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«Schule und Recht» Blockwoche PHSG 2016 Modul 1 Schule & Recht

«Schule und Recht» - schulrecht.ch · und Strafen «Der geschlagene Schüler» Teil 1. Der geschlagene Schüler Eine Lehrperson ist zunehmend mit einem Schüler überfordert. Er

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«Schule und Recht»

Blockwoche PHSG 2016

Modul 1 Schule & Recht

Übersicht Vorlesungen

1. Vorlesung

Einführung ins Schulrecht

Grundrechte mit Einfluss auf die Schule

2. Vorlesung

Mitspracherechte von Eltern

Datenschutz in der Schule

Verantwortlichkeiten und Haftung

3. Vorlesung

Personalrecht für Junglehrer

Unterlagen

Ziele Blockwoche «Schule & Recht»

Im Modul Grundrechte erreichen die Studierenden

folgende Ziele:

Sie erhalten einen Einblick in den Stufenbau des Schulrechts

Sie kennen die relevanten Rechtsquellen

Sie lernen wichtige Grundrechte kennen

Sie sind sensibilisiert für juristisch heikle Sachverhalte

Sie sind in der Lage Juristen/innen gezielte Fragen zu stellen, um auf

Ihre konkrete Problemsituation eine Antwort zu erhalten.

Themen Teil 1

Einführung ins Schulrecht / Grundrechte

Der aktuelle Fall «der verweigerte Handschlag»

Grundrechte mit Einfluss auf die Schule «das WC-Verbot»

Grenzen des Schulrechts «der geschlagene Schüler»

Tanga, Top, Kopftuch & Co. aktuelle Rechtsfälle

Der verweigerte Handschlag

Kann eine Schule zwei Jungen zwingen, ihrer Lehrerin die Hand zu geben,

auch wenn sie es aus religiösen Gründen nicht möchten? Darüber

diskutiert die Schweiz. Nun sollen Juristen entscheiden, was höher wiegt:

Schulregeln oder Religionsfreiheit.

(Spiegel-Online 7. April 2016)

Der aktuelle Fall

«der verweigerte Handschlag»

1. Lesen Sie das Interview der beiden Schüler «Niemand kann uns

zwingen Hände zu berühren»

2. Diskutieren Sie zu dritt über folgende Fragen:

a) Welche Werte hat eine Schule zu vermitteln?

b) Welches Rechtsgut ist höher zu gewichten, die Rechtsgleichheit oder

die Religionsfreiheit?

c) Dürfen sich die beiden Knaben auf das Diskriminierungsverbot in der

Verfassung berufen?

3. Welche Aufgabe hat das Recht in diesem Fall?

4. Ist der Fall juristisch zu lösen?

5. Wie wären Sie vorgegangen?

Öffentliches Recht / Privatrecht

Öffentliches Recht

Es umfasst jene Rechtsnormen, die mit Staat und einer Tätigkeit zu tun haben:

Beziehung Staat – Einzelperson Beziehung Staat – Staat Organisation des Staates und

seiner Einrichtung

Unterordnungsverhältnis

Verwaltungsrecht Strafrecht Prozessrecht etc.

Staat

Privates Recht

Es regelt die Rechtsbeziehung von Privatperson (natürliche und juristische) unter sich:

Gleichstellungsverhältnis

ZGB + OR

Rechtsquellen und Stufenbau des Schulrechts

Kantonsverfassung

kant. GemeindegesetzVolkschulgesetz

Personalgesetz

Bund

Kanton

Bundesverfassung

Art. 7-36 BV Grundrechte

Art. 62 Schulwesen

Bundesgesetze

OR / ZGB / DSG / URG etc.

Rechtsquellen und Stufenbau des Schulrechts

Gemeinde /

Schulordnung

Reglemente der

Schulbehörden

Hausordnungen

Verordnungen

(z.B. Volksschulunterricht)

Weisungen/

ReglementeRichtlinien

weitere Rechtsquellen

Gerichtsurteile

Empfehlungen EDK

Standesregeln

Gemeinde

Grundrechte der BV mit Einfluss auf die Schule

Schule

Achtung und Schutz

der Menschenwürde

Art. 7

Schutz der

Privatsphäre

Art. 13

Recht auf Leben und

persönliche Freiheit

Art. 10

Glaubens- und

Gewissensfreiheit

Art. 15

Meinungs- und

Informationsfreiheit

Art. 16

Sprachenfreiheit

Art. 18

Verfahrensgarantie

Art. 29Anspruch auf

Grundschulunterricht

Art. 19

Rechtsgleichheit Schutz vor

Diskriminierung

Gleichstellung Mann und Frau

Art. 8

Schutz vor Willkür

und Wahrung von

Treu und Glauben

Art. 9

Eigentumsgarantie

Art. 26

Prinzipien des Rechtsstaates mit Einfluss auf die

Schule

Schule

Wahrung der

Rechtsgleichheit

Gewährleistung der

Grundrechte

Einhaltung der

Gewaltenteilung

(check and balance)

Handeln nach

Treu und Glauben

(Vertrauensprinzip)

Gebot der

Verhältnismässigkeit

Garantie auf unabhängigen

und unparteiischen Richter

Beachtung der

Gesetzmässigkeit

(Legalitätsprinzip)

Handeln im

öffentlichen Interesse

Schulartikel in der Bundesverfassung

Art. 19 Anspruch auf Grundschulunterricht

Der Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen

Grundschulunterricht ist gewährleistet.

Schulartikel in der Bundesverfassung

Art. 62 Schulwesen1 Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig.

2 Sie sorgen für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offen steht. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und untersteht staatlicher Leitung oder Aufsicht. An öffentlichen Schulen ist er unentgeltlich.

3 Die Kantone sorgen für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr.

4 Kommt auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung des Schulwesens im Bereich des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und von deren Übergängen sowie der Anerkennung von Abschlüssen zustande, so erlässt der Bund die notwendigen Vorschriften.

Grenzen der Freiheitsrechte

«Jedes Freiheitsrecht findet seine Grenzen an der Freiheit des Nächsten»

Der Staat schränkt zum Schutze des Nächsten die

Freiheitsrechte ein – und zwar durch ein Gesetz im formellen

Sinn.

Einschränkung von Grundrechten, Art. 36 BV

1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen

Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst

vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und

nicht anders abwendbarer Gefahr.

2 Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches

Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt

sein.

3 Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.

4 Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.

Kerngehalt der Grundrechte:

Kerngehalt der Freiheitsrechte als absolute Grenze

Beispiel:

Ein totales Verbot die eigene Religion auszuüben verletzt die Glaubens-

und Gewissensfreiheit als auch das Recht auf persönliche Freiheit.

Durchbruch der Rechtsstaatsprinzipien im Schulalltag

Grundrecht der

persönlichen

Freiheit

VS. Schulpflicht / Stundenplan

Meinungsäusserungs-

freiheit (Gespräch mit

Banknachbarn)

VS.Schweigen während

Ausführungen der

Lehrperson

Prinzip der

Gewaltenteilung VS.

Lehrperson ordnet

Hausaufgaben an,

kontrolliert diese, verhängt

Sanktionen bei

Nichterledigung und

vollzieht Strafe

Eigentumsgarantie VS.

Wegnahme von

Gegenständen

- Handy

- MP3-Player

- Game Boy

- Fussballbilder

Keine unbeschränkte Geltung der

Freiheitsrechte

1. Einschränkungen durch Gesetze

Volksschulgesetz

Strafgesetz

2. Verkürzte Geltung der Freiheitsrechte für:

Ausländer

Niederlassung

Wahl- und Stimmrecht

Unmündige

kein Recht auf Ehe

Personen in einem Sonderstatusverhältnis

Angehörige der Armee

Anstaltsbenützer

(z.B. Insassen von Strafanstalten und Schüler)

Sonderstatusverhältnis:

Ein Sonderstatusverhältnis liegt vor, wenn eine Person in einer engeren

Rechtsbeziehung zum Staat steht als die übrigen Menschen und sich

daraus für sie besondere Pflichten und Einschränkungen der

Freiheitsrechte ergeben.

Merkmale Sonderstatusverhältnis:

Merkmale müssen in einem formellen Gesetz umschrieben werden.

Beispiel: Schulpflicht Art. 45 VSG

Das Kind wird am 1. August nach Vollendung des vierten Altersjahres

schulpflichtig.

Merkmale Sonderstatusverhältnis:

Regelung durch Generalklauseln / offene Artikel

Beispiel: Art. 54 Grundsatz VSG

Die Schülerin oder der Schüler hat sich in Schule und Öffentlichkeit

anständig und rücksichtsvoll zu verhalten.

Kernauftrag der Schule

Art. 3 Erziehungs- und Bildungsauftrag VSG1 Die Volksschule unterstützt die Eltern in der Erziehung des Kindes zu

einem lebensbejahenden, tüchtigen und gemeinschaftsfähigen

Menschen. Sie wird nach christlichen Grundsätzen geführt.2 Sie fördert die unterschiedlichen und vielfältigen Begabungen und die

Gemütskräfte der Schülerin und des Schülers. Sie vermittelt die

grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten, öffnet den Zugang zu den

verschiedenen Bereichen der Kultur und leitet zu selbständigem Denken

und Handeln an.3 Sie erzieht die Schülerin und den Schüler nach den Grundsätzen von

Demokratie, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit im Rahmen des

Rechtsstaates zu einem verantwortungsbewussten Menschen und

Bürger.

Die Schule als Anstalt

Sie erfüllt öffentliche Aufgaben

Erziehungs- und Bildungsauftrag Art. 3 VSG

Der Inhaber der Anstaltsgewalt hat gegenüber dem Benützer eine

erhöhte Weisungsgewalt. Im Einzelfall ist die Weisungsgewalt nicht an

das Gesetzmässigkeitsprinzip gebunden.

Die Lehrperson kann als Inhaberin der Anstaltsgewalt im

Klassenzimmer den Schülerinnen und Schülern durchaus nur

gewisse Zeitfenster für den Toilettengang geben. Sie darf jedoch

dabei den Kerngehalt der Grundrechte nicht vollständig

aushöhlen.

Grenzen der Anstaltsgewalt

örtlich

sachlich

persönlich

zeitlich

Das WC-Verbot

Die Toiletten werden immer wieder verstopft und verschmiert:

a) Darf ich als Lehrperson den Jugendlichen den

Toilettenbesuch in der Schule verbieten?

b) Die Toiletten abschliessen und nur auf Verlagen den

Schlüssel aushändigen?

c) Die Jugendlichen kollektiv mit zusätzlichen Hausaufgaben

bestrafen?

«Das WC-Verbot»

Primarschüler dürfen in der Pause nicht auf die Toilette

Schüler der Basler Primarschule Insel müssen sich den Gang zur Toilette

oft verkneifen. In der Pause gilt seit einiger Zeit ein striktes WC-Verbot.

Das Schulhaus ist während der Pause abgeschlossen. Die Toiletten sind

tabu. Während des Unterrichts müssen die Schüler ihre Lehrperson um

den Schlüssel bitten. Einige Kinder genieren sich, zu fragen. Es ist ihnen

unangenehm und dann müssen sie es notgedrungen zurückhalten. Die

Regelung sei bei einigen Schülern auch schon in die Hose gegangen.

Die Richtlinien werden vom Erziehungsdepartement mit massiven

Vandalenakten auf den Toiletten gerechtfertigt. Brünneli und Toiletten

wurden verstopft, Wasserhähnen voll aufgedreht, an Türen und Wände

wurde uriniert. Die Lehrpersonen würden jedoch gesunden

Menschenverstand walten lassen, zudem sei die Regelung nicht auf alle

Zeit festgelegt.

(20 Minuten, Freitag, 11. März 2016)

«Das WC-Verbot»

Diskutieren Sie zu zweit:

Wer badet es denn aus, wenn etwas in die «Hosen» geht

und wer räumt im WC auf?

Ist ein solches Verbot überhaupt möglich?

In welchem Interesse ist das Verbot?

Wie würden Sie das Problem lösen?

Welches ist die richtige Lösung?

Open-Air Aufräumaktion

Die Klasse hilft den Abfall nach dem Open-Air St.Gallen

wegzuräumen und erhält einen pauschalen Betrag von

Fr. 1‘000.-- in die Klassenkasse. Eine Schülerin weigert sich an

der Aktion teilzunehmen, da dies nicht mit dem Schulzweck zu

vereinbaren ist.

a) Muss die Schülerin aus Solidarität teilnehmen?

b) Kann sie sich wirklich weigern?

c) Darf der Lehrer sie für diese Zeit beurlauben?

Rauchen vor dem Schulhaus

Ein Schüler befindet sich rauchend auf dem Trottoir vor dem

Schulhausareal.

Darf ich als Lehrperson

a) eine Disziplinarstrafe verhängen?

b) ihm das Rauchen verbieten?

c) dieses Verhalten akzeptieren?

örtliche Grenze der Anstaltsgewalt

Grundsatz

Weisungsgewalt

innerhalb des Schulareals

Folge

Keine Weisungsgewalt

ausserhalb des

Schulareals

Ausnahme

Erhöhte

Weisungsbefugnis

bei freiwilligen oder

obligatorischen

Schulanlässen

(zeitliche Ausdehnung)

Folge

Weisungsgewalt gilt

in- und ausserhalb des

Schulareals

Pausen

Exkursionen

Schullager

Genussmittel

Grundsatz

Der Gesundheitsschutz ist in erster Linie Sache der Eltern.

kein Weisungsrecht

der Schule ausserhalb

Schulzeit und

Schulgrundstück

evtl. Orientierung der

KESB

Recht des Einzelnen

Alkohol zu trinken und

zu rauchen als

Teilgehalt der

persönlichen Freiheit

Schranke:

Verabreichung gesund-

heitsgefährdende Stoffe

an Kinder

Art. 136 StGB

Der dringende Arztbesuch

Die Lehrperson verschiebt zwei Lektionen, da sie einen dringenden Arzt-

Termin wahrnehmen muss. Sie verschiebt diese zwei Lektionen in einen

freien Nachmittag.

Muss ein Schüler dies akzeptieren, wenn er bereits

a. zwei Tennisstunden belegt hat?

b. mit der Mutter einkaufen geht?

c. zu Hause bleiben möchte?

zeitliche Grenzen der Anstaltsgewalt

Grundsatz

Weisungsbefugnis beschränkt sich auf Schulzeit!

Schulzeit wird durch Stundenplan festgelegt

Folgen

Gültigkeit / Verbindlichkeit Stundenplan

- Einhaltung

- Festlegung der Lektionenzahl

- kein Anspruch auf bestimmtes Fach

Die «Schoggitaler-Sammlung»

Die Klasse verkauft Schoggitaler und erhält einen pauschalen Betrag

von Fr. 200.-- in die Klassenkasse.

Eine Schülerin weigert sich an der Aktion teilzunehmen, da dies nicht mit

dem Schulzweck zu vereinbaren ist.

a) Muss die Schülerin aus Solidarität teilnehmen?

b) Kann sie sich wirklich weigern?

c) Darf der Lehrer sie für die Zeit beurlauben?

Sachliche Grenzen der Anstaltsgewalt

Grundsatz

Schulzweck ist die Grenze der sachlichen Weisungsgewalt

Folgen

Zweckartikel ist die gesetzliche Grundlage zur

Grundrechtsbegrenzung

Abgrenzungsprobleme

Richtschnur

- Kerngehalt der Grundrechte als absolute Grenze

- Verhältnismässigkeit zwischen Weisung und Vorfall

Rechtswidrige Massnahmen

= Überschreitung der sachlichen Gewalt

Der gesperrte Sportplatz

Der Sportplatz ist wegen Nässe gesperrt. Der Schulwart fordert spielende

Schüler auf, den Rasen zu verlassen.

a) Hat der Schulwart ein Weisungsrecht?

b) Müssen die Schüler den Rasen verlassen?

c) Kann der Schulwart eine Strafe verhängen?

Persönliche Grenzen der Anstaltsgewalt

Faustregel

Gesetz bestimmt die persönliche Weisungsgewalt

Volksschulgesetz

Grundsatz Art. 56 Lehr- und Erziehungspflicht Art. 76

- Persönliche Erfüllung des Lehrauftrages

- keine Stellvertretung des Weisungsrechts

- Ausschliesslich zuständig für Erziehungsmassnahmen

und Strafen

«Der geschlagene Schüler» Teil 1

Der geschlagene Schüler

Eine Lehrperson ist zunehmend mit einem Schüler überfordert. Er zeigt

kein Interesse am Unterricht und macht die Hausaufgaben nicht. Darf sie

folgende Schritte unternehmen?

a) Zusätzliche Hausaufgaben als Strafe geben?

b) Den Schüler vom Unterricht für den Rest der Woche ausschliessen?

c) Ihn anstelle einer Strafe mit Einwilligung des Schülers über das Knie

nehmen?

«Der geschlagene Schüler» Teil 1

Statt Nachsitzen: Lehrer schlägt Schüler

Ein Oberstufenlehrer hat einem Schüler mehrfach Schläge aufs Gesäss

verabreicht. Es sei eine «Erfolgsgeschichte», sagt die Verteidigung des

Lehrers vor Gericht. Der Schüler habe danach wieder vermehrt Interesse

am Unterricht gezeigt.

Bäuchlings musste sich der heute 15jährige Realschüler über die Knie

seines Lehrers legen. Dieser schlug ihm daraufhin mit der flachen Hand

aufs Gesäss, laut Anklageschrift bis zu 25mal. Zwischen Dezember 2014

und Februar 2015 bekam der Schüler fünf- bis sechsmal Schläge von

seinem Lehrer verabreicht. Dann schilderte er die Vorfälle den Eltern, die

daraufhin Anzeige bei der Polizei einreichten.

(Tagblatt, 29. März 2016)

«Der geschlagene Schüler»

1. Wie beurteilen Sie den Fall aus rechtlicher Sicht?

2. Welche Rechtsverletzungen erkennen Sie?

Standesregel Nr. 10

«unbedingtes beachten von Verboten»

Die Lehrperson hält sich strikte an das gesetzliche Verbot von

körperlichen, sexuellen, kulturellen und religiösen Übergriffen und

reagiert entschieden auf festgestellte Missachtungen.

Persönliche Freiheit – Art. 10 BV

physische Freiheit

«Freiheit über den eigenen

Körper»

psychische Integrität«Elementare Erscheinungen

der Persönlichkeitsentfaltung»

physische Freiheit

körperliche Integrität

verletzt durch jeden Eingriff

in den Körper ohne

Einwilligung

Probleme:

- Schularztuntersuch / Arztwahl

Verboten:

- körperliche Züchtigung

Bewegungsfreiheit

Schutz vor

ungerechtfertigtem

Freiheitsentzug

Probleme:

- obligatorische Schullager

Verboten:

- Einsperren von Schülern

als Strafe

psychische Integrität

freie Entfaltung Persönlichkeit

Schutzobjekt ist die gereifte

Persönlichkeit, nicht aber die

Persönlichkeitswerdung

Probleme:

- Gehorsampflicht

- Kleider- und

Schminkvorschriften

- Haartracht

- Rauchen / Alkohol

Geheimsphäre

Probleme:

- Verpflichtung des Schülers,

seine persönliche Meinung zu

äussern

- Aufsatzthemen

- Nackt-Duschzwang

- Schulpsychologischer

Untersuch

Verboten:

- Verletzung Briefgeheimnis

«Der geschlagene Schüler» Teil 2

Der 43jährige Lehrer, der heute nicht mehr an der betroffenen

Oberstufenschule im Linthgebiet arbeitet, bestreitet die Vorfälle nicht. An

der Hauptverhandlung bezeichnete er sein Handeln als «unguten

Versuch», etwas zu erreichen in einer Situation, in der alle anderen

disziplinarischen Massnahmen versagt hatten. Der Schüler habe

Hausaufgaben nicht gemacht, den Unterricht gestört, sei in Raufereien

verwickelt gewesen und habe sogar die Unterschrift des Vaters

gefälscht, gab der Beschuldigte zu Protokoll. Strafaufgaben und

Nachsitzen hätten nichts gebracht. Schon früh habe er das Gespräch mit

dem Schüler und dessen Eltern gesucht.

Bei einem Gespräch habe er zum Schüler gesagt, jetzt könne er ihn

eigentlich nur noch übers Knie legen. «Das habe ich nicht sehr ernst

gemeint», sagte der Mann vor dem Richter. Zu seinem Erstaunen

antwortete der Knabe, Schläge wären ihm lieber als Nachsitzen, er wolle

Zeit haben zum Gamen. So kam es zur Abmachung: Schläge statt

Nachsitzen für die Disziplinareinträge.

«Der geschlagene Schüler»

1. Was halten Sie vom Vorschlag des Schülers?

2. Macht die Strafe allenfalls pädagogisch Sinn?

3. Welche Reaktion darf von der Lehrperson erwartet werden?

4. Welche Strafen darf eine Lehrperson anwenden?

Disziplinarmassnahmen der Schule

Disziplinarmassnahmen

Sie dienen zur Sicherung des

Anstaltszwecks, zur

Durchsetzung von Ruhe und

Ordnung

Sie haben Strafcharakter

Anwendung

Legalitätsprinzip

Disziplinarmassnahme muss

im Gesetz (VSG) vorgesehen

sein!

Beispiel: vorübergehende

Wegweisung von der

Volksschule

Erziehungsmassnahmen

Sie dienen ausschliesslich

der Förderung der

Persönlichkeitsentfaltung

Sie haben keinen

Strafcharakter

Schuld ist keine

Voraussetzung

Massnahme muss nicht im

Gesetz verankert sein

Massnahme muss nicht im

Fehlverhalten des

Betroffenen liegen

Beispiel: Versetzung auf

anderen Platz

Abgrenzung

Disziplinarmassnahmen

Massnahme zur

Durchsetzung der

Ordnung

Strengere Voraussetzung

Erziehungsmassnahmen

Massnahmen sollen

immer eng mit dem

Erziehungsauftrag der

Schule

zusammenhängen!

Grundsatz

Disziplinarmassnahmen sind pädagogisch nicht zu rechtfertigen –

sie dokumentieren eine pädagogische Hilfslosigkeit. Disziplinarmassnahmen sollten für Pädagogen das letzte Mittel sein,

das erst anzuwenden ist, wenn sie mit ihren pädagogischen

Fähigkeiten ihre Grenzen erreicht haben.

Übersicht und Zuständigkeit der

Disziplinarmassnahmen

Massnahme Zuständigkeit

Zusätzliche Hausaufgaben Lehrperson

Arbeit in der Schule ausserhalb des Unterrichts

Lehrperson

Wegweisung aus der Lektion Lehrperson

Wegweisung aus der besonderen Veranstaltung

Lehrperson

vorgängiger Ausschluss von einer ein-

tägigen besonderen VeranstaltungLehrperson

vorgängiger Ausschluss von mehrtätigen besonderen Veranstaltungen

Schulleitung oder Schulpräsident

schriftliche Beanstandung an die Eltern

Lehrperson oder Schulpräsident

Übersicht und Zuständigkeit der

Disziplinarmassnahmen

Massnahme Zuständigkeit

Ausschluss vom Unterricht für den laufenden Tag

Lehrperson

Ausschluss vom Unterricht bis 3 Tage Lehrperson und Schulpräsident

Ausschluss vom Unterricht bis 3 Wochen (Time-out)

Schulrat

Besuch einer Time-out Klasse Schulrat

Platzierung in stationärer Einrichtung Vormundschaftsbehörde

vorsorgliche Massnahmen Schulpräsident

Übersicht und Zuständigkeit der

pädagogischen Massnahmen

Pädagogische

Massnahmen

Zuständigkeit

Anordnung des Besuches

einer Kleinklasse

(Time-out Klasse) Schulrat

Fürsorgliche

Freiheitsentziehung

Zuständigkeit

Platzierung in stationärer

Einrichtung KESB

«Der geschlagene Schüler» Teil 3

Statt Nachsitzen: Lehrer schlägt Schüler

Das Gericht sprach den Lehrer der mehrfachen Tätlichkeit und des

mehrfachen Amtsmissbrauchs schuldig. Es verurteilte ihn zu einer

bedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu 160 und einer Busse von 800

Franken. Zudem muss der Mann die Verfahrenskosten von 1800 Franken

übernehmen.

(Tagblatt, 29. März 2016)

«Der geschlagene Schüler»

1. Welche Bedeutung hat das Urteil für den Schüler?

2. Welche weiteren Konsequenzen hat die Lehrperson zu erwarten?

3. Verdient diese Person eine zweite Chance als Lehrer?

Kleidervorschriften

Grundsatz

Für die Kleidung sind die Schülerinnen und Schüler selbst und die Eltern

verantwortlich.

Kleidervorschriften verletzen unter Umständen die persönliche Freiheit

Kein Weisungsrecht an die Schüler über:

- Kleidung

- Schminke

- Haartracht

hygienische Gründe

Weisungen bez.

Sauberkeit:

- Waschen

- Zähneputzen

Kleidervorschriften

im Turnunterricht:

- T-Shirt +

Turnschuhe

Weisung,

Schulzimmer in

Finken zu betreten

Störung des

Unterrichts

Schmuck:

- rasselnde

Armspangen

Unterlassung von

zu starken

Parfümierens

Gewalt-

verherrlichende

oder rassistische

Kleidung

Schutz vor

Verletzungen

Schmuck im

Turnunterricht

spitze

Gegenstände als

Schmuck

Ausnahmen:

Erlaubte Weisungen in Bezug auf Kleidung / Schminke / Haartracht

durch Lehrperson

Auftrag:

Lesen Sie folgende Artikel und die Standesregeln als Nachbereitung für das Modul 2: Sie finden alle Artikel unter: www.schulrecht.ch/Publikationen/Fachbeiträge

Der Walliser Kruzifix-Fall

Streit um ein Tuch

Schwimmunterricht hat Vorrang gegenüber religiösen Pflichten

Ist die Ohrfeige der Eltern strafbar?

Eltern müssen auch mitmachen

Der lange Arm des Schulrechts

Standesregen des LCH http://www.lch.ch/publikationen/downloads/

Studieren Sie die Art. 92 bis 97bis Volksschulgesetz des Kantons St.Gallen

www.gallex.ch