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Anspruch und Wirklichkeit in der frühen Bildung
Ergebnisse der NUBBEK-Studie
Prof. Dr. Bernhard Kalicki
Deutsches Jugendinstitut (DJI)
Aufbau
1. Ansprüche an frühe Betreuung und Bildung
2. Der Ausbau der Betreuungsangebote
3. Die NUBBEK-Studie: Fragestellungen und Ansatz
4. Zur Qualität in verschiedenen Betreuungsformen und
ihrer Bedeutung für die kindliche Entwicklung
5. Schlussfolgerungen
1. Ansprüche an frühe Betreuung
und Bildung
Bildung
• Lernpotentiale der frühen Kindheit
• Bedeutung des Humankapitals für die
Wissensgesellschaft
• Chancengerechtigkeit bei der Einschulung
• Vereinbarkeit von Familie & Beruf
• quantitativer Ausbau (Rechtsanspruch)
• neue Betreuungsform Tagespflege
Betreuung
• Erziehung & Sozialisation
• kulturelle Prägung
• elterlicher Erziehungsprimat
Erziehung
Frühe Betreuung und Bildung als
Ansatzpunkt zur …
Reduktion von sozialer Ungleichheit
Frühen Bildung und Reduktion von
Bildungsbenachteiligung
Förderung von Gleichstellung und
Erwerbsbeteiligung von Frauen
Reaktion auf den demografischen Wandel
2. Der Ausbau der
Betreuungsangebote
92,7
0
20
40
60
80
100
%
OECD average= 77%
Quelle: OECD Education database; Canada, National Longitudinal Survey of Children and Youth (2006);
Korea: Korean Institute of Childcare and Education; Eurostat (2008) for non-OECD
Hohe Beteiligung 3-5jähriger Kinder an frühkindlicher
Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE)
in Deutschland (2008)
Quelle: OECD Education database; Canada, National Longitudinal Survey of Children and Youth (2006);
Korea: Korean Institute of Childcare and Education; Eurostat (2008) for non-OECD
Deutlich unterdurchschnittliche Beteiligung unter
3jähriger Kinder an FBBE in Deutschland (2008)
17,8
0
10
20
30
40
50
60
70
80
%
OECD average =30%
Quelle: Statistisches Bundesamt: Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland – destatis online (URL: https://www.destatis.de/DE/
ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Soziales/Sozialleistungen/KinderJugendhilfe/Tabellen/Betreuungsquote.html?nn=508
42)
Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund nehmen
in geringerem Umfang teil an früher Bildung (2011)
24
52
13
23
14
30
76
99
86
96
85
97
100 75 50 25 0 25 50 75 100
Ostdeutschland
Westdeutschland
Deutschland
unter 3-Jährige 3- bis 6-Jährige
Mit Migrationshintergrund Ohne Migrationshintergrund
Eckpunkte des U3-Ausbaus:
Einführung eines Rechtsanspruchs für Kinder ab
dem vollendeten 1. Lebensjahr zum 1. August
2013
Ein Drittel der neu zu schaffenden Plätze in Form
der Kindertagespflege
Bedarfsschätzungen und Monitoring des U3-
Ausbaus („KiFöG-Zwischenberichte“)
Anstieg der Betreuungsquote U3
(2006-2013) von 13,6 auf 27,6 Prozent
Der bedarfsgerechte U3-Ausbau wird sich über den
Stichtag hinaus erstrecken. Der Bedarf wird weiter
ansteigen. (KiFöG-Jugendamtsbefragung 2012)
Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich
geförderter Kindertagespflege, 2012; Berechnungen der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (Daten 2006-2012);
Ramboll Management Consulting GmbH, Jugendamtsbefragung 2012 im Auftrag des BMFSFJ (Daten 2013-2014), n=191-277.
März
2006
März
2007
März
2008
März
2009
März
2010
März
2011
März
2012
August
2013
August
2014 Ostdeutschland (mit Berlin) Westdeutschland (ohne Berlin) Deutschland Linearer Zuwachs West Linearer Zuwachs Ost Linearer Zuwachs Deutschland
63,2%
44,1%
39,5%
60,4%
39,4%
36,0%
10
0%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Ausdifferenzierung von Betreuungsformen
Kindergarten
Krippe
altersgemischte Kita
Kindertagespflege
Hort
Ganztag
neue Einrichtungs- und Betreuungsformate
(Familienzentren, Eltern-Kind-Spielgruppen)
3. Die NUBBEK-Studie:
Fragestellungen und Ansatz
Betreuungsformen und Bildungseffekte / Bernhard Kalicki / 15
„Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung
und Erziehung in der frühen Kindheit“ (NUBBEK)
PädQUIS gGmbH, Kooperationsinstitut
der Freien Universität Berlin (Koordination)
Deutsches Jugendinstitut (DJI), München
Forschungsgruppe Verhaltensbiologie
des Menschen (FVM), Kandern
Ruhr-Universität Bochum
Universität Osnabrück, nifbe
Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP), München
Assoziiertes Mitglied:
Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) / DIW Berlin
Förderer: Bayern, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen
Input-Steuerung:
Steigerung der Ressourcen eines Systems
System der
Kindertagesbetreuung
Gruppengröße u. Personalschlüssel
Qualifikation der ErzieherInnen
Bildungspläne
Pädagogisches Konzept
Output-Steuerung:
Überprüfung der Ergebnisse eines Systems
Auslastung der Einrichtung
Personalfluktuation
Entwicklungsfortschritte des Kindes
Zufriedenheit der Eltern
Zur Steuerung des Betreuungssystems
Betrachtung von
außerfamiliärer
Betreuung und Familie
Exosysteme
(Erwerbsmuster,
informelle Netzwerke)
Differenzierung von
Makrosystemen
(Sozialraum, Kultur)
„Ökopsychologisches Entwicklungsmodell“
Familienexternes Betreuungssetting
Betreuungssetting Familie
Sozioökologischer Kontext
Input Output Outcome
Kindlicher
Entwicklungsstand Bewältigung von
Entwicklungsaufgaben
Sozial-emotionale,
sprachliche, kognitive,
motorische Entwicklung,
Gesundheit
Familie Erwerbsbeteiligung,
ökonomische Situation
individuelles Befinden,
Partnerschaftsqualität
Prozessqualität
Bildung, Erziehung
und Betreuung
Elternab-
stimmung,
Vernetzung mit
anderen Stellen
Orientierungsqualität
z.B. Auffassungen über
Bildung und Erziehung
Strukturqualität
z.B. Gruppengröße,
ErzieherInausbildung
Rahmenmodell der NUBBEK-Studie
Fragestellungen
Kinder welcher Familien finden wir in den verschiedenen
öffentlich geförderten Betreuungsformen?
Welche Betreuungsarrangements werden realisiert?
Wie ist die Qualität in den Betreuungssettings?
Welche Zusammenhänge finden sich zwischen Art,
Umfang und Qualität der Betreuung und kindlicher
Entwicklung?
Wie stellt sich dies jeweils für die beiden größten
Migrantengruppen dar? (türkischer, russischer MHG)
Untersuchungsansatz
Altersgruppen: - Zweijährige (2 Jahre/5 Monate – 3 Jahre/0 Monate)
- Vierjährige (3 Jahre/11 Monate – 5 Jahre/0 Monate)
Betreuungsformen (Gruppenebene): - altershomogenes institutionelles Setting (Krippe, Kinderg.)
- altersgemischtes institutionelles Setting
- Tagespflege
- rein familiäre Betreuung
Migrationsgruppen: - ohne (identifizierten) Migrationshintergrund
- türkischer Migrationshintergrund
- russischer Migrationshintergrund
Mehrstufiger Prozess
der Stichprobengewinnung:
repräsentative Auswahl von Jugendamtsbezirken
bzw. Stadtbezirken
Zufallsauswahl der institutionellen Settings (Einrichtungen)
gezielte Auswahl von Tagespflegestellen
und Familienbetreuung (Familien)
freiwillige Teilnahme der Familien
(Selbstselektion)
Feldphase von März 2010 bis Jan. 2011
Gebietseinheiten
Betreuungs-
einrichtung
Betreuungsform (Gruppe)
Kind /Familie
Familiäre Betreuung
Kind / Familie
Setting-
stichprobe
Zielkind-
stichprobe
Die NUBBEK-Stichprobe
2-Jährige 4-Jährige
Settings o. MH r./t. MH o. MH r./t. MH gesamt
Kindergarten 146 - - 322 124 446
Krippe 118 323 54 - - 376
Altersgemischt 139 135 52 179 89 455
Tagespflege 164 235 5 - - 240
Familienbetreuung - 234 204 - - 436
gesamt 567 927 315 501 213 1.956
4. Zur Qualität in verschiedenen
Betreuungsformen
und ihrer Bedeutung für die
kindliche Entwicklung
Ergebnisse zur Teilhabe an früher Bildung
Tagespflege wurde von Familien mit Migrations-
hintergrund so gut wie nicht genutzt.
Familien mit russischem und insbesondere
solche mit türkischem Hintergrund nahmen
in den ersten drei Lebensjahren institutionelle
Betreuung später, seltener und in geringerem
Umfang in Anspruch als Familien ohne
Migrationshintergrund.
Dies lässt sich jedoch vor allem für die aus der
Türkei zugewanderten Familien weitgehend
durch familiäre Hintergrundfaktoren erklären.
Betreuungsformen und Bildungseffekte / Bernhard Kalicki / 26
Erfassung der Qualität in den
Betreuungssettings
Erfassung der pädagogischen Prozessqualiät
über die Integrierte Qualitäts-Skala (IQS): - revidierte Kindergarten-Skala (KES-RZ)
- bildungsbezogene Erweiterung (KES-E)
- Krippen-Skala (KRIPS-R)
- Tagespflege-Skala (TAS-R)
Caregiver Interaction Scale (CIS)
Aktivitätsfragebogen (AKFRA)
Prozessqualität in institutionellen Settings (Kindergarten, altersgemischte Gruppen)
22,1
26,6
24,0
10,3
5,2
0,41,1
11,9
30,0
20,0
0,71,5
7,7
2,2 1,93,0
6,76,3
18,5
0
5
10
15
20
25
30
35
40
1,0- 1,5- 2,0- 2,5- 3,0- 3,5- 4,0- 4,5- 5,0- 5,5- 6,0- 6,5-7,0
KES-RZ KES-E
Zone
unzureichender Qualität
Zone
mittlerer Qualität
Zone guter bis
ausgezeichneter Qualität
Prozessqualität in Krippe und Tagespflege
Zone
unzureichender Qualität
Zone
mittlerer Qualität
Zone guter bis
ausgezeichneter Qualität
0,4
27,8
0,41,22,0
9,8
2,9
9,0
0,8
21,2
25,7
6,8
13,7
29,229,8
14,9
4,3
0
5
10
15
20
25
30
35
40
1,0- 1,5- 2,0- 2,5- 3,0- 3,5- 4,0- 4,5- 5,0- 5,5- 6,0- 6,5-
KRIPS-R TAS-R
Zusammenfassung zur Qualität
Ca. 10 Prozent der außerfamiliären Settings bieten
unzureichende Prozessqualität.
Lediglich 5-7% der außerfamiliären Settings bieten
gute bis exzellente Qualität.
Über 50 Prozent der Kindergärten zeigen in den
curriculumsnahen Qualitätsmessungen (KES-E)
unzureichende Qualität.
Altershomogene Gruppen schneiden in den KES- und
KRIPS-Maßen besser ab als altersgemischte.
Erfassung kindlicher Entwicklungsstände
Sprache und Kognition: - rezeptiver Wortschatz:
Peabody Picture Vocabulary Test (PPVT)
- HAWIVA-Mosaiktest
Sozial-emotionale Kompetenz: - Infant Toddler Social Emotional Assessment (ITSEA)
- Social Skills Improvement Rating System (SSIS)
Problemverhalten und Alltagsfertigkeiten: - Child Behavior Checklist (CBCL)
- Vineland Adaptive Behavior Scale (VABS)
Zusammenfassung zur kindlichen Entwicklung
Den größten Einfluss haben familiäre Merkmale.
Betreuungssituation, Betreuungsgeschichte und
außerfamiliäre Betreuung tragen vergleichsweise wenig
zur Erklärung der Entwicklungsunterschiede bei.
Die Kompetenzen im passiven Wortschatz in Deutsch
werden erwartungsgemäß stark vorhergesagt durch den
Migrationshintergrund (Deutsch als Zweitsprache).
Bei den nicht-sprachlichen Maßen der Vierjährigen
trägt der Migrationshintergrund nicht weiter zur Erklärung
der Entwicklungsunterschiede bei.
5. Schlussfolgerungen
Praktische Schlüsse
Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität
notwendig
Beobachtung (Monitoring) des Systems der
FBBE um Indikatoren der Prozessqualität
erweitern
Zielgruppen der Kinder mit nicht-deutschen
Erstsprachen systematisch fördern
Familien in ihrer Erziehungskompetenz
unterstützen
Tietze et al. (Hrsg.): NUBBEK –
Nationale Untersuchung zur Bildung,
Betreuung und Erziehung in der
frühen Kindheit. Weimar/Berlin 2013:
verlag das netz.
Anspruch und Wirklichkeit in der frühen Bildung
Ergebnisse der NUBBEK-Studie
Prof. Dr. Bernhard Kalicki
Deutsches Jugendinstitut (DJI)