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Nr.2 Februar 2011 Schüler: 2€ | Andere: 3€

Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

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Die zweite Ausgabe der Scholl&Rauch, erschienen im Februar 2011 mit dem Thema Freiheit

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Page 1: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Nr.2 Februar 2011

Schüler: 2€ | Andere: 3€

Page 2: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!
Page 3: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

EditorialLiebe Ihr!Willkommen zu unserer nun bereits zweiten Ausgabe.

Dass Ihr sie lesen wollt, freut mich besonders, weil wir uns diesmal ein etwas ernsthafteres Thema vorgenommen ha-ben, weswegen ich mich nun auch dazu verpflichtet fühle, einen etwas ernsthafteren Tonfall anzuschlagen.

Thema: Frei.Das ist nämlich leider nicht nur freie Liebe und

Freikörperkultur, sondern auch Verantwortung für die Freiheit anderer, sowie die Beschäftigung mit dem Gegenteil, der Unfreiheit.

Wir haben uns Mühe gegeben, viele Sichtweisen auf die-ses doch sehr beeindruckend große Thema in der zweiten Scholl&Rauch zu verpacken. Wir haben mit Menschen ge-redet, die für Freiheit gekämpft haben, recherchiert über die, die noch nicht frei sind und vor allem haben wir euch gefragt, was das eigentlich ist, Freiheit. Überraschend war dabei, dass die meisten für sie sehr selbstverständliche Dinge nannten. Tun, was man will. Zu nichts gezwungen werden. Aber erst, nachdem sie lange darüber nachgedacht hatten. Was man hat, vermisst man nicht, und was man nicht vermisst, darüber macht man sich nicht allzu viele Gedanken. Im Netzwerk SchülerVZ kann man seit neus-tem den Beziehungsstatus „endlich wieder frei“ angeben, als Synonym für „gerade glücklich getrennt“. Ob uns das Auflösen einer zwischenmenschlichen Bindung frei macht, das ist wohl von der eigenen Wahrnehmung abhängig.

Aber der inflationäre Gebrauch des Begriffs scheint uns trotzdem nicht dazu zu bewegen, darüber nachzudenken.

Schade eigentlich. Dabei reden doch seit dem „Skandal“ um WikiLeaks, eine Internetseite, die geheime Dokumente verschiedener Länder veröffentlichte, alle darüber. Ist es verboten, Dinge ins Internet zu stellen, die einen nichts angehen? Oder ist es nicht einfach das, was tausende Journalisten jeden Tag tun, wenn sie von ihrer Pressefreiheit Gebrauch machen? Informationen verarbeiten und veröf-fentlichen. Egal, wem sie gehören. Und nun ist Amerika ziemlich sauer darüber.

Wir haben zwar noch nie geheime Dokumente der Schulleitung veröffentlicht, würden uns dies aber durchaus herausnehmen, wenn die Schulleitung nicht vernünftig auf ihre Dokumente aufpasst. Denn letztendlich sind wir we-der Lehrerzeitung, noch Schulzeitung, noch Elternzeitung.

Zum Schluss dieses Textes und zum Anfang der Scholl&Rauch möchte ich noch Danke sagen. Den 400 Schülern, die die erste Ausgabe innerhalb von 2 Tagen weg-gekauft haben. All denen, die uns gelobt und geliebt haben. Allen, die mit uns geredet haben und uns mit Anzeigen und Lebenserfahrung unterstützen. Und besonders der zauber-haften Redaktion, die sich jede Pressefreiheit genommen hat und dafür Sorge getragen hat, dass an dieser Stelle so viel Eigenlob keine Übertreibung ist.

& AM

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InhaltEditorial 3

Landkarte der Freiheit 5

Liebe als Haltung 7

Arbeit macht frei 10

Menschenrechte in Nordkorea 12Diktator Kim Jong-Il unterdrückt Freidenker

Deutschland und das Web 14Wir können alles außer Internet.

Von Staat und Demokratie... 15...und warum die Welt WikiLeaks braucht.

Land der Freiheiten 18

Göttliche Freiheit 20

Das Leben eines Mönchs 22

Bedrohte Tiere 23

Vom Tier zum Teller 24Die Freiheit, Fleisch zu essen. Oder eben nicht.

Schüler oder Philosoph? 26

Was ist Freiheit für dich? 28

Deutsche Panzer für Drogen und Öl? 30Ein Lagebericht des Afghanistan-Einsatzes

Die DDR, die Jugend und ihre Freiheit 34Deutsche Demokratische Republik. Das letzte, an das man denkt, wenn man über Freiheit spricht

Über die Kostbarkeit der Freiheit 35Selbst in Deutschland gibt es noch Zwangsehen

„Heute ist ein schöner Tag“ 36Interview mit dem Dortmunder Musiker Boris Gott

Freiheit für Kachelmann? 38Pressefreiheit contra Persönlichkeitsrecht

Wollen wir die totale Freiheit? 40

Braveheart 42Rezension: Mel Gibson erzählt vom Kampf des William Wallace.

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein 43

Ein Liebeslied an den Segelflugsport

„Freiheit braucht Einsatz.“ 44Herr Mohr erzählt von seiner wilden Jugend

Rauchfreie Schule?! 46

Schulrechtskunde mit Dr. Nick 48

Lehrer und die Jugendsprache 49

Lehrer fragen Schüler fragen Lehrer 50Lehrer, versteht ihr, dass wir es nicht verstehen?Schüler, warum lasst ihr überall euren Müll liegen?

Schulkack 54

Impressum 55

Rechts seht ihr unsere

Landkarte der Freiheit,

auf der alle Gebiete verzeichnet

sind, die ihr beim Lesen der

Scholl&Rauch bereisen werdet.

Scholl&Rauch.4

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Page 6: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

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Liebe als HaltungVor 50 Jahren wurde Hermann Strahl zum ersten Mal politisch aktiv. Bei einer Kundgebung des früheren Bundeskanzlers Konrad Adenauer legte der damals 12-jährige mit ein paar Freunden Stinkbomben. Er gibt zu: Verändert hat er damit nichts.

Das Verändern machte er sich erst zwei Jahre später zur Aufgabe, als er mit 14 als Jungdemokrat in die FDP eintrat. Die junge FDP, das waren zu dieser Zeit noch nicht „Die Liberalen“ alten Männer mit grauen Haaren, schwarzen Anzügen und dem Fable für Atomkraft. Vielmehr begegnete Strahl hier einer Mischung aus Rechts- und Linksradikalen. Das war 1962 in seinem Geburtsort Velbert. Was sich der Jugendliche von heute

nicht mehr vorstellen möchte sind die Schatten der Nachkriegszeit, die noch über Deutschland lagen. Die Generation, zu der Hermann Strahl sich zählt, wurde von ehemaligen Nazis großgezogen. Ihre Lehrer und Professoren erzähl-ten gerne und stolz von ihren Errungenschaften in der Zeit des Regimes. Den Landtagskandidaten der FDP Velbert enttarnten sie als früheren Mitarbeiter des Völkischen Beobachters, eine Zeitung der nationalsozialistischen Partei NSDAP.

„Mit dem habe ich mich da ganz ordentlich gefetzt.“, erzählt Strahl von sei-ner Zeit bei der FDP. „Das kann eure Generation sich gar nicht vorstellen. Man sprach einfach nicht ‚darüber’. Ab 1944 lebten auch in Unna keine Juden mehr. In jeder Stadt fehlte etwas und keiner traute sich, was zu sagen. Alle Parteien haben Nazis integriert.“

Herr Strahl benutzt manche Wörter öfter als andere. „Lustvoll“ zum Beispiel, anstatt einfach „gut“ zu sagen. Er redet eine Menge, erzählt von seiner Jugend wie der Klischee-Opa seinen Enkeln vom Krieg erzählt. Nur, dass man ihm ger-ne zuhört. Denn das Heldentum der 68er war wohl eins der friedlichsten seiner Zeit.„Das ganze Land war stickig. Sexualität durfte man schon nicht sa-

gen, Homosexualität war dann noch die Steigerung. Um einen meiner Klassenkameraden gab es damals eine öffentliche Debatte, weil er in der Öffentlichkeit geknutscht hatte.“ ➵

Hermann Strahl zeigt Zeitungsausschnitte

Scholl&Rauch. 7

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Während er spricht, wirkt Strahl sehr erklärend. Es ist eine Mischung aus Empörung über das, was damals war, und Belustigung darüber, wie weit entfernt solche Verbote für die „Generation Sex“, „Generation Doof“ und „Generation Internet“ scheinen.

Was folgte war Rebellion. Die Zeit der 68er. Studentenbewegungen. Junge Leute, die Freiheit wollten, zu verändern. Sie stützten sich auf Philosophen wie Marx und Engels, denn deutsche Helden der Nachkriegszeit gab es nicht. Dass Meinungsfreiheit Grenzen hat, merkte Strahl bei einer verbotenen Demonstration in Frankreich. Nachdem man sich mutig der Polizeigewalt gestellt hatte und schließlich doch merken musste, dass man statt gegen Wasserwerfer auch gegen Windmühlen hätte kämpfen können, fing er an, mit den Polizisten zu diskutieren.

„Warum machen Sie das?“, hat er die französischen Polizisten gefragt. „Das ist Befehl.“, antworteten sie und in jugendlichem Leichtsinn entgegnete der junge Mann: „Das hat die SS auch immer gesagt!“ Nachdem er der Stadt Avignon verwiesen wurde machten seine Freunde ein Foto von den Spuren der Gummiknüppelschläge. Strahl lacht auf dem Bild, zieht heldenhaft sein Shirt hoch.

„Wir waren nichts als eine verrückte Minderheit, die sich ziemlich toll fand. Wir mussten uns die Finger verbrennen. Unsere Generation war chronisch puber-tär. Wir haben immer erstmal an allem gemeckert.“

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Sie klingt fast abwertend, diese Beschreibung der alleswollenden Weltverbesserer. Aber Hermann Strahl hört es gerne, als 68er bezeichnet zu werden.

Für den Rest der Bevölkerung waren sie langhaarige, ungepflegte Rebellen, die Lieder von den Beatles hörten, während sie an der Universität Bochum den „Kampf gegen die Kühlhausatmosphäre“ ansagten. Bochum war damals die Uni mit der höchsten Selbstmordrate. Die neuen Studenten schafften den Wechsel nicht, fanden keinen Anschluss, keinen Halt im unmenschlichen Umfeld der Universität. Was die Gruppe rund um Hermann Strahl dagegen tat war nicht einmal politisch. Sie trugen Sofas in die Uni, verschönerten die Räumlichkeiten, richteten den AStA ein. Auf die Verantwortlichen der Universität wirkten die Aktionen trotzdem politisch.

Und so ganz unpolitisch war Hermann Strahl nicht. Wo er eine Möglichkeit sah, Verantwortung zu übernehmen, war er schnell dabei. Mit 15 fing er an, jeden Mittwoch in seiner Heimatstadt Velbert ein politisches Jugendgespräch zu leiten. Dann wollte er den Kapitalismus abschaffen, wurde Mitglied einer, wie er es heute nennt, „stalinistischen Sekte“. Beim Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW) verbrachte er acht Jahre. Zu viel Zeit, weiß er heute, bereuen tut er es trotzdem nicht. Und das obwohl ihm die KBW-Mitgliedschaft schließlich das Berufsverbot bescherte, als er neben einer Flagge der besagten Gruppe auf dem Titelblatt der Ruhr Nachrichten zu sehen war. Er arbeitete damals als Diplom-Ökonom, und für solche gehörte sich ein staatsfeindliches Verhalten nicht. Er hatte sich die Freiheit genommen, zu demonstrieren. Nun musste Strahl sich einen neuen Beruf suchen. Im Nachhinein nimmt er dies dem Staat nicht übel. Schließlich war er zur damaligen Zeit ein gefährlicher Feind des Kapitalismus.

Das Berufsverbot sieht er heute als positive Enttäuschung. Denn eine Enttäuschung ist ja, laut Strahl, im eigentlichen Sinn des Wortes nur die Umkehrung einer Täuschung. So wurde der ehemalige Kommunist zum flam-menden Demokraten. Nach der Enttäuschung suchte er sich einen neuen Beruf, Maschinenschlosser.

„Das war auch ganz schön.“, beurteilt er diese doch recht körperliche Arbeit heute. Zwar konnte er nicht so viel schleppen wie der durchschnittliche Fabrikarbeiter, aber man hört den Stolz in seiner Stimme, wenn er erzählt, dass die „Gruppe Strahl“ damals zu einer der produktivsten ihrer Firma wur-de. Zu lange hielt er es in der Werkstatt trotzdem nicht aus. Er suchte sich an-dere Beschäftigungen, recycelte Fahrräder für finanzschwache Menschen, rief schließlich ein Projekt zur Hilfe von Schlaganfallpatienten ins Leben.

Letztendlich wurde er Geschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung, der politi-schen Stiftung der „Grünen“, deren Ziel es ist, politischen Nachwuchs zu erzie-hen und gute Ideen ins Laufen zu bringen. Er hat eine Ausbildungspatenschaft übernommen, hilft einem jugendlichen Immigranten ins Berufsleben. Wenn er hört, dass die heutige Jugend politikverdrossen sein soll, findet er das gut. Den 68ern ging es schließlich nicht anders. Nur haben sie ihre Verdrossenheit zu Einmischen gemacht, anstatt sich aus der Politik herauszuhalten.

Strahls politisches Selbstbewusstsein reichte schließlich sogar so weit, dass er 2004 beschloss, in Unna für die Grünen als Bürgermeister zu kandidieren. „Mit Hirn, Herz und Haltung“, stand auf seinem Wahlplakat. „Haltung“ findet

er dabei eigentlich am wichtigsten. „Haltung braucht man ja in den unterschied-lichsten Bereichen. Es gibt die verschiedensten Haltungen. Liebe zum Beispiel.“

& AM

Für den Rest der Bevölkerung waren sie lang-haarige, unge-pflegte Rebellen, die Lieder von den Beatles hörten.

Die 68er haben ihre Politikverdros-senheit zu Einmi-schen gemacht, anstatt sich aus der Politik heraus-zuhalten.

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„Zögerlich kommen dem Bürgermeis-ter die Worte über die Lippen: Zwanzig junge Frauen und Männer habe er aus-gesucht, welche als Zwangsarbeiter nach Deutschland verbannt werden. Und mein Name steht auf der Liste.“

„Es ist der 16. November 1941. Ein eisiger Wind fegt durch unser kleines, ukrainisches Dorf und unheilvoll türmen sich graue Wolken auf. Die sonst so vertrauten engen Gassen wirken düster und verlassen. Angst und Unsicherheit lie-gen in der Luft, dringen durch die Türen in die Häuser und Stallungen.Gespenstisch still ist es in der Küche, als unser Großvater

seinen Blick schweifen lässt. Er betrachtet meinen jüngs-ten Bruder, der doch erst 4 Jahre alt ist, meine beiden Schwestern, die zusammengekauert auf der Bank hocken und Andrzej, meinen anderen Bruder, bis sein Blick an mir hängen bleibt. Stumm schaut er mich an und schenkt meiner Mutter, die an ihn geklammert, lautlos bittere Tränen ver-gießt, keine Beachtung.

Seit Tagen spricht man von einem unabwendbaren Unheil, einer Bedrohung für das ganze Dorf. An diesem verhäng-nisvollen Morgen sammeln sich die Dorfbewohner auf dem Marktplatz, um den Urteilsspruch zu hören. Zögerlich kommen dem Bürgermeister die Worte über die

Lippen: Zwanzig junge Frauen und Männer habe er aus-gesucht, welche als Zwangsarbeiter nach Deutschland ver-bannt werden. Und mein Name steht auf der Liste.“

Der Schicksalsschlag, den die 17-jährige Ukrainerin erlitt, ist kein Einzelfall: Im Jahre 1944, zur Zeit des 2. Weltkriegs, wurden in Deutschland insgesamt 12 Millionen Ausländer als Zwangsarbeiter ausgebeutet, wobei Zivilisten als auch Kriegsgefangene vertreten waren.Das nationalsozialistische Regime hielt gezielt Razzien in

den besetzten Gebieten Osteuropas ab und verschleppte die Gefangenen.Willkürlich wurden bestimmte Bezirke (z. B. Marktplätze,

Wohnbezirke, Kinosäle, Dörfer und Dorffeste etc.) abge-riegelt, worauf die Menschen: also Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer zusammengetrieben und auf der Stelle zur Deportation abgeführt wurden.

Die Ausgewählten wurden in Güterwaggons wie Vieh ver-frachtet und jegliche Bemühung, die Deportation zu verhin-dern, schlug fehl und wurde sogar mit Bestrafung geahndet. Dicht gedrängt in klirrender Kälte ohne Licht, Luftzufuhr und Sitzmöglichkeiten harrten die Menschen während der Reise aus und sogar eine Toilette fehlte. Erfrorene wurden von den Wachen neben den Gleisen zurückgelassen. Nach

der Ankunft in Deutschland brachte man die Gefangenen in sogenannte „Stammlager“ (STALAG), in denen sie un-ter menschenunwürdigen und miserablen hygienischen Bedingungen in Baracken hausten. Kinder wurden von ih-ren Familien getrennt, um sie als künftige Zwangsarbeiter aufzuziehen, und Neugeborene ließ man nicht selten in speziellen Einrichtungen („Ausländerkinder-Pflegestätte“) verkümmern. Tag für Tag schufteten die Zwangsarbeiter in Fabriken

der deutschen (Rüstungs-)Industrie oder waren in der Landwirtschaft und im Bergbau tätig. Die schlechten Lebensbedingungen wie mangelnde Ernährung, fehlender Lohn sowie Folgen der Überarbeitung verschonten weder Frauen noch Kinder und führten bei vielen zum Tod.

„Um mich herum ist nur Leid, Kummer, Angst und Schrecken. Jede Stunde, jede Minute sterben Menschen, verhungern, verenden an Krankheiten oder brechen ein-fach zusammen. Das neue Jahr hat begonnen und mit ihm kommt eine Hungersnot. Unsere ohnehin schon zu knappen Essensrationen bestehend aus Steckrübensuppen, Graupen, 1-2 Scheiben Brot und 20-30g Margarine wurden gestrafft.Die Demütigungen, Misshandlungen und Bestrafungen von

Seiten der Deutschen zerstören mich.“

Zu jener Zeit hielten die ausländischen Arbeitskräfte die Kriegsproduktion im dritten Reich aufrecht und ersetzten die in den Kampf gezogenen Männer. Die Einsetzung von Zwangsarbeitern insbesondere aus dem Osten war zudem Teil der nationalsozialistischen Idee, die slawischen Völker zu dezimieren, welches durch das Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“ gelang. Dementsprechend stammten 2,5-4 Millionen von 5,7 Millionen verschleppten Zivilisten aus der Ukraine und der Sowjetunion.

Gemäß der NS-Rassenideologie wurden Slawen als „Untermenschen“ angesehen und mussten in den Arbeitslagern oftmals schlimmere Behandlungen erleiden als andere Zwangsarbeiter. Man bezeichnete sie abschät-zig als „Ostarbeiter“ und verwehrte ihnen das Recht auf Besitztum wie Wertsachen, Feuerzeuge und Fahrräder. Aufgrund ihres niederen „Ranges“ waren Ostarbeiter be-gehrt und zusätzlich sparte man an Kosten.Von insgesamt 5,7 Mio. sowjetischen Kriegsgefangenen

starben in deutscher Gefangenschaft rund 3,3 Mio.

Die unberechenbaren, menschenverachtenden Verhältnisse, die in den Lagern herrschten, und die Aufhebung der Menschenrechte machten es den Insassen unmöglich, ihrer Pein zu entkommen. Denn nicht nur in den Unterbringungen war man jeglichen Gefahren, wie Krankheitserregern, dem Hungertod und Folter aus-gesetzt; die Lage am Arbeitsplatz verhielt sich ähnlich. Das Gesetz des Arbeitsschutzes galt für Zwangsarbeiter

Arbeit macht frei

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nicht, welche somit allerhand Gefahren schutzlos gegen-überstanden. Aufgrund mangelnder Bekleidung (viele Gefangene waren selbst im Winter unbeschuht!) und bis zu 12 Arbeitsstunden täglich, kam es oft zu gravierenden Verletzungen. Noch schockierender ist die Situation, wenn man bedenkt, dass das Durchschnittsalter der ausländi-schen Arbeitskräfte bei 20 bis 24 Jahren lag und ein Drittel Frauen waren, die häufig jünger als 20 Jahre alt waren.

„Den Spott und die Genugtuung der Wächter, das Jammern der Alten und Kranken, die eigenen Schmerzen, all das neh-me ich schon gar nicht mehr wahr. Das einzige was zählt, ist sich nach einem kräfteraubenden Tag in seinem Verschlag zu verkriechen und zu versuchen nicht an zu Hause zu denken, keine Angst mehr zu fühlen und den Hunger zu vergessen. Nachts plagt mich der Anblick der kleinen, zerschundenen

Kinderhände, die tapfer Arbeiten ausführen, die nicht für sie bestimmt sind. Noch mehr als mein eigenes Elend berührt mich das jener polnischer Jungen und Mädchen, die mit ih-ren höchstens 14 Jahren der gnadenlosen Diktatur Hitlers zum Opfer fallen.“

Nur durch das Zwangsarbeitersystem, welches im dritten Reich herrschte, wurden die Bedürfnisse, die der Krieg an die Industrie und Landwirtschaft stellte, gedeckt. Ohne den Einsatz von ausländischen Arbeitskräften wäre es Deutschland nicht möglich gewesen, die Kriegswirtschaft zu bewältigen. Paradoxerweise spielte man jedoch mit dem Leben der gezwungenen „Helfer“, sodass das NS-Regime unzählige Morde unschuldiger Menschen auf dem Gewissen hatte. Für diese perfide Art des Genozids (Massenmordes) und der Ausbeutung zahlloser Opfer gibt es keine Vergebung.

*Man möchte meinen, dass jene erschütternden

Vorkommnisse nicht nur historisch gesehen, sondern auch räumlich weit entfernt liegen. Wie reagiert ihr wohl, wenn ihr erfahrt, dass auch hier in Unna Zwangsarbeiter zur Zeit des zweiten Weltkrieges schufteten?In näherer Umgebung existierten gleich drei Stammlager:

VID Dortmund, VIA Hemer und VIF Bocholt und im Raum Unna selbst zählte man 30 Lager. Dort waren haupt-sächlich „Ostarbeiter“, sprich Russen, Weißrussen und Ukrainer, einquartiert. Einige der polnischen, serbischen, französischen sowie holländischen Zwangsarbeiter lebten auf Bauernhöfen oder in Privatunterkünften.

Auf 4000 wird die Anzahl der ausländischen Zwangsarbeiter geschätzt, die zwischen Oktober 1939 und November 1945 in Unna tätig waren. Sie waren zum Dienst im land-wirtschaftlichem Bereich, in den Industriebetrieben, in Handwerksbetrieben, in privaten Haushalten, beim Bau der Reichsautobahn sowie der Luftschutzbunker und im Bergbau verpflichtet. Auf den Bauernhöfen im Umkreis von Afferde, Billmerich, Hemmerde, Lünern und Massen ersetzten die ausländischen Arbeitskräfte die an der Front kämpfenden Ehemänner und Söhne.

Laut Totenlisten kamen während des zweiten Weltkriegs 111 Zwangsarbeiter in Unna um. Von weiteren 108 Toten ist nicht bekannt, ob sie beispielsweise durch Krankheit, Hunger, individuelle Gewalt oder Bombardements ihr Leben verloren.Grund für das Sterben dieser Menschen waren die

Arbeits- und Lebensbedingungen, mangelnde Hygiene und Ernährung, Kälte, Krankheiten.

„Ein unbeschreibliches Verbrechen! Aber es ist doch schon über ein halbes Jahrhundert vergangen seit dem“, denkt ihr euch jetzt wahrscheinlich. Ganz Unrecht habt ihr nicht – jedoch ist es auch gut, dass 65 Jahre dazwischen liegen. Es ist der Zeitpunkt gekommen, der Menschheit zu zeigen, dass wir Deutschen gewillt sind, die Opfer der Zwangsarbeit weitestgehend zu entschädigen, ohne das Geschehene zu verharmlosen oder gar anzuzweifeln.

Bürger unserer Stadt haben schon im Jahr 1993 die Arbeitsgruppe „Bürgerinitiative zur Einladung ehemali-ger Zwangsarbeiter nach Unna“ gegründet. Die Idee war es, Russen, Polen, Ukrainern, Franzosen und Holländern, die während des zweiten Weltkrieges in lokalen Betrieben geschuftet haben, das heutige Unna mit seinen Bewohnern zu präsentieren. Seit 1994 haben über 100 Zwangsarbeiter einen neuen, positiven Eindruck von Deutschland gewin-nen können.

&HS

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Menschenrechte in NordkoreaDiktator Kim Jong-Il unterdrückt Freidenker

Was für ein hohes Gut die Freiheit für die Menschen ist, merkt man vor allem dort, wo sie fehlt. Die Rede

hier ist von Nordkorea. Dieses Land mit einer Fläche, die einem Drittel von Deutschland entspricht, sorgt vor allem mit seinem Atomwaffenprogramm und dem Konflikt mit dem benachbarten Südkorea regelmäßig für Schlagzeilen. Erst kürzlich kam es zu einem Raketenangriff auf eine be-wohnte südkoreanische Insel und zu einer Kriegsdrohung von nordkoreanischer Seite; die Situation bleibt ange-spannt. Nicht ganz so häufig wird in Zeitungen und im Fernsehen von den Menschenrechten im Land berichtet. Diese sind aber mindestens genauso erschreckend.

„Demokratische Volksrepublik Korea“ nennt sich das Land mit 24 Millionen Einwohnern offiziell selbst – eine irrefüh-rende Bezeichnung. Tatsächlich ist das Land ein kommu-nistisches Regime, welches von Kim Jong-Il, dem „Geliebten Führer“ (so wird er oft in Nordkorea genannt) geführt wird, der Alleinherrscher und Diktator des Landes ist. Es finden zwar Wahlen statt, diese aber gehen mit 100 % zugunsten der Regierung und Kim Jong-Ils aus. Präsident hingegen ist noch immer dessen Vater Kim Il-Sung, der allerdings schon 1994 starb. Dieser hatte Nordkoreas politische Struktur nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebaut und die Nordkoreanische Regierung beschloss nach dessen Tode, ihn zum „Ewigen Präsidenten“ zu ernennen. Heute erinnert vor al-lem eine riesige Bronzestatue (→) in der Hauptstadt Pjöngjang an ihn, vor welcher die Bevölkerung dem „Großen Führer“, wie Kim Il-Sung genannt wird, Ehre erweisen soll.

Die Diktatur und ihr „Geliebter Führer“ Kim Jong-Il hat ihre Bevölkerung fast vollkommen im Griff. Berichten zufolge wurde im Land eine Klassengesellschaft errichtet, ein Zeichen dafür, dass Freiheit in Nordkorea selten und nicht für jeden möglich ist. An oberster

Stelle steht die kleine Gruppe der sogenannten „freund-lich gesinnten Kräfte“, zu denen eigentlich nur Mitglieder der Partei der Arbeit Koreas und deren Familien zählen. Nur ihnen ist es erlaubt, ins Ausland zu reisen und dort etwa Luxusgüter wie Fernseher, Computer oder auch Toilettenpapier einzukaufen.

„Schwankende“ oder „neutrale Kräfte“, oft Handwerker, Arbeiter oder Händler und deren Familien, genießen nicht diesen Luxus, haben aber noch immer mehr Rechte als die untergeordneten „feindlich gesinnten Kräfte“, welche kei-nerlei Privilegien haben.

Diese dürfen nämlich zum Beispiel nicht größere Städte Nordkoreas betreten und sich nicht in der Nähe von Grenzen und der Küste aufhalten. Und da das Land seit den 1990er Jahren mehrmals unter Hungersnöten litt, verteilt die Regierung an die unterste Klasse keine Lebensmittel mehr. Zu der Klasse gehören unter anderem ehemali-ge Unternehmer und Beamte, gläubige Menschen und Personen, die Kritik an der Regierung geäußert haben. Man schätzt, dass ein Viertel der Gesamtbevölkerung zu dieser Gruppe gehört.

Wichtig für die Bevölkerung Nordkoreas ist diese Klassengesellschaft vor allem deshalb, weil sie Beruf,

Ausbildung und die Verteilung von Lebensmitteln re-gelt. Freiheit ist nur sehr begrenzt vorhanden – denn „feindlich gesinnte Kräfte“ können sich beispielswei-se weder Wohnort noch ihren Beruf aussuchen und

dürfen ihr Heimatland nicht verlassen.

Aber warum gibt es kaum Widerstand ge-gen dieses unfaire System? Es gibt mehrere

Gründe dafür, dass sich kaum jemand ge-gen die Diktatur auflehnt und rebelliert:

Bestrafungen und Folterungen sind in Nordkorea an der Tagesordnung, wenn

Kritik geäußert wird. Allein für diese Zwecke wurden Straflager gebaut, in denen zwischen 150.000 und 200.000 politische Gefangene in völliger Isolation von der Außenwelt leben.

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Zum Vergleich: In Deutschland sind insgesamt 72.000 Menschen inhaftiert, obwohl es mehr als doppelt so viele Einwohner hat. Doch das ist noch nicht alles – es gibt in Nordkorea auch Umerziehungslager, in denen die Leute für Verbrechen ohne politischen Hintergrund bestraft werden. Oft werden nicht nur die vermeintlichen „Verbrecher“ in die Lager gebracht, sondern auch deren ganze Familien – also Kinder, Eltern, Geschwister und auch Großeltern, die keine Schuld daran haben.

Die Bedingungen in diesen Lagern könnten als menschen-unwürdig bezeichnet werden. Die Nahrungsrationen sind so klein, dass die Gefangenen fast verhungern, und außer-dem müssen diese gefährliche Sklavenarbeit verrichten. Folter und Hinrichtungen gehören zum Alltag, wenn ein Häftling Befehle nicht befolgt oder versucht zu fliehen.

Nur wenigen Menschen gelang die Flucht. Ein bemerkens-wertes Beispiel ist Shin Dong-hyuk, der als Sohn zweier Gefangener 1982 in einem Straflager geboren wurde und die folgenden 22 Jahre dort lebte. Für die Nordkoreanischen Behörden existierte er eigentlich gar nicht – denn wer in Straflagern geboren wird, erhält keine Geburtsurkunde, keinen Ausweis und muss sein Leben lang dort bleiben. Es herrscht völlige Isolation – die Häftlinge, die in den Lagern geboren werden, wissen nichts über die Welt au-ßerhalb, teilweise nicht einmal, wer Kim Il-Sung und Kim Jong-Il sind. In Interviews mit Zeitungen berichtete Shin Dong-hyuk, dass er mit 14 Jahren gefoltert wurde, da sei-ne Mutter einen Fluchtversuch gewagt hatte. Später wurde er gezwungen, die Hinrichtung dieser und seines Bruders mit anzusehen. 2004 gelang ihm die Flucht, und damit ist er bisher der einzige Mensch, der in einem Straflager Nordkoreas geboren wurde und flüchten konnte. Heute lebt er in Südkorea und gehört dem kleinen Kreis von nordkoreanischen Menschenrechtlern an. Viele Menschen haben zu viel Angst davor, Widerstand zu leisten, da sie harte Bestrafungen befürchten.

Wie die Strafgefangenen wissen auch viele andere Menschen gar nicht genau, was außerhalb der Grenzen Nordkoreas vor sich geht und wie sie gegen ihre Heimat Widerstand leisten können. Denn anders als in westli-chen Ländern wie Deutschland oder den USA gibt es in Nordkorea keine Pressefreiheit. Das heißt: Zeitungen, Fernsehen und Radio werden von der Regierung kontrol-liert und berichten nur über Vorfälle und Neuigkeiten, die positiv für die Regierung sind. Wenn jemand nicht die staatlichen Medien nutzt und zum Beispiel auslän-dische Zeitungen liest oder ausländisches Radio hört, muss er mit harten Strafen rechnen. Als vorbeugende Maßnahme gibt es deshalb in Nordkorea kein normales Internet und nur eingeschränkten Mobilfunk. Ebenso we-nig wie Pressefreiheit ist Meinungsfreiheit vorhanden – die Bevölkerung darf ihre Meinung nicht frei äußern und je-der Zweifel an den Führungsqualitäten von Kim Il-Sung und Kim Jong-Il bringt strafrechtliche Konsequenzen mit sich. Nicht einmal Freizeit haben die Nordkoreaner – 6

Tage wird gearbeitet, und am 7. muss „freiwillige Arbeit“ verrichtet werden. Und die arbeitsfreie Zeit verbringen vie-le von ihnen damit, Feste für die vielen Nationalfeiertage in Nordkorea vorzubereiten, die vor allem der Ehrung der Regierung des Landes und des Diktatoren dienen. Religion ist übrigens in Nordkorea auch verboten, obwohl die Verfassung des Landes Religionsfreiheit vorsieht. Mehrere Nordkoreaner, die anderen das Christentum oder den Buddhismus nahe bringen wollten, wurden hingerichtet oder in Straflager deportiert.

Für uns ist es beinahe unmöglich, sich ein Leben unter diesen Bedingungen vorzustellen und dass Folterungen und Hinrichtungen auf unserem Planeten noch immer in solchem Ausmaß stattfinden.

Freiheit ist kostbar. Das wird vor allem dann deutlich, wenn man das Leben in Nordkorea betrachtet.

&JS

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Scholl&Rauch. 13

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Das Internet. Unendliche Weiten. Wir schrei-ben das Jahr 2011. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Kabinett Merkel II, das mit seiner 598

Abgeordneten starken Besatzung vier Jahre lang unterwegs ist, um neue Technologien zu ignorieren. Viele Lichtjahre von den Bürgern entfernt, dringt das Kabinett in Untiefen der Demokratie vor, wo sie weiterhin mit ihrer tapferen Besatzung aus Ministern, die furchtlos vor jeder neuen Technologie die Augen verschließen und immer weiter vom Volk, das sie regieren sollten, abdriften ins schwarze Nichts der technologischen und kulturellen Stagnation…

Aber mal Spaß und Star Trek-Referenzen beiseite: In Fragen der Netzpolitik scheint einem Großteil unserer Politiker die nötige Kompetenz zu fehlen. Sie verkennen schnell, dass die Kultur, die mit dem Internet entstan-den ist, eine Kultur der Freiheit ist. Informationsfreiheit, Kommunikationsfreiheit und Redefreiheit. Im Internet werden Demokratien transparent, Informationen zugäng-lich gemacht und Menschen aus der ganzen Welt werden vernetzt und durch diese gemeinsame Kultur verbunden. Für uns, die wir mit dieser Kultur aufgewachsen sind, ist das alles normal, eigentlich alltäglich. Unsere Politiker je-doch tun sich mit diesem Wandel zur totalen Transparenz der Demokratie deutlich schwerer. Getrieben von Angst vor dem Unbekannten denken sie sich munter Gesetze aus, die gegen jede Vernunft versuchen, dem Internet Regeln aufzuzwingen, die schlicht und einfach nicht durchsetzbar sind.

Ein Bespiel für diese Form von Gesetzt ist z.B. der 2002 verabschiedete und 2010 erst kürzlich novellierte (Politiker-Sprech für „aufgewärmt“) JMStV, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Dieser bot in seiner novellierten Fassung un-ter anderem solche Highlights der Idiotie und Inkompetenz in Sachen Internet, wie Sendezeiten auf Webseiten, Ausweiskontrollen und den Favorit aller „Digital Natives“, den Jugendschutzbeauftragten, der von nun an verpflich-tend von jedem Blog-Betreiber zur Verfügung gestellt wer-den muss.

Auch einen Strafenkatalog haben sich unsere Volksvertreter dazu ausgedacht. Strafen in Höhe bis zu 50.000 Euro sol-len für Verstöße gegen dieses Gesetzt verhängt werden. So fürchteten viele Blogbetreiber den finanziellen Ruin und schlossen ihre Seiten oder versahen ihren Blog mit einem Jugendschutzbeauftragen namens Max Mustermann und ignorierten den Staatsvertrag.

Natürlich wurde bis heute nicht von diesem Gesetz Gebrauch gemacht. Und genau da liegt auch das Problem. Jeder wusste, dass dieses Gesetzt nicht durchsetzbar ist, jeder wusste, dass sich nichts ändern wird. Die Regierung schreibt sich den Jugendschutz auf ihre Fahnen, um den Anschein zu erwecken, sie täten etwas wichtiges und gutes für ihr Volk. Dabei entwickelten sie lediglich ein nicht durchsetzbares Gesetz, das in der Realität keine Veränderung bringt, auf dem Papier aber wie enthusias-tische, echte Politik aussieht. Diese Form der Untätigkeit, die man in letzter Zeit bei der Regierung beobachten kann, wird in einer wohl nicht mehr so fernen Zukunft zu einem wirklichen Problem werden. Wie können wir als Land wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben, wenn unsere po-litische Führung die neuen Technologien nicht versteht, auf denen sich unsere Zukunft begründet? Wie können Parteien Entscheidungen treffen, für ein Volk, das sie nicht verstehen?

Wir können hier unsere Hoffnungen nur in die kom-menden Generationen setzen. Hoffen, dass bald wieder Menschen dieses Land regieren, die nicht voller Angst die Augen vor allem neuen verschließen und Politik für und nicht gegen ihre Bürger machen.

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Deutschland und das WebWir können alles außer Internet.Ein Kommentar von Tim Sebastian Schatto-Eckrodt

Wie können wir als Land wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben, wenn unsere politische Führung die neuen Technologien nicht versteht, auf denen sich unsere Zukunft begründet?

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Von Staat und Demokratie......und warum die Welt WikiLeaks braucht.Ein Kommentar von Yunus Sevinchan

„The coming months will see a new world, where global history is redefined.“ 1 WIKILEAKS

Diesen Satz veröffentliche WikiLeaks Mitte November auf Twitter; nur wenige Tage vor der Veröffentlichung einer Viertelmillion amerikanischer Botschaftsdepeschen2. Und, so weit das zum jetzigen Zeitpunkt zu beurteilen ist, hatten sie zumindest mit dem ersten Teil der Aussage Recht: Die Welt nach der Veröffentlichung ist eine andere.

In einer Demokratie muss alle Macht vom Volk aus-gehen. Wir geben diese Macht zum Teil ab, in dem wir Volksvertreter wählen – so müssen wir nicht täglich politi-sche Entscheidungen treffen – aber jeder Wahlberechtigte hat trotzdem die Pflicht, den Vertreter zu wählen, der das Beste für die Bürger und den Staat will. Diese Volksvertreter müssen im Sinne der Bürger und des Staates handeln und dürfen niemals eigene Interessen verfolgen.1 – etwa: „Die kommenden Monate werden eine neue Welt zum

Vorschein bringen, in der die Weltgeschichte neu definiert wird/wurde.“

2 – „Depeschen“ sind Nachrichten zwischen Diplomaten.

Um zwischen Bürgern und Regierung zu vermitteln, gibt es die Presse. Sie informiert die Bürger über jüngste Entscheidungen der Regierung, Gesetzesentwürfe und allgemein das Geschehen in der Welt und ermöglicht ih-nen so, sich eine Meinung zu bilden. Sie ermöglicht es den Bürgern aber auch, Missstände aufzuzeigen, damit sich die Regierung um diese kümmern kann. Der Staat stellt Informationen über deren Handeln zur Verfügung und die Presse leitet sie an die Bürger weiter.Zu Recht wird die Presse als „vierte Säule der Demokratie“

bezeichnet: Sie hat in einer Demokratie die Pflicht, die Bürger zu informieren, während der Staat die Pflicht hat, der Presse die Freiheit zu geben, Informationen und Meinungen unzensiert zu veröffentlichen; diese Pressefreiheit ist im Grundgesetz verankert und, wäre sie nicht vorhanden, würde die Demokratie nicht funktionie-ren, denn damit ein Bürger die richtigen Entscheidungen treffen kann, muss er sich ausreichend informieren können.

Das klingt sehr idealistisch: Wer handelt schon, ohne nicht auch seine eigenen Interessen zu verfolgen? Wer wählt schon so, dass es für den Staat als Zusammenschluss von Bürgern das Beste ist und nicht unbedingt für einen selbst? Wer ist schon immer bestens informiert?Wäre das alles so, würde es vermutlich keine Organisation

wie WikiLeaks geben. Dass sie existiert zeigt, dass so-wohl in den Regierungen dieser Welt als auch in ei-nigen Redaktionen dieser Welt etwas falsch läuft: Menschen bekommen nicht die Möglichkeit, gefahrlos Informationen zu veröffentlichen und das ist ein Verstoß gegen die Pressefreiheit (in Deutschland), den Freedom Of Information Act (in den USA) und entsprechende Gesetze in anderen demokratischen Ländern; und nicht zuletzt ein Verstoß gegen demokratische Prinzipien, der mehr als be-unruhigend ist.

Auf die Veröffentlichung der Depeschen folgte eine Welle von Versuchen, WikiLeaks zu zensieren: Ihre Domain wikileaks.org wurde gesperrt, Banken ➵

WikiLeaks ist eine 2006 gegründete nicht-kommerzielle Organisation, die es Menschen ermöglicht, Dokumente anonym zu veröffentlichen – sie garantieren, dass nicht zurückzuverfolgen ist, wer die Dokumente übermittelt hat und schützen somit die Quelle. Nach der Übermittlung ordnen und bearbeiten die Journalisten von WikiLeaks und kooperierenden Zeitungen die Dokumente, setzen sie in einen politischen Zusammenhang und sorgen dafür, dass sie angemessen veröffentlicht werden.Der Slogan der Organisation ist „We open governments“; indem sie Bürgern ermöglichen, Unrecht aufzudecken, sollen Regierungen zu Offenheit und Transparenz gezwungen werden.WikiLeaks wurde erstmals große Aufmerksamkeit geschenkt, nachdem sie im April 2010 ein Video veröffentlicht haben, in dem zu sehen

ist, wie amerikanische Soldaten aus einem Kampfhubschrauber irakische Zivilisten und Journalisten beschießen und töten; aber es gab auch zahlreiche andere Veröffentlichungen, wie z.B. interne Scientology-Dokumente,

Planungsdokumente der Loveparade 2010 und Geheimabkommen zwischen der EU und den USA

zur Weitergabe von Bankdaten. Im letzten Sommer und Herbst wurden Zehntausende Militärberichte aus

den Kriegen in Afghanistan bzw. im Irak veröffentlicht, die erneut zeigten, wie viele zivile Opfer es gab, von

denen zuvor nicht berichtet wurde.WikiLeaks ist unter der Adresse wikileaks.ch zu erreichen. Dort sind neben den Veröffentlichungen weitere Informationen über die Ideologie WikiLeaks‘ zu finden.

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verweigerten Spenden weiterzuleiten, US-Soldaten wurde der Zutritt zu der (neuen) Seite verwehrt und Studenten wurde gedroht, dass sie bei Besuch der Seite in Zukunft keine Anstellung mehr im inneren Dienst bekommen könnten. Hochrangige Politiker bezeichnen die Organisation derweil als Gefahr für die nationale Sicherheit und Sarah Palin, Symbolfigur der rechtskon-servativen Tea-Party-Bewegung, will Julian Assange „wie einen Terroristen jagen lassen“. Einige gehen sogar so weit, die Ermordung der Person, die die Daten WikiLeaks über-mittelt hat, zu fordern, selbst wenn dies auf unrechtmäßi-gem Wege geschehe.Parallel wurde der Prozess wegen sexueller Belästigung

zweier Frauen gegen Julian Assange von der schwedischen Staatsanwaltschaft wieder eröffnet; auch wenn hier nicht klar ist, was an den Anschuldigungen dran ist, sind zu-mindest die harschen juristischen Schritte fragwürdig und Vermutungen, dass dahinter politischer Druck seitens der USA steckt, liegen nicht allzu fern. Assange selbst bezeich-nete den Prozess als „Verleumndungskampange“.

Es scheint, als wäre die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung im „Land der Freiheit“ nicht mehr gewährleistet; das ist anhand der Reaktionen auf die Veröffentlichungen erkennbar. Und es scheint, als gäbe es zahlreiche Missstände in den Regierungen und in dieser Welt, die geheim gehalten werden und so gar nicht in die Presse und zum Bürger gelangen können; das ist anhand der Veröffentlichungen selbst erkennbar. Die Welt braucht

WikiLeaks, damit eben jene Informationen für alle Bürger zugänglich gemacht werden können, ohne dass jene, die diese Informationen weitergeben, Angst vor Strafe haben müssen. Der Staat muss wieder transparent werden – und damit ist nicht gemeint, dass z.B. einzelne Krankenakten für jeden einsehbar sind, sondern, dass jeder Bürger die Möglichkeit haben muss, die Handlungen des Staates nach-zuvollziehen: Er muss Einblicke in Gesprächsprotokolle und unter Verschluss gehaltene Verträge mit Unternehmen bekommen, er muss Finanzberichte und Gehaltslisten einsehen dürfen, und er muss selbst Zugang zu militä-rischen Kriegsberichten bekommen, wenn er diese zur Meinungsbildung benötigt. Und, so drastisch das klin-gen mag, wenn sich die Mehrheit der Bürger dann dafür entscheidet, dass es im Sinne des Staates und der Bürger dieses Staates ist, einen Krieg um Öl zu führen und dabei Tausende Todesopfer in Kauf zu nehmen, ist das eine voll-kommen demokratische Entscheidung.

In einer transparenten Demokratie wird die Regierung durch die Menschen kontrolliert – dort würde es auf-fallen, wenn Politiker nicht nach dem Willen des Volkes handeln. Wenn dieser Krieg um Öl dann aus Gründen ge-führt würde, die lediglich von persönlichem Interesse ein-zelner Politiker oder wirtschaftlichem Interesse einzelner Unternehmen sind, würde das bemerkt werden.Diese Transparenz nimmt den Bürger aber auch in die

Pflicht, den Staat zu kontrollieren: Er muss sich mit dem Staat und der Politik befassen; etr muss sich darüber

Julian Assange

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informieren, was in der Politik vor sich geht; er muss sich Gedanken machen, welche Entscheidungen die Besten für den Staat sind, und er muss sich zu jeder Wahl für einen Volksvertreter entscheiden, der ihn repräsentieren soll – und falls es solch eine Person nicht gibt, sollte er ernst-haft überlegen, sich selbst zur Wahl zu stellen, um seine Meinung zu vertreten.All diese Pflichten hat ein Bürger in einer Demokratie

und all diese Pflichten werden heutzutage immer mehr vernachlässigt. Immer weniger Menschen gehen wählen, immer weniger Menschen informieren sich richtig und im-mer weniger Menschen interessieren sich überhaupt noch für Politik. Wo kein politisches Engagement vorhanden ist, findet selbst in einer transparenten Demokratie keine Kontrolle des Staates statt.Auch die Presse vernachlässigt ihre Pflichten: Hohe

Auflagen und Sensationsnachrichten werden gut recher-chierten Artikeln vorgezogen und im Rennen um die journalistische Dominanz im Internet schreibt ein Autor vom anderen ab und veröffentlicht lieber einen flüchtig geschriebenen Artikel als Erster als einen ausführlich aus-gearbeiteten zu einem späteren Zeitpunkt. Wo keine viel-seitige Berichterstattung stattfindet, kann der Bürger auch nicht richtig informiert werden.Und auch der Staat vernachlässigt seine Pflichten indem

er u.A. Informationen unter Verschluss hält und so dem Bürger und der Presse Möglicheit nimmt, sich hinreichend über einen Sachverhalt zu informieren.

Meckern ist einfach, stimmt. Was kann getan werden?Erstens: Eine Organisation wie WikiLeaks muss weiter

existieren, bis die Staaten selbst verstanden haben, dass für eine funktionierende Demokratie Transparenz notwen-dig ist. Bestes Beispiel ist hier Island: Nach einer erschüt-ternden Finanzkrise wurden dort zahlreiche Gesetze zum Schutz der Pressefreiheit erlassen und Politiker setzen sich für mehr Transparenz ein, um in Zukunft solchen Krisen gar nicht mehr die Möglichkeit zu geben, zu entstehen.

Zweitens: Die Presse muss die ihr gegebenen Mittel nut-zen. Was bringen alle Informationen der Welt, wenn nie-mand da ist, der sie auswertet und weitergibt?

Und Drittens: Du musst beginnen, dich für Politik zu in-teressieren. Dass du diesen Artikel liest ist ein sehr guter Anfang, aber du musst auch andere Artikel lesen, viele an-dere Meinungen hören und dich mit diesen Meinungen be-fassen. Überlege dir, welchen Grund die Menschen haben, das zu sagen oder zu schreiben. Hinterfrage was dir gesagt wird und was du liest und entscheide, ob es zum Wohl des Staates und der Bürger dieses Staates ist oder nicht. Bilde dir selbst eine Meinung und setze dich für diese Meinung ein. Lass‘ dir von niemandem den Mund verbieten. Versuche noch andere Menschen politischer werden zu lassen – res-pektiere aber auch, dass sie vielleicht eine andere Meinung haben als du. Und: Geh zur Wahl! Deine Stimme zählt, selbst wenn du ungültig ankreuzt und zeigst, dass du mit der jetzigen Situation nicht zufrieden bist.

Die Menschen müssen politischer werden, sonst hat Demokratie keine Chance. Es hat gute Gründe, dass wir in der jetzigen Situation sind, aber wir haben die Möglichkeit, das zu ändern und dabei wird nicht nur WikiLeaks helfen. Die twitterten nach den vielen Zensurversuchen folgendes:

„The first serious infowar is now engaged. The field of battle is WikiLeaks. You are the troops.“ 3 WIKILEAKS

Infowar: Ein Krieg um und mit Informationen. Informationen haben Macht; vorallem dann, wenn sie mög-lichst geheim gehalten werden sollen. In diesem Krieg sind Informationen die stärksten Waffen. Im Fall WikiLeaks sind es Waffen im Krieg gegen Staaten, in denen demokra-tische Prinzipien wie die Pressefreiheit nicht oder immer weniger beachtet werden.Es ist ein Krieg, in dem das Internet eine große Rolle

spielt: Noch nie hatten so viele Leute Zugriff zu einer so großen Menge von Informationen. Während das freie Internet die ideale Grundlage für eine politisch interes-sierte Gesellschaft und eine funktionierende Demokratie bildet, ist es von höchstem Interesse undemokratischer Regierungen, das Internet genauso zu kontrollieren, wie sie andere Medien kontrollieren. In China und Nordkorea passiert dies bereits.Es ist ein Krieg um das, was in den Köpfen der Menschen

vorgeht; ihre Gedanken und Gefühle. Wenn jemand alle Informationsquellen in der Hand hat, kann er die Menschen nach seinem Willen manipulieren.

Sollte dieser Krieg verloren werden, so würde der Staat nicht mehr durch Presse und Bürger kontrolliert und könnte tun und lassen, was er will, solange er seine Bürger bei Laune hält.4 „Wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur

wieder auf“; das ist ein zu beherzigender Hinweis. Vielleicht hätte diese Diktatur ja auch ihr Gutes. Doch selbst wenn dem so wäre – einem Grundrecht würden die Bürger auf jeden Fall beraubt: Ihrer Freiheit.

Jeder sollte sich dafür einsetzen, dass es nicht so weit kommt.

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Anderer Meinung? Ergänzungen? Schreib uns:[email protected]

3 – etwa: „Der erste ernstzunehmende Krieg um und mit Informationen beginnt jetzt. Das Schlachtfeld ist WikiLeaks. Ihr seid die Soldaten.“

4 – Eine sehr empfehlenswerte, weiterführende Lektüre hierzu ist die Dystopie „Brave New World“ (z.Dt. „Schöne neue Welt“) von Aldous Huxley. Die Ansätze dieser Dystopie sind schon in der heutigen Gesellschaft erkennbar: tinyurl.com/sur02-05

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Land der FreiheitenGleichgültig wie man zu den USA steht, lässt sich nicht abstreiten, dass die Staaten häufig in Verbindung mit dem Wort „frei“ genannt werden. Das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ steht für Erfolgsmöglichkeiten und Frei-heit für jedermann.

2500 Meilen zwischen Chicago und Los Angeles: Für Viele ist die Route 66 die „Straße der Freiheit“. Die erste durchgehende Straße von Küste zu Küste ist Filmdrehort, Touristenattraktion und Symbol der grenzenlosen Weite. Noch heutzutage steht die Route 66 in den USA besonders bei den Nostalgikern für Freiheit und Ungebundenheit. Aber auch hier in Deutschland ist die Route 66 sehr be-kannt. So spielte zum Beispiel der Animationsfilm Cars dort und gilt als moderne Liebeserklärung an die Straße. Aber ist diese Vorstellung von einem Land der Freiheit nur

eine Illusion?

Noch heute gibt es in 36 der 50 amerikanischen Bundesländer die Todesstrafe, unter Anderem in Virginia, Kalifornien und Florida.Seit 1976 wurden 1232 Leben ausgelöscht, ganz legal, durch

Vollstreckung der Todesstrafe. Und auf 3261 Leben kommt ebenfalls noch die Hinrichtung zu. Allein in Texas wurden in den letzten 35 Jahren 450 Exekutionen durchgeführt. Das ist mit unserem Verständnis der Menschenrechte un-vereinbar und schadet dem internationalen Ansehen der USA.

Leider ist in manchen Bundesländern Rassismus noch immer nicht verpönt. So gibt es z.B. in Texas das Gesetz, dass Schwarze bei einem Prozess mit einem schwarzen Angeklagten nicht als Geschworene fungieren dürfen.

In den letzten Monaten ist die so genannte Tea-Party-Bewegung bekannt und gefürchtet. Hierzulande galten eigentlich immer die Republikaner als konservativ und „gewillt, die alten Werte zu bewahren“, aber die Tea-Party-Bewegung zeigt uns, dass es noch rechter geht. Die Gallionsfiguren dieser mehr als bedenklichen Bewegung sind die weitestgehend bekannte Republikanerin Sarah Palin und der in den USA bekannte Fernseh- und Radiomoderator Glenn Beck. Beck hat sich bereits einiges zuschulden kommen lassen. So sieht Beck keinen Grund für Umweltschutz, sondern meint, dass „der Kampf ge-gen illegale Einwanderung“ wichtiger ist. Beck zeichnete bei einem Treffen der Tea-Party-Bewegung ein Bild von Präsident Obama mit Hitlerbärtchen und beschuldig-te Obama vor großem Medienpublikum des Rassismus. Des weiteren bezeichnete Beck Obama als einen Nazi, als Kommunisten und als „Antichrist“. Das ist doch nun mehr als absurd. Beck steht nach eigenen Angaben für die „Familie als Eckpfeiler der Gesellschaft“.

Am 13. März 2009 hielt Beck eine Rede, die darin gipfel-te, dass er „Amerika liebe und um sein Land fürchte“. Im Anschluss an diesen Satz fing Beck an zu schluchzen und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Darauf ent-stand eine erhitzte Diskussion, ob die Träne „echt“ war. Glenn Beck wird vorgeworfen, seine Millionen Zuschauer mit jämmerlich billigen Mitteln zu beeinflussen. Im Laufe der Diskussion nannte der weltbekannte Autor Stephen King den Politiker Beck den „geistig behinderten kleinen Bruder Satans“, was schon an Übertreibung grenzt. Der Tagesspiegel betitelte Beck als einen „wahnsinnig geworde-nen Fanatiker“.

Eine nicht minder kontroverse Persönlichkeit ist Sarah Palin. Die Ex-Gouverneurin von Alaska und Mitglied des „Nationalen Gewehr Vereins“ ist trotz einigen Eskapaden erfolgreich in der Tea-Party, so dass man fast den Eindruck gewinnen könnte, dass die Dame sich alles erlauben könne.

So gab es zum Beispiel bereits zwei Verfahren gegen Palin wegen Amtsmissbrauchs, hinzu kommen unzählige Vorwürfe. Einige Beispiele hierfür sind, dass Sarah Palin

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einen Posten im Agrarministerium von Alaska an eine Schulfreundin gab. Als Qualifikation gab die Anwärterin für den mit 95.000 Dollar unglaublich hoch dotierten Job ihre „Liebe zu Kühen als Kind“ an. Nachdem die Schulfreundin nun den Job hatte, kam diese kein einzi-ges mal zur Arbeit. Selbiges Vorgehen benutzte Palin noch viermal, um Freunde in Führungspositionen zu bringen.Ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch lief im Juli 2008 ge-

gen Palin, weil der mittlerweile entlassene Polizeichef des Staates Alaska zu Protokoll gab, von Palins Umfeld mehr-mals unter Druck gesetzt geworden zu sein. Er sollte den im Polizeidienst arbeitenden geschiedenen Ex-Mann von Palins Schwester entlassen.

Außerdem ist dort der bedenkliche Umstand, dass die Republikanische Partei im Laufe des letzten Wahlkampfs, in dem Palin für das Amt der Vizepräsidentin kandidierte, ihre Friseuse und Make-Up Assistentin mit 150.000$ fi-nanzierte, selbstverständlich aus Spenden.

Es gibt weitere sehr umstrittene Gesetze der Amerikaner, zum Beispiel die „Castle Doctrine“. Dieses Gesetz gilt zwar nur in 15 Bundesstaaten, wird aber trotzdem als Symbol für Konservatismus gesehen. Es besagt, dass ein privater Eigentümer einen Einbrecher ungestraft töten darf, wenn dieser sich auf Privatgrund befindet. Hieraus ergibt sich, dass die Waffengesetze der USA mehr als liberal sind.

Aber es gibt nicht nur skurrile und nicht nachvollzieh-bare Gesetze. In Sachen Religionsfreiheit sind die Staaten teilweise beispielhaft. In ganz Amerika sind christli-che Freikirchen sehr häufig und genießen vollkommene Freiheit.Vor allem in Ohio und in Pennsylvania sind die Amische

verbreitet. Diese protestantische Gruppe verzichtet wei-testgehend auf Technologie, Die Menschen sind in der Landwirtschaft tätig. Anstatt Autos fahren die Amische Pferdekutschen oder Tretroller, Fahrräder sind meistens verboten. Die Amische kamen nach ihrer Verfolgung im Elsass

durch den französischen König nach Pennsylvania, weil

sie dort akzeptiert wurden. Das Leben dieser außerge-wöhnlichen Religionsgemeinde wird in dem Spielfilm „Der einzige Zeuge“ gut dargestellt.Sehr verbreitet in den USA sind die „Evangelikalen“. Selbige

sind sehr rechtskonservativ, befürworten unter Anderem die Todesstrafe und leugnen die Evolutionstheorie. Ihre Zahl wird auf 20 bis 70 Millionen Amerikaner geschätzt. Ein prominentes Mitglied dieser Religionsgemeinschaft ist George W. Bush.

Im Moment herrscht in den USA eine mehr als aufgeheizte Stimmung. Grund dafür ist unter Anderem die sehr hohe Arbeitslosigkeit. Insgesamt sind knapp 10% aller Menschen arbeitslos, bei den Personen unter 20 Jahren sind es sogar 25%. Zurückzuführen ist die hohe Arbeitslosigkeit auf die Tatsache, dass die Konjunktur nach der schweren Krise nicht so recht in Fahrt kommen möchte.

Aber man darf natürlich nach alledem nicht das verges-sen, weswegen die Vereinigten Staaten von Amerika noch immer das beliebteste Ziel für einen Auslandsaufenthalt während der Schul- oder Studienzeit sind. Die USA sind sehr vielfältig. Man denke nur an die beeindruckenden Redwood-Bäume im Sequoia Nationalpark, den Grand Canyon oder die schönen Strände der Westküste. Aber auch kulturell sind die USA in jeder Hinsicht interessant. Die „lebendigen“ Metropolen wie New York, Los Angeles und Co., die „Fabrik der Träume“ Hollywood oder ganz einfach der „American way of life“, all das sollte man mal erlebt haben.

Egal, ob es nun wirklich Freiheit pur ist oder nur eine schöne Illusion. Ob man nun selber die USA als Inbegriff für Freiheit sehen möchte oder nicht, dass muss jeder selbst entscheiden, aber es gibt ja nur wenige Dinge, die entweder ganz toll oder ganz schlecht sind.

Nun, und manchmal möchte man auch nicht die ganze Wahrheit erfahren, sondern die schöne Illusion wahren.

&SL

Unsere Jungredakteurin hat ihre Brieffreundin in den USA zum Thema „frei“ befragt:

Was hat dir besser gefallen? Deutschland oder Amerika? Deutschland! Deutschland ist voll cool!

Wo gibt es mehr Freiheit?In Deutschland ist man mit 18 Volljährig. In Amerika zwar erst mit 21, aber man hat dort mehr Freiheit. Ich denke Amerika!

Welches Land findest du schöner?Deutschland!

Wieso?Weil es mehr unterteilt ist. Natur und Stadt sind einfach schöner. Vor allem gefallen mir die Schlösser und die Altstädte.

Was denkst du zum Thema frei?Das Thema frei finde ich ist ein sehr schönes Thema. Den Wunsch nach Freiheit teilt man ja mit der ganzen Welt. Außerdem kann man zu dem Thema seine offene Meinung sagen. Jeder sollte seine Meinung sagen können.

& MZ

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Göttliche FreiheitIm Mittelalter waren Klöster die einzigen Orte, an de-

nen man lesen und schreiben lernen konnte. Sie waren kulturelle und wissenschaftliche Zentren. Heute halten

Klöster diese intellektuelle Vorreiterstellung längst nicht mehr. Seit es Universitäten und staatliche Schulen gibt, ist die Gesellschaft für ihre Bildung nicht mehr auf die Klöster angewiesen. Die 50 Benediktiner-Mönche, die in der Abtei Königsmünster im sauerländischen Meschede leben, füh-ren dennoch bis heute weiterhin eine Klosterschule. Neben dem Klostergymnasium existieren heute allerdings auch ein weiteres Gymnasium sowie zwei Realschulen, drei Hauptschulen und elf Grundschulen in Meschede. Also kann die Suche nach Allgemeinbildung nicht mehr der Grund sein, ein Kloster aufzusuchen, denn diese bekommt man heutzutage überall.

Der Novizenmeister des Klosters, Pater Jonas, begleitet sei-ne Novizen auf der Suche nach Gott, für ihn ist es also im-mer noch das Streben nach Erkenntnis, das die Menschen ins Kloster bringt, aber auch immer die Enttäuschung über eine andere Lebensform. Zwar hat jemand, der nicht mit der „normalen“ Welt zurechtkommt im Kloster nichts zu suchen, dennoch sieht er das Kloster als einen Ort für Schwache. Diese zwei Aussagen scheinen gegensätzlich, sie beziehen sich jedoch auf zwei unterschiedliche Dinge. Man sollte in der Lage sein, sich mit seinen Problemen aus-einander zu setzen. Ins Kloster zu gehen weil gerade eine Beziehung gescheitert ist oder man einen Job verloren hat oder ähnliches ist also wenig sinnvoll. Denn im Kloster kann man zwar teilweise vor den Problemen in der Welt weglaufen, nicht jedoch vor den Problemen mit sich selbst. Wenn man grundsätzlich unfähig ist, Menschen ihre Fehler zu vergeben, dann wird man dieses Problem auch Im Kloster noch haben. Aber das Kloster ist eben auch grade für schwache Menschen. Denn durch den strikten Kanon an Regeln wird man gezwungen, seine Probleme anzusehen. Benedikt hat im sechsten Jahrhundert in seiner

„Regula Benedicti“ festgelegt, dass die Mönche beim essen und beten stets zwischen den Mönchen sitzen sollen, die unmittelbar vor und nach ihnen ins Kloster eingetreten sind. Wenn man nun seinen Sitznachbarn nicht mag, muss man die Differenzen beseitigen, da man sich ja nicht aus dem Weg gehen kann. Ähnlich ist es mit anderen streng re-gulierten Bereichen des Klosters. Die Mönche stehen jeden Morgen um fünf Uhr auf und haben einen auf die Stunde genau vorgegebenen Tagesablauf. Dieser strikte Tagesplan soll den Mönchen helfen, ihr Lebensziel im Kloster zu ver-wirklichen. Pater Jonas vergleicht dies mit dem gemein-samen Joggen mit Freunden. Wenn man sich vornimmt, alleine joggen zu gehen, dann gibt es viele Menschen, die sich an ihren eigenen Plan nicht halten würden, da in dem jeweiligen Moment gerade andere Dinge wichti-ger erscheinen. Wenn man sich jedoch mit einem Freund verabredet um gemeinsam joggen zu gehen, dann müsste man ihn anrufen, nur um ihm zu sagen, dass man gerade keine Lust hat, sondern viele lieber fernsehen möchte. Der Mönch sieht sich durch diese Regeln genau so wenig in sei-ner Freiheit beschränkt wie durch die Existenz solch eines Freundes.

Schließlich entscheiden sich Mönche bewusst, dass sie sich diesen Regeln unterwerfen möchten, um zu Gott zu finden. Die Mönche in der Abtei Königsmünster haben jedoch mehr Freiheit als man es erwarten würde. So erzählt Pater Jonas von seinem Betnachbarn der an bestimmten Tagen im Jahr eine Star Trek Uniform unter seiner Mönchskutte trägt. Auch Pater Jonas Untergewänder überraschen, so trägt er eine Jogginghose unter seiner Mönchskutte. Die Benediktiner leben nicht in Armut wie etwa die Franziskaner, sondern in einer Gütergemeinschaft. Jedes er-wirtschaftete Einkommen wird der Klosterkasse zugeführt, aus der nicht nur die 200 Mitarbeiter der Klosterbetriebe bezahlt werden, sondern auch jede Reparatur am Kloster, jedes Essen, das ein Mönch isst und jeder neue Laptop, den ein Mönch braucht. Da die Mönche eben nicht in Armut leben, dürfen sie alles von Laptops bis Star Trek Uniformen aus ihrem alten Leben mitbringen. Pater Jonas erzählt, wie er nach einem Jahr gemerkt hat, dass er in keins der vie-len Bücher, die er mitgebracht hatte, hineinsah. In diesem Zusammenhang erzählt er von dem Buch „Haben oder Sein“ in dem Erich Fromm kritisiert, dass Menschen sich zu sehr über ihren Besitz definieren. Der Novizenmeister sieht es als Teil des Lebens im Kloster, sich davon frei zu machen. Neben dem bereits erwähnten Ziel, Gott zu finden, hat das Leben im Kloster den zweiten wichtigen Aspekt, zu sich selbst zu finden. Pater Jonas macht sich keine Illusionen; er geht fest davon aus, dass man Gott nicht wirklich vor dem eigenen Tod sicher finden kann. Er vergleicht dies immer wieder mit einer Ehe oder einer Beziehung. ➵

„Mönche sind auch nur ganz normale Menschen!“ PATER JONAS

Pater Jonas redet über Gott und die Welt

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Man kann sich nie sicher sein, ob es Gott wirklich gibt, ge-nauso wie man sich nicht sicher sein kann, ob der Partner einen wirklich liebt. Man wird immer wieder Hinweise fin-den, aber sicher sein kann man sich nie. Er glaubt jedoch, dass es wichtig ist, zu sich selbst zu finden um Gott finden zu können. Deswegen macht man sich eben doch von ge-wissen Besitztümern frei, wenn man ins Kloster kommt. Man merkt wie Pater Jonas, dass die Bücher, die man be-sitzt, nicht wirklich zum Lesen sondern viel mehr dazu die-nen, sich selbst zu definieren. Er sagt auch, dass man sich langfristig oft für andere Besitztümer entscheidet, als man vorher gedacht hätte. Neben dem Computer befindet sich oft eine Musikanlage in den Zimmern der Mönche, aber sonst findet man sehr unterschiedliche Dinge. Es gibt so-wohl die Mönche, die ihr Zimmer so spartanisch einrich-ten wie man es erwarten würde, aber es gibt auch die, die ihr Zimmer bis obenhin vollstopfen.

Überhaupt sind Mönche natürlich ganz normale Menschen wie wir. Pater Jonas warnt wiederholt davor, Mönche als „Heilige“ zu sehen, denn dies sind sie nicht. Er rät jemandem, der glaubt, alle Antworten gefunden zu haben, davon ab, ins Kloster zu gehen, da man dort erst nach den Antworten suchen soll. Aber die Tatsache, dass Mönche auch nur Menschen sind, bringt natürlich auch großes Konfliktpotenzial mit sich. Pater Jonas er-läutert, dass einem in jeder Gruppe von Menschen gut 20 Prozent nicht passen und dann kommt es natürlich oft zu Konflikten, wenn man trotzdem auf engem Raum mit diesen Menschen leben muss. „Stellen Sie sich vor, Ihr Lieblingsfeind aus der Schule würde auch noch bei Ihnen zu hause wohnen“, so Pater Jonas. Als Lösung für dieses Problem sieht er Freunde, die man ja im Kloster auch hat, denn „man kann das ja nicht alles wegbeten“.

&NM

Das Leben eines MönchsWenn jemand ins Kloster eintritt, bekommt er zuerst einen neuen Vornamen. Er darf drei auswählen, von denen der Abt einen nimmt. Abt bedeutet nichts anderes als „Vater“, denn im Kloster soll man wie eine Familie leben. Mönche haben auch kein eigenes Geld, denn über die Fianzen bestimmt auch der Abt. Nachdem der Mönch einen neuen Namen hat, kommt er ins Noviziat. Dieses dauert normalerweise viereinhalb Jahre, kann aber auch bis zu zehn Jahre dauern, wenn er sich nicht sicher ist, ob er wirklich Mönch werden will.

Im Noviziat achten alle Mönche darauf, dass der neue Mönch sich gut ins Kloster einlebt und nicht zu oft besucht wird. Nach dem Noviziat stimmen alle ab, ob der neue ins Kloster aufgenommen wird. Dann kann der Mönch nur noch selbst austreten, die anderen können ihn nicht „rauswerfen“.

Im Kloster gibt es strenge Regeln und einen strengen Tagesablauf, fast ohne Freizeit. Mönche stehen um 5 Uhr auf, danach folgen schnell Frühstück und Morgengebet, dann freies Gebet und Arbeit, am Mittag Mittagsgebet und so weiter. Ins Kloster darf man alles von zuhause mitnehmen, doch merken viele Mönche nach einiger Zeit, dass sie das meiste gar nicht brauchen, denn Möche sollen sein, was sie sind, nicht was sie haben.

Im Kloster gibt es so ziemlich alles, von der Bäckerei bis zur Schmiede, denn ein Kloster muss sich finan-zieren, es braucht 1,5 Millionen Euro pro Jahr, bei Reparaturen oder ähnlichem bis zu 5 Millionen Euro pro Jahr. Der größte Teil davon besteht aus Spenden, doch die sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen.

Mönche bekommen 3 Wochen Urlaub im Jahr, wo sie machen können was sie wollen.

&JM

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Bedrohte TiereUnser Planet hat im Moment ein großes Problem; das, was viele von uns lieben und schätzen, wird immer weniger. Durch Jagd, Verlust und Zerstörung von Lebensraum, den Klimawandel und Hunger sterben viele Tiere aus.

Alle Leute lieben Eisbären, alle Leute lieben Knut. Doch die Eisbären werden bedroht.Das 2,40m-2,60m große Tier ist ein Problem, deshalb werden viele Eisbären in Gefangenschaft gehalten. Das ist nötig, um das Aussterben des Eisbären zu vermeiden. Der Eisbär wiegt im Durchschnitt etwa 420-500 Kilo. Er wird bedroht durch den immer kleiner werdenden Lebensraum, beziehungsweise den Klimawandel. Außerdem wird er von vielen Hobbyjägern trotz Verbot gejagt. Manche Jäger zahlen für eine Jagd 30.000 Euro. Wissenschaftler schätzen die Anzahl der frei lebenden Tiere auf 20.000-25.000

Der Pandabär ist eines der meist bedrohten Tiere auf unserem Planeten. Er lebt in Zentralchina auf 5900km2. Der Pandabär ernährt sich ausschließlich von Bambus. Am Tag braucht er 10-20kg Bambus. Doch da es immer weniger Bambusbäume gibt, leidet er an Hunger und Verlust von Lebensraum. Dazu kommt, dass der Pandabär früher gejagt wurde. Es gibt heute nur noch 2000-3000 frei lebende Tiere.

Auch der Tiger wird von den Menschen nicht verschont. Durch Verlust von Lebensraum und Jagd gibt es nicht mehr viele Wildtiere. Nur noch 3200-5100 Tiger durch-streifen die Wälder und Steppen.Der Bali-Tiger, der Java-Tiger und der Kaspische Tiger sind bereits ausgestorben.

Es gibt auch Tierarten, die nicht besonders bekannt sind, zum Beispiel der Westliche Gorilla. Wegen Zerstörung von Lebensraum und Jagd gibt es bereits nur noch um die 95.000 Flachlandgorillas. Unglaublich erschreckend ist allerdings die Anzahl der Tiere der Cross- River Art; sie liegt bei 250-300. Tierschützer errichteten deswegen im Jahre 2008 einen Nationalpark für diese Tiere.

Viele Kinder mögen auch Schildkröten. Manche Menschen, auch Erwachsene, wissen gar nicht, dass auch Schildkröten bedroht sind. Die Griechische Landschildkröte wird etwa 20cm groß und frei lebend ca. 50 Jahre alt, in Gefangenschaft wird sie bis zu 115 Jahre alt. Will man eine Schildkröte als Haustier haben, was natürlich durchaus möglich ist, muss man sich zunächst zwischen einer Sumpf-, Wasser- oder Landschildkröte entscheiden. Die Schildkröte muss an-gemeldet werden und zum Kauf der Schildkröte braucht man eine Ausnahmeerlaubnis. Es dürfen außerdem nur gezüchtete Schildkröten verkauft werden. Dies dient zum Schutz der Schildkröten, besonders zum Schutz der Griechischen Landschildkröte, da sich deren Anzahl in den letzten 100 Jahren um 20-40% verringert hat Tierschutzorganisationen wie WWF, PETA, VETA und TASSO setzen sich gegen das Aussterben der Tiere ein. Mit einer Spende kann jeder dazu beitragen, die Tiere zu schützen.

&ES

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Vom Tier zum TellerDie Freiheit, Fleisch zu essen. Oder eben nicht.

PETA steht für People for Ethical Treatment of Animals und setzt sich, wie der Name verrät, für die „ethische“ Behandlung von Tieren ein. Auf der einen Seite heißt das, verdeckt Videos davon zu drehen, wie im Zirkus der Elefant mit spitzen Stahlstangen dazu gebracht wird, auf zwei Beinen zu stehen, aber auf der anderen Seite heißt das auch, den Verzicht auf Fleischkonsum zu fordern.

Warum fordern Organisationen wie PETA den Verzicht auf mein leckeres Steak? Warum gibt es so viele Menschen, die freiwillig auf Schnitzel verzichten?

Einer der häufigsten Gründe ist wahrscheinlich die Art, wie Tiere in unserer Gesellschaft gehalten werden. Die wenigsten Tiere werden noch so gehalten, wie unsere Großeltern es kannten. Das Problem ist die so genann-te Massentierhaltung. Früher wurden Tiere in kleinen Familienbetrieben gehalten, heute wird Fleisch jedoch in riesigen, industriell arbeitenden Betrieben hergestellt. Auf der einen Seite führt dies dazu, dass man Kosten einspart, aber auf der anderen Seite wird aus dem Tier nur noch ein Faktor in einer Gleichung, die das Ziel hat, den Gewinn zu maximieren.

Die Bauern haben unter anderem angefangen, die Tiere auf immer höhere Fleischmengen zu züchten, um eben dieses Ziel zu erreichen. Zwei wichtige Faktoren bei der Fleischmenge sind die Zeit sowie die Futtermenge, die be-nötigt wird, um eine bestimmte Menge Fleisch „herzustel-len“. Es kann also gewinnbringender sein 3000 Hühner zu halten, die genauso viel Futter verbrauchen wie 5000, wenn die 3000 das Futter besser „ verwerten“. Heutzutage werden

die meisten Hühner 39 Tage nach ihrer Geburt geschlach-tet. Wenn man viel Fleisch in kurzer Zeit herstellen will, ist ein schnelles Wachstum der Knochen nicht so wich-tig. Also wachsen bei den meisten industriell gezüchteten Hühnern die Knochen nicht so schnell, wie sie es müss-ten, um das zusätzliche Gewicht zu tragen, also leiden vie-le Hühner (dies trifft natürlich genauso auf Schweine und Kühe zu) dauerhaft unter Schmerzen.

Ein womöglich noch schlimmeres Schicksal trifft männli-che Legehühner, jährlich werden in Europa 280 Millionen solcher Hühner am ersten Tag ihres Lebens in einen Reißwolf geworfen, weil es in der Industrie zwei Sorten von Hühnern gibt: Fleischhühner und Eierhühner. Da aller-dings auch männliche Legehühner geboren werden, diese keine Eier legen, nicht ansatzweise so viel Fleisch bringen wie Fleischhühner und Fortpflanzung im Reagenzglas stattfindet, sind männliche Legehühner gänzlich un-brauchbar und verlieren somit ihre Existenzberechtigung.

Heutzutage kann man leicht vergessen, was Fleisch ist. Nur die wenigsten Menschen denken darüber nach, dass ein Nackensteak wirklich der Nacken eines Tieres ist. Viele wissen auch nicht, wo genau ein Filet am Schwein ist. Natürlich „weiß“ man, dass Schweine-Fleisch mal Schwein war, aber weiß man das wirklich?

Mögliche Qualen oder Missbrauch, denen Tiere ausgesetzt sind, sind zwar bedauernswert, aber ist es das wert, deswe-gen auf Fleisch zu verzichten?Viele brauchen etwas konkreteres, um so eine Entscheidung

zu treffen. Und da kommt die Umwelt ins Spiel.

Fleischherstellung hat drei fundamentale Probleme, die schlecht für die Umwelt sind:

Das erste Problem sind die Treibhausgase, das ist ganz simpel: wenn wir Autofahren, dann stößt unser Auto CO2 aus. Und wenn Kühe furzen, dann stoßen sie Methan aus. Methan und CO2 sind Treibhausgase, das heißt, sie tragen dazu bei, dass sich die Erde erwärmt und die Polarkappen schmelzen. Die internationale Viehzucht trägt mit 18% des gesamten Treibhausgasausstoß zum Klimwandel bei.

Das zweite Problem ist der hohe Wasserverbrauch bei der Fleischproduktion. Laut der Internetseite waterfootprint.org, die den Wasserverbrauch des Benutzers errechnet, ver-braucht die Herstellung eines Kilos Rindfleisch etwa 15000 Liter Wasser. Und Wasser wird in den kommenden Jahren eine immer wertvollere Ressource werden, die wir nicht einfach so verschwenden können.

Das dritte Problem ist, dass aus dem steigenden Fleischkonsum auch ein erhöhter Bedarf an Weidefläche für die Kühe entsteht. Um hierfür Platz zu schaffen wer-den in Südamerika also zunehmend Urwälder abgeholzt. Allein von 1990 bis 1995 wurden in Brasilien 124000 Quadratkilometer Regenwald vernichtet, um Platz für PETA-Proteste gegen Fleischkonsum

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Viehzucht zu schaffen. Da sich die Viehzucht auf den ehe-maligen Urwaldböden nicht rentiert, werden die mehr oder weniger frisch abgeholzten Weideflächen in Sojaplantagen umgeformt, die ihre Produktion dann nach Europa ex-portieren, wo vor allem Deutsche und Französische Viehzüchter das Futter kaufen, um es an ihre Tiere zu ver-füttern. 2008 sagte der damals amtierende Umweltminister Sigmar Gabriel zu diesem Thema:

„Die Profiteure der Regenwaldabholzung sind weit mehr die deutschen Bauern als die brasilianischen Landwirte“. Damit kommen wir zu einem weiteren Problem der in-dustriellen Tierhaltung: Brasilien produziert jährlich 51 Millionen Tonnen Sojabohnen und trotzdem kämpft etwa ein Drittel der Bevölkerung am Existenzminimum ums Überleben. Täglich sterben 15000 Menschen an Hunger. Und in Industrienationen mästen wir Kühe. Bei der Herstellung von Rindfleisch wird etwa die neun-zehnfache Menge an Kalorien gebraucht, die am Ende im Fleisch ankommt. Im Moment sind wir noch in der Lage, genug Fleisch für alle Menschen herzustellen, die es haben wollen und es sich leisten können. Aber was pas-siert, wenn Länder wie Indien oder China sich westlichen Essensgewohnheiten anpassen und anfangen, ähnlich viel Fleisch zu konsumieren?

Es gibt wahrscheinlich nur ein Argument gegen den Fleischkonsum, das noch besser ist als verhungernde, brasi-lianische Straßenkinder, und das ist die eigene Gesundheit. Viele Menschen rechtfertigen ihren Fleischkonsum mit ih-rer eigenen Gesundheit. Dies scheint zunächst nachvoll-ziehbar, wenn man den hohen Eiweiß- und Vitaminanteil in Fleisch betrachtet. Wenn man dann jedoch den hohen Fettanteil betrachtet, können schnell Zweifel aufkommen, ob so viel Fleisch wirklich so gut ist. Wissenschaftler haben in vielen Langzeitstudien immer wieder dasselbe Ergebnis gefunden: Menschen, die kein Fleisch essen, stehen ge-sundheitlich besser da, als solche, die Fleisch essen. So haben bereits Anfang der achtziger Jahre die Universität Gießen, das Krebsforschungszentrum Heidelberg und das Bundesgesundheitsamt Berlin eine Langzeituntersuchung durchgeführt, bei der sie eine Testgruppe von Vegetariern und eine Gruppe von Normalkonsumenten 12 Jahre lang verglichen haben. In dem Testzeitraum lag die Sterberate der Vegetarier bei nur 80% des Wertes der Fleischesser. Das Krebsrisiko war sogar um 40% gesenkt worden und Blutdruck- sowie Blutfettwerte waren deutlich besser. Auch die Nierenfunktion der Vegetarier war der der Fleischesser voraus.

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Schüler oder Philosoph?Freiheit – ein Wort, das uns jeden Tag begegnet. Es ist fast überall ein Thema: in der Politik, Religion und Wirtschaft, in Büchern, Zeitungen, Gedichten, in Musik, Songtexten und auch in Schüler-zeitungen. Aber was ist Freiheit eigentlich? Viele Philosophen und Denker der Welt-geschichte haben sich mit dem Thema beschäftigt, aber auch die Fünftklässler unserer Schule. Die Redaktion hat die 5c besucht und gefragt, was die Schüler

unter Freiheit verstehen. Der Unterschied zwischen manchen Definitionen von Frei-heit von Fünftklässlern und Philosophen ist gar nicht so groß, wie man im ersten Moment denken würde.

Im Folgenden dürft ihr jetzt raten. Welche Zitate stammen aus der 5c, und welche von weisen Dichtern, Denkern und Politikern?

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„Unter Freiheit verstehe ich: einfach frei zu laufen, ohne Hindernis.“

1

„Unter Freiheit verstehe ich Luxus, den nicht jeder hat.“

2

„Ich glaube, es hat noch niemand richtig beschrieben, was Freiheit ist.“

3

„Frei ist, wer tun kann, was er will und nicht auf Befehle hören muss.“

4

„Freiheit heißt nicht, die ganze Zeit ans Lernen zu denken, sondern sein Leben zu leben.“

5„Wenn man immer nur über eine größere, bessere Zukunft nachdenkt, ist man nicht frei.“

6

„Dass man nichts tun muss, was man nicht will!“

7

„Freiheit ist, nichts zu tun. Man ruht sich aus. Man wird von nichts aufgehalten. Man hat Freiheit!“

8

„Freiheit ist, wenn man auch mal „Nein“ sagen darf.“

9 Die Auflösung findet ihr auf Seite 54.

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„Freiheit ist, wenn niemand einen anderen zwingt, etwas zu tun, sondern jeder glücklich sein kann, ohne dabei andere zu verletzen.“

10

„Kein Druck, kein Streit, keine Regeln. Das ist Freiheit.“

11

„Freiheit bringt Frieden – Freiheit ist erleichternd.“

12

„Freiheit ist auch, dass man die Freiheit anderer respektiert“

13

„Wer frei ist, hat Privatsphäre.“14

„Freiheit sind die schönen Sachen im Alltag, Vergnügen ist eine davon.“

15

„Wenn man keine Angst hat, ist man frei, weil man sich dann keine Grenzen mehr aus Angst setzt.“

16„Ich verstehe unter Freiheit: keine Schule, kein Mathe, Englisch, Deutsch – also keine Schule.“

17

SchülerS

„Freiheit ist das genaue Gegenteil von Gefangenschaft.“

19

PhilosophP

„Wenn man etwas liebt, lässt man es frei. Und wenn es zurückkommt, gehört es einem für immer.“

18

„Freiheit ist, wenn niemand einen anderen zu irgendetwas zwingt.“

20 „Freiheit macht Spaß. Freiheit ist lustig.“21

„Egal, was jemand sagen will, es ist wichtig, dass man es ihn frei sagen lässt, auch wenn es nicht die eigene Meinung ist.“

22

„Jedem Menschen ist freigestellt, was er tut, und niemand wird zu etwas gezwungen.“

23

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„Dass ich meine eigenen Regeln machen kann, tun und lassen kann was ich will und dabei keine Angst habe. Das ist Freiheit.“

Pierre, Jgst. 10

„Ich bin frei, wenn ich alles ma-chen kann, was ich will, ohne mich nach anderen zu richten.“

Peter, Jgst. 12

„Freiheit ist, die Möglichkeiten, die mir meine geistliche Verfassung und meine Stellung geben, voll auszuschöpfen. Allerdings wird diese Freiheit auch immer wieder eingeschränkt.“

Frau Runte

„Freiheit ist, mein T-Shirt zu be-stellen, wann ich will!“

T-Shirt-Typ

„Für uns ist Freiheit, eine eigene Meinung haben zu dürfen, frei zu entscheiden und zu tun, was wir wollen.“

Melissa, Vivian, Jana, Laura (v.l.n.r.), Jgst. 8

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„Meine größte Freiheit ist Unabhängigkeit. Ich kann mein Leben selber planen. Außerdem finde ich die Freiheit von Sorgen wichtig.“

Lara, Jgst. 12

„Dass ich machen kann, was ich gerne mache, ohne anderen zu schaden.“

Herr Smeets

„Freiheit ist für mich Bewegungsfreiheit, zum Beispiel bezogen auf die Öffnung der Grenzen. Außerdem heißt Freiheit, offen meine Meinung sa-gen zu können.“

Sibylle, Jgst. 13

„Auf politischer Ebene natürlich Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Wahlrecht, Menschenrechte, Informationsfreiheit. Ich kann mein Wissen weitergeben und dort hingehen und reisen, wo ich möchte.“

Frau Wirke-Janke

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Afghanistan ist eines der wohl meist um-kämpftesten Gebiete der Welt. Seit

Jahrhunderten herrscht Krieg und schon viele Großmächte haben sich an dem Land die Zähne ausgebissen.

Nur knapp jeder dritte Afghane weiß über-haupt wie es ist, ohne Krieg und tägliche Gefechte zu leben. Der momentane Feldzug be-gann nach den Anschlägen am 11. September in New York und Washington. Ein aufgebrachtes Amerika marschierte in Afghanistan ein und besiegte noch im gleichen Jahr mit Hilfe der afghanischen Nordallianz die Taliban – doch damit war das Land nicht erobert, so wie es sich George Bush ausgemalt hatte. Ein schneller Vergeltungsschlag gegen die „Achse des Bösen“, so wie er mehrere asiatische Länder liebevoll nennt, wurde zum internationalen Desaster und Streitthema. Wie bereits im Vietnam wur-de die Supermacht nicht mit Guerilla-Taktiken fertig und rief die anderen NATO-Länder un-ter Verweis auf Artikel 5 des NATO-Vertrages, den sogenannten Bündnisfall, um Hilfe. Nach diesem Bündnisfall ist ein Angriff auf einen NATO-Staat gleichbedeutend wie eine Attacke auf alle Mitgliedsländer und jedes Land ist

Deutsche Panzer für Drogen und Öl?Im Januar 2011 will der Bundestag über eine Verlängerung des Afghanistan-Mandates ent-scheiden und die NATO will bis 2014 alle Truppen aus Afghanistan zurückgezogen haben. Doch wie ist die momentane Situation und was macht die Bundeswehr überhaupt? Was waren die Gründe für den 50-Milliarden-Dollar-Krieg?

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verpflichtet, mit allen verfügbaren Ressourcen zu helfen. Alle Beweise für eine afghanische Schuld stammen vom Angreifer Amerika, das sich wieder als Weltpolizei aufspielt und sich durch die Gerüchte über angebliche Massenvernichtungswaffen des Iran als ver-trauenswerter Informant einen Namen gemacht hat.

Im Dezember 2001 beteiligte sich die deut-sche Bundeswehr an der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe, kurz ISAF. Seit Beginn des Einsatzes scheuen alle Politiker den Begriff Krieg und reden mit Bezeichnungen wie „bewaffneter Konflikt“ um den heißen Brei herum und vertuschen den Ernst der Lage. Bisher sind 45 deutsche Soldaten „gefallen“, wo-bei das wieder ein sehr verschönender Ausdruck ist. Im Vietnam-Krieg nannten amerikanische Soldaten einmal einen Hügel „Hamburger-Hill“, weil die Soldaten dort zu „Hackfleisch“ verar-beitet wurden. Das trifft die Umstände eines Krieges schon eher, denn in Wahrheit werden hier Menschen von Minen in Stücke gerissen, verbrennen bei lebendigem Leibe oder sterben im Kugelhagel versteckter Maschinengewehre. Insgesamt sind fast 2000 Soldaten gestorben, über die Hälfte Amerikaner, von zivilen Opfern und Schwerverletzten ganz zu schweigen. Wer solche Situationen mit ansehen muss, kommt nur selten ohne prägende Erinnerungen nach Hause.

Immer mehr Afghanistan-Heimkehrer leiden unter einer posttraumati-schen Belastungsstörung (PTBS), einer Langzeitwirkung von einem oder mehreren Traumata. Aufgrund der seit 2006 „verschärf-ten Sicherheitslage am Kundusch“, wieder ein falscher Begriff für Krieg, kommen solche Vorfälle immer häufiger vor. Die Folge ist ein seit 2005 verdoppeltes Auftreten der PTBS, so wurden vom Verteidigungsministerium allein in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres 483 traumatisierte Soldaten gemeldet, doch Experten gehen von einer noch höheren Zahl aus, da viele Betroffene sich nicht melden und erfolglos versuchen das Problem selbst zu lösen. Auch wenn die Bundeswehr ein professionelles Vorgehen ihrerseits verspricht, gab es 2007 für über 200 traumatisierte Soldaten nur lächerli-che 30 Plätze im Bundeswehrkrankenhaus und von den 42 Psychiaterposten waren ganze 24 besetzt. Erst in den letzten Monaten rückte das Problem in die Öffentlichkeit. Unser selbstin-szenierender Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will nun die Behandlung Traumatisierter gezielt vorantreiben.

Wie in vielen seiner Kriege hat Amerika neben dem offiziellen Grund, der meistens „Schlag gegen das Böse“ heißt, ganz zufällig viele wei-tere Vorteile: Afghanistan ist eine strategisch sehr wichtige Position, so liegt es sehr nah an den beiden größten Ölvorkommen der Erde und ist Durchgangspunkt für jahrtausende alte

Handelswege, wie z.B. die Seidenstraße. Zudem könnte Amerika den Iran von dort und gleich-zeitig aus dem Irak angreifen und diesen so an zwei Fronten attackieren. Die Sowjetunion hat vor 30 Jahren ganz ähnliche Gedanken gehegt, als sie sich in Afghanistan selbst vernichtete. Die Ölfelder sind der wohl wichtigste Faktor, schließlich wollen alle Amerikaner ihr billi-ges Öl behalten. Schon lange vor Kriegsbeginn entstand die Idee von einer Pipeline durch Afghanistan, doch die Verhandlungen mit der Talibanregierung scheiterten. Mit der jetzigen Marionettenregierung ist das natürlich kein Problem mehr. Der derzeitige Präsident Hamid Karsai arbeitete schließlich schon immer mit Amerika zusammen, so ist es kein Wunder, dass er unter US-Kontrolle „demokratisch“ zum Präsidenten gewählt wurde. Internationale Wahlbeobachter, die nur 2/3 der Wahllokale überwachen konnten, wiesen auf massive Wahlfälschungen hin, blieben jedoch bewusst ungehört und ignoriert. Auch der Bruder des Präsidenten, Ahmed Wali Karsai, arbeitet mit der CIA zusammen, weil er bewiesenermaßen seit 9 Jahren als Warlord und einer der wichtigs-ten Drogenbarone auf der Gehaltsliste steht.

Damit ist man auch schon gleich bei der überaus interessanten Entwicklung der Drogenproduktion des Landes. Noch vor 30 Jahren kam aus Afghanistan keine ein-zige Droge, als allerdings die CIA im Land aktiv wurde, kamen 6 Jahre später über 3000 Tonnen Heroin jährlich aus Afghanistan. Nachdem über 80% der Weltproduktion ➵

Amerikanische Soldaten in einem Opiumfeld

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afghanischen Ursprungs war, kam die Taliban an die Macht und wurde zum größten Feind der Drogenbauern, weil sie regelmäßig alle Schlafmohnfelder niederbrannte, sodass der Opiumanbau (Heroin) um 94% zurückging. Das traf die „schwarzen Kassen“ der CIA hart und so bleiben die Felder unter der NATO-Kontrolle völlig unangetastet. Seit dem Einsatzbeginn vor zehn Jahren ist die Produktion um das 40-fache gestiegen und deckt heute mit einer Anbaufläche von über einhunderttausend Hektar über 90% der weltweiten Herstellung ab. Die Folge sind zweieinhalb Millionen Drogenabhängige. Allein in Russland, das am meisten unter der Opiumschwemme zu leiden hat, werden je-des Jahr 30 000 Drogentote allein zwischen 18 und 24 Jahren gezählt. Der Chef der russischen Drogenbekämpfungsbehörde Viktor Iwanow warnte daher vor der Gefahr und bot an, sich aktiv an der Drogenbekämpfung zu beteili-gen. Auch viele andere hochrangige Beamte erkannten das Problem, so sterben laut ameri-kanischen Drogenbeauftragten aus den NATO-Mitgliedsstaaten fünfmal so viele Menschen durch Heroin, wie durch alle Kampfeinsätze zusammen. Das passte der NATO natür-lich gar nicht in den Kram und sie weigerte sich vehement, etwas zu unternehmen. Der Oberbefehlshaber General Stanley McChrystal sah nämlich keinen einzigen Grund für Handlungen und befahl den US-Truppen sogar, alle Schlafmohnfelder „in Ruhe zu lassen“. Der vorige Kommandeur des Afghanistan-Einsatzes war übrigens ein entschiedener Gegner und Bekämpfer des Problems, doch er wurde von Barack Obama im Mai 2009 vorzeitig seiner Bewehlsgewalt entzogen.

Daher konnte sich der Drogenhandel bereits seit 5 Jahren durch den Schutz der Polizei eta-blieren, so ist nicht nur die Transferierung des Drogengeldes eng mit den Finanzzentren großer Städte wie Dubai, Mumbai und auch London verknüpft. Auch die Drogen sel-ber kommen aus dem besetzten Afghanistan über das besetzte Kosovo-Albanien in die westlichen Großstädte zu den zahlreichen Abnehmern. Die umfangreichen Drogengelder finanzierten nicht nur früher und noch heu-te Terroranschläge. „Auch unsere Banken wurden in der Wirtschaftskrise mit über 350 Milliarden Dollar Drogengeld gerettet.“, so der Direktor des UN-Drogenbekämpfungsbüros, Antonio Maria Costa. Ein großes Problem in der Wirtschaftskrise war Liquidität, also ver-fügbares Geld. Drogengeld bot hier Abhilfe und so wurde das flüssige Kapital zu einem „wichti-gen Faktor“ in der Weltwirtschaft. Doch bereits

vorher wurde die Geldsumme, die jährlich an westliche Finanzinstitute zur Geldwäsche kam, auf 250 bis 300 Milliarden Dollar geschätzt.

Unsere Bundeswehr greift in dieses Geschehen in keinster Weise ein, sondern billigt und igno-riert es, um eine gute Beziehung zu den großen Ländern aufrecht zu erhalten.Kaum etwas hat sich durch die Anwesenheit

deutscher Truppen in Afghanistan verändert, in Relation zu den aufgebrachten Mitteln sind die von den Politikern stolz vorgetragenen Fortschritte lächerlich.

So lautet das Fazit für Deutschland: 45 tote Soldaten, zahlreiche Verletzte, 2,5 Milliarden Euro größtenteils veruntreute Hilfsgelder, 6,2 Milliarden Euro stetig steigen-de Kriegskosten und massiver Verlust öffentli-chen Einverständnisses, denn inzwischen ist noch nicht mal jeder Fünfte mit dem Einsatz einverstanden.

Bist du‘s?&GS

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Die Regierungsform nannte sich damals Realsozialistische Einparteiendiktatur, die Staatsform Volksrepublik. Hört sich halb so

schlimm an, doch wir wissen heute, viel Freiheit hat es dort für die Menschen nicht gegeben. Besonders volksnah ist dieser Staat wahrscheinlich den wenigsten in Erinnerung geblieben, und dass die Mauer nicht mehr steht hat ja auch seine Gründe.

Viele Menschen flohen in den Westen, um endlich frische Luft zu atmen und frei leben zu können. Doch für die, die zu jung zum fliehen waren, gab es für die denn keine Hoffnung?

Stichwort Jugendbewegung in der DDR. Da findet man viel versprechende Dinge, zum Beispiel die „freiheitliche deutsche Jugendbewegung - FDJ“. Aus dieser sollte eine breite, demokratische Jugendorganisation hervorgehen.

Die DDR wollte ihrer Jugend etwas bieten, Freiheit, Humanismus und Völkerfreundschaft sollte ihr nah ge-bracht werden. Man wollte ihr Raum geben, sich zu entfalten und mit anderen in Kontakt zu kommen, Freundschaften sollten entstehen und wachsen, die Jugend sollte sich aus-leben können.

Diese Bewegung war das parallele Erziehungssystem zur Schule und sollte Kinder und Jugendliche zu klassenbe-wussten Sozialisten erziehen. Auch die Kirchenarbeit sollte parallel bestehen bleiben, um eine Vielfalt zu erhalten.

Doch schon bald protestierten die Kirchen lauthals, weil ihre Arbeit, seit dem Bestehen des FDJ, eingeschränkt wurde. Von dem Ideal Freiheit war nicht viel zu erken-nen, wenn man sich ansieht, wie schnell die FDJ von ei-ner Jugendbewegung zur Zwangs- oder auch Staatsjugend wurde.

Wer nicht Mitglied war, hatte später erhebliche Nachteile. Man bekam beispielsweise schlechter ei-nen Ausbildungsplatz oder hatte mehr Probleme einen Studienplatz zu finden.Auch die Organisation der FDJ war in der Öffentlichkeit

anders geplant worden, als es nachher umgesetzt wurde. Die Jugend sollte ursprünglich mit einbezogen werden und die Organisation nach ihren Vorstellungen aufbau-en, doch eigentlich lief alles ähnlich wie in anderen gro-ßen Institutionen der DDR. Ein Parteiprinzip mit einer Hierachie, in der die Jugendgruppen ganz unten standen, wurde durchgesetzt. So konnte der Staat gut Einfluss neh-men und die Jugend kontrollieren.

Außer der FDJ hatten Strömungen der Jugendkultur in der DDR wenige Chancen. Sie passten nicht in das engstirnige Bild der Regierung, so konnten Subkulturen wie die Punk- oder Gothicszene sich nicht durchsetzen. Wohingegen sie in Westdeutschland ungemein zur Weiterentwicklung der Jugendkultur beitrugen und den Jugendlichen viele Impulse gaben.

Die meisten der Jugendlichen der DDR waren zum Ende Mitglied der FDJ. Dass sie mit Ende ihrer Ausbildung oder ihres Studiums die Organisation stillschweigend verlie-ßen zeigt, dass ihnen an ihr nicht viel gelegen haben dürf-te. Doch genau das ist es, was die Jugend ausmacht, eine Gruppe oder eine Aktion zu haben, an der dir etwas liegt. Es ist wichtig, Erfahrungen zu sammeln, die prägen, weil sie etwas bedeuten und in einem Rahmen gemacht werden, der angenehme Erinnerungen entstehen lässt.

Doch wenn man sich für etwas nicht begeistert und Mitglied aus Zwang wird ist der Sinn der Jugendbewegung an sich verfehlt.

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Die DDR, die Jugend und ihre FreiheitDeutsche Demokratische Republik. Das letzte, an das man denkt, wenn man über Freiheit spricht

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Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, nicht frei in euren Entscheidungen zu sein? Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn

Familienmitglieder Entscheidungen für euch treffen? Diese Gedanken mögen im ersten Moment absurd klingen, sind jedoch für Opfer einer Zwangsehe Realität.

Als Zwangsehe bezeichnet man allgemein eine arrangier-te Ehe, in der mindestens einer der beiden Eheleute nicht einverstanden ist mit der Schließung der Ehe oder der Ehe insgesamt. Besonders oft leiden Frauen an einer durch Zwang zustande gekommenen Ehe, da sie aus kulturellen und religiösen Gründen in deren Gesellschaft nicht so viele Rechte haben, wie die Männer und es gewohnt sind, sich unterzuordnen.

Viele junge Frauen, und teilweise auch Männer, leiden un-ter dem Druck, den ihre Familie auf sie ausübt, um die von ihnen ausgewählten Partner zu heiraten. Die Gründe für solch eine Zwangsheirat können verschiedenen Ursprungs sein, es kann um die finanzielle Lage der Familie gehen, zum Beispiel wenn ein Brautpreis entrichtet wird. Jedoch kann es auch sein, dass die Familie die Ehre der Tochter und somit der Familie ebenfalls “schützen” will und sie die jungen Mädchen beziehungsweise auch einige Männer des-halb früh verheiraten.

Die Familie spielt in manchen Kulturen der Welt eine sehr wichtige Rolle und in manchen Ländern, in denen die Frauen per Gesetz den Männern untergeordnet sind, ist es besonders schwer, eine Zwangsehe zu verhindern oder gegen sie vorzugehen. Manche Töchter bzw. Söhne möchten ihre Eltern nicht verletzen und die meisten trau-en sich nicht, eine Zwangsehe zu verweigern, da sie fürch-ten, die Ehre der Familie zu gefährden. Die Folgen sind oft Unterdrückung, Vergewaltigung und das permanen-te Gefühl, unglücklich zu sein, da die Machtverhältnisse

nicht ebenbürtig sind und sich die Ehepartner nicht frei für die Heirat entschieden haben.

Auch wenn dies für viele von euch zunächst unvorstellbar klingt, muss gesagt werden, dass selbst die Dunkelziffer der in Deutschland zwangsverheirateten Mädchen über 1000 liegt. Die Meinungsfreiheit und die Freiheit, unsere Entscheidungen selbst zu treffen, ist für uns selbstverständ-lich, doch wir sollten uns immer wieder vor Augen führen, wie kostbar dieses Gut der Freiheit ist. Fakt ist auch, dass es in vielen Ländern, auch Deutschland, per Gesetz geregelt ist, dass eine Ehe, in der einer der beiden Partner zu die-ser Ehe gezwungen worden ist, nicht erlaubt ist. Dies lässt sich auch mit den Menschenrechten erklären, nach denen Männer und Frauen gleichermaßen ein Mitspracherecht besitzen und selbst entscheiden, wen sie als Ehepartner auserwählen. (Artikel 1 und 16 (2) der “Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte” von 1948)

Allerdings fällt es oft schwer, Fälle vor Gericht zu bringen, in denen die Mädchen (dies geschieht bei Söhnen weniger) in Deutschland aufgewachsen sind und dann im Urlaub mit jemanden verheiratet werden, in dessen Land eine Zwangsheirat nicht illegal ist. Es fällt oft schwer, diesen Menschen zu helfen, da das deutsche Recht nicht eingrei-fen kann, wenn eine doppelte Staatsbürgerschaft vorliegt.

Jeder, der in einer Gesellschaft aufwächst, in der die Menschenrechte anerkannt wurden, und in der die Verfassung vorschreibt, dass Frauen und Männer vor dem Gesetz gleich sind, hat das Recht sich frei zu entscheiden und selber einen Ehepartner auszuwählen. Unsere Aufgabe besteht also darin, jedem, der ein deutscher Staatsbürger ist, die vollen Rechte unserer Gesellschaft zu garantieren und ihn vor Ungerechtigkeiten zu schützen.

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Über die Kostbarkeit der FreiheitSelbst in Deutschland gibt es noch Zwangsehen

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Die Dortmunder Nordstadt wird von manchen Bürgern als

„Problemviertel“ bezeichnet, von „so-zialem Brennpunkt“, „Überfremdung“ und hoher Kriminalitätsrate ist die Rede. Man kann die Nordstadt auch anders sehen. Als lebendigen Teil Dortmunds, in dem Menschen ver-schiedenster Herkunft zusammen leben. Das Ergebnis ist zum Beispiel, dass man in einer kleinen, spani-schen Kneipe auch noch um zwei Uhr nachts die besten Tapas weit und breit genießen kann.

Mittlerweile gibt es viele kulturelle Angebote und wegen des günstigen Wohnraums leben viele Studenten hier. Deshalb gibt es in der Nordstadt auch ein gutes alternatives Angebot, in den zwei Programmkinos, freien Theatergruppen und Kneipen, Cafes und Clubs lässt sich sehr viel Zeit totschlagen. Nur in der Dortmunder Nordstadt kann man einen „Borussia Fan Gottesdienst“ besuchen, in wel-chem der Chor „You’ll never walk alone“ singt. Und in der Nordstadt

liegt seit mehr als zehn Jahren die Wahlheimat des Musikers Boris Gott. Lange Zeit ein Geheimtipp, hat er spätestens seit seinem Album „Bukowski-Land“ überregionale Aufmerksamkeit erlangt. Zitat aus dem Lied „Nordstadt“:

„Heute ist ein schöner Tag, hier im Norden meiner Stadt. Junkies leuch-ten, Mütter schreien. Es ist schön hier zu sein.“

Sein neues Album „Es ist nicht leicht ein Mensch zu sein“ erschien im November. Besonders hörenswert ist hier der Titel „Tanz auf dem Vulkan“.

Wir trafen den Musiker, Manager, Moderator und Besitzer des jungen Labels „Nordmarkt-Records“ wäh-rend des ersten Schneegestöbers dieses Winters in einem Eiscafe in der Dortmunder Nordstadt zum Gespräch.

*

&: In deinen Liedern besingst du sehr oft die seltsame Schönheit der Dortmunder Nordstadt, dort wohnst du jetzt seit zehn Jahren. Was faszi-niert dich so an dieser Gegend?Ich finde es schön, dass hier die

Menschen so offen und liberal sind. Die Nordstadt ist ein Schmelztiegel von vielen interessanten Kulturen. Irgendein schlauer Mensch hat mal gesagt, dass wir in der Fremde alle gleich sind.

&: Deine neue CD „Es ist nicht leicht ein Mensch zu sein“ erscheint auf deinem eigenen Musiklabel „Nordmarkt-Records“. Erzähl uns etwas über die Arbeit mit einem eige-nen Label.Als freier Künstler ist es schön, al-

les selber machen zu können. Ich bin mein eigener Manager und ich pro-mote und verkaufe meine Musik sel-ber. Außerdem bin ich Mitproduzent im Studio 27, in welchem ich auch das neue Album aufgenommen habe. Irgendwann möchte ich mit meinem Label eine Plattform für viele talen-tierte Künstler sein.

&: Warum bist du Musiker geworden?Nun ja, ich mache Musik seit ich 14

Jahre alt war. Seitdem treibt mich ein innerer Drang zurück zur Musik. Ich habe mich entschieden, professionell Musik zu machen, und das bereue ich nicht. Es ist schön, bei den Menschen Emotionen auszulösen und mich ih-nen mitzuteilen.

&: Bei manchen Leuten hast du den Spitznamen „Nordstadt-Underdog“. Findest du, dass das zutrifft?Insofern, dass ich gerne die

Schattenseiten und die gesellschaftli-chen Randgebiete beleuchte.

&: Was ist lebensnotwendig, wenn man Musiker sein möchte?Ich würde sagen, dass Inspiration ge-

nauso wichtig ist wie die unendliche Lust an der Musik.

&: Wenn du deine Musik mit einem Wort beschreiben müsstest, welches wäre das dann?(Überlegt) „Nordstadtpop“.

„Heute ist ein schöner Tag“Interview mit dem Dortmunder Musiker Boris Gott

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&: Deine erste CD als Solo-Künstler, „Bukowski-Land“, war sehr erfolg-reich. Warst du überrascht oder hat-test du so etwas erwartet?Ich hatte es mir erhofft. Und „sehr

erfolgreich“ heißt hier, dass ich alle CDs verkauft habe. Das war schon ein großer Erfolg.

&: Du machst nun schon lange Musik und bist mittlerweile ganz und gar ein Profi. Da würde mich doch mal interessieren, ob du noch Lampenfieber vor einem Auftritt hast?Früher hatte ich oft Lampenfieber,

aber heute kommt das nur noch selten vor.

&: Es heißt, dass du früher Mal als Sozialarbeiter gearbeitet hast. Warum machst du das jetzt nicht mehr? Als Sozialarbeiter hattest du sehr viel

mit Menschen zu tun, das hat sehr viel Spaß gemacht, aber am Ende war der Ruf der Musik größer.

&: Was ist das negativste an deiner Tätigkeit als Musiker, Manager und Moderator?Ich muss oft langweiligen

Schreibkram machen. Das ist wirk-lich kein Spaß.

&: Welche anderen Projekte außer deiner Musik hast du im Moment? Jeden 3. Donnerstag im Monat mo-

deriere ich in der Dortmunder Bar „Subrosa“ einen Talentwettbewerb. Die Veranstaltung ist eigentlich im-mer gut besucht. Das mache ich wirklich gerne, vor allem wegen der vielfältigen Teilnehmer. Letztlich ist ein Musiker namens Liron Man dort aufgetreten, der mich wirklich begeis-tert hat.

&: Viele Musiker ziehen der Karriere wegen in Städte wie Berlin oder Hamburg. Kommt so etwas für dich nicht in Frage?Nein, ich bin hier in Dortmund hei-

misch geworden. Ich komme aus ei-nem kleinen Städtchen in der Nähe von Arnsberg, ich bin eigentlich mehr der provinzielle Typ.

&: Wenn du nicht Musik machst, was sind deine größten Hobbys?Ich lese sehr viel und beschäftige

mich mit Literatur, aber seit kurzem habe ich das Crossgolfen für mich entdeckt. Das ist ein sehr junger Sport, bei dem man Golf nicht auf dem Golfplatz, sondern einfach über-all spielt. Im Internet informiert man sich, wo das nächste Spiel stattfindet. Ich gehe auch gerne ins Stadion, um mir die Spiele von Borussia anzuse-hen, aber das ist in letzter Zeit weni-ger geworden.

&: Welche Musik hörst du als Musiker am liebsten?Johnny Cash, Rammstein, The

Killers… und einen eher unbekann-ten Künstler namens Bonny Prince Billy.

&SL

CDs gibt‘s bei:nordmarkt-records.deSubrosa im Internet:hafenschaenke.de

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Freiheit für Kachelmann?Pressefreiheit contra Persönlichkeitsrecht. Wie der Wetterfrosch zum meistgegoogelten Mann Deutschlands, zum Lieblingsmotiv vieler Fotografen, zum Hassobjekt und zur „Trophäe“ wurde.

Seit dem Frühjahr wird verhandelt, beobachtet, dis-kutiert und gefragt, ob der einst so beliebte, lustige

Wettermoderator ein Vergewaltiger ist oder nicht. Aber vor allem wird eins getan: Die Medien spekulieren, beziehen Partei und manipulieren anscheinend sogar Zeugen.

Denn mit jeder neuen Zeugin, jedem neuen Gutachter, und jedem neuen dadurch erlangten Aufmacher in der Zeitung, der Zeitschrift oder in TV-Boulevardmagazinen soll die Auflage oder Quote erhöht und zu Geld gemacht werden.

Jörg Kachelmann: Jeder kennt ihn aus dem Fernsehen, den netten, bärtigen „Wetterfrosch“ der ARD, der in den Werbeblöcken gerne Empfehlungen gibt, wie man seine Abwehrkräfte stärken kann. Immer lustig, immer unter-haltsam, meist mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Und wer ihn noch nicht kannte, kennt ihn spätestens seit die-sem Frühjahr, genauer gesagt seit dem 20. März, dem Tag an welchem er verhaftet und sofort zum Top-Thema in al-len Medien wurde.

Denn das Bild vom netten, symphatischen, wettergelehr-ten, lustigen Wunsch-Schwiegersohn aller Muttis wurde mit den Vorwürfen gegen ihn irreparabel zerstört:

Sabine W. (Name geändert), 36 Jahre alt, mit welcher der 52-jährige schweizer Staatsbürger seit elf Jahren liiert war, legt ihm zur Last, sie am 9. Februar in ihrer Wohnung im baden-württembergischen Schwetzingen zum Sex ge-zwungen zu haben, nachdem sie sich von ihm trennen wollte. Dabei soll er ihr ein Küchenmesser gegen die Kehle gedrückt haben und sie während und nach der Tat mit dem Tod bedroht haben: „Halt die Klappe oder du bist tot“ habe er befohlen. Kachelmann bestreitet die Vorwürfe.

Aus seiner Sicht der Dinge hat seine frühere Freundin bereits in ihrem Schlafzimmer mit Handschellen und Reitpeitsche auf ihn gewartet. Dann hätten sie einver-nehmlich miteinander geschlafen und im Anschluss zu-sammen gegessen. Erst dann habe Sabine ihn wegen eines Flugtickets, welches auf ihn und eine andere Frau ausge-stellt war, zur Rede gestellt. Daraufhin hätten sie sich ge-trennt und er habe die Wohnung verlassen.

Während der Olympischen Winterspiele in Vancouver sag-te Jörg Kachelmann live aus Kanada deutsches Wetter vo-raus und als er am 20. März von seiner Reise zurückkehrte

wurde er noch am Flughafen verhaftet. Nach über vier Monaten in Untersuchungshaft wurde er erst am 29. Juli entlassen, nachdem das Oberlandesgericht Karlsruhe sei-ner Haftbeschwerde stattgegeben hatte. Es bestand kein dringender Tatverdacht mehr; von einer Fallkonstellation „Aussage gegen Aussage“ war die Rede.

Am 19. Mai hatte die Staatsanwaltschaft Mannheim „we-gen Verdachts der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“ be-reits Anklage erhoben, am 6. September folgte dann der Prozessauftakt.Doch dieser Prozess scheint ohnehin unnötig, wo man

sich doch außerhalb des Gerichtssaals schon umfassend ein Urteil gebildet hat.

Klar, ob schuldig oder nicht, ob er das vermeintliche Opfer nun vergewaltigt hat oder nicht, dafür gibt es bisher keine schlüssigen Beweise – weder für noch gegen Kachelmann. Teure Gutachter, mal von der Verteidigung, mal von der Staatsanwaltschaft beauftragt, kommen zu den Schlüssen, zu denen sie auch kommen sollten, um ihren Geldgeber nicht zu verärgern. Ihre Glaubwürdigkeit wird dann an-gezweifelt. Richter werden beschuldigt „befangen“ zu sein. Doch eines darf man bei alledem nicht vergessen: Nicht der Angeklagte muss seine Unschuld beweisen, sondern die Anklage muss ihm seine Schuld nachweisen.

Doch statt sich mit den Ereignissen des 9. Februar wirklich sachlich auseinanderzusetzen taucht eine Kachelmann-Geliebte nach der anderen auf, um ihn vor Gericht zu belasten.

Waren diese Zeuginnen bei der angeblichen Tat dabei? Können sie nun sagen, ob Kachelmann Sabine W. das Messer an den Hals gehalten und sie unter Todesangst ver-gewaltigt hat? Wohnt eine von ihnen in der Wohnung über Sabine und ist von ihren Schreien geweckt worden? All die-se Fragen muss man wohl verneinen.

Der Grund für ihren Status als „Zeuginnen“ ist laut Gericht und Staatsanwalt, dass man sich durch ihre Aussagen einen Einblick in die Psyche des Angeklagten erhoffe.

In der öffentlichen beziehungsweise wohl eher in der „ver-öffentlichten“ Meinung bewirkten die vielen Frauen, die sich bei der Polizei oder der Presse meldeten, dass sich das Bild eines Psychopathen formte. Das Bild eines Mannes,

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der ein Doppel-, Dreifach-, Vierfach- oder Zehnfachleben führte, scheinbar einem Dutzend Frauen gleichzeitig glaub-würdig die Ehe und Kinder versprochen hat und eine Lüge nach der anderen erfand, um sein Konstrukt aus falschen Hoffnungen nicht zu gefährden. Auch über seine sexuel-len Vorlieben ist der eifrige Leser und Zuschauer mittler-weile bestens informiert: von Fessel- und Rollenspielchen, Sado Maso und „Sex mit der Peitsche“ ist die Rede.

Wie gut, dass es die Pressefreiheit, die Bunte, die Bildzeitung und Feministinnen-Königin Alice Schwarzer gibt, um uns allen davon zu berichten, was Kachelmann so antörnt.

Gut zu wissen, dass es noch objektive Berichterstattung aus dem Gerichtssaal gibt, gerade, wenn „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer plötzlich auf der Titelseite einer Zeitung, die sie in den vorigen Jahrzehnten immer wieder wegen Menschen- und Frauenfeindlichkeit attackiert hatte, neben dem barbusigen „Seite 1-Girl“ regelmäßig den Verlauf des Prozesses „kommentiert“ beziehungsweise dem Leser vom Mut der „zarten, blonden, jungen Frau“ und vom angeklag-ten TV-Moderator, der sie „gedemütigt“ habe, berichtet.

Und der Burda-Verlag, bei dem unter anderem der Focus und die Bunte erscheinen, zahlte mehreren Ex-Geliebten vier- und fünfstellige Beträge nach deren Erhalt die Frauen, die dem Meteorologen teilweise zuvor noch Briefe ins Gefängnis geschickt hatten, in denen sie schrieben, an seine Unschuld zu glauben, plötzlich als Zeuginnen vor Gericht auftraten. Außerdem soll der Verlag einer seiner „Exklusiv-Vereinbarungs“-Zeuginnen als Gegenleistung auch noch garantiert haben, ihr die Rechtsanwaltskosten und auch eventuelle Schmerzensgeldzahlungen abzunehmen, sollte Kachelmann sie wegen des Interviews „haftungsrechtlich in Anspruch nehmen“.

Der einst täglich live im Fernsehen zu sehende Moderator hat ja schon angekündigt, unabhängig vom Ausgang des Prozesses, nicht ins Fernsehen zurückkehren zu wollen, nachdem Staatsanwaltschaft und Medien sein „Privatleben gewaltsam öffentlich gemacht haben“. Um seine Zukunft als Moderator geht es bei den Berichterstattungen also so-wieso nicht mehr. Wohl aber um die Würde des Menschen und das Persönlichkeitsrecht eines jeden einzelnen:

Denn gleich welches Ergebnis die Verhandlung bringt, so sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass Gericht und Staatsanwaltschaft das Privatleben eines Angeklagten nicht so in der Öffentlichkeit breittreten lassen, wie das im Fall Kachelmann geschehen ist. Die Verteidigung wirft der Staatsanwaltschaft sogar vor, ge-zielt mit Medienvertretern zusammengearbeitet zu haben, und Informationen weitergegeben zu haben. Der Verdacht keimt auf, Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei würden Kachelmann und den Medienrummel um ihn als eine Art Trophäe sehen: So habe die Polizei noch am Tag seiner Verhaftung Kachelmanns Namen im Zusammenhang mit

der Verhaftung „rechtswidrig preisgegeben“, meinte die Verteidigung.

Der bestimmt noch langwierige Verhandlungsverlauf wird die Frage nach Schuld und Unschuld hoffentlich noch klären, spätestens in einem Revisionsprozess – soweit kann man dem deutschen Rechtssystem wohl noch trauen.

Das vielleicht rechtswidrige Verhalten der zuständigen Staatsanwälte, die Ausschlachtung des Privatlebens des Mannes, dessen Freiheit wohl erst nach der Pressefreiheit zu kommen scheint, und die interessanten, vielleicht auch bizarren Verhandlungsmethoden, welche ein solcher Indizienprozess, in dem Aussage gegen Aussage steht, manchmal mit sich bringen kann, bleiben beobachtungs- und diskussionswürdig und werden sicher auch in Zukunft noch zum Nachdenken anregen.

Und vielleicht kommt es dann – im Falle eines Freispruchs – zu gleich mehreren neuen Prozessen, diesmal mit dem Kläger Kachelmann.

&FM

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Aber natürlich. Wer möchte nicht ohne Regeln leben, niemanden fragen müssen, was in Ordnung ist und

was nicht. Sich einfach seinen eigenen Ideen hingeben, so leben wie man es sich schon immer gewünscht hat.

Meinerseits wäre das wohl, überall meinen Senf dazuge-ben zu können. Ob bei Dingen, von denen ich wirklich et-was verstehe, oder von denen ich überhaupt keine Ahnung habe. Genauso könnte jeder dorthin gehen, wo er hingehen will, zum Beispiel fremde Länder bereisen oder Jahre lang nur das tun, was gefällt.

Sich einfach treiben lassen und seinen Traum leben, da-rüber spricht wohl fast jeder. Die wenigsten träumen von einem Leben im engen Korsett der Gesellschaft, bestimmt von Regeln, Gesetzen, Werten und Normen.Man möchte oft einfach ausbrechen, auf den Tisch hau-

en und all das sagen, was einem so gar nicht passt. Doch dass man viel lieber noch ein wenig Freiheit mehr hätte, ja gar die totale, absolute, traut man sich noch weniger auszusprechen.

Obwohl man statt in der Schule zu schwitzen oder sich mit den Eltern hitzige Diskussionen zu liefern, einfach gerne los laufen würde und erst stehen bleiben will, wenn man am Meer steht. Oder in den Bergen, oder in der Wüste oder an einem See. Eben da, wo man das hat, was man für das ideale Leben braucht.

Alles wäre sicherlich einfacher, wenn wir keine Rücksicht nehmen müssten. Nie mehr nachdenken, ob der nächste Schritt der richtige ist, denn Konsequenzen existieren in der totalen Freiheit nun mal nicht. Man muss nie für etwas Rechenschaft ablegen, tut alles aus einer Laune heraus.

„Freiheit ist immer auch die Freiheit der anderen.“ ROSA LUXEMBURG

Das würde im Endeffekt Anarchie bedeuten. Das, wovon jeder linksradikale Punker träumt. Mit dem Unterschied, dass manche diese Anarchie gar nicht erst brauchen, um das oben angerissene Verhalten zu zeigen. Aber auch der, der den oben beschriebenen Traum träumt, käme wohl am besten in einer Anarchie zurecht. Eben in einer Staatsform ohne Gesetze. Laut Wikipedia bezeichnet Anarchie ei-nen Zustand der „Abwesenheit von Herrschaft, jedoch im Ursprung auch einen Zustand der sozialen Ordnung der freien Menschen durch die Freiheit aller.“

Nun die Grundidee scheint nicht verwerflich zu sein, frei ist ja ein sehr angenehmes Wort und ebenfalls ein erstre-benswerter Zustand. Doch kann eine solche Ideologie wirklich funktionieren? Nicht umsonst wird Anarchie oft als „Chaos“ verstanden. Denn die Frage ist, ob jeder in einer solchen Welt Rücksicht auf andere Träume nehmen könn-te, was schon wieder eine Regel wäre und dieser Ideologie ja eigentlich widerspricht. Denn nur wenn jeder jedem sei-nen Raum lässt um frei zu sein, wird er auch Raum haben um selbst frei zu sein. Jedoch könnte dieser Raum für jeden in seiner Vorstellung unterschiedlich groß sein.

„Freiheit ist immer auch die Freiheit der anderen“, das sag-te Rosa Luxemburg, und es fasst gut meinen beschriebenen Gedanken zusammen.

Und hier stoßen wir nun an unsere Grenzen. Für den einen hieße genügend Freiraum vielleicht nur, dass jeden Morgen eine Tasse Kaffee und eine gute Zeitung auf seinem Tisch zu finden sind und er sich mit ihnen so viel Zeit nehmen kann, wie er möchte. Für den anderen könnte dieser Raum aber erheblich größer sein und vielleicht bedeuten, dass er dem anderen die Zeitung nach kurzer Zeit zu eigenen Zwecken entwenden möchte, um damit ein Pappmasche-Haus zu bauen.

Allein dieses Beispiel bestätigt: Eine totale Freiheit wäre bei den unterschiedlichen Charakteren unserer Gesellschaft nicht möglich, wenn die Rücksichtnahme des Einzelnen sich nicht drastisch ändern würde. Denn das ist eine Grundidee eines sozialen Zusammenlebens, was momentan noch nicht einmal in unserem ausgewiesenen „Sozialstaat“ funktionieren mag.

Wollen wir die totale Freiheit?Ein Kommentar von Kathalena Essers

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Also sollten wir vielleicht zunächst eine Möglichkeit (er-)finden, in der alle – vom Manager über den Lehrer bis zum Arbeitslosen – Rücksicht aufeinander nehmen lernen.

Ein erster Schritt, um diese Basis zu schaffen, wäre die Zurechtweisung von Parteien, die in einem Sozialstaat re-gieren, aber Gesetze verabschieden möchten, die denen, die sowieso schon genügend Geld besitzen, bei den Steuern noch mehr entgegenkommen.Genauso wie verhindert werden muss, dass unsere

Wirtschaft es zulässt, dass die Spanne zwischen Arm und Reich sich noch weiter enorm vergrößert und die Mittelschicht immer dünner wird.

Das ist dann nicht nur eine Frage von Rücksichtnahme sondern auch von Gerechtigkeit. Ohne diese beiden Faktoren werden wir uns immer weiter von der Vorstellung der totalen Freiheit des Einzelnen entfernen und nur de-nen, die ihre persönliche Freiheit sowieso schon zu rück-sichtslos genießen können, noch mehr davon geben.

Sie werden sich dann noch mehr in ihren Träumen, die gar keine sind, sondern bloß eine Steigerung von dem, was sie schon längst besitzen, verlieren. Nur um überhaupt einen Traum zu haben. Denn keinen Traum zu haben bedeutet auch keine Bewegung mehr im Leben zu haben. Da dieje-nigen, die genügend Geld, was ja oft mit Freiheit gleichge-setzt wird, besitzen, sich ihre, meist materiellen, Träume erfüllen können, scheinen sie glücklicher zu sein, jedoch

sind ihre Träume in Wahrheit gar nicht ihre Träume. Sie haben nur die Freiheit, sich alles kaufen zu können, was sie möchten, obwohl sie vielleicht in Wahrheit nur davon träumen auf der Terrasse zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen. Doch diesen Traum können sie gar nicht mehr als solchen identifizieren, denn sie sind gefangen in ihrer Welt mit dem Prinzip höher, schneller, weiter. Es geht nur um Luxussteigerung und nicht mehr darum, sich wirklich et-was hinzugeben.

Diejenigen jedoch, die noch wirklich Träume haben, wer-den wir irgendwann von ihren Träumen abbringen, weil dann selbst das träumen nicht mehr gerechtfertigt werden kann.

Doch vielleicht können wir alle uns dazu aufraffen, die Menschen zum Träumen zu ermutigen und so den un-sinnigen Luxus gegen wichtigeres wie Freundschaft und Ruhe eintauschen. Vielleicht können sich Arm und Reich dann wieder begegnen, ohne Eifersucht, aber dafür mit Verständnis.

&

Das Leben kann so hart sein...

Wir geben Euch Energie

www.sw-unna.deFoto: ww.photocase.com

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Page 42: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

„Ich will euch von William Wallace berichten.“ So beginnt er, der Film, der das Wertebewusstsein eines jungen Menschen mehr prägen kann als irgendeine schulische Diskussion. Die Welt hat viele Freiheitskämpfe erlebt, bei keinem durften wir dabei sein. Aber Braveheart gibt einem zumindest das Gefühl, etwas miterlebt zu haben.

Trotzdem erhebt der Film keinerlei Anspruch auf historische Richtigkeit, Mel Gibson hat hier hingegen als Produzent und Regisseur ein unterhaltsames Stück Filmgeschichte geschaffen, welches mit fünf Oskars, unter anderem als „Bester Film“, ausgezeichnet wurde.

Im Kurzabriss geht es um den schottischen Freiheitskampf gegen Eduard I. von England, genannt „Longschanks,“ welcher den schot-tischen Thron für sich beansprucht. Dieser komplexe Freiheitskampf wird im Film stark vereinfacht und als eine zeitlich sehr enge Handlung dargestellt, was sich in Wirklichkeit nicht ganz so zugetragen hat.

Braveheart ist klassischstes Hollywood Unterhaltungskino vor histori-schem Kontext. Mel Gibson spielt hier als William Wallace einen schot-tischen Freiheitskämpfer, der im England des 13. Jahrhunderts gegen die englischen Besatzer kämpft und, nachdem er mehrmals verraten wurde, schlussendlich hingerichtet wird.

William Wallace, ein Schotte, dessen Vater von den Engländern er-mordet wird, wird von seinem Onkel aufgenommen. Bei ihm lernt er Lesen und Schreiben, reist um die Welt und entwickelt sich zum gebil-deten „Barbaren“, was aus Wallace einen unterschätzten Mann macht.Dieser kehrt dann zurück in seine Heimat, wo er seine Jugendliebe hei-ratet, welche kurz darauf ermordet wird. Getrieben von Rache schlid-dert Wallace daraufhin in einen Befreiungskrieg gegen die Engländer, welchen er anfangs gar nicht so recht zu wollen scheint. Obwohl er im-mer wieder verraten wird, kämpft er sich durch. Vor allem aber glaubt er weiterhin an das Gute in seinen Verrätern.

Tragisch endet der Film mit der Folter und Hinrichtung von Wallace, bei welcher er nach wie vor seine Ideale hochhält und „Freiheit!“-schreiend stirbt.

Aus heutiger Sicht fehlt dem Film eine ganze Menge. So gibt es zum Beispiel so gut wie keine Spezialeffekte, auch die Schlachten sind grau-sam aber nicht überladen dargestellt. Doch gerade diese Reduktion auf das Wesentliche, das gute Drehbuch und die schauspielerische Leistung machen diesen Film zu dem ausgezeichneten Klassiker, der er ist. Selbst wenn er eigentlich nur eine gut aufbereitete Geschichte erzählt und den schottischen Freiheitskampf auf eben diese Geschichte von persönli-cher Rache reduziert.

Persönlich kann ich dem Film viel abgewinnen, die Figur Wallace er-scheint real und greifbar, die Handlung kennt man zwar schon, doch ist die Geschichte großartig erzählt und lässt den Zuschauer nicht zur Ruhe kommen.

Und spätestens, wenn Wallace hingerichtet wird und ein ergreifendes „Freiheit!“ brüllt, freut man sich mit den schottischen Aufständischen über ihren moralischen Sieg.

&MK

BraveheartRezension: Mel Gibson erzählt vom Kampf des William Wallace.

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Page 43: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Du sitzt im Cockpit des Seglers. Wartest, bis die Winde bereit ist. Das Seil vor dir be-

wegt sich, wird straff gezogen. Dann kommt die Beschleunigung. Der Horizont kippt nach hin-ten und du siehst nur noch den blauen Himmel vor dir. 300 Meter über dem Erdboden klinkst du aus. Die Beschleunigung lässt nach und für einen kurzen Moment bist du schwerelos. Du gleitest über die Welt, alles sieht winzig aus. Du vergisst, dass du da in dieser kleinen Holzkiste mit Tragflächen sitzt, über 300m über der Erde. Du fühlst dich einfach nur frei…

Genau das sind die Momente, die ich am Segelfliegen so liebe. Dieses unbeschreibliche Gefühl der Freiheit. Das Fliegen ist eben nicht nur ein normales Hobby. Fliegen ist anders.

Natürlich hat auch das Fliegen seine alltägli-chen Seiten. Flugzeuge müssen gewartet wer-den, Startwagen aufgebaut und von Zeit zu Zeit mal ein Flieger von der Wiese geschoben werden. Jedes Hobby ist eben auch mit Arbeit verbunden. Da macht das Segelfliegen keine Ausnahme. Doch all diese Kleinigkeiten vergisst man, wenn man erst mal „oben“ ist. Entrückt von allem, – voll konzentriert auf den Wind, die Wolken und den Segler – vergisst man schnell, was einen am Boden noch bedrückte. Stress mit der Schule, der Arbeit oder der Familie wird einfach – und an dieser Stelle kann man nicht

umhin Reinhard Mey zu zitieren – nichtig und klein.

Man wird frei vom eigenen Alltag. Sicherlich fin-det man auch in anderen Freizeitbeschäftigungen eine gewisse Zerstreuung, eine Ablenkung vom Alltagstrott, doch ist die Freiheit beim Fliegen einfach anders. Genau kann ich es nicht in Worte fassen, was am Fliegen so faszinierend ist. Ich kann nur sagen, dass es jeder -solan-ge sie oder er keine große Angst vor der Höhe oder der Geschwindigkeit hat- einmal auspro-biert haben sollte. Schaden kann es nicht. Denn der Flugsport ist nicht gefährlicher als andere Sportarten. Es gab 2009 mehr Reitunfälle als Unfälle auf einem Segelflugplatz. Es ist wohl auch gefährlicher, die Straße zu überqueren, als sich in ein Segelflugzeug zu setzen.

&TSSE

Über den Wolken muss die Freiheit wohl

grenzenlos seinEin Liebeslied an den Segelflugsport

Segelfliegen könnt

ihr zum Beispiel hier

ausprobieren:

lsv-unna-schwerte.de

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Page 44: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

&: Wie geht es Ihnen vor diesem Interview, Herr Mohr?Gut! Ich bin gespannt was mir die liebe

Kathalena für Fragen stellen möchte.

&: Dann auch schon gleich zur ersten Frage: Wollten Sie eigentlich schon immer Lehrer werden?Nein, als kleiner Junge war mein Traumberuf

Lokomotivführer. Nach dem Abi wollte ich dann Richter werden und habe Rechtswissenschaft studiert. Doch ich habe schnell gemerkt, dass das nicht der richtige Beruf für mich ist. Ab die-sem Zeitpunkt war klar, dass ich Lehrer werden will.

&: Sehen Sie sich als typischen Lehrer?(überlegt) Ich glaube es gibt so viele verschie-

dene Rolleninterpretationen, dass es schwierig

ist zu sagen, was ein typischer Lehrer ist. Ich könnte jetzt sagen, was ich wichtig für einen Lehrer finde, aber was typisch ist will ich nicht beurteilen.

&: Was ist denn für Sie wichtig?Dass möglichst alle Schüler das Lernziel errei-

chen. Und dass ich als Lehrer den Schülerinnen und Schülern Respekt entgegenbringe, sie als Persönlichkeiten respektiere.

&: Und Was ist das Wichtigste, das Sie neben den Unterrichtsinhalten an Ihre Schüler wei-tergeben wollen?Es wäre schön, wenn ich mit dazu beitragen

könnte, dass meine Schülerinnen und Schüler bereit sind, sich für ihre eigenen Rechte einzu-setzen, aber auch für die Rechte und die Freiheit anderer Menschen.

„Freiheit braucht Einsatz.“Herr Mohr erzählt von seiner wilden Jugend

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Page 45: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

&: Was hat für Sie als Jugendlicher denn Freiheit bedeutet?Meine Jugend war ja die Zeit der 68er

Studentenbewegung. Da ging‘s in der Tat ja da-rum, dass wir uns von vielerlei Zwängen befrei-en wollten. Zum Beispiel von den Zwängen in Schule und Studium, von autoritären Methoden und von gesellschaftlichen und politischen Einengungen.

&: Da nehmen Sie mir schon eine Frage vor-weg! Sie gelten ja als 68er des Kollegiums, zu-mindest unter vielen Schülern. Sehen Sie das auch so?(lacht) Also... ja, das nehme ich erstmal als

Kompliment! Es hat sich natürlich viel geän-dert, auch bei mir. Aber wichtige Grundsätze und Überzeugungen habe ich beibehalten, so-dass ich die Bezeichnung „Alt-68er“ nicht von mir weisen würde.

&: Was unterscheidet Ihre Vorstellung von Freiheit heute von der in Ihrer Jugend?Die Unterschiede sind eigentlich nicht sehr

groß, nur sehe ich heute vieles nicht mehr so radikal. Das bringt vermutlich das Alter so mit sich. Ich denke, man ist frei, wenn man nichts tun muss, was man nicht tun will. Das halte ich für noch wichtiger, als alles tun zu können was man will. Und ich widerspreche, wenn zum Beispiel jemand wie A.S. Neill, der Gründer von Summerhill, als die höchst Stufe der Freiheit die innere Freiheit lobt, die erreicht sei, wenn man sich auch im Gefängnis oder als Sklave frei fühlen könne. Ein glücklicher Gefängnisinsasse oder ein glücklicher Sklave sind in meinen Augen eher Feinde der Freiheit, weil sie sich mit äußeren Zwängen abfinden. Frei kann man nur ohne äußere Zwänge sein. Freiheit ist für mich deshalb etwas sehr politisches, weil sich nur so bestehende Unfreiheiten beseitigen lassen.

&: Was wäre für Sie denn die perfekte politi-sche Situation?Auf unsere Gesellschaft bezogen müsste so-

ziale Ungerechtigkeit bekämpft werden. Auch Umweltzerstörung bedeutet für mich Unfreiheit. Denn spätere Generationen werden in eine „ka-putte“ Welt hinein geboren und müssen mit den damit verbundenen Einschränkungen leben.

&: Wann fühlen Sie sich im Alltag denn mal so richtig frei?Jedes Jahr am ersten Tag der Sommerferien.

(lacht) Und auch wenn wieder ein Jahrgang sein Abitur bestanden hat. Das ist nicht nur für Euch als Schüler, sondern auch für mich als Lehrer ein Gefühl von Freude und Freiheit.

&: Wären Sie auch Lehrer, wenn man nicht Beamter werden würde?Das ist für mich nie wichtig gewesen, oft wün-

sche ich mir nicht Beamter zu sein, aber dafür Streikrecht zu haben. Wie in Frankreich, das wäre bei uns auch sinnvoll.

&: Welche Kollegen können Sie denn beson-ders gut leiden? Frau Büning kann ich natürlich ganz beson-

ders gut leiden! (lächelt) Und alle anderen, mit denen ich auch privat mehr zu tun habe. Ich gehöre zu einer Gruppe von Lehrern und Lehrerinnen, die früher einmal im Jahr segeln gegangen ist. Heute treffen wir uns zum Rad fah-ren. Ursprünglich waren wir die GEW-Gruppe (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) im Gegensatz zu den meisten anderen Kollegen, die Mitglieder im Philologen-Verband sind.

&: Wir kommen zum Ende. Was halten Sie denn so von freier Liebe?Also, in meiner Studentenzeit war das natür-

lich ein Thema. Da galt das Motto: „Wer zwei-mal mit der selben pennt, gehört schon zum Establishment!“

&: Und danach haben Sie sich dann auch orientiert?(lacht) Ja, das war ein Teil unseres Lebensgefühls

damals. Ich und andere haben dann auch aus-probiert, ob man ohne feste Bindung nicht nur frei, sondern auch glücklich leben kann. Heute weiß ich, dass Liebe und Treue zusammen gehö-ren und das widerspricht natürlich dem Motto der freien Liebe.

&: Haben Sie einen letzten Satz für die Schüler, wie Sie am besten ihre persönliche Freiheit finden?Na ja, so einfach finden kann man die Freiheit

nicht, da sind Einsatz und manchmal auch Kampf erforderlich.

&KE

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Lasst es doch einfach! Na ja, ich weiß schon, dass das in Wirklichkeit gar nicht so einfach ist. Schließlich seid Ihr süchtig und deshalb auch nicht im-mer Herr/in eurer Sinne. Wenn wieder der ganz alltägliche Nikotinhunger

kommt, dann braucht Ihr einfach eure kleine Giftration. Also das versteh‘ ich schon, dass Euch die vielen gutgemeinten Ratschläge dieser total ignoranten Nichtraucher kein Stück weiter helfen.

Aber andererseits ist das doch überhaupt kein Grund für Euch, nicht selbst ein Stückchen weiter zu gehen. Wirklich nur ein Stückchen – gerade so weit, wie es das Gesetz vorschreibt: Rauchen ist verboten auf dem Schulgelände, wer‘s doch tut, könnte jederzeit mit einem Bußgeld belangt werden – und Ihr habt doch sowie schon nichts zu verschenken als Raucher, oder?

Na gut, „oder“! Schließlich kann ich gar nicht wissen, ob Euch Euer Beschaffungszwang immer schön nahe an der Pleite hält. Nur aus meiner va-gen Erinnerung, wie das Rauchen immer teurer geworden ist, selbst wenn man selbst drehte und die eingedrehten Filter auch noch ein wenig billiger waren als die damit gesparte Tabak-Menge. Also lassen wir das, die Hinweise auf die fi-nanziellen Folgen haben mich damals auch schon genauso genervt wie die ewi-gen Erinnerungen an die höchstwahrscheinlich tödlichen Folgen. Wirklich, so-was braucht man nicht als aktuell betroffener Suchtkranker – schon gar nicht, wenn die penetrantesten Tipps von ehemaligen Rauchern kommen. Die sind ja bekanntlich die schlimmsten Nörgler, auch das war früher schon so.

Was habe ich euch also zu sagen, wo Ihr doch sowieso schon alles wisst? Ich versuche es einfach noch mal: Lasst es doch einfach! Seid einfach ein bisschen souveräner und verlasst selbstständig das Schulgelände. Das Gesetz verlangt das eindeutig von Euch und dies ist ebenso wenig nur eine freundliche Empfehlung wie das Rotlicht an der Ampel. Der kleine Spaziergang kostet Euch weder wichtige Rauch-Zeit noch schadet er Eurer Gesundheit – und das müsste doch gerade Euch… doch lassen wir das, ich wollte mich ja zurückhalten mit der Klugscheißerei.

Aber fair wäre es schon von Euch, wenn Ihr nicht immer wieder auf die Ansage warten würdet. Oder meint Ihr, das macht Spaß? „Verlassen Sie bitte das Schulgelände“, „Rauchen ist hier nicht erlaubt“, „ich habe Sie doch gera-de schon gebeten – bitte gehen Sie noch ein paar Meter weiter!“ Ist das nicht entwürdigend, wie Euch die zur Aufsicht verpflichteten Lehrer immer wieder volltexten müssen? Nervend geistlos für beide Seiten? Könnten wir nicht ver-suchen, etwas respektvoller miteinander umzugehen? Zum Beispiel, indem wir Selbstverständlichkeiten akzeptieren und nicht auf Freiheitsrechte verweisen, die es aus guten Gründen einfach nicht gibt. Zum Schutz der vielen jungen Nochnichtraucher, für die Ihr nun mal Vorbilder seid – auch wenn Ihr gerade wieder den kleinen Selbstmord übt. Und auch zum Schutz Eurer gleichaltrigen nichtrauchenden Mitschülerinnen, die sich vollqualmen lassen, weil sie gern mit Euch die Pause verbringen.

Die Freiheit zu Rücksicht, Respekt und daraus resultierender Selbstachtung habt Ihr doch mindestens – auch wenn Euch die Freiheit zur Nikotin-Vermeidung vielleicht noch nicht gegeben ist.

Bis bald auf dem südlichen Schulhof. Ich freu‘ mich schon. Auf nette Pausengespräche mit sinnvolleren Inhalten.

&WW Rau

chfr

eie

Sch

ule?

!

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Page 47: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Als ich begann, für meinen Artikel zu recherchieren, wurde mir schnell klar, dass es kaum Argumente für das Rauchen am GSG oder an Schulen generell gibt. Lungenkrebs, Impotenz, früher Tod; das sind die

Ergebnisse, die man aus Diagrammen und Statistiken herausfiltern kann. Doch da ich als Raucher quasi täglich mit diesen Botschaften überschüttet werde, schreckte es mich nicht ab, trotzdem diesen Artikel zu schreiben.Ich finde, die Schule hat den Auftrag der Prävention. Sie sollte versuchen, sich

durch ihren Lehrkörper so zu verhalten, dass vor allem junge Schüler nicht zum Rauchen angestiftet werden. Doch schützt das Verscheuchen der Raucher vom Schulgelände auf den 10 Meter entfernten Weg zwischen Gymnasium und Realschule irgendjemanden vor irgendetwas? Die Schüler auf dem Schulweg se-hen die rauchenden Schüler dort genauso gut,als würden diese 10 Meter näher am Schulgelände rauchen. Die sehr ,,coole ` Reaktion mancher Raucher auf die Aufforderung, das Schulgelände zu verlassen, bringt dem Rauchen sogar eine verbotene Note, die es für manch einen Schüler vielleicht sogar eher interes-sant macht. Des weiteren glaube ich kaum, dass irgendein Lehrer große Lust am Job des ,,Nikotinsherrifs ` hat, wie er in Raucherkreisen genannt wird, der meist in einem gelangweilten Ton die Schüler darauf hinweist, die Zigaretten auszu-machen oder das Schulgelände zu verlassen. Wo wir wieder beim Lehrkörper wären, der an einer rauchfreien Schule ein Vorbild für seine Schülerschaft sein sollte. Hierzu eine kleine Anekdote: Es war an einem Freitag im Dezember als ich, wie jeden Freitag, gemütlich zur fünften Stunde auf dem Parkplatz einpark-te und aus dem Augenwinkel einige Mathematik-, Physik- und Biologielehrer entdeckte. Sie standen mitten auf dem 20 Meter vom Schulgelände entfernten Parkplatz und rauchten sich gemütlich ins Wochenende. Wenige Meter entfernt von Kindern, die auf ihre Eltern warteten, um abgeholt zu werden. Da frage ich mich: ist das Prävention? Und sind das die Vorbilder, die sie sein sollten?

Auch der früher in der Schülerschaft bekannte Rauchertreff des Kollegiums un-ter den Abzügen der Chemie, zu dessen aktueller Existenz ich keine weiteren Informationen habe, trägt nicht gerade zur Glaubwürdigkeit einer rauchfreien Schule bei. Die Schule macht sich durch die, durch das Rauchverbot nicht vorhandenen,

Aschenbecher nur noch mehr Arbeit, als sie ohnehin schon hat. Wie oft se-hen ich und sicherlich auch viele andere auch Frau Franz Zigarettenkippen in der ,,rauchfreien ` Raucherecke aufsammeln, obwohl sie für die Reinigung der Toiletten und nicht für die des Außenbereichs verantwortlich ist. Es müsste doch möglich sein, dass, auch wenn das Rauchen offiziell verboten ist, Mülleimer auf-gestellt werden, auf oder an denen man Zigaretten ausmachen und entsorgen kann. Herr Tasi, unser werter Hausmeister, müsste dann wohl auch nicht jeden Tag irgendeinen Raucher zum Fegen zwingen und könnte seinen eigentlichen Aufgaben nachgehen. Das Rauchverbot an Schulen wird keinen der rauchenden Schüler zum

Aufhören verleiten. Ein Raucher raucht nun mal in seiner Pause, ihm geht es nach dem Rauchen besser und er kann sich danach besser auf den Unterricht konzentrieren. Die gesundheitlichen Schäden sind sicherlich erheblich, doch ein volljähriger Schüler sollte das für sich entscheiden können. Der Prävention bei Minderjährigen habe ich bereits zu Beginn zugestimmt.

Doch ich kämpfe gegen Windmühlen. Das Rauchverbot ist ein offiziell verab-schiedetes, NRW-weites Gesetz. Mein Artikel wird daran nichts ändern, doch ein Paar kleine Veränderungen würden sowohl den rauchenden Schülern als auch sicherlich der Schule den Alltag erleichtern. Des weiteren möchte ich mit diesem Artikel nichts am Rauchen schön reden. Es bleibt gesundheitsschädlich, macht gelbe Zähne und sorgt nicht gerade für frischen Atem. Doch es liegt in der Freiheit eines jeden Erwachsenen, ob er mit gelben Zähnen und schlechtem Atem an Lungenkrebs sterben will.

&Jonas Pieper

Rauchen ist an unserer Schule verboten. Doch da hält sich niemand dran…

Zwei Positionen.

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Page 48: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

§Auch eine Frage an Dr. Nick?

Schreib sie uns an:

[email protected]

Liebe Gloria,zunächst muss ich dir sagen, dass es wahrscheinlich keine

gute Idee ist, deinen Lehrer zu beleidigen. Sein Humor mag dir widerstreben, aber ihn zu beleidigen wäre sicherlich keine gute Lösung für keinen von euch Beiden.Es wäre viel besser wenn du entweder lernst, mit seinem

schlechten Humor umzugehen oder, wenn du das nicht kannst, das Gespräch suchst. Das ist allerdings meist aus-sichtslos, da er nicht wird verstehen können, warum du nicht findest, dass er lustig ist und sich wahrscheinlich per-sönlich angegriffen fühlen wird. Ich vermute, dass du das nicht gerne hören wirst, aber wenn es wirklich nur darum geht, dass er schlechte Witze macht und nervt, dann wirst du das nicht ändern können und solltest überlegen, dich damit abzufinden. Solchen Menschen wirst du im Leben immer wieder begegnen. Aber nun zur eigentlichen Frage. Wenn du deinen Lehrer beleidigst, erfüllt das wahrschein-lich den Straftatbestand der Beleidigung, je nachdem wie deutlich du dich machst.Bei Beleidigung handelt es sich um einen so genann-

ten Antragsdelikt, das heißt es wird nur verfolgt wenn das Opfer dies wünscht. Offizialsdelikte wie Mord wer-den grundsätzlich verfolgt. Dieser Fall ist jedoch eine be-sondere Situation, da es sich um „Beamtenbeleidigung“ handelt. Oft wird Beamtenbeleidigung als ein eigener Straftatbestand betrachtet, dies ist aber keineswegs der Fall, es ist nicht schlimmer, einen Lehrer oder einen Polizisten zu beleidigen, als einen Bäcker oder Busfahrer. Der einzi-ge offizielle Unterschied ist, dass in dem Fall des Lehrers nicht nur der Lehrer Anzeige erstatten kann, sondern auch sein Dienstvorgesetzter; in deinem Fall zum Beispiel Herr Strobel. Also kann es passieren, dass deinem Lehrer eigent-lich egal ist, dass du ihn beleidigt hast, unser Schulleiter es aber für notwendig hält, deinem Verhalten juristische Folgen nachkommen zu lassen. Jedoch kommt es häufig vor, dass die Strafe für die Beleidigung eines Staatsdieners höher ist als die normale.Aber das ist eigentlich auch alles egal, weil die meisten

Schüler ja ohnehin minderjährig sind und ich bezweifle, dass so etwas beim ersten Mal direkt an die Polizei

gehen würde. Wir befinden uns in der Schule ja in einem „pädagogischen Schutzraum“ und

Lehrer sind sowieso schon überarbei-tet. Deshalb bezweifle ich, dass

es viele Lehrer gibt, die auf eine Anzeige beste-

hen würden, nur

weil man sie als Arschloch bezeichnet hat und erst recht nicht, wenn man sich nur in beleidigender Weise über ih-ren schlechten Humor auslässt. Also wären die tatsächlich zu erwartenden Folgen ver-

mutlich zweierlei. Erstens würde man mit pädagogi-schen Maßnahmen rechnen müssen und zweitens mit der Abneigung des Lehrers. Die pädagogischen Maßnahmen (oder Strafen) sind wahrscheinlich harmloser, da man sie schnell hinter sich bringen kann. Natürlich ist ein Gespräch mit der Schulleitung und den eigenen Eltern immer scheiße, aber es ist immer noch besser, als vor je-der Stunde mit dem Lehrer anfangen zu müssen, daran zu denken, wie schlimm die Stunde wieder wird. Es gibt we-nig Schlimmeres als einen Lehrer, der einen Schüler nicht mag, denn Schule ist ein Zwangssystem und sämtliche Macht liegt beim Lehrer. Das schlimmste ist, dass Schüler sich bei Lehrern auch noch einschleimen müssen, wenn sie sie nicht mögen, weil sie eine gute Note brauchen, da die meisten Eltern diese von ihren Kindern auch schon in der Unterstufe erwarten, wo sie keine langfristige Relevanz haben.

Also nun zur eigentlichen Beantwortung deiner Frage: Was kann passieren, wenn du deinen Lehrer beleidigst? Viel! Kann er dir eine schlechtere Note geben? Eigentlich nicht wirklich, da er ja deine Leistung benoten muss, nicht aber ob du ihn magst. In der Realität kann man ei-nem Lehrer aber nicht nachweisen, ob er dich gerecht benotet, da Noten zu einem großen Teil auf vollkommen willkürlichen Kriterien basieren. Vor allem Noten für die mündliche Beteiligung unterliegen (außer bei wenigen, gut organisierten Lehrern) keinem erkennbaren System. Selbst wenn ein Lehrer sich Mühe gibt, dich trotzdem ob-jektiv zu behandeln, kann er dich unbewusst immer noch schlechter benoten. Wenn du Glück hast, versucht er die-ses unbewusste Herabwerten auszugleichen und gibt dir am Ende eine bessere Note, als er jemandem geben würde, den er mag. Aber das passiert wahrscheinlich eher selten. Man kann sich natürlich immer über jede Note beschwe-ren, aber es ist relativ schwer nachzuweisen, dass man in Deutsch eigentlich eine Zwei minus anstatt einer Drei plus verdient hätte. Liebe Gloria, abschließend kann ich dir nur ans Herz legen, deinen Lehrer nicht zu beleidigen. Schule ist ein Zwangssystem und manchen Zwängen kann man nicht entgehen.

&NM

Schulrechtskunde mit Dr. NickIhr wisst nicht genau, was das Schulgesetz euch und euren Lehrern erlaubt?

Kein Problem, denn Dr. Nick erklärt euch in jeder Ausgabe eure Rechte und Pflichten!

Lieber Dr. Nick! Ich habe Unterricht bei einem Lehrer, der oft schreckliche Witze macht, und da ich eine sehr temperamentvolle Person bin befürchte ich, dass ich ihn bald beleidigen werde. Was kann passieren, wenn ich das tue? Kann er mir deswegen eine schlechtere Note geben? Gloria, 16

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Page 49: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Welche der folgenden

Persönlichkeiten ist keine Sängerin?

Katy Perry, Lady Gaga, Aura Dione, Bill Kaulitz.

Katy Perry.

Auch wenn es nicht so aussieht; aber Bill Kaulitz ist keine

Sängerin.

Mark Zuckerberg

gründete das Unternehmen...

Hmm. Eine IT-Geschichte.

Sicherlich Google

Neee. Facebook!

Wie heißt unsere

Schülerzeitung?

Scholl&Rauch.

Jawohl!

Welcher Promi eröff-

nete kürzlich ein Café auf Mallorca?

Keine Ahnung – Peter Maffay oder

Boris Becker?

Oder Daniela Katzenberger?

Wessen Mann ist Motocross-

Fahrer? Barbara Schönebergers, Nenas,

P!nks, Beth Dittos.

Beth Dittos?

P!nks Mann! Beth Ditto (Sängerin von Gossip)

ist lesbisch.

Wann wurde der BVB

gegründet?

1909.

Sie haben so-gar Recht!

Mit welchem Lied gewann

Lena Meyer-Landrut den Eurovision Song-Contest?

Ich könnte es singen (summt). Irgendwas mit

„Love, oh, Love“?!

Satellite

Lehrer und die Jugendsprache: Unsere Lehrer – Tag für Tag müssen sie sich mit Jugendlichen auseinandersetzen. Aber sprechen sie eigentlich auch unsere Sprache? Unsere mutige Redakteurin hat Frau Sperlich auf den Jugendsprache-Zahn gefühlt.

&HS

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Page 50: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Schülerfrage

Liebe Lehrer, versteht ihr eigentlich, dass wir das nicht verstehen?

Die Schüler unter unseren Lesern werden das sicherlich alle kennen: Man sitzt im Unterricht, ist aufmerksam, wird nur gelegentlich durch das ein oder andere außerthematische Gespräch abgelenkt, schreibt emsig mit, blickt auf die Tafel. Trotzdem, irgendwie geht nichts von dem, was der alte Mann mit der Kreide da anschreibt, so richtig in unsere jungen Köpfe rein. Da könnt Ihr noch so viel er-klären, an Folien herummalen und mit den Armen fuchteln, wie Ihr wollt, liebe Lehrer. Manchmal verstehen wir Sachen eben einfach nicht.

Sei es nun die Bildung des Konjunktiv Plusquamperfekt, die sensorische Reizweiterleitung an der präsynaptischen Membran oder die Primärquelle aus dem Jahre 1540 – es gibt einfach Dinge, die wollen unsere Gehirnwindungen nicht auf Anhieb verwinden.

Und dann stellen wir uns vor, wie unsere Lehrer früher wohl gewesen sind. Jemand, der Mathematik studiert hat, muss das wahrscheinlich immer schon drauf gehabt haben. In den Diktaten, die unsere Deutschlehrerin als Schülerin schrieb, wird niemals jemand einen Rechtschreibfehler gefunden haben. Und unser Lateinlehrer, der muss aufgrund einer raum-zeitlichen Verschiebung di-rekt aus dem Römischen Reich in den Klassenraum kommen.

Zwar würde der durchschnittliche Biolehrer uns genau so wenig von Rechtschreibung erzählen können, wie unsere Deutschlehrerin über schrift-liches Dividieren weiß, aber selbst dieser Fachidiotismus ist für das Lehrer-Schüler-Verständnis-Verhältnis ja nicht förderlich. Besonders schlimm sind da die Sportlehrer: „Wie, du kannst den winzig kleinen Federball nicht mit dem Schläger treffen? Und was habt ihr eigentlich gegen Basketball mit Medizinbällen, ist doch gut für die Kondition! Schon am schwitzen? Na los, Fersen hinter die Schulterblätter und ab geht die Post!“

Nein, bei uns geht die Post eben allzu oft nicht ab. Dann denken wir meis-tens, dass diese Ungereimtheit komplett außerhalb Eurer Vorstellungskraft liegt. Wenn Ihr es nämlich jemals nicht gekonnt hättet, wärt Ihr ja nicht Lehrer geworden.

Oder?

& AM

Lehrer fragen Schüler fragen LehrerWir verbringen Stunden miteinander. Ganze Tage und Wochen. Ertragen uns gegenseitig jahrelang im Unterricht. Aber manches versteht man einfach nicht, bei den Menschen auf der anderen Seite des Pults. Für Scholl&Rauch haben Lehrer und Schüler Fragen gestellt. Und natürlich auch beantwortet.

Hast du auch eine

Frage an deine Lehrer?

Schreib sie uns:

[email protected]

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Page 51: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Lehrerantwort

Liebe Schülerinnen und Schüler,Richtig! Genau deshalb bin ich Lehrer.

Ich konnte ALLES – wären da nicht Geschichte, Deutsch, Erdkunde, Politik, Kunst, Sowi und Religion und in der Oberstufe Französisch gewesen. Nehmen wir also zum Beispiel Deutsch. Da sah es schon mager aus: Rechtschreibung und Grammatik waren ja noch halbwegs zu bewältigen, ABER was war bloß bei die-sen ollen Aufsätzen los? Lektüren lesen und sie dann auch noch interpretieren zu müssen, war eine Qual. Ich habe grundsätzlich für das dünnste Buch gestimmt. Aber hätte ich es wirklich nicht besser gekonnt? Ich glaube schon, aber ich wollte es nicht besser können. Und warum? Weil es mich nicht die Bohne interessiert hat. Die Frage, die mir deshalb heute als Lehrer wichtig erscheint, ist „Warum interessiert die das nicht?“. Denn die aller meisten, die in unserem Gebäude so rumlaufen, sind ja nicht dumm. Und was einen interessiert, lernt man auch. Es liegt also weniger an echtem Nichtkönnen als an mangelndem Interesse.

Wenn man aber akzeptiert, dass man von allem ein bisschen lernen und wissen muss, um im Leben nicht nur in seinem Job, son-dern am besten überall mitreden zu können, ist das durchaus hilfreich. Hätte ich das doch getan…

Bei „Wer wird Millionär“ würde ich verre-cken! Schade eigentlich, denn hätte ich über-all aufgepasst, würde ich mich bewerben, die Million holen und müsste gar kein Lehrer mehr sein. Obwohl... – NEIN ich bin gerne (euer) Lehrer!

Also, liebe Schülerinnen und Schüler, die mir im Physikunterricht sagen, dass ihr Handy doch auch funktioniert, wenn sie nicht wissen, was Pulscodemodulation ist:

Die Lehrer bemühen sich mehr, aufzuzeigen, warum die Unterrichtsinhalte wider Erwarten von Interesse sein könnten und ihr bringt etwas mehr guten Willen mit. Und in der Mitte trifft man sich und freut sich gemeinsam! Vielleicht eine Vision, vielleicht aber auch nicht.

Wenn ihr mir also helfen wollt, dass sich die Zahl meiner grauen Haare, die sich in meinen 10 GSG-Jahren vertausendfacht haben (bin ich nun der alte Mann mit der Kreide?), nicht weiter vervielfältigen, lasst uns in der Mitte treffen!

&Frank Loheide

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Page 52: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Lehrerfrage

Schüler, warum schmeißt ihr überall euren Müll hin?

Liebe Schülerinnen und Schüler,vielleicht fällt es euch ja wirklich nicht auf, wenn ihr mit den Gedanken beim

Mittagessen, den geplanten außerschulischen Aktivitäten oder bei der neu-en Flamme eures jung verliebten Herzens die Schule nach der letzten Stunde verlasst – vielleicht ist der ein oder andere Kopf ja tatsächlich so voller neuem Wissen und Tatendrang angesichts der noch zu erledigenden Hausaufgaben, dass ihr keinen Blick habt für eure Schule – doch kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass es euch nicht auffällt, in welchem Zustand ihr das Gebäude ver- und den Putzfrauen überlasst.

Wer nach der sechsten, siebten Stunde durch die Gänge geht, hat das Gefühl, mindestens einmal das gesamte Sortiment von Aldi über Lidl bis Edeka in Form aufgerissener Verpackungen und zertretener Speisereste dargeboten zu bekom-men, nicht etwa in den dafür vorgesehen Mülleimern, die zum Teil durch gäh-nende Leere auffallen, nein, sie liegen breit verstreut auf den Gängen, in den Ecken, vor den Türen, auf den Glaskästen und hinter den Regalen. Auch an den Wänden habe ich bereits das ein oder andere geschmierte Zeichen eurer Anwesenheit gefunden.

Während in den unteren Stufen ja noch ein Ordnungsdienst mehr oder weniger für einen gefegten Boden sorgt, landen spätestens mit Übergang in die Oberstufe die Reste aller mitgebrachten oder am Automaten gezogenen Köstlichkeiten un-ter oder neben den Tischen.

Ist das ein ungeschriebenes Gesetz, dass man mit dem Übergang in die Oberstufe, dem Anstreben der Reifeprüfung (!), die Müllentsorgung über den so genannten „großen Mülleimer“ vornimmt? Manch ein Schüler scheint die Schule mit einem Café (wahlweise einer Kneipe)

zu verwechseln, wenn er (respektive sie) den Tisch verlässt und die Kaffee-/Tee-/Suppentasse stehen lässt, als sei gleich ein gewissenhafter Kellner da, der hinter ihm abräumt und die Tische für die nächsten Gäste wischt.

Da sieht man in dem einen Moment einen Schüler noch eine Mandarine pellen und entdeckt im nächsten die Schale unter der Heizung liegen.

Ich möchte nicht die viel zitierte Frage „Machst du das zu Hause auch so?“ strapazieren, doch stelle ich mir die Gesichter eurer Eltern als ausgesprochen komisch vor, wenn ihr dort auf dem Sofa sitzt und euren Müll da-neben fallen lasst, als sei dies das Selbstverständlichste der Welt. Dabei nehme ich an, dass viele fast genauso viel Zeit in der Schule verbringen, wie zu Hause (vom Schlafen mal abgesehen, aber das macht der ein oder andere ja auch in der Schule). Sollte man sich da nicht darum bemühen, dass alle sich wohl fühlen können?

Oder fühlt ihr euch wohl in diesem Müll?

Gespannt wartet auf eure Antwort,

&Kirsten Winkler

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Page 53: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Schülerantwort

Liebe Frau Winkler!Ich will nichts leugnen. Es wäre eine Lüge, Ihnen hier vollkommene Übertreibung

vorzuwerfen. Wir sind alle nicht die reinlichsten, wenn es um den Boden unter unseren Füßen geht. Um Ihnen allerdings unsere Gemütszustände näher zu brin-gen, werde ich im Folgenden die verschiedenen Fälle von Schulverschmutzung genauer unter die Lupe nehmen.

1 – Die Faulen: Es ist schon ein ziemlich weiter Weg manchmal, bis zu so ei-nem Mülleimer. Zwar stehen in unserem Schulgebäude davon ja ausreichend viele, trotzdem sind sie einfach viel zu oft viel zu weit entfernt. Wenn es nur eine Armlänge bis zum nächsten Eimer wäre, nun gut, dann würden wir uns sicher-lich erbarmen, die vielen Papierchen und Mandarinenschalen und Apfelstiele dort zu entsorgen. Aber wenn der Stuhl schon mal warmgesessen ist und die Glieder wegen dem ganzen Wissen, das wir Tag für Tag mit nach Hause tragen müssen, schwer werden, dann sind drei Meter schon die Reise nach Jerusalem.

2 – Die Sportlichen: Äpfel kann man mit Bällen verwechseln. Papierknöllchen auch. Mülleimer kann man mit Basketballkörben verwechseln. So kommt eins zum anderen. Einfach ist es nämlich nicht, diese kleine Öffnung zu treffen, wenn man mit einem weniger gekonnten Wurf versucht, seinen Abfall aus angemes-sener Entfernung hineinzuwerfen. Wenn die soeben kunstvoll geschleuderte Mandarinenschale aus eigenartigen, physikalisch nicht erklärbaren Gründen auf einmal meterweit neben dem angepeilten Ziel landet, ist die Frustration über die eigene Niederlage meist zu groß, um das Zeichen des Versagens noch einmal aufzuheben oder gar zu betrachten.

3 – Die Hektischen: Man muss zugeben – dieser Schulalltag ist nicht so gechillt wie unsere jungen Gemüter es bevorzugen. Auf einmal ist es viertel nach zehn und man kommt gerade von der Schneeballschlacht zu spät zur dritten Stunde. Da gilt es, keine Zeit zu verlieren und sich den Umweg zum Mülleimer zu spa-ren, während man, mit dem Schokoriegel im Mund, das Papier galant hinter sich zu Boden segeln lässt. Oder würden Sie die Entschuldigung: „Ich musste noch mein Papierchen wegwerfen.“, als ausreichende Ausrede akzeptieren?

4 – Die Vergesslichen: Hm. Müll. Ja. Wo? Ach, Mist. Hab ich auf dem Tisch liegen lassen. Oh. Wollte ich eigentlich noch wegwerfen. Stuhl war auch nicht hochgestellt? Hm. Ja. Tut mir Leid. Ich wollte den eigentlich noch… ach, jetzt ist auch egal.

All jenen Schulverschmutzern ist eins gemeinsam: Sie wissen, dass der von ih-nen verursachte Unrat auf den Fluren und in den Klassenzimmern spätestens am nächsten Tag nicht mehr zu sehen sein wird. Verschwunden über Nacht. Wie durch Zauberei. Am nächsten Morgen in der Schule ist alles auf einmal wieder sauber und schön. Wir können also gar nichts dafür, dass wir nicht gelernt ha-ben, unseren Abfall zu entsorgen. Wir wurden lediglich von den schuleigenen Putzfrauen positiv konditioniert! Du musst dich nicht bewegen – du räumst dei-nen Müll nicht weg – du schläfst eine Nacht drüber – am nächsten Morgen ist alles wieder gut. Das mag moralisch fraglich sein. Aber was können wir schon für unsere fehlgeschlagenen Vorstellungen von Moral? Die kommen doch nur von unserer Erziehung, der Musikindustrie, den Herstellern von Killerspielen und dem laschen Regiment unserer Lehrer!

& AM

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Page 54: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

Praktische Philosophie

Seit dem Schuljahr 2010/11 können die 8. Jahrgänge den Kurs „Praktische Philosophie“ wählen. Welch ein Glück, dass unsere Schule nach langem Warten auch mal darauf kommt, dass eine Alternative zu evangelischem und katho-lischem Religionsunterricht schon lange gebraucht wurde.

Jungautoren gesucht

Du kannst schreiben und bist im Idealfall in der 5. bis 8. Jahrgangsstufe? Du willst wissen, wie die Scholl&Rauch gemacht wird und deine eigenen Texte gedruckt sehen? Dann bist du in unserem Redaktionsteam sehr erwünscht. Wenn du Montags oder Mittwochs nach der 6. Stunde Zeit hast, sprich doch einfach mal Herrn Wiggermann für mehr Infos an!

Schülersprechstunden

Das Kollegium sprudelt nur so vor Engagement. Es gibt nämlich nicht mehr nur Elternsprechtage, nein, auch Schülersprechstunden werden nun etabliert. Was das soll? „Probleme, Lernschwierigkeiten und Förderwünsche“ können wir jetzt auch selbst mit unseren Lehrern bespre-chen. Gute Idee.

Die 8a rettet das Klima

Sie haben Flyer gebastelt, eine Homepage erstellt und ei-nen Film gedreht. Die 8a hat am bundesweiten Wettbewerb der Allianz Umweltstiftung teilgenommen und war erfolg-reich. Nun zählen sie sich zu den besten 20 Klimaschützern und sind Gewinner eines Geldpreises von 1000 Euro.

Waffelverkauf

Am Dienstag und Freitag verkaufen die Stufen 12 und 13 in den Pausen Waffeln zum Spottpreis von 50 Cent. Das heißt immerhin: Zweimal in der Woche Waffeln essen. Kauft mehr Waffeln!

Auflösung “Schüler oder Philosoph?”, S.26-27

1S, 2P, 3P, 4S, 5S, 6P, 7P, 8S, 9P, 10P, 11S, 12S, 13P, 14S, 15S, 16P, 17S, 18P, 19S, 20P, 21S, 22P, 23S

Bücherbörse

Wer sich Schulbücher und Lektüren nicht neu kaufen will, beziehungsweise seine alten Lektüren loswerden möchte, der inseriert auf der Internetseite unserer Schule in der Bücherbörse.

bb.gsg-unna.de

Fischertechnik-AG

Die perfekte AG für all jene, die gerne basteln, planen und programmieren. Gearbeitet wird – ob im Team oder allein – an kleinen oder größeren Projekten, ganz egal welcher Art: Von Katapulten über Kräne bis hin zu Segways – alles ist möglich, solange es Spaß macht.

(Montags 7.-8. Stunde, Physik-Lehrerherz, Jgst. 10-13)

Kegelclub

Der Kegelclub. Er trifft sich. Erscheint zahlreich und achtet auf weitere informative Aushänge.

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Schulkack

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Page 55: Scholl&Rauch - Ausgabe 2 - Freiheit!

&Impressum

Chefredaktion: &AM Anna Mayr

Redaktion: &FM Frederik Müller &GS Gerrit Schelter &HS Helena Schmidt &JS Justus Sehl &KE Kathalena Essers &MK Miro Kerckhoff &NM Nick Maaß &SL Simon Langer &SS Sibylle Sehl &TSSE Tim Sebastian Schatto-Eckrodt

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Mit freundlicher Unterstützung von: &WW Werner Wiggermann

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Herzlichstes Dankeschön an:Pater Jonas, Boris Gott, Frau Winkler, Frau Sperlich,

Herrn Loheide, Herrn Strahl, Herrn Mohr, die 5c, alle Umfrage-Teilnehmer, Jonas Pieper, Alexandra Schröder, das Bücherzentrum, Julian Assange, sämtliche tote Hühner, das Internet sowie unser wunderbares Cover-Girl, das sich stundenlang in der Kälte des unnaer Bahnhofs für die Freiheit eingesetzt hat.

Druck: esf-print.de

Stand: 4. Februar 2011

Bildquellennachweise: Cover: LS (Foto), YS (Bearbeitung) • S. 3: YS • S. 5: Alexandra Schröder & YS • S. 7-9: AM • S. 11: ausstellung-zwangsarbeiter.org • S. 12: flickr, User: yeowatzup • S. 15: WikiLeaks • S. 18: flickr, User: Sparkly Kate • S. 20-21: YS • S. 24: flickr, User: Venus en el pudridero • S. 28-29: LS •S. 30: n24.de • S. 31: AP Photo/David Guttenfelder • S. 36-37: YS • S. 43: flickr, User: floheinstein • S. 44: LS • S. 51-52: LS •

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