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284 Nekrolog. I Sir Jonathan Hutchinson "p./ Der Biograph, der einmal die Sammlung, Siehtung und Zusammen- stellung yon Jonathan H u t c h i n s o n s Werkcn unternehmen wird, wird eine RuBerst schwierige Aufgabe vorfinden; denn es hat wohl kaum je- reals einen Mensehen gegeben, der auf naturwissenschaftlichem Gebiete ein so rciches Wissen in so zahlreichen Spezialfachern besessen hat wie Sir Hutchinson. Er wurde im Jahre 1828 in Selby in Yorkshire ge- boren, hat also ein Alter yon 85 Jahren erreicht. Seine Eltern und seine Frau waren Anh~inger der QuRker, einer religiSsen Sekte, welche die Ehre hatte, damals gleichzeitig zwei so bedeutende M~nner wie Lord Lister und Sir Hutchinson zu ihren AnhiLngern zu z~Lhlen. Yon 1850 an war Hutchinson mit seiner ganzen bewunderungs- werten Energie auf nicht weniger als sechs verschiedenen Gebieten der Medizin sch6pferisch t~tig, eine Arbeitskraft, die sicher einzig dasteht. Aul}erdem aber zeigte er ein mehr als passives Interesse ffir Wissen- schaften, die scheinbar mit seinem Spezialfach in gar keinem Zusammen- hang standen, wie z. B. Geologic, Botanik, Anthropologie und im Ge- spriiehe mit seinen Freunden und Bekannten in seinem Heim bei Haste- mere pflegte er diese Themen 5fters zu beriihren. Es war seine st~ndi'ge Redensart, ,dal] diejenigen am meisten erreichen, welche am vielseitigsten sind" und wenn man seine eigenen Erfolge seiner Vielseitigkeit zu- schreiben daft, dann hat er die Wahrheit seiner Lebensregel gliinzend bewiesen.- Es klingt heutzutage kaum glaublich, dab ein Mann zu gleicher Zeit eine anerkanute Autorit~t sein konnte in: Chirurgie, Ncuro- logic, Ophthalmologie, Laryngologie, Pathologie uud Dermatologie. Dal~ dies aber in der mittelviktorianiscben Ara, als der Spezialismus noch in den Kinderschuhen steckte, wirklich der Fall war, beweist uns das Zeugnis der grS~ten seiner Kollegen, eine Einsicht in seine Schriften (vgl. die ~Annals of Surgery", eine fast ausscblieBlich mit seinen Arbei~en ge- ffillte Zeitschrift, die 10 B~nde bildet!) und die Berichte fiber die Diskussionen in den gelehrten Gesellschaften, in wclehen er eine hervorragende Rolle spielte.- Hutchinson war ein sehr scharfer Beobachter und es ist interessant, zu sehen, dal~ die Symptome, welche in England und in der ganzen medizinisehen Welt seinen Namen tragen, alle das direkte Resultat einer sorgF~ltigen Beobachtung, eines tadellosen Ged~chtnisses und eines wunderbaren deduktiven Geistes sind, der sieherlich niemals iibertroffen werden wird. S01che Symptome sind zum Beispiel: H u t c h i n s o n s Facies (Ophthalmoplegia externa luetica) ; H u t c h i n s o n s Maske (Gesichtsausdruck bei Tubes dorsalis) ; Hutchinsons Pupillen (ungleiche Pupillen bei Meningitis hae- morrhagica) ;

Sir Jonathan Hutchinson

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Page 1: Sir Jonathan Hutchinson

284 Nekrolog.

I Sir Jonathan Hutchinson "p. / Der Biograph, der einmal die Sammlung, Siehtung und Zusammen-

stellung yon Jonathan H u t c h i n s o n s Werkcn unternehmen wird, wird eine RuBerst schwierige Aufgabe vorfinden; denn es hat wohl kaum je- reals einen Mensehen gegeben, der auf naturwissenschaftlichem Gebiete ein so rciches Wissen in so zahlreichen Spezialfachern besessen hat wie Sir H u t c h i n s o n . Er wurde im Jahre 1828 in Selby in Yorkshire ge- boren, hat also ein Alter yon 85 Jahren erreicht. Seine Eltern und seine Frau waren Anh~inger der QuRker, einer religiSsen Sekte, welche die Ehre hatte, damals gleichzeitig zwei so bedeutende M~nner wie Lord L i s t e r und Sir H u t c h i n s o n zu ihren AnhiLngern zu z~Lhlen.

Yon 1850 an war H u t c h i n s o n mit seiner ganzen bewunderungs- werten Energie auf nicht weniger als sechs verschiedenen Gebieten der Medizin sch6pferisch t~tig, eine Arbeitskraft, die sicher einzig dasteht. Aul}erdem aber zeigte er ein mehr als passives Interesse ffir Wissen- schaften, die scheinbar mit seinem Spezialfach in gar keinem Zusammen- hang standen, wie z. B. Geologic, Botanik, Anthropologie und im Ge- spriiehe mit seinen Freunden und Bekannten in seinem Heim bei Haste- mere pflegte er diese Themen 5fters zu beriihren. Es war seine st~ndi'ge Redensart, ,dal] diejenigen am meisten erreichen, welche am vielseitigsten sind" und wenn man seine eigenen Erfolge seiner Vielseitigkeit zu- schreiben daft, dann hat er die Wahrheit seiner Lebensregel gliinzend b e w i e s e n . - Es klingt heutzutage kaum glaublich, dab ein Mann zu gleicher Zeit eine anerkanute Autorit~t sein konnte in: Chirurgie, Ncuro- logic, Ophthalmologie, Laryngologie, Pathologie uud Dermatologie. Dal~ dies aber in der mittelviktorianiscben Ara, als der Spezialismus noch in den Kinderschuhen steckte, wirklich der Fall war, beweist uns das Zeugnis der grS~ten seiner Kollegen, eine Einsicht in seine Schriften (vgl. die ~Annals of Surgery", eine fast ausscblieBlich mit seinen Arbei~en ge- ffillte Zeitschrift, die 10 B~nde bildet!) und die Berichte fiber die Diskussionen in den gelehrten Gesellschaften, in wclehen er eine hervorragende Rolle s p i e l t e . - H u t c h i n s o n war ein sehr scharfer Beobachter und es ist interessant, zu sehen, dal~ die Symptome, welche in England und in der ganzen medizinisehen Welt seinen Namen tragen, alle das direkte Resultat einer sorgF~ltigen Beobachtung, eines tadellosen Ged~chtnisses und eines wunderbaren deduktiven Geistes sind, der sieherlich niemals iibertroffen werden wird. S01che Symptome sind zum Beispiel:

H u t c h i n s o n s Facies (Ophthalmoplegia externa luetica) ; H u t c h i n s o n s Maske (Gesichtsausdruck bei Tubes dorsalis) ; H u t c h i n s o n s Pupillen (ungleiche Pupillen bei Meningitis hae-

morrhagica) ;

Page 2: Sir Jonathan Hutchinson

Nekrolog. 285

H u t c h i n s o n s Z~hne (charakteristische Furchen bei heredi- t~rer Lues);

H u t c h i n s o n s Trias (Z~hne, interstitielle Keratitis und Labyrinth- taubheit).

Die Aufz~hlung der in- und ausl~ndischen Amter, Ehren~mter und -Titel, die ibm verliehen warden, wfirde mehrere B1/~tter f/illen; es mug daher hier genfigen~ blol] das WiChtigste anzuffihren. 1860 war er gleich- zeitig Assistent am Londoner: Hospital, Metropolitain Free Hospital und Dermatolog in Blackfriars, einem Spiral, das sparer dutch sein Werk fiber Syphilis, deren grSl~ter englischer Erforseher er war, berfhmt wurde. 1862 wurde er Mitglied des Royal College of Surgeons, Prim/irarzt im Londoner Hospital und Arzt im Royal London Ophthalmic-Hospital. Er war ein sehr t/ichtiger Pathologe and sein Privatmuseum yon Zeich- nungen und Darstellungen, welche sp~iter den Kern des London Policlinic School for Postgraduates bildete, war die grSBte Privatsammlung der Welt. Er war Mitglied der Royal Society, die hSchste Auszeiehnung ffir Mediziner in England und nacheinander P r ~ s i d e n t der Royal Medical and Chirurgieal Society (1894--96), der Pathological Society (1879--80), der Hunterinn Society (1869--70), 0or Ophthalmological Society (1883), der Medical Society (1890) and der Neurological Society (1884). 1889 wurde er President des Royal College of Surgeons. Die blolle Aufz~hlung aller dieser Ehren~mter wirkt verblfiffend, aber sic ist der beste Beweis, den man einem deutschen Leser yon der Yielseitigkeit yon H u t e hi n s o n s Bestrcbungen und Werken geben kann.

Im Jahre 1908 wurde H u t c h i n s o n yon K6nig Edward in den Adelstand erhoben.

In letzter Zeit warde die Arbeitskraft seines unvergleichlicheu Geistes beinahe aussehlieBlich durch das Studium der Atiologie der Lepra in Ansprueh geno.mmcn und seine Reisen nach Afrika und Indien, die er zu diesem Zwecke in einem Alter unternommen hat, wo die meisten Menschen in Ruhe ihren Lebensabend genieBen wollcn, sind r teristisch fiir seine aufopferungsvolle Hingebung im Dienste der leidenden Menschheit. M.

V a r i a . Zur Frage tier experimentel!en Thalliumalopekie.

Bcmerkung zu der Arbeit yon A. B u s c h k e im Archiv ffir Derma- tologie. Bd. CXVI. Heft 3, yon Prof. Dr. J: Heller.

In der 0ben genannten Arbeit besch~iftigt sich Herr Kollege B u s c h ke mit einer histologischen Untersuchung, I) die ich an der Haut

~) H e l l e r : Die vergleichende Pathologic dcr Haut. Berlin 1910.