Vor der aufgebrochenen Tür
runzelte er die Stirn.
„Das Schloss war keine große Herausforderung für
die Täter“, stellte er fest. „Die Tür und der Rahmen
sind aber stabil genug. Sicherheitstür brauchen Sie
keine. Ein Panzerriegel ist in diesem Fall völlig aus-
reichend. Den gibt es übrigens auch in italienischem
Design.“
Der Preis, den er Paula für die Maßnahmen nannte,
lag weit unter dem Kostenvoranschlag, der ihr da-
mals für die Sicherheitstür gemacht worden war.
Wolfgang Reichsthaler begutachtete auch die Bal-
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kontür, die auf Paulas kleine Terrasse führte, aber da
er weit und breit keine Aufstiegshilfe – wie etwa eine
Regenrinne – entdecken konnte, hielt er weitere
Sicherheitsvorkehrungen für überflüssig.
Nachdem Reichsthaler gegangen war, blieb Paula
noch eine Weile in der Wohnung und begann mit den
Aufräumarbeiten. Doch mit der Dunkelheit kehrte die
Angst zurück. Wie gut, dass ihr Alina angeboten
hatte, bei ihr zu wohnen, bis sie sich in der eigenen
Wohnung wieder sicher fühlte.
Auf einmal durchfuhr es Paula wie ein Blitz: Jetzt
wusste sie wieder, wo sie die kryptischen Graffiti
schon einmal gesehen hatte! Sie lief hinunter zur
Haustür. Und tatsächlich: In der Mauer waren neben
jedem Namen auf der Sprechanlage Zeichen einge-
ritzt. Neben ihrem Namen stand ein Kreuz. Doch was
hatte das zu bedeuten?
Während Paula überlegte, bemerkte sie einen Schat-
ten, der hinter ihrem Rücken vorbeihuschte und in
einem Hauseingang verschwand. Ihr Herz pochte bis
zum Hals und sie beeilte sich, zu Alina zu gelangen.
Erschöpft schloss Paula die Wohnungstür hinter sich
und schob den Sicherheitsbalken vor. Als sie später
aus dem Fenster blickte, sah sie auf der gegenüber-
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liegenden Straßenseite einen Mann, der sich su-
chend umblickte.
War es derselbe, der vorhin im Hauseingang ver-
schwunden war? Ihre Paranoia trieb wieder einmal
seltsame Blüten, rügte sich Paula.