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WO GEHTS HIER NACH HOLLYWOOD? Seit eineinhalb Jahren lebt Schauspielerin, Model und Moderatorin Melanie Winiger, 26, in Silver Lake bei Los Angeles/ USA. Autostopp in der Wüste Kaliforniens. Am rechten Oberarm eintätowiert der Name ihres Sohnes: Noël. Cow-Girl Melanie Eine Frau geht ihren Weg Sie provoziert, polarisiert und eckt an. Melanie Winiger war noch nie von der bequemen Sorte. Auf dem Weg nach Hollywood hat sie gefunden, was sie nicht unbedingt suchte – sich selbst. Cow-Girl Melanie

SI20 0020 0025 · 2014-04-14 · Das der taffen Melanie. «Noël und ich allein gegen die Welt», so quasi. Mittlerweile kann ich meine weiche Seite zei-gen, kann heulen, schreien,

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Page 1: SI20 0020 0025 · 2014-04-14 · Das der taffen Melanie. «Noël und ich allein gegen die Welt», so quasi. Mittlerweile kann ich meine weiche Seite zei-gen, kann heulen, schreien,

WO GEHTS HIER NACH HOLLYWOOD?Seit eineinhalb Jahren lebt Schauspielerin,

Model und Moderatorin MelanieWiniger, 26, in Silver Lake bei Los Angeles/USA. Autostopp in der Wüste Kaliforniens.

Am rechten Oberarm eintätowiert derName ihres Sohnes: Noël.

Cow-GirlMelanieEine Frau geht ihren Weg Sie provoziert, polarisiert und eckt an.

Melanie Winiger war noch nie von der bequemen Sorte. Auf dem Weg nach

Hollywood hat sie gefunden, was sie nicht unbedingt suchte – sich selbst.

Cow-GirlMelanie

Page 2: SI20 0020 0025 · 2014-04-14 · Das der taffen Melanie. «Noël und ich allein gegen die Welt», so quasi. Mittlerweile kann ich meine weiche Seite zei-gen, kann heulen, schreien,

22 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE

INTERVIEW: EDI ESTERMANN

FOTOS: DUKE GATI

Sie als Cowgirl? Ist das die neueMelanie?Ich finde, die Bilder bringen mein

jetziges Leben in den USA zum Aus-druck: rasant unterwegs sein, Abenteuer,Freiheit – Amerika und Melanie pur.Seit eineinhalb Jahren leben Sie inSilver Lake bei Los Angeles. Wie siehtIhr Alltag aus?Morgens bringe ich zuerst Noël in denKindergarten. Er lernt dort zählen und …... er ist doch erst drei!Ich wollte ihn nicht in einen Kinderhort ge-ben, in dem sich die Kids vor Langeweiledie Köpfe einschlagen. Nicht dass ichein hyperintelligentes Kindmöchte. Aber ein bisschenProgramm kann nicht scha-den. Ich fahr ihn fast jedenMorgen mit meinem altenChlapf dorthin.Ihrem Auto.Ja, einem Dodge ChargerJahrgang 1973, mit V-8-Motor und gewaltig vielenPS. Wenn ich an parkiertenAutos vorbeifahre und einbisschen Gas gebe, gehendie Alarmanlagen los. Dasfindet Noël das Grösste.Wächst Noëlzweisprachig auf?Zu Hause reden wir deutsch– im Kindergarten spricht erenglisch. Deshalb hat ermanchmal ein «Gnusch»und macht noch nicht so tolle Sätze.Sie haben mal gesagt, ab und zuärgere er Sie ganz gewaltig.Ich hab gesagt, er gehe mir auf den Sack.Genau. Noch immer?Klar. Schliesslich kommt er nach mir, unddas ist auch gut so. Sind wir ehrlich, Kin-der zerren manchmal an den Nerven.Und ich sags halt etwas deutlicher.Wie kommt Noël in den USA klar?Er ist ein aufgeweckter, aktiver, lustigerBub. Wenn ich das Gefühl hätte, er leide,komm ich sofort zurück.Sie leben zusammen mit IhremFreund. Weshalb sieht man ihn nie?Weils niemanden etwas angeht, wie eraussieht. Ich habe zu viele schlechte Er-fahrungen gemacht und spreche deshalbnicht über meine Beziehung in derÖffentlichkeit.Sie besuchen die Lee-Strasberg-Schauspielschule in West-Hollywood.Genau. Wenn Noël im Kinderhort ist,sinds etwa zwanzig Minuten Fahrt. Dasist in Los Angeles quasi um die Eceke. Ich

belege montags zwei Mittagsstunden,Dienstagabend vier, mittwochs ganztagsund donnerstags eine Stunde.Eine anspruchsvolle Schule. Läufts?Es läuft gut, ja. Die spezielle Methodedieser Schule nennt sich Method Acting.Man lernt Szenen glaubhaft zu spielen,indem man die Gefühle aus ähnlichen,bereits erlebten Episoden abruft. Wennich auf der Bühne mit jemandem Schlussmache, rufe ich in mir also die Emotio-nen eines solchen Moments ab. Das istunglaublich intensiv.Wirkt sich das auf Sie als Person aus?Sehr stark sogar. Ich hatte anfangs Mühemit diesem Mich-selber-Hinterfragen.Man taucht tief in sich hinein, ist gna-denlos kritisch mit sich selbst und krem-

pelt die Gefühlswelt durch. Klingt nach Sekte.Na, man darf auch nicht immer alles soernst nehmen. Ich finde die Methode toll– und eigentlich würds jedem mal guttun, sich selbstkritisch zu analysieren. DieLeute konzentrieren sich zu viel auf dasRundherum statt auf sich selbst. Klingtjetzt spirituell, aber ich bin überzeugt, dieWelt wäre friedlicher.Sie haben sich also neu entdeckt.Ich habe gelernt, mich mit meinem Kern,der echten, wahren Melanie, auseinanderzu setzen. Ich lerne ungeschminkt zuleben – auch im übertragenen Sinn.Sind Sie gläubig?Ja. Aber ohne spezielle Religionszu-gehörigkeit. Ich fühl mich zum Buddhis-mus hingezogen, weil sich diese Religionohne Blutvergiessen verbreitet hat. Ichkann eine Religion nicht ernst nehmen,die heute noch Kondome verbietet.Wie lange dauert diese Schule?Einen Abschluss gibt es nicht. Ich werdeso lange bleiben, wie ich das Gefühl hab,

ich hätts nötig. Und dann ist da noch eineandere Hürde.Nämlich?Ich brauche ein besseres Visum, damit ichMitglied der amerikanischen Schauspielge-werkschaft SAG werden kann. Erst so kannich an Castings und habe die Chance aufeine Rolle. Schliesslich will ich mit 50 ein-mal sagen können: Winiger, du hasts pro-biert. Es hat geklappt – oder eben nicht.Zweifeln Sie oft?Es kommt vor. Aber schliesslich hat keinergesagt, dass es einfach werden würde.Was sagen die Lehrer über Sie?Anfangs sagten sie, ich müsse das Bild los-lassen, das ich zu transportieren versuche.Das der taffen Melanie. «Noël und ich alleingegen die Welt», so quasi. Mittlerweile kann

ich meine weiche Seite zei-gen, kann heulen, schreien,toben und schluchzen aufder Bühne. Seither sind dieLehrer happy. Ich kann dazustehen, dass ich geliebt wer-den möchte, dass ich anleh-nen und geborgen sein will.Glauben Sie an denDurchbruch?Daran habe ich noch niegeglaubt. Ich verfolge denTraum, mir mit der Schau-spielerei mein Geld zu ver-dienen. Daran zu glauben istgefährlich. Man könnte ent-täuscht werden.Noch nie von einer Oscar-Verleihung geträumt?Doch, schon. Ich war dabei,hab aber keinen bekom-

men. Mensch, Träume sind erlaubt. Aberso naiv zu denken: Jetzt kommt die Wini-ger und räumt gross ab, bin ich nicht.Arthur Cohn und Marc Forster könntenein bisschen helfen.Tun sie auch. Arthur bringt mich mitvielen Leuten zusammen, hat mir eineModelagentur besorgt und ist ein unge-heuer lieber Mensch. Und Marc hat michmit einer Coacherin zusammengebracht.Wie finanzieren Sie Ihr Leben?Mit meiner Arbeit in der Schweiz. Ich flie-ge regelmässig hin und her. Deshalb istdas neue Visum auch so wichtig. Damit ichhier endlich arbeiten kann. Diese Reisereigeht an die Substanz.Sie sind finanziell nicht auf Rosengebettet?Ich habe mir früher alles gekauft, was ichwollte. War spendabel, das Geld zerrannmir zwischen den Fingern. Heute bin ichsparsamer, schätze manches mehr. Ichhabe meine Lektion gelernt. Mit 26 zwarspät – aber noch nicht zu spät.Wieso haben Sie sich von der Miss-

RASANT UNTERWEGS Seit die charismatische Schöne 1996 Miss Schweiz wurde, galoppiertsie intensiv durchs Leben. «Vieles, was ich heute bin, begann mit diesem Miss-Schweiz-Titel.»

Sinnliche MelanieDIE NEUE MELANIE WINIGER«Ich bin nicht mehr nur die taffe,

harte Melanie», sagt sie. «Ich kannheute offen dazu stehen, dass ich

geliebt werden möchte, dass ichanlehnen und geborgen sein will.»

Sinnliche Melanie

Page 3: SI20 0020 0025 · 2014-04-14 · Das der taffen Melanie. «Noël und ich allein gegen die Welt», so quasi. Mittlerweile kann ich meine weiche Seite zei-gen, kann heulen, schreien,

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NACHDENKLICHE JUNGEWILDE «Ich bin das Gefühl längstlosgeworden, etwas zu verpassen,wenn ich nicht jedes Wochenende

durch die Clubs ziehe.»

Schweiz-Organisation losgelöst?Ich war neun Jahre dabei, habe mich ent-wickelt. Auch mein Business hat sich ver-ändert. Nicht mehr nur repräsentierenund modeln, sondern auch Schauspiele-rei. Und damit kennt sich die Miss-Schweiz-Organisation nicht aus. Deshalbbrauchte ich eine Managerin.In der Schweiz sind Sie ein Star – dortein Normalo. Kommen Sie damit klar?Also erstens bin ich kein Star, sondern einCervelat-Promi, und zweitens ist nochnie jemand gestorben, weil er vor einemClub anstehen musste. Wenn mich inL. A. einer doof findet, dann nicht blossdeswegen weil ich die Winiger bin. Diesind vorurteilsfrei, haben noch keineSchauergerüchte über mich gehört.Gibts die?Klar. Aber ich bin ruhiger geworden.Partygöre Melanie wird friedlich?Natürlich nicht. Obwohl ich gemütlicheAbende zu Hause mit einem feinen Essenund einem guten Film über alles liebe. Ichbin das Gefühl losgeworden, etwas zuverpassen, wenn ich nicht jedes Wochen-ende durch die Clubs ziehe.Keine Schlägereien mehr mit Blondi-nen wie im März vor einem Jahr?Das war doch keine Schlägerei! EinGerempel. Wenn mir eine so respektloskommt, hat sie eben auch keinen Respektzu erwarten. Ich hab sie noch gewarnt:«Geh weg!» Sie blieb. Also ist sie selber

schuld. Hei, sie hätte anders ausgesehen,wenns eine Schlägerei gewesen wär.Können Sie es sich vorstellen, je wie-der in die Schweiz zurückzukehren?Natürlich! Ich bin hier ja nicht nur für dieSchauspielerei, sondern auch, um an mirzu arbeiten. Ich fange an, anders zu den-ken – und ich hoffe, das mit zurück in dieSchweiz zu bringen.Was vermissen Sie von der Schweiz?Meine Freunde, die Familie – und die Ef-fizienz. Geht man in der Schweiz auf dieBank, gehts ruck, zuck. In den Staaten er-klären dir drei Leute, wie man das For-mular für die Warteschlange ausfüllt.Was halten Ihre Eltern vom Amerika-Abenteuer?Für mein Mami ists doof: Kaum zog sienach Zürich, zog ich nach Los Angeles.Das könnte man schon fast falsch verste-hen. Meine Eltern sehen aber auch, dassdies mein Traum ist und dass es mir guttut, an ihm zu arbeiten.Ihre Mutter ist Halbinderin und Kana-dierin, Ihr Vater Deutschschweizer. Siesind in Zürich geboren, im Tessin auf-gewachsen, leben nun in L. A.: Als wasfühlen Sie sich eigentlich?Als Mensch. Genau wegen dieser Her-kunfts-Besessenheit gibts so viel Krieg aufder Welt. Die eigene Kultur ist wichtig –aber die Weltkultur ist wichtiger. Klar binich Schweizerin, aber momentan fühl ichmich in den USA zu Hause.

Achten die USA diese Weltkultur?Kalifornien ist kein Bush-Land. Es gehtdemokratisch zu und her. Die Politik desPräsidenten finde ich jenseits. Man kannihn nicht ernst nehmen. Deswegen sollman aber nicht gleich alle Amerikanerverurteilen. Das finde ich arrogant vonuns Europäern. Wir haben schliesslichauch einen Blocher.Kommen Sie klar mit derOberflächlichkeit der Amerikaner?Es ist eine ganz andere Lebenskultur. InZürich hocken die Leute nebeneinanderim Tram, und keiner redet. Ist das besser?Ich kenne viele offene, tolle Amis – undauch viele spannende Zürcher.Wann kommt «Achtung, fertig,Charlie 2!»?Weiss nicht, ob das eine gute Idee wär. Ichmöchte mal was anderes machen. Nichtschon wieder Helm auf und ab ins Militär.Trifft man in Hollywood viele Promis?Matthew McConaughey traf ich mal aufeinem Swiss-Flug nach L. A., Kevin Ba-con sieht man ab und zu, Bono, ParisHilton läuft einem natürlich dauerndüber den Weg, und Britney Spears habich mal angerempelt …Also doch wieder eine Blondinen-Rempelei!Ihre Bodyguards schubsten in einemClub die Leute zur Seite, weil Madamedurchwollte. Da hab ich eben ein biss-chen zurückgeschubst. p

Pur&EchtMenschMelanie

Pur&EchtMenschMelanie