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Editorial: Schweizer Käse. Dr. Matthias Schwaibold 533 Facebook-Partys: Haftung des Einladenden Benedikt Klas und Carina Bauer 537 Digitaler Pressevertrieb über mobile Endgeräte Dr. Bahne Sievers 543 Verhaltensorientierte Nutzeransprache - Tod durch Datenschutz oder Moderation durch das Recht? Prof Dr. Karl-Nikolaus Peifer 548 Datenschutz in der Cloud - Ist hierbei immer eine Auftragsdatenverarbeitung anzunehmen? Dr. Thomas Engels 551 Aktuelle Entwicklungenim Fernabsatzrecht 2010/2011 Dr. Felix Buchmann 558 Die gerichtliche Prüfungsdichte bei behördlichen Marktregulierungs-Entscheidungen nach dem TKG Dr. Christoph Werkmeister 563 Länderreport Schweiz. Dr. Ursula Widmer 567 EuGH: Verantwortlichkeit des Betreibers eines Online-Marktplatzes für Markenrechtsverletzungen - "L'Oreal" mit Kommentar von Dr. Magnus Hirsch 575 BGH: Kein Schadensersatz bei Abbruch einer Online-Auktion wegen Diebstahls der Ware mit Kommentar von Caroline Schmidt 587 BGH: Anforderungen an Einwilligungsnachweis bei Telefon- und E-Mail-Werbung - "Double-opt-in-Verfahren" mit Kommentar von Dr. Stefan Engels und Dr. Beatrice Brunn 14. Jahrgang September 2011 Seiten 533- 608 VerlagRechtundWirtschaft. Frankfurt amMain

September 2011...Eleftheri tileorasi ist eine Gesellschaft, die einen privaten, unter dem Namen "AL TER CHANNEL" bekannten Fernsehsender besitzt und betreibt. Herr G. ist Präsident

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Page 1: September 2011...Eleftheri tileorasi ist eine Gesellschaft, die einen privaten, unter dem Namen "AL TER CHANNEL" bekannten Fernsehsender besitzt und betreibt. Herr G. ist Präsident

Editorial: Schweizer Käse. Dr. Matthias Schwaibold

533 Facebook-Partys: Haftung des EinladendenBenedikt Klas und Carina Bauer

537 Digitaler Pressevertrieb über mobile EndgeräteDr. Bahne Sievers

543 Verhaltensorientierte Nutzeransprache - Tod durch Datenschutzoder Moderation durch das Recht?Prof Dr. Karl-Nikolaus Peifer

548 Datenschutz in der Cloud - Ist hierbei immer eineAuftragsdatenverarbeitung anzunehmen?Dr. Thomas Engels

551 Aktuelle Entwicklungenim Fernabsatzrecht2010/2011Dr. Felix Buchmann

558 Die gerichtliche Prüfungsdichte bei behördlichenMarktregulierungs-Entscheidungen nach dem TKGDr. Christoph Werkmeister

563 Länderreport Schweiz. Dr. Ursula Widmer

567 EuGH: Verantwortlichkeit des Betreibers eines Online-Marktplatzesfür Markenrechtsverletzungen - "L'Oreal"mit Kommentar von Dr. Magnus Hirsch

575 BGH: Kein Schadensersatz bei Abbruch einer Online-Auktionwegen Diebstahls der Waremit Kommentar von Caroline Schmidt

587 BGH: Anforderungen an Einwilligungsnachweisbei Telefon- und E-Mail-Werbung - "Double-opt-in-Verfahren"mit Kommentar von Dr. Stefan Engels und Dr. Beatrice Brunn

14. Jahrgang September2011 Seiten533- 608

VerlagRechtundWirtschaft. Frankfurt amMain

Page 2: September 2011...Eleftheri tileorasi ist eine Gesellschaft, die einen privaten, unter dem Namen "AL TER CHANNEL" bekannten Fernsehsender besitzt und betreibt. Herr G. ist Präsident

K&R 9/2011

nderreportSchweizMinDr. Ursula Widmer, Bem*

I. Offene Divergenzen um die WeitergabevonPatientendaten

I

Zurzeit findet.in der Schweiz eine Kontroverse über dieWeitergabe vonPatientendaten durch die Spitäler an dieKrankenversicherer zwecks Prüfung der Korrektheit derRechnungsstellung und Wirtschaftlichkeit der erbrachtenLeistungen statt. Dies wird schon seit längerer Zeit dis-kutiert, hat jedoch im Zusammenhang mit der ab 2012vorgesehenen Leistungsabrechnung für Spitäler auf Basisvon SwissDRG (Diagnosis Related Groups) an Aktualitätgewonnen. Zur Einführung der neuen Abrechnungsmetho-de haben die Vereinigung der Schweizer Spitäler, H+, so-wie der Verband der Krankenversicherer, santesuisse, ei-nen Tarifvertrag abgeschlossen. Dieser sieht vor, dass dieSpitäler zusammen mit ihren Rechnungen jeweils auchumfassende Informationen zu den durchgeführten Be-handlungen und den Diagnosen an die Krankenversichererweiterleiten. Der Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit nochder Genehmigung durch den Bundesrat (Regierung), derden Vertrag insbesondere auch auf seine Rechtmäßigkeitzu überprüfen hat.

Kurz nach Unterzeichnung des Vertrags haben einige Spi-täler und Spitalgruppen, die Schweizerische Ärztegesell-schaft FMH sowie die schweizerische Stiftung fUrPatien-tenschutz diesen massiv kritisiert. Die Vereinigung derschweizerischen Datenschutzbeauftragten, privatim, hatbereits im Vorfeld darauf hingewiesen, dass eine systema-tische Weitergabe umfassender Behandlungs- und Diag-nosedaten an die Krankenversicherer den im Bereich desDatenschutzes zentralen Grundsatz der Verhältnismäßig-keit verletzt und auch keine Grundlage im geltenden Rechthat. Die maßgeblichen Bestimmungen des Krankenver-sicherungsgesetzes sehen vor, dass den Krankenversiche-rem diejenigen Angaben zu machen sind, welche fUr dieÜberprüfung der Rechnungsstellung und der Wirtschaft-lichkeit der Leistungen notwendig sind. Darüber hinaussind den Versicherern auf Verlangen eine genaue Diagno-se und weitere medizinische Auskünfte zu liefern. Die imTarifvertrag vorgesehene systematische und vorausset-zungslose Bekanntgabe der Behandlungs- und Diagnose-daten mit jeder Rechnung stellt damit nach Auffassung derKritiker eine mit den gesetzlichen Grundlagen unverein-bare unzulässige Datenerhebung auf Vorrat dar.

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeits-beauftragte (EDÖB) hat seinerseits Grundsätze veröffent-licht, 1 die für die Datenweitergabe durch die Spitäler andie Krankenversicherer zur Wahrung des Verhältnis-mäßigkeitsgrundsatzes zu beachten sind. Dies betrifft un-ter anderem folgende Punkte:. Vorgängige Information der Patienten,. Definition eines Datensatzes (Minimal Clinical Dataset)

der fUrdie Rechnungsprüfung und Wirtschaftlichkeits-kontrolle notwendigen Daten,. Sicherstellung des Rechts der Patienten, dass ihre me-dizinischen Daten auf Verlangen oder, bei besondersstigmatisierenden Diagnosen, immer nur an den ver-trauensärztlichen Dienst des Versicherers weitergelei-tet werden.

Widmer, Länderreport Schweiz 563

Es wird interessant sein zu verfolgen, ob der Vertrag auf-grund der Kritik überhaupt dem Bundesrat zur Genehmi-gung vorgelegt werden wird und, falls ja, wie dieser ent-scheiden wird.

11. Neue wettbewerbsrechtliche Vorgabenfür den E-Commerce

Im Sommer hat das Parlament eine Revision des Bundes-gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)l defi-nitiv verabschiedet, die auch fUr den E-Commerce rele-vante Vorschriften enthält. Unternehmen, die Waren oderDienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr an-bieten, sind nun ausdrücklich verpflichtet,. klare und vollständige Angaben zu ihrer Identifikation

zu machen und eine Kontaktadresse, einschließlich derE-Mail-Adresse, anzugeben,

. auf die einzelnen technischen Schritte hinzuweisen, diezu einem Vertragsabschluss fUhren,

. angemessene technische Mittel zur VerfUgung zu stel-len, mit denen Eingabefehler vor Versand der Bestel-lung vom Kunden erkannt und korrigiert werden kön-nen und. die Bestellungen der Kunden unverzüglich auf elektro-nischem Weg zu bestätigen.

Diese neuen Regeln gelten jedoch nicht, falls Geschäfteüber den Austausch von E-Mails oder ähnliche individuel-le Kommunikationsformen oder via Sprachtelefonie abge-schlossen werden. Sie sind somit speziell auf Online-An-gebote zugeschnitten.

Die Verletzung der genannten Vorschriften kann straf-rechtlich verfolgt und mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahrenoder mit Geldstrafe sanktioniert werden. In diesem Zusam-menhang ist insbesondere auch relevant, dass mit derUWG-Revision neu die Grundlage geschaffen wurde, da-mit die zum Vollzug kompetenten schweizerischen Behör-den grenzüberschreitend mit den zuständigen auslän-dischen Behörden sowie internationalen Organisationenzusammenarbeiten können.

Seriöse E-Commerce-Anbieter dürften in der Regel dieneuen gesetzlichen Vorgaben bereits erfüllen. Trotzdemempfiehlt es sich, dass sie die Gestaltung ihrer Websitedaraufhin überprüfen, ob diese auch tatsächlich in allenPunkten den neuen gesetzlichen Anforderungen ent-spricht.

Eine weitere wesentliche Neuerung, die auch fUr denE-Commerce von Bedeutung ist, betrifft die missbräuchli-che Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen(AGB). Bisher war es erforderlich, damit AGB als unlautergalten, dass diese "in irrefUhrender Weise" zum Nachteileiner Vertragspartei von der unmittelbar oder sinngemäßanwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich abwichenoder eine der Vertragsnatur erheblich widersprechendeVerteilung von Rechten und Pflichten vorsahen. DerNachweis, dass eine IrrefUhrung vorlag, war in der Praxis

* Mehr über die Autorin erfahren Sie auf S. XII.

I http://www.edoeb.admin.chlthemen/OO574/01721/index.html? lang=de.2 http://www.admin.chlchld/ff/2011/4925.pdf.

Page 3: September 2011...Eleftheri tileorasi ist eine Gesellschaft, die einen privaten, unter dem Namen "AL TER CHANNEL" bekannten Fernsehsender besitzt und betreibt. Herr G. ist Präsident

564 EuGH: ALTER CHANNEL 912011 K&R

u.kaum zu erbringen, so dass die Bestimmung weitgehendein toter Buchstabe blieb. Mit dem revidierten UWG istdieses Irreführungselement nun weggefallen. Es muss da-her damit gerechnet werden, dass es in der Schweiz ver-mehrt zu Verfahren betreffend die inhaltliche Überprüfungvon AGB kommen wird und diese auch Chancen auf Er-folg haben werden.Wann die revidierten Bestimmungen in Kraft treten wer-den, ist noch nicht festgelegt. Der Entscheid hierfUr liegt inder Kompetenz des Bundesrats.

IH. Schaffung von Rechtsgrundlagenzur Überwachung des Internetverkehrs

Der Bundesrat hat eine Anhörung zur Revision der Ver-ordnung über die Überwachung des Post- und Fernmelde-verkehrs (VÜPF) durchgefUhrt. Hauptsächliches Ziel derRevision ist die Schaffung der erforderlichen gesetzlichenGrundlagen fUr die Überwachung des Internets. Danebenbetrifft die Revision auch einige Präzisierungen in Bezugauf die Überwachung des Telefonverkehrs, z. B. betref-fend Voice over IP (VoIP), Antennensuchläufe sowieKopfschaltungen zur Überwachung ausländischer Num-mern.Wie berichtet3 ist zurzeit eine umfassende Revision desBundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post-und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) pendent, auf derenGrundlage dann auch die VÜPF überarbeitet werden wird.Da die Revision des Gesetzes jedoch noch einige Zeit inAnspruch nehmen wird, ist die vorgezogene Revision derVÜPF notwendig geworden.Auf Basis der aktuellen Fassung der YÜPF ist die Über-wachung des Internetverkehrs nur eingeschränkt möglich,indem die Verordnung eine beschränkte Anzahl von Uber-wachungstypen vorsieht. Ausschließlich fUr den E-Mail-Verkehr ist sowohl die Echtzeitüberwachung von Inhalts-und Randdaten als auch die rückwirkende UberwachungfUrRanddaten vorgesehen. Sonst ist lediglich die rückwir-kende Überwachung der Randdaten bezüglich des Zu-gangs über öffentliche Kommunikationsnetze sowie derZuteilung von dynamischen IP-Adressen durch die Pro-vider geregelt.Zwar wurde versucht, durch Richtlinien der fUr die Ab-wicklung der Überwachungsmaßnahmen zuständigenBundesstelle, des Dienstes Überwachung Post- und Fern-meldeverkehr ÜPF, die rechtliche Grundlage fUrdie in derVÜPF fehlenden Überwachungstypen im Internet zuschaffen.4 In zwei Entscheiden vom Juni dieses Jahreshat allerdings das BVerwG festgehalten, 5 dass der DienstÜPF zwar über die Kompetenz verfUgt, um in der VÜPFausdrücklich vorgesehene Überwachungstypen mit Richt-.linien in technischer und organisatorischer Hinsicht näherzu regeln, nicht jedoch um neue, in der VÜPF nicht vor-gesehene Überwachungstypen einzufUhren. Eine Erweite-rung der Möglichkeiten zur Überwachung ist daher nachAuffassung des Gerichts nur durch die Ergänzung der inder VÜPF vorgesehenen Überwachungstypen möglich,was der Bundesrat nun mit der Revision der Verordnungerreichen will.

3 Widmer, K&R 2010,566.4 Vgl. Widmer, K&R 2009,631.5 BVerwG, Urteile vom 21. und 23.6.2011, Az. A-8284/201O und

A-8267/2010.

:htsprechungichwerbung auch ohne~1t1icheGegenleistung -

ER CHANNEL"

Urteil vom 9. 6. 2011 - C-52/1O

[Symvouliö tisEpikrateias (Griechenland), 23. 12.2009]

dRL 89/552/EWGI

Art.l Buchst. d derRL 89/552/EWG des Rates vom3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- undVerwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über dieAusübung der Fernsehtätigkeit in der durch die RL 97136/EG des Europäischen Parlaments und des Ratesvom 30.6. 1997 geänderten Fassung ist dahin auszule-gen, dass die Existenz eines Entgelts oder einer ähn-lichen Gegenleistung keine notwendige Voraussetzungfür die Feststellung ist, dass eine beabsichtigte Schleich-werbung vorliegt. (Tenor des Gerichts)

Sachverhalt

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegungvon Art. 1 Buchst. d derRL 89/552/EWG des Rates vom3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- undVerwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über dieAusübung der Fernsehtätigkeit (ABI. L 298, S.23) in derdurch die RL 97/36/EG des Europäischen Parlamentsund des Rates vom 30.6. 1997 (ABI. L 202, S.60) geän-derten Fassung (im Folgenden: RL 89/552). Dieses Ersu-chen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen derEleftheri tileorasi AE "ALTER CHANNEL" (im Folgen-den: Eleftheri tileorasi) und Herrn G. einerseits und demYpourgos Typou kai Meson Mazikis Enimerosis (MinisterfUr Presse und Medien) und dem Ethniko Symvoulio Ra-diotileorasis (Nationaler Rundfunk- und Fernsehrat, imFolgenden: ESR) andererseits über eine Entscheidung desESR, mit der gegen Eleftheri tileorasi und Herrn G. eineGeldbuße wegen Verstoßes gegen nationale Vorschriftenüber Schleichwerbung verhängt wurde. Eleftheri tileorasiist eine Gesellschaft, die einen privaten, unter dem Namen"AL TER CHANNEL" bekannten Fernsehsender besitztund betreibt. Herr G. ist Präsident und Verwaltungsdirek-tor dieser Gesellschaft. In einer am 12. 11. 2003 von die-sem Sender ausgestrahlten Fernsehsendung betrafen dreiSequenzen die Darstellung einer kosmetischen Zahnbe-handlung. In der ersten Sequenz, während derer am unte-ren Bildrand der Hinweis "Es verändert ihr Lächeln" ein-geblendet wurde, unterhielt sich die Moderatorin dieserSendung mit einer Zahnärztin, die in Anwesenheit einerihrer Patientinnen ausfUhrte, dass diese Behandlung eineWeltneuheit sei, deren Ergebnisse sie am Gebiss dieserPatientin belegen werde und dass diese Patientin binnenzwei Stunden ein perfektes natürliches Lächeln habenwerde. Dann gab die Zahnärztin einige Erläuterungen zurWirksamkeit der Methode und betonte, dass man dadurchein perfektes natürliches Lächeln gewinne. Auf eine Frageder Fernsehmoderatorin machte sie auch Angaben zu denKosten dieser Behandlung. Während der Sendung wurdenvor der Behandlung aufgenommene Fotos der Patientingezeigt, um den Fernsehzuschauern einen Vergleich zu er-

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