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Schule der Kampftaucher

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 223

Schule der Kampftaucher

Einsatz in der Methanhölle - derKristallprinz und die Kampftaucherauf einem Planeten der Maahks

von Hans Kneifel

Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn esmuß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feindesind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überra-schende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgierund Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nurauf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Geheimnis völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßigeThronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von ver-schworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorge-gangen. Selbst empfindliche Rückschläge oder unvorhersehbare Hindernisse entmu-tigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orba-naschol, den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen.

Die große Chance eines neuen Schlages gegen den Thronräuber sieht Atlan indem Moment gekommen, als es ihm und Fartuloon, seinem Erzieher und Lehrmei-ster, gelingt, die Leiche Gonozals VII. mit Hilfe des letzten Lebenskügelchen ausdem Reich der Toten zurückzuholen.

Nach dem Debüt auf Xoaixo, der friedlichen Pensionistenwelt, die zum Hexenkes-sel wurde, als der totgeglaubte Imperator erschien, wird Gonozal erneut eingesetzt.

Die CRYSALGIRA, Atlans Raumschiff, fliegt den Planeten Falgrohst an – und diedort befindliche SCHULE DER KAMPFTAUCHER …

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Die Hautpersonen des Romans:Atlan und Fartuloon - Der Kristallprinz und sein Lehrmeister besuchen den Planeten derKampftaucher.Olfkohr - Kommandant einer geheimen Kampfschule.Frayn Porthor - Ein junger Mann mit ungesundem Ehrgeiz.Valiard, H'Noyr, Colant und Galbayn Tsoehrt - Vier Kampftaucher von Falgrohst.

1.

Die Faktoren der Angst umgaben ihn: derwahnsinnige Sturm, der durch die Veränder-liche Schlucht gepreßt wurde und Valiard –Nummer 2 – traf. Auf keiner bekanntenWelt, die den Arkoniden zugänglich war, er-reichten Stürme eine solche Geschwindig-keit.

Er wußte, daß der winzigste Materialfeh-ler ihn binnen Sekunden töten konnte. EinRiß im Anzug, ein nicht ganz schließendesGelenk, ein Versagen der vielen Servoanla-gen.

Die Schwerkraft, ein anderer Faktor. Siewürde ihn ebenso schnell umbringen, alswürde ein Felsblock aus großer Höhe aufihn fallen. Nummer Zwei drehte langsamund vorsichtig den Kopf. Jetzt färbte sichder Methanschnee, der in Form von poly-edrischen Hagelkörnern durch die Veränder-liche Schlucht gedrückt wurde, und schlugauf den schweren Panzer wie ein Wasserfallvon Geschossen. Wieder war der Vulkan inTätigkeit. Die Erschütterung des Bodenszeigte dies an.

Noch gab es Licht. Noch war die undeut-lich sichtbare Scheibe der dunkelroten Son-ne, ein riesenhaftes Gestirn hinter den zacki-gen Schroffen, den Nadeln aus Ammoniak,den sich pausenlos auflösenden und wiederaufbauenden Türmen und anderen Formenaus gefrorenem Ammoniak und Methan,nicht ganz untergegangen. Aber die leuch-tenden Zahlen, die innerhalb des Hohlraums,den der Helm bildete, an eine milchige Stel-le der Scheibe gespiegelt wurden, verrietenValiard, daß es nur noch zwei Stunden Lichtgeben würde. Dann brach die dreiunddrei-ßigstündige Nacht in Kuppel Sigmon Vier

an. Er hob den Arm.»Valiard!« sagte eine gepreßte Stimme im

Halbdunkel des Helminnern. »Wir habeneinen genau umrissenen Auftrag. Wie langewillst du noch warten?«

Sie haben sechs Stunden Zeit! In diesensechs Stunden werden Sie und Ihre Gruppefolgende Aufgaben wahrnehmen:

Erstens: Ausschleusen von Männern undMaschinen aus dem gelandeten Beiboot.

Zweitens: Suche nach dem Methanatmer-Stützpunkt. Marsch beziehungsweise Fahrtdorthin. Einnahme der Station. Eindringen.Keine Gefangenen machen.

Drittens: Sie haben elf Mann. Wir brau-chen sämtliche Unterlagen über diesen rät-selhaften Stützpunkt unseres Gegners. Do-kumentieren Sie alles.

Viertens: Rückkehr. Dabei ist darauf zuachten, daß sämtliche Teilnehmer diesesKommandounternehmens lebend und dieMaschinen, sowie die Spezialwaffen, unver-sehrt das Beiboot erreichen, das sofort star-tet.

»Das ist alles, Männer!« hatte Olfkohr ge-sagt. Der bullige Mann schien keine Angstzu kennen.

Er setzte auch bei den Männern, die erausbildete, diesen Umstand voraus. NummerZwei aber hatte Angst.

»Ich muß mich erst orientieren. Was hastdu angemessen? Impulse?«

»Bis jetzt keinerlei Suchimpulse. H'Noyrist gerade dabei, die Geräte zu justieren. DieMaschinen sind draußen.«

»Ich komme sofort.«Valiard, der Chef dieser Gruppe von

zwölf Männern, wußte zwei Dinge ganz ge-nau: Die Wirklichkeit würde einfacher sein.Und: Die Wirklichkeit würde ungleichschwieriger sein. Dieser Widerspruch an

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sich war die Regel Eins.Denn sie alle befanden sich nicht auf ei-

nem Maahk-Planeten, sondern in der Trai-ningskuppel Sigmon Vier. Wenn sie hierversagten – im Inferno drohender Gefahren,die weit oberhalb der Wirklichkeit vonMaahk-Planeten angesetzt waren – konntensie unter Umständen noch gerettet werden.In der Wirklichkeit aber, auf einem derFeindplaneten, rettete sie nichts und nie-mand.

»Wir sind ausgeschleust.«»Danke.«Valiard drehte sich um. Ein Hagelschauer

aus fingergroßen Eisnadeln prasselte gegenseinen schweren Panzeranzug. Jetzt schalte-te sich der Gürtelscheinwerfer ein. Valiardveränderte den Strahlungskegel und erkann-te in dem Hagel die vier schweren Raupen-fahrzeuge und hinter den dicken Scheibendie Gesichter der anderen Männer.

»Tern, Kaarn … habt ihr die Station ent-deckt?«

»Ja. Wir haben den Standort angemessen.Sie liegt unterhalb der Kiesmoräne. Ein paarEingänge sind auf den Schirmen zu erken-nen.«

»In Ordnung. Fangen wir an!« sagte Vali-ard und zwang sich zur Ruhe.

Er stapfte auf den ersten Wagen zu, hieltsich an einem schweren Griff und an demSchaft des Energiegeschützes fest. Dannschwang er sich über die drei Stufen ins In-nere und schloß das Luk.

»Los! Fahrzeug Eins führt!«Sie waren Angehörige einer Elitetruppe.

Die Männer, die sich selbst»Methanamphibier« nannten, waren ein ver-schworenes Korps von mehreren hundertMännern. Alles, was sie konnten, verdank-ten sie Olfkohr. Aber auch der Gedanke anOlfkohr konnte Valiard die Furcht nicht neh-men. Schon während sie ihn in den Atmo-sphärenpanzer schnallten, wußte er, daß esschiefgehen würde. Und: Er konnte keinenrationalen Grund hierfür angeben.

Die breiten Ketten bewegten sich. DieMaschinen brummten auf und verwandelten

die enge Kabine des Spezialfahrzeugs in ei-ne vibrierende Kiste. Die beiden anderenMänner, der Fahrer und der Geschützführer,konzentrierten sich auf die Instrumente.

»Abschirmung in Ordnung?« fragte Vali-ard über den Systemfunk und beugte sichüber die Karte. Sie war nichts anderes als ei-ne Ansammlung geologischer Daten, denndie optisch erfaßbare Oberfläche von Was-serstoff-Methan-Ammoniak-Planeten wareinem ununterbrochenen Wandel unterwor-fen; nicht einmal die großen Ammoniakge-birge hielten länger als einige Wochen. Ge-gen diese Veränderungen waren Wanderdü-nen geradezu Ausdruck der Ewigkeit.

»Abschirmung aller vier Fahrzeuge intakt.Bisher keine Ortung!« kam als Antwort ausden Lautsprechern.

Die beiden kardanisch gelagerten Kugel-behälter zwischen der Lafette mit ihren Ket-ten, den zahlreichen Projektoren und demEnergieaggregat drehten und schaukeltenlangsam, als der führende Wagen über dieMasse von schmutzigem Methangeröll klet-terte. In langsamer Geschwindigkeit walztedas Gefährt auf den U-förmigen Tunnel zu,der die Veränderliche Schlucht war. Der ra-sende Sturm, der hier herrschte, warf sichihnen entgegen.

»Weiter bis zum nächsten Kartenpunkt.«»Verstanden.«Bisher hatten sie folgendes geschafft, oh-

ne bemerkt zu werden: Das Beiboot war ge-landet und hatte die vier Maschinen ausge-schleust. Jetzt wartete es, halb in den Was-serstoffhügel voller Ammoniakflecken undMethanbrocken, auf die Rückkehr der zwölfSpezialisten, der Methanamphibier, der Tau-cher durch tödliche Gashüllen.

Die acht Männer, die in die Maschinenzugestiegen waren, hatten die Oberflächedes Trainingsgeländes auf andere Art betre-ten. Sie waren, durch lange Seile miteinan-der verbunden, durch die Gashülle abwärtsgeschwebt. Sie manövrierten mit den Flug-und Antigravanlagen, wichen Stürmen undVulkanausbrüchen aus, suchten den Lande-platz und trafen sich mit den Kameraden.

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Dann stiegen sie in die Maschinen und fuh-ren los, der unterirdischen Maahkbasis ent-gegen.

Mit zwei Mannslängen Abstand krochendie vier Fahrzeuge vorwärts. Sie drangenüber einen schrägen, rampenförmigen Bergaus Ammoniak und Methan dorthin vor, wozwei Felsbarrieren das Ende der Schluchtmarkierten. Kurze Zeit später, im Licht derroten Sonne, sahen die Fahrer den nackten,von der Gewalt der Elemente rundgeschlif-fenen Fels. In jedem Spalt auf der sturmab-gewandten Seite lagerte gefrorenes Methanund die vielfarbigen Schichten von Ammo-niak Drei.

»Maschinenfunktionstest Panzer Eins!«sagte Valiard leise und drehte den Kopf imHelm. Seine Augen gingen zwischen den In-strumenten und den Bildern hin und her.Flüchtig dachte er an seinen Freund, für dendiese Form der Ausbildung inzwischen blu-tiger Ernst geworden war. Galbayn Tsoehrtund seine Männer operierten auf Ormeck-Pan, dem Planeten der Maahks.

Lebten sie noch? Befanden sie sich viel-leicht schon auf dem Rückflug, nachdem sieihren Auftrag erledigt hatten?

»Alle Systeme in Ordnung.«Kaarn, der an der komplizierten Steue-

rung des Schleppers saß, drehte sich nichtum. Er hantierte virtuos an den Hebeln undKnöpfen. Unbeirrbar walzte der Panzer wei-ter. Um eine zu frühe Ortung durch denGegner zu vermeiden, fuhren die Fahrzeugeohne Schutzschirme.

»Panzer Zwei?«Sie befanden sich jetzt im oberen Viertel

der Veränderlichen Schlucht. Der Sturm warhier ein rasendes Inferno. Kreischend undheulend nahm er alles mit sich, was ein be-stimmtes Gewicht unterschritt. Der erstePanzer erzitterte unter diesen infernalischenKräften.

»Wir folgen im vorgeschriebenen Ab-stand, Valiard!«

»Technik klar?«»Alles funktioniert in den Sollwerten.«»Danke. Wir halten am übernächsten Kar-

tenpunkt.«»Wir sind vorbereitet.«So ging es weiter, und je mehr sich die

vier Maschinen auf die oberste Kante derSchlucht zubewegten, desto mehr wuchs zu-mindest in Valiard die Vorahnung von etwasEntsetzlichem.

Kurze Zeit später hielt der erste Panzeran. Das lange Rohr des Projektors senktesich und schwenkte auf das Ziel ein. Nochwaren die würfelförmigen Eingänge derMaahkfestung mehr zu ahnen als zu sehen,denn ununterbrochen jagten Wolken ausAmmoniakschnee und Methanhagel vorbei.

Der zweite, der dritte und dann der letztePanzer schoben sich die letzten Meter hochund bremsten neben dem führenden Fahr-zeug. Sie standen jetzt nebeneinander undwarteten, die Maschinen im Leerlauf. Dortunten lag der Feind, dieses Tal mußten sienoch ungesehen durchqueren.

Und gerade, als sie sich wieder in Bewe-gung setzten, schlug der Vulkan zu.

Die Sonne beherrschte noch immer dasBild. Sie berührte mit ihrem unteren Randden Horizont und blendete die zwölf Män-ner. Links war das Halbrund der Berge ausFels und Ammoniak, die ihre Formenschnell veränderten.

Am Fuß dieses Gebirgszugs, an seinemrechten Ausläufer, gab es das Feld aus einerriesigen schrägen Fläche aus Kies, Felsenund Ammoniakschneeverwehungen. Hinund wieder riß der Sturm ab, dann konnteValiard durch die Giftatmosphäre hindurchdie Würfel der Eingänge sehen, durch die siestürmen mußten. Als er merkte, wie dieschweren Gasdruckfedern zu arbeiten be-gannen, zuckte Valiard zusammen.

»Achtung, an alle!« sagte er scharf. »DerVulkan. Wir müssen ihn benutzen, um unge-sehen durchzukommen. Los, starten!«

Viermal hörte er »Verstanden!« aus denLautsprechern, dann ruckten die Ketten an,und sein Panzer neigte sich nach vorn. Hin-ter den vier Panzern, die ins Tal hinunterras-selten, flogen Eisbrocken und Steine in dieHöhe und wurden vom Wind weggerissen.

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Eine Erdspalte riß auf. Lava drang unterhohem Druck in die Höhe, vermischte sichmit dem Ammoniak, einige Gasspuren inder Giftatmosphäre entzündeten sich. Dampfzischte auf und breitete sich rasend schnellnach allen Seiten aus. Schmetternde Blitzeschlugen in den Boden. Die Erschütterungendes Bodens nahmen zu. Mit rasenden Ket-ten, schlingernd und rutschend, bahnten sichdie Panzer einen Weg durchs Inferno.

Valiard fühlte, wie plötzlich alle Angstvon ihm abfiel und einem neuen GefühlPlatz machte. Er wußte jetzt, daß sie alle inder Lage waren, den Auftrag zu erfüllen unddie letzte, schwerste Prüfung zu bestehen.Wenn sie diese Hölle überstanden hatten,dann gehörten sie zu der Elite, die Olfkohrgnadenlos gedrillt hatte. Dann würden sievielleicht helfen können, den Krieg für Ar-kon zu entscheiden.

Valiard sah auf die Uhr und entdeckte,daß sie einen kleinen Vorsprung in ihremZeitplan hatten. Er holte tief Atem und sag-te:

»Geschütze klarmachen … Nach dreiSchüssen Schirme auswerfen. Nach Aufhö-ren der Gegenwehr vorbereiten zum Sturm.Mein Fahrzeug geht bis Punkt Cata vor.«

Die Projektoren schwenkten halbautoma-tisch während der Fahrt auf das Ziel ein. DieMänner spannten ihre Muskel an, dann gabder Geschützführer des ersten Fahrzeugs denersten Schuß ab. Der Projektor entlud sich,und der obere Teil des Einstiegs löste sich inder glühenden Detonation des Treffers auf.

Bis zu diesem Augenblick hatten die Ro-boter, die als Maahk-Verteidiger program-miert waren, nichts gemerkt. Jetzt reagiertensie mit maschinenhafter Schnelligkeit undmit ihren tödlichen Waffen. Der kritischePunkt war erreicht. Auch die anderen Ge-schütze feuerten gezielt. Das Gebiet rundum die Einstiege, die Schleusen und die ver-kleideten Abwehrforts verwandelte sich ineine Zone aus Feuer und Explosionen.

*

Olfkohr kauerte in seinem Sessel. Seinweißes Haar war kurz, sein rundes Gesichtmit den tiefen Kerben um Nase und Mundtrug die winzigen Spuren von Ammoniak-verätzungen. Vor ihm waren im Halbrundungefähr zwanzig Bildschirme aufgestellt,und er starrte ununterbrochen auf die Bilder.

»Was halten Sie davon, Frayn?« knurrteOlfkohr, ohne aufzusehen. Er hatte eine rau-he, harte Stimme.

»Bis jetzt halten sich Valiard und seinTeam hervorragend.«

»Kein Wunder«, meinte Olfkohr. »MeineSchule.«

»Ihre Schule, richtig. Aber … Komman-dant, ich kenne Sie lange genug. Sie sind un-ruhig.«

»Richtig!«»Warum?«Olfkohr winkte ab. Männer wie er waren

Relikte aus einer anderen Zeit. Die Schuleder Methanamphibier, die atmosphärischenTaucher, war vom Vorgänger Orbanascholsgegründet und mit genauen Richtlinien ver-sehen worden. Auch die gewaltigen Kuppel-bauten, in denen jene Giftatmosphären durchein riesiges Instrumentarium von elektro-nisch gesteuerten Geräten simuliert wurden,waren in der Regierungszeit Gonozals er-richtet worden.

»Stören Sie nicht, Frayn!« sagte Olfkohrkurz.

Die Bilder flimmerten; es gab eine MengeStörungen. Aber Olfkohr und Frayn sahendeutlich, wie die vier Maschinen aus demFeuer und dem Rauch des Vulkanausbruchshervorkrochen und in ununterbrochener Fol-ge gezielte Schüsse auf die Station abgaben.Unter realistischen Bedingungen wäre dieseine geglückte Überraschungsaktion gewe-sen. Die untere Reihe der Bildschirme zeigtehier im Trainingszentrum auch die Gegen-seite. Die Maschinen waren von dem An-griff der Arkoniden eindeutig überraschtworden.

Frayn Porthor kannte Olfkohr als einenunerschrockenen und draufgängerischenMann. Es mußte etwas geben, was ihm Sor-

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gen machte. Sonst würde er nicht deutlicheAnzeichen von starker Unruhe zeigen.

Jetzt hob er, ohne die Schirme aus denAugen zu lassen, die Hand.

»Ja?«»Die Rettungsmaschinerie ist bereit?«»Selbstverständlich, Meister.«»Lassen Sie zwei durchgetestete Anzüge

bereitstellen. Einen für mich, den anderenfür Sie.«

»Sie rechnen damit, eingreifen zu müs-sen?«

Für kurze Zeit warf Olfkohr dem jungenOffizier einen durchdringenden Blick zu.Frayn glaubte, so etwas wie Besorgnis oderVerzweiflung in den Augen des erfahrenenMannes erkennen zu können.

»Es geht mir dort zu glatt.«»Die Anzüge sind sofort bereit!« sagte

Frayn und verließ den Raum.Galbayn Tsoehrt und drei seiner Leute

waren unterwegs. Olfkohr erwartete geradejetzt irgendeine Nachricht von ihnen. Dieletzte Prüfung der zwölf Männer dort drübenwar in das entscheidende Stadium eingetre-ten. Es wurden tödliche Waffen verwendet.Auf den Bildschirmen war zu sehen, daß dievier Fahrzeuge in einer Art Halbkreis ste-hengeblieben waren. Vor den Kettenpanzernspannten sich die Schutzschirme, aber nochfeuerten die Geschütze. Die Luken warenoffen. Aus einzelnen kleinen Forts rund umden Hang schlug den Angreifern Feuer ent-gegen. Aber mit hervorragend plaziertenSchüssen wurde eine der Abwehrstationennach der anderen vernichtet.

Olfkohr stand auf. Er war erregt. Er sah,wie aus jedem Panzerfahrzeug zwei Männersprangen. Das bedeutete, daß sämtliche An-lagen der Anzüge auf Hochleistung geschal-tet waren. Die Fahrer der Fahrzeuge wech-selten jetzt von der Steuerung hinter dieZielgeräte der schweren Geschütze.

Die Angreifer hatten schwere Zweihand-projektoren in den Armen und rannten mitweiten Schritten auf die zerstörten Eingängezu. Die schweren Anzüge bewegten sich un-gefüge, aber hervorragend gesteuert. Im

Zickzack, zwischen schmelzenden Ammo-niakbrocken, von denen lange Gasfahnenweggeweht wurden, geduckt gegen den mör-derischen Ansturm des Sturms, drangen achtMänner gegen die Station vor.

Und dann tauchte der erste Maahk auf.

*

Jetzt, während er sich geschickt fallen ließund den Körper vor sich ins Ziel nahm, hatteValiard seine Angst und Unsicherheit ver-gessen.

Er zielte und feuerte.Der Robot, der sich bewegte und handelte

wie ein leibhaftiger Feind, war rasendschnell. Auch er schoß. Er war aus einembisher unsichtbaren Tunnel gekommen, derabseits der Eingänge und der Geschützkup-peln lag. Aber während der Feuerstoß ausder Robotwaffe dicht neben Vallards Helmeinen Ammoniakbrocken vergaste, traf Vali-ard die Maschine in die Brust. Er wußtenicht, wie viele Gegner es dort unten gab.

Er rechnete aber mit ein paar Dutzend.Dann sprang wieder einer seiner Kameradenauf, feuerte und stürzte auf den verkohltenund ausgeglühten Beton des nächstgelege-nen Eingangs zu. Ein Maahk, der im glei-chen Moment auftauchte, wurde zerfetzt.

»H'Noyr! Angreifen! Unsere Zeit wirdknapp!« rief Valiard und sprang nach vorn.Er warf sich durch den Eingang und landetehalb auf einem Maahk, der gegen die Wandgeschleudert wurde und »starb«, als dieWaffe in Vallards Händen aufdröhnte.

Schlagartig änderte sich die Umgebung.Das Zerren und Reißen des Windes hörteunvermittelt auf. Statt des Sonnenlichts gabes hier Kunstlicht aus verdeckten Anlagen.Valiard hörte H'Noyrs Antwort über Funk:

»Ich dringe mit Kaarn in die Funkabtei-lung ein.«

»Verstanden. Weiter. Tern?«»Im Augenblick keine Zeit … Moment

…«Während Valiard auf zwei Maahks schoß,

die in den kurzen unterirdischen Korridor

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gerannt kamen, glaubte er, den stechendenGeruch wahrzunehmen, der das erste Zei-chen dafür war, daß der Anzug ein winzigesLeck hatte. Draußen herrschte der dreifacheÜberdruck, aber die Anzüge hatten eine wei-taus höher liegende Reserve. Er ignorierteden Geruch und tötete auch den zweitenVerteidiger. Dann erst konnte er aufstehenund den Schutzschirmprojektor einschalten.Augenblicklich hüllte sich sein Körper indas halbkugelige Feld ein.

»Durchzählappell!« sagte er. »Und dieFahrzeuge dicht an die Ausgänge, drehenund startfertig machen.«

Viermal kamen die zustimmenden Ant-worten aus den Panzern, dann meldeten sichdie sieben anderen Männer.

»Es gibt keine Gegenwehr mehr!« sagteeiner von ihnen.

»Das halte ich für einen frommenWunsch!« gab Valiard zurück. »Wir sinderst sicher, wenn das Boot außerhalb derGashülle ist.«

Sie liefen langsam weiter, umgingen Fal-len, wurden beschossen und schossen zu-rück. Sie hatten binnen kurzer Zeit das Sche-ma dieser Anlage entschlüsselt und versuch-ten, an die wichtigen Daten heranzukom-men.

Der Geruch nach Ammoniak wurde stär-ker.

Valiard blieb stehen und setzte den Anteilan Sauerstoff in der zirkulierrenden Atem-luft seines Anzugs herauf. Der Geruch blieb.Die Furcht kroch wieder in seinem Verstandund breitete sich aus. Es gab keine Möglich-keit – außer in den Panzerfahrzeugen –einen Raum zu schaffen, in dem die Luftnicht giftig war, denn hier wurden reale Be-dingungen simuliert. Valiard sagte mit müh-sam erzwungener Ruhe ins Helmmikrophon:

»Zuletzt war Colant neben mir. Valiardspricht. Wo bist du?«

»Ich kam durch den zweiten Eingang, vondir aus gesehen. Warum fragst du?« erkun-digte sich der Mann.

»Ich glaube, ich werde Hilfe brauchen.«»Giftalarm?«

Valiard war dreimal von den Strahlenwaf-fen der Maahks getroffen worden, dreimalstreifte die verheerende Energie seinen An-zug. Irgendwo mußte ein Leck sein, das sichnicht durch den selbsttätig wirkenden Dicht-schaum abblocken ließ. Vermutlich im Be-reich eines der Gelenke. Wenn er die Notta-ste drückte, würde sich zwischen der äußer-sten Schicht der Unterkleidung und der In-nenwandung des Anzugs ein zweiterSchaum ausbreiten, der innerhalb von fünfMinuten steinhart wurde. Das würde bedeu-ten, daß ihn seine Männer wie einen Totenwürden schleppen müssen.

»Vermutlich Giftalarm!« sagte er so ruhigwie möglich.

Die Unterhaltung hatte nur Sekunden ge-dauert. In diesen wenigen Sekunden verrich-teten die Männer der Kommandoeinheit al-les, was nötig war, um die Räume mit denwichtigen Daten zu finden und aufzuspren-gen. Immer wieder übertrugen die Außenmi-krophone das Geräusch von wütendem Feu-erwechsel.

»Ich sehe dich, Valiard.«Auf allen Teilen der Anzüge waren große,

selbstleuchtende Nummern angebracht.Vallards Zwei war auf einmal Mittelpunktdes Interesses. Giftalarm, das war schlimmerals ein neuer Gegner. Von einhundert Schü-lern, die sich hier ausbilden ließen, überleb-ten fünf das Abschlußtraining nicht.

»Es geht noch. Erst wenn wir im Zentrumsind.«

Sie hatten die zahllosen Berichte studiertund wußten, daß solche Stationen immernach einem bestimmten Schema erbaut wa-ren. Die Männer kamen sternförmig auf dasZentrum zu. Nethac zerschoß die schwerenRiegel eines Panzerschotts, und Colant warfsich mit der Schulter gegen die massivePlatte. Die Tür schwang auf.

»Hier! Warte. Ich komme von rechts!«rief der Kamerad.

Valiard drehte sich, riß die Waffe herumund sah, daß der Maahk eben unter demKreuzfeuer von zwei Männern zusammen-brach. Dann rannte Nummer Sieben auf ihn

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zu. Die Männer sahen sich kurz durch dieHelmscheiben hindurch an.

»Ernst?« fragte Nummer Sieben.»Ja. Es stinkt, aber die Anlage hat noch

nicht gesummt.«»Weißt du, an welcher Stelle?«Die giftige Gashülle vereiste im allgemei-

nen die betreffende Körperpartie, so daß ei-ne grobe Lokalisierung des Risses möglichwurde. In diesem Fall halfen Spezialklebe-bänder, die einige Stunden Sicherheit boten.

»Nein. Ich spüre nichts.«Aber er roch es. Valiard sah, wie seine

Kameraden das wissenschaftliche oder logi-stische Zentrum des Stützpunkts stürmten,wie sie nach den Daten suchten – eine plan-mäßige und überlegte Arbeit. Er ging etwaslangsamer auf den zerstörten Eingang zu.

»Was willst du unternehmen?« fragte Co-lant beunruhigt.

»Jetzt noch nichts. Höchstens im Schlep-per.«

»Ich verstehe.«Sie liefen weiter. Sie schafften es, inner-

halb der zur Verfügung stehenden Zeit ihreDokumentation zu machen. Valiard, der indieser Phase nicht arbeitete, sondern nur ko-ordinierte, entdeckte einen kleinen Safe undwies darauf hin, und tatsächlich fanden siedarin einen Kodeschlüssel. In wenigen Au-genblicken konnten sie zurück.

»Panzerfahrzeuge klar?« fragte Valiard.In seinem Gesichtsfeld wechselten die

eingespiegelten Zahlen. Der Gestank im An-zug wurde immer schlimmer. Valiardkämpfte mehr und mehr gegen Brechreizund Übelkeit an. Aber er mußte noch so lan-ge durchhalten, bis sie wieder in den. Fahr-zeugen waren. Valiard lehnte sich an dieWand und hatte das dringende Bedürfnis,sich den kalten Schweiß von der Stirn zu wi-schen. Schließlich, als er es nach etwa fünf-zig Herzschlägen nicht mehr aushaltenkonnte, schaltete er ein winziges Aggregatein. Es lief an und pumpte das Atemluftge-misch aus seinem Anzug hinaus, kämpftegegen den Außendruck an und schaltete sichaus, als ein Pseudovakuum geschaffen wur-

de. Dann hörte Valiard das Schnappen einesVentils und das Zischen, mit dem neue Luftin den Helm strömte.

Augenblicklich stank es wieder nach Am-moniak.

»Kommt schon heraus. Das Boot hat unsangefunkt!« sagte einer der wartenden Fah-rer, die noch immer die Geschützrohre krei-sen ließen und Ortungen in alle Richtungenvornahmen.

»Valiard hier!« hörte er sich selbst kräch-zen. »Wir gehen. Schnell!«

Sie warfen alle Funde in Netze und bilde-ten zwei Gruppen. Dann rannten sie denWeg zurück, den sie gekommen waren.

Valiard taumelte und schlug schwer ge-gen die Wand des Hohlraums, in dem siesich bewegten. Tern hinter ihm packte ihnan einem Tragegriff der Rüstung und stießihn vorwärts.

»Val!« schrie er aufgeregt. »Schaffst dues noch?«

»Ja, ich … glaube.«Aus ihrem Rückzug wurde eine Flucht.

Die ersten Kampftaucher erreichten die Aus-gänge und rannten auf die wartenden Fahr-zeuge zu. Sie waren deswegen so schnell,weil sie wußten, daß es Probleme gebenwürde – mit Valiard. Je weniger sie den an-deren im Weg waren, desto besser.

Valiard schaffte es genau bis zu dem Ein-stieg in sein Panzerfahrzeug. Hinter ihm warTern, der ihm half und seine Beute bereits inden Innenraum geworfen hatte. Beide hin-gen sie an den Griffen, vor ihnen war dasLuk, und sie standen auf dem schweren Me-tallgitter, das über den Raupenketten lag.

»Vallard … an … alle«, stöhnte und gur-gelte er. »Los! Wir starten!«

Das Fahrzeug ruckte scharf an und derRuck schleuderte beide Männer rückwärtszu Boden. Der Fahrer merkte es nicht sofort,und als Tern aufschrie, war es zu spät.

Die Fahrzeuge hatten etwa hundert Meterzurückgelegt. Der zweite Wagen rollte mitder rechten Kette über Tern hinweg, wäh-rend Vallard in eine vulkanische Spalte ge-schleudert wurde und in letzter Not den be-

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treffenden Schalter fand und hineinschlug.Der dritte Panzer kam in einer gewaltigen

Wolke aus Kristallen zum Stehen und schlit-terte auf Tern zu.

Zwei Kampftaucher sprangen rechts undlinks von den Abdeckungen herunter undrannten auf Tern zu. Sie packten ihn an denversenkten Griffen des Anzugs und zogenihn in rasender Eile auf den Wagen zu.

»Tern! Wie geht es dir? Schmerzen?«Ein röchelndes Stöhnen war die Antwort.

Der Schutzpanzer des Mannes war stark ge-nug, um das halbe Gewicht des Panzers aus-zuhalten. Aber die Verbindungen und Ge-lenke knackten und rissen auf. Zwei Blink-lichter außerhalb und ein dröhnender Sum-mer innerhalb des Anzugs bewiesen, daß dieElektronik des Anzugs alle Möglichkeitenausschöpfte, den Träger des Anzugs am Le-ben zu erhalten.

»Tern! Noch zehn Minuten! Wir schaffenes!«

Sie brachten es fertig, Tern zum Fahrzeugzu schleppen und in die Kammer zu bugsie-ren. Die Luken dröhnten zu. Sofort setztensich zwei Panzer in Bewegung und rastendavon.

»Holt mich hier raus!« schrie keuchendder Anführer der Gruppe.

Um ihn herum waren Sturm, Ammoniak-schneetreiben und die Dämpfe des Vulkans.Lava brodelte in seinem Rücken, als derFührungspanzer heranschleuderte. Wiedersprangen zwei Männer ab. Der dritte Panzerentfernte sich befehlsgemäß mit Höchstge-schwindigkeit.

Innerhalb weniger Augenblicke hatte sichdie schnell erhärtende Schicht gebildet. Aberdie Spalten und Risse in den Gelenken er-weiterten sich. Die Kameraden hakten Stahl-taue in die Ringe des Anzugs und zogen dieschwere Masse des Anzugs, der sich nichtmehr bewegen ließ, aus der Spalte heraus.

Als sie mit Hilfe des Projektors, der alsKranarm benutzt wurde, den schweren An-zug in der Luft hatten, fuhr der Panzer wie-der langsam an. Die Kampftaucher sprangenauf und arbeiteten schweigend und konzen-

triert.Inzwischen besagte eine kurze Meldung

aus dem davonrasenden Panzer, daß die Ka-bine leergepumpt worden war. Sie versuch-ten gerade, Tern aus dem Anzug zu befreien.

Plötzlich, etwa auf der Mitte der Flucht-strecke, knisterte und knackte es in sämtli-chen Funkgeräten. Es war unverkennbarOlfkohrs Stimme, die laut und deutlich sag-te:

»Panzer Drei, Vier und Zwei ins Beiboot.Ich kümmere mich um Valiard!«

Eine als Gesteinswand getarnte Schleu-sentür wurde aufgesprengt. Oifkohr in sei-nem chromglänzenden Schutzanzug schoßmit voll arbeitenden Flugtriebwerken ausder Kammer und nahm mit eingeschaltetenAnzugscheinwerfern Kurs auf den dahinsch-lingernden Panzerwagen. Er hatte vor, dasLeben Vallards zu retten. Es würde nichtleicht sein, sagte er sich verzweifelt, als ersich mit einer Fangleine an einem Handgriffsicherte und das Gerät aktivierte, das deutli-che Ähnlichkeit mit einer schweren Energie-waffe hatte.

Während sich die verzweifelte Crew be-mühte, durch den Orkan und die Schluchtdas Boot zu erreichen, handelte Olfkohrschnell.

Zuerst entfaltete er eine dicke Folie, einenballonförmigen Sack. Er zog ihn über denOberkörper des regungslosen Mannes. Danndrückte er durch die schlaffe Folie hindurcheinen Hebel, die Sichtscheibe sprang aus derFassung. Gleichzeitig fauchte eine Hoch-druckdüse auf und blies den Ballon auf. DieFolge war, daß Vallards Lungen mit neuerAtemluft gefüllt wurden. Diese Luft standunter hohem Druck.

»Schneller fahren!« sagte Olfkohr.»Viel schneller geht es nicht mehr!«

knurrte der Fahrer, aber er schob die Ge-schwindigkeitshebel ganz nach vorn.

Die Luken waren geschlossen, die Pum-pen liefen heiß, als sie versuchten, die Gift-atmosphäre aus dem Panzerinnern zu pum-pen. Der letzte Panzer raste schlingernd undschleudernd, den Sturm im Rücken, die Ver-

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änderliche Schlucht hinunter. Dort vorn,hinter Nebel, Schneeschauern und Dampf-wolken, befand sich die Schleuse des Boo-tes, die sie erreichen mußten.

Auch das Beiboot war eine Attrappe; dieSchleusentore waren nichts anderes als Un-terbrechungen in der gewaltigen Trainings-kuppel. Anschließend an einen würfelförmi-gen Anbau gab es dort inmitten der Land-schaft eine lange abfallende Rampe, auf derbereits die Rettungsfahrzeuge und dieMannschaften warteten.

Jedes Jahr forderte Falgrohst einige Op-fer. Jeder Tote schwächte die Kraft des Im-periums, und darüber hinaus war es Olfkohr,der darunter litt wie ein Vater, der seinenSohn verlor.

Unruhig warteten die robotunterstütztenTeams. Sie waren bereit, blitzschnell zuzu-packen.

Die äußeren Schleusentore blieben ge-schlossen …

2.

Frayn Porthor schirmte seine Augen abund blickte sich um. Er war diszipliniert ge-nug, die Aktion Olfkohrs nicht zu stören.Wenn der Chef Hilfe brauchte, würde er sichmelden. Auch Frayn war bereit, sich in dieSchleuse zu stürzen; er trug bereits denschweren Schutzanzug.

Vor ihm im schweren Einsatzgleiter er-tönte ein Summer, eine Lampe strahlte auf.Frayn nahm das Mikrophon in die gepanzer-te Hand.

»Porthor hier. Was ist los?«»Zentrale. Eine Botschaft für Olfkohr!«

sagte eine Stimme, aus der deutlich Nieder-geschlagenheit zu hören war.

Frayn sagte unruhig:»Im Augenblick kann ich sie nicht weiter-

geben. Olfkohr ist in der Kuppel. Er rettetzwei Männer. Giftalarm am Ende der letztenÜbung einer hervorragenden Gruppe. Dukennst Vallard, den Teamleiter?«

»Ja. Ist er …?«»Keine Ahnung. Was hast du zu berich-

ten?«»Ormeck-Pan hat sich gemeldet. Ein

Funkspruch wurde aufgefangen und an unsabgestrahlt. Galbayn Tsoehrt und seineGruppe sind von den Maahks gefangenge-nommen worden.«

Frayn unterdrückte seine abgrundtiefeEnttäuschung und wußte, daß dieses Schick-sal ihm ebenso drohte wie allen anderenKampftauchern, die in diesem geheimenStützpunkt ausgebildet wurden. Endlich ant-wortete der junge Offizier:

»Wann kam diese Meldung?«»Hier traf sie vor einigen Augenblicken

ein. Ich habe sie sofort weitergegeben, alssie entschlüsselt war.«

»Ich verstehe.«Als er eine Bewegung sah, drehte Frayn

den Kopf. Die schweren Stahlportale glittenauseinander. Gleichzeitig damit driftete ausder riesigen Schleuse eine gewaltige Wolke.Die Gase wurden von einem riesigen Geblä-se in die Höhe gerissen und bis zu einer un-schädlichen Konzentration verdünnt. Ausdiesem lautlosen Inferno ratterte der erstePanzer auf die Hilfsmannschaften zu. DieLuken des kugelförmigen Sicherheitsraumswaren geöffnet. Frayn stand auf und bliebneben dem Gleiter stehen.

»Hör zu«, sagte er. »Eben ist die ersteGruppe, anscheinend unversehrt, aus derSchleuse gekommen. Wir treffen uns im Bü-ro des Sonnenträgers. Versuche, etwas mehrin Erfahrung zu bringen.«

»Verstanden, Frayn. Ende.«Von allen Seiten stürzten Helfer auf das

bremsende Fahrzeug los. Die Männer in ih-ren schweren, nassen Anzügen, die sich au-genblicklich mit Eis beschlagen hatten, klet-terten schnell aus der Kugelkabine hervor.

Frayn war sicher, daß er nicht mehr einzu-greifen brauchte. Verschiedene unterirdischeSicherheitsstollen zogen sich unter jederKuppel hin und boten die Möglichkeit,plötzlich mitten in der giftigen Atmosphäreund den Tornados oder künstlichen Vulka-nen aufzutauchen. Olfkohr hatte einen sol-chen Stollen samt Zweimannschleuse be-

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nutzt.Frayn war ein hervorragender Taucher,

aber er hatte einen Fehler, den er selbst ge-nau kannte.

Sein zu stark entwickelter Ehrgeiz.Aber hier ging es um seine Freunde und

Kameraden, und bei dieser Rettungsaktionwar Ehrgeiz ebenso unangebracht wie über-flüssig. Er wartete. Panzer Eins schien intaktzu sein, und auch die Insassen waren unver-letzt.

Das zweite Fahrzeug kam heraus, bremstescharf ab und rasselte klirrend auf einenBergegleiter zu. Sofort folgte der nächstePanzer, der ebenfalls in die Richtung raste,die das erste Fahrzeug eingeschlagen hatte.Frayn sah, wie der Fahrer aus der offenenLuke winkte und das»Alles-in-Ordnung-Zeichen« machte. Nochein Fahrzeug fehlte.

Jetzt kam es heraus. Zwei Mann standenauf den Kettenabdeckungen. Bedeckt mit ru-ßigem Schnee, das Geschützrohr schrägnach oben gerichtet, schleuderte auch dieserPanzer auf die Anlage zu, in der die Medizi-ner warteten.

»Verdammt!« sagte Frayn, schaltete dasFunkgerät ab und ging schnell hinüber zuden verschiedenen Gruppen. Die Helfer ver-sammelten sich um die zwei Panzer. EinigeMänner sprangen ab und kletterten hinaus,aber dann schwebten Plattformen heran.

»Es sind Tern und Vallard!« rief jemand,der an Frayn vorbeihastete.

Frayn sah den alten Sonnen träger, Befeh-le brüllend, in seinem auffälligen Schutzan-zug. Tern und Vallard schwebten hinüber indie Gleiter, in denen sie behandelt werdenkonnten. Zwischen dem Augenblick, an demsie über Funk von Vallards Zustand gehörthatten, und dem Zeitpunkt, an dem die er-sten gezielten medizinischen Maßnahmeneinsetzten, waren elf Minuten vergangen.

Frayn schob sich zwischen den hastendenHelfern hindurch und traf schließlich Olf-kohr. Zwei Techniker befreiten Olfkohr ge-rade von dem gewaltigen Helm. Frayn hatteseinen Anzug noch nicht geschlossen ge-

habt.Die beiden Männer starrten sich an. Der

massige Trainer der Kampftaucher und derschlanke, hochgewachsene Offizier. Dannsenkte Olfkohr den Blick und murmelte:

»Vielleicht kommen sie durch. Sonst istalles in Ordnung. Der Einsatz verlief mu-stergültig.«

»Freut mich. Was denken Sie, Chef?«»Ich denke, daß Valiard und Tern gute

Chancen haben. Wir werden in einer Stundemehr wissen.«

Die Gleiter entfernten sich jetzt mit heu-lenden Sirenen und aufblitzenden Signal-lichtern in die Richtung der langgestrecktenGebäude weit abseits der Kuppeln. Währenddes Transportes setzten schon die Maßnah-men ein, die mit dem höchsten Standard derarkonidischen Überlebenstechnik versuch-ten, die Männer zu retten.

»Sonnenträger Olfkohr«, sagte Frayn lei-se, »ich weiß nicht, ob es der richtige Zeit-punkt ist, Ihnen etwas zu berichten.«

Er hörte selbst, wie unecht seine Worteklangen. Sofort erschien in den Augen desalten Kämpfers ein Ausdruck der Wachsam-keit.

»Keine falsche Zurückhaltung, Porthor.Wenn es um Ihre Karriere geht, sind Sieauch zu unkonventionellen Lösungen be-reit.«

»Die Maahks haben Galbayn und seineGruppe gefangengenommen!«

»Nein!« stöhnte Olfkohr auf und riß sei-nen Arm in die Höhe. »Mannschaften!«dröhnte seine Stimme. »Hierher!«

Die Eigenschaften Olfkohrs waren be-kannt, und jeder konnte sich darauf verlas-sen, daß er genau das tat, was er zu tun ver-sprochen hatte. Er kannte seine Aufgabe undnahm sie so ernst, wie er es aus den ZeitenGonozals gewohnt war. Die Ausbildung derMänner war hart und gnadenlos. Diejenigen,die für diesen selbstmörderischen Berufnicht geeignet waren, schieden bereits in ei-nem Stadium aus, in dem sie nicht in den Si-mulatoren umgebracht werden konnten.Aber in dem Augenblick, wo einer seiner

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Schützlinge Hilfe brauchte, setzte er sich mitall seinem Können und bedingungsloserHingabe ein.

»Was haben Sie vor?« fragte Frayn alsMänner ihnen aus den Rüstungen halfen.

»Arkon. Zuerst einmal in die Nachrich-tenstation.«

»Wenn es nicht schon zu spät ist!« mur-melte Frayn.

»Die Maahks töten nicht so schnell. Au-ßerdem werden sie versuchen, die Koordina-ten von Falgrohst zu erfahren. Hier hilft nurnoch massiver Einsatz einer Flotte!«

»So, wie ich Orbanaschol zu kennen glau-be …«, begann Frayn, aber Olfkohr winkteab.

»Wir müssen zuerst genügend Informatio-nen haben!« sagte er.

Olfkohr und Frayn rasten mit dem Gleiterdes Ausbilders hinüber zur Funkstation desPlaneten. Frayn war sicher, daß sie nicht vielwürden ausrichten können. Olfkohr schwieg.Sein Gesicht war weiß und wirkte verschlos-sen. Es ging nicht nur um das Leben vonvier höchstqualifizierten Männern, sondernum das Geheimnis des Trainingsplaneten.

*

Zuerst knisternde Störungen, dann derText.

Galbayn Tsoehrt spricht. Wir sind vonMaahks umzingelt. Wir sind in eine verteu-felte Falle geraten … Wieder Störungen, ei-ne Pause, dann ein scharfes Knistern von ei-ner starken Energieentladung … nicht vor-auszusehen. Wir vernichten den Minisender.Wir haben die Hyperfunkstation der Gegnersprengen können … Unterbrechung, Störun-gen, … aussichtslose Lage. Sie kommen aufuns zu, wir haben keine Chance mehr. Olf-kohr, versuchen Sie, uns herauszuholen …Sie kommen … Ich drücke jetzt den Selbst-vernichtungssatz … Ein Knistern, dann nurnoch die Störungen, die vom Empfangsgerätaufgenommen worden waren. Das Bandwurde angehalten.

»Jetzt kann ich mir ein deutlicheres Bild

machen!« knurrte Olfkohr. Er rief sich dieJahre in sein Gedächtnis zurück, in denen erselbst solche Einsätze unternommen hatte.Sie waren eine nicht abreißende Kette vonGefahren und letztlich Siegen gewesen,sonst wäre er nicht mehr Sonnenträger. Erglaubte, die Mentalität der Maahks ein we-nig zu kennen.

»Steht die Verbindung mit Arkon?« fragteFrayn und biß sich auf die Lippen.

»Noch nicht.«»Beeilt euch, ja?« flüsterte Olfkohr abwe-

send. Er spielte in seinen Gedanken dieMöglichkeiten durch, die es noch gab. Erglaubte fest, daß im Augenblick seine Schü-ler noch lebten.

»Natürlich, Chef!« sagte die Arkonidin,die seit Eintreten der zwei Männer Arkon zuerreichen versuchte. Die Relaisstrecke waran einem Punkt unterbrochen. Es konnteaber nicht mehr lange dauern.

Olfkohr stützte sein rundes, hartes Kinn indie Hand und schaute endlich hoch.

Dann begann er leise zu fluchen. DieKuppelbauten mit den gewaltigen Maschi-nen, die in der Lage waren, nahezu jedeForm von giftiger, ungiftiger oder tödlicherAtmosphäre zu simulieren, dazu Oberflä-chenschwerebeschleunigung von fast Nullbis mehr als Zehn, einschließlich aller Stür-me, Blitze, Schwerkraftanomalien, Vulkan-ausbrüche, Stürme und Überschwemmungen– alle diese Faktoren konnten programmge-steuert werden. Die Anlagen waren dasWerk Olfkohrs. Er wußte nicht mehr, wieviele Schüler aus dieser harten Schule her-vorgegangen waren, aber er würde jedenvon ihnen erkennen. Das alles war in unmit-telbarer Gefahr.

Noch heute.Auch Tsoehrt und die drei Männer waren

so etwas wie seine Söhne. Er mußte sie ret-ten. Und vielleicht war es Porthor, der dabeiseinen Ehrgeiz austoben und eine Auszeich-nung erbeuten konnte.

Oder … sollte er selbst versuchen, eineRettungsaktion zu organisieren? Nein. Daswar sinnlos. Was sie brauchten, war eine

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kleine Flotte schwerer bewaffneter Schiffe,die blitzartig zuschlugen und Landetruppenabsetzten. Die vier Männer mußten befreitwerden. Olfkohrs Lebenswerk war in Ge-fahr, denn die Chancen, daß man ihnen dieGeheimnisse der Schule und des Planetenentriß, waren groß.

»Ich bin durchgekommen, Sonnenträger!«sagte die junge Frau. »Der Kanal ist offen.Sie können sprechen.«

»Danke.«Es dauerte lange, bis Olfkohr den richti-

gen Mann vor sich hatte. Er war hoher Flot-tenoffizier, der sich als Stellvertreter des Se-kretärs von Orbanaschol dem Dritten be-zeichnete. Etwa zwanzig Minuten später be-kam Olfkohr einen Tobsuchtsanfall.

*

Sie standen in einer Art Hof, einem riesi-gen leeren Platz, auf den der Sturm ununter-brochen Ammoniakschnee warf. DieMaahks, die ihre Waffen auf sie gerichtethatten, beachteten den Sturm nicht. DerHimmel über diesem Teil von Ormeck-Panwar stumpfsilbern und von den breiten Strei-fen der vulkanischen Asche durchzogen. Eswar nicht zu erkennen, an welcher Stellesich die Sonne verbarg.

»Aus!« sagte Tsoehrt. »Wir können ster-ben oder uns ergeben.«

Noch hielten sie ihre Waffen in den Hän-den. Von allen Seiten des Platzes kamen dieriesigen Gestalten der Methaner auf sie zu.Die Augen mit den doppelten Schlitzpupil-len starrten die Arkoniden an und wartetennur auf ein Zeichen.

»Es sind zweihundert Maahks!« flüsterteeiner der Kampftaucher. »Wir haben keineChance mehr. Und wir haben ihre Funkstati-on vernichtet.«

»Das ist es, was ich meinte!« wiederholteTsoehrt und warf seinen Strahler zu Boden.Die Maahks zeigten keine Reaktion, abgese-hen davon, daß sich der Kreis um die vierGefangenen enger schloß.

Die Arkoniden kannten das Risiko, das

sie eingegangen waren. Jetzt gab es für sienur noch drei Möglichkeiten zu überleben.

»Tsoehrt?« fragte beklommen der Jüngstedes Teams.

Die Schwerkraft auf Ormeck-Pan betrugziemlich genau das Dreifache Arkons. Diemassigen Gestalten in Kampfkleidung stapf-ten näher heran. Sie gingen keinerlei Risikoein. Es würde nur noch Sekunden dauern.Für einen Augenblick verdunkelte eine da-herrasende Wolke Methanschnee den Mittel-punkt des Platzes, und selbst der überlegteTsoehrt spielte mit dem sinnlosen Gedan-ken, sich auf seine Waffe zu stürzen und zuversuchen, sich und seinen drei Freundeneinen Weg freizuschießen, damit sie mit vol-ler Kraft ihrer atmosphärischen Antriebsag-gregate nach oben starten konnten.

»Ja?«»Werden Sie uns herausholen? Ich meine,

wird uns Arkon helfen?«»Keine Ahnung!« erwiderte er. Die

Maahks kamen näher. Die Schuppen ihrerReptilienhaut glänzten. Sie brauchten hierkeinen Schutzanzug. Aber sie trugen Waffenund Kombinationen, die wie Uniformen aus-sahen.

»Sie müssen uns helfen!«Das war die erste Möglichkeit. Die Furcht

lähmte die vier Männer. Sie waren tapferund würden sich wehren, aber es war sinn-los. Jetzt trennten nur noch fünfzig Meterdie beiden Gruppen voneinander.

»Wir sollten uns darauf vorbereiten, ver-hört zu werden. Sie werden versuchen, unsüber Falgrohst auszufragen. Mit allen Me-thoden, die sie haben. Noch etwas … Wirkennen ihre Sprache nicht.«

Das war die zweite Möglichkeit. Es warso gut wie sicher. Natürlich sprachen sie alledas Kraahmak perfekt, und es würde hierauch einen Grek geben, der Arkonidischsprach. Sie konnten sich darauf verlassen,denn die Angriffe der Kampftaucher auf fastallen wichtigen Methanplaneten waren ge-fürchtet.

»Oder sie töten uns sofort!« sagte derletzte Mann und warf seine Waffe ebenfalls

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auf die Platten des Platzes. In den Lautspre-chern der vier Männer ertönte plötzlich diedumpf grollende Stimme eines Maahks. Ersprach ein undeutliches, aber genügend ver-ständliches Arkonidisch.

»Betrachten Sie sich als Gefangene. Wirwollen Sie nicht niederschießen. Sie dort,werfen Sie Ihre Waffe weg!«

Carnth ließ seinen schweren Strahler fal-len und dachte an ihren kleinen Sender, densie vernichtet hatten, als die Lage unhaltbargeworden war.

Befreiung durch eine Arkon-Flotte, lange,qualvolle Verhöre und der Tod. Dies warendie einzigen Aussichten, die Tsoehrt nochhatte. Bis zu diesem Augenblick hatte ernoch hoffen können, aber jetzt griff die Mü-digkeit nach ihm, die Einsicht, daß sie ver-sagt hatten. Das Ende war nahe. Die Schwä-che ließ Tsoehrt taumeln, aber er beherrsch-te sich einigermaßen.

»Sie werden weggebracht und verhörtwerden. Kommen Sie!«

Die wuchtigen Tentakelarme bewegtensich. Blitzschnell wurden Tsoehrt und seineKameraden abgetastet, und alle Ausrü-stungsgegenstände verschwanden. Ebensodie Strahler auf dem Pflaster. Den Maahkswar keinerlei Gefühlsregung anzusehen,aber die Furcht und die Ungewißheit pack-ten die Arkoniden mit einem furchtbarenGriff. Sie wußten nicht einmal, ob ihr Funk-spruch durchgekommen war. Hoffnungslo-sigkeit erfüllte sie.

»Kommen Sie!«Die Methaner verhielten sich korrekt und

völlig unemotionell. Sie nahmen die Männerin ihre Mitte, aber blieben unverändertwachsam. Die Gruppe überquerte den Platzund verschwand in einem der Gebäude, diedurch den Brand der Hyperfunkanlage nichtgelitten hatten.

Alles, was jetzt passieren würde, wußteTsoehrt, geschah ohne Haß, ohne Wut, völ-lig ohne Emotionen. Die Methaner warenein Volk ohne Gefühle, wie Arkoniden siekannten. In ihrer Mentalität waren Gefühlekaum vorhanden. Sie waren streng logisch,

rational wie ein Großrechner. Aber sie wür-den demnach auch kein Mitleid haben. DasEnde der vier Kampftaucher war völlig of-fen, aber Galbayn Tsoehrt begann zu ahnen,daß die Stunden gezählt waren.

Hinter ihnen schloß sich hallend ein stäh-lernes Schott.

*

Olfkohr hob seinen Arm. Die Faust krach-te auf die schwere Tischplatte herunter.Sämtliche Gegenstände auf der Platte klirr-ten und virbrierten. Auf dem Schirm desKommunikationsgeräts zeichneten sich se-kundenlang Störungslinien ab. Olfkohrs Ge-sicht war kriedebleich.

»Dieser Stümper!« keuchte er. Frayn hatteihn noch niemals so erlebt, und er kannte ihninzwischen fast drei Jahre. »Diese elendenSchranzen! Und der Kerl, mit dem ich ge-sprochen habe …«

Seine Stimme erstickte. Jetzt hatte er sichmühsam beruhigt, aber zwei geborsteneBildschirme und ein Scherbenhaufen warendie stummen Zeugen seines Ausbruchs.

»Ich werde ihnen den Orden ins Gesichtschleudern!« sagte er grimmig. Dann spranger wieder auf. Seine Unruhe brauchte einVentil. Er mußte sich bewegen, er mußtehandeln.

Frayn hob die Hand und warf zögerndein:

»Sonnenträger Olfkohr! Ich glaube, wirsollten diesen Vorfall vergessen. Er bringtuns außer Wut, Haß und Enttäuschungnichts ein. Die Frage ist nur, was können wirtun?«

Olfkohr warf ihm einen funkelnden Blickzu. Noch immer war der alte Haudegen halbaußer sich.

»Was glauben Sie junger Narr, was ichdie letzten Minuten getan habe?«

»Entschuldigung, Olfkohr!«»Schon gut.«Olfkohr hatte sich in der Hierarchie der

Flottenbefehlshaber Stufe um Stufe hinauf-gearbeitet und durchgebettelt. Aber von je-

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dem Offizier, jedem Kommandanten, jedemAdmiral war er vertröstet oder an die nächst-höhere Stelle verwiesen worden. Er wolltenichts anderes, als daß ein Schlachtschiffseine Leute auf Ormeck-Pan herausholensollte. Oder eine der kleinen Flotten, die imbetreffenden Raumsektor operierten. Dievier Methanamphibier mußten befreit wer-den, ehe sie starben und die Geheimnissedieser Ausbildungswelt verrieten. Aberüberall hatte er denselben Bescheid erhalten.

Arkon sammelte seine Raumkräfte, umeinen entscheidenden Schlag gegen den rie-sigen Stützpunkt Marlackskor zu führen.

Sie wollten die Kräfte nicht verzetteln, dieFlotten nicht auseinanderreißen.

»Sie haben mich vertröstet!« fauchte er.Die Wut hatte ihn gepackt und schüttelteihn. Staunend und nur zum Teil fähig, seineÜberlegungen nachzuvollziehen, hatten diewenigen Mitarbeiter Olfkohrs dessen Wut-anfall über sich ergehen lassen.

»Und sie wissen so gut wie ich, daß jedeStunde kostbar ist. Später wird keine Ret-tung mehr möglich sein. Und die Maahkswerden uns hier überfallen und den Planetenzerstören, den einzigen Platz, an dem Arkonseine Elitetaucher ausbildet!«

Orbanaschol hatte ihn im Stich gelassen.Olfkohr empfand dies als persönliche

Kränkung und Zurücksetzung. Aber er warin der Lage, diese Empfindungen zu verges-sen, zu ignorieren. Es ging ihm um vierMenschenleben und um die weitere Existenzvon Falgrohst. Er hatte sogar riskiert, dieFunkgespräche im Klartext zu führen. Sieselbst hatten im Augenblick auf Falgrohstnur ein paar große Beiboote, mit denen nie-mand Ormeck-Pan erreichen konnte.

»Ein Schiff!« stöhnte er laut. »Woher be-kommen wir ein Schiff, ein schnelles Schiff,Frayn?«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung.«Olfkohr hob die Schultern.»Ich leider auch nicht.«Sie schwiegen. Es gab eine entfernte

Möglichkeit, aber sie war fast utopisch.»Wir haben hier eine Masse von rund

dreihundert Schülern. Sie alle sind in der La-ge, einen solchen Einsatz zu unternehmen.Wir haben auch Waffen und Fahrzeuge. Esgibt nicht sehr viele Methaner auf diesemStützpunkt, und wenn ein Schiff einen gutgeplanten Angriff fliegen würde, könntenwir die vier herausholen.«

Frayn überlegte. Was Olfkohr sagte, warsachlich richtig. Die Voraussetzung dafürwar, daß Olfkohr seine Kompetenzen dra-stisch überschritt und auf eigene Faust han-delte. Arkon und die Flottenleitung und mitSicherheit auch Orbanaschol würden toben,wenn sie davon erfuhren.

»Sie meinen, der inoffizielle Weg würdefunktionieren?« erkundigte sich Frayn ver-blüfft. Er ahnte Schlimmes. Und vor allemahnte er, daß er selbst als Mitverschworenereiner solchen Aktion Ärger und Schwierig-keiten bekommen würde. Und zwar imÜbermaß. Ärger, der sich sehr nachteilig aufseine Karriere auswirken würde.

»Vielleicht! Wir brauchen ein Schiff. Eineinigermaßen großes Schiff, dessen Kom-mandant uns hilft!«

»Woher?«»Wir haben einen Hypersender. Und der

Kosmos ist voller Schiffe. Denken Sie an dievielen Stützpunkte in unserer relativen Nä-he.«

Steif fragte Frayn Porthor zurück:»Sie wissen, daß Sie ein Unternehmen

starten wollen, daß uns alle Kopf und Kra-gen kosten kann? Orbanaschol läßt sichnicht gern übergehen; er ist allergisch gegensolche verwegenen Kraftakte.«

»Wollen Sie, Frayn, daß Ihre Kameradensterben?«

»Wenn ich es verhindern kann«, gab Port-hor zurück, »dann gehe ich sogar mit Ihnennach Ormeck-Pan, um die vier herauszuho-len. Das ist mein Standpunkt. Trotzdem war-ne ich Sie. Ich hoffe, Sie haben verstanden,was ich meine?«

»Ich denke schon.«Ihre Lage war undankbar und fast aus-

sichtslos. Was immer sie unternehmen woll-ten, es war gefährlich und riskant. Ob Olf-

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kohr tobte oder ruhig blieb, ob Frayn umseine Karriere zitterte oder seine Befürch-tungen vergaß, war gleichgültig. Ob dieMänner von Falgrohst massiert eingriffen,oder ob sie hier blieben, bis die Todesnach-richt auf obskuren Wegen einging … Eswürde auf alle Fälle Ärger geben. Ärger undschließlich eine Art von Resignation, vonder sie alle gezeichnet werden würden.

Schweigend dachten sie nach, ihre Gedan-ken bewegten sich in Kreisen, und sie fan-den keinen Ausweg, der sich relativ leichtanbot. Zwischen Eingehen der Meldung undihrer Ratlosigkeit war knapp eine Stundevergangen. Wenn sich Olfkohr vergegen-wärtigte, daß jetzt seine Schüler in den Ver-hörsesseln der Maahks angeschnallt warenund ihnen immer wieder dieselben Fragengestellt wurden, dann fühlte er seine Ohn-macht besonders deutlich. In ihm hockte et-was wie ein selbständiges Wesen, das sichnach außen bohren wollte. Er mußte etwasunternehmen. Er war es sich selbst schuldig.Es ging nicht anders.

Er drückte die Taste seines Kommunika-tors, die ihn mit dem Spezialsektor desKrankenhauses verband.

»Olfkohr hier. Wie geht es Tern und Vali-ard?«

»Augenblick, Sonnenträger Olfkohr!«Das Bild wechselte. Augenblicklich

tauchte der betreffende Arzt auf dem Schirmauf und nickte Olfkohr zu. Sein Gesicht warernst, und der Sonnenträger ahnte, was dieszu bedeuten hatte. Eine weitere Tragödiebahnte sich an.

»Sie möchten Auskünfte über unsere bei-den Freunde, nicht wahr?«

»Ja.«Der Arzt schwieg einige Sekunden. Olf-

kohr fühlte, wie sich in seinem Magen einharter Knoten bildete.

»Vallard wird sterben, wenn nicht einWunder geschieht. Tern ist außer Gefahr.Seine Haut sieht furchtbar aus, aber wir ha-ben selbst die schwersten Wunden unterKontrolle. In ein paar Monaten kann er wie-der laufen. Aber vermutlich ist Vallards

Lunge zu sehr geschädigt.«»Danke, Utkaam!« sagte Olfkohr tonlos.

Er stützte die Arme auf die Tischplatte undverbarg das narbige Gesicht in den Händen.Schließlich stand er wieder auf und begann,unruhig im Raum hin und herzugehen. Erwar ratlos.

Eine Minute später ertönte scharf unddurchdringend der Summer. Das Geräuschhatte auf die beiden Männer die Wirkung,die eine Detonation gehabt hätte.

»Olfkohr! Ein Schiff ist im Anflug!«Es war ein dringender Anruf aus der Or-

tungszentrale. Die Stimme des Spezialistenließ erkennen, daß er zumindest erschrockenwar.

»Ein Schiff?« fragte Olfkohr ungläubig.Frayn stand wie eine Marionette auf undging um den Schreibtisch herum. Er starrteschweigend in den Bildschirm und warteteungeduldig.

»Ja. Wir haben Bildfunkverbindung. Sollich durchschalten, Chef?«

»Natürlich! Worauf warten Sie?«Der Bildschirm war leer und blieb es auch

in den nächsten Sekunden. Aber die Laut-sprecher waren in Betrieb.

»Olfkohr, hier ist ein alter Freund. Wirbefinden uns im Anflug auf Falgrohst. Dukennst mich genau. Laß dich überraschen.«

Ein Blick in Olfkohrs Gesicht zeigteFrayn, daß er die Stimme kannte. Nichtganz. Er erkannte die Stimme, aber er erin-nerte sich nicht daran, wem sie gehörte. Olf-kohr stand vor der Schreibtischplatte undstarrte das Gerät an.

»Wer sind Sie, Mann? Irgendwie erkenneich Sie, aber …«

»Ich sagte schon, daß du dich überraschenlassen sollst!« Ein leises, dunkles Lachenwar zu hören. »Dürfen wir landen? Oderbesser: ich ersuche hiermit offiziell um Lan-deerlaubnis. Es ist allerdings mehr ein Be-such privater Natur. Darüber hinaus, wenndu Hilfe brauchen solltest, SonnenträgerOlfkohr …?«

Das Bild wechselte.Dann geschah etwas Unglaubliches. Die

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Besatzung der Ortungszentrale und die bei-den Männer in dem Büro des Sonnenträgerssahen, wie sich ein Bild erstellte. Es zeigteden Oberkörper eines Mannes, den sie allekannten. Mit einem pfeifenden Stöhnen stießOlfkohr die Luft aus den Lungen.

»Gonozal?«»Das ist … unmöglich!« flüsterte Frayn

Porthor.Aber es war nicht unmöglich. Es war die

Realität. Auf dem Bildschirm war deutlichund unzweifelhaft der Kopf des angeblichverstorbenen Imperators zu sehen. Er lebte,es war kein Double, sie erkannten dies mitjeder Sekunde mehr, die das Bild auf demSchirm stand.

»Bekommen wir Landeerlaubnis?«»Selbstverständlich!« brüllte Olfkohr in

plötzlich erwachender Begeisterung. »Ichkann nicht glauben, Imperator, was ich sehe,aber …«

Er hatte kurz die Empfindung, verrücktwerden zu müssen. Der alte Imperatorschenkte ihm ein zurückhaltendes Lächeln.Das Bild blendete aus. Das Schiff mit Gono-zal an Bord erhielt die Landedaten und kamschnell näher. Olfkohrs Gedanken über-schlugen sich. Er wußte nicht, was er sagensollte. Erstaunen, Überraschung, Begeiste-rung und eine Reihe ähnlicher Empfindun-gen vermischten sich. Die zwei Männer ver-ließen den Raum und rannten zu einem Glei-ter, der sie in rasendem Flug zum Raumha-fen brachte, der in taktischer Entfernung vonden halb getarnten Kuppeln lag.

3.

Es war gut, in diesem Augenblick Fartu-loon anzusehen. Er wirkte so unglaublich vi-tal und überzeugt. Er lag in seinem Kontur-sessel, den er in eine Art Thron umfunktio-niert hatte. In seinen Fingern hielt er einenüberdimensionalen Pokal. Ein leichter,moussierender roter Wein befand sich darin.Fartuloon schwenkte den Becher in einerumfassenden Bewegung und sagte:

»Ich bin sicher, wir werden viele gute

Freunde finden, Atlan!«»Dort, auf Falgrohst?« fragte ich zwei-

felnd.»Ja. Genau dort. Ich kenne Olfkohr ein

wenig besser als er mich. Dein Vater hatdiese Schule gegründet und Olfkohr zumAusbilder bestimmt. Der Sonnenträger iden-tifiziert sich mit allem, was dort geschieht.Und sie sind in einer verzweifelten Situati-on.«

»Ich zweifle nicht daran, daß du rechthast«, erwiderte ich. »Aber ich fürchte, er-kannt und verraten zu werden.«

»Das ist zu beachten!« belehrte mich Far-tuloon. »Indes, dieses Problem stellt sicherst auf Falgrohst.«

»Was macht dich so gutgelaunt?«Er grinste breit und nahm einen mächti-

gen Schluck.»Die Gewißheit, daß wir mit ziemlich

großer Sicherheit Freunde und Mitkämpferfinden werden. Und sowohl Mitkämpfer alsauch Freunde können wir noch ein paar Mil-lionen brauchen, Atlan, mein Sohn.«

»Ja!« sagte ich, biß auf meine Lippe unddachte an die schweigende Mumie, die mituns im Schiff reiste.

Obwohl Gonozal der Siebente mein leibli-cher Vater war, konnte ich das Bild meinesVaters, das ich in mir hatte, nicht mit der le-benden Mumie identifizieren. Es waren zweiverschiedene Dinge, denn schwerlich konnteman diese grausige Parodie eines Imperatorsmit Mensch bezeichnen. Dieses Zerrbild, andem nur noch der biologische Mechanismusdes alten Körpers funktionierte, war nichtmein Vater. Es war ein lebender Leichnam.

Fartuloon hob den Pokal und warf mireinen unergründlichen Blick zu.

»Sehe ich richtig? Du bist nachdenklich,mißtrauisch, unsicher, Atlan?«

Ich lehnte mich gegen eine Tischkante.Eben waren wir damit fertig geworden, je-nen Teil der Funksprüche zu analysieren,den wir durch einen glücklichen Zufall klarund deutlich aufgefangen hatten.

»Aus mehreren Gründen, Fartuloon!« er-klärte ich. »Ist es möglich, auch etwas von

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deinem Zeug zu bekommen?«Fartuloon drehte den Sessel und schenkte

einen zweiten, kleineren Pokal ein.Ich nahm den kühlen Metallpokal und

nickte.»Atlan!« sagte Fartuloon nach einer Wei-

le, in der er mir Gelegenheit zum Nachden-ken gab, »Arkon und Orbanaschol werdenden Chef dieser Ausbildungsstation nichtunterstützen! Ich denke, Arkon kann es auchnicht. Sie bereiten ein großes Gefecht vor,und überdies hat Olfkohr unter den Hof-schranzen Orbanaschols eine Reihe vonFeinden.«

»Du meinst, daß nicht genannte Personendarauf aus sind, daß Olfkohr nicht geholfenwird? Sie wollen ihn sabotieren?«

»Genau das meine ich!« sagte Fartuloonund schien sich zu freuen, daß ich die politi-schen Verwicklungen am Hof des Diktatorsund Despoten so gut verstand.

»Wann sind wir auf Falgrohst?«»In rund einer Stunde!«Wir wußten, daß zwei Mann bei einer ab-

schließenden Übung schwer verletzt wordenwaren. Uns war ebenfalls bekannt, was Olf-kohr versucht hatte, seine vier Männer zuretten. Fartuloon hatte mir und unserenFreunden detailliert geschildert, welchemZweck die Anlagen auf dem Planetendienten, den wir ansteuerten. Und jetzt hobder Bauchaufschneider den Pokal und sagte:

»Ab jetzt bist du ein junger Mann ausmeiner Begleitung. Mein Schützling. DeinName ist Zerkon, klar?«

Du wirst dir diesen Namen merken müs-sen, denn die Tarnung kann lebenswichtigwerden, erklärte der Logiksektor.

»Nun gut, ich bin also Zerkon. Das Schiffkönnen wir nennen, wie es in Wirklichkeitheißt? CRYSALGIRA, ja?«

»Natürlich!«Wir sahen uns an und tranken schwei-

gend. Wir wußten, daß wir wieder ein neuesRisiko eingingen. Wir hofften, neue Helferund Freunde zu bekommen. Auch wir plan-ten einen politischen Schachzug. Und wirscheuten uns nicht, in unserer Notlage selbst

eine so grausige Sache wie den wiederbeleb-ten Körper Gonozals zu benutzen.

»Es ist eine Elitetruppe. Jeder Mann derKampftaucher kann unsere Macht gegen Or-banaschol in ungewöhnlichem Maß verstär-ken, Atlan!«

»Ich verstehe. Und für diesen Zweck istjede Lüge und jede Maskerade gerechtfer-tigt!« erwiderte ich.

Denke daran, daß du von deinem Zielnoch sehr weit entfernt bist! drängte das Ex-trahirn.

»Ja. Wir werden dem verzweifelten Olf-kohr unsere Hilfe anbieten.«

»Er wird sie kaum ablehnen!«»Schwerlich.«Ich konnte nur hoffen, daß es dort auf

Falgrohst niemanden gab, der mich erkann-te. Und was die Fähigkeit betraf, sich inschweren Schutzanzügen zu bewegen undzu kämpfen – sowohl Fartuloon und ich wa-ren darin hervorragend geübt.

*

Wir hatten ihn aus der KARSEHRA aufHocatarr geholt.

Dort fanden wir die Mumie, den leblosenKörper. Ein schrecklicher Anblick. Das Le-benskügelchen hatte aus einem erstarrten,pergamenthäutigen Leichnam einen sich be-wegenden Leichnam gemacht, einen haarlo-sen Roboter aus brüchigen Knochen, mür-ben Muskeln und schlotternden Sehnen, mitglanzlosen Augen und ohne Ego und Seele.Nicht einmal lallen konnte der Körper, dermich einstmals gezeugt hatte.

Fartoloon war es, der mich zurückgehal-ten hatte, diesen Körper wieder zu vernich-ten.

Wir hatten das wandelnde Monstrum ver-ändert.

Aus dem gelben Pergament der zerrei-ßenden Haut war durch kunstvolle Anwen-dung von Medizin, Zelltechnik und Kosmetikeine natürlich wirkende Epidermis gewor-den. Wir schafften es, mit einer teuren Su-perperücke, mit einem Präparat für die Au-

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gen, mit medikamentösen Zellflutungen undeiner Anzahl anderer Kunststücke, das Bildeines schweigenden, vierzigjährigen Manneszu machen. Auf Xoaixo hatten wir diese»Verbesserungen« getestet.

Selbst Olfkohr, der Gonozal gekannt hat-te, als er noch in der Blüte seiner Herr-scherjahre gestanden war, würde unserSchiffsgespenst als den echten Ex-Imperatoranerkennen müssen. Mir schauderte, wennich an den Körper dachte, der in der Obhutzweier Fachleute in einer Kammer der CRY-SALGIRA lag, zwischen Leben und Tod, oh-ne Geist, Sprache, eigenen Antrieb …

Und für jeden hatten wir eine schauerli-che Geschichte bereit, was OrbanascholsHelfer aus dem Imperator gemacht hatten.

Olfkohr würde auch dieses Märchenglau-ben.

Wir bereiteten uns auf die Landung vor.Ich trank meinen Pokal leer und sagte zuFartuloon:

»Manchmal wünschte ich, Bauchauf-schneider, daß ein anderer das alles erlebenwürde, nicht ich.«

»Jemand, der um sein eigenes Lebenkämpft, hat nicht viel Auswahl, was seineMöglichkeiten betrifft!« war die Antwort.

*

Bei allem, was jetzt folgte, würde ichmich im Hintergrund halten.

Die CRYSALGIRA setzte zur Landungan.

Wir alle waren gespannt, was wir vorfin-den würden.

Immer wieder die gleiche Folge von Bil-dern auf den Schirmen des hundert Meterdurchmessenden Schiffes; eine Landung vonvielen, die ich miterlebt oder selbst unter-nommen hatte.

Und doch waren die Bilder neu und aufre-gend.

Falgrohst war ein schöner Planet. Wir sa-hen Meere und Küsten, Inseln, Wolken undGebirge. Wir folgten dem Leitstrahl, der unsüber einen großen Kontinent dirigierte und

an einer Kette von Bergen entlang, die wieriesengroße, uralte und erodierte Hügel aus-sahen. Sie waren fast vollständig bewach-sen.

»Merkwürdig!« brummte der Bauchauf-schneider von seinem Pult her. »Dieser Olf-kohr ist doch ein schlauer Fuchs.«

»Sie meinen, weil keinerlei klare Energie-emissionen festzustellen sind?« fragte derMann aus der Orterzentrale.

»Erraten.«Wir hielten nach den Kuppeln Ausschau,

von denen Fartuloon berichtet hatte. Siemußten riesengroß sein und von gewaltigenEnergieanlagen umgeben.

»Tatsächlich. Nur höchst undeutlicheStreufelder, die niemandem auffallen, wenner nicht gerade danach sucht!«

Der Leitstrahl führte uns über eine Reiheder bewachsenen Hügel. Unsere Augenbohrten sich förmlich in die Bilder, und mirfiel auf, daß eine auslaufende Kette kleinerwerdender Berge beziehungsweise regelmä-ßig geformter Hügel ziemlich genau Kup-pelform hatten. Dann erst sah ich, meist un-ter Bäumen und Felsen verborgen, die Stra-ße. Schließlich verbreiterte sich eine Savan-ne vor uns zu einer Wüste. Dort stand eineGruppe von Felsnadeln.

»Der Raumhafen.«Falgrohst stellte sich uns dar als ein Mu-

sterbeispiel vollendeter Tarnung. Wir ent-deckten den Raumhafen tatsächlich erst, alswir angerufen wurden und in Bildfunkkon-takt traten. Fauchend fuhren die Ladestützenauf ihren schweren hydraulischen Telesko-parmen aus, die CRYSALGIRA verringerteihre Geschwindigkeit.

»Zerkon! Kommst du bitte vor denSchirm?« rief plötzlich Fartuloon. Ich warnoch immer damit beschäftigt, innerhalb denGeländestrukturen bestimmte Einzelheitenauszumachen und Beweise zu finden, daß eshier Tausende von Arkoniden gab.

»Jawohl, gern!« erklärte ich und ging hin-über.

Auf dem Bildschirm vor Fartuloon zeich-nete sich die Gestalt eines Mannes ab, der

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gewisse Ähnlichkeit mit dem Bauchauf-schneider hatte. Sie beide waren mittelgroßund gedrungen, und bei beiden war man ver-sucht, körperliche Fülle vorauszusetzen.Aber sowohl der Mann dort unten als auchFartuloon bestanden nicht aus Fett, sondernaus Muskelpaketen. Bei den Gesichtern al-lerdings hörte die Ähnlichkeit auf.

»Erkennst du mich jetzt, alter Schurke?Erinnerst du dich an den Ball bei Gonozal,wo wir die Jagdhütte geflutet haben?«

Fartuloon grinste und hob die Hand. Ermachte ein Zeichen mit den Fingern, das ichnicht kannte. Olfkohr brach in ein dröhnen-des Lachen aus, dann rief er mit rauherStimme:

»Fartuloon! Jetzt dämmert es mir. Undwer hat damals das Zeug in den Wein ge-schüttet?«

»Ich natürlich!« bekannte Fartuloon. »Istdas ein Grund, die Landeerlaubnis zu wider-rufen?«

»Ich denke nicht daran. Du hast mir deineHilfe angeboten – gilt das noch?«

»Ja. Brauchst du einen guten Arzt?«Schlagartig wich jeder freudige Ausdruck

aus dem Gesicht des Stützpunktleiters. Ersagte fast feierlich:

»Ich brauche einen wirklich gutenFreund.«

Fartuloon nickte.»Dann kann ich ja landen. Schicke eine

Eskorte, aber keinen Triumphzug. Ich neh-me an, daß der Imperator sehen will, was duaus diesem Planeten gemacht hast.«

Olfkohrs Gesichtsausdruck war schlechtzu deuten, aber ich konnte mir vorstellen,daß ein Dutzend einander widersprechenderEmpfindungen ihn heimsuchte. Die gleichenÜberlegungen würde auch der Despot ange-stellt haben, als man ihm hinterbrachte, daßderjenige Mann, den er hatte ermorden las-sen, noch lebte und sich öffentlich zeigte.Hoffentlich schlugen uns hier nicht die Re-aktionen auf eine Maßnahme des Diktatorsentgegen.

»Dies war wirklich keiner deiner bekann-ten Scherze, Bauchaufschneider? Imperator

Gonozal ist auf dem Schiff?«»Ja. Aber erschrick nicht. Der Mann, der

dich zum Sonnenträger gemacht hat, wurdevon Orbanaschol in ein lebendes Wrack ver-wandelt. Du kennst Xoaixo?«

»Natürlich.«»Dort haben sie ihn fertiggemacht.«Nach kurzer Zeit, in der er überlegte, was

er laut sagen konnte, murmelte Olfkohr:»Wir werden einiges zu besprechen ha-

ben, denke ich.«»Ich bin sicher.«Olfkohr war mir sympathisch. Er sah aus

wie ein Mann, der seine Freunde nicht ver-riet und mit ihnen bis zum letzten FunkenEnergie kämpfte, wenn er sich dazu ent-schlossen hatte.

Fartuloon hob die Hand und grüßte kurz.Die CRYSALGIRA setzte in der Nähe derFelstürme auf und stand im Schatten. Diegelbe Sonne Falgrohsts befand sich im spä-ten Nachmittag.

Fartuloon drehte sich um und sagte leise,aber entschieden:

»Holt jetzt den Imperator. Und du, Zer-kon, bleibst bitte im Hintergrund.«

»Alles klar.«

*

Ich wartete, halb versteckt, in einerdunklen Ecke der Polschleuse.

Am Ende der Rampe standen jetzt einigeGleiter, die schon lange in Gebrauch seinmußten, denn sie sahen zerbeult und mitge-nommen aus. Etwa fünfzig Menschen, meistMänner in abzeichenlosen Uniformen, war-teten schweigend dort draußen. Ich sah vonhier aus ein Stück Straße, eine Allee mit al-ten Bäumen, dahinter flache, aber sorgfältiggepflegte Gebäude.

Das Murmeln leiser Unterhaltungen drangin den kühlen Raum der Schleuse. Dann hör-te ich die Stimmen aus dem Antigrav-schacht.

Fartuloon, einige Besatzungsmitgliederund der Imperator.

Sie kamen an mir vorbei. Zuerst Fartu-

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loon, das Skarg am Gürtel. Dann zwei Me-dorobots, hinter ihnen, im Bereich ihrer Lin-sen, schritt Gonozal VII.

Schweigend bewegten sich etwa fünfzehnPersonen – wir hatten Ra gebeten, noch imSchiff zu bleiben – an mir vorbei. Ich schloßmich ihnen an und ging langsam weiter. DieProzession bewegte sich aus der Dämme-rung des Schiffes hinaus, auf die Rampe undden Wartenden entgegen. Alle Gesprächeverstummten plötzlich. Ich bemühte mich,meine Spannung nicht zu zeigen und warfeinen langen, betont gleichgültigen Blick indie Gesichter der Nächststehenden.

Nichts. Ihr Interesse liegt nicht auf dir!flüsterte das Extrahirn.

»Tatsächlich nicht!« flüsterten und leck-ten meine trockenen Lippen. Sie alle starrtengebannt auf die Mumie. Gonozal ging gera-deaus auf den Gleiter zu. Fartuloon hatteihm die verschiedenen rein mechanischenBewegungen vorher suggeriert; der lebendeLeichnam tat, was ihm möglich war. Er be-wegte den Kopf, blickte mit seinen glänzen-den Augen die Männer an, konzentriertesich dann, weil er genau in der Richtungstand, auf Olfkohr. Ich haßte diese Komö-die! Aber ich mußte mitmachen!

Die Reaktion der Arkoniden war nicht un-erwartet, aber trotzdem bemerkenswert.

Zunächst: Sie erkannten Gonozal VII. Erwar bekannt; der angeblich ermordete, aufalle Fälle gestorbene Vorgänger des Despo-ten Orbanaschol. Jeder kannte ihn, selbst diejüngsten Kadetten von Falgrohst wußten,wer er war. Dann die Zweifel: War er eswirklich? Warum bewegte er sich wie eingeistig oder körperlich schwerkrankerMann? Warum sprach er nicht? Und warummußten ihn zwei Männer führen beziehungs-weise stützen? Schließlich Mißtrauen: Warer es wirklich, oder war er nur ein Double?Waren wir, die Männer seiner engsten Um-gebung, Betrüger oder Rebellen gegen denThron? Und schließlich, als sie lange genuggestarrt und gedacht hatten, die Gewißheit:

Ja! Dies ist tatsächlich der Ex-Imperator.Ich schob mich auf die Seite unserer Ab-

ordnung, auf der ich vor den Blicken ammeisten geschützt war. Auch wir wurden an-gestarrt und genauestens gemustert. Aber dieReaktion Olfkohrs und Fartuloons beseitigtejeden Zweifel.

Die beiden Männer begrüßten sich wiezwei alte Freunde, und das waren sie tat-sächlich in Wirklichkeit, unbeschadet unse-rer Pläne. Dann machte Olfkohr seine Eh-renbezeigungen vor Gonozal, einige seinerMänner schlossen sich an, und ich sah, wieFartuloon seinem Freund leise etwas ins Ohrsagte. Olfkohr nickte verständnisvoll.

Die Begleiter und Gonozal stiegen in denGleiter.

Wir verteilten uns nach dem üblichenDurcheinander einer Begrüßung auf andereFahrzeuge und wurden langsam auf die Ge-bäude zugefahren.

Ich vermied es bewußt, mich zu unterhal-ten. Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten,dann bewegte sich ein Teil der Arkonidenauf das größte und schönste Gebäude zu. Ichwar sicher, daß dort Olfkohrs Büro lag oderdas Befehlszentrum von Falgrohst.

Schließlich holte eine junge Ordonnanzauch mich.

Ich folgte dem jungen Mann, der etwamein Alter hatte. Jetzt schwirrte das Inneredes überraschend großen Gebäudes wie einInsektennest. Jeder war aufgeregt, und diewildesten Hypothesen und Theorien wurdendiskutiert. Ich schwieg und kam schließlichin das Büro, in dem Fartuloon, Olfkohr undein junger Offizier mit scharfen Gesichtszü-gen und aufmerksamen Augen saßen. An ei-nem Tisch hatten die beiden Helfer, in ihrerMitte der Imperator, Platz genommen. Esherrschte eine unbeschreibliche Stimmung.

Ein Imperator, der sich als geistigesWrack präsentiert, als Geschädigter. Versu-che, dich in die Stimmung der Männer zuversetzen. Sie wissen nicht, wie sie sich zuverhalten haben! erklärte der Logiksektor.Ich blieb neben der Tür stehen, wie ein Be-satzungsmitglied der CRYSALGI-RA.

»Ich wurde gerufen?« sagte ich halblautund paßte meine Haltung der vorgegebenen

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Bedeutung meiner Person an.Fartuloon, der eben erklärte, wie wir den

geknechteten und systematisch zum Wrackgemachten Imperator von Xoaixo befreithatten, unterbrach sich und sagte in neben-sächlichem Tonfall:

»Das ist Zerkon. Er hat sich bei demKommandounternehmen durch bemerkens-werte Tapferkeit hervorgetan. Möglicher-weise interessiert er sich für eure Anlagen,und vielleicht bekommen wir von ihm Hil-fe.«

»Wir brauchen Hilfe«, sagte Olfkohr un-schlüssig. Der Umstand, daß Gonozal ihnnicht beachtete, machte ihn verlegen. SeineBlicke hingen jedoch in grenzenloser Vereh-rung an dem Imperator.

»Ich werde sehen«, erwiderte Fartuloon,»was sich tun läßt.«

Ich fing einen langen, bohrenden Blickdes jungen Offiziers auf. Er schien aus einerder besten Familien Arkons zu kommen, je-denfalls erkannte ich die betreffenden Merk-male. Er betrachtete mich schweigend, abersehr genau. Hatte ich Grund, mich schonjetzt vor der Entdeckung zu fürchten? Fartu-loon lenkte uns alle ab, indem er aufstandund sich der Gruppe um Gonozal näherte.

»Die Anstrengung hat den Imperator er-schöpft. Sie sehen selbst, in welchem Zu-stand er sich befindet. Es wird Jahre dauern,oder es geschieht ein Wunder, bis er sichwieder einigermaßen erholt haben wird,trotz der intensivsten Pflege.

Bringen Sie ihn zurück, ja?«»Selbstverständlich, Fartuloon!« erwider-

ten die Besatzungsmitglieder, denen jederdie Rolle der begleitenden Ärzte glaubte. Sieführten Gonozal wie eine unfaßbar leichtzerbrechliche Marionette aus dem Raum.

Olfkohr stöhnte auf. Seine Augen funkel-ten.

»Diese Verbrecher!« sagte er. Die Wutund das Entsetzen hatten ihn im Griff. »Washaben sie diesem Mann angetan!«

»Zweifellos ist Orbanaschol für die psy-chische Lage verantwortlich. Und wennnicht der Imperator selbst, dann die Gestal-

ten aus seiner unmittelbaren Umgebung. Au-ßer mir, versteht sich.«

Fartuloon und Olfkohr nickten sich zu.Der Bauchaufschneider spielte diese makab-re Rolle hervorragend.

»Wie lange ist das her …?«»Wir haben ihn vor ein paar Tagen aus

der Gewalt der Ärzte und Psychokinetikerherausgeholt!« erklärte Fartuloon.»Angeblich soll der Imperator in einem Sargder KARSEHRA gelegen haben!«

»Angeblich … Wie stehen die Aussich-ten, ihn wieder zu einem normalen Wesenzu machen?«

Der Schock saß tief in Olfkohr. Er schüt-telte fassungslos den Kopf. Jedes Wort, dasFartuloon sagte, war für ihn die reine Wahr-heit.

»Ich weiß es nicht.«Der Bauchaufschneider machte eine ent-

sprechende Geste der Hoffnungslosigkeit.Wieder breitete sich ein Schweigen imRaum aus. Nach angemessener Zeit fragteFartuloon behutsam:

»Und worin bestehen deine Sorgen?«Olfkohr dirigierte uns alle zu einem run-

den Tisch mit schweren Sesseln darum, roll-te einen Getränkerobot heran und wartete,bis wir entspannt saßen und an den Gläsernnippten. Dann erläuterte er uns seine Proble-me.

*

Nach kurzer Zeit wußten Fartuloon undich, daß unsere Vermutungen richtig gewe-sen waren. Olfkohr brauchte ein Raum-schiff, um nach einer Wasserstoff-Me-than-Ammoniak-Welt zu fliegen. Er brauch-te freiwillige Helfer, die seine vier Männeraus der Gefangenschaft der Maahks befrei-ten – falls sie noch lebten. Und er brauchtedieses Schiff wieder zum Rückflug.

Etwas von seiner inneren Qual wurdedeutlich, als er leise sagte:

»Ich bin nicht unloyal. Orbanaschol istder Herrscher, und ich gehorche ihm. Aberich hasse die Männer, die mir ihre Hilfe ver-

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weigert haben, jene Speichellecker im Kri-stallpalast.«

»Das geht uns nicht anders. Darüber hin-aus haben wir eine eigene Ansicht über ge-wisse Dinge!« erklärte Fartuloon.»Jedenfalls werden wir dir unsere Hilfe undunser Schiff anbieten.«

»Ist das wahr, Fartuloon?« Der Kampftau-cher sprang erregt auf.

Spätestens in diesem Augenblick wußteOlfkohr, daß er sich in eine gefährliche Si-tuation begab. Ob loyal oder nicht, Arkonwürde ihm vorwerfen, er habe mit Rebellenund Verrätern zusammengearbeitet.

»Natürlich. Wann sollen wir starten – undwohin?«

»So einfach ist es nicht. Um GalbaynTsoehrt und die drei Männer zu befreien,brauchen wir eine Übermacht. Mindestensfünf Kampftaucher von hier.«

Frayn Porthor, der sein Mißtrauen mir ge-genüber vergessen zu haben schien, hob dieHand.

»Natürlich gehe ich mit!« sagte er mit ei-ner Stimme, die seine Begeisterung und Be-reitschaft klar ausdrückte.

»Ich ohnehin!« fuhr Fartuloon fort. »Undmit einiger Sicherheit auch Zerkon. Oder ir-re ich mich?«

Die drei Männer starrten mich abwartendan. Täuschte ich mich, oder waren die Au-gen des alten Kampftauchers besonders in-teressiert auf mich gerichtet?

Er kann dich nicht kennen! flüsterte derLogiksektor. Er erkennt dich nicht.

»Du irrst dich nicht. Natürlich helfe ichdeinem Freund, so wie ich dir helfen wür-de!«

Zufrieden grinste Fartuloon den einstigenTrink- und Kampfgefährten an.

»Wir sollten nur einige Stunden üben. Ichweiß nicht, ob ich noch so gut bin wie vorZeiten. Und außerdem sind die Schutzanzü-ge, die ihr hier verwendet, sicher besser undmoderner als die Modelle zu meiner Zeit.«

»Einverstanden, Fartuloon. Nur … jedeStunde ist kostbar. Es geht um das Lebenvon vier hervorragenden Männern aus unse-

ren Reihen.«»Ich habe begriffen, Olfkohr.«Fartuloon trank aus und stand auf.»Ich denke, wir können morgen bei Son-

nenaufgang starten. Du bestimmst die bestenMänner für den Einsatz, unser Pilot brauchtdie genauen Koordinaten für Ormeck-Pan,und Zerkon und ich frischen unsere Kennt-nisse auf. Ist eine eurer Kuppeln auf denStandard von Ormeck-Pan programmiert?«

»Ja. Sigmon Hey!«»Dann laßt uns anfangen. Wir gehen zu-

rück ins Schiff, bereiten uns vor. DeineMänner können, wenn sie noch leben, ver-mutlich gerettet werden.«

*

Frayn Porthor ging zurück in sein Quar-tier.

Es bestand, wie alle Unterkünfte, aus zweiWohnräumen, von denen einer eine kleineTerrasse besaß. Frayn schloß hinter sich ab,goß sich ein Glas voll Alkohol und ging hin-aus auf die Terrasse. Er setzte sich auf diebreite Brüstung, lehnte sich an die Wandund trank langsam. Er dachte nach; er hatteeinen schweren Entschluß zu fassen.

Bringt mir seinen Kopf! hatte ImperatorOrbanaschol als Losung ausgegeben.

Frayn hatte den jungen »Zerkon« erkannt.Es war mit tödlicher Sicherheit der Sohn despsychisch ruinierten Ex-Imperators. Es warAtlan. Selten in seinem Leben war Fraynsich einer Feststellung so sicher gewesen. Indiesem Zusammenhang gab es für ihn eineReihe ineinandergreifender Probleme. Erversuchte, leidenschaftslos diesen Fall fürsich zu klären. Wie sollte er sich verhalten?

Er hatte nicht das geringste gegen Atlan.Der junge Mann war ihm sehr sympa-

thisch, er konnte ihn verstehen, daß er gegenOrbanaschol rebellierte.

Auch er, Frayn Porthor, fand seit einigerZeit, daß der Kristallpalast einen weitauswürdigeren Herrscher als Insassen habensollte als Orbanaschol. Aber Orbanascholwar nun einmal der Imperator, und er würde

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es lange Zeit bleiben. Bisher hatte er eineReihe von Attentaten überstanden, und seindauerndes Mißtrauen würde ihn auch nochandere Anschläge überleben lassen.

Orbanaschol also war da, war die Realität.Er suchte mit aller Kraft denjenigen, der

ihm mit Recht den Thron streitig machenkonnte.

So weit, so gut, dachte Porthor. Jetzt be-gann die Angelegenheit für ihn wichtig zuwerden. Er hatte eine große Chance in dieHand bekommen. Innerhalb von Tagen wür-de seine Karriere steil aufwärts führen, wenner Atlan auslieferte. Tot oder lebendig.

Sollte er Atlan ausliefern? Sollte er denjungen Mann verraten?

Die Alternative war, sich zu der Gruppeum Fartuloon zu schlagen und abzuwarten,bis der junge Atlan seinen Onkel gestürzthatte. Auch dann war seine Karriere gesi-chert, wenn er sich nicht selbst besondersdumm anstellte. Dieser Weg aber konntelang sein, und er war auf keinen Fall ange-nehm.

»Die Macht, Frayn«, sagte er leise zu sichselbst, »korrumpiert! Selbst der winzigeAusschnitt der Macht, die du jetzt in denFingern hältst. Du bestimmst über das Lebenvon Atlan. Sein Tod ist dein Vorteil. Wastun?«

Er war im Augenblick noch völlig unent-schlossen. Würde er Atlan hassen, hätte eres leichter.

Aber er haßte ihn keineswegs.Er wußte, was er wert war, kannte seine

Qualifikationen und hatte ein Dutzend vontödlich gefährlichen Einsätzen hinter sich. Inwenigen Wochen war seine Ausbildung hierauf Falgrohst abgeschlossen, und er kehrtezunächst einmal zurück nach Arkon.

Dort wollte er Karriere machen; ihmschwebte als Endpunkt eine hohe Positionvor. Diesen Punkt würde er weitaus schnel-ler erreichen, wenn er als Geschenk für Or-banaschol Atlans Kopf mitbrachte.

Er hatte Gelegenheit, den Befehl desDespoten zu realisieren. Wenn er sich ein-mal entschlossen hatte, würde es ein sicherer

Weg sein, Arkon als Mann zu erleben, derzu den Begünstigten des Imperators gehörte.

»Es scheint, ich muß mich bald entschei-den!« murmelte er.

Vor einer Stunde hatte er mit Colant,Kaarn und H'Noyr gesprochen. Er selbst undOlfkohr würden ebenfalls starten. Fünf Män-ner aus der verschworenen Gruppe diesesPlaneten. Fast tut es mir leid, dachte Frayn,daß Atlans Kopf der Weg nach oben seinsoll.

Die fünf Anzüge waren in der Spezial-werkstatt.

Sie wurden getestet, überarbeitet, neu aus-gerüstet. Dazu zwei neue Anzüge, genauerder durchgetestete für Zerkon und einer fürdiesen rätselhaften Freund aus der Vergan-genheit. Sieben Kampftaucher wagten sichnach Ormeck-Pan.

Für ihn, Frayn Porthor, würde der Einsatzdreifach gefährlich werden.

Zuerst der Planet selbst und die Maahks.Dann Atlan, der sich wehren würde, undFrayn war intelligent genug, um zu wissen,daß der Sohn Gonozals weder ein Tölpelnoch ein Feigling war. Er hatte seine ruhigeÜberlegenheit in Olfkohrs Büro kennenge-lernt. Und zum dritten die eigenen Leute, anihrer Spitze Olfkohr, der ein Anhänger desalten Imperators war, also auch ein Freunddes Kristallprinzen.

Frayn hatte sich entschlossen. Er würdeOrbanaschol den Kopf Atlans bringen.

Ich schlief einige Stunden, und mitten inder Nacht weckte mich Fartuloon auf.

»Los!« sagte er. »Wir werden einigeÜbungsstunden abhalten. Zusammen mitOlfkohr.«

Ich kam auf die Beine und schüttelte denKopf.

»Ich sehe es nicht recht ein, denn wir bei-de kennen doch die Technik …«, begannich, aber Fartuloon legte mir seine Handschwer auf die Schulter.

»Wir vermögen uns in solchen Atmosphä-ren zu bewegen. Aber wir beherrschen denFlug durch eine rasende Lufthülle oder bes-ser Giftgashülle keineswegs. Außerdem

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traut dir Olfkohr dieses Können nicht zu.Wir müssen ihn überzeugen, mein Prinz.«»Meinetwegen!« knurrte ich. Für eine

Handvoll solcher Männer, ihre Erfahrungund ihre Freundschaft würde ich noch mehrtun. Ich zog mich an und folgte Fartuloonaus dem Schiff. Der Gleiter mit Olfkohr amSteuer wartete bereits.

»Alles ist vorbereitet. Ich denke, daß wirnicht viel Arbeit haben werden. Wie fühlstdu dich, Fartuloon?«

Der Bauchaufschneider grinste breit undschlug die Gleitertür zu.

»Ausgezeichnet. Man gebe mir ein Dut-zend Maahks zum Zerreißen.« Olfkohr lach-te.

Wir starteten und schwebten über einemilchig erhellte Piste auf einen der Hügelzu. Ich schwieg und starrte hinaus in dieNacht. Alles war hervorragend getarnt. Ichwußte, daß die Hügel in Wirklichkeit dicht-bewachsene Kuppeln waren, und jetztschraubte sich der Gleiter bis zu einer eben-falls unsichtbaren Schleusenanlage hinauf.Von dort aus würden wir die Kuppel betre-ten, und für uns würde es sein, als stürztenwir aus dem Weltall in den tödlichen Mahl-strom einer Maahk-Giftwelt hinunter.

4.

Der erste, harte Ruck drehte mich halbherum.

Ich breitete die Beine aus und versuchte,die Eigenbewegung des schweren Anzugsauszusteuern. Das lange, dünne Seil aus wi-derstandsfähigem, mit Spezialplastik be-schichtetem Metallkabel hatte sich plötzlichgestrafft. Ich sah schräg unter mir die Positi-onslichter von Olfkohrs Anzug.

»Achtung. Wir erreichen dichtere Gas-schichten!« flüsterte Olfkohr. Alles war täu-schend echt. Schon Sekunden, nachdem sichunter uns die Schleusenklappe geöffnet unduns in den nachtschwarzen Schlund des Am-moniakinfernos geschleudert hatte, vergaßenwir, daß wir im Simulator waren.

»Verstanden!« gab ich zurück.

Wir waren aneinander festgemacht. Ent-weder landeten wir in geringer Entfernungvoneinander, oder der Orkan, der die Gas-massen unter uns umherwirbelte, tötete unsgemeinsam. Noch arbeiteten die Triebwerkemit ganz geringem Wirkungsgrad.

Wir schwebten schräg abwärts, unsereKörper hingen noch immer senkrecht in derLufthülle. Unsere Sohlen wiesen auf das un-sichtbare Ziel. Die Zahlen in den Höhen-messern veränderten sich rasend schnell.Wir fielen dem Boden entgegen.

»Antigrav an, aber nicht auf Leistung ge-hen!« sagte Fartuloon.

»Ausgezeichnet. Ich wollte eben dasselbeKommando geben!« warf Olfkohr ein. Ichschwieg und konzentrierte mich auf die Ge-räte und auf das ungewohnte Gefühl, in die-sem schweren und scheinbar unbeweglichenAnzug zu stecken.

»Antigrav an.«Es war Nacht. Alles war finster. Nur unter

uns sah ich undeutlich spiralige Strukturen.Waren es Nebel oder Wolken, oder handeltees sich um geologische Besonderheiten?

Vergiß nicht! Die Kuppel ist riesengroß.Und die Gefahren sind hier ebenso tödlichwie auf Ormeck-Pan, sagte der Logiksektorunbarmherzig.

Wir sanken weiter, nach meinem Empfin-den und den Instrumenten in einem Winkelvon etwa vierzig Grad. Die ersten dichterenSchichten der Gase zerrten an uns. Jetztstraffte sich auch das zweite Verbindungs-seil, der Ruck ging weiter und wirbelte Far-tuloon herum. Eine wilde Kraft versetzte mireinen harten Schlag in den Rücken und triebmich schräg nach unten. Aber noch befan-den wir uns im freien Fall.

Die Instrumente zeigten einen rasendenSturz an.

Sie waren manipuliert und zeigten eineum eine Hunderterpotenz höhere Geschwin-digkeit und Höhe an. In Wirklichkeit fielenwir einen Meter, und die Anzeige zitterte aufder 100-Marke. Aber die Wirklichkeit warebenso gefährlich.

Unsere selbstgestellte Aufgabe war, ein

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bestimmtes Ziel zu suchen und es wie einTaucher auf dem Meeresgrund zu finden.Dann schloß sich ein Marsch von einigenKilometern Distanz an und ein Gefecht miteiner plötzlich auftauchenden Maahk-Pa-trouille. Und gerade jetzt erreichten wir dieZone, in der die bewegten Gasmassen füruns eine Gefahr wurden. Wir mußten denFallwinkel einhalten, durften die Geschwin-digkeit nicht heraufsetzen und hatten nur dieMöglichkeit, uns mit Hilfe der Flugaggrega-te gegen den ständig wachsenden Orkan zustemmen.

Ich orientierte mich an den Bewegungender winzigen Lichter rechts und links vonmir, erhielt einen weiteren Stoß der tosendenGasmassen und gab mehr Leistung auf dasFlugaggregat. Gleichzeitig versuchte ich, dieganze Richtung festzustellen, aus der die be-wegten Methanmassen kamen.

Sorgfältig, aber mit einem chaotischenGefühl in der Magengrube, betrachtete ichdie winzigen Instrumente an meinem linkenArm. Hin und wieder schoben sich bereitsleichte Schleier aus Kristallen oder Ammo-niaknebelstreifen zwischen das Panzerglasdes Sichtschlitzes und die leuchtenden Zif-fern und Buchstaben.

»Alles klar, Zerkon?« Das war Fartuloonsbesorgte Stimme.

»Denke schon!« entgegnete ich kurz.Wir bildeten jetzt eine andere Formation.

Fartuloon hing über mir, Olfkohr unter mir.Die Leinen waren noch immer straff.

»Achtung. Wir sind zehntausend Meterhoch. Jetzt beginnt die kritische Phase!«sagte der Kampf tauchen »Verstanden!«

Kurze Zeit später begann das Inferno. Diestark gedrosselten Außenlautsprecher über-trugen das Tosen und Heulen der Gashülle.Wir wurden umhergewirbelt und aus unsererFlugbahn gerissen. Augenblicklich stemm-ten wir uns gegen den Andruck und fuhrenunsere Maschinen auf höchste Leistung. Un-unterbrochen riefen wir uns die Werte derAbdrift, die Windgeschwindigkeiten und dieverschiedenen Richtungsänderungen zu. Wirhantierten mit den Angaben des Kompasses,

benutzten bestimmte Löcher in diesem Hur-rikan aus Eiskristallen, Hagelkörnern undNebelschwaden, um miteinander senkrechtzu fallen, angezogen von der gewaltigenMasse des Planeten, in Wirklichkeit von dersimulierten Schwerkraft des Geländes unteruns.

»Fünftausend Meter!« schrie einer vonuns.

Wir überschlugen uns, und immer wiederriß einer den anderen in eine andere Rich-tung. Uns schwindelte, aber wir schienen ineiner Phase seltener Hellsichtigkeit blitz-schnell zu schalten und stets das Richtige zutun. Längst hatten wir den freien Fall verlas-sen. Die Vibrationen der überschwerenFlugaggregate erschütterten brummend dieAnzüge aus stählernen Segmenten.

»Viertausend!«Auf dem winzigen Ortungsschirm, der in

den verbreiterten Armschutz über dem lin-ken Handgelenk integriert war, erschienenundeutliche Geländemerkpunkte. Ich verg-lich das, was ich sah, mit dem Kartenein-drücken, die mein photographisch exaktesGedächtnis gespeichert hatte. Es war einTeil davon; wir mußten unseren Kurs korri-gieren. Aber eine bodennahe Strömung er-griff uns und riß uns mit sich, obwohl dieMaschinen auf Höchstleistung arbeiteten.

»Weiter nach Norden!« stöhnte Olfkohrauf. Ich dachte flüchtig an die Landung aufOrmeck-Pan und an den Aufstieg, falls wires schafften und die Männer befreien konn-ten. Aber ich vermochte diesen Gedanken-gang nicht zu Ende zu führen.

»Verstanden!«Es war nicht anders, als ob wir durch

einen völlig unberechenbaren Mahlstrom ineine Tiefseezone heruntertauchten. Das Me-dium, in dem wir uns bewegten, war so dickwie Wasser, und unsere Bewegungen warendie eines gepanzerten Tauchers. Noch im-mer rasten die Triebwerke, und jetzt schalte-ten wir synchron die Antigravprojektorenein.

Der rasende Sturz verlangsamte sich.Es war, als risse uns eine neue Kraft wie-

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der nach oben, aber der Eindruck täuschte.Die Einzelheiten auf dem Bildschirm wur-den deutlicher. Wir waren an einem Systemgewaltiger Ammoniaknadeln vorbeige-schwebt und befanden uns wenige Augen-blicke später im Windschatten. Aber die ver-ringerte Sturmgeschwindigkeit wurde da-durch aufgehoben, so daß uns die Strudelder Atmosphäre packten und herumwirbel-ten.

»Wir sind im richtigen Tal!« knurrte Olf-kohr. »Tiefer!«

Wir überschlugen uns. Einmal flogen wirwaagrecht durch die Gasmassen, dann wie-der deuteten unsere Köpfe nach unten, undununterbrochen schalteten wir die Geräte einund aus. Wenn sie versagten, wurden wirhier getötet, denn ein Fall in einer Schwer-kraft von drei Einheiten war tödlich.

Jeder von uns war in dieser stählernen,beschichteten, mit Dutzenden von Hilfsgerä-ten innerhalb und außerhalb der »eigenen«Überlebenssphäre ausgestatteten Rüstung al-lein. Sie war wie ein beweglicher Sarg.

Als ich wieder mit dem Kopf in die Rich-tung des nichtvorhandenen Weltraums blick-te, schaltete ich alle Geräte auf volle Lei-stung zurück. Keinen Augenblick zu früh,denn dicht unter mir erstreckte sich eine rie-sige, schräg geschwungene Fläche. Ein ge-waltiger Methan-Ammoniak-Gletscher. Ichschrie auf:

»Vorsicht! Unter uns! Wir landen!«Fast gleichzeitig hielten unsere Antigrav-

projektoren und die wild feuernden Trieb-werke unseren Sturz auf. Nicht ganz, dennwir fielen langsam weiter, schlugen in dieweiche, aufstäubende Masse hinein undkrachten auf hartes Eis oder auf Felsen. Ausdem mehr oder weniger senkrechten Fallwurde ein schräges Gleiten und Rutscheh.

»Die richtige Stelle, Olfkohr?« ächzteFartuloon auf. Ich schaltete den Antigrav-kontrollsatz ab. Unter uns geriet die Massein Bewegung.

»Ja. Denkt an die ständigen Verformun-gen. Aber das Tal ist richtig.«

»Wo ist die Patrouille?« fragte ich. Die

Taue waren straff wie die Saiten eines In-struments. Wir rutschten schneller undschneller. Der Ammoniakschnee leuchtetefahl phosphoreszierend. Es gab nicht eineeinzige Lichtquelle.

Lichtquelle?Schaltet die Positionslampen aus! befahl

der Logiksektor. Ich lächelte und sagte au-genblicklich ins Mikrophon der Halsblende:

»Ich habe soeben meine Positionslichterabgeschaltet!«

Olfkohr stieß einen Fluch aus. Fartuloonhüstelte anerkennend. Die schwach glim-menden Lichter erloschen fast gleichzeitig.Und wir verhielten uns noch immer wieSchiitten, die aus dem Kurs gekommen wa-ren. Immer schneller wurde die rasendeFahrt abwärts, der Talsohle oder dem Endedes Gletscherhangs entgegen. Wenn sich unsein Felsen entgegenstellte, wurden wir zer-schmettert, unsere Anzüge brachen auf, unddas Giftgas erstickte uns zusammen mit demhohen Außendruck. Ich wartete mit weitabgespreizten Armen und breitbeinig. Hinteruns erhoben sich drei Wolken aus Schneeund stieben in die Höhe. Als ich in einergünstigen Position war, zündete ich dasTriebwerk und drehte den Regler auf höch-ste Leistung.

Die Bremswirkung war stark, die Kräftestauchten mich schwer in die Rüstung hin-ein. Die elastische Innenschicht preßte sichzusammen. Die Stahlseile wurden straff,spannten sich, und die zwei anderen Taucherwurden ebenfalls abgebremst. Ich hielt dasAggregat auf voller Leistung und spürte, wiesich die rasende Geschwindigkeit immermehr verringerte.

Ich sank tiefer in die Masse, die wie einklebriges Pulver wirkte. Schließlich, nacheiner Serie von Rucken und Erschütterun-gen, nachdem sich ein Tau um mein Beingewickelt und mich das andere, mit dem Ge-wicht von Olfkohr samt Anzug daran, nachlinks gezogen hatte, hörte das Rutschen auf.

»Um deine Frage zu beantworten«, sagteOlfkohr, und seinem hastigen Atmen konnteich entnehmen, daß er sich bemühte, auf die

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Beine zu kommen und zu orientieren,»folgende Auskunft: Die Maahkpatrouillekann uns an jedem Punkt des nun folgendenMarsches überraschen. Wir müssen sie zu-erst sehen, nicht umgekehrt.«

Fartuloon murmelte etwas von»beschwerlichen Leibesübungen« undschloß dann, etwas lauter und weniger un-glaubwürdig:

»Das ist, Olfkohr, das Geheimnis eines je-den guten Überfalls. Wer zuerst sieht,schießt zuerst.«

»Das gilt auch für die Maahks!« schränkteOlfkohr ein. »Wir gehen geradeaus. Kursdreißig Grad. Könnt ihr den Drillingsfelsenerkennen, hinter der Spiralwolke?«

Wir richteten unsere Sichtgeräte in die an-gegebene Richtung und erkannten am Hori-zont dunkle Formationen, die wie drei ge-krümmte Finger mit langen Klauen aussahenSie wirkten spukhaft; wie eine Konstruktion,die jeden Augenblick zusammenbrechenkonnte. Entfernung: schätzungsweise drei-tausend Meter.

»Ich sehe sie.«»Zwischen der Basis der Felsen, die wir

erreichen müssen, und dem Spalt vor uns –diese Strecke wird von den Maahkroboternüberwacht.«

»Warum reden wir nicht im Wandern?«fragte Fartuloon gemütlich. Wir entsichertendie Waffen, schalteten jeden Energieerzeu-ger aus, den wir nicht unbedingt brauchten,dann starteten wir.

Vor mir ging Olfkohr. Wir bewegten unsdurch Ammoniakschnee, der uns bis fast andie Hüften reichte. Aber die stark profilier-ten Sohlen der Anzüge berührten Eis oderdie Felsschicht unter dem Schnee.

Wir waren drei dunkle, winzige Punkte indieser riesigen, matt strahlenden Fläche.

*

Dreieinhalb Stunden schlichen dahin.Jede Minute war voller Gefahren. Zuerst

tappten wir, geduckt und so schnell wiemöglich, den riesigen Hang hinunter. Wir

wechselten uns ab; einer von uns trat dannim rasenden Sturm den Pfad. Der Sturm feg-te den Gletscherhang hinunter und schob unsvorwärts und abwärts.

Ununterbrochen trieben langgezogeneWolken aus Eiskristallen an uns vorbei, nah-men uns die Sicht und riefen, durch eineneinfachen psychologischen Vorgang, sogarleichte Erstickungsanfälle hervor.

Am tiefsten Punkt des Gletscherhangs ris-sen die Ammoniakeismassen ab. Wirschwebten in eine Art Flußbett hinunter, dasaus riesigen weißen Steinen bestand, um dieflüssiges Ammoniak spülte. Die Szeneriewirkte wie ein Gletscherbach, der der Flankejener massiven Eisschicht entsprang. Nurfehlten darüber die grünen Hügel und dieBerge, der Himmel und das Licht. Und derGletscher bestand aus giftigem Methan-Ammoniak-Gemisch.

Als wir hintereinander jenes merkwürdi-ge, fast windstille Flußbett durchquerten,sah ich aus dem Augenwinkel eine undeutli-che Bewegung. Sofort flüsterte ich:

»Halt! Deckung. Rechts von uns.«Wir blickten genauer hin und richteten

unsere Instrumente auf das vermeintlicheZiel. Augenblicklich hatten wir uns zwi-schen den größeren Felsbrocken und rund-geschliffenen Steinen niedergeworfen.

Das vergrößernde Ausschnittbild zeigtedeutliche Bewegungen. Vom schmälstenund obersten Punkt des gewundenen Fluß-betts herunter kletterten die grauen Gestaltenvon Methanern. Größer als wir Arkoniden,ungleich breiter in den Schultern – sie be-wegten sich ausgesprochen leichtfüßig. Ichkannte sie genau, ich war mit Maahks schonso oft zusammengestoßen.

»Es ist die Patrouille. Sieben Maahks.Hervorragende Roboter!« flüsterte Olfkohr.Er mußte es wissen.

»Sieben Roboter?« erkundigte sich Fartu-loon leise. »Das ist unfair!«

»Ich warne dich! Die Robots sind spezial-programmiert. Sie sind genau so schwer zutöten wie der echte Gegner.«

»Wir werden sehen.«

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Sie schienen uns nicht bemerkt zu haben.Wir lagen in weitem Abstand voneinander ineinigermaßen guter Deckung. Die Verbin-dungsseile waren gelöst. Unsere schwerenWaffen lagen im Anschlag, die Restlichtaufheller zeigten uns, daß die sieben Spezi-alroboter in einer unregelmäßigen Reihe dasgesamte Flußbett absuchten. Auch sie trugenWaffen. Sie kamen zielbewußt näher. Olf-kohr murmelte:

»Laßt sie nicht zu nahe heran. Sie sindtödlich. Merkt euch den eckigen Felsen.Wenn sie ihn passiert haben, eröffnen wirdas Feuer.«

»In Ordnung.«Wir lagen da und wurden halb vom flüssi-

gen Ammoniak überspült. Die Projektorender Waffen deuteten auf die Ziele. Wir be-wegten uns nicht, und nichts deutete daraufhin, daß die Maahks etwas von uns ahnten.Die Feuereinstellschalter waren auf Maxi-mum gedreht worden. Unaufhaltsam kamendie sieben mächtigen Gestalten näher. Auchsie drehten Suchgeräte nach allen Richtun-gen, kontrollierten unaufhörlich die Umge-bung, starrten aus den vier großen Augendes Kopfwulstes in unsere Richtung, hinaufauf den Gletscher, suchten die Zone zwi-schen den Bergkanten ab.

Als der erste Maahk etwa diese Linieüberschritt, zielte ich genauer und feuerte.Ich wußte, daß ich getroffen hatte undschwenkte die lange, schwere Waffe herum.Augenblicklich reagierten beide Gruppen.Sowohl Fartuloon als auch Olfkohr schossenununterbrochen, aber gut gezielt. Vier derRoboter lösten sich in einer Reihe von Deto-nationen auf.

Drei von ihnen begannen sich feuernd zu-rückzuziehen, warfen sich in Deckung unddeckten uns mit einem Hagel aus Strahlenein. Wir hörten auf zu schießen. Mit meinemletzten Schuß hatte ich den fünften Maahk-Robot getroffen; er rannte brennend und rau-chend im Zickzack durch das Flußbett auf-wärts.

»Nicht weiterschießen!« brummte Olf-kohr. »Warten! Ich sehe einen von ihnen.«

Rund um uns schien das Ammoniak zukochen und entwickelte gewaltige Dampf-wolken. Dasselbe galt dort drüben bei denzwei übriggebliebenen Maschinen. UnserFeuerüberfall war richtig gewesen; die Emp-findlichkeit der Roboter war denen lebenderWesen angeglichen worden, denn sonst hät-ten wir kaum eine Chance gehabt.

Dann, plötzlich, feuerte Olfkohr eineschnelle Folge einzelner Schüsse ab. Einerder grauen Riesen sprang aus seinerDeckung auf, drehte sich mehrmals undbrach dann explodierend auseinander. EineSchneewolke und mehrere Dampfsäulenverhüllten das Bild-Aus dem Dampf schobsich mit hoch erhobenen Tentakelarmen derletzte Robot.

Olfkohr sprang auf die Beine, sagtescharf: »Nicht schießen!« und hob den Arm.Er drückte einen Schalter und sagte überFunk:

»Der Reflex ist ausgelöst. Die Maschinewird uns nicht mehr stören.«

Der Robot kam näher, blieb vor uns ste-hen, und Olfkohr steckte ein dehnbares Ka-bel aus seinem Funkgerät in den Körper derMaschine. Wir konnten die Kommunikationnicht verstehen, aber der Robot schalteteeinen Satz Scheinwerfer an und stapfte anuns vorbei auf das gegenüberliegende»Ufer« des Gletscherflusses. Plötzlich be-gann die Landschaft zu leben.

»Er öffnet für uns eine Schleuse!« sagteOlfkohr.

Einige Minuten später waren wir in Si-cherheit. Der übriggebliebene Robot fandeinen der zahlreichen Ein- und Ausgänge indieser Kuppel, öffnete ihn für uns und ver-schwand wieder. Ein Team von Helfernwartete außerhalb der Schleuse. Kurze Zeitdarauf saßen wir, aus der Dusche und dermedizinischen Untersuchung kommend, inden dicken Bademänteln um einen Tischherum.

Wir zitterten vor Erschöpfung, trotz derMassagen, der heißen und kalten Duschen,der stärkenden Getränke und der Substanzenim Luftkreislauf, die uns beruhigen und ent-

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spannen sollten. Unsere Augen lagen tief inden Höhlen und waren schwarz gerändert,die Finger zitterten. Wir waren aufgeregtund noch nicht in der Lage, abzuschalten.

Nach einer Weile sagte Olfkohr müde:»Ich habe dir immer alles zugetraut, Far-

tuloon. Aber dein junger Freund … Zerkonhat mich überrascht.«

»Danke!« erwiderte ich ruhig. Fartuloonmachte eine wegwerfende Bewegung undzuckte seine breiten Schultern.

»Zerkon ist noch jung, aber er kann eineganze Menge. Ich glaube, man kann ihm ei-ne Reihe instinktiver Fähigkeiten zubilli-gen.«

Olfkohr senkte den Kopf.»Er besitzt intuitive Fähigkeiten. Wenn er

lange genug lebt, wird er ein erstaunlicherKämpfer werden. Er ahnt die Gefahren, be-vor sie sich zeigen.«

»Ich bemühe mich!« meinte ich, etwasverlegen. Die Unterhaltung der beiden Män-ner machte mich stolz und zugleich unsi-cher.

Fartuloon stand auf und lehnte sich an dieWand.

»Zerkon und ich gehen ins Schiff, denkeich. Ihr kommt nach, und für die Anzügewird unsere Besatzung sorgen. Abge-macht?«

»In Ordnung. Bereitet euch darauf vor,daß wir auf Ormeck-Pan oder im Orbit umden Planeten eine Flotte von Maahkschiffenantreffen. Dies wird ein Einsatz auf Lebenund Tod.«

»Ich hatte nichts anderes erwartet!« er-klärte Fartuloon müde.

»Ich auch nicht!« schloß ich mich an.Der Maahkplanet zeichnete sich auf den

Bildschirmen ab. Zunächst nur als reflektie-render Punkt, dann als Scheibe, schließlichals voll ausgeleuchtete Kugel. Wir flogenOrmeck-Pan genau aus der Sonne dieses Sy-stems heraus an. So verringerten wir das Ri-siko, geortet zu werden.

Das Team, das die Kampftaucher befreiensollte, befand sich in der Zentrale der CRY-SALGIRA. Fartuloon betrachtete aufmerk-

sam den Kommunikationsschirm und fragtekurz:

»Was sagt die Ortung?«In einem rasenden Flug waren wir von

Falgrohst gestartet, hatten mit Präzision undSchnelligkeit sieben Transitionen durchge-führt und waren in diesem Sonnensystemmaterialisiert. Ich überlegte noch immer, obder Aufwand das mögliche Ergebnis recht-fertigte.

»Betrachten Sie die Bildschirme. Es gibtdie von Ihnen allen vermutete Flotte vonMaahk-Raumern nicht.«

Fartuloon sah Olfkohr scharf an. Derbreitschultrige Kampftaucher hob entschul-digend die Schultern.

»Ich habe es vermutet. Mich soll es nichtstören, wenn keine Schiffe hier sind. Immer-hin können sie noch ankommen. Ich denke,die Kolonie hier hat um Hilfe gerufen.«

»Vierundfünfzig Stunden, Chef!« erinner-te Frayn Porthor.

Wir waren mit der CRYSALGIRA gestar-tet, kaum daß die Anzüge, der schwere Pan-zer und die Freiwilligen an Bord gewesenwaren. Seit dem Augenblick, an dem dievier Taucher aus Olfkohrs Mannschaft ihrenletzten Notruf abgestrahlt hatten, waren rundvierundfünfzig Stunden vergangen. Wir allewaren gespannt und aufgeregt. Wir wußten,was zu tun war. Sieben Männer bildetenschon optisch eine Gruppe innerhalb derZentrale des Schiffes.

»Noch immer keine Ortungsergebnisse.Wir haben nur einen winzigen Impuls ange-messen; es kann eine Zirkumplanetarstationsein!« meldete sich die Ortungszentrale un-seres Schiffes. Der Planet vor uns wurde un-merklich größer. Wir näherten uns mit ei-nem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit.

Olfkohr murmelte:»Wir haben die besten Männer dieses

Jahrgangs. Wir sind zu allem entschlossen.Wir haben gute Freunde, die uns unterstüt-zen. Es kann eigentlich nichts schiefgehen!«

Wir hatten die lebende Leiche Gonozalswieder in dem abgeschlossenen Bezirk derCRYSALGIRA untergebracht. Den Fragen

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der Männer von Falgrohst wichen wir be-wußt aus.

»Merkwürdig!« sagte Olfkohr, dessenBlicke zwischen den rein optischen Bilder-fassungssystemen und den Schirmen der Or-tung hin und her gingen. »Ich bin der festenÜberzeugung, daß die Maahks mit unsererBefreiungsaktion rechnen. Und zwar nichtmit einer solchen durch eine Handvoll Män-ner, sondern durch eine Flotte. VerdammtesArkon!«

Colant, Frayn, Kaarn und H'Noyr warenetwa im selben Alter. Aber sie verkörpertenauch etwa den gleichen Typ von Mann:jung, durchtrainiert und klug, abwartend undbereit, blitzschnell zu handeln. Es waren Ar-koniden, wie ich sie schätzte. Aber immer-hin gehorchten sie Orbanaschol, und dastrennte sie von mir.

Ra, der Barbar, verhielt sich geradezu er-staunlich mustergültig.

Er war überall, fiel aber nirgendwo auf,denn er schwieg und verhielt sich unauffäl-lig. Immer wieder musterte er die fremdenMänner, hörte ihnen zu und sprach hin undwieder leise mit mir oder Fartuloon. Ichwußte, daß er sich sorgte – der Vorstoß biszum Boden des Methan-Ammoni-ak-Planeten war keineswegs nach seinemGeschmack. Er war bereit, jeden Kampf ineiner ihm gemäßen Umgebung zu wagen.Dies bedeutete, daß er sich ohne körperlicheBehinderungen durch besondere Schutzsy-steme oder andere Einschränkungen bewe-gen konnte. Die Vorstellung, in einen stäh-lernen Sarg eingeschlossen zu sein, bereiteteihm körperliche Qualen. Er würde niemalsmit uns nach Ormeck-Pan gehen.

Der Kampftaucher namens Colant sagtejetzt:

»Olfkohr! Wir sind sieben Männer! Ichwerde nötigenfalls für Tsoehrt sterben, abermeinen Sie, daß wir tatsächlich genügendMänner sind, um die vier Freunde zu befrei-en?«

»Ja«, behauptete Olfkohr.»Die letzte Meldung«, meldete sich

Kaarn, der Mann mit der scharfen, adlerähn-

lichen Nase und der braunen Gesichtshaut,»sagt aus, daß es etwa zwei- bis dreihundertMethaner gewesen wären. Sieben gegendreihundert … halten Sie, Chef, das für einausgewogenes Verhältnis?«

Olfkohrs Gesicht war unbewegt.»Ja!« sagte er betont.H'Noyr schließlich, der uns als einer der

fähigsten Steuermänner eines Panzerfahr-zeugs vorgestellt worden war, hob die Hand.

»Wir dürfen annehmen, daß sich um Or-meck-Pan nur eine Kontrollstation befindet,was die letzten Messungen unserer Verbün-deten ergeben haben. Trotzdem bin ichskeptisch. Was macht Sie so sicher, Sonnen-träger?«

Ich saß schweigend daneben und hörte zu.Ich begriff dies alles ohnehin nicht recht. Ichwußte nur, daß Fartuloon eine lange SerieFragen nach dem Schicksal des Ex-Imperators offensichtlich zur Zufriedenheitder Freunde beantwortet hatte.

Olfkohr musterte alle sechs Kampftau-cher, also auch Fartuloon und mich, der Rei-he nach. Dann straffte sich seine Gestalt,und er schien einiges von seiner reptilhaftenRuhe zu verlieren. Schließlich sagte er miteiner Stimme, die keinen Widerspruch dul-dete:

»Ich habe keineswegs vor, Selbstmord zubegehen. Wir wußten schon vor einem Vier-teljahr, daß es um Ormeck-Pan nur eine klei-ne, unbedeutende Wachstation gibt. Das hat-ten bereits Galbayn Tsoehrt und seine dreiFreunde einkalkuliert.«

»Wir wissen ferner, daß es auf dem Bo-den dieses Planeten dort«, seine Hand deute-te auf die immer größer und deutlicher wer-dende Kugel des Planeten, »mehrere Statio-nen gibt. Die Maahks rechnen damit, daßArkonschiffe sie aus dem Weltraum bom-bardieren und beschießen, sie rechnen da-mit, daß einzelne Schiffe Angriffe fliegen,daß wir versuchen, mit einer massierten An-strengung die Gefangenen zu befreien. Wo-mit sie mit Sicherheit nicht rechnen, ist derUmstand, daß sich sieben Männer mit einemPanzerfahrzeug auf die Oberfläche hinunter-

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bewegen und in einem Kommandounterneh-men die Arkoniden befreien.

Genau das ist unsere Chance! Wir werdenentsprechend vorsichtig beginnen. Die Da-ten und Koordinaten haben wir, den Mut be-sitzen wir, und außerdem haben wir Freun-de, die uns helfen!«

Er deutete auf Fartuloon.»Richtig!« sagte der Bauchaufschneider

fast feierlich. Ich blieb ruhig in meinemKontursessel sitzen und konzentrierte michauf das Bild des größer werdenden Planeten.

Fartuloon blickte lange schweigend aufdas Chronometer und äußerte sich schließ-lich. Er sagte ohne deutliche Gemütsbewe-gung:

»Die CRYSALGIRA wird einen Kursrund um Ormeck-Pan fliegen und soviel or-ten und suchen, wie es gerade nur möglichist. In drei Stunden finden wir uns im Vor-bereitungsraum ein und starten. Alles klar,Olfkohr?«

Die zwei Männer verstanden sich so gut,daß ich fast ein wenig eifersüchtig wurde.

»Alles klar. Ich werde inzwischen versu-chen, meinen Schülern die Furcht zu neh-men. Keine leichte Aufgabe, denke ich.«

In der gesamten Zeit hatte Frayn Porthorkaum ein einziges Wort verloren. Aber erbeobachtete mich unausgesetzt. Auf einenWink Fartuloons stand ich auf, verließ denRaum und traf mich mit ihm in seiner Kabi-ne.

*

Es geht um neun hervorragende Männer!sagte der Logiksektor.

Fünf Männer von Falgrohst und vier, diewir befreien sollten.

Der Einsatz ist die Aufregungen und dieUngewißheiten wert!

Fartuloon schloß das Schott hinter sichund ging bis zu einem Sessel. Er ließ sich indie weichen Polster fallen und sagte leiseund in völlig normalem Ton:

»Ich weiß, was du denkst, Atlan! Wir allebegeben uns in Lebensgefahr, das ist sicher.

Der Preis dafür sind diese neun Männer, undmöglicherweise noch viele andere, die wirnach Kraumon bringen und für unserenKampf brauchen können. Richtig?«

Ich nickte schweigend, dann zuckte ichdie Schultern.

»Ich bin unsicher und glaube nicht anWunder, Bauchaufschneider!« sagte ich mitBestimmtheit.

»Ich auch nicht, das weißt du. Aber dar-über hinaus erfüllen unser Besuch aufFalgrohst und die jetzt folgende Aktioneinen weitaus wichtigeren Zweck.«

»Du meinst, wir haben mitten in arkonidi-schem Einflußbereich das zweitemal denImperator erschreckt und gedemütigt, indemwir bewiesen haben, daß mein … Vaternoch lebt?«

Versuche, die Empörung des Diktatorsnachzuempfinden! sagte der Extrasinn.

»Ja. Genau das meine ich. Es wird sich ra-send schnell herumsprechen. Ich bin sicher,daß Orbanaschol schon jetzt weiß, daß seinVorgänger auf Falgrohst war. Du weißt, wasdieses Wissen für Orbanaschol bedeutet?«

»Ich weiß es!«Auf den Bildschirmen wuchs der riesige

Planet mehr und mehr. Einzelheiten wurdensichtbar. Die wilden Turbulenzen der viel-farbigen Atmosphäre glühten im Licht derSonne auf. Das Schiff tastete sich behutsamhöher. Wir trieben ohne feuernde Partikel-triebwerke dahin und untersuchten denWeltraum um den Planeten, schickten alledenkbaren Strahlen hinunter in die wirbeln-de Gasmasse und suchten nach Echos undnach den Merkmalen der Karten, nach denensich auch Galbayn Tsoehrt und seine Män-ner gerichtet hatten. Schließlich fanden wirsie. Von uns aus gesehen befand sich diebergige Zone, in der die Siedlung und derRaumhafen der Maahks halb versteckt wa-ren, rechts in der Äquatorgegend von Or-meck-Pan. Es bedeutete, daß das Operati-onsgebiet in den nächsten Stunden im Lichtder Sonne liegen würde, ein Vorteil und einNachteil gleichermaßen.

Fartuloon sagte bedächtig:

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»Ich glaube, es wird Zeit für uns.Ich habe mit Ra und den anderen die ein-

zelnen Schritte genau abgestimmt.«»Sieben Kampftaucher gegen eine gewal-

tige Übermacht – es wird ein Himmelfahrts-kommando!« schränkte ich ein.

»Ich werde dafür sorgen, daß wir alle le-bend zurückkommen!« versprach Fartuloon.

*

Die CRYSALGIRA schwebte, von derPlanetenoberfläche aus gesehen, direkt inder Sonnenscheibe.

Wir wurden von unseren Besatzungsmit-gliedern geradezu rührend versorgt.

Sie halfen uns, in die schweren Rüstungeneinzusteigen. Die Riegel und Verschlüsse,die Blenden und Schrauben, alles wurdeüberprüft, gecheckt und nochmals überprüft.Längst hing der Panzer in dem halb-robotischen Gerüst, das ihn langsam zur Pla-netenoberfläche herunterschweben lassensollte. Konzentriert arbeiteten wir alle zu-sammen.

Sieben Männer steckten jetzt in denschweren Rüstungen. Die Helme warennoch nicht auf die Halsblenden geklappt.Jetzt befestigten wir die Waffen, die Grana-ten und verschiedene Geräte an den Klem-men der breiten Gürtel. Die Stille in demgroßen Schleusenraum wurde unterbrochendurch gedämpfte metallische Geräusche. Diekleinen Rechenmaschinen, die über eindickes Kabel die einzelnen Funktionen prüf-ten, tickten und summten. Einmal mußte anOlfkohrs Anzug ein Aggregat ausgetauschtwerden, eine Arbeit von einigen Minuten.

Ein Lautsprecher klirrte übersteuert. Ei-gurd Terbakh, der einunddreißig jährige Pi-lot, sagte:

»Das Schiff nähert sich dem kritischenPunkt. Bitte, beeilen Sie sich!«

»Wir sind bald fertig!«Auch die Funkverbindung zwischen den

sieben Männern, sowie die Fernsteuerungdes Tragegerüsts funktionierten hervorra-gend. Ich gab ein Zeichen, indem ich den

schweren, kuppelförmigen Druckhelm nachunten klappte und mithalf, ihn zu verriegeln.Im Innern war es kühl, aber allen Anzugtei-len haftete ein leichter Ammoniakgeruch an.

Einbildung! wisperte der Extrasinn. Siesind gereinigt und entgiftet worden!

Wir alle schalteten die Innenversorgungein, pegelten die Antigraveinrichtungen einund zogen dann die Halteseile aus denSchlitzen der versteckten Automatiktrom-meln. Jeder der sieben Männer war jetzt mitseinem Nebenmann verbunden. Die Mikro-phone, versenkt in der Außenschale der An-züge, gaben die nächste Durchsage wieder:

»Bitte die Schleuse räumen! Die Außen-tore werden geöffnet!«

Die Besatzungsmitglieder murmelten ir-gendwelche Wünsche, hielten die Daumenin die Höhe und verließen die Schleuse.Frayn Porthor, der erste unserer langen Rei-he, kletterte auf das Tragegerüst und klinktesich dort mit einer zweiten Leine fest.

»Olfkohr spricht. Alle bereit?«Sechsmal ertönte aus den Innenlautspre-

chern die Antwort.Die roten Signallampen leuchteten auf.

Langsam schoben sich die schweren Portalein der Schiffshülle auseinander. Wir hieltenuns an den Bügeln fest, als sich die Öffnungvergrößerte und nichts als eine silbergraue,von feuerroten und schwarzen Spiralfädendurchzogene Gashülle zeigte, einen schma-len Ausschnitt dessen, was uns dort erwarte-te. Wieder ein Signal. Die Tore rasteten ein.

Olfkohr wußte wie wir alle, daß die CRY-SALGIRA genau einen Punkt angesteuerthatte, der fast schon innerhalb der gefährli-chen Atmosphäre lag. Windgeschwindig-keit, die vorherrschende Richtung der zy-klonartigen Stürme, und daraus in Relationzu uns die Fallkurve, waren berechnet wor-den. Wir müßten mit einigem Glück genaudort landen, wo die vier Kampftaucher ge-landet waren. Und wo sie gefangengenom-men worden waren.

»Wir gehen, Freunde!« sagte Olfkohr.Frayn schaltete an der kleinen Steuerung.

Der schwere Panzer hob sich von dem gerif-

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felten Boden der Schleuse hoch, drehte sichum vierzig Grad und schwebte aus der offe-nen Luke. Die Seile spulten sich langsamvon den Trommeln. Wir gingen hinter demschwebenden Panzer her, dann kippte dasGerät aus dem Schwerefeld der Schleusenach unten. Wir folgten und sprangen hin-terher. Jeweils zehn, fünfzehn Meter Verbin-dungsseil war zwischen den einzelnen An-zügen.

Ein rasender Sturz begann. Vorsichtigzündeten wir die Partikeldüsen, um unsereLage zu stabilisieren. Bald hatten wir er-reicht, was wir wollten. Wir schwebten wieVögel mit ausgebreiteten Beinen und Armenhinter dem Koloß her, eine lange Kette vonmetallgepanzerten Männern. Keiner von unssprach. Die Lautsprecher gaben nur dieAtemzüge wieder, gelegentliche Fetzen vongemurmelten Selbstgesprächen und darüber,von außen hereindringend, das hohle Sausenund Fauchen der ersten Spuren einer dich-teren Atmosphäre.

5.

Glücklicherweise waren wir so mit unse-ren Flugaggregaten beschäftigt, daß wir kei-ne Zeit hatten, Angst zu empfinden. Wir fie-len mit rasender Geschwindigkeit, hatten un-sere Körperlage stabilisiert, wurden vomDreifachen der normalen Anziehungskraftnach unten gerissen.

»Frayn! Ortung! Wo sind wir?« erkundig-te sich Olfkohr leise.

»Zweitausend Kilometer vom Zielbergentfernt!«

»Der Winkel?«»Dreiunddreißig Grad!«Unsere Gruppe beschrieb also eine annä-

hernde Gerade, deren oberer Punkt dieCRYSALGIRA und deren unterster Punktdie Landschaft um das Zielgebiet darstellte.Von der Geraden hatten wir jetzt mehr alsein Drittel zurückgelegt. Wieder drang durchdie Außenmikrophone das schneidende Heu-len und Wimmern der dichteren Gasschich-ten herein. Es war eine Art Fahrtwind, des-

sen Wirbel und Geräusche wir selbst erzeug-ten. Nach der ersten Meldung der vier gefan-gengenommenen Kampftaucher waren auchsie auf diese Weise »eingeschwebt« undnicht angemessen worden.

Kurze Zeit später schlugen wir in diedichten Schichten ein. Unsere Geschwindig-keit wurde zunächst noch einmal gesteigert,denn der rasende Sturm, der uns packte undherumwirbelte, war schneller als unsere ab-solute Geschwindigkeit. Dann, auf einen Be-fehl Olfkohrs, schalteten wir die Partikeldü-sen auf volle Leistung und glichen uns an.

Wir verhielten uns wie Wellenreiter. Wirnutzten die Strömung aus, ritten auf ihr undsanken gleichzeitig. Hagelstürme überholtenuns und feuerten ihre Projektile gegen unsab. Das Klappern und Dröhnen marterte un-sere Nerven und belastete uns.

Plötzlich riß der Hagel ab. Wir schossenin eine gewaltige Wolke hinein. Das Gaswar so dicht, daß wir einander aus den Au-gen verloren. Wir sahen nur noch die Ver-bindungsseile, die scheinbar ins Nichts führ-ten.

Die Ammoniakwolke schluckte alle Ge-räusche bis auf jenes hohle Sausen, das vonder bewegten Gasmasse herkam. Die opti-sche Isolierung in diesem Nebel griff eben-falls nach unserer Psyche. Ununterbrochenging es so weiter. Hagel und klebriger Re-gen, Nebel und plötzlich aufreißende Wol-ken, die kurze Blicke auf die Landschaft ge-statteten.

Lasse dich nicht täuschen. Dies ist keineBerglandschaft mit Eis und Schnee! warnteder Logiksektor.

Tatsächlich wirkte die Landschaft seltsamvertraut. Als ob wir uns langsam einer Sau-erstoffwelt nähern würden, im hohen Nor-den oder während des Winters in einemBerggebiet.

»Noch sieben Kilometer!« sagte plötzlichFrayn Porthor.

»Verstanden!«Schließlich kam der Augenblick, wo uns

die Instrumente und auch unser Gefühl sag-ten, daß wir landen mußten. Unter uns brei-

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tete sich eine Art Ebene aus. Ein Sturmheulte über die Fläche und riß gefrorenesAmmoniak in die Höhe und lagerte es hinterden dicken Stämmen der Gewächse aus Po-lymeren und Wasserstoff-Me-than-Verbindungen ab, die wie Bäume aus-sahen. Die Partikeldüsen unserer Rüstungenund die Triebwerke des Tragegerüsts heul-ten auf.

»Achtung. Haltet euch von dem Dingfern!« rief Porthor aus.

Die Verbindungsleinen strafften sich,spulten sich von den Trommeln, und wirschwebten auseinander. Der Panzer krachtein das Geäst eines Baumes, riß Ammoniak-schnee herunter, brach Äste ab und zerfetztedie Blätter, die wie aus Plastik geschnittenaussahen.

Die Antigravprojektoren und die Trieb-werke arbeiteten wie rasend. Der Koloß fingsich wieder ab, stabilisierte sich und landetein einer riesigen Wolke aus Baumteilen,Schnee und verdampfendem Ammoniak.Auch wir schlugen schwer in die tiefeSchicht aus dickem, pappigem Schnee.

»Alles klar? Jemand verletzt?« erkundigtesich Olfkohr. »Macht die Leinen los undkommt zum Panzer.«

»Niemand verletzt.«Der Sturm brach sich an Felsen oder riesi-

gen Blöcken aus Ammoniak, es war nichtgenau festzustellen. Olfkohr, Fartuloon undFrayn hantierten in rasender Geschwindig-keit an den Elementen, mit denen das Trage-gestell an dem Panzer befestigt war. DieProjektoren fielen in den Schnee, die Teile,Verschlüsse, Kabel und die Fernsteuerungwurden entfernt. Mit einem überraschendschnellen und leicht wirkenden Satz ver-schwand Frayn in der vorderen Kugel undbegann, an der Steuerung zu hantieren.

Sechs Mann versammelten sich um denPanzer.

Die ersten Schaltungen betrafen die Or-tungsgeräte. Die Antennen wurden aktiviert,die Schirme flammten auf. Dann setzteFrayn die Triebwerke in Gang. Jeder vonuns hatte eine genau umschriebene Aufgabe,

und jeder arbeitete so schnell, wie er nurkonnte. Colant, Kaarn und H'Noyr setztensich auf Notsitze außerhalb der kugelförmi-gen Zelle, wir enterten den Innenraum. Diebreiten Ketten des Antriebs ruckten an, derPanzer bewegte sich nach rückwärts, drehteauf der Stelle und fuhr dann geradeaus.Frayn steigerte die Geschwindigkeit der Ma-schine und steuerte souverän. Olfkohr hefte-te die in schützender Folie eingeschweißteKarte an das Armaturenbrett und erklärte:

»Ich denke, wir sind am Rand des Zielge-biets gelandet. Dieser Berg dort drüben mußmit Punkt Zwei auf der Karte identischsein.«

Inzwischen versuchten wir, unsere Geräteauf die Frequenzen der Maahks einzustellen.Vielleicht konnten wir sie abhören und er-fahren, ob die vier Kampftaucher noch leb-ten.

Der Panzer wurde schneller. Wir fuhrenim Augenblick ohne eingeschaltete Sichtge-räte. Der Nebel und der Sturm waren fürkurze Zeit zurückgegangen. Wir hatten eini-germaßen freie Sicht. Aber die nächsten tief-liegenden Wolken drifteten bereits wiederheran, wie ein Blick aus dem rückwärtigenSehschlitz deutlich zeigte.

»Ich bin sicher«, unterbrach Fartuloon.»Hier ist die Ebene, auf der wir uns befin-den. Die Station ist demnach fünfzig Kilo-meter entfernt.«

»Richtig!« erklärte Kaarn von draußen.Frayn war ein hervorragender Fahrer. Er

schien Felsen oder Spalten unter der trügeri-schen Decke aus Ammoniakschnee zu erra-ten. In einem Tempo, das beträchtlichschnell war, rasten wir in einer weit aus-schwingenden Zickzacklinie zwischen Bäu-men und den skurrilen Gebilden aus Eis da-hin. Die Karte zeigte zwischen uns und derStation der Maahks zunächst einen tiefenTaleinschnitt, dann eine Kette von seltsamspitzen Hügeln, schließlich einen Flußlaufund darüber einen langen Hang. In den Hanghineingebaut und halb verdeckt von einzel-nen schwarzen Felsen – dort lag die Stationder Methaner. Immer wieder mußten wir uns

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ins Gedächtnis zurückrufen, daß diese Land-schaft, die für uns wie reiner Terror und Todwar, für die Maahks etwas ganz anderes be-deutete. Es war ihr gewohnter Lebensraum.

»Zerkon! Wie fühlst du dich?« fragte Far-tuloon neben mir.

»Noch ganz gut«, erwiderte ich wahr-heitsgemäß. »Obwohl ich es vor Spannungkaum mehr aushalten kann.«

»Es geht uns allen so, Zerkon!« tröstetemich H'Noyr.

»Es ist selbst für mich nicht anders. Jedes-mal, selbst in unseren Kuppeln, weiß ich,daß es der letzte Einsatz sein kann. Eigent-lich ist es Wahnsinn, einen Feind in dessennatürlichen Lebensraum anzugreifen. Trotz-dem haben wir es immer wiedergeschafft.«

Hinter den Kettenspuren, die nicht tieferals ein halber Meter in den harten Schneehineingedrückt waren, wirbelten plötzlichfadenförmige Fetzen von Ammoniak durchdie Luft. Nebel und brodelnde Gase, die wiegelbgrüner Dampf aussahen, krochen zwi-schen den Bäumen und den gespenstischenFiguren heran. Frayn wich mit dem Panzeraus und konzentrierte sich auf die Infrarot-schirme. Er verstand es meisterhaft, die Bil-der, die er auf den Schirmen sah, umzuset-zen. Der Panzer dröhnte und rasselte weiterund glitt hinunter in das spitze Tal, hinterdem sich die Kette der gefährlichen Hügelerhob.

»Nicht ein einziger Methaner!« brummteeiner von uns, als sich der Panzer auf der an-deren Seite der Ammoniakschlucht denHang hinaufschob. Tatsächlich! Es hattenicht ein einziges Signal gegeben, nicht ein-mal einen Funkspruch hatten wir auffangenkönnen.

»Vielleicht haben sie den Stützpunkt auf-gegeben und den Planeten verlassen?«

Ich sprach aus, was ich vermutete.»Wir hätten es feststellen müssen. Zwi-

schen der letzten Meldung und unserer Lan-dung gab es nicht genug Zeit für eine Eva-kuierung.«

Es war merkwürdig, denn normalerweisehätten wir Spuren der Anwesenheit von so

vielen Individuen feststellen müssen. Zwarwar keiner von uns Maahk-Psychologe, aberwir wußten immerhin ziemlich viel über ihreLebensgewohnheiten. Der Panzer schraubtesich rutschend und mit Unterstützung vonAntigravprojektoren und Triebwerken denHang in einer schrägen Linie aufwärts, undschließlich hielten wir an. Noch immer be-fanden wir uns im Schutz des dampfendenund brodelnden Nebels. Mehr als schwarzeSchatten neben uns sahen wir nicht, aber wirstanden jetzt zwischen zweien der surrealgeformten Spitzen. Sie bildeten laut Karteeinen Wall vor dem Flußlauf und dem Hangmit der eingegrabenen Station.

»Noch immer nichts!« bemerkte Fartu-loon. Auch auf den Schirmen der Geräte, dienicht auf direkte optische Sicht angewiesenwar, zeichneten sich keinerlei Echos ab, diefür uns deutliche Aussagen ergeben hätten.

Wir erkannten die Umrisse der nächsten,an die hundertfünfzig Meter hohen Türmeund Schroffen, dann sahen wir das Geländedes eisfreien Flußlaufs, das Wasser führte –es war natürlich geschmolzenes Ammoniakoder eine entsprechende anorganische Ver-bindung –, darüber den Hang und die Umris-se der niedrigen, geduckten Gebäude.

Ich meldete mich und fragte:»Wie nahe, denkt ihr, können wir mit dem

Panzer heranfahren?«Frayn drehte seinen Kopf im Helminnern

und warf mir einen Blick zu. Ich verstanddie Art dieses Gesichtsausdrucks nicht. Erschien ärgerlich oder unentschlossen zu sein.

»Wenn wir einen Haken schlagen, könnenwir bis auf tausend Meter herankommen.Immer vorausgesetzt, sie bemerken unsnicht.«

»Dann weiter! Die Zeit drängt!« knurrteder Bauchaufschneider.

In dem Moment, da wir aus dem Halb-schatten des weitestgehend unsichtbarenAmmoniakkegels herausfuhren, meldetesich deutlich und drängend der Extrasinn.

Über dir! Das Ammoniak löst sich auf!Die Trümmer fallen!

Ich konnte nichts erkennen, aber ich han-

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delte instinktiv. Ich versuchte, Frayns Armzu erreichen und rief gleichzeitig:

»Schneller! Es fallen Ammoniakbrockenauf uns herunter!«

Im selben Moment gab es ein hartes, kra-chendes Geräusch. Wir sahen im Bildschirmder Rücklinsen, daß ein riesiger Brocken aufder linken Kette gelandet war und dort dieAbdeckung zerschlagen hatte. Colant undKaarn schrien erschrocken auf. Frayn begriffund handelte schnell und sicher. Der Motorbrummte auf, Vibrationen erschütterten se-kundenlang den Panzer, aber dann griffendie Ketten und schleuderten die Maschineimmer schneller vorwärts. Vor uns krachte,wie aus dem Nichts kommend, ein haus-großer Brocken herunter. Frayn konnte nichtmehr ausweichen und hielt mitten auf denriesigen, halb durchlöcherten Findling zu,der wie ein Teil eines Eisbergs aussah. Wirhielten uns fest und schlossen instinktiv dieAugen. Der Brocken spaltete sich, die Teilekippten zur Seite, und die Ketten walztenmitten hindurch. Als der gepreßte Ammo-niakschnee und die Eisbrocken darin dieMechanik erreichten, heulte das Getriebeüberlastet auf, aber der Panzer kam frei. Alswir weiterrasten, verfolgte uns noch eineWeile lang das dumpfe Krachen der zusam-menstürzenden Formen und Kegel.

»Das war knapp!« kommentierte Frayn.Als wir uns in der Mitte des Flußbetts be-

fanden, rissen die Wolken wieder auf undgestatteten uns einen Blick auf die Land-schaft.

»Rechts von uns. Zweitausend Meter!Dort sind die Maahks!« stieß Fartuloon her-vor. Wir alle blickten dorthin. Nur fünf Se-kunden lang, denn dann schaltete Frayn inden Rückwärtsgang und steuerte die schwe-re Maschine zurück in die Zone des kochen-den Nebels.

Wieder wurde es dunkel in der Kabine.Aber wir hatten genug gesehen. Wir ahn-

ten oder wußten, was dort geschah – es wardie einzige Erklärung für das Fehlen von Pa-trouillen oder Suchtrupps. Eine lange Kettevon Maahks, teilweise zu Fuß, teilweise mit

Gleitern oder anderen Fahrzeugen, bewegtesich wie ein Zug blaßgrauer Insekten denHang abwärts, durch die schmälste Stelledes Flusses und in die Richtung, aus der wirgekommen waren.

»Sie evakuieren den Stützpunkt!« meinteH'Noyr. »Hoffentlich haben sie die Gefange-nen nicht mitgenommen.«

»Wieviel waren es, schätzungsweise?« er-kundigte sich Fartuloon.

»Ungefähr zweihundertfünfzig«, meinteich.

»Sie rechnen eindeutig mit einem Angriffaus dem Raum!« kommentierte Frayn undsteuerte den Panzer wieder vorwärts. Wirrumpelten und kletterten im Schutz des Ne-bels geradeaus durch den Fluß, dessen strö-mendes Ammoniak gurgelte und plätscherte.

»Also rechnen sie nicht mit einer Kom-mandogruppe!« brummte Olfkohr. Deutlichwar die Erleichterung in seiner Stimme zuhören.

»Noch wichtiger: Sie haben noch keineSpur von uns!« kommentierte Kaarn. »Dasgibt uns jede Chance.«

»Und hoffentlich finden wir in der Stationnoch unsere Kameraden!«

Der Panzer verließ das Flußbett, wichnach links aus und näherte sich dann aufdem Kamm des Hanges, direkt unter denhochstrebenden Felswänden, der Station.Fünfhundert Meter vor dem ersten Gebäudehielten wir an. Colant blieb hier. Er würdedas Geschütz bedienen, uns nötigenfalls zubefreien versuchen, den Kontakt mit derCRYSALGIRA herstellen und unseren Vor-marsch sichern. Wir stiegen aus und mach-ten uns auf den Weg. Olfkohr bildete dieSpitze, ich ging vor Frayn, der den Schluß-mann abgab und nach hinten sichern würde.

*

Es waren nicht die ersten Gebäude einerMethanersiedlung, die ich sah. Es fiel mirauf, daß sie ausgesprochen leer und ausge-storben wirkten. Wir befanden uns jetzt aufeinem schmalen Grat, der mit Platten aus ei-

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ner unbekannten Steinart belegt war.Noch immer zerrte der Sturm an uns.

Aber dadurch, daß sich der Wind im Fluß-bett staute, durch den langen Hang fast umneunzig Grad umgelenkt wurde und vor derFelswand fast senkrecht nach oben heulte,riß er verdampfendes Ammoniak mit sichund erfüllte diese Passage mit Nebel undHagelschlag. Immer wieder rutschten wiraus oder wurden gegen die Felswand gewor-fen.

Vor mir sah ich den Rücken des Anzugs,in dem Fartuloon steckte. Er hielt müheloseine seiner schweren Waffen und stütztesich mit dem linken Arm an den Felsen ab.Ununterbrochen prasselten faustgroße Ge-schosse aus Ammoniak gegen die Panzer.Ich ging weiter, orientierte mich am Rückendes Anzugs und hoffte, daß Frayn nicht inmich hineinrannte.

Drei Schritte weiter packte mich eine un-sichtbare Kraft, meine Sohlen verloren denHalt, und ein wuchtiger Schlag fegte michzur Seite. Ich taumelte, schlug gegen dieFelsen und kippte nach der anderen Seite.

Gefahr! schrie der Extrasinn.Ich merkte, wie ich mit der Schulter

schwer auf den Stein schlug. Ich stieß einenschreckerfüllten Laut aus. Dann kippte ichim Hagel der Ammoniakschloßen nachrechts und nach vorn. Ich ruderte mit denArmen um mich, aber schon in dem Augen-blick, als ich fiel, erreichten meine Fingerden schweren Schalter des Triebwerks. Esheulte auf und riß mich seitlich von demSims weg.

»Zerkon! Hilf mir, Fartuloon!« hörte ichFrayns Stimme. Hatte er mich von dem Simsgestoßen?

»Wo ist Zerkon?« schrie Fartuloon auf.Ich sah undeutlich die Felsen an mir vor-

beihuschen, einen Streifen Weiß, dann wirk-ten Antigrav und Triebwerk. Ich fiel nichtmehr, ich begann zu schweben und starteteschräg nach unten. Mehr Kraft auf die Trieb-werke! Der Fall wurde angehalten, ichschwebte vorwärts und drehte mich lang-sam. Ich versuchte, mich in dem Nebel zu

orientieren und wurde langsamer, als ich un-gefähr an der Stelle des Pfades war.

»Ich lebe noch!« sagte ich leise undstreckte meinen Arm aus. Vorsichtig ließ ichmich vom Sturm schieben. Dann plötzlichwar die Felswand vor mir, ich fing mich abund verringerte die Leistung der Maschinen.

»Was ist passiert?« fragte Fartuloon, sichmühsam beruhigend.

»Ein besonders starker Stoß hat mich ausdem Gleichgewicht gebracht«, erwiderte ich,während ich versuchte, wieder den Pfad amFelsen zu erreichen.

»Vielleicht ist eine Ammoniaklawine vonoben heruntergekommen!« versuchte Fraynden Zwischenfall zu erklären. »Ich habenichts gesehen. Plötzlich warst du weg, Zer-kon!«

Er betont deinen Namen sonderbar, warn-te mich der Extrasinn.

»Wir sind gleich da. Sie haben bereits dieersten Gebäude erreicht!« erklärte Fartuloonund packte mich an einem der stählernenHaltebügel.

»Wenn wir stürmen und die Gefangenenerreichen, bevor die Karawane der Abzie-henden alarmiert wird … Vielleicht reichtdie Zeit!« sagte ich schwer atmend und hak-te meine Finger in einen Haltebügel an Far-tuloons Gürtel.

»Sie wird reichen!«Wir erreichten eine Art befestigtes Tor.

Es wurde deutlich, daß dieser Stützpunkt ei-ne Art Garnison war. Teile der Ausrüstungwaren abmontiert. Allerdings nur Gegen-stände in einer Größe, wie sie für eine Eva-kuierung wichtig war. Wir blieben stehen.Hier, zwischen den Wänden der Gebäude,gab es keinen Nebel, nur eine Art Regen, deralles gleichmäßig mit Nässe überzog undglänzen ließ.

Wir trafen uns hier. Sechs Männer, diejetzt ihre Waffen zogen und entsicherten.Wir hatten keine Ahnung, wo die Räume la-gen, in denen die Gefangenen sein konnten.Leise berieten wir uns, und wir kamen zudem Entschluß, zwei Gruppen zu bilden undzu suchen.

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Wir verständigten Colant von unseremVorhaben, und er wünschte uns viel Glück.

Olfkohr führte die erste Gruppe, Fartu-loon die zweite. Schließlich, nach einemletzten kurzen Check, stürmten wir los.

*

Fartuloon, Frayn und ich rannten über dengroßen, leeren Platz auf einen deutlich sicht-baren Eingang zu. Alles war hier auf dieGröße der methanatmenden Riesen zuge-schnitten, aber in unseren Schutzanzügenwaren wir nicht viel kleiner.

Etwa dreißig Sekunden brauchten wir, umden Platz zu überqueren. Frayn sicherte nachlinks, ich nach rechts. Niemand sah uns. Nurdie Kameraden, die zwischen einem Turmund einem kuppelförmigen Gebäude auf deranderen Seite verschwanden. Wir tauchtenim vollen Schwung in einen großen Saalhinein, in dem Gepäckstücke standen, dienicht mitgenommen worden waren. Dieschweren Rüstungen klirrten und dröhntenbei dem schnellen Lauf. Der Saal schien ei-ne Art Knotenpunkt zu sein, von dem Ram-pen und Treppen, Türen und offene Portaleabzweigten.

»Nach unten!« sagte Fartuloon und hieltam Anfang der Rampe an. Hier gab es kei-nen Nebel, keinen Regen und keine Nässe,aber die Öffnungen nach draußen besaßennicht einmal Türen oder Schotte. Die Visioneiner heißen Maahkwelt, in der die Bewoh-ner den frischen Wind brauchten, um unterder feuchten Hitze nicht zu leiden – es warschlecht vorstellbar, aber so ähnlich mußtenhier die Verhältnisse sein. Wir rannten ne-beneinander die nach links gekrümmte, gelbausgeleuchtete Rampe hinunter. Niemandhielt uns auf.

»Gruppe Olfkohr! Habt ihr Kontakt mitMethanern?« rief Fartuloon leise, als wir dasEnde der Rampe erreicht hatten und nun dieWahl zwischen zwei Korridoren hatten.

»Noch nicht … aber jetzt kommen sie voruns aus einem Raum. Schußwechsel!«

Fartuloon hob die Hand und sagte:

»Zerkon, Frayn! Gehen wir systematischvor. Jede Tür in diesem Korridor?«

»Einverstanden!«Wir wandten uns nach rechts. Dies war

der kürzere Teil des Verbindungsganges. Ei-ner von uns sprang vor, riß die Metalltür aufoder öffnete das Schott, die beiden anderendeckten ihn mit feuerbereiten Waffen.

Ich stürmte vor. Mit wuchtigen Hiebenschlug ich die Riegel herunter und trat gegendie schwere Platte. Sie schwang geräuschlosnach innen auf. Ich hatte die Waffe bereitsim Anschlag, als sich der Spalt bildete undvergrößerte. Aus den Lautsprechern ertöntenwirre Kommandos und ein aufgeregter kurz-er Schrei.

»Nichts!« sagte ich scharf, drehte michherum und rannte weiter. Der Raum war ei-ne Art Messe gewesen, mit Regalelementenan den Wänden, Tischen und Sesseln und al-lerlei technischem Kram. Kein einzigerMaahk befand sich dort. Wir öffneten denzweiten Raum. Ebenfalls leer.

»Die andere Gruppe hat Kontakt mit demGegner!« sagte ich leise. Plötzlich war inunseren Lautsprechern ein kurzer scharferRuf. Er schien von weither zu kommen; einZeichen, daß der Sender mit sehr schwacherEnergie arbeitete.

Helft uns! hörte ich.»Die meisten Maahks sind weg. Aber es

wird hier noch eine Gruppe geben, die aufalle Fälle stärker ist als wir!« knurrte Frayn,während wir diesen Abschnitt des Gangesverließen und die gegenüberliegende Seitebetraten. Sämtliche Räume waren leer, teil-weise vollständig ausgeräumt gewesen.

Als wir am untersten Teil der Rampe vor-beirannten, bemerkten wir Schatten vonlinks.

Maahks! schrie der Logiksektor.»Die Gefangenen leben noch!« sagte

Frayn, warf sich zu Boden und begann wü-tend zu feuern. Fartuloon und ich sprangennoch vier Schritte weiter und waren hinterder Kante des Ganges versteckt. Die Waffenhoben sich, die Zielgeräte stellten sich ein.Wir sahen die langen Feuerbahnen aus der

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Waffe des Kampftauchers den Stollen hin-aufziehen. Das Gas glühte entlang der Ener-gieströme fahl auf und erlosch.

Dann schoben sich zwei Maahks in dasBlickfeld der Optiken.

Fartuloon und ich schossen gleichzeitig.Es war keinerlei Kunst, auf diese Entfernungzu treffen. Die beiden Methaner, die, wildum sich schießend, in rasendem Lauf dieRampe hinunterrannten, wurden getroffen.Ich registrierte hinter den Wänden aus Flam-men und auseinanderplatzenden Feuerku-geln, aus aufflammendem Gas und schwar-zem Rauch, wie sie ihre Tentakelarme hoch-warfen und dann zusammenbrachen. Durchdas Röhren und Donnern der Schüsse kamdie Stimme des jungen Kampftauchers.

»Es kommt keiner mehr hinter ihnen. Ma-chen wir weiter.«

»Einverstanden!« erwiderte ich und lief,sobald mich die Kameraden decken konnte,auf die nächste Öffnung zu. »Ich bin sicher,einen Notruf der Gruppe Tsoehrt aufgefan-gen zu haben.«

»Ich hörte es auch!« bestätigte Fartuloon.Ich hielt in der linken Hand einen der klei-nen Sprengkörper, die an den Gürteln steck-ten. Das Schott glitt auf. Dahinter war einleerer, vollkommen dunkler Raum. Ichdrückte den Zündkontakt und schleudertedas kugelförmige Ding nach vorn.

»Aber wir wissen nicht, wo sie sind!« gabFrayn zu bedenken.

Mit derselben Systematik untersuchtenwir diesen Abschnitt. Es gab vierzehn Türenund Öffnungen, aber dieses Stockwerk warleer. Am Ende des Korridors entdeckten wireine Treppe, deren Stufen für die riesigenMaahks gemacht waren, uns aber keinerleiSchwierigkeiten bereiteten.

»Hinunter?« fragte Frayn, der die Spitzeübernommen hatte. Ich warf einen Blick inden raucherfüllten Korridor, aber dort warkeiner der Gegner zu sehen.

»Natürlich. Versuchen wir, uns zum Ge-fängnis führen zu lassen«, sagte Fartuloon,gab Porthor einen Stoß und rannte hinterihm her. Ich hörte, wie er ins Mikrophon

sprach:»Wir suchen euch, Gruppe Tsoehrt. Wo

seid ihr?«Wir rannten, so schnell es möglich war,

die Treppe hinunter. Sie drehte sich zweimalund ließ uns mit dem Schwung, den wir ent-wickelt hatten, geradeaus weiterlaufen.

Ein schwaches Echo war in den Lautspre-chern.

»Dritte Ebene unter dem großen Platz.Wir befinden uns in einer Überlebenszelle.«

»Das war klar!« sagte der Bauchauf-schneider zufrieden. »Habt ihr die Anzügein der Nähe?«

Wir befanden uns in einem Raum, derspärlicher ausgestattet war. Er ähnelte einemunregelmäßigen Kreisring. In der Mitte, hin-ter einem Kreis von Säulen, die nichts ande-res waren als Felszylinder, die beim Aus-höhlen des Berges stehengelassen wordenwaren, führte eine amphitheatralisch ange-legte Treppe auf die bewußte dritte Ebene.Wir rannten auf den Beginn der Treppe zu.

»Wir haben die Anzüge!« sagte einer derGefangenen.

Fartuloon sah eine Bewegung, warf sichzur Seite und brüllte »Achtung!« Sofortschlug über seinem Kopf das Feuer in dieWand. Frayn und ich schossen zurück. AusNischen oder Eingängen kamen mindestensfünf Maahks in die Halle. Sie hatten uns ge-sehen und wußten, was geschehen war.

Ich warf mich in die Deckung einer Fels-säule und sah, wie der erste Maahk im Feueraus Fartuloons schwerem Zweihandstrahlerstarb.

Ich hakte eine der kleinen Bomben ausdem Gürtel und zielte.

»Achtung! Es werden immer mehr!« sag-te Fartuloon und feuerte auf das nächsteZiel. Frayn rutschte hinter einer anderenSäule hervor und schlug schwer gegen dieSäule, hinter der ich stand. Ich holte mit al-ler Kraft aus und schleuderte die Bombe indie Richtung, aus der vier oder mehr derRiesen herankamen.

»Achtung! Bombe!« sagte ich, knietemich nieder und schob die Waffe nach vorn.

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Ich bemerkte, wie sich ein Maahk im großenBogen entfernte und Fartuloon von der an-deren Seite angreifen wollte. Ich zielte aufden Kopf, der sich mir jetzt als schmaler,konisch zulaufender Grat darstellte. Ichwußte, daß die Maahks Rundumseher wa-ren; ihr Blickfeld betrug in gleichmäßigerSchärfe dreihundertsechzig Grad. Trotzdemglaubte ich nicht, daß er mich gesehen hatte.

Gleichzeitig mit meinem ersten Schuß de-tonierte die Bombe und schleuderte dieGruppe der Herankommenden auseinander.Frayn gab lange Feuerstöße ab. Ich traf denMaahk in den dicken Oberarm. Der Gegnerstieß ein hohes, schrilles Winseln aus unddrehte sich herum. Er entdeckte mich hinterFlammen und Rauch und schoß.

Unsere Feuerstrahlen kreuzten sich.Während ich mich in dem klappernden

und klirrenden Anzug abstieß und um meineLängsachse drehte, feuerte ich ununterbro-chen. Ich traf den Maahk tödlich. Er brachdort drüben zusammen und starb.

»Tsoehrt! Zieht eure Anzüge an. Wir sindda, um euch abzuholen. Schnell! Aber keineFehler in der Panik!« schrie Frayn Porthor.

»Verstanden!« kam es schwach zurück.»Wo seid ihr?«

»Offensichtlich ziemlich genau übereuch!«

Wir verließen die Deckung und zogen unsnach allen Seiten feuernd auf den Anfangder Treppe zurück. Die Maahks auf dieserEbene waren tot oder so schwer verletzt, daßsie sich nicht mehr wehren konnten.

Wir sahen uns um, dann meinte ich:»Weiter! Nach unten!«Noch während des letzten Wortes hatten

wir alle einen gurgelnden Schrei in denLautsprechern. Nur der Todesschrei einesArkoniden klang so. Sekunden später, alswir uns wieder gefangen hatten und uns denvier Männern näherten, hörten wir die vorSchmerz und Wut verzerrte Stimme des al-ten Kampftauchers.

»Kaarn ist tot. Vier Maahks. Er hatte kei-ne Chance. Uns schlägt erbitterte Gegen-wehr entgegen. Vermutlich werden wir

flüchten müssen.«»Wir können später trauern«, sagte Fartu-

loon fatalistisch. »Unsere Aufgabe ist es, mitden Gefangenen zurückzukommen!«

Wir wußten in diesem Augenblick nicht,wie es den Teilnehmern der anderen Gruppeging. Es waren nur noch Olfkohr undH'Noyr. Fartuloon winkte, und wir sprangendie Treppe hinunter. Wir hörten über dieAußenmikrophone den Widerhall einer er-bitterten Schießerei aus dem anderen Teildes Gebäudes. Je tiefer wir hinunterstiegen,desto deutlicher wurde der Kampf lärm.

»Tsoehrt! Wo seid ihr? Schildert die Um-gebung eures Gefängnisses!« rief Frayn.Fartuloon rannte schneller. Wir folgten ihm,immer wieder nach rückwärts sichernd. Bis-her tauchte hier kein einziger Maahk auf. Ichdurchschaute die Absicht des Bauchauf-schneiders. Er wollte, wenn möglich, denMaahkverteidigern in den Rücken fallen undOlfkohr freikämpfen. Der nächste Ausrufbestätigte meine Ahnung.

»Ich sehe dort drüben nach! Sucht undfindet die Gefangenen!«

»In Ordnung!« sagte ich. Wir rannten ne-beneinander hinter Fartuloon her. Etwasdeutlicher war jetzt die Stimme Galbayns zuhören.

»Wir sind in einer Kammer in einem La-byrinth von schmalen Gängen und vielenRäumen gefangen. Wir ziehen gerade dieAnzüge an. Die Schleusen sind nicht zu öff-nen. Helft uns, schnell …«

»Wir kommen!« sagte ich. »Wo kann dassein, Frayn?«

Er deutete mit der Waffe auf rechteckigeDurchgänge, es waren die einzigen, die soaussahen, als würden sie uns an unser Zielführen.

»Dorthin!«Wieder rannten wir geradeaus, tauchten in

die gelbe Helligkeit eines Korridors ein undrissen Türen auf. Überall leere Räume.Schließlich, nach schätzungsweise acht Mi-nuten, sagte Porthor:

»Dort! Unzweifelhaft!«Wir rannten in eine Halle hinein. Die

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Decke war bis zum Ende der Höhlung zu se-hen, aber der große Raum war unterteilt.Viele würfelförmige Kammern, Maschinen-trakte, Abschnitte und Abteilungen bildetenim Mittelpunkt der Anlage einen Block. DieWorte, mit denen sich die vier Gefangenenverständigten, waren deutlicher geworden.Aber auch die Geräusche des wütendenKampfes, der auf der anderen Seite diesesStollens stattzufinden schien.

Wieder begannen wir mit der Suche.Nachdem wir etwa zehn Räume untersuchthatten, fühlte ich eine unbestimmte Drohunghinter mir. Wir befanden uns schon jenseitsder Mitte dieser verwirrenden Anlage. Ichsah einen Schatten, dann traf ein furchtbarerSchlag mein Handgelenk. Gleichzeitigschrie der Extrasinn warnend auf. Ich sprangzur Seite, und dann erstarrte ich. Mit einerblitzschnellen Bewegung hatte Frayn Port-hor meine Waffe aus den gefühllos werden-den Fingern gerissen und richtete jetzt zweischwere Strahlwaffen auf mich.

Er flüsterte, um die anderen nicht auf-merksam zu machen.

»Ich kenne Ihren wahren Namen. Sie sindnicht Zerkon, sie sind Atlan. Sie brauchengar nicht den Versuch zu machen, dies abzu-streiten, denn ich habe Sie erkannt, als Siedas erste Wort aussprachen.«

»Sie sind verrückt!« sagte ich. »WollenSie mich umbringen? Hier? Jetzt?«

Ein eisiger Schrecken lähmte mich. Hinterder Scheibe seines Helmes sah ich seine Au-gen. Sie wirkten keineswegs wie die einesunentschlossenen Mannes. Bringt mir seinenKopf, hatte Orbanaschol öffentlich als Lo-sung ausgegeben.

»Jetzt und hier. Ich werde mir den Kopf-preis verdienen. Die einzige Chance, meineKarriere zu beschleunigen.«

Ich sah mich langsam um. Merkwürdiger-weise schien er zu zögern. Aber es gab fürmich keine Fluchtmöglichkeit. Ich mußtenach jeder Richtung mindestens fünfzehnMeter laufen. Das war Zeit genug, um getö-tet zu werden, trotz des Panzeranzugs.

Ich schluckte und sagte heiser:

»Habe ich keine Chance? Gibt es nichts,das Ihre Ansicht ändern kann? Auch nichtIhre Freunde hier?«

»Ich fürchte, nein. Ich habe nichts gegenSie, Atlan – im Gegenteil. Sie sind ein ver-dammt sympathischer Bursche.«

Er hob beide Waffen. Die Mündungenzeigten genau auf die schwächste Stelle desPanzers. Es war die haarfeine Linie zwi-schen Helm und Brustteil. Sämtliche Leitun-gen verliefen hier, und das Glas würde beimersten Treffer zerplatzen. So oder so war ichschon jetzt so gut wie tot.

Noch lange nicht. Bringe ihn aus demKonzept! schrie beschwörend das Extrahirn.

Ich holte Luft und glaubte zu sehen, wiesich seine Finger um die Auslöser schlossen.Ich spannte meine Muskeln, stieß mich abund warf mich vorwärts. Vielleicht erreichteich ihn – und ich sprang ins Feuer hinein.

Zwanzig Meter vor mir tauchte Olfkohrauf. Ich erkannte seinen chromfarbenen An-zug. Die Waffe in seinem angewinkeltenArm warf dicke Feuerstrahlen. Frayn Port-hor wurde in den Rücken getroffen und nachvorn geschleudert. Eine Energiezelle in sei-nem Anzuggerät detonierte. Die beidenWaffen in seinen Händen spien Feuerstrah-len. Aber sie röhrten fauchend an meinemHelm vorbei. Ich schloß die Augen, ließmich fallen und versuchte, aus der Bahn derdrei arbeitenden Hochenergiewaffen zukommen. Mit einem klirrenden Krachen lan-dete ich auf dem glatten Boden. Die Luftwurde aus meinen Lungen gepreßt. Ich rich-tete mich halb auf und sah den riesigenweißglühenden Fleck im Rücken Porthors.Das Metall des Anzugs schmolz tropfendund funkensprühend.

»Es gibt niemanden, der auf den Sohnmeines Imperators schießt!« hörte ich gera-de noch Olfkohr sagen. Ich glaubte, er stießein grimmiges Lachen aus. Dann bebte derFels, und ich wurde eine Handbreit vom Bo-den hochgeschleudert.

An der Oberfläche schien der halbe Bergdetoniert zu sein.

Die CRYSALGIRA! rief der Logiksektor

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triumphierend.

6.

Die Ereignisse überschlugen sich. HinterOlfkohr tauchte, rutschend und stolpernd,der Bauchaufschneider auf. Auch er hielt dieWaffe auf die Stelle gerichtet, an der FraynPorthor zusammengebrochen war.

»Du lebst also, Atlan!« stieß er hervor. Erwirkte ungeheuer erleichtert. Ich hatte nochnicht alle Vorgänge klar begriffen.

Olfkohr sagte drängend:»Ich habe auch von Anfang an gewußt,

Kristallprinz, wer du wirklich warst. Deswe-gen habe ich achtgegeben. Schnell jetzt, ander Oberfläche wird geschossen.«

Fartuloon spurtete auf mich zu. Ich holtedie beiden Waffen aus den verkrampftenFingern des toten Arkoniden und rannte mitden beiden Männern aus dem hallenartigenRaum hinaus.

»Frayn wollte dich schon auf dem Simstöten. Er stieß dich herab!« sagte Fartuloonund steuerte auf die Stelle zu, an der H'Noyrlag und uns verteidigte.

»Habt ihr das Schiff gerufen?« fragte ichund rutschte neben dem Kampftaucher in dieDeckung. Wir nahmen die Maahks unter Be-schuß, die uns den Weg aus dem unterirdi-schen Teil der Station abschneiden wollten.Wieder erschütterten schwere Treffer denFelsen.

»Nein. Aber sie sind trotzdem gekommen.Wahrscheinlich hat Ra die Ungewißheitnicht mehr ausgehalten.«

Wir bildeten jetzt eine Gruppe von vierMännern. Wir feuerten ununterbrochen aufdie Maahks und konnten zwei von ihnen tö-ten. Die anderen zogen sich hinter unsererFeuerwalze zurück. Trotzdem waren wir inhöchster Gefahr. Der gesamte Rückweg lagnoch vor uns. Und noch immer hatten wirnichts für die Gefangenen tun können.

Ich gab einen letzten Feuerstoß ab undtraf einen der tobenden Riesen in die Schul-ter. Er ließ die Waffe fallen und verschwandaus dem blitzdurchzuckten Qualm dort vorn.

Ich drehte den Schalter des Funkgerätsauf höchste Sendeenergie und rief:

»Tsoehrt! Könnt ihr uns ein Zeichen ge-ben?«

Ich hörte hastiges Atmen, einen erregtenWortwechsel, schließlich durch das Dröhnender Schüsse an der Oberfläche:

»Ihr seid ganz in unserer Nähe! Wir be-finden uns in einem großen, rechteckigenRaum aus Metallplatten!«

»Verstanden!« rief ich. Dann hörten wiralle unverkennbar die Stimme von JedimKalore, der sich in der CRYSALGIRA be-fand. Er schrie aufgeregt:

»Fartuloon! Wir holen euch ab! Schnell!Wir haben die Station und euren Panzer ent-deckt und beschießen die Station. Wir flie-gen immer wieder Sturzangriffe.«

»Haltet euch zurück. Ihr müßt euch vorse-hen!«

»Verstanden. Wir beobachten die Aus-gänge.«

Es war sicher, daß sich die Maahks weh-ren würden, wenn sie erkannt hatten, daß esnur ein einzelnes und zudem kein großesSchiff war. Noch hatten wir etwas Spiel-raum. Es würde nicht sonderlich schwersein, an die Oberfläche zu fliehen. Ich ent-schloß mich schnell und sagte:

»Bleibt hier. Ich suche nach den Gefange-nen. Gebt mir Rückendeckung, falls notwen-dig!«

»Alles klar!« erwiderte Olfkohr.Ich zog mich vorsichtig zurück. Dann

drang ich wieder in das rechteckige Laby-rinth der Räume ein, in denen mich Porthorgestellt hatte. Ich kam an seiner Leiche vor-bei. Das Ammoniak begann sich in den An-zug hineinzufressen und würde nach einigerZeit sein Gewebe zersetzt haben. Ich hasteteweiter, eine Bombe wurfbereit, in der Rech-ten die entsicherte schwere Waffe, die ande-re hatte ich über die Schulter geworfen.

»Ich suche euch, Galbayn!« rief ich.Vielleicht schaffte ich es, trotz der dicken

Mauern, sie mit Hilfe des Funkgeräts einzu-peilen. Wieder sah ich eine riesige Tür, rißsie auf und blickte in einen leeren Raum hin-

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Page 45: Schule der Kampftaucher

ein.»Du bist ganz in der Nähe!«Zwei weitere Eingänge. Ich pirschte mich

vorsichtig heran, aber eine Ahnung sagtemir, daß ich hier keine Methaner antreffenwürde. Der erste Eingang öffnete sich in einMagazin, der zweite führte in einen langge-streckten, matt erleuchteten Raum. Plötzlichdrangen aus den Helmlautsprechern die un-verkennbaren Geräusche von Arkoniden, diesich verzweifelt bemühten, aus einer engenZelle zu entkommen.

»Wie könnt ihr mich hören?« fragte ichaufgeregt, während ich durch den Raumrannte und an der Stirnwand eingeschalteteBildschirme sah. Ich kam näher und erkann-te, daß es Beobachtungsschirme waren. Aufihnen sah ich in verschiedenen Winkeln undverschiedenen Vergrößerungen eine leereKammer – und die vier Männer in ihren An-zügen. Ich steckte im gleichen Modell.

»Ich glaube«, sagte ich und blieb vor derWand stehen, »ich habe euch gefunden. Ver-mutlich befinde ich mich in einem Kontroll-raum.«

»Ausgezeichnet, Atlan. Schnell, wir wer-den angegriffen!« brüllte Fartuloon.

Was sollte ich tun? Vor mir gab es Serienvon Schaltern und Knöpfen. Ich kannte nichteinen davon. Ich sah nur, wie die Männersich immer wieder gegen eine Wand warfenund versuchten, eine für mich unsichtbareTür aufzusprengen.

Die Sekunden verstrichen ungenutzt. Ichversuchte, mich in dem Wirrwarr der Schal-tungen zurechtzufinden.

Immer wieder riefen Olfkohr und Fartu-loon nach mir!

Die vier Gefangenen versuchten ununter-brochen zu entkommen. Aber sie hatten kei-ne wirkliche Chance.

Das Raumschiff schien wie ein wütenderRaubvogel immer wieder aus dem Weltraumherabzustoßen und die halb versteckte Stati-on zu beschießen. Jedenfalls dröhnten unun-terbrochen die schweren Treffer aus denSchiffsgeschützen und erschütterten diesenTeil des Berges.

Ich sah mich verzweifelt um und bemerk-te am äußersten rechten Rand dieser Anlageein Lämpchen, das jedesmal aufglühte,wenn die Männer mit ihren gepanzertenSchultern das Schott berührten. Ich hastetehinüber und kippte einen Schalter, der unter-halb dieses Lichts angebracht war. Auf demBildschirm sah ich, wie das Schott nach au-ßen aufschwang und augenblicklich in einerWolke vermischter Gase verschwand. Kurzentschlossen bewegte ich drei weitere Schal-ter und wartete.

»Wir sind frei! Wir kennen den Weg hierheraus!« schrien die vier Kampftaucher auf-geregt.

»Verstanden! Wir holen euch ab, Atlan!«schrie Fartuloon.

Zwischen mir und den flüchtenden Män-nern gab es eine Wand. Ich wußte nicht, wosie sich befanden. Dieser Raum hier hattenur einen Eingang, also drehte ich mich her-um und rannte wieder hinaus. Als ich in denhallenartigen Vorraum hinausrannte, sah ichdie vier Kampftaucher herantaumeln.

Zurück zu Olfkohr! drängte der Logiksek-tor.

Ich hob die Hand und grüßte schnell.Dann winkte ich die vier hinter mir her undwarf einem von ihnen Porthors Waffe zu. Erfing sie geschickt auf und rannte schweigendhinter mir her.

»Wo steckt ihr?« brüllte Olfkohr. Oderwar es Fartuloon?

Ich rannte an der Leiche Porthors vorbeiund auf die Stelle zu, an der die anderenwarteten. Sie waren eindeutig in der Defen-sive. Aus irgendwelchen unbekannten Tie-fen dieser Station waren Maahks aufge-taucht und kämpften sich vorwärts. Woranes liegen mochte, daß die Maahks trotz derÜbermacht nur langsam vordringen konnten,wußte ich nicht. Jedenfalls schrie ich:

»Fartuloon. Olfkohr – wir sind da. Siesind frei!«

Schnell hinaus! Seht zu, daß ihr in denSichtbereich der CRYSALGIRA kommt! riefder Extrasinn.

»Höchste Zeit! Ist der Weg frei?« rief

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Page 46: Schule der Kampftaucher

Olfkohr. Er konnte nur den Weg meinen,den wir gekommen waren. Wir erreichtendie Gruppe. Einer der vier Gefangenen undich schossen auf die Maahks.

»Wer weiß?« gab ich zurück.Und wieder gab es an der Oberfläche De-

tonationen. Olfkohr in seinem funkelndenAnzug hob den Arm, schwenkte ihn unddeutete nach hinten.

»Wir haben Tsoehrt und seine Gruppe!«rief er erleichtert. »Und jetzt können wir ab-hauen!«

»Mit Vergnügen!« knurrte ich.Ich zog einen Strahler aus der Halterung

und gab ihn einem der Männer. Wir zogenuns zwischen den Säulen, den Mauern undden vielen nutzlosen Türen, Eingängen undAbzweigungen in Richtung auf den Korridorzurück.

Olfkohr und ich gingen vorwärts, die an-deren feuerten ununterbrochen auf die nach-rückenden Maahks. Wir wurden schneller.Vier ehemalige Gefangene von uns mit Waf-fen versorgt, H'Noyr, Olfkohr, Fartuloonund ich. Draußen wartete Colant mit demPanzer. Und als wir den Korridor erreichtenund hinter uns mehrere verbrannte Zonenaus Flammen und Rauch hinterließen, hörtenund spürten wir in der Isolierung durch dieschweren Anzüge eine schnelle Serie harterDetonationen.

»Sie schießen zurück!« sagte Fartuloontrocken.

Unser Rückzug wurde schneller. Obwohlwir erschöpft waren, nahmen wir uns zu-sammen und rannten immer schneller. JedenAugenblick konnten Maahks auftauchen undversuchen, uns den Weg abzuschneiden.

»Die Maahks müssen zurückgekommensein!« brummte Olfkohr.

»Sie haben damit gedroht, alle arkonidi-schen Schiffe aus den Wolken zu schießen!«berichtete einer der Gefangenen.

Wir befanden uns jetzt an der Stelle, wodie amphitheatralische Treppe in den Korri-dor mündete. Ich hakte eine der besondersgekennzeichneten Bomben vom Gürtel,schärfte sie und schleuderte sie mit aller

Kraft dorthin, wo die Verfolger auftauchenmußten. Die Druckwelle beförderte unshalbwegs die Stufen hinauf.

Fartuloon schien genau zu wissen, wiewir entkommen konnten.

»Zuerst an die Oberfläche. Dann Flucht indie Richtung auf den Panzer.«

Das hatte den Vorteil, daß das Geschützunsere Verfolger in die Deckung zwingenkonnte. Unangefochten erreichten wir keu-chend die nächsthöhere Ebene.

»Und dann die Triebwerke zünden und ineine offene Schleuse des Schiffes hinein!«schlug Olfkohr vor. »Richtig!«

Es gab für uns nur eine Richtung. Wirschlugen sie ein. Weil wir nicht wußten,wieviel Maahks sich hier aufhielten, war esfür uns sinnvoller, zu rennen. In dem Au-genblick, an dem wir mit Hilfe der Trieb-werke und der Antigravprojektoren zuschweben und zu fliegen begannen, warenwir weitaus wehrloser.

Während sich dort unten, wo die Treppeendete, weiße Flammen und schwarzerQualm ausbreiteten, kamen wir an die ge-schwungene Rampe, die zur Oberfläche hin-aufführte.

»Wie seid ihr eigentlich hierher gekom-men?« erkundigte sich Tsoehrt, während wirin einer Linie die Rampe hochstürmten.

»Fartuloon und Kristallprinz Atlan habenuns besucht. Gonozal lebt! Sie brachten unshierher, weil sich kein arkonidischer Kom-mandant bereit erklärte, euch zu helfen!«versicherte Olfkohr.

»Ich verstehe. Und dieses Schiff holt unsab?«

»Ich hoffe«, meinte ich und sah oben densilbergrauen Himmel, »daß wir dieses Schifferreichen.«

»Das hoffen wir alle.«Wir kamen auf den Platz hinaus. Kein

einziger Maahk war zu sehen. Aber rund umuns sahen wir die Spuren des Beschussesdurch die CRYSALGIRA. Ich rief:

»Colant! Sind Sie noch im Panzer?«»Ja, natürlich. Ich habe vieles mithören

können. Wo seid ihr?«

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Page 47: Schule der Kampftaucher

»Wir starten soeben in deine Richtung!«bellte Olfkohr rauh. »Mache dich bereit, mituns zum Schiff zu starten.«

»Ich verstehe. Braucht ihr Deckungsfeu-er?«

»Noch nicht.«Wir handelten, als ob wir Mitglieder eines

einzigen Teams sein würden. Fast gleichzei-tig schalteten wir die Partikeltriebwerke ein,drehten die Leistung der Antigravprojekto-ren auf volle Kraft und schwebten dicht überdem nassen Boden, zwischen den Trichternder brennenden Ammoniakreste, der zerstör-ten Bauten und der aufgerissenen Felsen, aufden Standort des Panzers zu.

Ich brauchte nun keinen falschen Namenmehr.

»Hier Atlan! Ich rufe Ra und Kejt Ar-galth! Wo ist das Schiff?«

Der Schiffssender strahlte die Antwortmit so großer Engerie ab, daß die Lautspre-cher in dem Raum der Helme zu dröhnenund zu klirren begannen.

»Wir sind im Anflug. Alles in Ordnungdort unten?«

»Ja«, rief ich leise. »Schaltet die Ortungauf Höchstleistung. Wir versuchen, senk-recht hochzusteigen. Öffnet ein paar Schleu-sen, und bereitet euch auf eine schnelleFlucht vor!«

»Verstanden. Dort unten ist überall Nebelund Sturm.«

»Gebt acht, daß ihr uns nicht mit demTriebwerken verbrennt!«

Ich konnte mich auf die Besatzung derCRYSALGIRA verlassen. Es waren rauheGesellen, aber sie wußten, was zu tun war.Wir schwebten dicht über dem Boden undwaren binnen kurzer Zeit beim Panzer. DerKampftaucher stand bereits auf der zerknit-terten Abdeckung der Raupenketten undwartete auf uns. Als wir aus dem Ammo-niakdunst auftauchten, schloß er sich uns an.Wir änderten die Flugrichtung und stießensenkrecht in die Wolken hinein, wurdenvom Sturm gepackt und abgetrieben. Aberwir versuchten, zusammenzubleiben. Die In-strumente zeigten an, daß wir schnell hoch-

stiegen, aber in Richtung auf die Berggipfelabgetrieben wurden.

»Wir sehen euch. Wir greifen die Stationan, dann ändern wir den Kurs. Dort, wo ihrseid, ist eine Schleuse offen. Wir sendeneinen Störton zur Orientierung!«

Die CRYSALGIRA näherte sich ungese-hen. Für uns ungesehen, aber die Maahksschienen den großen Körper des Schiffes an-zumessen. Plötzlich, während wir mit allenKräften versuchten, Höhe zu gewinnen,schossen von unten schwere Geschütze. Wirsahen die Glutbalken schräg nach obenzucken, in den tiefhängenden Wolken ver-schwinden und nach einem noch unsichtba-ren Ziel greifen und tasten.

Olfkohr führte leise einen Namensappelldurch. Wir stiegen noch immer höher. DieGipfel der ammoniakstarrenden Felsen lagenbereits unter uns.

Wir waren vollzählig.Dann ertönte die Stimme Ras.»Wir kommen.« Der Barbar war aufge-

regt und tobte.Sie machten es sehr geschickt. Das Schiff

feuerte aus sämtlichen Geschützen und Pro-jektoren ununterbrochen nach unten. Ver-mutlich zielten sie schlecht, aber die reineZerstörungskraft der Energieflut genügte,um das Gebiet rund um den Stützpunkt in ei-ne Hölle zu verwandeln. Dann schwenktedas Schiff zur Seite und wurde langsamer.Die Ortungsabteilung hatte die winzigenEchos erfaßt, und zusammen mit dem Pilo-ten schafften sie es, plötzlich neben uns auf-zutauchen.

In den Anzuglautsprechern ertönte eingrelles Pfeifsignal.

Wir änderten unsere Richtung undschwebten entlang dieses Peilstrahls auf dieoffene Schleuse zu. Nur unsere Instrumentezeigten uns das Vorhandensein des riesigenSchiffes, und dann plötzlich befanden wiruns im Windschatten.

Die Maahks feuerten ununterbrochen.Vermutlich waren die Geschütze von Rech-nern gesteuert, denn selbst Maahkaugenkonnten diese Wolken nicht durchdringen.

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Die Gruppe um Tsoehrt löste sich auf undflog geradeaus.

Dann folgten Fartuloon und ich.Zwischen uns und dem Schiff zuckten im-

mer wieder schwere energetische Entladun-gen durch die Wolken.

Ra schrie in ein Mikrophon und rief zurEile.

Ich kurvte auf das große Viereck zu, dasich vor mir zu sehen glaubte. Ein Anzugüberholte mich. Ich wußte nicht, wer darin-nen steckte. Plötzlich befand ich mich im In-nern eines Glutballes.

»Nein!« schrie ich auf. Es mußte Fartu-loon gewesen sein. Er war vor mir gewesen.Der Schuß von unten hatte ihn getroffen undim selben Augenblick in Moleküle zerfetzt.

Ich schwebte in die Sicherheit der Schleu-se hinein.

Plötzlich, hart und deutlich, die Stimmedes alten Kampftauchers.

»Namensappell! Schnell! Olfkohrspricht!«

Atlan, sagte ich. Fartuloon. Colernt.N'Hoyr. Tsoehrt. Zwei Namen, die neu wa-ren für mich.

»Wo ist Achburn?«Keine Antwort.»Ich glaube, er war vor mir«, erklärte ich

leise. »Wenn es Achburn war, dann wurdeder Mann von einem Strahl getroffen. Er isttot.«

Fartuloon reagierte blitzschnell und sagte:»Ra! Kejt! Die Schleuse zu und Schnell-

start. Wir sind gerettet.«Drei Tote hatte der Einsatz gekostet.

Frayn Porthor war erschossen worden,Kaarn hatten die Methaner in den unterirdi-schen Gängen und Achburn ihre Geschützein der Gashülle getötet.

Die CRYSALGIRA hörte auf, das Gelän-de zu beschießen. Die Partikeldüsen heultenauf, und das Schiff floh in einer weiten, auf-steigenden Parabel hinaus in den Weltraum.Elf Männer hatten sich auf dem Methanpla-neten befunden, acht kamen zurück. Viel-leicht wären es mehr gewesen, wenn FraynPorthor etwas weniger ehrgeizig gewesen

wäre. Wenn. Wir registrierten, daß wir imnormalen Schwerkraftbereich des Schiffeswaren, daß sich die Schleuse schloß und mitAtemluft füllte, und daß Hilfsmannschaftenund Roboter hereinkamen, um uns aus denAnzügen zu helfen.

Solange wir gezwungen waren, um unserLeben zu kämpfen, spürten wir unsere eige-ne Erschöpfung nicht. Aber jetzt, als sich dieCRYSALGIRA mit zunehmender Ge-schwindigkeit und auf einem Zickzackkursvon der Oberfläche des Maahkplaneten Or-meck-Pan entfernte und der ersten Transiti-on in Richtung Falgrohst entgegenraste,schlugen Erschöpfung und Hunger, Durstund Müdigkeit über uns zusammen.

Wir schliefen ein, nachdem wir etwas ge-trunken und gegessen hatten.

Das Schiff vollführte eine Transition nachder anderen. Wir merkten es nicht.

*

Die vier Männer, die unruhig und ge-spannt auf den unbequemen Stühlen kauer-ten und sich wünschten, Lichtjahre weit ent-fernt zu sein, sahen im Gesicht des Mannesvor ihnen, daß er innerlich kochte. Das stei-nerne Schweigen war bedrohlicher als jedeandere Äußerung. Niemand wußte, wie derImperator reagieren würde.

»Und was passierte weiter?« fragte er.Ein kleiner, intimer Raum im Kristallpa-

last des Imperators Orbanaschol. Es warspäte Nacht. Eben erst waren die letztenNachrichten eingetroffen.

Zögernd hob der Vertraute des Imperatorsdie Hand und sagte leise:

»Erhabener, es nahm den logischen Fort-gang. Das Schiff mit dem Namen jener Prin-zessin kam zurück nach Falgrohst.«

Orbanaschol der Dritte hatte ausdrücklichbefohlen, ihn bei jeder Nachricht, Atlan be-treffend, zu stören. Jetzt war er darüber ver-ärgert, daß er gestört worden war. Er krallteseine Finger um den Halsausschnitt seinesprächtigen Morgenmantels und fragtedumpf:

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»Ja? Weiter!«»Wir wurden verständigt, daß Sonnenträ-

ger Olfkohr versuchen würde, seine vierLeute abzuholen. Niemand konnte ihm einSchiff beschaffen – so wie es angeordnetworden war.«

Der Imperator starrte an ihm vorbei undmachte eine kurze, unbeherrschte Bewe-gung.

»Wir wissen nicht, ob die Rettung der vierMethanamphibier gelungen ist. Vermutlichja, denn Olfkohr ist einer der besten Kampf-taucher, die es je gegeben hat. Jedenfallswurden zwanzig Kampfschiffe nachFalgrohst beordert, um die CRYSALGIRAabzufangen und zu entern.«

Die Stimme des Imperators war nur nochein heiseres Flüstern. Seine Finger spieltennervös mit dem Stiel des prunkvollen Be-chers, in dem ein aufmunterndes Getränkenthalten war. Vor den vier Männern stan-den keinerlei Gefäße. »Und? Wurde dasSchiff geentert?«

»Nein, Imperator. Eure Erhabenheit mö-gen verzeihen, aber es war alles auf dasTrefflichste vorbereitet. Die Offiziere wuß-ten, was zu tun war. Sie brannten darauf,den plötzlich wieder aufgetauchten Gonozalzu sehen. Beziehungsweise Gewißheit zubekommen, daß es sich auch hier um einenniederträchtigen Betrug handelte.«

Orbanaschol meinte mit unheildrohenderStimme:

»Ich höre!«»Nun …«, der hohe Sicherheitsoffizier

wand sich förmlich vor Verlegenheit, ob-wohl er auf die Vorkommnisse an jenemTag dort auf Falgrohst, der geheimen Welt,nicht den geringsten Einfluß gehabt hatte.»Nun, um es kurz zu machen: Das Raum-schiff rematerialisierte, raste auf den Plane-ten los, und dann schien der Kommandantblitzschnell gemerkt zu haben, daß Gefahrdrohte.

Die CRYSALGIRA verschwand wieder… Nun, sie ging in Transition.«

Er stöhnte auf und wischte sich denSchweiß von der Stirn, obwohl der Raum

wunderbar kühl war.»Das Schiff wurde verfolgt?«»Selbstverständlich. Aber es war und

blieb verschwunden.«»Mit Atlan und dem falschen Gonozal?«»Jawohl, Eure Erhabenheit!«»Und natürlich mit dem Sonnenträger

Olfkohr und einer Handvoll der besttrainier-ten Kämpfer, die Arkon besitzt!«

»Ich fürchte, so ist es.«Es sah so aus, als ob die Besatzung dieses

relativ kleinen Schiffes genau geahnt hätte,welches Schicksal ihnen zugedacht gewesenwar. Man wollte ihnen einen heißen Emp-fang bereiten, das Schiff zur Landung zwin-gen und ein für allemal sowohl Atlan aus-schalten als auch hinter dieses Mysteriumdes Ex-Imperators kommen. Aber mit einemgekonnten, schnellen und in jeder Hinsichthervorragendem Manöver hatte sich der An-kömmling abgesetzt und war verschwunden.Eine Verfolgung mit Transitionssprüngenwar nahezu sinnlos, trotzdem waren dieSchlachtschiffe dieses Risiko eingegangen.Die CRYSALGIRA war und blieb ver-schwunden.

Stille breitete sich in dem prunkvollenVorzimmer des Schlafgemachs aus. Es warjene unbehagliche Stille, die zu Wutausbrü-chen führen konnte – und Wutausbrüche desImperators bedeuteten Deportation, Folter,Ausweisung, Tod oder ähnliche schrecklicheAussichten. Endlich sprach Orbanaschol.

»Ich bin«, sagte er, »von Schwachköpfenund Stümpern umgeben.«

Die vier Männer nickten schweigend.»Niemand aus meiner Nähe hat es bisher

geschafft, diesen Alptraum vom Imperiumzu nehmen. Ich denke, ich werde zu unkon-ventionellen Mitteln greifen müssen.«

Schweigend starrten ihn seine engstenVertrauten an.

Er grinste ihnen in die Gesichter. Sie be-gannen zu zittern. Sie kannten diesen Aus-druck. Orbanaschol war berüchtigt für dieausgesuchten Scheußlichkeiten, die diesesLächeln einzuleiten pflegte.

»Ich denke hier an den Blinden Sofgart,

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einen der fähigsten Verfolger, den das Impe-rium je hervorgebracht hat. Und jetzt denkeich an Klinsanthor.«

»Ihr scherzet, Erhabener!« flüsterte einerder Männer schreckensbleich.

»Wenn ich scherzen würde«, erwiderteder Imperator und trank einen Schluck ausdem juwelenbesetzten Prunkgefäß, »wäretihr bereits tot oder am Ende der Galaxis aufeinem Strafplaneten. Nein, ich denke ernst-haft daran.«

»Kennen Sie das Risiko, Imperator?«stammelte einer der Männer.

»Ich kenne es. Ich sehe, daß es unter denherrschenden Umständen richtig ist, denMagnortöter tatsächlich zu rufen!«

Der Imperator schien sich einen Spaß dar-aus zu machen, ihre Reaktionen zu beobach-ten. Er blickte von einem der erstarrten Ge-sichter zum anderen und sah dort nichts an-deres als Angst vor der Tragweite seinesEntschlusses. Aber auch er hatte Angst. Eswar, als ob er versuchen würde, einen aus-brechenden Vulkan mit einer Wasserflut zulöschen.

»Wir denken, daß es klüger ist, diesenEntschluß noch einmal zu überprüfen!«

Orbanaschol erwiderte kurz:»Seit dem Auftauchen des Gonozal-Du-

plikats bin ich dazu entschlossen gewesen.Seit diesem Moment habe ich mir die Ent-scheidung überlegt. Ich denke, es bleibt da-bei.«

Er trank den Pokal leer und stand auf. DasZeichen, daß er allein bleiben wollte. Die

Männer erhoben sich ebenfalls ehrerbietigund schweigend und gingen zur Tür, dieKöpfe gesenkt.

Sie zuckten zusammen, als Orbanaschollachte. Ein heiseres, kurzes Lachen, mehrein Ausdruck der Verzweiflung.

»Geht jetzt. Noch habe ich MagnortöterKlinsanthor nicht gerufen. Noch nicht!«

Hinter den Männern schloß sich die Tür.Orbanaschol blieb einen Augenblick re-

gungslos stehen und dachte nach. Dann ginger zu einer Wand und machte einen Aus-schnitt davon transparent. Die Sterne überArkon erschienen. Schweigend starrte derImperator in die Höhe und atmete langsam.

Der Kristallprinz, sein tödlichster Feind,tödlicher und unbarmherziger als jeder derGegner im Großen Methankrieg, hatte neueHelfer bekommen. Die besten und geschul-testen Männer, die man sich vorstellenkonnte. Und die Männer waren zudem mitgroßer Sicherheit Anhänger des Mannes,den er hatte sterben sehen.

Und trotzdem … es war mehr daran, alses schien.

Heiser und krank vor Furcht flüsterte derImperator:

»Die Wahrheit. Ich muß die Wahrheitkennenlernen! Die Wahrheit über Atlan undGonozal!«

ENDE

E N D E

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