7
Stuart, Kristallisationsbedlngungen und morphologische Stru]cturen bei Hochpolymeren (Diskussion) 25 kSnnen. Jedenfalls ist der Beweis, dal3 das aus der Sehmelze kristallisierte Material aus gefalteten Molekiilen besteht, noeh nieht ein- deutig. AnderseRs aber haben wir keinen entseheidenden Beweis ffir eine vollst/~ndige Unordnung in der Sehmelze. In diesem Zu- stand unseres Wissens wiirde eine eingehen- dere Diskussion dieses wichtigen Problems nicht sehr nfitzlich sein. 7 / 150 140 f / x/• / 120 ^ / < ~/ 110 / gO // grystal]isierungstemperatur ~ .... * Abb. 22. Vgl. Text Ich mSchte noch die Bemerkungen der Herren Prof. Astbury und Bernal auf der soeben stattgefundenen Diskussionstagung der Faraday Society in Leeds erw/ihnen. Da- naeh sollte die Kettenfaltung ein grunds/~tz- liches Phi~nomen darstellen, aueh bei den Naturstoffen. Es sollte mehrere Beweise ftir eine Faltung geben, und weiterhin sollte die Faltung eine wiehtige Stufe sein zu der Bildung der komplizierteren Konfiguratio- nen, die in den biologischen Stoffen vor- kommen. SehlieNich m6ehte ieh eine theoretische Erkl~rung der Faltung, die yon Herrn Frank (Universit/~t Bristol) stammt, zitieren. Diese beruht auf der Annahme, dab eine KeCte im Kristall als ein starrer Rotator angesehen werden kann. Wenn sich jetzt diese Kette in der Mitte falter, und wenn man annimmt, dab die zwei H/~lften unabh/~ngig rotieren, dann kann man beweisen, dab die Zustands- summe der gefalteten N:onfiguration grSlter werden kann als die des gestreekten Zu- standes, falls die Kette aus genfigend vielen Gliedern besteht. Das bedeutet, dag bei einer geniigend groBen Kettenl~nge die gefaltete Konfiguration im Kristall stabiler wird. Schri/ttum 1. Keller, A., Phil. Mag. 21, 1171 (1957). 2. Rhodes, F. H., C. W. Mason und W. R. Sutton, Ind. Eng. Chem. 19, 935 (1927); Edwards, R. T., Ind. Eng. Chem. 49, 750 (1957). 3. A gar, A.W., F. C. Fran~ und A. Keller, Phil. Mag. 4, 32 (1959). 4. Keller, A. und A. O'Connor, Disc. Faraday Soc. 25, 114 (1958). 5. Fran~, t'. C., A. Keller und A. O'Connor, ])hil. Nag. 4, 200 (1959). 6. I~eller, A. und A. O'Connor, Nature 180, 1289 (1957). Aus dem Institut ]iir physikalische Chemie und theoretische Hi~ttenkunde, Technische Hochschule Aachen Schmelzen mad Kristalllsieren des 4,6-Polyurethans nach dintgenographischen Messmagen 1) Von H. G. Kilian und E. Jenckel Mit 10 Abbildungen (Eingegangen am 10. Mai 1959) Aus Messungen des Brechungsindex yon Jenckel und DSr#urt (1) some aus Messungen yon Abkiihl- und Erhitzungskurven yon Jenckel und Wilsing (2) war bekannt, dab das Kristallisieren oder Sehmelzen yore Poly- urethan in einem Temperaturintervall ab- 1/~uft, dal3 die Probe nur teilweise kristallisiert und dab die thermisehe Vorgesehichte yon grol~er Bedeutung ist. Dieses ftir Hoehmole- kulare typische Verhalten, dan sicher eine Folge der Kinetik des im Vergleieh zu line- aren Polymerisaten komplizierten Grund- 1) Wegen genauerer und ausfiihrlich gebrachter Einzelheiten mu8 auf eine VerSffentlichung verwiesen werden, welche ira Rahmen der Bunsentagung 1959 erfolgte. molektils ist, war der Anlag zu der naeh- stehenden, rSntgenographischen Untersu- chung. A. Die Struktur des Polyurethans Nach Brill (3), Zahn und Winter (4) und Borchert (5) hat das Polyurethan eine trikline Gitterzelle, deren Modell Abb. 1 zeigt. Diese Zelle baut sich aus ,,Rostebenen" auf, in denen H-Briicken in regelm~Bigen Abst~nden die Nachbarmolekiile verbinden. Die H- Briieken sind in der Abb. 1 dureh gestrichelte Linien charakterisieI~ (die Rostebenen liegen also in der Bildebene). Die Rostebenen schiehten sieh hintereinander zum r/~umli-

Schmelzen und Kristallisieren des 4,6-Polyurethans nach röntgenographischen Messungen

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Page 1: Schmelzen und Kristallisieren des 4,6-Polyurethans nach röntgenographischen Messungen

Stuart, Kristallisationsbedlngungen und morphologische Stru]cturen bei Hochpolymeren (Diskussion) 25

kSnnen. Jedenfalls ist der Beweis, dal3 das aus der Sehmelze kristallisierte Material aus gefalteten Molekiilen besteht, noeh nieht ein- deutig. AnderseRs aber haben wir keinen entseheidenden Beweis ffir eine vollst/~ndige Unordnung in der Sehmelze. In diesem Zu- stand unseres Wissens wiirde eine eingehen- dere Diskussion dieses wichtigen Problems nicht sehr nfitzlich sein.

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150

140 f

/ x/• / 120 ^ /

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gO

//

grystal]isierungstemperatur ~ .... *

Abb. 22. Vgl. Text

Ich mSchte noch die Bemerkungen der Herren Prof. Astbury und Bernal auf der soeben stattgefundenen Diskussionstagung der Faraday Society in Leeds erw/ihnen. Da- naeh sollte die Kettenfaltung ein grunds/~tz- liches Phi~nomen darstellen, aueh bei den

Naturstoffen. Es sollte mehrere Beweise ftir eine Faltung geben, und weiterhin sollte die Faltung eine wiehtige Stufe sein zu der Bildung der komplizierteren Konfiguratio- nen, die in den biologischen Stoffen vor- kommen.

SehlieNich m6ehte ieh eine theoretische Erkl~rung der Faltung, die yon Herrn Frank (Universit/~t Bristol) stammt, zitieren. Diese beruht auf der Annahme, dab eine KeCte im Kristall als ein starrer Rota tor angesehen werden kann. Wenn sich jetzt diese Ket te in der Mitte falter, und wenn man annimmt, dab die zwei H/~lften unabh/~ngig rotieren, dann kann man beweisen, dab die Zustands- summe der gefalteten N:onfiguration grSlter werden kann als die des gestreekten Zu- standes, falls die Ket te aus genfigend vielen Gliedern besteht. Das bedeutet, dag bei einer geniigend groBen Kettenl~nge die gefaltete Konfiguration im Kristall stabiler wird.

Schri/ttum 1. Keller, A., Phil. Mag. 21, 1171 (1957). 2. Rhodes, F. H., C. W. Mason und W. R. Sutton,

Ind. Eng. Chem. 19, 935 (1927); Edwards, R. T., Ind. Eng. Chem. 49, 750 (1957).

3. A gar, A . W . , F. C. Fran~ und A. Keller, Phil. Mag. 4, 32 (1959).

4. Keller, A. und A. O'Connor, Disc. Faraday Soc. 25, 114 (1958).

5. Fran~, t'. C., A. Keller und A. O'Connor, ])hil. Nag. 4, 200 (1959).

6. I~eller, A. und A. O'Connor, Nature 180, 1289 (1957).

Aus dem Institut ]iir physikalische Chemie und theoretische Hi~ttenkunde, Technische Hochschule Aachen

Schmelzen mad Kristalllsieren des 4,6-Polyurethans nach dintgenographischen Messmagen 1)

Von H. G. K i l i a n und E. J e n c k e l

Mit 10 Abbildungen (Eingegangen am 10. Mai 1959)

Aus Messungen des Brechungsindex yon Jenckel und DSr#urt (1) some aus Messungen yon Abkiihl- und Erhitzungskurven yon Jenckel und Wilsing (2) war bekannt, dab das Kristallisieren oder Sehmelzen yore Poly- urethan in einem Temperaturintervall ab- 1/~uft, dal3 die Probe nur teilweise kristallisiert und dab die thermisehe Vorgesehichte yon grol~er Bedeutung ist. Dieses ftir Hoehmole- kulare typische Verhalten, dan sicher eine Folge der Kinetik des im Vergleieh zu line- aren Polymerisaten komplizierten Grund-

1) Wegen genauerer und ausfiihrlich gebrachter Einzelheiten mu8 auf eine VerSffentlichung verwiesen werden, welche ira Rahmen der Bunsentagung 1959 erfolgte.

molektils ist, war der Anlag zu der naeh- stehenden, rSntgenographischen Untersu- chung.

A. Die Struktur des Polyurethans Nach Brill (3), Zahn und Winter (4) und

Borchert (5) hat das Polyurethan eine trikline Gitterzelle, deren Modell Abb. 1 zeigt. Diese Zelle baut sich aus , ,Rostebenen" auf, in denen H-Briicken in regelm~Bigen Abst~nden die Nachbarmolekiile verbinden. Die H- Briieken sind in der Abb. 1 dureh gestrichelte Linien charakterisieI~ (die Rostebenen liegen also in der Bildebene). Die Rostebenen schiehten sieh hintereinander zum r/~umli-

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26 KoIloid-Zeitschrift, Band 165. Heft i

chert Gi t ter auf. Der Zusammenha l t des Git- ters senkrecht zu den I~ostebenen wird durch van der W a a l s - X r g f t e bewirkt , wobei un ie r dem Begriff der van der W a a l s - B i n d u n g alle B indungs typen aul~er der t t - B r a c k e und der Haup tva l enz zusammengefal~t sind. Das Git- te r ist v o m Typ eines Sehiehtgi t ters , welches vo l lkommen anisotrop ist. I n R ich tung der K e t t e n (b-Achse) liegen Haup tva lenzen , wgh- rend , , lateral" zwischen den K e t t e n in den l~ostebenen I t -Br i icken (a-Achse), zwisehen den Ros tebenen van der W a a l s - B i n d u n g e n (c-Achse) wirken.

cH,<

Abb. 1. Modell der Gitterzelle des Polyurethans

N ~ a r l i c h muB man auch in den Rost- ebenen mi t van der W a a l s - B i n d u n g e n neben den I t - B r a c k e n rechnen. Die H - B r a c k e n scheinen aber als die s t~rkeren der beiden Bindungen in den Ros tebenen das physika- lische Verhal ten zu bes t immen.

Das Ket tenmolek t i l mu~ zum Einb~u in die voll]commene Gitterzelle s) in die gestreckte, unverdr i l l te F o r m gebracht werden. Die Nachbarmoleka le massen in ganz bes t immter Weise zueinander liegen, dami t sich die H- Bracken ausbilden kSnnen.

B. Zur Definition der Kristallisationsgrade Die Abb. 2 zeigt das Beugungsbild ciner

hochgetemperten3), maximal kristall isierten

~) Es zeigt sich, dab die ttochpolymeren, wenn sic bei niedriger Temperatur, d. h. weit unterhalb des Schmelz- endes kristallisieren, die Gitterordnung nur unvoll- stiindig herstellen kOnnen. Beim Teflon baut sich in die- sere Fall z. B. ein pseudohexagonales Gitter, d. h. eine hexagonale Struktur ohne gittermg$ige Ordnung in Riehtung der l~olekiillangsachsen auf (8).

a) Die Probe war sukzessive yon 175~ adfwgrts mit vier Grad Temperaturunterschied bis 187~ je- wells mindestens 12h im Vakuum getemper$ worden.

Po lyure thanprobe . Es wurde zur Best im- mung der kristall isierten Anteile die Auf- spal tung des Diagramms in einen Intensi tgts- anteil, der y o n den kristall isierten Bereichen abgebeugt wurde (sehraffierte Flgche in der Abb. 2), und einen , , amorphen" Anteil in der aus der Abbi ldung ersichtl ichen Weise vor- genommen. Als Anha l t spunk te far die Ein- zeichnung des amorphen Buckels ha t m an die Lage des Maximums dieser Flassigkeits- in terferenz und deren Halbwertsbrei te , wel- che m an beide fa r die jeweilige Untersu- chungs tcmpera tu r durch linearc Extrapola-

(200) (~ (002)

cffo)

2'0 ~ ~2s Jo 22

Abb. 2. Das Beugungsbild einer hochgetemperten, maximal kristallisierten Polyurethanprobe (Cu-K~- Strahlung) mit der Indizierung der Kristallinterferenzen

(1) H-Brfick, (2) yon cler Waals-Interferenz

t ion zwischen dem Beugungsd iagramm der Schmelze (195 ~ C) und dem d e r abgeschreck- t en vo l lkommen amorphen Probe ( - -20 ~ C) ermit te l t . Der un te r such te Winkelbereich mu~ auBerdem so grol] gewghlt werden, da- mit unahhgngig yon der Kris ta l l in i tg t der P robe die Gesamtintens i tg t kons tan t ist. Es dar f sieh also bei versehiedcn kristal- l isierten P ro b en nur die Winkelver te i lung der In tensi tg t , d. h. die Auftei lung der In tens i tg t in den kristal l inen und amorphen Antei l ~ndern. Es wurden die Kristall isa- t ionsgrade a, a H und ~v, wie folgt, definiert :

a) Der integrate Kristal l isat ionsgrad 2 ~

f l c d v ~

2r I

2,% f = f Id# [1]

bildet das Verhgltnis tier gesamten kri- stall inen In tens i tg t (schraffierte Flgche in Abb. 2) zur Gesamtin~ensitgt.

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Stuart, Kristallisationsbedingungen und morphologische Strukturen bei Hochpolymeren (Diskussion) 27

b) Der partielle Kristallisationsgrad ~H der It-Br~tcken

~ = - ~ I~ d ~ [2]

(200) bildet den Quotien~en aus der Intensit~t unter der (200)-Interferenz zur Gesamt- intensit~t. Die (200)-Interferenz ist dem H-Brtiekenabstand zugeordnet; sie liegt getrenn~ yon der (002)-In~erferenz der van der Waals-Abst~nde bei kleineren Winkeln 2 ~, weil der t t-Briickenabstand (Netzebenenabstand d = 4,02 ~ ) grSBer als der van der Waals-Abstand ist (d = 3,68 ~).

c) Entsprechend wird der partielle Kristalli- sationsgrad av der van der Waals-Bindun- gen dureh

~v = -~ ~ ~ ~ [3] (002)

definier~. Die beiden le~zten Defini~ionen haben

durchaus ihren Sinn, da sich das thermi- sche Verhalten in den beiden lateralen Gitterrichtungen unterscheidet.

C. Mel~ergebnisse Wir mSehten zwei Ex~remf~tlle behandeln:

1. Das Aufschmelzen einer hochgetemperten, maximal kristallisierten Probe, well hier der reine Schmelzvorgang ohne Kristallisation verfolgt werden kann, und 2. das Kristalli- sieren bei versehiedenen Temperaturen yon einer in den Glaszustand ohne jede Kris~a~li- sation abgeschreekten Polyure~hanprobe, weil hier, wenn bei Zimmertemperatur ge- messen wird, nur die Kristallisation die Probe veri~ndert.

C 1 Das Au/schmelzen einer hochgetemperten, maximal kristallisierten Polyurethanprobe

Die Abb. 3 l~Bt deutlieh die Ver~nderun- gen im Beugungsdiagramm einer hochgetem- perten Probe beim sukzessiven Aufheizen erkennen.

Man erkennt, dab die In t ens i~ t der van der Waals-Interferenz kontinuierlieh mit steigender Temperatur abnimm~, w~hrend die I-I-Brfickeninterferenz noch bei 160~ unver~ndert ist, wie sehon yon Jenckel und DSr~urt (1) beobaehLer wurde. Abb. 4 zeigt eine entsprechend kontinuierliche Abnahme des integralen I~ristallisa~ionsgrades ~ als Funktion der Temperatur.

Der Kurvenverlauf ~hnelt dem der l~e- fraktometer- oder ])ilatomeSerkurven. Na-

turgem~B ist die Krtimmung in der Kurve des integralen Kristallisationsgrades ~ grSBer als in den entsprechenden Kurven etwa der Refrak~ometermessung, da in der integralen Messung der Brechungsindex fiber die ge- samteProbe, also den amorphen (etwa 70%)

Abb. 3. Die Beugungsbilder einer hoehgetemperten Polyurethanprobe bei den angegebenen Temperaturen.

(1) H-Briicken, (2) van der Waals-Interferenz

30

20

r

so ~oo ~ 2bo r c~

Abb. 4. Die Kristallisationsgrade a, av und aH einer hoohgetemper~en Polyurethanp~obe beim sukzessiven Aufheizen. a: Kurvea; all: Kurvec; ~v: Kurveb

und den kristallinen (entspreehend etwa 30%) Anteil gemittelt wird, w~hrend r6nt- genographiseh nur der kristalline Anteil er- faBt werden kann.

Die partiellen Kristallisationsgrade zeigen, daft sich das thermische Verhalten, wie es dureh den integra]en Kristallisationsgrad wiedergegeben wird, aus der ~berlagerung

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28 Kolloid-Zeitschrifl, Band 165 �9 Heft I

des untersehiedlichenVerhaltens in den beiden lateralen Gitterrichtungen ergibt. So bleibt der partielle KrisSallisationsgrad c~ H bis etwa 20~ unterhalb des Sehmelzendes (189 ~ C) konstant, um erst in diesen letzten 20 ~ C, ab 187 ~ C dann schr schnell auf ~qull zu sinken (Abb. 4, Kurve c), w~hrend das partielle ~v kontinuierlieh mit zunehmender Krtimmung bei steigender Temperatur abnimmt. In

4.1

4.O

3.9

3.8

3.Z

3.5

J

J

0 50 100 150 200 T(~

Abb. 5. Die 2ffetzebenenabs~gnde der (200)- und (002)- Ebenen (Kurve a bzw. b) als Funktion der Temperatur

van der W a a l s - A b s t ~ n d e (Abb. 5). Eine nicht- lineare Gitteraufweitung tr i t t bei den van der W a a I s - B i n d u n g e n bei tieferer Temperatur als bei den H-Bracken auf.

Abb. 6 l~l~t erkennen, da$ die Halbwerts- breite der (002)-Interferenz der van der W a a l s - A b s t ~ n d e etwa ab 150~ zunimmt, die (200)-Interferenz dagegen bleibt prak- tisch unver~Lndert.

C 2 Das Kristal l is ieren einer abgeschreckten Polyurethanprobe

Die Proben wurden yon 220~ (etwa 30~ oberhalb des Schmelzendes) in einer Eis- Methanolmischung yon --25 ~ C abgeschreckt und gerSntgt. Es zeigte sich bei --25 ~ C nur

1.4

"LO

~6

6; = 6 ~'

! I

I I

/ l 0

b 5b ,b ,~0 2oo Tc~o

Abb. 6. Die Halbwertsbreiten der (200)- und (002)- Interferenzen einer hochgetemperten Polyurethan- probe beim sukzessiven Aufheizen. (002): @; (200): C)

Richtung der H-Bracken (in den Rostebenen) verhi~lt sich der Kristall nahezu wie ein niedrigmolekularer Stoff, in Richtung der van der W a a l s - B i n d u n g e n ,,sehmilzt" das Gitter kontinuier]Lieh auf. Die Anisotropie des Gitters kommt in diesem unterschiedli- chen Verhalten in den beiden lateralen Rich- tungen deutlich zum Ausdruck, sicher auch deshalb, weft die Untersehiede der Bindungs- kr~fte durch kooperative Verst~Lrkung der Bindungen vergrSl~ert werden.

Die Anisotropie des Gitters wirkt sich welter in den folgenden Eigensehaften aus:

Der thermische Ausdehnungskoeffizient der H-Briickenabstgnde ist kleiner als der der

Abb. 7. Die bei Zimmertemperatur aufgenommenen Beugungsbilder einer abgesehreckten Polyurethan- probe, die auf die angegebenen Temperaturen 1,5h erhitzt worden war. (1) H-Briicken, (2) van der Waals-

Interferenz

ein amorpher Buckel, der Zustand der Schmelze war also ohne jede Kristallisation eingefroren. Im weiteren Verlauf der Experi- mente wurde nun die Krista]]isation einer solchen Probe beim sukzessiven Erhitzen be- obachtet. Kfihlt man nach der Kristallisation bei einer bestimmten Temperatur wieder auf Zimmertemperatur ab, so erh~lt man Beu- gungsbilder, wie sie in der Abb. 7 gezeigt sind.

Bis 100~ bildet sich n u t die van der W a a l s - I n t e r f e r e n z aus, welche intensiti~ts- schwach und stark verbreitert ist. Erst ober- halb 100~ w~Lchst in zunehmendem MaBe die (200)-Interferenz der H-Bracken aus dem amorphen Buekel.

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Stuart, Kristallisationsbedingungen und morphologische Strul;turen bei Hochpolymeren (Diskussion) 29

Der integrale Kristallisationsgrad ~ (Abb. 7) ~ndert sich ,,stufenweise". Bis 100 ~ C bflden sich nur van der Waals -Abs t~nde aus. Es bil- det sieh offenbar ein pseudohexagonales Gitter a) aus, da aui~er der (200)- aueh die (li0)-Interferenz (siehe Abb. 2) fehlt, welche eine gi~termi~Sige Ordnung in l~ichtung der Molekfill~ngsaehsen voraussetzt. Erst ober- halb 100 ~ C treten die monokline (200)- und in derselben Weise die (ll0)-Interferenzen auf.

Waals -Abs t~nden oberhalb 100 ~ C ist einmal eine Folge der/~ristallumwandlung aus dem pseudohexagonalen Gi~ter in das der tri- kIinen St ruktur , zum anderen aber auch die Folge einer laufenden Verbesserung der Git- terordnung, wie man auch aus der Abnahme der H-Brfiekenabsti~nde schliel~en muB (Kurve 6).

Die Halbwertsbreiten ~ndern sich merklich erst ab 140 ~ C (Abb. 10).

( ~ cl

30,

2Q

T= O ~ | ( q/cm j)

T=20~ o �9 e

~2~ @

| ~.~9

o so 1oo 15o 2oo TCOC)

Abb. 8. Die Kristallisationsgrade~, ~v und aR einer abgeschreckten bei verschiedenen Temperaturen kri- st~llisierten Polyurethanprobe (integraler Kristallisa- tionsgrad Kurve a, aF: Kurve b, all: Kurve c,) bei Zimmertemperatur gemessen. Die Kurve mit den ge- kreuzten Punkten ist die yon Brenschede bei 0~ yon einer abgeschreckten, bei verschiedenen Temperaturen

kristallisierten Polyurethanprobe aufgenommene Dichtekurve

Das Gitter geht aus der pseudohexagonalen Struktur in die trikline fiber, bei gleichzeiti- ger Kristallisation, wie man aus Abb. 8 ent- nehmen kann. Der Beitrag zum integralen

oberhalb 100~ wird wesentlich yore partiellen o~ H geliefert.

In Abb. 8 ist aul]erdem die yon Bren- schede (6) yon einer abgeschreekten bei ver- schiedenen Temperaturen getemperten Poly- urethanprobe bei 0~ gemessene Dichte- kurve eingezeichnet. Auch hier finder sich eine stufenweise Kristallisation, die aus den gleichen Grfinden wie weiter oben angeffihrt weniger ausgepri~gt is~ als im in~egralen Kristallisationsgrad a.

Das Gitter der pseudohexagonalen Struk- fur unterhalb 100 ~ C ist naeh Abb. 9 aufge- welter. Die Molekfile n~hern sieh mi~ stei- gender Temperatur hier nur geringfiigig. Die stiirkere Ann~herung in den van der

4) Es scheinb vernfinftig zu sein, eine dichteste Packung der Molekfile anzunehmen, die hexagonale Anordnung der Ketten verlangt.

4.o @

3.9

3,8

37

35

|

0 50 I{~0 ~0 200 T (~

Abb. 9. Die Netzebenenabsti~nde einer abgeschreckten Polyurethanprobe bei Zimmertemperatur als Funktion der Kristallisationstemperatur [van der Waals-Ab-

st~nde Kurve (a), H-Briicken: Kurve (b)]

h i, 24

2 0

~0

5'0 t ~ ti0 z~o r ecJ

Abb. 10. Die Halbwertsbreiten der (200)- und (002)- Intefferenzen (Kurveb resp. Kurvea) einer abge- schreck~en, bei verschiedenen Temperaturen kristalli-

sierten Polyurethanprobe bei Zimmertemperatur

D. Diskussion der Versuchsergebnisse D 1 Das Au/schmelzen einer hochgetemperten,

max imal kristallisierten Polyurethanprobe

Der Unterschied in den Bindungskr~ften zwischen den tt-Briicken und den van der Waals-Bindungen, der durch kooperative Wechselwirkung verst~rkt wird, begrfindet das verschiedene Verhalten in den latera- len Gi~terrich*ungen beim Aufheizen einer

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30 Kolloid-Zeitsehrift, Band 165. Heft I

hoehgetemperten Probe. Wir mSchten an- nehmen, dab es sich bis etwa 20 ~ C unter- halb des Schmelzendes um elastisehe Git- terschwingungen handelt - also Sehwingun- gen der Gitterelemente um ihre Ruhela- gen. Die starke Kopplung zu den Git- ternachbarn (z. B. t tauptvalenzen in der b-Richtung, H-Briicken in der a-I~ichtung des Girders) lgf~$ elas~ische Gitterwellen entstehen (wegen ihrer thermisehen Anre- gung such Wgrmewellen genannt). Dabei werden wegen der relativ schwachen Bindung der van der Waals-Abstgnde die Amplituden in dieser I~iehtung so groft, daft die Intensitgt der (002)-Interferenz mit steigender Tempe- ratur kontinuierlich abnimmt, und daft sehlieftlich ab etwa 150~ eine Linienver- breiterung einsetz~. Dieses Verhalten l~ftt sich prinzipiell aus der Bornschen Theorie der elastischen Gitterschwingungen verste- hen (7).

Eine wesentliehe EigenschafL welche die Konzeption yon elastischen Gittersehwin- gungen nahelegt, ist der reversible Charakter der thermischen Veranderungen. Man erhil t bei einer getemperten Probe, solange man unter der Temperatur der W~rmebehandlung bleibt, einen der jeweiligen Tempera~ur zu- geordne~en, reproduzierbaren Zustand der Probe, ganz gleich auf welchem Wege und auf welche Art man die Temperatur einstell~. Die Probe, d .h . der I~ristall, befindet sieh naeh Temperaturangleich im thermischen Gleiehgewieht~).

Die eindimensionMe Auswirkung der ther- mischen StSrung besonders in l~ichtung der van der Waals-B~ndungen ist eine Folge der anisotropen Bauar~ des Gitters. Die H-Brfik- ken lassen nur kleine Amplituden der ther- mischen Sehwingungen der Gitterelemente in den Rostebenen zu, die keine ~nderung in der In tens i t i t der (200)-Interferenz lois etwa 20-10~ C unterhalb des Schmelzendes naeh- weisen lassen. Diese thermisehe Best~ndig- kei~ der Ros~ebenen ver]eiht dem Gitter auch zwischen den Rostebenen einen besonderen Halt, so daft es zu groften thermischen StS- rungen in dieser R~chtung (t~ichtung tier van der Waals-Bindungen) kommen kann, die ohne diese iibertragene Wirkung der Rost- ebenen vielleieht sehon zum ZerfM1 der Gitterordnung ~fihren wfirden.

~) Je naeh der Vorbehandlung, so lange man unter- bulb der Kristallisationstemperatur bleibt, wird dieses Gleicbgewieht in KristMlen verschiedener Qualit/~t an- genommen, d. h. man hat Gleichgewicht im Kristall nur in bezug auf die thermischen Schwingungen. Das Kri- stallisationsgleichgewicht ist nicht erreicht.

Das vollst~ndige Aufschmelzen yon Gitter- bereichen 6) finder erst in den letzten 20-15 ~ C unterhalb des Schmelzendes stattT).

1) 2 Das Kristallisieren einer abgeschreckten P olyurethanprobe

In der ohne jede Kristallisation abge- schreckten Polyurethanprobe ist die ,,Un- ordnung" der Schmelze eingefroren. Die Molekfile sind verkn~ult. Die erste ,,Stufe!' der Kristallisation zwischen 0 und 100~ besteht darin, dab oberhalb der Einfrier- temperatur s) infolge der einsetzenden Be- wegliehkeit sich Teile der lV[olekiile streeken k6nnen, die in einer dichtesten St/~behen- paekung kris~llis~eren. Die Molekfile sind aber noeh innerlich unregelmiftig verdrillt. Aufterdem ]iegen sie in l~ichtung der Ketten- aehse in statistischer Unordnung. Zur Aus- bildung der vollkommenen Gitterzelle miissen die benachbarten Molekiile nicht nur parallel liegen, sondern sic mfissen sich in bezug auf die Lingsachse so ordnen, dab sich die tI- Briieken ausbilden kSnnen. Eine gittermiBige Ordnung besteht demnach nur in den late- ralen Riehtungen. Bei diehtester Packung der Molekfile ist die Struk*ur pseudohexa- gonal.

Da das inner]ich verdrillte 1VfolekiiI einen grSfteren effektiven Querschnitt besitzt als das gestreckte, unverdrillte Molekfi], muft das ,,Pseudogitter" - wie wir es kurz nermen wollen - gegeniiber dem gutausgebildeten Gitter aufgeweitet sein, wie es in der Tat beobaehtet wird (Abb. 9).

Es entstehen zunichst kleine und schleeht geordnete Xristallbereiehe (siehe Fuftnote Seite 26), die zwischen 60 und 100~ nieht mehr wachsen. Welche Griinde kann man fiir die VerzSgerung der Kristallisation und des Kristallwachstums bis 100 ~ C anfiihren? l~Iachdem sich die Molekiile in den Pseudo- kristM1 eingelagert haben, kann man an- nehmen, daft die thermische Energie unter- halb 100~ nicht ausreicht, die Xetten so beweglieh zu halten, um die Verdrillungen aufzuheben und Translationen de r im Kri- stall liegenden Ke~tenteile zu ermSglichen. Aus diesem Grunde kann sich unterhalb 100 ~ C nur ein Pseudokristall bilden. Die nur

e) Zum Aufschmelzen solcher ,,Bereiche" muB in beiden lateralen Gitterrichtungen die gitterm/~l~ige Ordnung aufgel6st werden.

~) Wegen genauer Einzelheiten verweisen wir ~uf eine beabsichtigte VerSffenflichung im l~ahmen der Bunsen- tagung 1959.

s) :Nach D6r!~urt (1) liegt diese Einfriertemperatur bei etwa 0 ~ C.

Page 7: Schmelzen und Kristallisieren des 4,6-Polyurethans nach röntgenographischen Messungen

Stuart, Kristallisationsbedingungen und morphologische Strukturen bei Hoehpolymeren (Diskussion) 31

geringe Zunahme des Krist~llisationsgrades zwischen 60 und 100 ~ C (Abb. 8) k~nn darauf zuriickzuffihren sein, dab im Amorphen ]3e- hinderungen auftreten. Man sollte annehmen, daf~ sich im Amorphen statistisch verteilt liegende innere und ~uJ3ere H-]~rficken aus- gebildet haben, wie auch Jenckel und DSr~urt (1) angenommen haben. Diese I{- Brficken verhindern die weitere Ausbildung yon Krista]len und das Wachstum schon ge- bildeter Kristallbereiche, weft sie wahrschein- lich unterhalb 100~ thermisch nicht zu sprengen sind.

Oberhalb 100~ nun kann das Molekfil mehr und mehr die Verdrillungen aufheben und sich in die zur Ausbildung der H-Brticken notwendige Position zu den benachb~rten Ket ten bringen. Der Pseudokristall wandelt sieh um und geht in eine dreidimension~le Gitterordnung fiber, die im Falle des Poly- urethans eine trikline Zelle besitzt.

Hier beobachtet man Vorg~nge, die all- gemein bei kristal]isierenden HochmoIeku- ]aren beobaehtet werden:

A. Die Kristallisation finder in einem Tem- peraturintervall start.

B. Es finder bei der :Kristalhsation bei nie- drigen Temperaturen zun~chst nur late- rale Kristallisation start, die zu einer nut zweidimensiona]en Gitterordnung, dem Pseudokristall, ftihrt. Die ,,intramoleku- lare" Ordnung der Molekfile ist statistiseh unregelmi~Big (Verdrillungen). In Rich- tung der Molekfi]l~ngsachsen ]iegen die

Molekfi le zu ihren Nachbarn in statisti- scher Unordnung, so da$ in dieser Rich- tung auch bei hergestellter intramoleku- later Ordnung (ira Falle des Polyurethans das unverdrillte gestreckte Molekfil) keine Gitterordnung vorliegen wfirde. Das Git- ter ist gegenfiber den Molekfilabsti~nden in der vo]]kommenen Zelle aufgeweitet und stark gestSrt. StSrungen entstehen zwangsli~ufig als Folge der intermoleku- laren Unordnung der Ketten.

C. Erst mit der Herstellung der intramole- kularen Ordnung der Ket ten geht der

Kristall bei hSheren Temperaturen in eine dreidimensionale Gitterordnung mit voll- kommener Gitterzellc fiber. Es finder weitere Kristallisation start bei Iaufender Aufbesserung der Kristallqualiti~t und weiterem Kristallwachstum (vgl. Full- note Seite 26).

Ein solches :Kristallisationsverhalten haben wir z. B. beim Teflon beobachten kSnnen (8). Die Struktur der abgeschreckten Probe ist pseudohexagon~l. Sie geht erst durch Ein- stellung einer Spirale etwa 180~ oberhalb der Temperatur der ersten Nachkristallisa- tion (100 ~ C) in die vollkommene, hexagonale Struktur fiber.

Zusammen/assung R6ntgenographiseh wurde das Schmelzen einer hoeh-

getemperten, maximal kristallisierten Polyurethan- probe beobachtet. Es wurde erkannt, dab das integrale Verhalten sich ~us zwei untersehiedlichen Vorg~ngen in den laterMen Gitterrichtungen zusammensetzt, dem kontinuierliehen ,,Sehmelzen" der van-der-Waals-Bin- dungen und dem relativ schaffen Sehmelzen der H- Brficken. Als Ursaehe ffir die mit steigender Tempera- tur kontinuierlieh abnehmende Intensit~t der van-der- Waals-Intefferenz einschliel]lich der bei hohen Tempe- raturen ~uftretenden Linienverbreiterung wurden elastische Gittersehwingungen ~ngenommen, die sich nachweisbar infolge der Anisotropie des Gitters nut ,,eindimensional" auswirken.

Es wurde festgestellt, dab eine ohne jede Kristallisa- tion abgesehreckte Polyurevhanprobe ,,stufenweise" kristallisiert, indem zwischen 0 und 100 ~ C zuni~chst ein Pseudokristall gebildet wird, dernur laterale, also eine zweidimensi0nale gitterm~Bige Ordnung zeigt. Ober- halb 100 ~ C wird dann dutch tterstellung der fiir den Aufbau der vollkommenen Zelle notwendigen ,,intra- molekularen" Ordnung die trikline Struktur eingenom- l T l e n .

Schri/ttum 1) E. Jenckel und Mitarb., Forschungsberichte des

Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein- Westfalen Nr. 485; H. D6r]urt, Dissertation (Aachen 1956).

2) Jenclcel, E. und H. Wilsing, Z. Elektroehem. 53, 4 (1949).

3) Brill, R., Z. phys. Chem. B53, 61 (1939). 4) Zahn, H., Melliand. Text. ]3er. 32, 534 (1951)

Zahn, H. und U. Winter, Kolloid-Z. 128, 142 (1952). 5) Borchert, W., Z. angew. Chem. 63, 31 (1951). 6) Brenschede, W., Z. Elektrochem. 54, 191 (1950). 7) Born, M., Dynamik der Kristallgitter (Leipig und

Berlin 1923). 8) Kilian, H. G. und E. Jenekel, Z. Elektrochem. 63,

308 (1950).