Sirtuine-Schlüssel zur Langlebigkeit

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  • Von David A. Sinclair und Lenny Guarente

    Baujahr und Kilometerstand ver-raten recht viel ber den Zu-stand eines Gebrauchtwagens. Der Zahn der Zeit und der Ver-schlei hinterlassen unvermeidlich ihre Spuren. Mit dem Altern von Menschen erscheint es hnlich, doch der Vergleich

    hinkt. Denn es besteht ein entschei-dender Unterschied: Anders als Maschi-nen knnen biologische Systeme ihrem eigenen Verfall entgegenwirken indem sie auf uere Belastungen reagieren und unter Energieaufwand sich schtzen und Schden reparieren.

    In der wechselvollen Geschichte der zahlreichen / eorien zum Altern gab es einst die / ese, das Ganze sei weniger

    ein Verfall als vielmehr eine aktive Fort-setzung der genetisch programmierten Entwicklung eines Lebewesens. Sobald dieses seine Geschlechtsreife erreicht habe, begnnen Alterungsgene seine Schritte langsam, aber sicher bergab in Richtung Grab zu lenken. Nach heute gngiger Vorstellung ist Altern hingegen wirklich bloer Verfall verursacht da-durch, dass natrliche Mechanismen zur

    Schlssel zur Langlebigkeit Eine Hand voll Gene, die ganz verschiedenartigen Organismen ber harte Zeiten hilft, kann zugleich deren Gesundheit und Lebens- dauer insgesamt enorm steigern. Ihre Funktionsweise liefert vielleicht die Schlssel, Alterskrankheiten zu bannen und auch unsere Lebensspanne auszudehnen.

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    rDer typische Lebensbogen neigt sich wieder, wenn Wachstum und

    Vitalitt dem Niedergang des Alterns wei-chen. Liee sich die Macht von Langlebig-keitsgenen als Bremse nutzen, wrde man sich vielleicht einmal auch jenseits der 70, 90 oder gar 100 noch so jugend-lich fhlen wie mit 50.

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  • Wartung und Reparatur des Krpers schlichtweg allmhlich erlahmen. Aus evolutiver Sicht besteht eben kein Grund, so die Argumentation, sie ber die reproduktive Phase eines Individu-ums hinaus am Laufen zu halten, wenn sie nicht mehr zum Fortp anzungserfolg beitragen.

    Wie wir und andere Forscher he-rausgefunden haben, besitzt eine Fami-lie von Genen dennoch die Macht, die Strke zelleigener Abwehr- und Repara-turaktivitten zu erhalten, unabhngig vom Alter. Eigentlich haben diese Gene mit der Fhigkeit eines Lebewesens zu tun, zeitweise widrigen Bedingungen wie Hitze, Wasser- und Nhrsto man-gel zu trotzen. Sie steigern seine Chan-cen, solche Krisen zu berstehen, indem sie den Funktionsmodus des Krpers bestmglich auf berleben ausrichten. Sofern diese Gene nur lange genug akti-viert bleiben, knnen sie auch Gesund-heit und Lebensspanne dramatisch stei-gern. Kurzum: Sie verkrpern das Ge-genteil von Alterungsgenen nmlich Langlebigkeitsgene.

    Mit den Forschungen hierzu began-nen wir im letzten Jahrzehnt. Unsere berlegung damals war, dass die Evolu-

    tion ein universelles Steuerungssystem hervorgebracht haben sollte, das die be-reits gut untersuchten Reaktionen auf Umweltstress koordiniert. Wir ho ten, eines oder mehrere bergeordnete Gene zu identi zieren, die dabei als Schalt-zentrale dienen und somit auch als Hauptregulator der Lebensspanne. Ge-lnge uns das, lieen sich diese natr-lichen Schutzmechanismen vielleicht in Wa en gegen die Krankheiten und Ver-fallsprozesse umschmieden, die inzwi-schen o enbar synonym fr mensch-liches Altern stehen.

    Hefe als ModellUnter den in jngerer Zeit entdeckten Genen be nden sich tatschlich viele, die Stressresistenz und Lebensspanne von Labororganismen beein ussen und daher Komponenten eines grundle-genden Mechanismus sein knnten, der widrige Bedingungen berstehen hilft (siehe Kasten S. 38). Unsere beiden For-schungslabors befassen sich aber in erster Linie mit einem speziellen Gen namens SIR 2, das in vergleichbaren Formen bei allen bisher untersuchten Lebewesen vorkommt, einschlielich des Menschen. Zustzlich eingebaute Kopien machen so

    unterschiedliche Organismen wie Hefen, Fadenwrmer und Tau iegen langle-biger. (Ob das auch bei greren Tieren wie Musen funktioniert, untersuchen wir gerade.) Als eines der zuerst er-kannten Langlebigkeitsgene ist SIR 2 zu-gleich das bestuntersuchte. An seiner Ar-beitsweise lsst sich zeigen, wie ein gene-tisch regulierter berlebensmechanismus auch einen positiven Ein uss auf Ge-sundheit und Lebensspanne haben kann. Das ist nicht der einzige Grund, warum wir uns hier auf dieses Beispiel beschrn-ken. Die Hinweise verdichten sich, dass SIR 2 dabei sogar der Schlssel, der Hauptregler sein knnte.

    Dass dieses Gen etwas mit Langle-bigkeit zu tun hat, erkannten wir erst-mals an der Bckerhefe. Die Idee, die Ursachen fr die begrenzte Lebensspan-ne eines solch vergleichsweise einfachen, einzelligen Organismus wrde uns ir-gendetwas ber das menschliche Altern verraten, hielten viele Wissenschaftler damals fr abwegig. Doch wir lieen uns nicht beirren.

    Die Bckerhefe teilt sich asymme-trisch: Die Mutterzelle schnrt eine kleinere, aus ihr herausknospende Toch-terzelle ab. Nach typischerweise etwa 20 r

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    Teilungen stirbt die alternde Mutterzelle schlielich. Wie oft sie sich teilen konn-te, dient als Ma fr ihre so genannte re-plikative Lebensspanne und damit auch fr Langlebigkeit.

    Als einer von uns (Guarente) vor fast 15 Jahren Hefekolonien auf auerge-whnlich langlebige Zellen hin durch-musterte, um dafr verantwortliche Erb-faktoren zu nden, stie er auf eine Mutation in einem Gen mit der Bezeich-nung SIR 4. Es trgt die Bauanweisung fr eine Komponente in einem Protein-komplex, in dem auch das Produkt von SIR 2 vorkommt. Die Mutation hatte letztlich zur Folge, dass sich das Protein von SIR 2 vermehrt an einem Abschnitt des Genoms ansammelte, der so genann-te ribosomale DNA (rDNA) umfasst.

    Dort reihen sich in zigfacher Wieder-holung Gen-Einheiten aneinander, die fr spezielle Bestandteile der zelleigenen Proteinfabriken, der Ribosomen, codie-ren. Mit durchschnittlich mehr als 100 dieser rDNA-Wiederholungseinheiten handelt es sich um den hchstrepetitiven Abschnitt im Erbgut einer Hefezelle. Er wird leicht instabil. Repetitive Sequen-zen neigen nmlich dazu, zu rekombi-nieren. Beim Menschen knnen sich da-durch beispielsweise Stottersequenzen in einem bestimmten Protein-Gen so weit verlngern, dass dies zur Hunting-ton-Krankheit fhrt (siehe SdW 1/2004, S. 60). Auch zahlreiche andere Erkran-kungen gehen auf solche E ekte zurck.

    Unsere an der Hefe gewonnenen Er-gebnisse legten somit nahe, dass das Al-tern der Mutterzellen durch irgendeine Form von rDNA-Instabilitt verursacht wurde, die sich durch das Produkt des SIR 2-Gens abmildern lie. Tatschlich beobachteten wir eine berraschende Form: Nach mehreren Teilungen gliedern sich Extrakopien von rDNA als Ringe aus dem Genom aus. Diese werden wie

    die Chromosomen vor jeder Teilung der Mutterzelle repliziert, verbleiben jedoch danach vorzugsweise in deren Zellkern. Die sich immer mehr anhufenden Ringe werden ihr schlielich zum Verhngnis: Vermutlich beansprucht ihr Vervielflti-gen so viele Ressourcen, dass die Zelle es nicht mehr scha t, ihr eigenes Genom zu verdoppeln.

    Schweigen ist GoldBekamen Hefezellen indes ein zustz-liches Exemplar ihres SIR 2-Gens einge-schleust, so wurde die Bildung der rDNA-Ringe zurckgedrngt und die Lebensspanne um etwa 30 Prozent ver-lngert. Wie wir wenig spter zu unserer Verbl ung feststellten, kam auch der Fadenwurm Caenorhabditis elegans durch Zusatzexemplare seines SIR 2-Pendants in den Genuss eines verlngerten Lebens hier sogar um die Hlfte. berraschend war ein solch gleichsinniger E ekt nicht nur, weil es sich um zwei evolutionr weit getrennte Organismen handelte, sondern auch, weil sich bei diesem Wurm die Krperzellen nach dem Lar-venstadium gar nicht mehr teilen. Somit musste sich sein Alterungsprozess von dem der Hefe unterscheiden. Jetzt woll-ten wir genau wissen, welche Aufgabe SIR 2 erfllte.

    Wie wir bald herausfanden, codierte das Gen fr ein Enzym, das auf vllig neuartige Weise aktiviert wurde. Damals war bereits bekannt, dass Proteine von SIR-Genen am Stilllegen anderer Gene mitwirken. Tatschlich steht das Krzel fr silent information regulator, was wrt-lich Regler stummer Information be-deutet. Im Zellkern ist die DNA eines Chromosoms um spulenartige Komplexe aus Verpackungsmoleklen gewickelt (siehe Kasten rechts). Diese Proteine, die Histone, tragen chemische Markie-rungen, darunter Acetylgruppen, welche

    die Packungsdichte bestimmen. Durch Entfernen von Acetylgruppen wird das Ganze kompakter, was im Fall der Hefe schlielich den kritischen DNA-Ab-schnitt unzugnglich macht fr jene En-zyme, die sonst fr den Austritt von rDNA-Ringen sorgen. Entacetylierte Be-reiche von Chromosomen werden als still oder stumm bezeichnet, weil die enge Verpackung alle hier liegenden Gene auch an ihrer Ausprgung hindert.

    Sir 2, das Protein von SIR 2, ist zwar nur eines von mehreren Enzymen, die Acetylgruppen von Histonen entfernen. Aber es zeichnet sich, wie wir entdeck-ten, durch eine Besonderheit aus: Um aktiv zu werden, bentigte es unbedingt NAD (genauer NAD+). Nicotinamid-adenin-dinucleotid, so der volle Name, spielt eine zentrale Rolle im Sto wechsel jeder Zelle. Diese Beziehung elektrisierte uns. Denn dadurch war die Aktivitt des Enzyms an Sto wechselprozesse gekop-pelt. Sollte hier womglich ein Zusam-menhang zu den positiven Auswirkun-gen einer strikt kalorienarmen Ernh-rung auf das Altern bestehen?

    Auf Schmalkost gesetzte Tiere leben lnger. Das wurde bereits vor ber sieb-zig Jahren entdeckt. Bis heute ist sie die berhmteste und einzige Manahme, die erwiesenermaen sicher funktioniert. Al-lerdings muss dazu die Kalorienmenge im typischen Fall um 30 bis 40 Prozent reduziert werden, ohne dass es zu einer unausgewogenen Ernhrung kommt. Ratten, Muse und Hunde, mglicher-weise aber auch Primaten, leben dann nicht nur lnger, sondern bleiben dabei auch weitaus gesnder. Die meisten mit dem Alter zunehmenden Krankheiten, darunter Krebs, Diabetes und selbst neu-rodegenerative Erkrankungen, treten sel-tener auf. Der Organismus scheint gera-dezu auf berleben getrimmt zu sein. Der einzige o enkundige Nachteil da-bei: Manche Lebewesen werden steril.

    Seit Jahrzehnten bemhen sich Wis-senschaftler, die Wirkweise der Extrem-dit zu ergrnden, um dieses Wissen zum Wohl unserer Gesundheit auszu-nutzen (siehe Der steinige Weg zur Anti-Aging-Pille, SdW 7/2003, S. 58). Lange wurde der gnstige E ekt schlicht einer Verlangsamung des Sto wechsels zugeschrieben bei einer mangels Treibsto gedrosselten zellulren Ener-gieproduktion elen auch weniger ihrer schdlichen Nebenprodukte an. Doch diese Ansicht erscheint inzwischen ber-

    IN KRZEr Widrige Bedingungen wie Nahrungsmangel bedeuten Stress fr den Organis-mus. Kontrollgene verursachen dann Vernderungen im gesamten Krper, die ihn vorbergehend ganz auf berleben einstellen.r Bleibt diese Stressreaktion langfristig aktiviert, wirkt sie bei vllig verschieden-artigen Lebewesen lebensverlngernd und zugleich krankheitsvorbeugend. r Als bergeordnete Regulatoren dieses berlebensmechanismus fungieren mglicherweise Gene fr so genannte Sirtuine. r Ein besseres Verstndnis, wie sie ihren positiven Effekt auf Gesundheit und Langlebigkeit ausben, knnte zunchst zu Therapien gegen menschliche Alters-krankheiten fhren und schlielich allgemein zu einem lngeren vitalen Leben.

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    holt. Denn eine beschrnkte Kalorien-zufuhr verlangsamt den Sto wechsel zumindest bei Sugetieren nicht, be-rcksichtigt man die sich reduzierende Krpermasse. Bei Hefen und Wrmern

    wird er sogar beschleunigt und auch ver-ndert. Wir glauben vielmehr, dass der Kalorienmangel Stress auf den betrof-fenen Organismus ausbt. hnlich wie natrliche Nahrungsknappheit lst er

    physiologische Gegenmanahmen aus, welche die berlebenschancen stark ver-bessern. Dazu gehren bei Sugetieren Vernderungen im Bereich Energiepro-duktion, Zellschutz und Reparatur sowie

    Wie Sir2 Hefe vor Stress schtzt

    Miger Stress verlngert die normale Lebensspanne von Hefen um ungefhr 30 Prozent durch verstrkte Aktivierung des Enzyms Sir2. Stressfaktoren knnen diesen Effekt ber zwei Wege in der Zelle erzielen (obere Hlfte der Grafi k), die

    beide zur Unterdrckung eines jeweils anderen Hemmstoffs von Sir2 fhren. Das beraktivierte Enzym verhindert wiede-rum eine Form von Genom-Instabilitt, die sonst nach rund 20 Teilungen zum Tod der Mutterzelle beitragen wrde.

    stark eingeschrnkte Kalorienzufuhr

    Verstrkte Sir2-Aktivitt schtzt He-fezellen vor der Bildung extrachro-mosomaler DNA-Ringe, weil die verwundbare Genomregion enger zusammengepackt wird. Dadurch bleiben die Zellen lnger jung und setzen ihre Zellteilung lnger fort.

    Protein pnc1

    andere Stressfaktoren

    Aktivierung des Gens PNC1

    Entfernen von Nicotinamid

    Aktivierung des Sir2-Enzyms

    enger gewundene DNA

    Aktivierung des Sir2-Enzyms

    Sir2-Enzym

    Mito-chondrium (Zellkraft-werk)

    NADHNAD

    Atmung

    Acetylgruppe

    Histon-komplex

    Nahrungsmangel und weitere Stressfak-toren wie Stickstoffmangel, zu hohe Salz-konzentration oder Hitze aktivieren das Gen PNC1. Sein Protein baut in der Zelle Nicotinamid ab, einen Hemmstoff von Sir2.

    Die Kalorienrestriktion bewirkt auch, dass Hefezellen zur Energiegewinnung von Grung auf Zellatmung umschalten. In den Zellkraftwerken, den Mitochondri en, wird ber die so genannte Atmungs kette das Elektronentrgermolekl NADH zu NAD umgewandelt. NADH hemmt Sir2, NAD aktiviert das Enzym.

    Sir2 entfernt Acetylguppen von Histonen, sodass diese Verpackungs-proteine die DNA zu einem dichteren Paket zusammenschnren. Das Enzym deacetyliert einen bestimmten DNA-Abschnitt, der dazu neigt, ringfrmige Stcke genetischen Materials abzu-schnren, wenn die Zelle ihr Genom vor ihrer Teilung kopiert.

    Mutterzelle nach einigen Teilungen

    ohne Sir2-Aktivierung

    Tochterzelle

    nach 15 bis 20 Teilungen

    Mutterzelle stirbt

    Mutterzelle bleibt vital und teilt sich noch

    etliche Male weiter

    mit beraktiviertem Sir2

    Mutterzelle nach einigen Teilungen

    nach 15 bis 20 Teilungen

    Bei Zellen der Bckerhefe schnrt sich von der groen Mutterzelle eine kleinere Tochterzelle ab. Nach mehreren solcher Teilungen begin-nen sich in der Mutter gewhnlich DNA-Ringe auerhalb ihrer Chromosomen anzuhufen. Nach etwa 20 Teilungen leidet die Zelle darun-ter so sehr, dass sie schlielich abstirbt.

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    bei der Aktivierung des zellulren Selbst-mordprogramms, der Apoptose.

    Um herauszu nden, welchen Part das Sir 2-Enzym dabei spielen knnte, konzentrierten wir uns zunchst auf ein-fach aufgebaute Organismen. Wie wir feststellten, beein usst Nahrungsknapp-heit bei der Hefe die enzymatische Akti-vitt von Sir 2 auf zwei Wegen:r zum einen durch Anschalten eines Gens mit der Bezeichnung PNC1. Das von ihm codierte Enzym baut in den Zellen Nicotinamid ab dieses dem Vi-tamin B3 hnelnde Molekl hemmt das Sir 2-Protein. Im Einklang mit der Vor-stellung, eine Kalorienreduktion wirke als so genannter Stressor, der in den Zel-len eine berlebensantwort aktiviert, springt das PNC1-Gen auch bei anderen milden Stressfaktoren an wie zu warmer

    oder zu salzhaltiger Umgebung. Beide Bedingungen verlngern bekannterma-en ebenfalls die reproduktive Lebens-spanne von Hefen. r zum anderen durch Anregung der Zellatmung. Bei dieser Form der Ener-gieproduktion entsteht nebenbei NAD (die oxidierte Form) unter Verbrauch von NADH (der reduzierten Form von NAD). Whrend NAD Sir 2 aktiviert, hemmt NADH das Enzym. Verschiebt sich das Verhltnis der beiden in der Zel-le, so wirkt sich dies somit grundlegend auf die Aktivitt von Sir 2 aus.

    Doch ist das Protein fr den lebens-verlngernden E ekt auch wirklich not-wendig? Eindeutig ja, wie beispielsweise ein knstliches Ausschalten seines Gens zeigte. Denn bei immerhin schon so komplexen Organismen wie der Tau ie-

    ge verlngerte sich die Lebensspanne bei Nahrungsmangel nur, wenn das zugeh-rige Gen vorhanden war. Und weil eine erwachsene Tau iege aus zahlreichen Ge-weben und Organen besteht, die denen von Sugetieren analog sind, vermuten wir, dass wahrscheinlich auch bei ihnen das entsprechende Gen erforderlich ist, damit Schmalkost diesen E ekt erzielt.

    Fr Menschen freilich wre eine sol-che Radikaldit keine vernnftige Opti-on, um die Vorteile begrenzter Kalorien-zufuhr zu nutzen. Erforderlich sind Wirksto e, welche die Aktivitt von Sir-tuinen so lautet der Sammelbegri fr Sir 2-artige Enzyme in der gewnsch-ten Weise modulieren (die Silbe tu steht fr das gesprochene two, englisch zwei). Als besonders viel versprechende sirtuinaktivierende Substanz abgekrzt

    Wege zur LebensverlngerungInzwischen ist ein ganzes Sortiment an Genen identifi ziert, die bei verschiedenen Organismen die Lebensdauer positiv oder nega-tiv beeinfl ussen knnen. Einige davon darunter das Gen SIR2 und seine Verwandten frdern die Langlebigkeit, wenn sie in mehreren Kopien vorhanden sind oder wenn die Aktivitt des Proteins, fr das sie codieren, verstrkt wird. Viele andere Gene des Sortiments und ihre Proteine haben dagegen einen nega-tiven Effekt auf die Lebensdauer, sodass hier eine Drosselung ihrer Aktivitt gnstig wirkt. Ein Beispiel bietet das Gen fr Zell-rezeptoren, an die Insulin und der insulinhnliche Wachstums-faktor 1 (IGF-1) andocken. Es trgt bei Wrmern die Bezeichnung daf-2. Seine Unterdrckung in ausgewachsenen Wrmern greift

    in die Signalwege von Insulin und IGF-1 ein und verlngert die Lebensspanne um immerhin 100 Prozent. Die Unterdrckung mehrerer anderer dieser Gene, die mit Wachstum zusammen-hngen, oder ein Eingriff in die Signalkaskade, die sie in Gang setzen, frdert ebenfalls Langlebigkeit.

    Einige der unten aufgelisteten Gene und ihre Proteine regulieren bei begrenzter Kalorienzufuhr Enzyme der Sir2-Familie (Sirtuine) oder werden umgekehrt von diesen gesteuert. Sie knnten da-her zu einem bergeordneten regulatorischen Netzwerk fr das Altern gehren. Die Autoren halten das SIR2-Gen und seine Ver-wandten fr die mglichen Dirigenten dieses Netzwerks.

    Gen oder Signalweg (Ent-sprechung beim Menschen)

    Spezies und erreichte Lebensverlngerung

    ist mehr oder weniger gnstiger?

    hauptschlich beeinfl usste Prozesse

    mgliche Nebenwirkungen einer Manipulation

    Sir2 (Sirt1) Hefe, Wurm, Fliege / 30 Prozent

    mehr berleben von Zellen, Meta-bolismus und Stressantworten

    unbekannt

    TOR (TOR) Hefe, Wurm, Fliege / 30 bis 250 Prozent

    weniger Zellwachstum und Nhrstofferfassung

    vermehrte Infektionen und Krebs

    Daf-/FoxO-Proteine (Insulin, IGF-1)

    Wurm, Fliege, Maus / 100 Prozent

    weniger Wachstum und Glucosestoffwechsel

    Zwergwuchs, Unfruchtbar-keit, kognitive Einbuen, Gewebedegeneration

    Clock-Gene (CoQ-Gene) Wurm / 30 Prozent weniger Synthese von Co-Enzym Q unbekannt

    Amp-1 (AMPK) Wurm / 10 Prozent mehr Stoffwechsel und Stressantworten

    unbekannt

    Wachstumshormon (Wachstumshormon)

    Maus, Ratte / 7 bis 150 Prozent

    weniger Regulation der Krpergre Zwergwuchs

    p66Shc (p66Shc) Maus / 27 Prozent weniger Produktion freier Radikale unbekannt

    Katalase-Gen (CAT) Maus / 15 Prozent mehr Entgiftung von Wasserstoffperoxid

    unbekannt

    Prop1, pit1 (Pou1F1) Maus / 42 Prozent weniger Aktivitt der Hypophyse Zwergwuchs, Sterilitt, Hypothyroidismus

    Klotho (Klotho) Maus / 18 bis 31 Prozent

    mehr Insulin, IGF-1 und Regulation von Vitamin D

    Insulinresistenz

    Methuselah (CD97) Fliege / 35 Prozent weniger Stressresistenz und Kommuni-kation von Nervenzellen

    unbekannt

  • rSPEKTRUM DER WISSENSCHAFT Q OKTOBER 2006 39

    STAC, nach dem englischen Begri dafr hat sich Resveratrol erwiesen. Dieses kleine Molekl wird von vielen P anzen unter Stressbedingungen herge-stellt und ist auch in Rotwein enthalten. P anzen erzeugen nach derzeitigem Stand noch mindestens 18 weitere Subs-tanzen mit einer solchen Eigenschaft mglicherweise regulieren sie damit ihre eigenen Sir 2-Enzyme.

    Lngeres Lebendank RotweinsubstanzWird Resveratrol der Nahrung von He-fen, Wrmern oder Fliegen zugesetzt, so verlngert sich ihre Lebensspanne wie bei Schmalkost um etwa ein Drittel, aber wiederum nur, wenn diese Organismen ein funktionsfhiges SIR 2-Gen besitzen. Umgekehrt lsst sich bei vernderten Tau iegen, die auf Grund einer ber-produktion des Proteins bereits langle-biger sind, die Grenze weder durch Res-veratrol noch durch Kalorienrestriktion weiter hinausschieben. Die einfachste Erklrung dafr ist, dass jede Manah-me fr sich lebensverlngernd wirkt, in-dem sie das Enzym bei Fliegen aktiviert.

    Erhalten normale Fliegen Resvera-trol, knnen sie fressen, so viel sie wol-len, und leben trotzdem lnger als sonst. Zudem leiden sie nicht an verminderter Fruchtbarkeit, die oft Folge der Extrem-dit ist. Das sind gute Neuigkeiten fr jene Forscher, die Medikamente, die an Sirtuinen ansetzen, gegen menschliche Krankheiten entwickeln mchten. Doch zunchst gilt es, die Funktion dieser En-zyme bei Sugetieren besser zu verstehen.

    Dem SIR 2-Gen der Hefe entspricht bei Sugetieren das Gen SIRT 1, fachlich ausgedrckt: Es ist ihm homolog. Sein Protein Sirt 1 entfernt ebenfalls Ace-tylgruppen, allerdings von einer greren Bandbreite von Proteinen, und das nicht nur im Zellkern, sondern auch auerhalb im Zellplasma. Mehrere der bislang iden-

    ti zierten Zielproteine steuern wichtige Prozesse, darunter Apoptose, Zellabwehr und Sto wechsel (siehe Kasten auf S. 40). Die SIR 2-Genfamilie hat also an-scheinend auch bei Sugetieren ihre Rol-le als mglicher Lebensverlngerer bei-behalten. Doch wie es bei greren und komplexer aufgebauten Organismen nicht berrascht, sind dort die Signal-wege, ber die Sirtuine ihre Wirkung entfalten, erheblich verwickelter.

    Bei Musen und Ratten lsst mehr Sirt 1 beispielsweise manche Zellen noch Stress berleben, bei dem sie sonst schon ihr Selbstmordprogramm eingeleitet ht-ten. Das Enzym reguliert unter anderem die Aktivitt weiterer Schlsselproteine, darunter p53, FoxO und Ku70, die ent-weder die Selbstmordschwelle beein us-sen oder die Zellreparatur anstoen (sie-he Kasten S. 40). Dadurch erkauft es mehr Zeit fr eine zugleich wirksamere Behebung der Schden.

    ber die gesamte Lebensdauer gese-hen knnte Zellverlust durch Apoptose ein bedeutender Faktor des Alterns sein, insbesondere von nicht erneuerbaren Ge-weben wie in Herz und Gehirn. Ein Ver-langsamen des Schwunds mag einer der Wege sein, wie Sirtuine ihre positive Wir-kung auf Gesundheit und Lebensspanne entfalten. Ein eindrucksvolles Beispiel bei Sugetieren bietet die Wallersche Maus-mutante. Bei diesen Tieren sind durch Verdopplung eines einzigen Gens die Nervenzellen hochresistent gegen Stress, sodass sie bei Schlaganfllen, Chemothe-rapien und neurodegenerativen Erkran-kungen nicht so leicht absterben.

    Im Jahr 2004 zeigte Je Milbrandt von der Washington-Universitt in St. Louis mit seinen Kollegen, dass infolge der Wallerschen Genmutation die Akti-vitt eines Enzyms steigt, das an der Syn-these von NAD beteiligt ist. O ensicht-lich schtzt das berschssige NAD Neuronen, indem es seinerseits das

    Sirt 1-Protein aktiviert. Mit STACs wie Resveratrol lie sich, wie das Team dann feststellte, ein ganz hnlicher Schutz bei Neuronen normaler Muse erzielen.

    Wie eine noch jngere Studie von Christian Nri vom franzsischen Natio-nalinstitut fr Gesundheit und Medizi-nische Forschung in Paris ergab, beugen Resveratrol und Fisetin (ein weiteres STAC) sogar dem Absterben von Ner-venzellen genmanipulierter Wrmer und Muse vor, die als Modellorganismen fr die menschliche Huntington-Krankheit dienen. Wieder funktionierte der Schutz nur in Gegenwart funktionsfhi ger Sir-tuin-Gene.

    Fett und FastenDoch zurck zur Kalorienrestriktion und ihren gnstigen Auswirkungen: Wenn Sirtuine und ihre Gene wirklich die Ver-mittlerrolle spielen wie kann dann die Ernhrung nicht nur deren Aktivitt in der Zelle, sondern damit zugleich die Al-terungsprozesse im ganzen Tier steuern? Wie Pere Puigserver von der Johns- Hopkins-Universitt in Baltimore (Mary-land) mit seinen Kollegen feststellte, er-hht sich beim Fasten der NAD-Gehalt in Leberzellen, was erwartungsgem das Enzym Sirt 1 strker aktiviert. Zu den Proteinen, die es von Acetylgruppen be-freit, gehrt auch PGC-1. ber diesen wichtigen Regulator (einem Co-Aktiva-tor fr die Transkription, das Abschrei-ben von Genen) werden schlielich n-derungen im zellulren Glucosesto -wechsel herbeigefhrt. Sirt 1 fungiert so-mit als Sensor, der auf die Verfgbarkeit von Nhrsto en reagiert und zugleich die Reaktion der Leber darauf regelt.

    hnliche Befunde sprechen fr ein Modell, wonach das Enzym als ein zent-raler Sto wechselregulator in Leber- wie auch in Muskel- und Fettzellen dient, in-dem es hier Schwankungen der Nhr-sto zufuhr ber das vernderte NAD/

    lBei Sugetieren scheint das Enzym Sirt1 es entspricht Sir2 in der Hefe

    fr den gesundheitsfrdernden und le-bensverlngernden Effekt einer begrenz-ten Kalorienzufuhr verantwortlich zu sein. Nahrungsmangel und andere biologische Stressfaktoren steigern seine Aktivitt, was wiederum Vernderungen in den Zel-len bewirkt. ber eine vermehrte Produk-tion bestimmter Signalmolekle, wie etwa Insulin, koordiniert Sirt1 mglicherweise die Stressantwort im ganzen Krper.

    Sirt 1

    Kalorienmangel undanderer biologischer Stress

    koordinierteStressantwort

    erhhte Reparaturund Abwehr

    gesteigerte Produktion und Verwertung von Energie

    lngeres berlebenvon Zellen

    bessereDNA-Stabilitt

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    40 SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT Q OKTOBER 2006

    NADH-Verhltnis erfasst und das Mus-ter der Genaktivitt in diesen Geweben weithin beein usst. Dieses Modell wrde auch erklren, wie Sirt 1 viele der Gene und Signalwege einbeziehen knnte, die sich auf die Langlebigkeit auswirken (be-schrieben im Kasten S. 38).

    Seine krperweiten Aktivitten ver-mittelt das Enzym jedoch mglicherweise ber mehrere Mechanismen. So geht eine andere bestechende Hypothese davon aus, dass Sugetiere ber die im Krper-fett gespeicherten Energievorrte regis-trieren, wie gut sie mit Nahrung versorgt sind. Abhngig von den Reserven an die-sem Hauptbrennsto senden Fettzellen unterschiedliche hormonelle Signale an Zellen anderer Gewebe. Da Schmalkost Depots abbaut, sorgt sie mglicherweise fr ein hormonelles Muster, das Knapp-heit signalisiert, was wiederum Abwehr-mechanismen der Zellen aktiviert. Ge-sttzt wird diese Idee durch bestimmte gentechnisch vernderte Muse, die ex-trem mager bleiben, egal wie viel sie fres-sen: Auch sie leben gewhnlich lnger.

    Angesichts dieser Hypothese fragten wir uns, ob Sirt 1 vielleicht im Gegenzug

    auch die Fettspeicherung regelt. Tatsch-lich wird das Enzym in Fettzellen bei eingeschrnkter Nahrungszufuhr aktiver, worauf Brennsto aus den Depots in den Blutstrom bertritt, damit andere Gewebe daraus Energie gewinnen kn-nen. Sirt 1 registriert die Ernhrungssitu-ation so nun unsere Annahme und legt dann fest, wie viel Fett in den Zellen gespeichert, und damit auch, welches Hormonmuster von ihnen erzeugt wird. Dieser E ekt wrde wiederum bestim-men, wie schnell ein Organismus altert und damit Sirt 1 zu einem Schlsselregu-lator fr die durch Kalorienrestriktion herbeigefhrte Langlebigkeit bei Suge-tieren machen.

    Dadurch ergbe sich auch ein enger Zusammenhang zwischen Altern und durch bergewicht gefrderten Sto -wechselerkrankungen wie Typ2-Diabe-tes. Gelnge es, pharmakologisch in die Sirt 1-Signalkaskade von Fettzellen ein-zugreifen, liee sich mglicherweise nicht nur der Alterungsprozess verlangsa-men, sondern auch bestimmten Krank-heiten vorbeugen. Das Enzym beein- usst berdies einen weiteren kritischen

    Prozess: Entzndungen. Sie spielen un-ter anderem bei Krebs, Arthritis, Asth-ma, Herzleiden und neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle. Nach neueren Untersuchungen von Wissenschaftlern um Martin Mayo an der Universitt von Virginia in Charlottesville hemmt Sirt 1 den entzndungsfrdernden Pro-teinkomplex NF-B. Der Sirt 1-Akti-vator Resveratrol erzielt den gleichen E ekt. Dies ist in zweierlei Hinsicht er-mutigend: Denn zum einen ist die Su-che nach NF-B-Inhibitoren ein sehr aktives Gebiet der Pharmaforschung, zum anderen ist bereits wohlbekannt, dass eine beschrnkte Kalorienzufuhr ex-zessive Entzndungsreaktionen unter-drckt.

    Wenn das SIR 2-Gen in seinen Ver-sionen wirklich das bergeordnete Steu-erungselement eines stressaktivierten re-gulatorischen Systems fr das Altern ist, so zieht es die Fden mglicherweise als Dirigent eines Orchesters, das sich aus hormonellen Netzwerken, intrazellu-lren regulatorischen Proteinen und ver-schiedenen Genen zusammensetzt, die mit Langlebigkeit assoziiert sind. So war

    Sirtuine in der Zelle

    Das Sirt 1-Enzym ist das bestuntersuchte, aber nicht das einzige Sirtuin von Suge-tieren. Es entfernt Acetylgruppen von an-deren Proteinen im Zellkern wie auch im Zellplasma und verndert dadurch ihr Ver-halten. Viele seiner Zielmolekle sind ent-weder so genannte Transkriptionsfaktoren, die Gene direkt aktivieren, oder regula-torische Proteine, die diese Faktoren be-einfl ussen (siehe Beispiele rechts unten). Auf diese Weise kann Sirt 1 eine groe Bandbreite wichtiger Zellfunktionen kon-trollieren.

    Ob seine Verwandten, die in unter-schiedlichen Bereichen der Zellen vor-kommen, ebenfalls die Lebensdauer be-einfl ussen, wird ebenso wie ihre genaue Rolle noch untersucht. Sirt 2 beispielswei-se modifi ziert Tubulin, einen Bestandteil des Zellgersts, und beeinfl usst mgli-cherweise die Zellteilung. Sirt 3 ist in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochon-drien, aktiv und scheint auch an der Regu-lation der Krpertemperatur beteiligt zu sein. Mutationen im Gen, das fr Sirt 6 co-diert, werden mit vorzeitiger Alterung in Verbindung gebracht.

    Einige Zielproteine von Sirt 1

    FoxO1, FoxO3 und FoxO4: Transkriptionsfaktoren fr Gene, die am Zellschutz und Glucosestoffwech-sel beteiligt sindHistone H3, H4 und H1: kontrollieren die Packungs-dichte der DNA in den ChromosomenKu70: Transkriptionsfaktor, der die DNA-Reparatur und das berleben der Zelle frdertMyoD: Transkriptionsfaktor, der Muskelentwick-lung und Gewebsreparatur frdertNcoR: Regulator, der zahlreiche Gene beeinfl usst, darunter solche, die am Fettstoffwechsel und an Entzndungsprozessen beteiligt sind sowie am

    Funktionieren anderer Regulatoren, etwa des Proteins PGC-1NF- B: Transkriptionsfaktor, der Entzndungen, das berleben von Zellen und das Zellwachstum steuertP300: Regulator, der fr das Anheften von Acetyl-gruppen an Histone sorgtp 53: Transkriptionsfaktor, der den programmier-ten Tod geschdigter Zellen einleitetPGC-1 : Regulator, der die Zellatmung kon trolliert und anscheinend eine zentrale Rolle bei der Mus-kelentwicklung spielt

    Zellkern

    Sirt 6

    Sirt 1

    Mitochondrien

    Sirt 3

    Sirt 4

    Zellplasma

    Sirt 5

    Sirt 7

    Sirt 1

    Sirt 2

    TAM

    I TO

    LPA

  • SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT Q OKTOBER 2006 41

    eine der bemerkenswerten Entdeckun-gen der letzten Jahre, dass das Sirt 1- Enzym auch die Bildung von Insulin und dem insulinhnlichen Wachstums-faktor 1 (IGF-1) reguliert und dass diese beiden wichtigen Signalmolekle wie-derum innerhalb einer komplexen Rckkopplungsschleife die Produktion von Sirt 1 zu regeln scheinen. Mit dieser faszinierenden Beziehung liee sich er-klren, wie die Sirt 1-Aktivitt eines Ge-webes anderen Zellen im Krper ber-mittelt werden knnte. Auerdem be-stimmt der Gehalt an diesen beiden Substanzen im Blut bekanntermaen die Lebensspanne von Wrmern, Flie-gen und Musen mglicherweise auch die von uns Menschen.

    Zu frh geborenSeit jeher ist es ein Traum der Mensch-heit, das Altern zu verlangsamen. Fr manche unter uns scheint daher kaum vorstellbar, dass dies durch Herum-schrauben an einer Hand voll Gene ge-lingen knnte. Doch nachweislich lsst sich das Altern von anderen Sugetieren durch eine einfache Umstellung der Er-nhrung hinauszgern auf eine strikt kalorienbegrenzte Kost. Und wie wir ge-zeigt haben, kontrollieren Sirtuin-Gene viele derselben molekularen Signalketten, die von der Umstellung beein usst wer-den. Ohne genau die mutmalich unzh-ligen Ursachen des Alterns mit seinen Gebrechen zu kennen, haben wir ferner bereits bei verschiedenen Lebewesen nachgewiesen, dass es sich auch ohne Dauerfasten hinauszgern lsst. Wir brau-chen nur ein paar Regulatoren zu mani-pulieren und sie verhelfen diesen Orga-nismen von selbst zu besserer Gesundheit.

    Wir wissen auch, dass die SIR 2-Genfamilie evolutionr sehr alt ist. Denn deren Vertreter und ihre Proteine nden sich heute bei so verschiedenen Organis-men wie Bckerhefe, Leishmania-Para-siten, Fadenwrmern, Fliegen und Men-schen. Sirtuine bestimmen bei allen die Lnge des Lebens nur beim Menschen ist das bisher noch nicht untersucht. Al-lein schon auf Grund dieser evolutio-nren Basis sind wir zuversichtlich, dass in menschlichen Sirtuin-Genen wohl auch der Schlssel fr unsere Gesund-heit und Lebensdauer liegt.

    Unsere beiden Arbeitsgruppen fh-ren gerade sorgfltig kontrollierte Expe-rimente an Musen durch, die uns schon bald erste Antworten liefern werden, ob das Sirt 1-Gen bei Sugern diese Funk-tion erfllt. Bis wir allerdings wissen, ob und wie Sirtuin-Gene die Lebensspanne von Menschen festlegen, werden wir uns sicher noch Jahrzehnte gedulden ms-sen. Wer ho t, eine Pille zu schlucken und 130 zu werden, ist mglicherweise ein Jahrhundert zu frh geboren. Aber immerhin kann er vielleicht noch zu Lebzeiten einmal von Medikamenten pro tieren, welche die Aktivitt von Sirtuin-Enzymen modulieren, um be-stimmte Leiden wie Alzheimer, Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen zu be-handeln. Fr mehrere Wirksto e, die zur / erapie von Diabetes, Herpes und neu-rodegenerativen Krankheiten bestimmt sind, hat zumindest bereits die klinische Erprobung begonnen.

    Langfristig ho en wir, dass die Ent-schlsselung der Geheimnisse von Lang-lebigkeitsgenen mehr erlauben wird, als altersbedingte Erkrankungen blo zu be-handeln. Denn besser wre, sie zu ver-

    David A. Sinclair kam 1995 als Postdoc zu Leonard P. Gu-arente am Massachusetts Ins-titute of Technology in Cam-bridge. Er ist inzwischen Direktor der Paul-F.-Glenn-Laboratorien zur Aufklrung der biologischen Mechanismen des Alterns an der Harvard Medical School so-wie Beigeordneter des Broad-Instituts fr Systembiologie in Cambridge. Guarente, Novartis-

    Professor fr Biologie, gehrt seit 25 Jahren der Fakultt des M.I.T. an. Beide Wissenschaftler ha-ben jeweils eine eigene Biotechnologiefi rma ge-grndet, um sirtuinaktivierende Molekle fr den pharmazeutischen Einsatz zu entwickeln.

    Das Wunder der ber 120-Jhrigen. Von Shino Nemeto und Toren Finkel in: SdW, November 2004, S. 70

    Toward a unifi ed theory of caloric restriction and longevity regulation. Von David A. Sinclair in: Me-chanisms of Aging and Development, Bd. 126, Nr. 9, S. 987, September 2005

    Caloric restriction, Sirt1 and metabolism: under-standing longevity. Von Laura Bordone und Leo-nard Guarante in: Nature Reviews Molecular and Cell Biology, Bd. 6, S. 298, April 2005

    The secrets of aging. Von Sophie L. Rovner in: Chemical & Engineering News, Bd. 82, Nr. 34, S. 30, 2004

    Weblinks zu diesem Thema fi nden Sie bei www.spektrum.de unter Inhaltsverzeichnis.

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    hindern. Wie wird aber eine Gesellschaft aussehen, in der sich die Menschen bis weit in ihre Neunziger jugendlich fhlen und relativ frei von heute blichen Krankheiten sind? Einige Besorgte m-gen sich fragen, ob es berhaupt gut ist, an unserer Lebensspanne herumzu-schrauben. Doch zu Beginn des 20. Jahr-hunderts betrug die Lebenserwartung eines Neugeborenen nur etwa 45 Jahre. Seitdem ist sie auf ungefhr 75 gestiegen, hauptschlich dank dem Aufkommen von Antibiotika und Fortschritten im Gesundheitswesen, wodurch frher oft tdliche Infektionen behandelt oder ver-mieden werden knnen.

    Dem dramatischen Anstieg der Le-benserwartung hat sich die Gesellschaft angepasst. Sicher sehnen sich nur wenige nach einem Leben ohne diese medizi-nischen Errungenschaften zurck. Be-stimmt werden knftige Generationen, die einmal gewohnt sind, lter als 100 Jahre zu werden, auch unsere gegenwr-tigen Bemhungen um bessere Gesund-heit als primitive Anstze einer vergan-genen ra werten. l