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Technische Universit¨ at Dortmund Fakult¨ at f¨ ur Mathematik Lehrstuhl I: Analysis Seminar Sommersemester 13 Analysis Lehramt Gymnasium JP Dr. Tomas Dohnal Vortrag vom 03.06.2013 Residuensatz und Anwendungen gehalten von Philip Rudolf

Seminar Sommersemester 13 Analysis Lehramt Gymnasiumpi.mathematik.uni-halle.de/~dohnal/TEACH/Seminar_AnaIII_SS2013/Rudolf...Lehrstuhl I: Analysis Seminar Sommersemester 13 Analysis

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Technische Universitat DortmundFakultat fur Mathematik

Lehrstuhl I: Analysis

Seminar Sommersemester 13

Analysis

Lehramt Gymnasium

JP Dr. Tomas Dohnal

Vortrag vom 03.06.2013

Residuensatz und Anwendungen

gehalten von Philip Rudolf

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ZusammenfassungDas zentrale Thema dieser Ausarbeitung ist, wie der Name bereits sagt, der Re-siduensatz. Im ersten Kapitel wird zunachst das bisherige bekannte Mittel zurBestimmung von komplexen Wegintegralen, der Cauchy-Integralsatz, wiederholtund seine Grenzen aufgezeigt. Dies gilt der Motivation bezuglich des Residuensat-zes, da dieser uber die Grenzen des Cauchy-Integralsatzes hinaus eine geeigneteMethode zur Berechung von komplexen Wegintegralen liefert. Nachdem dann zuBeginn des zweiten Kapitels der Begriff des Residuums definiert wurde folgt an-schließend die Formulierung und der Beweis des Residuensatzes. Daruber hinaussollen in diesem zweiten Kapitel Eigenschaften der Residuen festgehalten und Me-thoden zur Bestimmung der Residuen gegeben werden. Obwohl der Resiudensatzein Resultat aus dem Komplexen ist, dient er unter gewissen Voraussetzungenauch der Berechnung von reellen, uneigentlichen Integralen. Wie dies funktionie-

ren kann, wird am Beispiel von Integralen der Form∞∫−∞

P (X)Q(X)

dx in Kapitel 3

erklart und bewiesen. Vor dem Literaturverzeichnis folgt dann im vierten Kapiteleine Zusammenfassung der Hilfssatze, welche in den vorangegangenen Kapitelnbenutzt wurden und der Beweis des Hilfssatzes 1.

Abstract

The central point of this preparation is, as the title on th top already says,the Residue Theorem. The already known decive to determine the value of acomplex path integral is the Cauchy Integral Theorem, which should be explainedin chapter one. Furthermore the limits of the Cauchy Integral Theorem will benamed in this first chapter to give a motivation for the Residue Theorem whichcan even solve complex path integrals on which the Cauchy Integral Theoremdoesn’t work. After defining the Residues of a complex function at the beginningof the second chapter follows the message and the proof of the Residue Theorem.Moreover there will be given some features of the Residues just as some methodsto determine the Residues. Although the Residue Theorem is a result of thecomplex numbers it can be used to determine real, improper integrals. How thiscamputation could work will be shown in chapter 3 on the example of integrals in

the form∞∫−∞

P (X)Q(X)

dx. There is also a summary of the theorems which were used

to proof the theorems in the chapters below just as the proof of the theorem onein chapter four in front of the list of references.

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Inhaltsverzeichnis

1 Vorbereitung und Motivation 1

2 Der Residuensatz 1

2.1 Definition: Residuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2.2 Bemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.3 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.4 Der Residuensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.5 Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2.6 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.7 Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.8 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

3 Integrale vom Typ∞∫−∞

P (X)Q(X)

dx 6

3.1 Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3.2 Bemerkung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3.3 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

4 Hilfssatze 10

5 Literaturliste 12

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1 Vorbereitung und Motivation

Nach dem Cauchy’schen Integralsatz ist bereits bekannt, dass der Wert eines jedenWegintegrals

∫K

f(z)dz immer gleich 0 ist, insofern die Kurve K geschlossen und

die Funktion f holomorph auf I(K) ist. Doch was ist zu tun, wenn die Funktionf nun fur ein z0 ∈ I(K) oder gar fur mehrere, endlich viele Stellen z1, ..., zn nichtholomorph ist? Besitzt die Funktion f solche Stellen und ist f aber auf U0

r (z0)= {z ∈ C|0 < |z−z0| < r} holomorph, so heißt z0 eine isolierte Singularitat von fund der Cauchy-Integralsatz ist nicht anwendbar, so dass wir weitere Hilfsmittelbenotigen, um das Wegintegral berechnen zu konnen.

Anschauung: Zu vergleichen ist dieses Problem mit folgender Situation: Stellenwir uns vor, wir haben einen Eimer, den wir befullen mochten. Hat dieser Eimerkeine Locher, sprich f hat keine isolierte Singularitaten, haben wir kein Problemund konnen den Cauchy-Integralsatz verwenden. Doch was passiert nun, wennf nun solche Stellen besitzt? Hier muss nun zwischen der Große der Locher,bzw. der Art der isolierten Singularitat unterschieden werden. Liegt eine hebbareSingularitat vor konnen wir die Holomorphie der Funktion f mit Hilfe geeigneterMittel wiederherstellen, das heißt das Loch in dem Eimer ist so klein, dass es nichtgeflickt werden muss. Haben wir es jedoch mit einem Pol p-ter Ordnung zu tun,sprich einem etwas großeren Loch, benotigen wir Hilfsmittel, um die Locher flickenzu konnen, also um das Wegintegral

∫K

f(z)dz trotz der isolierten Singularitaten

berechnen zu konnen. Diese Hilfsmittel sind, wie wir im Folgenden sehen werden,die so genannten Residuen.

2 Der Residuensatz

In diesem Kapitel werden wir zunachst die Residuen definieren und sie dannanhand des (−1)-ten Koeffizienten der entsprechenden Laurent-Reihe a−1 iden-tifizieren, bevor das Hauptresultat dieses Vortrags, der Residuensatz, erlautertund bewiesen werden soll. Im Anschluss hieran werden noch zwei Methoden vor-gestellt, welche die Berechnung von Residuen vereinfachen.

2.1 Definition: Residuum

Sei z0 ∈ C und r > 0. Sei weiter die Funktion f holomorph auf U0r (z0) :=

{z ∈ C|0 < |z − z0| ≤ r}. Dann heißt

Res(f, z0) = 12πi·∫

Kr(z0)

f(z)dz

das Residuum von f an der Stelle z0.Hierbei ist z0 eine isolierte Singularitat von f .

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2.2 Bemerkung

(i): Das Residuum Res(f, z0) ist unabhangig von r > 0, solange f auf U0r (z0)

holomorph ist, d.h. sei R > r, so gilt dennoch: 12πi·∫

KR(z0)

f(z)dz = 12πi·∫

Kr(z0)

f(z)dz

(ii): Nach der Definition der Laurent-Reihe entspricht Res(f, z0) dem Koeffizien-ten a−1:

ak = 12πi·∫K

f(ζ)

(ζ−z)(k+1)dζ also a−1 = 12πi·∫K

f(ζ)dζ = Res(f, z0) fur K = Kr(z0) und

ζ = z0

Somit lasst sich aus der entwickelten Laurent-Reihe sehr einfach das Residuumfur eine isolierte Singularitat z0 bestimmen:

2.3 Beispiel

(i): Sei f(z) = 11+z2

und z0 = i. Diese Funktion lasst sich in eine Laurent-Reiheentwickeln:

f(z) = − i2−∞∑k=0

(i

2)k+1 · (z − i)k−1

Hierbei ist der Hauptteil lediglich h(z) = a−1 · (z − z0)−1, weshalb z0 = i ein Polerster Ordnung ist. Des Weiteren ist der Koeffizient a−1 = − i

2= Res(f, i) nach

Bemerkung 2.2 (ii).

(ii): Sei f(z) = e1z und z0 = 0. Bei z0 = 0 liegt eine wesentliche Singularitat von

f vor, da

f(z) =∞∑k=0

1

k!

(1

z

)k= h(z)

nach der Reihendarstellung der Exponentialfunktion gilt ⇒ a−k = 1k!⇒ a−1 =

1 = Res(f, 0)

Somit lassen sich in vielen Fallen die Residuen direkt aus der entwickelten Laurent-Reihe entnehmen. Der nun folgende Residuensatz erklart, inwiefern uns dieseResiduen bei der Berechnung von Wegintegralen und sogar reellen Integralenweiterhelfen kann.

2.4 Der Residuensatz

Sei K eine geschlossene, positiv orientierte, rektifizierbare Jordan-Kurve und seif eine auf I(K) holomorphe Funktion mit Ausnahme der isolierten Singularitatenz1, ..., zn welche in I(K) liegen. Unter diesen Voraussetzungen gilt:∫

K

f(z)dz = 2πin∑k=1

Res(f, zk)

Beweis: Fur alle Kreislinien KRk(zk) gilt, dass sie geschlossen, positiv orien-

tiert, rektifizierbare Jordan-Kurven sind. Nach Voraussetzung ist K ebenfalls

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solch eine Jordan-Kurve und da z1, ..., zn in I(K) liegen lasst sich auch immerein Radius Rk finden, so dass KRk

(zk) ⊂ I(K) fur alle 1 ≤ k ≤ n. Da diez1, ..., zn isolierte Singularitaten sind, lassen sich außerdem Radien finden, so dassURj

(zj) ∩ URi(zi) = ∅ fur alle i, j ∈ {1, ...n} falls i 6= j. Des Weiteren ist f holo-

morph auf I(K) bis auf die Stellen z1, ..., zn, weshalb f auch auf dem RinggebietI(K)− I(KR1(z1))− ...− I(KRn(zn)) = I(K)−UR1(z1)− ...−URn(zn) holomorphist.

Somit sind alle Bedingungen des Hilfssatzes 1 erfullt und es gilt:∫K

f(z)dz =n∑k=1

∫KRk

(zk)

f(z)dz

Mit Hilfe der Definition der Residuen aus 2.1 folgt nun leicht:∫K

f(z)dz =n∑k=1

∫KRk

(zk)

f(z)dz =n∑k=1

2πiRes(f, zk)

Resultat: Zur Berechnung eines Wegintegrals∫K

f(z)dz uber einer Kurve K mit

den obigen Eigenschaften und einer auf I(K) holomorphen Funktion f mit end-lich vielen Singularitaten in I(K) mussen wir ”lediglich”die Residuen an diesenStellen bestimmen. Die Bestimmung dieser Residuen muss nicht immer uber denKoeffizient a−1 der entsprechenden Laurent-Reihe erfolgen, sondern kann untergegebenen Bedingungen auch anders ermittelt werden. Zwei solcher Moglichkeitensollen im folgenden vorgestellt werden:

2.5 Satz

Seien f und g holomorph auf einer Umgebung von z0 ∈ C und sei f(z0) 6= 0,g(z0) = 0 und g′(z0) 6= 0. Dann gilt:

Res

(f

g, z0

)= limz→z0

(f(z)

g′(z)

)=f(z0)

g′(z0)

Beweis: Laut Hilfssatz 2 hat eine Funktion f in z0 ∈ C einen Pol p-ter Ordnunggenau dann, wenn 1

fin z0 eine Nullstelle p-ter Ordnung hat. Da nun g

fin z0

eine Nullstelle erster Ordnung hat, hat nach Hilfssatz 2 fg

in z0 einen Pol ersterOrdnung, d.h. die Laurent-Reihe mit Entwicklungsmitte z0 hat folgende Gestalt:

f(z)

g(z)= h(z) +

∞∑k=0

ak(z − z0)k = a−11

(z − z0)+∞∑k=0

ak(z − z0)k

⇔ a−1 =f(z)

g(z)· (z − z0)−

∞∑k=0

ak(z − z0)k+1

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Und fur z → z0 folgt somit mit der Bem. 2.2(ii):

a−1 = Res(f, z0) = limz→z0(z − z0)f(z)

g(z)

Da g(z0) = 0 ist, gilt nach der Definition der Ableitung uber den Differenzenquo-tienten und der Stetigkeit von f weiter:

limz→z0(z − z0)f(z)

g(z)= limz→z0(z − z0)

f(z)

g(z)− g(z0)= limz→z0

f(z)g(z)−g(z0)z−z0

=f(z0)

g′(z0)

Und somit gilt insgesamt:

Res

(f

g, z0

)=f(z0)

g′(z0)

2.6 Beispiel

Sei f(z) = ez und g(z) = sin(z). Sowohl f als auch g sind holomorph auf einerUmgebung von z0 = 0. Außerdem hat g(z) = sin(z) an z0 = 0 eine Nullstelle der

Ordnung 1, weshalb nach Hilfssatz 2 die Funktion f(z)g(z)

= ez

sin(z)in z0 einen Pol der

Ordnung 1 hat. Weiter ist f(0) = 1 6= 0, g(0) = 0 und g′(0) = cos(0) = 1 6= 0,weshalb nun mit Satz 2.5 und der Stetigkeit von ez und sin(z) folgt:

Res

(ez

sin(z), 0

)=f(0)

g′(0)=

1

1= 1

Somit lassen sich uber diese Methode die Residuen Res(fg, zk) unter den gegeben

Voraussetzungen leicht berechnen. Ist nun f eine allgemeine Funktion und z0 einPol der Ordnung p von f , so lasst sich das Residuum Res(f, z0) mit Hilfe desfolgenden Satzes dennoch ermitteln:

2.7 Satz

Habe die Funktion f an z0 einen Pol der Ordnung p. Dann gilt:

Res(f, z0) = limz→z0

(((z − z0)p · f(z))(p−1)

(p− 1)!

)Hierbei bedeutet das (p − 1) im Zahler des Bruchs, dass der Zahler (p − 1)-maldifferenziert wird.

Beweis:Laut dem Vortrag uber die Laurent-Reihen lasst sich die Funktion f aufeinem Gebiet um z0 in eine Laurent-Reihe entwickeln:

f(z) =

p∑k=1

a−k(z−z0)−k+∞∑k=0

ak(z−z0)k = a−11

(z − z0)+...+a−p

1

(z − z0)p+∞∑k=0

ak(z−z0)k

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Definiere nun g(z) := (z − z0)pf(z)

⇔ g(z)

(z − z0)p= a−1

1

(z − z0)+ ...+ a−p

1

(z − z0)p+∞∑k=0

ak(z − z0)k

⇔ g(z) = a−1(z − z0)p−1 + a−2(z − z0)p−2 + ...+ a−p +∞∑k=0

ak(z − z0)k+p

Differenziert man nun beide Seiten (p − 1)-mal nach z, so ergibt sich folgendeGleichung:

g(p−1)(z) = (p− 1)! · a−1 +∞∑k=0

(k + p)(k + p− 1) · ... · (k + 2)ak(z − z0)k+1

Setzt man nun z = z0 so folgt Bemerkung 2.2(ii):

g(p−1)(z0) = (p− 1)! · a−1 = (p− 1)!Res(f, z0)⇔ g(p−1)(z0)

(p− 1)!= Res(f, z0)

Und mit der ursprunglichen Definition g(z) = (z−z0)pf(z) folgt die zu beweisendeAussage:

limz→z0

(((z − z0)pf(z))(p−1)

(p− 1)!

)= Res(f, z0)

2.8 Beispiel

Berechne die Residuen der Funktion f = z4+1(z+1)3

. f hat bei z0 = −1 einen Pol

der Ordnung 3. Setzen wir dann g(z) := f(z)(z + 1)3 = z4 + 1 so lasst sich dasResiduum Res(f,−1) nach Satz 2.7 wie folgt berechnen:

Res(f,−1) =g(3−1)(−1)

(3− 1)!=

12 · (−1)2

2!= 6

Somit haben wir nun geeignete Methoden gefunden, um die Residuen bestimm-ter Funktionen zu finden, mit deren Hilfe wir Wegintegrale uber diese Funktionenberechnen konnen, selbst dann, wenn die Funktion f eine bzw. endlich viele Sin-gularitaten im Innern der Kurve besitzt. Wir haben hierbei bislang immer vonkomplexen Funktionen gesprochen. Fasst man jedoch die reelle Achse als Teil derkomplexen Ebene auf, so lassen sich mit Hilfe des Residuensatzes uneigentlicheIntegrale im reellen berechnen. Dies kann besonders dann nutzlich sein, wenndie Stammfunktion des Integranden nicht leicht zu bestimmen ist, der Integrandjedoch in C isolierte Singularitaten besitzt. Wie genau uns die Residuen heirbeihelfen konnen, werden wir im folgenden Kapitel sehen.

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3 Integrale vom Typ∞∫−∞

P (X)Q(X) dx

Sei im Folgenden der Integrand f(x) eine rationale Funktion P (X)Q(X)

:

3.1 Satz

Sei f(x) = P (x)Q(x)

eine rationale Funktion, welche keine reellen Nullstellen besitzt

(d.h. Q(z) 6= 0 ∀z ∈ C mit Im(z) = 0). Sei außerdem der Grad von Q ummindestens 2 großer dem Grad von P (d.h. Grad(Q) = q ≥ p+2 = Grad(P )+2)und seien z0, ..., zm die Nullstellen von Q in der oberen Halbebene (d.h. ∀zj gilt:zj = aj + bj · i mit bj > 0 fur alle 1 ≤ j ≤ m). Dann gilt:

∞∫−∞

P (x)

Q(x)dx = 2πi

m∑k=1

Res

(P

Q, zk

)

Beweis: Den nun folgenden Beweis fuhren wir in mehreren Schritten durch:

1.Schritt: Zeige die Existenz des Integrals

∞∫−∞

P (x)

Q(x)dx

2.Schritt: Zeige die Behauptung durch die Konstruktion eine geeigneten Kurve

1.Schritt: Sei P (z) =∑p

k=0 akzk mit ap 6= 0 sowie Q(z) =

∑qk=0 bkz

k mit bq 6= 0.Laut Hilfssatz 3 gibt es ein R0 ≥ 1, so dass ∀z ∈ C mit |z| ≥ R0 gilt:

|∑p

k=0 akzk|

|ap||z|p≤ 3

2⇔ |

p∑k=0

akzk| ≤ 3

2· |ap||z|p

und|∑q

k=0 bkzk|

|bq||z|q≤ 1

2⇔ |

q∑k=0

bkzk| ≤ 1

2· |bq||z|q

Hierbei konnte anstatt 32

und 12

auch (1 + ε) bzw. (1− ε) genommen werden.

Somit gilt: ∣∣∣∣P (z)

Q(z)

∣∣∣∣ ≤ 32· |ap||z|p

12· |bq||z|q

Da der Grad von Q um mindestens 2 großer ist, als der von P folgt weiter:

32· |ap||z|p

12· |bq||z|q

≤32· |ap|

12· |bq||z|2

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Fur eine geeignete Konstante M ∈ R+ gilt dann insgesamt:∣∣∣∣P (z)

Q(z)

∣∣∣∣ ≤ 32· |ap|

12· |bq||z|2

≤ M

|z|2

Die Aussage bleibt insbesondere fur alle x ∈ R+ gultig, insofern |x| ≥ R0 gilt.

Somit lasst sich nun die Existenz des obigen Integrals zeigen:∣∣∣∣∞∫

−∞

P (x)

Q(x)dx

∣∣∣∣ ≤∞∫

−∞

∣∣∣∣P (x)

Q(x)

∣∣∣∣dx =

−R0∫−∞

∣∣∣∣P (x)

Q(x)

∣∣∣∣dx+

R0∫−R0

∣∣∣∣P (x)

Q(x)

∣∣∣∣dx+

∞∫R0

∣∣∣∣P (x)

Q(x)

∣∣∣∣dx

≤−R0∫−∞

M

x2dx+

R0∫−R0

∣∣∣∣P (x)

Q(x)

∣∣∣∣dx+

∞∫R0

M

x2dx <∞

da das erste und dritte Integral fur jede Konstante M ∈ R+ existieren und wegender Stetigkeit von rationalen Funktionen P (x)

Q(x)und der Kompaktheit des Intervalls

[−R0, R0] existiert auch das zweite. Somit ist die Existenz von∞∫−∞

P (x)Q(x)

dx gezeigt.

2.Schritt: (i) Wir mochten nun im folgenden eine Kurve CR konstruieren, mit

dessen Hilfe wir den Residuensatz auf f(z) = P (z)Q(z)

anwenden konnen.

Sei nun R > R0 so groß gewahlt, dass im Kreis UR(0) alle Nullstellen z1, ..., zmvon Q(z) enthalten sind. Weiter sei CR die positiv orientierte Kurve, die aus demHalbkreisbogen C1

R = {z ∈ C||z| = R , Im(z) > 0} und der Strecke −R,R aufder reellen Achse besteht (siehe Abb. 1 und 2). Da CR eine geschlossene, positiv

orientierte, rektifizierbare Jordan-Kurve ist und f(z) = P (z)Q(z)

bis auf endlicheviele isolierte Singularitaten im Inneren von CR holomorph ist folgt nun mit demResiduensatz 2.4: ∫

CR

P (z)

Q(z)dz = 2πi

m∑k=1

Res

(P

Q, zk

)

Abbildung 1: Konstruktion der geeigneten Kurve

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Abbildung 2: Konstruktion der geeigneten Kurve

(ii) Nun mochten wir das Integral∫CR

P (z)Q(z)

dz bestimmen und unser Problem wieder

auf den reellen Fall zuruckfuhren : Wegen∣∣∣P (z)Q(z)

∣∣∣ ≤ M|z|2 und |z| = R ∀z ∈ C1

R und

folgt:∣∣∣P (z)Q(z)

∣∣∣ ≤ MR2 . Daher gilt:∫

C1R

∣∣∣∣P (z)

Q(z)

∣∣∣∣dz ≤ ∫C1

R

M

R2dz

Wegen∫C1

R

1dz = Rπ folgt:

∫C1

R

∣∣∣∣P (z)

Q(z)

∣∣∣∣dz ≤ ∫C1

R

M

R2dz =

R−→ 0

fur R→∞

Damit gilt: ∫C1

R

∣∣∣∣P (z)

Q(z)

∣∣∣∣dz = 0

fur R→∞. Dies definieren wir uns als Zwischenresultat 1.

Weiter ist

R∫−R

P (x)

Q(x)dx =

∫−R,R

P (z)

Q(z)dz =

∫CR

P (z)

Q(z)dz −

∫C1

R

P (z)

Q(z)dz

= 2πim∑k=1

Res

(P

Q, zk

)−∫C1

R

P (z)

Q(z)dz

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Da nach Schritt 1 das Integral∞∫−∞

P (x)Q(x)

dx existiert, ist obige Gleichung aquivalent

zu:

limR→∞

R∫−R

P (x)

Q(x)dx = lim

R→∞

(2πi

m∑k=1

Res

(P

Q, zk

)−∫C1

R

P (z)

Q(z)dz

)

⇔∞∫

−∞

P (x)

Q(x)dx =

m∑k=1

Res

(P

Q, zk

)da nach Zwischenresultat 1 das Integral uber C1

R gleich 0 wird und somit habenwir unsere Behauptung bewiesen. �

3.2 Bemerkung:

Wegen Q(x) 6= 0 ∀x ∈ R muss Grad(Q) = q gerade sein.

3.3 Beispiel

Berechne∞∫−∞

11+x4

dx. Von dieser Funktion h(x) = 11+x4

eine Stammfunktion zu

finden ist nicht trivial. An dieser Stelle kann uns der vorherige Satz weiterhelfen:h(x) = 1

1+x4=: P (x)

Q(x)hat offensichtlich keine Nullstellen in R. Suche daher die

isolierten Singularitaten von Q(z) in der oberen Halbebene.

Q(z) = 1 + z4 = (z + i√i) · (z − i

√i) · (z +

√i) · (z −

√i)

⇒ h(x) hat in der oberen Halbebene zwei isolierte Singularitaten: z1 = i√i und

z2 =√i

Bestimme nun Res(h, z1) sowie Res(h, z2) mit Hilfe von Satz 2.5:Da sowohl P (z1) = 1 6= 0, Q(z1) = 1 + (i

√i)4 = 0, als auch Q′(z1) = 4(z1)3 =

4(1+i)√26= 0 gilt, kann Satz 2.5 angewendet werden:

Res(h, z1) =P (z1)

Q′(z1)=

1

4(i√i)3

=

√2

4(1 + i)

Analog pruft man die Bedingungen fur z2 und erhalt wieder mit Satz 2.5:

Res(h, z2) =P (z2)

Q′(z2)=

1

4(√i)3

=

√2

4i(1 + i)

Nachdem nun die Residuen berechnet wurden, kann mit Hilfe des Satzes 3.1 dasuneigentliche, reelle Integral uber h berechnet werden:

∞∫−∞

1

1 + x4dx = 2πi

(Res(h, z1) +Res(h, z2

)= 2πi

( √2

4(1 + i)+

√2

4i(1 + i)

)

=2πi√

2

4· 1

1 + i· (1 + i) =

π√2

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4 Hilfssatze

Hilfssatz 1: Seien K,K1, ..., Kn geschlossene, positiv orientierte, rektifizierbareJordan-Kurven, die ganz in einem Gebiet G verlaufen. Gelte außerdem, dassKk ⊂ I(K) fur alle 1 ≤ k ≤ n sowie I(Ki) ∩ I(Kj) = ∅ fur alle i, j ∈ {1, ...n}falls i 6= j. Ist f nun holomorph auf dem Ringgebiet I(K)− I(K1)− ...− I(Kn),welches ganz im Gebiet G enthalten ist, so gilt:∫

K

f(z)dz =n∑k=1

∫Kk

f(z)dz

Abbildung 3: Fall: n = 3

Beweis: Wir beweisen die Aussage zunachst fur n = 2 also fur zwei Kurven K1, K2

mit Kk ⊂ I(K) fur k = 1, 2 welche die Voraussetzungen des Hilfssatzes erfullen.Anschließend konnen wir dann die Aussage fur ein n ∈ N annehmen und mitHilfe der Vorarbeit zeigen, dass die Aussage auch fur n + 1 Kurven wahr bleibt,womit wir die Behauptung induktiv bewiesen hatten.

(i) Seien K,K1 und K2 geschlossene, positiv orientierte, rektifizierbare Jordan-Kurven, die ganz in einem Gebiet G verlaufen, mit Kk ⊂ I(K) fur k = 1, 2 (sieheAbb. 4). Sei weiter f holomorph auf dem Ringgebiet I(K) − I(K1) − I(K2). Solasst sich nun eine Gerade g durch I(K1) und (I(K2)) ziehen, so dass sich folgendeKurven konstruieren lassen:

Γ−=K− ∪Ka ∪ (−K−2 ) ∪Kb ∪ (−K−1 ) ∪Kc sowieΓ+=K+ ∪ (−Ka) ∪ (−K+

2 ) ∪ (−Kb) ∪ (−K+1 ) ∪ (−Kc)

Hierbei stellt Ka die rechte Teilstrecke zwischen K2 und K dar, Kb die mittlereTeilstrecke der Geraden g zwischen K1 und K2 und Kc beschreibt die linke Teil-strecke zwischen K und K1, wobei diese jeweils von rechts nach links durchlaufenwerden. Die Kurven K−i stellen hierbei die Teile der Kurven Ki dar, welche unter-halb der Geraden in positiver Richtung verlaufen und analog werden die oberenTeile der Kurven Ki mit K+

i bezeichnet.

Naturlich ist es auch moglich, dass die Kurven nicht nebeneinander, sondern eherubereinander innerhalb von K liegen. Dies stellt jedoch kein Problem dar, daman durch Rotation der Geraden erneut Kurven Γ1 und Γ2 konstruieren konnte,auf welche man den Cauchy-Integralsatz anwenden kann.

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Abbildung 4: Fall: n = 2

Da nach dieser Konstruktion die beiden Kurven Γ− und Γ+ positiv orientiert undgeschlossen und f sowohl auf I(Γ−) als auch auf I(Γ+) holomorph ist, folgt ausdem Cauchy-Integralsatz:

0 =

∫Γ−

f(z)dz +

∫Γ+

f(z)dz

=

∫K−

f(z)dz +

∫Ka

f(z)dz −∫K−

2

f(z)dz +

∫Kb

f(z)dz −∫K−

1

f(z)dz +

∫Kc

f(z)dz

+

∫K+

f(z)dz −∫Ka

f(z)dz −∫K+

2

f(z)dz −∫Kb

f(z)dz −∫K+

1

f(z)dz −∫Kc

f(z)dz

=

∫K

f(z)dz −∫K1

f(z)dz −∫K2

f(z)dz

⇐⇒∫K

f(z)dz =

∫K1

f(z)dz +

∫K2

f(z)dz

Somit haben wir die Aussage fur n = 2 bewiesen.

(ii): Seien nun K,K1, ..., Kn, Kn+1 Kurven mit den gegebenen Voraussetzungenund sei die Funktion f auf dem Ringgebiet I(K) − I(K1) − ...I(Kn) − I(Kn+1)holomorph.

Definiere nun K∗ als eine positiv orientierte, geschlossene Kurve, mit Kk ⊂ I(K∗)fur alle 1 ≤ k ≤ n und I(K∗)∩−I(Kn+1) = ∅. Es gilt, dass f auf I(K)−I(K∗)−I(Kk+1) holomorph ist und nach (i) lasst sich somit zeigen:∫

K

f(z)dz =

∫K∗

f(z)dz +

∫Kk+1

f(z)dz

⇔∫K

f(z)dz =

∫K1

f(z)dz + ...+

∫Kn

f(z)dz +

∫Kn+1

f(z)dz

womit wir letztlich die Behauptung induktiv bewiesen haben. �

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Abbildung 5: Fall: n→ n+ 1

Hilfssatz 2: Die Funktion f hat in z0 ∈ C einen Pol der Ordnung p ⇔ 1f

hat inz0 eine Nullstelle der Ordnung p

Hilfssatz 3: Sei n ∈ N und P (z) =∑n

k=1 akzk ein Polynom vom Grad n, d.h.

an 6= 0. Dann gilt:

lim|z|→∞P (z)

anzn= 1

In Worten: Fur große z ∈ C verhalt sich das gesamte Polynom P (z) wie dergroßte Summand anz

n.

5 Literaturliste

Endl, K. & Luh, W. (1987). Analysis III: Eine integrierte Darstellung (6. uberarbeiteteAuflage). AULA-Verlag GmbH: Wiesbaden.

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