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Skript zum Chemischen Praktikum f ¨ ur Studierende der Biologie und Humanbiologie Fachbereich Chemie Philipps-Universit¨ at Marburg 2. April 2004

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Skript zum Chemischen Praktikum furStudierende der Biologie und Humanbiologie

Fachbereich ChemiePhilipps-Universitat Marburg

2. April 2004

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Zusammenfassung

Dies ist die zweite revidierte Fassung des Skripts zum organischen Teil desChemischen Praktikum fur Studierende der Biologie und Humanbiologie. Esentstand im Rahmen einer volligen Neubearbeitung vorhandener Materiali-en und unter Einarbeitung neuer Gesichtspunkte (Sicherheit, Umweltvertrag-lichkeit der Versuche etc.) und wurde von Dr. Jurgen Muller in Zusammenar-beit mit Dr. Ulrich Wolf verfasst. Sollten Sie in dieser Ausgabe Fehler finden(was zu vermuten ist) oder sollten Sie Anregungen zu Versuchen oder zumPraktikum haben (was zu hoffen ist), geben Sie diese bitte bei Dr. PhilippReiß ab <[email protected]>.

Zur Beachtung: Dieses Skript ersetzt nicht das zum Praktikum angeboteneSeminar!

Der Inhalt der theoretischen Kapitel kann von dem Stoff des Seminarsabweichen. Es wird vorausgesetzt, dass sich der Praktikant auch in den gan-gigen Lehrbuchern uber die theoretischen Hintergrunde informiert.

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Inhaltsverzeichnis

1 Informationen zum Praktikum 5

2 Das Vorpraktikum 92.1 Wichtige Handgriffe im Labor (1. Woche) . . . . . . . . . . . . 9

2.1.1 Entsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.1.2 Umgang mit dem Bunsenbrenner . . . . . . . . . . . . 102.1.3 Umgang mit Reagenzglasern . . . . . . . . . . . . . . . 122.1.4 Herstellen und titrieren von Losungen . . . . . . . . . . 132.1.5 Filtrieren und zentrifugieren . . . . . . . . . . . . . . . 152.1.6 Umgang mit dem Scheidetrichter . . . . . . . . . . . . 17

3 Allgemeine und anorganische Chemie 193.1 Themen des 1. Kolloquiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.2 Losungen und Mischungen (2. Woche) . . . . . . . . . . . . . 21

3.2.1 Versuch: Losen von Kupfersulfat . . . . . . . . . . . . . 273.2.2 Versuch: Losen von Kaliumchlorid . . . . . . . . . . . . 283.2.3 Versuch: Losungsenthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . 293.2.4 Versuch: Biomolekule in Losung . . . . . . . . . . . . . 30

3.3 Verteilungsgleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.3.1 Versuch: Extraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.3.2 Versuch: Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353.3.3 Versuch: Dialyse von Riboflavin/Hamoglobin . . . . . . 36

3.4 Chem. Gleichgewichte, Massenwirkungsgesetz . . . . . . . . . 373.4.1 Versuch: Das Kalkgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . 413.4.2 Versuch: Iodstarke-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . 44

3.5 Saure/Base-Reaktionen und Puffer (3. Woche) . . . . . . . . . 453.5.1 Versuch: Saure und basische Salze . . . . . . . . . . . . 503.5.2 Versuch: Titration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513.5.3 Versuch: Titrationskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . 543.5.4 Analyse 1: Bestimmung von HCl . . . . . . . . . . . . 563.5.5 Versuch: Puffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

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INHALTSVERZEICHNIS 3

3.6 Themen des 2. Kolloquiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623.7 Redoxreaktionen (4.–5. Woche) . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

3.7.1 Versuch: Metallionen, Spannungsreihe . . . . . . . . . . 703.7.2 Versuch: Lokalelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713.7.3 Versuch: pH-Abhangigkeit des Redoxpotentials . . . . 723.7.4 Versuch: Wasserstoffperoxid als redoxamphoteres System 74

3.8 Komplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753.8.1 Versuch: Cu-Komplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783.8.2 Versuch: Fe-Komplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 803.8.3 Versuch: Gleichgewicht von Kupferkomplexen . . . . . 813.8.4 Versuch: Magnesium im Spinat . . . . . . . . . . . . . 83

3.9 Analytische Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853.9.1 Analyse 2: Bestimmung von NaCl durch Ionenaustau-

scher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853.9.2 Analyse 3: Photometrische Bestimmung von Phosphat 89

4 Organische Chemie 934.1 Themen des 3. Kolloquiums: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934.2 Einfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

4.2.1 Versuch: Betrachtung an Molekulmodellen . . . . . . . 1054.3 Substitution, Eliminierung, Addition (6.–7. Woche) . . . . . . 109

4.3.1 Versuch: SN1- und SN2-Substitution: t-Butylchlorid . . . 1114.3.2 Versuch: Eliminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1154.3.3 Versuch: Addition an Doppelbindungen . . . . . . . . . 117

4.4 Carbonylverbindungen, Aciditat (8.–9. Woche) . . . . . . . . . 1204.4.1 Versuch: Saurestarke organischer Verbindungen . . . . 1254.4.2 Versuch: Aldolkondensation . . . . . . . . . . . . . . . 1264.4.3 Versuch: Praparative Darstellung eines Esters . . . . . 1294.4.4 Versuch: Fettverseifung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1334.4.5 Versuch: Decarboxylierung . . . . . . . . . . . . . . . . 134

4.5 Identifizierung organischer Stoffe (10. Woche) . . . . . . . . . 1384.5.1 Versuch: Nachweis von Alkoholen . . . . . . . . . . . . 1394.5.2 Versuch: Nachweis von Aminen . . . . . . . . . . . . . 1414.5.3 Versuch: Nachweis von Aldehyden und Ketonen . . . . 1424.5.4 Analyse 4: Organische Substanzen . . . . . . . . . . . . 143

4.6 Themen des 4. Kolloquiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1464.7 Zucker/Kohlenhydrate (11.–12. Woche) . . . . . . . . . . . . . 147

4.7.1 Versuch: Aufbau von Molekulmodellen . . . . . . . . . 1544.7.2 Wahlpflichtversuch: Fehlingsche Probe (1/6) . . . . . . 1564.7.3 Wahlpflichtversuch: Probe nach Tollens (2/6) . . . . . 1574.7.4 Wahlpflichtversuch: Reduz. Wirkung von D-Glucose (3/6)159

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4 INHALTSVERZEICHNIS

4.7.5 Wahlpflichtversuch: Reakt. v. Glucose mit Methylen-blau (4/6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

4.7.6 Wahlpflichtversuch: Red. v. Kaliumpermanganat durchGlucose (5/6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

4.7.7 Wahlpflichtversuch: Holzverzuckerung (6/6) . . . . . . 1634.7.8 Versuch: Prufung von Saccharose mit Fehlingscher Lo-

sung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1644.7.9 Versuch: Inversion von Saccharose . . . . . . . . . . . . 1654.7.10 Versuch: Nachweis von Vitamin C . . . . . . . . . . . . 1664.7.11 Versuch: Pentaacetylderivat eines Monosaccharids . . . 1694.7.12 Wahlpflichtversuch: Herstellung von Starkekleister (1/4)1714.7.13 Wahlpflichtversuch: Saurehydrolyse der Starke (2/4) . . 1724.7.14 Wahlpflichtversuch: Enzymatische Hydrolyse von Star-

ke (3/4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1734.7.15 Versuch: Untersuchung von Nahrungsmitteln auf Star-

ke (4/4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1744.8 Aminosauren und Proteine (13.–14. Woche) . . . . . . . . . . 176

4.8.1 Versuch: Titration von Glycin . . . . . . . . . . . . . . 1784.8.2 Versuch: Isoelektrischer Punkt und Loslichkeit von Ca-

sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1824.8.3 Versuch: Gewinnung von Casein . . . . . . . . . . . . . 1844.8.4 Versuch: Aussalzen von Casein . . . . . . . . . . . . . . 1854.8.5 Versuch: Hippursaure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1864.8.6 Versuch: Einwirkung von Natriumhydroxidlosung auf

Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1884.8.7 Versuch: Proteinbestimmung durch Biuretreaktion . . . 1894.8.8 Analyse 5: Trennung und Identifizierung eines Amino-

sauregemisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

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Kapitel 1

Informationen zum Praktikum

Aufbau des Skriptes

Dieses Skript beinhaltet alle Versuchsvorschriften der im Biologen-Praktikumzu absolvierenden Versuche. Die Versuche sind jeweils fur eine Praktikums-woche zusammengestellt und konnen nur in der dafur vorgesehenen Wochedurchgefuhrt werden. Die benotigten Chemikalien werden nur fur die jewei-lige Praktikumswoche bereitgestellt.

Zu Beginn eines jeden Themenblocks finden Sie eine kurze Zusammen-fassung der wichtigsten theoretischen Fakten. Diese Zusammenfassung kannund soll ein Lehrbuch nicht ersetzen. Es ist unbedingt notwendig, dass Siesich in den Lehrbuchern ihrer Wahl uber die jeweiligen Themen informieren.Dies kann anhand der angegebenen Stichworter geschehen.

Jede Versuchsvorschrift besteht aus sechs Teilen:

Stichworte: Hier stehen alle Stichworte, die dem Praktikanten helfen sol-len, in den einschlagigen Lehrbuchern die theoretischen Aspekte desVersuchs nachschlagen zu konnen.

Allgemeines: Hier werden die fur den Versuch wichtigen theoretischen Hin-tergrunde in kurzen Worten beschrieben. Diese Ausfuhrungen konnennicht das Lehrbuch ersetzen, sondern sind nur als eine mehr oder we-niger vollstandige Zusammenfassung zu verstehen.

Chemikalien: Fur den Versuch benotigte Chemikalien.

Durchfuhrung: Eine moglichst klare Beschreibung der auszufuhrenden Ta-tigkeiten.

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6 KAPITEL 1. INFORMATIONEN ZUM PRAKTIKUM

Aufgaben: An dieser Stelle sind alle Aufgaben zusammengefasst, welche derPraktikant zu bearbeiten und in seinem Laborjournal zu protokollierenhat.

Entsorgung: Vorgehensweise bei der Entsorgung und Name des Sammelge-faßes.

Vorgehensweise im Praktikum

Zu Anfang eines jeden Praktikumstages bespricht der Assistent kurz die noti-gen theoretischen Grundlagen der Versuche und behandelt die bei der Vorbe-reitung aufgekommenen Fragen der Praktikanten. Der Assistent ist gehaltendiese Fragen zu beantworten, aber auch den Grad der Vorbereitung der Prak-tikanten zu beurteilen. Nur wer gut vorbereitet ist, kann qualifizierteFragen stellen.

Kolloquien

In diesem Skript werden am Anfang des entsprechenden Themenblocks dieStichworte des dazugehorenden Kolloquiums aufgelistet. Der Praktikant hatdamit einen Anhaltspunkt fur die Vorbereitung auf das Kolloquium. DasKolloquium wird immer vor dem jeweiligen Themenblock durchgefuhrt. DieVersuche des Themenblocks konnen nur nach erfolgreicher Teilnahme an demKolloquium durchgefuhrt werden. Wahrend der Kolloquien werden auch Fra-gen zur Sicherheit im Labor gestellt.

Laborjournal und Versuchsprotokolle

Das Laborjournal besteht aus einem gebundenen Schreibbuch der Große A4oder A5. Jedes Protokoll ist dem Assistenten spatestens am nachfolgendenPraktikumstag zur Begutachtung vorzulegen. Genugt das Protokoll den An-forderungen, unterschreibt der Assistent das Versuchsprotokoll.Ein Protokoll sollte folgendermaßen aufgebaut sein:

• Uberschrift: Nummer und Name des Versuchs.

• Kurze Beschreibung der Tatigkeit mit Reaktionsgleichungen (falls mog-lich).

• Losungen der verschiedenen Aufgaben.

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Das Protokoll sollte handschriftlich abgefasst sein. Anfang und Ende einesVersuchsprotokolls sollten klar erkennbar sein.

Am Ende des Praktikums wird der Assistent die Laborjournale einsammelnund abschließend auf Vollstandigkeit prufen und bewerten.

Hinweise auf Gefahren

Bei Handelsprodukten sind Hinweise auf die Eigenschaften des Gefahrstoffesden aufgedruckten Gefahrensymbolen und Gefahrenbezeichnungen zu ent-nehmen. Die dazugehorigen, ebenfalls auf der Verpackung befindlichen, Ge-fahrenhinweise (R-Satze) und Sicherheitsratschlage (S-Satze) sind zu beach-ten.

E O F F+ TExplosiv Brandfordernd Leichtentzund-

lichHochentzund-lich

Giftig

T+ Xn Xi C NSehr giftig Gesundheits-

schadlichReizend Atzend Umweltgefahr-

lich

Alle chemischen und biologischen Stoffe, deren Ungefahrlichkeit nicht zwei-felsfrei feststeht, sind als Gefahrstoffe anzusehen und entsprechend zu behan-deln.

Arbeiten mit Gefahrstoffen, bei denen diese in die Atemluft eintreten konnen,sind moglichst im geschlossenen Abzug durchzufuhren.

Beim Umgang mit Gefahrstoffen muss ein geeigneter Augenschutz (Schutz-brille) getragen werden. In Bereichen, in denen mit chemischen Stoffengearbeitet wird, ist standig eine Schutzbrille zu tragen.

Der Kontakt von Gefahrstoffen mit der Haut oder der Kleidung ist grund-satzlich zu vermeiden. Bei Arbeiten mit Gefahrstoffen ist geeignete Arbeits-schutzkleidung (Laborkittel) zu tragen. Gegebenenfalls sind geeignete Schutz-handschuhe aus bestandigem Gummi oder Kunststoff zu benutzen.

Essen, Trinken, Rauchen oder Schnupfen ist in Bereichen, in denen mit Ge-fahrstoffen gearbeitet wird, verboten.

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8 KAPITEL 1. INFORMATIONEN ZUM PRAKTIKUM

Wird Kleidung durch unvorhergesehene Zwischenfalle mit Gefahrstoffen starkverschmutzt oder durchtrankt, ist sie sofort auszuziehen.Vor der Aufnahme von Speisen sind die Hande grundlich mit geeignetenReinigungsmitteln zu waschen.Lesen Sie grundlich die in ihrem Arbeitsplatz befindlichen Broschuren zur Ar-beitssicherheit durch. Informieren Sie sich uber die Sicherheitseinrichtungenim Labor (Notduschen, Augenduschen, Feuerloscher, Verbandkasten).

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Kapitel 2

Das Vorpraktikum

2.1 Wichtige Handgriffe im Labor (1. Woche)

Dieses Vorpraktikum soll ihnen die wahrend des Praktikums benotigten Hand-griffe und Techniken im Labor naherbringen. Der Assistent wird ihnen Auf-bau und Umgang mit den Geraten vor jeder Aufgabe zeigen und auf die si-cherheitsrelevanten Aspekte eingehen. Danach fuhren Sie die Aufgaben selb-standig unter Aufsicht des Assistenten aus.

2.1.1 Entsorgung

Der Assistent zeigt Ihnen die sich im Labor befindlichen verschiedenen Ab-fallgefaße.

Blaue oder schwarze Tonne: Fur trockene Feststoffe, beschmutzte Glas-abfalle, trockene Filterpapiere, u. a.; bitte nur trockene (feste) Chemi-kalien oder Gegenstande einwerfen.

Brauner oder blauer Metallbehalter: Organische Losungsmittel wieChloroform, Petrolether u. a. Die Losungen bitte vorher mit dem pH-Papier auf pH-Neutralitat uberprufen. In diesen Kanister durfen nurneutrale Losungen entsorgt werden.

Kunststoffkanister: Wassrige Schwermetallabfalle. Die Losungen bitte vor-her mit dem pH-Papier auf pH-Neutralitat uberprufen. In diesen Ka-nister durfen nur neutrale Losungen entsorgt werden.

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10 KAPITEL 2. DAS VORPRAKTIKUM

2.1.2 Umgang mit dem Bunsenbrenner

Bunsenbrenner und Teclubrenner benutzt man im Labor zum kurzzeitigenErhitzen kleinerer Gefaße wie Reagenzglaser, Becherglaser oder Porzellan-schalen. Auch einfache Glasbearbeitung wird mit diesen Brennern durchge-fuhrt.

Vor Inbetriebnahme des Brenners wird seine Luftzufuhr geschlossen. Da-nach wird er an den gelben Hahn am Labortisch angeschlossen (auf festen Sitzdes Schlauches achten). Die Gaszufuhr am Brenner und der Gashahn werdengeoffnet und die Flamme gezundet. Der Brenner brennt mit einer leuchten-den, gelben Flamme. Mit Offnen der Luftzufuhr wird die Flamme blau. Beivoller Luft- und Gaszufuhr besteht die Brennerflamme aus mehreren Zonen.

Die Spitze des inneren Kegels ist der heißeste Punkt der Flamme. Dortkonnen Temperaturen bis 1500C auftreten. Das Innere dieses Kegels ist dem-gegenuber eine relativ kuhle Zone. Dort befindet sich noch nicht verbranntesGas-Luft-Gemisch.

Aufgabe 2.1 Die Zonen der BrennerflammeLassen Sie sich die korrekte Bedienung des Brenners vorher vom Assistentenzeigen.Die unterschiedlichen Temperaturen der Flammenzonen lassen sich mit Hil-fe eines Magnesiastabchens zeigen. Halten Sie ein Magnesiastabchen in dieverschiedenen Zonen der Brennerflamme. Es wird nur uber der Spitze des in-neren Kegels hell aufleuchten. Versuchen Sie dasselbe auch mit einem StuckDraht (Vorsicht Holzklammer verwenden!!).

Entsorgung: Benutzte Magnesiastabchen oder Draht konnen nach demAbkuhlen in den Hausmull unter dem Waschbecken gegeben werden.

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2.1. WICHTIGE HANDGRIFFE IM LABOR (1. WOCHE) 11

Aufgabe 2.2 GlasbearbeitungGlasrohr zerschneidenLassen Sie sich ein Glasrohr vom Assistenten aushandigen und schneiden Sieein etwa 20–30 cm langes Stuck ab. Dazu ritzen Sie es an der gewunschtenStelle mit einer Ampullensage auf einer Seite ein, befeuchten die Stelle mitetwas Wasser, legen beide Daumen, geschutzt durch ein Tuch oder den Labor-kittel, gegenuber der Kerbstelle an und brechen das Glas unter etwas Druck

”ziehend“ auseinander. Die scharfkantigen Bruchenden werden unter standi-

gem Drehen in der heißen Brennerflamme rundgeschmolzen. Das noch heißeGlas unter Facheln abkuhlen lassen, nicht sofort auf die kalte Tischplattelegen oder in kaltes Wasser tauchen.Glasrohr zu einem rechten Winkel biegenDas Glasrohr wird in der heißen Flamme unter standigem Drehen auf einerlangeren Strecke (3–5 cm) erweicht und dann außerhalb der Flamme gleich-maßig zu einem rechten Winkel gekrummt; dabei durfen keine Verwindungenoder scharfen Knicke entstehen.Glasrohr zuschmelzenEin anderes Stuck Glasrohr wird am Ende erhitzt und mit einer Pinzette eineSpitze ausgezogen, die man abschneidet und abgerundet zuschmilzt. An demzugeschmolzenen Stuck lasst sich durch Schmelzen und Blasen eine Glaskugelformen.Pipetten und Kapillaren ziehenEin etwa 20 cm langes Glasrohr, das an beiden Enden rundgeschmolzen ist,wird in der Mitte unter Drehen gleichmaßig bis zum Erweichen erhitzt. Au-ßerhalb der Flamme zieht man das Rohr gleichmaßig und kraftig, aber nichtzu schnell auseinander, bis die gewunschte Form und Lange erreicht ist. Ziehtman dagegen das erhitzte Glasrohr außerhalb der Flamme rasch und kraftigauseinander, so entsteht ein langes Kapillarrohr, das man in etwa 7 cm langeStucke brechen und zum Applizieren kleinster Tropfchen auf Chromatogram-me, Objekttrager oder dergleichen benutzen kann.Ruhrstab herstellenSchneiden Sie ein ca. 20–30 cm langes Stuck Glasstab wie oben beschriebenzu und runden Sie die Enden in der Brennerflamme ab. Formen Sie auseinem Ende des Stabes eine kleine Platte. Sie erhalten damit einen Ruhr-und Mischstab (siehe Aufgabe 4).Entsorgung: Saubere Glasabfalle werden in den im Labor bereitstehendenGlasabfallbehalter entsorgt.

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12 KAPITEL 2. DAS VORPRAKTIKUM

2.1.3 Umgang mit Reagenzglasern

Das Reagenzglas ist ein Gefaß, in dem kleine Mengen Flussigkeit erhitzt wer-den konnen. Beim Erhitzen passiert es leicht, dass durch einen Siedeverzugdie heiße Flussigkeit herausspritzt und in ungunstigen Fallen Haut und Ge-sicht verbruht oder gar veratzt. Darum darf beim Erhitzen das Reagenzglasmit der Offnung nie auf einen Menschen zeigen. Losungen sollten generell imAbzug erhitzt werden.

Aufgabe 2.3 Erhitzen im Reagenzglas

Chemikalien: Nicht mehr als ca. 2 g Natriumchlorid (NaCl) pro Prakti-kant.Fullen Sie in ein Reagenzglas etwa drei Finger hoch entionisiertes Wasser.Versuchen Sie durch schrittweises Einfullen und Schutteln zuerst bei Raum-temperatur das Salz zu losen. Prufen Sie dabei mit der Hand die Temperaturdes Reagenzglases. Welche Veranderungen bemerken Sie?Lasst sich das Salz nicht mehr weiter losen (nach ca. 2–3 min. schutteln),erwarmen Sie das Reagenzglas uber dem Brenner. Dabei halten Sie das Rea-genzglas mit der Offnung immer von sich und anderen weg und schwenken esmit Hilfe der Reagenzglasklammer uber dem Brenner bis sich das Salz lost.Danach geben Sie unter Erwarmen weiter Natriumchlorid in kleinen Portio-nen zu. Die Losung darf beim Erwarmen nie zur Ruhe kommen, da sonst einSiedeverzug (plotzliches Aufkochen und Herausspritzen) erfolgen kann. DasErhitzen von Reagenzglasern sollte daher generell nur im Abzug erfolgen.Lasst sich das Salz auch in der Hitze nicht mehr losen, stellen Sie das Reagenz-glas in den Stander und lassen es 15 min. abkuhlen. Was ist zu beobachten?Entsorgung: Die Losung kann im Ausguß entsorgt werden.

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2.1. WICHTIGE HANDGRIFFE IM LABOR (1. WOCHE) 13

Aufgabe 2.4 MischenChemikalien: NaHCO3, Methylrot, 1 M EssigsaureIm Reagenzglas versetzt man nur 2–3 ml der gesattigtenNatriumhydrogencarbonat-(NaHCO3)-Losung mit 2 Tropfen Indikatorund fugt wiederum 1 M Essigsaure in kleinen Anteilen bis zum Umschlagzu. Durch schutteln des Reagenzglases kann man leicht und sauber volligeDurchmischung erzielen. Die Mengen wurden dem Reagenzglas angepasst.Achten Sie in den folgenden Reagenzglasversuchen immer auf die vernunftigeMenge, da nur so sauberes Arbeiten moglich ist.Entsorgung: Die Losung kann im Ausguss entsorgt werden.

2.1.4 Herstellen und titrieren von Losungen

Bei dieser Aufgabe geht es darum, den richtigen Umgang mit skalierten Glas-geraten wie Mess- und Vollpipetten, Buretten und Messzylindern zu uben.Um typische Fehler zu vermeiden, lesen Sie sich die folgenden Ausfuhrungengut durch.

Pipetten

In ihrem Arbeitsplatz finden Sie zwei Arten von Pipetten. Die Messpipette istdurchgehend skaliert. Mit ihr lassen sich verschiedene Volumina pipettieren.Die Vollpipette hat ein definiertes Volumen. Mit ihr kann man nur das auf derPipette angegebene Volumen pipettieren. Sie ist dafur aber auch die genauerePipette. Sollen also genau 20 ml pipettiert werden, wie es bei einer Titrationoft der Fall ist, so ist hier die 20 ml-Vollpipette das Gerat der Wahl.

Beim Entleeren der Pipette legt man die Auslaufspitze an die Wand desGefaßes, lasst die Pipette ruhig ausfließen und streift sie zuletzt an der Ge-faßwand ab. Die kleine Flussigkeitsmenge, die in der Pipette zuruckbleibt,ist bei der Eichung berucksichtigt. Die Pipette darf daher nicht ausgeblasenwerden.

Der Peleusball

Die Pipetten werden mit einem Peleusball bedient. Nie mit dem Mundpipettieren!! Lassen Sie sich die korrekte Bedienung des Peleusballs vomAssistenten vorfuhren.

Der Peleusball wird vorsichtig oben auf die Pipette gesteckt. Dabei ist un-bedingt darauf zu achten, dass der Pipettenschaft dabei das Ventil (2) nichtbeschadigt. Der Peleusball wird durch drucken des oberen Ventils (1) undgleichzeitiges zusammendrucken des Ballonteils entluftet. Durch drucken des

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14 KAPITEL 2. DAS VORPRAKTIKUM

unteren Ventils (2) wird die Pipette mit dem Ballonteil des Peleusballs in Ver-bindung gebracht. Durch den Unterdruck im Ballonteil wird die Flussigkeitin die Pipette gesaugt. Es ist in jedem Fall zu vermeiden, dass Flussigkeitin den Peleusball kommt. Dies kann den Peleusball unbrauchbar machen.Das seitliche Ventil (3) dient zum Beluften der Pipette. Wird dieses Ventilgedruckt, so lauft die Pipette aus.

Die Burette

Buretten sind graduierte Rohre, die gewohnlich 25–50 ml fassen. Zur Able-sung bestimmt man den Teilstrich der Burette, der den unteren Meniskusder Flussigkeit tangiert.

Ist die Burette mit einem blauen Schellbachstreifen ausgestattet, so zeigtdas an der Meniskusunterseite entstehende Dreieck den Ablesewert an derGraduierung an.

Bauen Sie die Burette nach den Anweisungen des Assistenten auf. AchtenSie darauf, dass Sie nur die dafur vorgesehenen Burettenklammern verwen-den. Die Burette sollte gerade hangen und das Kuken leicht drehbar sein.Glasschliffkuken sollten mit etwas Schlifffett geschmiert werden. Nach demGebrauch der Burette mussen die Kuken vom Schlifffett gereinigt werden. Dieweißen Teflon-Kuken durfen dagegen nicht mit Schlifffett behandelt werden.

Die verwendeten, skalierten Glasgerate durfen nach dem Saubern nichtim Trockenschrank getrocknet werden, da sie sonst durch das Erhitzen ihreGenauigkeit einbußen. Sie mussen luftgetrocknet, oder mit der zu messendenLosung vorher mehrfach gut ausgespult werden.

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2.1. WICHTIGE HANDGRIFFE IM LABOR (1. WOCHE) 15

Aufgabe 2.5 Herstellen und titrieren von Losungen

Chemikalien: NaOH-Platzchen, 1 M HCl, PhenolphtaleinLosen Sie in einem 100 ml Becherglas 4 g Natriumhydroxid in ca. 50 mlentionisiertem Wasser und geben Sie danach diese Losung in einen 100 mlMesskolben. Spulen Sie mit entionisiertem Wasser nach und fullen Sie denMesskolben auf 100 ml auf.Die Burette wird mit Hilfe eines kleinen Trichters bis etwas uber die Nullmar-ke mit 1 M Salzsaure (HCl) aufgefullt. Nach dem Herausnehmen des Trichterswird der Meniskus durch Ablassen genau auf die Nullmarke eingestellt.Pipettieren Sie mit der genaueren Vollpipette jeweils 20 ml der selbst herge-stellten Natriumhydroxidlosung in drei 100 ml Becherglaser. Geben Sie ca.3 Tropfen Phenolphtaleinlosung in jedes Becherglas. Titrieren Sie nun unterAnweisung des Assistenten den Inhalt der drei Becherglaser bis zum Farbum-schlag. Versuchen Sie auf den Tropfen genau den Verbrauch an Salzsaure zumessen. Liegt der Verbrauch bei 20 ml, so haben Sie beim Herstellen derNatriumhydroxidlosung gut gearbeitet. Erkennen Sie Nachteile dieser Titra-tionsmethode?Entsorgung: Sammeln Sie die ubriggebliebenen Natriumhydroxid-(NaOH)-Losungen und Salzsaure-Losungen und geben Sie diese sehrvorsichtig (!) in ein großes Becherglas zusammen. Ruhren Sie die Losungmit einem Glasstab (Abzug, Schutzbrille) und prufen Sie den pH-Wert(Definition s. S. 47) mit dem Indikatorpapier, indem Sie mit dem Glasstabeinen Tropfen auf das pH-Papier geben. Wird das Indikatorpapier rot, so istdie Losung sauer. Wird es blau, so ist sie alkalisch. Zeigt es eine grune Farbeoder bleibt es gelblich, so ist der pH-Wert der Losung im neutralen Bereich(pH 6–7). In diesem Fall kann die Losung in dem Abguss entsorgt werden.Hat die Losung einen alkalischen oder sauren pH-Wert, lassen Sie sich bittevom Assistenten zeigen, wie Sie die Losung neutralisieren.

2.1.5 Filtrieren und zentrifugieren

Der Buchnertrichter

Neben dem normalen Filtrieren mit einem Glastrichter und einem gefalte-ten Filterpapier gibt es im Labor noch die Moglichkeit, mit dem Buchner-trichter (Nutsche) zu arbeiten. Der Buchnertrichter wird, mit einer Dichtungversehen, auf eine spezielle dickwandige Saugflasche gesteckt und diese aneine Vakuumpumpe (Membranpumpe, Wasserstrahlpumpe) angeschlossen.Hierfur finden Sie an ihrem Arbeitsplatz extra dicke Vakuumschlauche. DerBuchnertrichter besitzt einen durchlocherten Porzellanboden. Auf diesen Bo-den wird ein passendes, rundes Filterpapier gelegt und mit etwas Flussigkeit

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16 KAPITEL 2. DAS VORPRAKTIKUM

angefeuchtet. Wird die Vakuumpumpe betatigt, so bewirkt der Unterdruckin der Saugflasche einen Saugeffekt durch das Filterpapier.

Die Zentrifuge

Eine weitere Moglichkeit, feste von flussigen Phasen zu trennen, ist das Zen-trifugieren. Die Zentrifuge unterstutzt mit Hilfe der Zentripetalkraft das Ab-setzen der festen Korper in einer Losung. Gerade bei sehr feinen Teilchen hatdie Zentrifuge gegenuber dem Filterpapier Vorteile, da ein Filter bei kleinenTeilchen leicht verstopfen kann.

Zum Zentrifugieren befinden sich in ihrem Arbeitsplatz spezielle Zentri-fugenglaser aus dickwandigem Glas oder PVC. Sie laufen unten spitz zu.Benutzen Sie bitte nur diese Zentrifugenglaser, wenn Sie etwas zentrifugierenwollen.

Da sich eine Zentrifuge mit hoher Geschwindigkeit dreht, ist es, um ei-ne Unwucht zu vermeiden, wichtig, dass sich immer zwei Zentrifugenglasermit moglichst identischem Gewicht (bzw. gleich hohem Flussigkeitsstand) ge-genuberliegend in der Halterung der Zentrifuge befinden. Beim starten derZentrifuge sollte man zuerst mit einer kleinen Drehzahl beginnen. Zeigt dieZentrifuge keine Unwucht (ruckartiges Bewegen der Zentrifuge), so kann mandie Drehzahl langsam erhohen.

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2.1. WICHTIGE HANDGRIFFE IM LABOR (1. WOCHE) 17

Aufgabe 2.6 Fallen,filtrieren und zentrifugieren eines NiederschlagsZweiergruppe

Chemikalien: BaCl2-Losung, 1 M H2SO4

Fullen Sie ein 100 ml Becherglas mit etwa 50 ml entionisiertem Wasser. LosenSie darin 2 g Bariumchlorid (BaCl2). Tropfen Sie mit der Pasteurpipette so-lange 1 M Schwefelsaure hinzu, bis sich kein weißer Niederschlag mehr bildet.Filtrieren Sie danach mit dem Buchnertrichter die Losung und zentrifugierenSie das Filtrat anschließend. Hat der Filter wirklich alle Teilchen des entstan-denen Bariumsulfat-(BaSO4)-Niederschlages zuruckgehalten? Tropfen Sie indie zentrifugierte Losung weitere zwei Tropfen 1 M Schwefelsaure (H2SO4).Bildet sich wieder ein Niederschlag, wiederholen Sie das Zentrifugieren undZutropfen so lange, bis sich kein Niederschlag mehr bildet.Die obige Methode eignet sich sehr gut zum quantitativen Ausfallen vonSubstanzen.

Entsorgung: Die Losung wird in den Behalter fur wassrige Schwermetallegegeben. Der Niederschlag wird auf dem Filterpapier getrocknet und in dieFeststoffabfalle gegegeben.

2.1.6 Umgang mit dem Scheidetrichter

Der Scheidetrichter wird im Labor zum Trennen von zwei flussigen, nicht mit-einander mischbaren Phasen benutzt. Er wird nach dem Befullen mit einemPVC-Stopfen (nach Moglichkeit kein Glasstopfen) geschlossen. Der Inhaltwird durch kraftiges schutteln durchmischt. Dabei wird der Scheidetrichtermit einer Hand an dem Hahnstuck gehalten, wahrend die andere Hand denStopfen gut festhalt. Beim Durchmischen von Losungen kann aufgrund desDampfdruckes des Losungsmittels oder durch Gasbildung infolge einer Reak-tion der Innendruck beim Schutteln steigen. Um ein plotzliches Heraussprin-gen des Stopfens zu vermeiden, sollte man zwischendurch den Scheidetrichtermit dem Stopfen nach unten halten und uber den Hahn entluften. Danachkann man den Scheidetrichter wieder in seinen Haltering zuruckhangen. Ar-beiten Sie mit dem Scheidetrichter bitte immer im Abzug!

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18 KAPITEL 2. DAS VORPRAKTIKUM

Aufgabe 2.7 Ausschutteln mit dem Scheidetrichter

Chemikalien: NaHCO3, I2/KI-Losung, PetroletherDer Versuch wird im Abzug durchgefuhrt. Es darf bei diesem Versuch keinGasbrenner oder elektrisches Gerat im Abzug oder in der Nahe in Betriebsein, da Sie mit einem brennbaren Stoff arbeiten.Losen Sie in einem Becherglas 9 g Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3) inetwa 100 ml Wasser und geben Sie etwa 3–5 ml Iod-Kaliumiodid-Losung hin-zu. Bringen Sie nach Anweisung des Assistenten den Haltering fur den Schei-detrichter im Abzug an. Fullen Sie die Losung in einen kleinen Scheidetrichterund geben Sie 100 ml Petrolether (Vorsicht brennbar!!) und 20 ml 0.1 M Es-sigsaure hinzu. Verschließen Sie den Scheidetrichter mit einem PVC-Stopfenund schutteln Sie kraftig. Vorsicht Gasbildung! Beluften Sie mehrmals. Nach-dem Sie ca. 2 min. die Losung gut durchgeschuttelt haben, hangen Sie denScheidetrichter in den Haltering. Nachdem sich die Phasen getrennt haben,werden Sie bemerken, dass sich auch der Petrolether (obere Phase) violettgefarbt hat. Diese Farbe ruhrt von den Iod-Molekulen (I2) her, die Sie vor-her mit der Iod-Kaliumiodid-Losung in die wassrige Phase gegeben haben.Da die Iodmolekule sich viel besser in Petrolether losen als in Wasser, habensie die Phasengrenze uberschritten und sich in der Petrolether-(organischen)-Phase angereichert. Das Herauslosen einer Substanz aus einer Phase in dieandere nennt man auch Extraktion. In diesem Fall ist es eine Flussig/Flussig-Extraktion.Entsorgung: Beide Phasen werden in den Behalter fur organische Losungs-mittelabfalle gegeben.

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Kapitel 3

Allgemeine und anorganischeChemie

3.1 Themen des 1. Kolloquiums

Es folgt eine Zusammenstellung der wichtigsten Themen in Stichworten. Eswird empfohlen, die Stichworte in den einschlagigen Lehrbuchern nachzu-schlagen.

Periodensystem der Elemente (PSE)

Aufbau, Hauptgruppenelemente, Alkali-, Erdalkalimetalle, Halogene, Neben-gruppenelemente, Elektronegativitatsverteilung im PSE)

Stoffe, Losungen und Mischungen

Definition der Stoffmenge und Konzentration: NA, n, M , Molaritat,c, Umrechnungen, Einheiten

Ursache chemischer Reaktionen und Zustandsanderungen: ∆G, ∆H,T , ∆S, Formeln, endotherm, exotherm, endergonisch, exergonisch, Wann ver-laufen Reaktionen freiwillig ab?, usw.

Intermolekulare Krafte: Ionenbindung, Dipolkrafte, Ionengitter, kova-lente Bindung, Induktionskrafte, Dispersionskrafte/van-der-Waals Krafte, in-duzierte Dipole, Formeln, usw.

19

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20 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Losungen und Mischungen: wassrige/nicht wassrige Losungen, Losungs-enthalpie,

”ahnliches lost sich in ahnlichem“, polare und unpolare Stoffe, usw.

Loslichkeitsprodukt: Formelherleitung, Losungsgleichgewicht, Gleichge-wichtskonstante, gesattigte Losung, Loslichkeit, gleichioniger Zusatz, Kalk-gleichgewicht, usw.

Verteilungsgleichgewichte: Diffusion, Dialyse, von welchen Parameternabhangig?,

”Brownsche Molekularbewegung“, Extraktion, Nernstscher Ver-

teilungssatz usw.

Sauren, Basen und Puffer

Das Massenwirkungsgesetz (MWG): Reaktionsgeschwindigkeiten, Ge-schwindigkeitskonstanten, K, usw.

Protonenubertragungen: Saure-Base-Begriff nach Bronsted und nachLewis, Donator, Akzeptor, Proton, Hydrid-Ion, molekularer Wasserstoff, Wasser-stoff-Atom, Saurerest, Protolyse, amphoter, Ampholyt, konjugierte Saure/Base,Definition des pH-Wertes, usw.

Starke und schwache Sauren und Basen: Dissoziationsgleichgewicht,pK-Wert, Dissoziationsgrad, Definition starke/schwache Saure, usw.

Pufferlosungen: Puffergleichung, Herstellung, Puffer in der Natur, usw.

Saure-Base-Titrationen, Titrationskurven: Erklarung der Titrations-kurven, Aquivalenzpunkt, Neutralpunkt, Pufferbereich, Indikatoren, Titer,usw.

Außerdem:

Stichworte, Themen und Ausfuhrung der Versuche 3.2.1 bis 3.5.5.

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3.2. LOSUNGEN UND MISCHUNGEN (2. WOCHE) 21

3.2 Losungen und Mischungen (2. Woche)

Stichworte bitte in den Lehrbuchern nachschlagen: Periodensystemder Elemente, relative Atommasse, Avogadro-Loschmidt-Konstante, Molari-tat, Stochiometrie, Chemische Bindung, Atombindung, Ionenbindung, Elek-tronegativitat, Kristallgitter, Hydratation, Wasserstruktur, zwischenmoleku-lare Krafte, van-der-Waals Krafte, Wasserstoffbrucken, endotherm, exotherm,Warmetonung, Gibbs-Helmholtz-Gleichung, Enthalpie, Entropie, Freie Ent-halpie ∆H, ∆S, ∆G

Stochiometrie

Reaktionen zwischen Stoffen gehorchen den Gesetzen der Stochiometrie: Miteinem Molekul Salzsaure (HCl) reagiert 1 Molekul Natriumhydroxid (NaOH),mit einem Molekul Schwefelsaure (H2SO4) aber reagieren 2 Molekule Natri-umhydroxid (NaOH) unter Neutralisation zu Wasser.

HCl + NaOH → H2O + NaCl

H2SO4 + 2NaOH → 2H2O + Na2SO4

Definitionen der Stoffmenge und Konzentrationen

Entscheidend fur das Ausmaß und die Geschwindigkeit chemischer Prozesseist die Zahl der (pro Volumeneinheit) vorhandenen Molekule, ihre Stoffmengebzw. Konzentration. Alle quantitativen Angaben in der Chemie werden daherprimar auf die Anzahl der Molekule bezogen und nicht auf die Masse inGramm.

Die Stoffmenge n

Die Einheit der Stoffmenge n ist das Mol (Einheitssymbol mol). 1 mol istdie Stoffmenge, die ebenso viele Teilchen enthalt wie in 12 g des reinen Koh-lenstoffisotops 12C Atome enthalten sind. Diese Zahl ist bekannt und wirdAvogadrosche (NA) oder Loschmidtsche Konstante genannt.

NA = 6.022× 1023 mol−1

In einem mol sind immer NA Teilchen des Stoffes vorhanden. Da sich dieEinheit mol nur auf die Zahl, nicht aber auf die Art der Teilchen bezieht,muss die Art der Teilchen immer angegeben werden.

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22 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Die molare Masse M

Die molare Masse M (Molmasse) ist die Masse der Stoffmenge 1 mol. IhreEinheit ist g/mol.

Fur die Masse eines Teilchens kann die Einheit Dalton (Da) verwendetwerden. 1 Da ist 1/12 der Masse des reinen Kohlenstoffisotops 12C (Standard-masse, 1.6602 × 10−24 g). Diese Art der Bezeichnung ist bei hohermolekula-ren biochemischen Substanzen gebrauchlich, beispielsweise fur Hamoglobinm = 64.500 Da (64, 5 kDa). Es gilt M = mNA.

Relative molare Masse Mr

Im Periodensystem der Elemente ist die relative molare Masse Mr als Mas-senzahl an jedem Element angegeben. Sie ist dimensionslos. Relative Atom-oder Molekulmassen (fruher Molekular- bzw. Atomgewicht, Formelgewicht)werden haufig angegeben (z. B. in Tabellen, Katalogen, auf Chemikalienfla-schen u. dergl.). Die molare Masse eines Molekuls wird ermittelt durch dieAddition der relativen Atommassen seiner Komponenten. Es gilt dann

Molare Masse M = Mr · g/mol.

Beziehung zwischen Stoffmenge n, Masse m und molare Masse M

Die Stoffmenge n steht mit der Masse m und der molaren Masse M in fol-gender Beziehung:

n =m

M

[mol =

g

g ·mol−1

]Die Stoffmengenkonzentration c

Die chemisch eindeutige und vorgeschriebene Angabe einer Stoffmengenkon-zentration c(X) eines gelosten Stoffes X bezieht sich auf seine Stoffmengen(X) in mol, die in 1 Liter Losung enthalten sind:

c(X) =n(X)

VLosung

,

wobei VLosung das Volumen der Losung ist.Die Konzentration eines Stoffes X wird schriftlich in der Form c(X) ausge-

druckt. Das selbe bedeutet die ebenfalls noch ubliche Schreibweise in eckigenKlammern [X].

Die vollstandige, DIN-gerechte Angabe einer Stoffmengenkonzentration,z. B. fur Salzsaure mit dem Gehalt 1 mol/l, ist c(HCl) = 1 mol · L−1.

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3.2. LOSUNGEN UND MISCHUNGEN (2. WOCHE) 23

In der Praxis wird auch die Ausdrucksweise Molaritat benutzt: 1 molgeloster Stoff pro Liter Losungsmittel heißt 1 molar, abgekurzt 1 M. Diese Be-zeichnung findet sich haufig auf Losungsmittelflaschen, z. B. 1 M HClbedeuteteine 1 molare Losung von HCl-Gas in Wasser. Verwechseln Sie aber niemalsdie Molaritat mit dem Einheitenzeichen M mit der Stoffmenge mol oder dermolaren Masse mit dem Formelsymbol M!

Es sind noch viele weitere Definitionen der Konzentration ublich:

Molaritat, c mol/l LosungLoslichkeit g Substanz/100 g LosungsmittelProzentgehalt g Substanz in 100 g Losung oder in 100 ml Lo-

sung (%Vol)ppm (parts per million) 1/106 (=1 µg/g =1 µg/ml =1 mg/l =1 g/m3

ppb (parts per billion) 1/109 (=1 µg/kg =1 µg/l =1 mg/m3)

Stoffmengenkonzentration (Symbol ceq) von Aquivalenten; Norma-litat (Einheit N)

Diese Konzentrationsangabe wird heute nicht mehr verwendet. Da sie abernoch in einigen alteren Buchern und auf Chemikalienflaschen verwendet wird,wird sie an dieser Stelle angesprochen.

Beispiel: 1 mol H2SO4 dissoziert in wassriger Losung in 2 mol Protonen (H+)und 1 mol Sulfat-Ionen (SO4

2−):

H2SO4 → 2H+ + SO2−4

Das Aquivalent der entsprechenden Menge an Schwefelsaure, die in einemLiter Losung ein Mol Protonen abgibt, wird als Aquivalentkonzentration be-zeichnet.

ceq(H2SO4) = 2c(H2SO4) = 1mol · l−1

Das bedeutet, dass eine 0.5 molare Losung von H2SO4 eine Aquivalent-konzentration von 1 mol·l−1 hat. Eine solche Losung bezeichnete man fruherals 1 normale Losung. Beachten Sie bitte, dass die Normalitat einer Losungfur verschiedene Stoffe eine vollkommen unterschiedliche Aussage uber ihreMolaritat macht. So ist im Gegensatz zur obigen Rechnung z. B. eine 1 mo-lare Losung von HCl ebenfalls 1 normal! In beiden Fallen findet man aufChemikalienflaschen oft die Bezeichnung 1 N Losung.

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24 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Die Dichte D

Die Dichte D eines Stoffes ist die Masse des Stoffes pro Volumeneinheit,ausgedruckt in g/cm3 (1 cm3 = 1 ml) bzw. kg/l; der Zahlenwert wird haufigdimensionslos geschrieben. Dichte von Wasser bei 4 C = 1.0 g/cm3, bei 20 C= 0.998 g/cm3.

Massenanteil (= Massengehalt)

In Mischungen wird der Massenanteil w(X) der Komponente X definiert als:

w(X) =m(X)

mges

mges = Masse der gesamten Mischung.Beispiel: Man mischt 90 g Wasser mit 10 g Natriumchlorid (NaCl) (= 100 gMischung). Dann ist

w(NaCl) =10 g(NaCl)

100 g= 0.1

w ist dimensionslos.Die Angabe des Gehaltes in Prozent, ergibt sich daraus mit 100 % ·w(X). Imobigen Beispiel ist 100 % · w(NaCl) = 10 % mit w(NaCl) = 0.1.

Wird der Gehalt einer Losung oder Mischung in Prozent angegeben, sobezieht sich das immer auf die Massenprozent. Beziehen sich die Angaben aufdie Volumenprozent, so wird das immer angegeben (z. B. eine Flasche Weinenthalt 11 %Vol. Alkohol).

Der Losungsvorgang

Salze (Ionenverbindungen) losen sich in polaren Medien unter Ausbildungvon Ion-Dipol-Beziehungen. Nicht-ionische, aber polare Verbindungen dage-gen gehen in polaren Medien Dipol-Dipol-Beziehungen mit Losungsmittel-molekulen ein, die ihre Mischung oder Losung begunstigen. In Substanzendie eine OH-Gruppe besitzen (Wasser, Alkohole, Zucker) spielt besonders diegegenseitige Bildung von Wasserstoffbrucken zwischen den Molekulen desLosungsmittels und denen des gelosten Stoffes eine Rolle.

Unpolare Stoffe dagegen losen sich nicht, oder nur zu einem geringen Teilin polaren Losungsmitteln. Die intermolekularen Krafte zwischen unpolarenMolekulen beschranken sich auf van-der-Waals Krafte.

Merke: Ahnliches lost sich in Ahnlichem: Polare Stoffe in polaren Losungs-mitteln, unpolare Substanzen in unpolaren Losungsmitteln.

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3.2. LOSUNGEN UND MISCHUNGEN (2. WOCHE) 25

Enthalpie

Chemische Vorgange, z. B. das losen eines Stoffes in einem Losungsmitteloder eine chemische Reaktion konnen entweder freiwillig ablaufen (spontan)oder indem man dem System von außen Energie zufuhrt. In diesem Kapitelwerden Sie Prozesse kennenlernen, die unter Energieabgabe in die eine undunter Energieaufnahme in eine andere Richtung ablaufen konnen. Es gibtaber auch Prozesse, die nur in eine bestimmte Richtung ablaufen konnen:Lasst man z. B. einen Ball aus einer bestimmten Hohe auf eine Flache fallen,wird er mehrmals von dieser Flache abprallen, dabei nach und nach Energie inForm von Warme an die eigenen Molekule und die der Flache abgeben undschließlich liegenbleiben. Fuhrt man jedoch umgekehrt den Molekulen derFlache und des Balls Warmeenergie zu, wird keinesfalls der Umkehrprozessstattfinden und der Ball plotzlich zu springen anfangen.

Die Thermodynamik untersucht die Energieanderungen in Systemen unddie sich daraus ergebenden Konsequenzen fur Vorgange in diesen Systemen.Sie beschaftigt sich dazu detailliert mit den Energiezustanden der betrach-teten Systeme. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass Ener-gie weder erzeugt, noch vernichtet werden kann. Wenn bei einer chemischenReaktion Energie frei wird, bedeutet dies, dass diese Energie vorher schonirgendwie in dem System enthalten gewesen sein muss. Man spricht deshalbvon der sogenannten Inneren Energie U . Wenn an einem System Arbeit gelei-stet wird oder Warme zugefuhrt wird, muss sich diese Innere Energie andern.Fuhren wir dem System z.B. eine unendlich kleine Warmemenge dq zu, ohnedass wir eine Volumenanderung oder eine andere Form von Arbeit an demSystem erlauben, so andert sich die Innere Energie um den Betrag

dU = dq (konstantes Volumen!).

Allerdings erfolgen die meisten Vorgange im Labor nicht unter der Vor-aussetzung konstanten Volumens, sondern konstanten Drucks. Das hat zurFolge, dass bei der Warmezufuhr nicht die gesamte Warmeenergie in InnereEnergie umgewandelt wird, sondern ein Teil fur Volumenarbeit pdV aufge-wendet werden muss:

dU + pdV = dq (konstanter Druck!).

Dies kann man zusammenfassen zu

dH = dqp ,

wobei der Index p in dqp anzeigen soll, dass es sich um die bei konstan-tem Druck geflossene Warmemenge handelt. Diese Warmemenge hat man

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26 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

dadurch mit der Anderung einer anderen Systemgroße, die Enthalpie H desSystems, gleichgesetzt. Ihre Anderung bei einem bestimmten Vorgang ent-spricht nach der obigen Formel also der bei diesem Vorgang aufgenommenenoder abgegebenen Warmeenergie bei konstantem Druck. Sie hangt mit derInneren Energie zusammen nach

H = U + pV

und ist fur die Chemie von außerordentlicher Bedeutung. Alle denkbare Vor-gange sind gekennzeichnet durch die Enthalpie des betrachten Systems vor(H1) und nach (H2) dem Vorgang. Die Anderung der Enthalpie bei einembeliebigen Vorgang ist also

∆H = H2 −H1 .

Wenn z. B. bei einer chemischen Reaktion Energie (z. B. in Form vonWarme) frei wird ist die sogenannte Reaktionsenthalpie ∆Hr < 0 und manspricht von einer exothermen Reaktion. Wird Energie verbraucht, ist ∆Hr >0 und man spricht von einer endothermen Reaktion. Bei Losungsvorgangenkann man dementsprechend anhand von Losungsenthalpien exotherme undendotherme Losungsvorgange unterscheiden.

Anhand dieser Betrachtung kann man beurteilen, ob ein bestimmter ge-dachter Vorgang uberhaupt stattfinden kann: die Gesamtenergie des Sytemsmuss erhalten bleiben. Andererseits kann man erklaren, warum bei manchenVorgangen Energie aufgewendet werden muss, bei anderen aber Energie freiwird. Nimmt z. B. die Enthalpie der gelosten Molekule eines Salzes gegenuberder kristallinen Form ab, wird sich die Losung bei Auflosen des Salzes erwar-men, da die freigewordene Energie im System erhalten bleiben muss. Ist dieEnthalpie der gelosten Molekule jedoch hoher als im Kristall, muss Energiein Form von Warme von den Molekulen des Losungsmittels abgegeben wer-den und die Losung kuhlt sich ab. Es kann jedoch noch nicht erklart werden,warum andere Vorgange, wie in dem oben erwahnten Beispiel das spontaneSpringen eines Balls auf einer heißen Flache, trotz Energiezufuhr nicht statt-finden werden, obwohl sie aufgrund des 1. Hauptsatzes der Thermodynamikdurchaus erlaubt waren. Diese Frage wird in einem spateren Kapitel mit Hilfedes 2. Hauptsatzes der Thermodynamik geklart werden.

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3.2. LOSUNGEN UND MISCHUNGEN (2. WOCHE) 27

3.2.1 Versuch: Losen von Kupfersulfat

Stichworte: Kristallgitter, Kristallwasser, Hydration, Warmetonung, Ent-halpie (∆H), Entropie (∆S), Freie Enthalpie (∆G), endotherm, exotherm

Allgemeines: Das blaue Kupfersulfat enthalt eine gewisse Menge soge-nanntes Kristallwasser. Das darin enthaltene Cu2+-aqua-Ion ist fur die blaueFarbe verantwortlich. Entzieht man ihm dieses Kristallwasser, so wird esfarblos (bzw. weiß). Man spricht dann auch von wasserfreiem Kupfersulfat.

Enthalt ein Salz Kristallwasser, so gibt man dieses in folgender Weise indessen Summenformel an: BaCl2 · 2H2O. Das Salz Bariumchlorid enthalt alsoim Kristall zwei Molekule Wasser auf ein Molekul Bariumchlorid, d. h. dasMolverhaltnis in diesem Kristall zwischen BaCl2 und H2Obetragt 1:2. DieWassermolekule sind in dem Kristallgitter eingebaut.

Chemikalien: CuSO4 ·xH2O

Durchfuhrung: Es wird auf einer Waage (Genauigkeit mind. ±0.1 g; As-sistent befragen!) 1 g CuSO4 ·xH2Oin einer kleinen Porzellanschale abgewo-gen. Dabei sollte auch das Gesamtgewicht der Porzellanschale notiert werden.Die Porzellanschale wird mittels Dreifuß und Drahtnetz uber dem Bunsen-brenner erhitzt. Dabei sollte man mit dem Bunsenbrenner unter der Porzel-lanschale solange facheln, bis sich das Kupfersulfat von blau bis

”schmutzig“

weiß verfarbt hat.Nach dem Abkuhlen wird nun zugig die Gewichtsdifferenz bestimmt. Sie

gibt das Gewicht des Kristallwassers an. Jetzt lasst sich mit Hilfe der Atom-massentabelle im Anhang oder eines Periodensystems errechnen, wieviel molKristallwasser pro mol CuSO4 abgegeben wurden. Das Molverhaltnis und Xkonnen jetzt berechnet und protokolliert werden.

Das wasserfreie CuSO4 wird nun in ein Reagenzglas gefullt und in 3 mlWasser gelost. Mit einem Thermometer bestimmt man die Temperaturver-anderung.

Aufgaben:

a.) Finden Sie heraus, wieviel Kristallwasser blaues Kupfersulfat enthalt.Vervollstandigen Sie die Formel: CuSO4 ·xH2O. (Wie groß ist x?)

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28 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

b.) Protokollieren und erklaren Sie eine evtl. auftretende Temperaturdiffe-renz beim Losen von entwassertem Kupfersulfat.

Entsorgung: Die Kupfersulfatlosung wird in den Behalter fur wassrigeSchwermetalle gegeben.

Ende Versuch 3.2.1

3.2.2 Versuch: Losen von Kaliumchlorid

Stichworte: Siehe vorheriger Versuch.

Allgemeines: Lost man verschiedene Salze in Wasser, so stellt man fest,dass sich je nach gelostem Salz die Temperatur der Losung andert. Bei Sal-zen die sich endotherm losen, kuhlt sich die Losung ab. Der Losungsprozessdieser Salze hat eine positive Losungsenthalpie ∆H. Salze die sich exothermlosen, haben eine negative Losungsenthalpie ∆H: Die Losung erwarmt sich.Diese Eigenschaft der Salze macht man sich bei Kaltemischungen zunutze.Beispielsweise kann man durch Mischen von wasserhaltigem Kalziumchlorid(CaCl2 · 6H2O) und Eis eine Temperatur von -55C erreichen.

Chemikalien: KCl

Durchfuhrung: 25 ml Wasser werden im Erlenmeyerkolben auf ihre Tem-peratur gepruft, dann 10 g Kaliumchlorid (KCl) zugefugt und rasch unterRuhren mit dem Glasstab gelost. Die Temperatur wird mit dem Thermome-ter verfolgt.

Aufgaben: Protokollieren Sie die Temperaturanderung. Welches Vorzei-chen hat ∆H bei diesem Prozess? Ist er endotherm oder exotherm?

Entsorgung: Ausguss.

Ende Versuch 3.2.2

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3.2. LOSUNGEN UND MISCHUNGEN (2. WOCHE) 29

3.2.3 Versuch: Losungsenthalpie

Boxweise

Stichworte: Enthalpie, Losungsenthalpie, exotherm, endotherm

Allgemeines: Die Losungsenthalpie ist diejenige Energiemenge, welche beimlosen eines Stoffes in einem Losungsmittel (z. B. eines Salzes in Wasser)bei konstantem Druck abgegeben oder aufgenommen wird. Erwarmt sichdie Losung beim Losungsvorgang, so wird Energie in Form von Warme frei(∆H < 0). Man spricht dann von einem exothermen Losungsvorgang. Kuhltsich die Losung ab, wird Warmeenergie fur den Losungsvorgang verbraucht(∆H > 0). Man spricht dann von einem endothermen Losungsvorgang. Indiesem Versuch soll untersucht werden, ob die Losungsenthalpie eines Salzesvon dessen schon geloster Konzentration abhangt.

Chemikalien: NH4NO3

Durchfuhrung: Die im Folgenden beschriebenen Schritte mussen zugighintereinander durchgefuhrt werden, um die Messfehler durch Temperatur-ausgleich mit der Umgebung moglichst klein zu halten. Es ist ratsam, denVersuch dementsprechend vorzubereiten. Die Portionen sollten schon vorherabgewogen werden und die unten beschriebene Tabelle im Laborjournal vor-bereitet sein.

a.) In ein 250 ml Becherglas werden 150 ml entionisiertes Wasser gefullt.Danach ist die Anfangstemperatur zu ermitteln. Jetzt werden 15 g Am-moniumnitrat hinzugegeben und durch Ruhren mit dem Glasstab kom-plett aufgelost. Direkt nach dem Auflosen wird die Temperatur gemes-sen. Insgesamt werden auf diese Weise 10 Portionen Ammoniumnitrat(15 g) nacheinander aufgelost und die Temperatur jeweils kurz nachdem Auflosen gemessen.

b.) 80 g Ammoniumnitrat werden in das 250 ml Becherglas gefullt undaufgelost. Nach dem Auflosen wird auch jetzt wieder die Temperaturgemessen. Danach werden wie oben 5 Portionen (10 g) Ammonium-nitrat nacheinander aufgelost und die Temperaturen kurz nach demAuflosungsvorgang ermittelt und protokolliert.

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30 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Aufgaben: Die jeweils gemessenen Temperaturen werden in die folgendeTabelle eingetragen und die Temperaturunterschiede ∆T errechnet. Veran-dern sich diese, so ist die Losungsenthalpie konzentrationsabhangig.Beispiel:

NH4NO3 [g] 0 15 30 45 60 75 90 105 120 135 150Temperatur[C]

+22.3 +13.9 +8.7 +5.7 +2.9 +0.6 -1.2 -2.2 -2.8 -2.9 -3.1

Temperatur-differenz ∆T[C]

- 8.4 usw.

Entsorgung: Behalter fur wassrige Schwermetallabfalle.

Ende Versuch 3.2.3

3.2.4 Versuch: Biomolekule in Losung

In diesem Versuch soll das Losungsverhalten eines Proteins bei verschiedenenBedingung beobachtet und erklart werden.

Stichworte: Reversible und irreversible Prozesse, Primar- und Sekundar-struktur bei Proteinen, Denaturierung, saure, basische und neutrale Salze

Allgemeines: Ob Proteine in Wasser loslich sind, hangt nicht zuletzt vonihrer Sekundarstruktur ab. Wird diese verandert, so kann sich das Losungs-verhalten drastisch andern. Vergleichen Sie das rohe Eiweis mit dem in derPfanne gebratenen. Das eine lost sich recht gut in Wasser, das andere ist nichtmehr in Losung zu bringen. Der Prozess ist nicht mehr umkehrbar ohne dieMolekule zu zerstoren, also irreversibel.

Chemikalien: Globulin oder Albumin, 0.9 % NaCl, NH4SO4, Ethanol

Durchfuhrung: Eine Spatelspitze (ca. 20–30 mg) des Proteins Globulinoder Albumin wird in einem Reagenzglas in 3 ml physiologischer Kochsalz-losung (0.9% NaCl-Lsg.) gelost und danach zu etwa gleichen Teilen auf dreiReagenzglaser verteilt.

Reagenzglas 1: Zugabe von 1 g Ammoniumsulfat (NH4SO4)

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3.2. LOSUNGEN UND MISCHUNGEN (2. WOCHE) 31

Reagenzglas 2: Zugabe von 3 ml Ethanol (CH3CH2OH)

Reagenzglas 3: Kurzzeitiges Erhitzen uber dem Bunsenbrenner auf ca. 80–90C.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihre Beobachtung und erklaren Sie diese.Falls sich Niederschlage gebildet haben, so prufen Sie, ob sich diese wiederauflosen. Ist der Vorgang beim erhitzen (Reagenzglas 3) reversibel?

Entsorgung: Ausguss.

Ende Versuch 3.2.4

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32 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.3 Verteilungsgleichgewichte

Stichworte (nachschlagen): Extraktion, Nernstscher Verteilungssatz,Verteilungskoeffizient, Diffusion, osmotischer Druck, thermische Bewegungvon Molekulen (Brownsche Molekularbewegung), Geschwindigkeitsverteilung,Aggregatzustande

Entropie

In Losungen herrschen ebenso wie im Gaszustand keine statischen Verhalt-nisse, sondern die Molekule besitzen kinetische Energie und befinden sichin standiger, regelloser Bewegung (Brownsche Molekularbewegung). Sie istabhangig von der Masse der Teilchen und der Temperatur. In solchen un-geordneten Systemen ist die sogenannte Entropie S anschaulich leicht ver-standlich: Sie ist ein Maß fur die Unordnung in einem System. Ohne weitereGrundannahmen lasst sich ihr Betrag nicht absolut festlegen. Leichter ist esaber, ihre Anderung quantitativ zu erfassen. Wird einem bestimmten System(in dem also die Masse der Teilchen festgelegt ist) eine Energiemenge q inForm von Warme zugefuhrt, so wird sich die Entropie erhohen, weil auchdie ungeordnete Bewegung der Teilchen zunehmen wird. Diese Anderung istaber bei niedriger Temperatur großer als bei hohen Temperaturen:

∆S = q/T

In Mischungen, in denen zunachst raumlich getrennt unterschiedlich ho-he Stoffkonzentrationen existieren, oder an der Grenze zweier Phasen (z. B.Flussigkeit/Gas oder zwei miteinander nicht mischbare Flussigkeiten) fuhrtdies freiwillig und ohne außere Energiezufuhr zur Einstellung dynamischerGleichgewichte. Solche reversiblen Prozesse ohne chemische Stoffanderungsind in der Natur und in lebenden Zellen ebenso haufig und wichtig wie inder Technik (Verdunstung und Kondensation; Diffusion, Osmose, Dialyse;Extraktion, Destillation). Bei den folgenden Versuchen uberlege man sich je-weils, wie die beobachteten Effekte zustande kommen und wie die Energie-und Entropieanderungen sein mussen.

Die Extraktion

Die Extraktion ist eine auf einem selektiven Losevorgang beruhende Trenn-methode, die als Fest-Flussig-Extraktion oder als Flussig-Flussig-Extraktiondurchgefuhrt werden kann. Bei der Fest-Flussig-Extraktion werden Kompo-nenten durch bestimmte Extraktionsmittel aus einem Feststoffgemisch gezielt

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3.3. VERTEILUNGSGLEICHGEWICHTE 33

aufgenommen. Diese Extraktion kann z. B. zur Gewinnung von Naturstoffenaus Biomaterial verwendet werden.

Bei der Flussig-Flussig-Extraktion wird eine Flussigkeit aus einem Flus-sigkeitsgemisch oder ein geloster Stoff aus einer Losung abgetrennt. Wirdeine Substanz zwischen zwei wenig oder nicht mischbaren flussigen Phasen Aund B verteilt, so stellt sich ein Losungsgleichgewicht ein, d. h. das Konzen-trationsverhaltnis der Substanz in beiden Phasen stellt sich entsprechend derLoslichkeit in dem jeweiligen Losungsmittel ein. Der Nernstschen Verteilungs-satz beschreibt dieses Verhaltnis anhand der Konzentrationen c(Phase 1) undc(Phase 2) des Stoffes in den beiden Phasen mit dem Verteilungskoeffizientenα:

c(Phase 1)

c(Phase 2)= α

3.3.1 Versuch: Verteilung von Iod zwischen zwei Phasen, Extrak-tion

Stichworte: Nernstscher Verteilungssatz, Phasen, Extraktion

Allgemeines: Wasser und Chloroform sind praktisch nicht miteinandermischbar. Werden beide in ein Gefaß gegeben, bilden sich schnell zwei Schich-ten: eine wassrige und eine organische Phase. Da die Dichte von Chloroformhoher ist als die von Wasser, schwimmt in diesem Falle die wassrige aufder organischen Phase. Mischt man andererseits z. B. Benzin mit Wasser, soschwimmt die organische auf der wassrigen Phase, da die Dichte des Benzinsgeringer ist als die von Wasser.

Iod lost sich in Chloroform wesentlich besser als in Wasser. Damit essich uberhaupt nennenswert in Wasser lost, wird zu dem Iod das Salz Kali-umiodid (KI) hinzugegeben (Iod/KI-Losung). In beiden Phasen ist Iod mitunterschiedlicher Konzentration c loslich. Quantitativ lasst sich das mit demNernstschen Verteilungskoeffizienten α ausdrucken.

Nernstscher Verteilungssatz:

c(Phase 1)

c(Phase 2)= α

Chemikalien: Chloroform, Iod/KI-Losung, KI

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34 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Durchfuhrung: Dieser Versuch darf nur unter dem Abzug durchgefuhrtwerden!!

a.) Reversibler Phasenubertritt: 1 ml der ausgegebenen Iod/KI-Losungwird mit Wasser auf das 20-fache verdunnt. In ein Reagenzglas pipet-tiert man nun 5 ml dieser Losung und 5 ml Chloroform (CHCl3). DasReagenzglas wird kraftig geschuttelt. Was beobachten Sie?

Vorsicht !!! Das Reagenzglas nicht mit dem Daumen verschließen!Chloroform ist gesundheitsschadlich und darf nicht mit der Haut inBeruhrung kommen!

Die organische (untere) Phase wird nun mit einer Pasteurpipette ab-gesaugt und in ein anderes Reagenzglas uberfuhrt. Nach Zugabe von5 ml Wasser und einiger Kristalle KI, wird wieder kraftig geschuttelt.Protokollieren Sie auch hier ihre Beobachtungen.

b.) Wirksamkeit vielfacher bzw. einmaliger Extraktion: In zweiReagenzglaser werden je 5 ml der Iod/KI-Losung pipettiert.

Reagenzglas 1: Es wird dreimal mit je 5 ml Chloroform extrahiert.Die letzte Fraktion (Chloroformphase) wird in einem Reagenzglaszum Vergleich aufbewahrt.

Reagenzglas 2: Es wird solange mit jeweils 1 ml Chloroform extra-hiert, bis die Chloroformphase in etwa die gleiche Farbung auf-weist wie die Vergleichsprobe.

Aufgaben:

a.) Protokollieren Sie ihre Beobachtung und erklaren Sie diese. BeschreibenSie in eigenen, kurzen Worten was passiert ist.

b.) Protokollieren Sie ihre Beobachtungen und vergleichen Sie den Chlo-roformverbrauch der beiden Extraktionen bis zum Erreichen desselbenExtraktionsgrades. Welche Extraktion war effektiver?

Entsorgung: Organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 3.3.1

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3.3. VERTEILUNGSGLEICHGEWICHTE 35

3.3.2 Versuch: Diffusion

Stichworte: Diffusion, Brownsche Molekularbewegung

Allgemeines: In zwei ursprunglich getrennten, aber mischbaren Phasenverschwindet im Laufe der Zeit durch Diffusion die Phasengrenze und dasKonzentrationsgefalle, auch ohne mechanisches Vermischen der Phasen z. B.durch Umruhren. Dies geschieht aufgrund der temperaturabhangigen Braun-schen Molekularbewegung.

Chemikalien: Riboflavin (Vitamin B2), Glycerin/Wasser(1:1)-Losung

Durchfuhrung: Ein Reagenzglas wird ca. 3 cm hoch mit der ausgegebenenRiboflavin-Losung gefullt. Danach unterschichtet man vorsichtig mit Hilfe ei-ner Pasteurpipette die Riboflavin-Losung mit der ausgegebenen Glycerin/Was-ser-(1:1)-Losung, indem man die Pasteurpipette bis auf den Grund des Rea-genzglases bringt und vorsichtig auslaufen lasst. Dabei sollten sich die beidenPhasen moglichst nicht miteinander mischen. Stellen Sie das Reagenzglas aneinen ruhigen Ort und bewegen Sie es nach Moglichkeit nicht mehr.

Aufgaben: Beobachten Sie die Phasengrenze und die Farbung uber einenlangeren Zeitraum. Protokollieren und erklaren Sie ihre Beobachtungen.

Nimmt die Entropie bei diesem Prozess zu oder ab?

Entsorgung: Wassrige Schwermetallabfalle

Ende Versuch 3.3.2

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36 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.3.3 Versuch: Dialyse von Riboflavin/Hamoglobin

Boxweise

Stichworte: Dialyse, semipermeable Membran

Allgemeines: Sind zwei mischbare Losungen durch eine semipermeableMembran getrennt, so kann ein Ausgleich von Konzentrationsunterschiedendurch Diffusion nur fur solche Teilchen erfolgen, die die Membran wegen ihrerpassenden Große oder Struktur passieren konnen.

Die Dialyse ist eine biochemische Methode zum Entfernen kleiner Mole-kule aus Losungen von Makromolekulen. Auch in den Korperzellen findenahnliche Prozesse aufgrund der semipermeablen Zellmembranen statt.

Chemikalien: Riboflavin (0.1 mg/ml), Hamoglobin (10 mg/ml), 0.9 %NaCl-Losung, Dialyseschlauch

Durchfuhrung: Lassen Sie sich vom Assistenten ein ca. 10 cm langes StuckDialyseschlauch geben. Dieser wird dann an einem Ende verknotet. Der Dia-lyseschlauch muss vor Gebrauch erst ca. 5 min. in einem Becherglas mitWasser vorquellen. In diesen vorgequollenen Dialyseschlauch wird nun dieausgegebene Losung aus Riboflavin (gelb und niedermolekular) und Hamo-globin (braunrotes Protein) in 0.9 %iger NaCl-Lsg. gegeben und das offeneEnde mit einem Draht oder Bindfaden knapp uber dem Flussigkeitsstand ab-gebunden. Der gefullte Dialyseschlauch wird jetzt in ein mit Wasser gefulltesBecherglas gegeben und uber einige Stunden beobachtet.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Beobachtungen und erklaren Sie diese.

Entsorgung: Die Losungen konnen in den Ausguss entsorgt werden. DerDialyseschlauch kann in den normalen Hausmull gegeben werden.

Ende Versuch 3.3.3

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3.4. CHEM. GLEICHGEWICHTE, MASSENWIRKUNGSGESETZ 37

3.4 Chemische Gleichgewichte, Massenwirkungs-

gesetz

Stichworte: Massenwirkungsgesetz, Loslichkeitsprodukt, Gleichgewichts-konstante und Freie Energie ∆G, Prinzip von Le Chatelier

Freie Energie

Im letzten Kapitel haben Sie die Entropie als ein Maß fur die Unordnungeines Systems kennengelernt. Sie ist, genauso wie die Innere Energie oder dieEnthalpie eine Zustandsgroße und beschreibt genau wie diese einen Zustanddes betrachteten Systems. Wahrend die Innere Energie und die Enthalpiebestimmte Energiezustande beschreiben, kann man die Entropie als ein Maßfur die Qualitat der Energie des Systems ansehen. Mit detaillierten Betrach-tungen lasst sich zeigen, dass die Entropie des Weltalls immer nur zunehmenkann. Die gleiche Aussage kann man auf abgeschlossene Systeme beziehen, diekeinerlei thermischen Kontakt zu ihrer Umgebung haben. In einem offenenSystem kann die Entropie durchaus auch abnehmen, wie etwa im mensch-lichen Korper. Gleichzeitig muss aber die Entropie in der Umgebung desSystems, wie z. B. unserer Umwelt, zunehmen. Neben der Energieerhaltungist diese Zunahme der Unordnung oder Abnahme der Energiequalitat ein wei-teres Kriterium fur die Moglichkeit, ob ein bestimmter Vorgang stattfindenkann. Fur Systeme mit konstantem Volumen bzw. konstantem Druck kannman die Anderungen der Inneren Energie und der Enthalpie deshalb sinnvollmit der Anderung der Entropie zusammenfassen:

dA = dU − TdS

fur Systeme bei konstantem Volumen und konstanter Temperatur und

dG = dH − TdS

fur Systeme bei konstantem Druck und konstanter Temperatur.Durch diese Anderungen sind dann auch wieder zwei neue Zustandsgroßen

definiert, die sogenannte Freie Energie und die Freie Enthalpie:

A = U − TS Freie Energie (Helmholtz-Funktion)

G = H − TS Freie Enthalpie (Gibbs-Funktion)

Fur die Chemie wichtiger ist die Freie Enthalpie, da sie sich auf Reaktio-nen und Vorgange bezieht, die bei konstantem Druck ablaufen. Solche Vor-gange laufen genau dann spontan ab, wenn ∆G < 0. Man spricht dann voneinem endergonischen Vorgang. Vorgange mit ∆G > 0 laufen nicht spontanab und werden als exergonisch bezeichnet.

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38 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Das Massenwirkungsgesetz (MWG):

In einer Reaktion, in der Edukte und Produkte miteinander im Gleichge-wicht stehen, d. h. sowohl Edukte wie auch Produkte nach Beendigung derReaktion in merklicher Konzentration nachweisbar sind, gilt das Massenwir-kungsgesetz. Hat sich das Gleichgewicht eingestellt, erfolgt also keine Konzen-trationsanderung der beteiligten Stoffe mehr, so lasst sich das Gleichgewichtdurch die Gleichgewichtskonstante K ausdrucken.Reaktionsgleichung:

A + B ⇀↽ C + D

Massenwirkungsgesetz fur obige Reaktion im Gleichgewicht:

K =Produkte

Edukte=

c(C)c(D)

c(A)c(B)

In Worten ausgedruckt: Das Produkt der Konzentrationen der Produktedividiert durch das Produkt der Konzentrationen der Edukte ist im Gleich-gewicht konstant.

Fur Systeme im Gleichgewicht, also auch fur diese Gleichgewichtsreakti-on, gilt das Prinzip von Le Chatelier: Ubt man auf ein im Gleichgewichtbefindliches System durch Anderung der Bedingungen (z. B. Temperatur,Druck, Konzentration) einen Zwang aus, so verschiebt sich das Gleichgewichtderart, dass es dem Zwang ausweicht.

Wird nun beispielsweise die Konzentration von D erhoht, indem wir etwasD von außen zugeben (Temperatur bleibt konstant), so weicht das Systemgemaß diesem Prinzip aus: Auch die Konzentration der Edukte muss sicherhohen, damit K konstant bleibt. Das kann nur dadurch geschehen, dass Cund D solange miteinander reagieren, bis das Verhaltnis der Konzentrationenvon Produkten und Edukten wieder den konstanten Wert erreicht hat.

K ist im obigen Fall dimensionslos. Bei einer Reaktion mit anderer Sto-chiometrie, wie z. B.

A + B ⇀↽ C

hat K die Einheit mol−1·l.Um dimensionslose Gleichgewichtskonstanten zu bekommen, formuliert

man das Massenwirkungsgesetz besser unter Verwendung der Standardkon-zentration. Sie ist definiert als cst = 1 mol · l−1.

Geht man allgemein von einer Reaktion mit beliebigen stochiometrischenFaktoren aus, so kann die Reaktionsgleichung fur eine allgemeine Gleichge-wichtsreaktion als

aA + bB ⇀↽ cC + dD

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3.4. CHEM. GLEICHGEWICHTE, MASSENWIRKUNGSGESETZ 39

formuliert werden. Die stochiometrischen Faktoren a, b, c und d sind in derRegel kleine Zahlen.

Man definiert:c∗(X) = c(X)/cst

Diese Quotienten c∗(X) sind dimensionslos. Damit wird K unter Einbe-ziehung der Standardkonzentration immer dimensionslos:

K =c∗(C)c · c∗(D)d

c∗(A)a · c∗(B)b

K und ∆G:

Auch fur Gleichgewichtsreaktionen gelten die thermodynamischen Kriterienfur den Ablauf von Vorgangen. Wenn im Laufe einer spontan ablaufendenGleichgewichtsreaktion immer mehr Edukte abreagieren, wird sich dies auchauf die Anderung der Freien Enthalpie auswirken: Sie wird fur die Hinreakti-on immer kleiner werden. Fur die Ruckreaktion wird sie in der gleichen Zeitimmer großer werden. Im Gleichgewichtszustand sind dann beide gleich groß,nur mit unterschiedlichem Vorzeichen. Insgeamt andert sich dann die FreieEnthalpie des Systems nicht mehr, die Reaktion kommt scheinbar zum Still-stand (tatsachlich laufen aber Hin- und Ruckreaktion mit der gleichen Reak-tionsgeschwindigkeit ab!). Bis dahin muss bei der Reaktion ein bestimmterBetrag an Freier Enthalpie freigeworden sein. Bezieht man diese Freie Enthal-pie auf einen definierten Standardzustand, steht sie mit der dimensionslosenGleichgewichtskonstanten K im Zusammenhang:

∆G = −RT ln K

Dabei ist ∆G die Freie Standard Enthalpie, R = 8.134×10−3 kJ·mol−1·K−1

die Gaskonstante und T die absolute Temperatur in Kelvin (z. B. 0C =273.15 K).

Das Loslichkeitsprodukt:

Gibt man zu einer Substanz nur soviel Losungsmittel, dass sich nicht allesauflost, so bleibt das Ungeloste als Bodenkorper zuruck, uber dem sich, wenndas System im Gleichgewicht ist, die gesattigte Losung der Substanz befindet.Man kann auch hier das MWG formulieren.AaBb sei ein Salz, das in seine Ionen Ai+ und Bj− dissoziiert.Reaktionsgleichung der Dissoziation:

AaBb → aAi+ + bBj−

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40 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

MWG:

K =c(Ai+)ac(Bj−)b

c(AaBb)

Bei vorhandenem Bodenkorper kann man c(AaBb) als konstant ansehen.Man kann deshalb das Produkt (AaBb) ·K zur Konstanten Lp zusammenfas-sen. Lp wird als Loslichkeitsprodukt bezeichnet. Es gilt dann:

c(Ai+)ac(Bj−)b = Lp Dimension: mola+b · l−(a+b)

Die Dimension von Lp ist durch die Zahlen a und b festgelegt. UnterVerwendung von c∗ kann man auch ein dimensionsloses Lp definieren.

Beispiele zur Anwendung des Loslichkeitsproduktes:

1. Silberchlorid

Silberchlorid (AgCl) ist ein schwerlosliches Salz:

Lp(AgCl) = c(Ag+) · c(Cl−) = 1.7× 10−10 mol2 · l−2 .

In der gesattigten Losung ist also die Konzentration an Silber-Ionen:

c(Ag+) = c(Cl−) =√

1.7× 10−10 mol2 · l−2 = 1.3× 10−5 mol · l−1 .

Stellt man eine gesattigte Losung von AgCl in einer NaCl-Losung mit c(NaCl) =0.1 mol/l her, so ist c(Cl−) fast gleich 0.1 mol/l. Die Silberionen-Konzentrationberechnet sich nach dem Ansatz:

c(Ag+) · 0.1 mol · l−1 = 1.7× 10−10 mol2 · l−2

zuc(Ag+) = 1.7× 10−9 mol · l−1 ,

d. h. in dieser Losung sinkt die Silberionen-Konzentration um vier Zehnerpo-tenzen. Das System hat gemaß dem Prinzip von Le Chatelier reagiert.

2. Bleichlorid

Bleichlorid (PbCl2) ist nicht ganz so schwerloslich wie Silberchlorid (AgCl).

Lp(PbCl2) = c(Pb2+) · c(Cl−)2 = 2.0× 10−5 mol3 · l−3

Da aufgrund der Summenformel PbCl2 nach der Dissoziation fur jedes Blei-Ion (Pb2+) zwei Chlorid-Ionen (Cl−) existieren, gilt:

c(Cl−) = 2 · c(Pb2+) bzw. 0.5 · c(Cl−) = c(Pb2+)

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3.4. CHEM. GLEICHGEWICHTE, MASSENWIRKUNGSGESETZ 41

Die Konzentration an Blei-Ionen berechnet sich aus dem Ansatz:

c(Pb2+) · (2 · c(Pb2+))2 = 2.0× 10−5 mol3 · l−3

c(Pb2+) =3√

0.5× 10−5 mol3 · l−3 = 1.7× 10−2 mol · l−1 .

Die Konzentration an Chlorid-Ionen ist doppelt so hoch und berechnet sichzu:

c(Cl−) = 3.4× 10−2 mol · l−1 .

Lost man PbCl2 in einer Natriumchlorid-(NaCl)-Losung mit c(NaCl) =0.1 mol/l, sinkt die Konzentration an Blei-Ionen. Zur Vereinfachung nimmtman an, dass c(Cl−) = 0.1 mol/l. Dann ist wegen

c(Pb2+) · (0.1)2 mol2 · l−2 = 2.0× 10−5 mol3 · l−3

die Konzentration an Blei-Ionen c(Pb2+) = 2 × 10−3 mol/l, d. h. ca. eineZehnerpotenz geringer als ohne zusatzliche Chlorid-Ionen. Exakt kann mandiese Konzentration mit folgendem Ansatz berechnen:

c(Pb2+) · (2 · c(Pb2+) + 0.1 mol · l−1)2 = 2.0× 10−5 mol3 · l−3 .

Die Losung dieser Gleichung 3. Grades ergibt: 1.85×10−3 mol/l. Dieses Ergeb-nis zeigt, dass die oben durchgefuhrte Vereinfachung gerechtfertigt ist. Erstwenn der Zahlenwert Lp ≥ 10−3 wird, fuhrt die Vereinfachung zu merklichenAbweichungen.

Die Loslichkeit

Die Loslichkeit ist definiert als Gramm (g) geloste Substanz in 100 Gramm(g) Losungsmittel.Beispiel: eine gesattigte Losung von KClO4 in Wasser (bei 20C) ist 1.7 %ig.100 g dieser Losung enthalten also 98.3 g Wasser und 1.7 g KClO4. DieLoslichkeit betragt also 1.75 g/100 g Wasser.

Will man c(KClO4) dieser Losung berechnen, so benotigt man die Dichteder Losung; sie ist D = 1.0105 g/ml. Mit M(KClO4) = 138.55 g/mol erhaltman c(KClO4) = 0.124 mol/l. Das Loslichkeitsprodukt berechnet sich darauszu: Lp = 1.54× 10−2 mol2 · l−2.

3.4.1 Versuch: Das Kalkgleichgewicht

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42 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Stichworte: Loslichkeitsprodukt, Kohlensaure, Prinzip von Le Chatelier

Allgemeines: Carbonat (CO32−) lasst sich aus Kohlendioxid und Hydroxid-

Ionen herstellen.

CO2 + 2OH− → CO2−3 + H2O

Kalk bzw. Calciumcarbonat (CaCO3) ist das Calciumsalz der Kohlensaure(H2CO3). In wassriger Losung besteht folgendes Gleichgewicht:

Ca2+ + CO2−3

⇀↽ CaCO3

Das Anion CO32− steht wiederum in einem Gleichgewicht mit physikalisch

gelostem Kohlendioxid (CO2) und Hydrogencarbonat (HCO3−) (Kalkgleich-

gewicht):CO2−

3 + CO2 + H2O ⇀↽ 2HCO−3

Bringt man also CO2 in eine Kalklosung ein, so verringert sich aufgrundder Bildung von Hydrogencarbonat die Carbonat-(CO3

2−)-Konzentration.Das Loslichkeitsprodukt Lp von CaCO3 wird unterschritten. Nach dem Prin-zip des kleinsten Zwanges von Le Chatelier geht aus dem Bodenkorper ge-rade soviel CaCO3 in Losung, bis das Produkt aus Carbonat und Calziu-mionen wieder den Wert des Loslichkeitsproduktes Lp von Calciumcarbonatbesitzt. In der unbelebten Natur tritt diese Reaktion z. B. in Kalkgebirgen(Tropfsteinbildung) auf. Aber auch lebende Organismen wie Muscheln oderSchnecken bedienen sich unter anderem dieser Reaktion um Kalkgehause zubilden.

Chemikalien: Ca(OH)2, Trockeneis

Durchfuhrung:

a.) Eine Spatelspitze Calciumhydroxid (Ca(OH)2) wird in einem 100 mlBecherglas in ca. 50 ml Wasser unter starkem Schutteln gelost. DieLosung wird vom unloslichen Rest in einen 250 ml Erlenmeyerkolbenabfiltriert oder mit dem Buchnertrichter abgesaugt.

In einen weiteren Erlenmeyerkolben geben Sie etwas Trockeneis undverschließen diesen mit einem durchbohrten Stopfen, in dem ein gebo-genes, an der Spitze etwas ausgezogenes Glasrohr steckt. Dieses Glas-rohr wird nun in die Losung getaucht und der Erlenmeyerkolben mitdem Trockeneis mit Hilfe eines 30–40C warmen Wasserbades erwarmt.

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3.4. CHEM. GLEICHGEWICHTE, MASSENWIRKUNGSGESETZ 43

Der einsetzende CO2-Strom wird nun so lange in die klare Losung ein-geleitet, bis eine starke Trubung einsetzt.

b.) Ein Teil der erhaltenen truben Losung wird etwa ein Finger hoch inein Reagenzglas gefullt und auch hier CO2 eingeleitet, bis die Trubungsich wieder aufgelost hat.

Aufgaben:

a.) Was verursachte die Trubung durch Einleiten von CO2? FormulierenSie die Reaktionsgleichung.

b.) Welche Reaktion fuhrte zur Aufklarung der Losung? Formulieren Siedie Reaktionsgleichung.

Entsorgung: Ausguss.

Ende Versuch 3.4.1

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44 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.4.2 Versuch: Temperaturabhangigkeit der Gleichgewichtsreak-tion von Iod mit Starke in wassriger Losung

Stichworte: exotherme u. endotherme Reaktionen, Prinzip von Le Chate-lier, Iodstarke-Reaktion

Allgemeines: Iod reagiert mit Starkelosung unter intensiver Blaufarbung,die durch die Ausbildung einer Einschlussverbindung (Iodstarke) verursachtwird.Es bildet sich ein Gleichgewicht aus, welches bei Raumtemperatur auf derSeite des Produktes liegt.

Iod + Starke ⇀↽ Iodstarke

Wird nun die Temperatur geandert, verschiebt sich das temperaturab-hangige Gleichgewicht gemaß dem Prinzip von Le Chatelier in Richtung derEdukte. Anhand der Blaufarbung lasst sich gut erkennen, in welche Richtungsich das Gleichgewicht verschiebt.

Chemikalien: Verdunnte Starkelosung (0.5 %), verd. I2/KI-Lsg. (ca. 0.3 %)

Durchfuhrung: In zwei Reagenzglaser werden je 10 ml verdunnte Starke-losung und einige Tropfen verdunnte Iod-Kaliumiodidlosung gegeben. Einesder beiden Reagenzglaser wird nun in einem Wasserbad, bestehend aus einemmit ca. 180 ml Wasser gefullten 250 ml Becherglas, mit Hilfe einer Heizplattelangsam auf ca. 60C erwarmt (Farbeffekt ?). Beim Erreichen dieser Tempe-ratur wird das Reagenzglas aus dem Wasserbad genommen und neben dasals Vergleich dienende zweite Reagenzglas gestellt. Tritt mit fortschreitenderAbkuhlung ein Farbeffekt ein?

Aufgaben: Beobachten und protokollieren Sie eventuell eintretende Farb-effekte und versuchen Sie diese zu erklaren. Formulieren Sie eine Hin- undRuckreaktion und geben Sie an, welche exotherm und welche endotherm ist.

Entsorgung: Organische Losungsmittelabfalle.

Ende Versuch 3.4.2

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 45

3.5 Saure/Base-Reaktionen und Puffer (3. Wo-

che)

Stichworte: Saure-Base-Begriff nach Bronstedt, Saure-Base-Begriff nachLewis, Ionenprodukt Kw des Wassers, pH-Wert, Saurestarke, pK-Wert, Dis-soziation, Dissoziationsgrad, Pufferlosungen, Salzhydrolyse

Saurestarke, Ks-Wert und pH-Wert

Die Ubertragung eines Protons H+ von einem Molekul auf ein anderes isteine der einfachsten, schnellsten und haufigsten chemischen Reaktionen. Pro-tonenubertragungen treten ein, wenn ein Molekul aus einer bestimmten Bin-dung A—H den Wasserstoff ohne Bindungselektronen (eben als H+) freiset-zen kann und ein anderer Stoff das H+-Ion an einer bestimmten Struktur Bwieder bindet: Der erste Stoff ist eine Saure, der zweite eine Base:

AH + B ⇀↽ A− + BH+

Saure/Base-Definition nach Bronstedt:Saure = Protonendonator (gibt Protonen ab)Base = Protonenakzeptor (nimmt Protonen auf)

Die Tendenz einer Saure ihren Wasserstoff als H+-Ion (Proton) abzuge-ben, ist von Saure zu Saure unterschiedlich. Man unterscheidet starke undschwache Sauren. Ein Zahlenwert, der die Starke einer Saure beschreibt, istder Ks-Wert (bzw. pKa- oder pKs-Wert). Der Ks-Wert ist die Gleichgewichts-konstante der Dissoziation der Saure in Wasser:

AH + H2O ⇀↽ A− + H3O+

Ks =c∗(A−) · c∗(H3O

+)

c∗(AH) · c∗(H2O)

Beachten Sie die Verwendung standardisierter Konzentrationen (s. S. 39).Hat die Dissoziationskonstante Ks der Saure einen großen Wert, so liegt dasGleichgewicht der Dissoziation auf der rechten Seite, d. h. es handelt sich umeine starke Saure. Kleine Dissoziationskonstanten dagegen weisen auf eineschwache Saure hin; das Gleichgewicht liegt links, der großte Teil der Saureliegt undissoziiert vor.Statt des Ks-Wertes wird oft der pKs-Wert

pKs = − log Ks

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46 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

als Maß fur die Starke von Sauren verwendet. Kleine oder negative pKs-Wertezeigen an, dass die Saure stark ist, große Werte, dass sie schwach ist. Da esauch verschieden starke Basen gibt, lasst sich auf analoge Weise auch ein Kb-bzw. pKb-Wert definieren (siehe Lehrbucher).

Das aus einer Saure HA durch Deprotonierung entstehende Anion A−

kann H+ wieder aufnehmen und ist daher definitionsgemaß eine Base, nam-lich die

”konjugierte Base“ von HA; ebenso entsteht aus der Base B durch

Protonierung die”konjugierte Saure“ BH+. An Saure-Base-Reaktionen sind

daher stets zwei Saure-Base-Paare beteiligt. Der pKs-Wert einer Saure undder pKb-Wert ihrer konjugierten Base hangen in wassriger Losung wie folgtzusammen:

pKs + pKb = 14

Ks ·Kb = 10−14

Ostwaldsches Verdunnungsgesetz

Eine fur schwache Sauren oder Basen ebenfalls interessante Große ist derDissoziationsgrad oder Protolysegrad α:

α =protolysierte Teilchen

geloste Teilchen vor Protolyse

Ist C die Gesamtkonzentration vor der Protolyse, so kann man im Falle ein-wertiger Sauren das MWG schreiben:

Ka =αC · αC

C − αC= C

(α2

1− α

)Ist α klein, so kann vereinfacht werden zu Ks = Cα2 bzw. α =

√Ks

C.

Dieses sog. Ostwaldsche Verdunnungsgesetz sagt aus, dass der Dissoziations-grad mit zunehmender Verdunnung der Losung (abnehmender Konzentrati-on) großer wird.

Ionenprodukt des Wassers

In wassrigen Systemen muss in die Beschreibung von Saure-Base-Reaktionendie Eigenschaft des Wassers einbezogen werden, sowohl als Saure wie als Ba-se fungieren zu konnen (

”amphotere Natur“,

”Ampholyt“). In einer Gleichge-

wichtsreaktion protoniert ein Molekul Wasser ein zweites zum Hydroxonium-Ion H3O

+ und es entsteht zugleich das Hydroxid-Ion OH−.

H2O + H2O ⇀↽ H3O+ + OH− (Autoprotolyse)

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 47

ubliche Kurzform:H2O ⇀↽ H+ + OH−

Diese Gleichgewichtsreaktion lasst sich wieder durch eine Gleichgewichtskon-stante K beschreiben.

K =c(H+) · c(OH−)

c(H2O)

Diese hat jedoch bei Normaltemperatur einen sehr kleinen Wert. Es sindnur sehr wenige der neutralen Wassermolekule protoniert bzw. deprotoniert.Daher bezieht man die praktisch konstante Konzentration des Wassers (55 mol/l)in die Konstante K mit ein und formuliert das sog. Ionenprodukt des WassersKw.

Kw = c(H+) · c(OH−) = 10−14 mol2 · l−2

(bei 25C und Normaldruck; bei 50C ist Kw = 5.5× 10−14 mol2 · l−2).Demnach sind die Konzentrationen von H3O

+ und OH− in reinem, ent-ionisiertem Wasser je 10−7mol · l−1. Diese Konzentrationen sind gering aberdurchaus messbar. Gibt man nun eine Saure (z. B. HCl) in reines Wasser,so werden viel mehr Wassermolekule protoniert, c(H3O

+) wird großer als10−7 mol · l−1. Eine Base dagegen (z. B. NH3) deprotoniert weitere amphotereWassermolekule, c(OH−) nimmt zu und die H3O

+-Ionen-Konzentration sinktwegen der Konstanz von Kw unter 10−7 mol · l−1.

pH-Wert

Auf diesem Zusammenhang beruht die Definition des pH-Wertes als Maß derSaure- (genauer: Protonen (H+)- oder Hydroxonium-Ionen (H3O

+)-) Konzen-tration einer Losung. Um den Umgang mit negativen Exponenten zu vermei-den, wird definiert:

pH = − log(c∗(H+))

Merke: Der pH-Wert ist der negative dekadische Logarithmus der(Standard)-Protonenkonzentration.

Analog kann man auch fur Basen definieren:

pOH = − log(c∗(OH−))

Mit dem Ionenprodukt des Wassers gilt:

pH + pOH = 14

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48 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Puffer

Liegt neben einer schwachen Saure auch ihr Salz in derselben Losung vor, z. B.wenn die Saure partiell mit Base neutralisiert wurde, so muss in der Ableitungdes pH-Wertes auch die Konzentration von A− berucksichtigt werden:

c∗(H+) = Ks ·c∗(HA)

c∗(A−)bzw. pH = pKs − log

c∗(HA)

c∗(A−)

Gleichung nach Henderson-Hasselbalch:

pH = pKs + logc∗(A−)

c∗(HA)

Ist das Verhaltnis zwischen A− und HA 1:1 gilt: pH = pKs. In Pufferlo-sungen derartiger Zusammensetzung andert sich der pH-Wert bei begrenztemZusatz weiterer Saure oder Base kaum, weil entweder die Salzionen A− zu-satzliche Protonen zur undissoziierten Saure HA abfangen, oder HA-Molekulezusatzliche Base unter Bildung von A− neutralisieren. Pufferlosungen dienendaher im Labor zur Aufrechterhaltung eines definierten pH-Wertes, und siekommen auch in der Natur in großem Maße vor.

Enthalten Losungen Salze, deren Ionen konjugierte Base oder Saure einerschwachen Saure bzw. Base sind (zum Beispiel Natriumacetat oder Natrium-carbonat als Salz der schwachen Essigsaure bzw. Kohlensaure; Ammonium-sulfat als Salz der schwachen Base Ammoniak), so ist deren pH-Wert nicht 7,weil die Ionen selbst Protolysereaktionen eingehen (

”Salzhydrolyse“): Acetat-

oder Carbonatlosungen enthalten die Anionen der entsprechenden schwachenSauren als Base und reagieren schwach alkalisch, Ammoniumsalz-Losungenenthalten das Ammonium-Ion NH4

+ als Saure und sind schwach sauer.Der pH-Wert einer solchen Losung ist:

Salze schwacher Sauren: pH =14 + pKs + log(c∗(A−))

2

Salze schwacher Basen: pH =pKs − log(c∗(A−))

2Beispiele:1 mM (millimolare) Soda-Losung (Na2CO3), pKs = 10.2; pH = 10.6.0.5 M Ammoniumsulfat-((NH4)2SO4)-Losung, pKs = 9.2; pH = 4.6.

Saure-Base-Titration, Titrationskurve

Werden Sauren und Basen zusammengebracht, so reagieren sie außerst raschmiteinander unter Neutralisation: Protonen und OH−-Ionen treten unter Ab-gabe von Neutralisationswarme zu Wasser zusammen, wahrend die entspre-chenden Gegenionen nebeneinander als

”Salz“ in der Losung verbleiben.

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 49

Saure + Base→Wasser + Salz

Erfolgt die Neutralisation schrittweise durch Zutropfen einer”Maßlosung“

bekannter Konzentration der einen Komponente zu einer vorgelegten Probeder anderen Komponente, so spricht man von einer Titration. Die graphischeDarstellung des pH-Wertes wahrend der Titration ist die Titrationskurve. Inder Mischung andert sich der pH-Wert je nach erreichtem Mengenverhaltnisder Komponenten zwischen dem Titrationsgrad 0 und 1 (= stochiometrischeAquivalenz) in einer charakteristischen Weise. Bei Titration mit einer starkenBase unterscheidet sich der Titrationsverlauf und die Titrationskurve einerstarken und einer schwachen Saure sehr markant. Im zweiten Fall entsteht beipartieller Neutralisation zuerst ein Puffergemisch und im Bereich pH = pKs

ist die pH-Anderung nur gering. Beachten Sie den pH-Wert-Unterschied derLosungen am Aquivalenzpunkt!

UmschlagbereichPhenolphtalein

UmschlagbereichPhenolphtalein

pH

7

Titrationsgrad0.5 1

UmschlagbereichMethylrot

pH

7

Titrationsgrad0.5 1

Äquivalenzpunkt

Pufferbereich (pH=pK )S

Neutralpunkt

Saure-Base-Titrationen werden haufig analytisch angewandt. Man kanntitrimetrisch eine unbekannte Sauremenge mit Hilfe einer bekannten Basen-menge (= Volumen Maßlosung) bestimmen oder umgekehrt (

”Alkalimetrie“,

”Acidimetrie“), oder man kann durch Aufnahme einer Titrationskurve die

charakteristischen pKs-Werte einer Substanz ermitteln.

Indikatoren

Titrationen erfordern neben der genauen Volumenmessung in Buretten eineverlassliche Anzeige des Endpunktes (Aquivalenzpunktes), an dem bereitsbei kleiner Zugabe von Titrationslosung der großte pH-Sprung auftritt. In

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50 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

diesem Praktikum benutzen wir pH-Indikatoren zur Endpunktbestimmung,die jeweils bei einem bestimmten pH-Wert (der ihrem eigenen pKs-Wert ent-spricht) ihre Farbe andern (

”umschlagen“). Dabei muss allerdings je nach Art

der zu titrierenden Probe ein Indikatorfarbstoff passenden Umschlagbereichsgewahlt werden.

Haufig gebrauchte Farbindikatoren fur Saure-Base-Titrationen sind:

• Methylrot (Azofarbstoff): Umschlag zwischen pH 4.4 und 6.2 (rot →gelb).

• Phenolphtalein (Triphenylmethanfarbstoff): bei pH 8 bis 10 (farblos→rot).

3.5.1 Versuch: Saure und basische Salze

Stichworte: Dissoziation, Salzhydrolyse, Saure-Base-Begriff nach Bronstedt

Allgemeines: Salze sind immer aus einem Kation M+ (zumeist ein Me-tallion oder z. B. NH4

+) und einem Anion X− aufgebaut. Man kann sie alsReaktionsprodukte einer Reaktion (Neutralisation) zwischen einer Saure HXund einer Base MOH auffassen.

HX + MOH → MX + H2O

Losungen von Salzen konnen je nach gelostem Salz verschiedene pH-Werteannehmen. Dies wird deutlich, wenn man die Dissoziation eines Salzes inWasser in einer Reaktionsgleichung formuliert:

MX + H2O → M+ + OH− + H+ + X−

Formal haben sich die Saure und die Base wieder gebildet. Der pH-Wertder Losung hangt nun von der jeweiligen Starke der Saure bzw. Base ab. Sindalso die pKs- bzw. pKb-Werte der entsprechenden Saure bzw. Base bekannt,so lasst sich der pH-Wert der Salzlosung vorhersagen.

Chemikalien: NaCl, Natriumacetat, NH4Cl

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 51

Durchfuhrung: In je einem Reagenzglas werden eine Spatelspitze Natri-umchlorid (NaCl), Natriumacetat (NaAc oder CH3COONa) und Ammoni-umchlorid (NH4Cl) in etwa drei Finger breit entionisiertem Wasser gelost.Prufen Sie mit dem pH-Papier die pH-Werte der verschiedenen Losungen.

Aufgaben: Geben Sie an, welche Losung basisch, neutral und sauer rea-giert.

Interpretieren Sie die von Ihnen gemessenen pH-Werte, indem Sie fur je-des Salz die formale Reaktionsgleichung fur das Auflosen unter Einbeziehungvon Wasser (H2O) formulieren.

Entsorgung: Ausguss

Ende Versuch 3.5.1

3.5.2 Versuch: Herstellung und Titration von 1 M NaOH undEssigsaure

Boxweise

Stichworte: Saure-Base-Reaktionen, Titer, Aquivalenzpunkt, starke undschwache Sauren und Basen

Allgemein: Die hier herzustellenden Losungen werden noch in spaterenVersuchen benotigt. Jede Box stellt nur jeweils eine Losung Natronlauge undEssigsaure her und beschriftet diese mit der Boxnummer.

Natriumhydroxid (NaOH) ist eine feste Substanz und wird oft in Formkleiner Platzchen oder Schuppen geliefert. In Wasser gelostes Natriumhy-droxid (NaOH) bezeichnet man auch als Natronlauge. Der stark basischeCharakter ruhrt von den Hydroxid-Ionen (OH−) her, die bei der Dissoziationvon Natriumhydroxid in Wasser entstehen.

Natriumhydroxid dissoziert vollstandig. Das Dissoziationsgleichgewichtliegt nahezu vollig auf der Seite der Dissoziationsprodukte. Daher ist Na-triumhydroxid eine starke Base.

Festes Natriumhydroxid ist sehr hygroskopisch (wasseranziehend). Lasstman es auch nur kurze Zeit an der Luft stehen, wird es schmierig. Es wirddaher auch zum Trocknen von Gasen benutzt.

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52 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

NaOHreagiert mit dem Kohlendioxid (CO2) der Umgebungsluft. Kohlen-dioxid lost sich in Wasser und reagiert mit diesem in einer Gleichgewichtsre-aktion zu Kohlensaure (H2CO3).

CO2 + H2O ⇀↽ H2CO3

Die Kohlensaure (H2CO3) reagiert nun in einer Saure-Base-Reaktion mitNatriumhydroxid (NaOH).

H2CO3 + 2NaOH → Na2CO3 + 2H2O

Da Kohlendioxid in der Laborluft und im zur Natronlaugeherstellung ver-wendeten Wasser vorhanden ist, verringert sich die Konzentration von festemund gelostem Natriumhydroxid aufgrund der Bildung von Na2CO3 mit derZeit.

Daher sollte man beim Abwiegen der NaOH-Platzchen etwa 1 % mehrabwiegen, um den spateren Verlust durch die Reaktion mit CO2 abzufangen.Da der genaue Verlust nicht bekannt ist, muss man nach der Herstellung derNatronlauge den Titer (oder auch Faktor genannt) ermitteln. Hierzu titriertman die etwa 1 molare Natronlauge mit einer genau eingestellten 1 molarenSalzsaurelosung (HCl).

Neutralisation von Natriumhydroxid mit Salzsaure:

NaOH + HCl → NaCl + H2O

Ist die Natronlauge genau 1 molar, so wird der Verbrauch von Salzsauregenau so hoch ausfallen wie die vorgelegte Menge an Natronlauge. Ist sieetwas schwacher konzentriert, so wird der Verbrauch an Salzsaure geringersein. Der Verbrauch der Salzsaure gibt also die tatsachliche Konzentrationder Natronlauge an.

Titriert man z. B. 10 ml einer etwa 1 molaren Natronlauge mit einer genau1 molaren Salzsaure, so ist der theoretische Verbrauch 10 ml 1 M HCl. Dertatsachliche Verbrauch sei aber z. B. 9.2 ml.Fur den Titer (Faktor) gilt dann:

t =VP

VT

=9.2 ml

10 ml= 0.92

VP = praktischer VerbrauchVT = theoretischer Verbrauch

Um die wahre Konzentration der Natronlauge anzugeben, muss man nundie ungefahre Konzentration 1 mol/l mit dem Titer 0.92 multiplizieren. DieKonzentration der Natronlauge ist also nur 0.92 mol/l.

Da die Konzentration der Natronlauge aber nach einer gewissen Zeitspan-ne wieder abgenommen haben kann, sollte man moglichst kurz vor Benutzung

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 53

der Natronlauge den Titer ermitteln und ihn auf das Vorratsgefaß schreiben.Die fur die Analyse ausgegebene Natronlauge sollte stets mit einem aktuellenTiter versehen sein.

Chemikalien/Gerate: NaOH-Platzchen, 1 M HCl (Titriplex o. a.), Eises-sig, 1 l Messkolben mit PVC-Stopfen (evtl. in der Gerateausgabe ausleihen)

Durchfuhrung/Aufgaben:

Herstellen einer etwa 1 molaren NaOH: Es soll 1 mol NaOHineinem Liter Wasser gelost werden. Wieviel g Natriumhydroxid (+ ca. 1 %)mussen eingewogen werden?

Nach dem Abwiegen werden die Natriumhydroxid-(NaOH)-Platzchen zu-gig in einen 1 l Messkolben gegeben und zunachst nur mit ca. 50 ml Wassergelost. Nach dem Auflosen wird der Messkolben bis zu Eichmarke mit Wassergefullt. Hierbei ist zu beachten, dass der untere Meniskus der Wasserober-flache genau auf dem Eichstrich liegt. Nach dem Auffullen wird der Kolbenmit einem PVC-Stopfen (ein Glasstopfen wurde mit der Zeit festbacken) ver-schlossen und die Losung durch mehrfaches Umkippen des Messkolbens (derAssistent zeigt Ihnen, wie es geht) gut durchmischt. Vor Gebrauch einer sol-chen Losung sollte diese immer gut durchmischt werden, da sich nach einergewissen Zeit das schwerere Natriumhydroxid im unteren Bereich absetzt undsomit ein Konzentrationsgradient entsteht.

Der Titer dieser nur ungefahr 1 molaren Natronlauge wird nun durchTitration mit einer genau 1 molaren Salzsaure (HCl) ermittelt.

Titrationsvorgang: Die Burette wird gemaß der Anleitung des Assi-stenten aufgebaut (siehe Vorpraktikum). Sie darf nicht unter Spannung ste-hen und das Hahnkucken sollte leichtgangig sein. Glaskucken mussen ausrei-chend mit Schlifffett gefettet sein. Teflonkucken (weiß) durfen dagegen nichtgefettet werden. Sollte die Burette nicht sauber und trocken, sondern z. B.noch feucht sein, wird sie mit ca. 10 ml der 1 molaren Salzsaure zweimal ge-spult. Die saubere Burette wird nun mittels eines kleinen Trichters bis uberdie Nullmarke mit der Salzsaure gefullt. Nach dem Befullen sollte keine Luft-blase in der Burette vorhanden sein und der Trichter entfernt werden. Dieuberschussige Salzsaure wird bis zur Nullmarke abgelassen.

20 ml der zu titrierenden Natronlauge werden mit einer 20 ml Vollpipettein einen 250 ml Erlenmeyerkolben (oder Becherglas) pipettiert. Dabei halt

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54 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

man die Spitze gegen die Gefaßwand und lasst die Pipette auslaufen (nichtausblasen). Ein kleiner Rest wird in der Pipettenspitze bleiben.

Zur Erhohung des Titrationsvolumens und um kleine Spritzer von derGlaswand zu spuhlen, werden mit der Spritzflasche etwa 20 ml entionisiertesWasser hinzugegeben. Warum hat das keinen Einfluss auf das Ergebnis?

2–3 Tropfen Phenolphtaleinlosung werden hinzugegeben. Die Losung farbtsich daraufhin rot. Die Titration wird nun begonnen und so lange fortgesetzt,bis sich die Losung entfarbt. Wahrend des Titrierens sollte die Saure nie alszusammenhangender Strahl aus dem Hahnkucken treten, sondern nur alsTropfenfolge. Der Erlenmeyerkolben sollte kontinuierlich leicht geschwenktwerden.

Die Titration wird zur Sicherheit vier mal mit je 20 ml wiederholt. DerMittelwert aller gelungenen Titrationen wird nun berechnet und damit derTiter der Natronlauge bestimmt.

Herstellen einer 1 molaren Essigsaure: Konzentrierte Essigsaure(Eisessig) besteht nicht zu 100 % aus Essigssaure. Bei der Herstellung ei-ner genau 1 molaren Essigsaure wird daher genau wie bei der Natronlaugevorgegangen.

Etwa 60 ml konzentrierte Essigsaure entsprechen in guter Naherung etwa1 mol Essigsaure. Diese werden in einem 1 l Messkolben mit Wasser verdunntund dieser genau auf 1 l aufgefullt (siehe oben). In die saubere Burette wirdnun die vorher genau eingestellte Natronlauge eingefullt (siehe oben) undvier Portionen a 20 ml der Essigsaure in einem 250 ml Erlenmeyerkolbenvorgelegt. Als Indikator wird wieder Phenolphtalein benutzt. Es wird jeweilsbis zur schwachen Rosafarbung titriert. Sie darf durch Schutteln nicht mehrverschwinden. Aus dem Verbrauch lasst sich der Titer der Essigsaure bestim-men.

Entsorgung: Neutralisieren und danach Ausguss

Ende Versuch 3.5.2

3.5.3 Versuch: TitrationskurveZweiergruppe

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 55

Stichworte: Starke und schwache Sauren, Pufferbereich, Aquivalenzpunkt,Neutralpunkt, Umschlagsbereich eines Indikators

Allgemeines: Bei der Titration einer schwachen Saure mit einer starkenBase oder umgekehrt, zeigt der Kurvenverlauf des pH-Wertes, aufgetragenuber der Menge des zugetropften Volumens, einen typischen Verlauf. An die-ser Kurve lassen sich verschiedene Punkte und Bereiche erkennen. Der Neu-tralpunkt liegt grundsatzlich immer bei pH = 7. Am Aquivalenzpunkt ist dasMolverhaltnis zwischen Saure und Base 1:1. Der Umschlagbereich ist vomverwendeten Indikator abhangig. Universalindikatoren (wie z. B. pH-Papier)sind eine Mischung aus mehreren Indikatoren. Dadurch erstreckt sich derenUmschlagsbereich uber den gesamten pH-Bereich wassriger Losungen. DerUmschlagbereich von Phenolphtalein liegt zwischen pH 8 und pH 10.

Chemikalien: 1 M NaOH (selbst hergestellt), 1 M Essigsaure (selbst her-gestellt), Spezialindikatorpapier

Durchfuhrung: 20 ml der selbst hergestellten 1 molaren (Titer?) Essig-saure werden mit insgesamt 40 ml der selbst hergestellten 1 molaren Na-tronlauge (Titer?) titriert bis der pH-Wert weit im alkalischen Bereich liegt.Dabei geben Sie schrittweise 0.5 ml der Natronlauge hinzu und messen dannden pH-Wert. Achten Sie darauf, dass das verwendete Indikatorpapier auchfur den jeweiligen pH-Bereich geeignet ist.

Aufgaben: Die erhaltenen pH-Werte tragen Sie in einem Diagramm ge-gen das Volumen der zugegebenen Maßlosung auf. Nach Zugabe von 40 mlsollten Sie in etwa eine Kurve erstellt haben, die einer Titrationskurve einerschwachen Saure und starken Base gleicht (siehe Lehrbucher).

Interpretieren Sie die Kurve und zeichnen Sie den Neutralpunkt, Aquiva-lenzpunkt, Umschlagbereich von Phenolphtalein und den Pufferbereich ein.Was gilt im Pufferbereich?

Warum ware Phenolphtalein fur diese Titration auch ein geeigneter Indi-kator, obwohl er erst im alkalischen Bereich umschlagt?

Entsorgung: Neutralisieren, danach Ausguss

Ende Versuch 3.5.3

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56 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.5.4 Analyse 1: Bestimmung von HCl

Stichworte: Titration, Indikatoren

Allgemeines: Eine Salzsaurelosung mit einen Ihnen unbekannten Konzen-tration soll mit der ausstehenden Natronlauge titriert und die Konzentrationvon ihnen berechnet werden.

Stellen Sie bitte einen 100 ml Messkolben mit PVC-Stopfen auf den vondem Assistenten vorgesehenen Platz. Der Messkolben sollte mit folgendenDaten beschriftet sein:

Nachname, Vorname:Analyse: 1Versuch: 1 (Bei einer Falschansage des Ergebnisses ist ein zweiter Versuchmit einer anderern Analysenlosung moglich)Box Nr.:Saal:

Am nachsten Kurstag konnen Sie sich den Messkolben mit etwas Salzsaurebefullt abholen.

Chemikalien: Voreingestellte, ausgegebene NaOH

Durchfuhrung: Der mit etwas Salzsaure befullte Messkolben wird mit ent-ionisiertem Wasser vorsichtig exakt bis zur Eichmarke gefullt. Die Losungwird durch Schutteln gut durchmischt und in 4 Portionen von 20 ml mit derausstehenden Natronlauge (Titer beachten!!!) titriert. Dabei wird jede Porti-on im Erlenmeyerkolben auf ca. 50–100 ml verdunnt und mit Methylrot alsIndikator (3–5 Tropfen der ausstehenden Losung) versetzt. Methylrot zeigtim sauren Bereich eine rote und im alkalischen Bereich eine gelbe Farbe.

Aufgaben: Der mittlere Verbrauchswert der Titrationen wird nun zur Be-rechnung der Menge an eingewogener Salzsaure in mg herangezogen. Diezulassige Fehlergrenze liegt bei ±1 %.

Folgende Uberlegungen mussen angestellt werden, um die Berechnungdurchfuhren zu konnen:

Wieviel mmol NaOH wurden verbraucht?

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 57

Die Konzentration der verwendeten Natronlauge ist z. B.

cNaOH = t · 0.1 mol · l−1

t = Titer

Fur die weitere Berechnung ist es vorteilhaft, die Konzentration in mmol/mlanzugeben. Mit dem verbrauchten Volumen an Natronlauge (VNaOH in ml)ergibt sich fur die verbrauchte Stoffmenge nNaOH :

nNaOH [mmol] = cNaOH [mmol ·ml−1] · VNaOH [ml]

In den vorgelegten 20 ml Salzsaurelosung befand sich die gleiche StoffmengeHCl. Es gilt daher:

nNaOH [mmol] = nHCl [mmol]

Fur die Konzentration der Salzsaure in mmol/ml gilt:

cHCl [mmol ·ml−1] =nHCl [mmol]

20 ml

Die Gesamtstoffmenge in den 100 ml betragt demnach:

nHCl [mmol] =nHCl [mmol]

20 ml· 100 ml

Da die eingewogene Menge an HCl in mg gesucht ist, muss die StoffmengenHCl/100 ml mit Hilfe der molaren Masse MHCl in die Masse mHCl/100 ml(in mg) umgerechnet werden.

mHCl = nHCl ·MHCl [mg ·mmol−1]

Zusammengefasst in eine Formel ergibt sich fur mHCl in mg:

mHCl [mg] =MHCl [mg ·mmol−1] · VNaOH [ml] · cNaOH [mmol ·ml−1] · t · 100 ml

20 ml

Entsorgung: Neutralisieren, Ausguss

Ende Versuch 3.5.4

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58 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.5.5 Versuch: Herstellung von Puffern (pH-Wert vom Assisten-ten vorgegeben)

Stichworte: Puffer, pKs-Wert, Henderson-Hasselbalch-Gleichung

Allgemeines: Pufferlosungen sind in der Lage, ihren pH-Wert bei begrenz-tem Zusatz von Saure oder Base konstant zu halten.

Um die Protonen, die bei Zugabe einer Saure frei werden, abfangen zukonnen, muss die Pufferlosung eine Base enthalten. Damit der pH-Wert auchgegenuber einer basischen Verunreinigung unverandert bleibt, muss auch eineSaure in der Losung vorhanden sein. Meist stellt man Pufferlosungen auseiner schwachen Saure und ihrem Alkalisalz, also aus einer Saure und ihrerkonjugierten Base, her.Dissoziation einer Saure (HA) in Wasser zu ihrer konjugierten Base (A−):

HA + H2O ⇀↽ H3O+ + A−

Bei Zusatz von A− wird das Gleichgewicht nach links verschoben. Esentsteht kaum noch A− aus der Saure. Die Saure liegt jetzt hauptsachlichundissoziert vor. Die auf diese Weise gebundenen Protonen bilden jetzt einReservoir zum Abfangen von basischen Teilchen wie z. B. OH−. Je nach dergewahlten Saure bzw. Base vermag die Losung in einem ganz bestimmtenpH-Bereich zu puffern.

Fur die obige Reaktion lasst sich die Gleichgewichtskonstante nach demMassenwirkungsgesetz formulieren:

HA ⇀↽ H+ + A−

Ks =c∗(H+) · c∗(A−)

c∗(HA)

c∗(H+) = Ks ·c∗(HA)

c∗(A−)

Der pH-Wert einer solchen Losung kann mit der Henderson-Hasselbalch-Gleichung berechnet werden:

pH = pKs + logc∗(A−)

c∗(HA)oder auch pH = pKs − log

c∗(HA)

c∗(A−)

Liegen A− und HA im Molverhaltnis 1:1 vor, gilt:

pH = pKs

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 59

Aufgaben: Sie haben die Aufgabe, einen basischen Ammoniakpuffer (pH-Bereich = 8.3–10.1) und einen sauren Acetatpuffer (pH-Bereich = 3.8–5.6)herzustellen. Der geforderte pH-Wert wird ihnen vom Assistenten vorgege-ben. Protokollieren Sie ihre Berechnungen.

Chemikalien: Natriumacetat, 1 molare Essigsaure, NH4Cl, 10 % Ammoniak-Losung

Durchfuhrung: Man berechnet mit der Henderson-Hasselbalch-Gleichungund dem bekanntem pKs-Wert das fur den gewunschten pH-Wert erforder-liche Verhaltnis von Base und Saure (bzw. Salz und Saure). Unter Beruck-sichtigung der gewunschten Molaritat und Gesamtmenge der Pufferlosungerrechnet man die Einwaage der festen Substanzen (zumeist das Salz) unddas Volumen der flussigen Komponenten (zumeist die Saure).

Acetatpuffer: Es soll 100 ml eines 0.5 molaren Acetatpuffers aus ein-gewogenem Na-Acetat und 1 molarer Essigsaure mit dem geforderten pH-Wert hergestellt werden. Das abgewogene Salz und die Saure werden zuerstgemischt und dann auf das Endvolumen aufgefullt (100 ml Messkolben). Derfertige Puffer wird in ein 100 ml Becherglas gefullt. Der Assistenten misstden pH-Wert mit einem pH-Meter. (pKs-Wert Essigsaure: 4.8)

Ammoniakpuffer: Es sollen 50 ml eines 2 molaren Ammoniakpuffersmit dem geforderten pH-Wert hergestellt werden. Abgewogenes Ammoni-umchlorid (NH4Cl) wird in der berechneten Menge einer 10 %igen Ammo-niaklosung gelost und auf das geforderte Volumen (Messzylinder) aufgefullt.(pKs-Wert Ammoniak: 9.3)

Entsorgung: Neutralisieren, Ausguss

Beispiel-Rechenweg: 100 ml 0.5 M Acetatpuffer pH = 4.2Acetat-Ionen = Ac−; CH3COOH= HAc; pKs = 4.8

Fur die Berechnung der Konzentrationen der Pufferkomponenten kann manzwei Ansatze wahlen. Fur den ersten Ansatz kann man die Henderson-Hassel-balch-Gleichung fur einstufige Puffer auch ohne standardisierte Konzentra-tionen schreiben:

pH = pKs + logc(Ac−)

c(HAc)

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60 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Einsetzen der Werte fur pH und pKs:

4.2 = 4.8 + logc(Ac−)

c(HAc)

⇒ − 0.6 = logc(Ac−)

c(HAc)

⇒ 100.6 =c(HAc)

c(Ac−)(3.1)

Fur den zweiten Ansatz schreibt man das Massenwirkungsgesetz ebenfallsmit nicht standardisierten Konzentrationen:

Ks =c(H+) · c(Ac−)

c(HAc)

⇒ c(H+) = Ks ·c(HAc)

c(Ac−)

Einsetzen der Werte fur Ks und die H+-Konzentration:

10−4.2 = 10−4.8 · c(HAc)

c(Ac−)

⇒ 100.6 =c(HAc)

c(Ac−)(3.2)

Beide Wege liefern fur das Verhaltnis der Essigsaure- und Acetat-Ionen-Konzentration das gleiche Ergebnis: Jede Mischung aus Essigsaure und Acetat-Ionen im Verhaltnis 100.6 : 1 ist ein Puffer mit der geforderten H+-Konzentration!Als weitere Bedingung soll die Konzentration des Puffers

c(Ac−) + c(HAc) = 0.5 mol · l−1

= 0.05 mol · (100 ml)−1 (3.3)

betragen.Durch einsetzen von (3.2) fur die Essigsaurekonzentration in (3.3) ergibt sich:

c(Ac−) + 100.6c(Ac−) = 0.05 mol · (100 ml)−1

⇒ c(Ac−) =0.05

1 + 100.6mol · (100 ml)−1

=0.05

4.98mol · (100 ml)−1

= 0.01 mol · (100 ml)−1

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3.5. SAURE/BASE-REAKTIONEN UND PUFFER (3. WOCHE) 61

Die molekulare Masse von Natriumacetat ist MNaAc = 82.034 g · mol−1.Um 0.01 mol zu erhalten, mussen also 0.01 · 82.034 g = 0.82 g abgewogenwerden. Mit Hilfe von (3.3) kann man auch die benotigte Menge an Essigsaureberechnen:

c(HAc) = 0.05− 0.01 mol · (100 ml)−1

= 0.04 mol · (100 ml)−1

Die verwendete Essigsaure hat eine Konzentration von

c(HAc) = 1 mol · l−1

= 0.1 mol · (100 ml)−1

= 0.04 mol · (40 ml)−1 ,

d. h. es werden 40 ml benotigt.

Ende Versuch 3.5.5

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62 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.6 Themen des 2. Kolloquiums

Es folgt eine Zusammenstellung der wichtigsten Themen in Stichworten. Eswird empfohlen, die Stichworte in den einschlagigen Lehrbuchern nachzu-schlagen.

Redoxreaktionen

Definitionen: Oxidation, Reduktion, Elektronenakzeptor/Donator, Oxidations-/Reduktionsmittel usw.

Oxidationszahlen: Definition von Oxidationszahlen, pH-Abhangigkeit, Re-geln zur Berechnung Oxidationszahlen usw.

Aufstellen von Redoxgleichungen: Regeln, Redox-Aquivalenz, Stochio-metrie usw.

Galvanische Elemente und Elektrolyse: Vorgange an den Elektroden,Anode, Kathode, Daniell-Element, Potentialdifferenz, Vergleich: GalvanischesElement und Elektrolyse, ∆G, Uberspannung, Definition Anion/Kation usw.

Spannungsreihe, Standard-Reduktionspotentiale: Redoxkette, elek-trochemische Zelle, Eigenspannung ∆E, Normal-/Standardwasserstoffelek-trode (Aufbau?), Welche Redoxreaktion lauft an welcher Elektrode ab?, Wiekommt die Spannungsreihe zustande und wozu ist sie gut?, Welche Voraus-sagen sind mit ihr zu machen?, Elektronegativitaten usw.

Nernstche Gleichung: Konzentrations- und pH-Abhangigkeit des Redox-potentials, Zusammenhang ∆G und ∆E, Funktion und Bedeutung der ein-zelnen Teile der Nernstschen Gleichung usw.

Ubergangsmetalle und Komplexverbindungen

Elektronenkonfiguration, Atomorbitale, d-Orbitale, Besetzungsregeln, essen-tielle Funktionen der Ubergangsmetalle in der Natur (Fe- und Cu-Komplexe)usw.

Komplex- od. Koordinationsverbindungen: Definition Komplex-/Ko-ordinationsverbindungen, Liganden, Zentralatom, mehrzahnige Liganden, No-menklaturregeln usw.

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3.6. THEMEN DES 2. KOLLOQUIUMS 63

Geometrie und Isomerie von Komplexen: Definition Isomerie, geome-trische Grundkorper, Koordinationszahl, Spiegelebene, cis (Z)/trans(E) usw.

Stabilitat von Komplexen: Komplexbildungskonstante, ionische-/kova-lente Natur der Bindungen, Definition Lewis-Saure/Base, harte/weiche Lewis-Sauren/Basen usw.

Chelatkomplexe: Definition Chelatkomplexe, Glycin, EDTA, Struktur usw.

Quantitative Analyse:

Bestimmung von NaCl durch Ionenaustausch: Funktionsweise desIonenaustauschers sauer/basisch usw.

Phosphatbestimmung: Funktionsweise eines Photometers, Kolorimetrie,Photometrie, Lambert-Beersches Gesetz, Kalibrierkurve usw.

Außerdem:

Stichworte, Themen und Ausfuhrung der Versuche 3.7.1 bis 3.9.2.

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64 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.7 Redoxreaktionen (4.–5. Woche)

Stichworte: Reduktion und Oxidation, Oxidationszahl, Spannungsreihe,Definition edler und unedler Metalle, Redoxpotential, Normalpotential, Nernst-sche Gleichung, Galvanische Elemente, Lokalelement, Daniell-Element, Elek-trolyse

Neben den Saure-Base-Reaktionen gibt es in der Chemie eine zweite hau-fige und wichtige Klasse von Austauschprozessen, die Redoxreaktionen. Beiihnen werden Elektronen ubertragen und nicht Protonen wie zwischen Saurenund Basen.

Die Abgabe von Elektronen aus Atomen, Molekulen oder Ionen wird alsOxidation bezeichnet. Die Aufnahme von Elektronen durch Atome, Molekuleoder Ionen heißt Reduktion. Ein Elektronenakzeptor wirkt als Oxidations-mittel, ein Elektronendonator ist ein Reduktionsmittel.Beispiele:

Na → Na+ + e− Oxidation

Cl2 + 2e− → 2Cl− Reduktion

Ein Natriumatom geht durch Entfernen eines Elektrons in ein Natrium-kation uber und ist daher ein Reduktionsmittel. Ein Chlormolekul geht durchAufnahme von zwei Elektronen in zwei Chloridionen uber und ist daher einOxidationsmittel. Die Triebkraft fur diese Elektronenverschiebung liegt in derTendenz der Elemente durch Abgabe (bei Natrium) bzw. Aufnahme von Elek-tronen (im Falle von Chlor) energetisch gunstige Teilchen mit abgeschlossenerElektronenkonfiguration zu bilden. Durch die Coulomb-Wechselwirkungender geladenen Teilchen im Festkorper (Kristall) wird ein zum Teil erhebli-cher Energiegewinn gegenuber den ungeladenen Teilchen erzielt.

Zwei Spezies wie Na und Na+, die sich nur durch die Anzahl ihrer Elek-tronen unterscheiden, nennt man ein korrespondierendes Redoxpaar, in Kurz-schreibweise: Na/Na+.

Wie Protonen sind auch Elektronen hochreaktive Teilchen und unter ub-lichen chemischen Bedingungen in freier Form nicht existenzfahig. Daher tre-ten Oxidationen und Reduktionen nur gemeinsam auf, an einer Reduktions-Oxidations-Reaktion (Redoxreaktion) sind zwei Redoxpaare beteiligt: Es gibtbei einer chemischen Reaktion keine Oxidation ohne Reduktion und umge-kehrt.

Oxidationszahlen

Einfache Elektronenubergange zwischen Elementen und ihren Ionen sind anderen unterschiedlichen Eigenschaften i. a. leicht zu erkennen. Allerdings gibt

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3.7. REDOXREAKTIONEN (4.–5. WOCHE) 65

es auch viele Falle, in denen Elemente mehrere Redoxpaare bilden (z. B. Man-gan (Mn) oder Eisen (Fe)), die man differenzieren muss. Werden schließlichbei einer Reaktion kovalente Bindungen gebrochen und neu geknupft, ist oftschwierig festzustellen, ob eine Redoxreaktion vorliegt oder nicht.

Bei der Reaktion zwischen molekularem Wasserstoff (H2) und molekula-rem Sauerstoff (O2) zu Wasser (H2O) werden beispielsweise symmetrische,homoopolare Bindungen gelost und stark polare O—H-Bindungen gebildet.Dies ist als Elektronentransfer, also Redoxreaktion, zu betrachten, weil inH2O die Bindungselektronen starker von O als von H angezogen werden.

Um Redoxreaktionen leichter zu erkennen und Redoxgleichungen aufzu-stellen, ist der Begriff der Oxidationszahl oder Oxidationsstufe von Nutzen.Die Oxidationszahl in einem Ion oder Molekul entspricht der Ladung, diedas betrachtete Atom besaße, wenn die Elektronen der von ihm ausgehendenBindung vollig dem jeweils elektronegativeren Bindungspartner zugeordnetwerden. Man denkt sich fiktiv ein Teilchen aus vollig ionisierten Atomenzusammengesetzt.Regeln und Beispiele (siehe auch Lehrbucher):

a.) Die Atome in Elementen (Metalle, Nichtmetalle wie Wasserstoff (H2),Stickstoff (N2), Sauerstoff (O2), Chlor (Cl2)) haben die OxidationszahlNull.

b.) Bei einfachen Atom-Ionen in salzartigen Verbindungen ist die Oxidati-onszahl gleich der Ionenladung.

NaCl: Na+ (Oxidationszahl +I) Cl− (Oxidationszahl -I)

CaCl2: Ca2+ (Oxidationszahl +II) Cl− (Oxidationszahl -I)

FeS: Fe2+ (Oxidationszahl +II) S2− (Oxidationszahl -II)

c.) In kovalenten Verbindungen werden die Bindungselektronen gedank-lich dem elektronegativeren Atom zugeteilt, die entstandenen Ladungenentsprechen den Oxidationszahlen.

d.) Die hochste positive Oxidationszahl kann nicht hoher sein als die Grup-pennummer (im Periodensystem der Elemente, PSE) des Elementes.Die niedrigste negative Oxidationszahl kann nicht kleiner sein als dieGruppennummer minus 8.

Aufstellen von Redoxgleichungen (siehe auch Lehrbucher)

a.) Reaktanden und Produkte, die an der Reduktion und Oxidation betei-ligt sind, sind als erstes alle anzugeben; fur sie werden die betreffendenOxidationszahlen ermittelt.

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66 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

b.) Das Zahlenverhaltnis, in dem Reduktionsmittel und Oxidationsmit-tel miteinander reagieren, wird bestimmt, indem die Oxidationszahl-Zunahme und die Oxidationszahl-Abnahme balanciert werden: die Zahlder abgegebenen und aufgenommenen Elektronen muss gleich sein.

c.) Die Summe der Ionenladungen und die Anzahl anderer Atome auf bei-den Seiten der Gleichung wird ausgeglichen. Fur den Ausgleich vonIonenladungen dienen in wassriger Losung H+- und OH−-Ionen.

Beispiel: Das starke Oxidationsmittel Kaliumpermanganat (KMnO4) rea-giert in sauerer Losung mit Iodid (I−). Es oxidiert Iodid zu Iod (I2) und wirddabei zu Mangan(II)-salzen reduziert.

Man formuliert zuerst die Reaktionsgleichung ohne stochiometrische Ko-effizienten:

MnO−4 + I− → Mn2+ + I2

Um die stochiometrischen Koeffizienten der Gleichung zu ermitteln, for-mulieren wir die jeweiligen Teilgleichungen, ermitteln die Anzahl der jeweilswechselnden Elektronen und bilden das kleinste gemeinsame Vielfache.

Reduktion MnO−4 + 5e− → Mn2+ (mal 2)

Oxidation 2I− → I2 + 5e− (mal 5)Gesamtreaktion 2MnO−

4 + 10I− → 5I2 + 2Mn2+

Da die Reaktion in saurer Losung stattfindet, wird der Ladungsausgleich mitProtonen (H+) durchgefuhrt.

2MnO−4 + 10I− + 16H+ → 5I2 + 2Mn2+ + 8H2O

Galvanische Elemente und Elektrolyse (siehe auch Lehrbucher)

Taucht man einen Zinkstab in eine Kupfersulfatlosung, so scheidet sich aufihm metallisches Kupfer ab. Es findet eine Redoxreaktion statt:

Zn + Cu2+ → Zn2+ + Cu

Zink reduziert die Kupferionen zu metallischem Kupfer und wird dabeiselbst zu Zinkionen oxidiert. Die zwischen dem Reduktionsmittel Zink unddem Oxidationsmittel Cu(II)-Ionen ubertragenen Elektronen stellen einenelektrischen Strom dar, der von der Potentialdifferenz (Spannung) zwischenden Redoxpaaren Zn/Zn2+ und Cu/Cu2+ herruhrt.

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3.7. REDOXREAKTIONEN (4.–5. WOCHE) 67

Die Potentialdifferenz ∆E kann allerdings in dieser einfachen Versuchs-anordnung nicht bestimmt und die Elektronenubertragung selbst nicht be-obachtet werden.

Da Elektronen jedoch mit Hilfe elektrischer Leiter uber weite Entfernun-gen transportiert werden konnen, ist es moglich, den Oxidations- und Re-duktionsvorgang einer Redoxreaktion raumlich zu trennen. Eine solche An-ordnung ist ein galvanisches Element, in dem die zwischen zwei Redoxpaarenherrschende Potentialdifferenz gemessen werden kann.

Im sog. Daniell-Element taucht im linken Reaktionsraum (Halbelement,Halbzelle) ein Zinkstab in eine Losung, die Zn2+ und SO4

2−-Ionen enthalt.Im rechten Reaktionsraum befindet sich ein Kupferstab, der in eine CuSO4-Losung eintaucht. Wenn die beiden Metallstabe (Elektroden) durch einenaußeren Leiter verbunden werden, gehen aus der Zinkelektrode Zn2+-Ionenin die ZnSO4-Losung uber. Die uberschussigen Elektronen fließen uber denLeiter zur Kupferelektrode und reagieren dort mit den in der CuSO4-Losungbefindlichen Cu2+-Ionen, die sich als metallisches Kupfer am Cu-Stab ab-scheiden.

Durch diese Vorgange entsteht in der Losung der linken Zelle ein Uber-schuss, in der rechten Zelle ein Mangel an positiven Ladungen. Durch Wan-derung von Sulfationen aus der rechten in die linke Zelle durch eine fur siedurchlassige Zwischenwand (Diaphragma) erfolgt Ladungsausgleich: Es liegtein geschlossener Stromkreis vor.

Zinkelektrode (Oxidation) Zn → Zn2+ + 2e−

Kupferelektrode (Reduktion) Cu2+ + 2e− → CuGesamtreaktion (Redoxreaktion) Zn + Cu2+ → Zn2+ + Cu

Weitere Ausfuhrungen uber die Elektromotorische Kraft und Akkumula-toren entnehmen Sie bitte den Lehrbuchern.

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68 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Elektroden

Kathode (negativ): Elektronen abgebende Elektrode. Bei Stromdurchgangwandern Kationen an die Kathode und konnen hier elementar abge-schieden werden (kathodische Reduktion).

Anode (positiv): Elektronen aufnehmende Elektrode. Bei Stromdurchgangwandern Anionen zur Anode. An der Anode konnen Stoffe — das An-odenmaterial, Anionen oder Wasser — oxidiert werden (anodische Oxi-dation).

Spannungsreihe, Standard-Reduktionspotentiale

Ein System wie das galvanische Element, in dem zwei raumlich getrennteRedoxpaare uber einen metallischen Leiter verbunden sind, wird auch alsRedoxkette oder elektrochemische Zelle bezeichnet. Die zwischen den Elek-troden einer Redoxkette im stromlosen Zustand messbare Eigenspannung ∆Eist die Differenz zwischen den Potentialen der beteiligten Redoxpaare. DieAbsolutwerte der Potentiale konnen nicht gemessen werden, sondern nur diePotentialdifferenzen zwischen zwei Elektroden. Um trotzdem die Potentialeverschiedener Redoxpaare miteinander vergleichen zu konnen, wird das Po-tential eines Bezugsredoxsystems als Null definiert. Misst man die Potentialealler anderen Redoxpaare gegen diese Vergleichselektrode unter vergleichba-ren Bedingungen, so ergibt sich eine Skala relativer Potentialwerte, die sog.Spannungsreihe (s. unten).

Als Vergleichselektrode dient die Normal- oder Standardwasserstoffelek-trode mit dem Redoxpaar 2H+/H2. Sie besteht aus einer Platinelektrode, dieunter Normal- oder Standardbedingungen (Temperatur 298 K = 25C; Kon-zentration 1 mol/l) in eine H+-Ionen-haltige Losung taucht (1 N HCl) undvon Wasserstoffgas unter einem Druck von 1013 mbar (1 atm) umspult wird.Der am Platin adsorbierte molekulare Wasserstoff bildet mit Protonen einRedoxpaar (2H+/H2). An der Normalwasserstoffelektrode lauft die folgendeRedoxreaktion ab:

2H+ + 2e− → H2

Das Potential eines Redoxpaares

Ox + ne− → Red

(bei 25C, alle Konzentrationen 1 mol/l) in Kombination mit der Wasserstof-felektrode ist sein Normal- oder Standard-Reduktionspotential E. Die Po-tentiale von Redoxpaaren, aus denen freiwilig Elektronen frei werden, habenein negatives Vorzeichen. Beispielsweise gehen aus dem Redoxpaar Zn/Zn2+

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3.7. REDOXREAKTIONEN (4.–5. WOCHE) 69

Zinkionen in Losung und die Elektronen reduzieren an der Wasserstoffelektro-de Protonen zu Wasserstoff; das Standardpotential von Zn2+ +2e− → Zn istE = −0.76 V. Umgekehrt besitzen Redoxpaare, zu deren oxidierter FormElektronen aus Wasserstoff hinfließen, ein positives Standardpotential, wiebeispielsweise in Cu2+ + 2e− → Cu mit E = +0.34 V.

Charakteristische Standard-Reduktionspotentiale E (weitere finden Siein Lehrbuchern und Tabellenwerken) sind:

Natrium Na+/Na -2.71Aluminium Al3+/Al -1.69Zink Zn2+/Zn -0.76Eisen(II) Fe2+/Fe -0.44Blei Pb2+/Pb -0.13Wasserstoff 2H+/H2 0.00

Kupfer Cu2+/Cu +0.34Eisen(III) Fe3+/Fe2+ +0.77Silber Ag+/Ag +0.80Sauerstoff O2/2O2− +1.23Wasserstoffperoxid H2O2/H2O +1.78

(Von oben nach unten nimmt die Oxidationskraft zu)

Die Spannung eines Galvanischen Elementes bei Standardbedingungenist gleich der Differenz der Standardpotentiale der beiden Halbelemente mithoherem und tieferem Potential, also ∆E = E

1 − E2 .

Wichtig: Aus der Kenntnis von Standard-Reduktionspotentialen kann manvielfach vorhersagen, welche Stoffe von welchen anderen (zumindest prinzi-piell) oxidiert bzw. reduziert werden konnen.

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70 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.7.1 Versuch: Metallionen, Spannungsreihe

Zweiergruppe

Stichworte: Spannungsreihe, edle und unedle Metalle

Allgemeines: Wird ein Metall in eine Metallsalzlosung eines edleren Me-talls eingetaucht, so scheidet sich das edlere Metall aufgrund seines edlerenCharakters an dem unedlen Metall ab. Im umgekehrten Fall passiert diesnicht. Auf diese Weise lasst sich herausfinden, ob ein Metall edler ist als dasandere.

Lost sich ein Metall in Saure unter Gasbildung (Wasserstoff H2) auf, soist das ein Hinweis darauf, dass es ein negatives Redoxpotential besitzt.

Chemikalien: 1 molare HCl, AgNO3, CuSO4, FeSO4, MgCl2, ZnSO4,Mg-Band, Mg-Spane, Cu-Band, Cu-Spane, Zink-Granalien, Eisenpulver, Ei-sennagel, Stangenzink, Zinnfolie

Durchfuhrung:

a.) In funf 100 ml Becherglasern (hohe Form) bereiten Sie jeweils durchEinruhren einer Spatelspitze Salz in ca. 5 ml Wasser eine Losung derfolgenden Salze: AgNO3, CuSO4, FeSO4, MgCl2, ZnSO4.

Tauchen Sie nacheinander in jede Losung: Magnesiumband, Eisennagel,Kupferband und Stangenzink.

Becherglas: 1 2 3 4 5Metallsalz: AgNO3 CuSO4 FeSO4 MgCl2 ZnSO4

Cu:Fe:Mg:Zn:

b.) In funf Reagenzglaser werden funf verschiedene Metalle gegeben undca. zwei Finger hoch mit einer 1 molaren Salzsaure (HCl) aufgefullt.

Reagenzglas: 1 2 3 4 5Metall: eine Zink-

granalieEisenpul-ver

Magnesium-spane

Kupferspa-ne

Zinnfolie

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3.7. REDOXREAKTIONEN (4.–5. WOCHE) 71

Aufgaben:

a.) Protokollieren und interpretieren Sie ihre Beobachtungen, indem Sie ineiner Tabelle eine relative Spannungsreihe von den verwendeten Metal-len anfertigen.

b.) Beobacheten Sie das jeweilige Metall und ziehen Sie Schlusse aus ihrenBeobachtungen.

Entsorgung: Anorganische Schwermetallabfalle

Ende Versuch 3.7.1

3.7.2 Versuch: LokalelementBoxweise

Stichworte: Agar, Phenolphtalein, Berliner Blau, Spannungsreihe

Allgemeines: Unedle Metalle werden in einer Elektrolytlosung oxidiertund losen sich auf. Ihre positiven Ionen gehen dabei in Losung und lassendie Elektronen im Metall zuruck. Wenn sie dabei von einem edleren Metallberuhrt werden, wird dieser Prozess beschleunigt, da das edlere Metall diezuruckbleibenden Elektronen aufnimmt. Dabei ladt sich das edlere Metallnegativ auf.

Agar ist ein Gemisch aus Agarose und Agaropectin. Es besteht aus ver-schiedenen Polysacchariden. In der Mikrobiologie wird es haufig als Tragerfur Bakterien- und Pilzkulturen benutzt, da es nur von einigen marinen Bak-terien zersetzt wird. Agar wird als Pulver geliefert und bei 100C in Wassergelost. Danach bleibt er bis etwa 45C flussig. Kuhlt er weiter ab, erstarrt erzu einer zahen, dann festen, geleeartigen Masse.

Chemikalien: 0.01 M NaCl, Agar, K3Fe(CN)6-Losung (1 %), alkoholischePhenolphtaleinlosung (1 %), Eisenagel, Kupferdraht

Durchfuhrung: 0.01 mol NaCl wird mit 1 g Agar, 3 ml 1 %iger K3Fe(CN)6-Lsg., 0.5 ml 1 %iger alkoholischer Phenolphthaleinlosung und mit Siedestein-chen in einem 250 ml Becherglas mit 100 ml Wasser erhitzt, bis sich der Agar

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72 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

gelost hat. Die heiße Losung wird in eine Petrischale gegossen und etwas abge-kuhlt. In diese Losung werden vorsichtig zwei saubere Eisennagel gelegt, vondenen einer mit einem Kupferdraht umwickelt wurde. Die Petrischale solltejetzt nicht mehr bewegt werden. Decken Sie die Petrischale ab, da sonst dieAgar-Losung vorzeitig austrocknen kann. Anmerkung: K3Fe(CN)6 ergibt mitFe2+-Ionen eine tiefblaue Farbung. Dieses

”Berliner Blau“ ist ein Nachweis

fur geloste Fe2+-Ionen.

Aufgaben: Interpretieren Sie die auftretende Farbung mit ihren eigenenWorten. Was zeigt die rote Farbe an? Woher kommen die angezeigten Teil-chen?

Entsorgung: Agar eintrocknen lassen. Danach Feststoffabfalle. Eisennagelsaubern und zuruckgeben.

Ende Versuch 3.7.2

3.7.3 Versuch: pH-Abhangigkeit des Redoxpotentials

Stichworte: Oxidationszahlen, Redoxreaktion, Oxidationsmittel, Redukti-onsmittel, Nernstsche Gleichung, Redoxpotential, Standardbedingungen

Allgemeines: Fur die Abhangigkeit zwischen dem Potential E eines Re-doxpaares und den Konzentrationen der beteiligten Stoffe hat W. Nernst austhermodynamischen Uberlegungen die Gleichung

E = E − 2.3RT

nFlog

[Red]

[Ox]

abgeleitet, in der R = 8.314 J·K−1mol−1 die Gaskonstante, T die Temperaturund F = 96484.56 C ·mol−1 die Faradaykonstante ist.

Bei 25C lassen sich die Konstanten zusammenfassen:

E = E − 0.059

nlog

[Red]

[Ox]

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3.7. REDOXREAKTIONEN (4.–5. WOCHE) 73

E gibt das Redoxpotential bei Standardbedingungen an. Der negativezweite Term bezieht sich auf die Konzentrationsabhangigkeit. n ist die Anzahlder bei dem Prozess bewegten Elektronen.An vielen Redoxprozessen sind auch Protonen beteiligt:

Red ⇀↽ Ox + ne− + mH+

Ihre Konzentration ist ebenfalls fur die Berechnung von E wichtig. Die pH-abhangige Nernstsche Gleichung lautet:

E = E − 0.059

nlog

[Red]

[Ox]− 0.059 · m

n· pH

Unter Standardbedingungen (pH = 0) verschwindet der dritte Term. Un-ter physiologischen Bedingungen (pH = 7) hat der dritte Term mituntereinen großen Einfluss auf E. Normalpotentiale bei pH 7 werden E′

genanntund oft in der Biochemie verwendet. Sie durfen nicht mit E verwechseltwerden.

Chemikalien: KMnO4 (Kristalle), konz. H2SO4, NaOH-Platzchen, H2O2-Losung (3 %)

Durchfuhrung: Zwei Reagenzglaser werden mit jeweils 5 ml Wasser gefulltund darin ein paar kleine Kristalle Kaliumpermanganat (KMnO4) aufgelost.

Reagenzglas 1: Drei Tropfen konz. Schwefelsaure werden hinzugegeben.

Reagenzglas 2: Zwei Platzchen Natriumhydroxid (NaOH) (Vorsicht! Nichtmit bloßen Handen anfassen!) werden hinzugegeben und gelost.

In beide Reagenzglaser wird eine 3 %ige Wasserstoffperoxid-Losung biszum Ende der Gasentwicklung zugetropft.

In Reagenzglas 1 entsteht Mangansulfat (MnSO4) und in Reagenzglas 2entsteht Braunstein (MnO2).

Aufgaben: Stellen Sie fur beide Prozesse exakte Reaktionsgleichungen, un-ter Einschluss von H+- und OH−- Ionen, auf und geben Sie dabei die Oxida-tionszahlen und die Anzahl der ubertragenen Elektronen an.

Unter welchen Bedingungen ist Kaliumpermanganat (KMnO4) das schwa-chere Oxidationsmittel?

Interpretieren Sie den Einfluss des pH-Wertes anhand der NernstschenGleichung.

Entsorgung: Neutralisieren, wassrige Schwermetallabfalle

Ende Versuch 3.7.3

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74 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.7.4 Versuch: Wasserstoffperoxid als redoxamphoteres System

Stichworte: Nernstsche Gleichung, Amphoterie, Disproportionierung

Allgemeines: Wasserstoffperoxid (H2O2) kann sowohl als Oxidationsmit-tel oxidierend wirken als auch als Reduktionsmittel reduzierend wirken.

H2O2 + 2e− + 2H+ → 2H2O (oxidierend)H2O2 → O2 + 2H+ + 2e− (reduzierend)

Es ist in wassriger Losung bei Raumtemperatur metastabil. Erst bei Ener-giezufuhr beginnt es sich in Sauerstoff und Wasser zu zersetzen.

Chemikalien: H2O2-Losung (3 %), saure KI-Losung (einige Kristalle KIinwenig Wasser + 2 ml 1 M H2SO4), CHCl3, saure KMnO4-Losung (einigeKristalle in 5 ml Wasser + 2 ml 1 M H2SO4), MnO2

Durchfuhrung: Drei Becherglaser (50 oder 100 ml) werden mit jeweils ca.5 ml 3 %iger H2O2-Losung gefullt.

Becherglas 1: Zugabe von ca. 5 ml saurer Kaliumpermanganat-Losung.

Becherglas 2: Zugabe von saurer Kaliumiodid-Losung. Mit 2 ml Chloroform(CHCl3) unterschichten.

Becherglas 3: Zugabe von einer kleinen Spatelspitze Braunstein (MnO2).

Aufgaben: Protokollieren und interpretieren Sie ihre Beobachtungen undstellen Sie fur jede der drei Reaktionen vollstandige Reaktionsgleichungenauf.

Welche Oxidationszahl hat Sauerstoff in Wasserstoffperoxid (H2O2)?Welche der drei Redoxreaktionen ist eine Disproportionierung?Als was dient die Spatelspitze Braunstein (MnO2) in Becherglas 3?

Entsorgung: Neutralisieren, wassrige Schwermetallabfalle.

Ende Versuch 3.7.4

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3.8. KOMPLEXE 75

3.8 Komplexe

Stichworte: Ubergangsmetalle, Besetzung von d- und f-Orbitalen, Lewis-Saure, Lewis-Base, Farbe von Komplexverbindungen, Koordinationszahl, Geo-metrie und Stereochemie von Komplexen, Chelatkomplexe, Struktur von Ha-min, Chlorophyll und Vitamin B12

Weiterfuhrend: Ligandenfeldtheorie, VB-Theorie, Diamagnetismus undParamagnetismus

In Atomen der schwereren Elemente ab Ordnungszahl 20 konnen nachBesetzung der kernnahen s- und p-Orbitale insgesamt funf d-Orbitale mitmaximal 10 Elektronen gefullt werden, ehe ab Element 31 (Gallium) wiederp-Zustande zur Besetzung kommen. Zwischen der 2. und der 3. Hauptgruppeexistieren daher 10

”Nebengruppen“ mit sog. Ubergangsmetallen.

Die Zahl von d-Elektronen in den energetisch hoherliegenden d-Orbitalenbestimmt die chemischen und physikalischen Eigenschaften dieser Ubergangs-metalle. Gemeinsame Merkmale und charakteristische Unterschiede zu denHauptgruppenelementen sind ihr Auftreten in verschiedenen Oxidationsstu-fen, die starke Tendenz zur Bildung von Komplexen, in denen Liganden zu-satzliche Elektronenpaare fur unbesetzte d-Orbitale beisteuern, und das hau-figste Vorkommen farbiger sowie paramagnetischer Ionen und Verbindungen.

Angesichts ihrer chemischen Vielfalt ist es nicht erstaunlich, dass eine Rei-he von Ubergangsmetallen essentielle biologische (

”bioanorganische“) Funk-

tionen ubernehmen. Einige wichtige Beispiele sind

Mangan: Wasserabspaltung im Photosystem II der grunen PflanzenEisen: Sauerstofftransport, Redoxsystem in CytochromenCobalt: Reaktives Zentrum im Vitamin B12

Nickel: Mikrobielle Bildung von Methangas und WasserstoffKupfer: Redoxsystem in der Atmungskette (Cytochromoxidase)

Hamocyanin (sauerstofftrager bei Wirbellosen, z. B. Mollusken)Zink: Bestandteil einer Reihe von EnzymenMolybdan: Katalyse der Stickstofffixierung durch Nitrogenase

Neben den bekannten Metallen Eisen, Kupfer und Zink sind viele weitereUbergangsmetalle technisch wichtig, wie Titan, Vanadium, Chrom, Manganund Nickel in Legierungen, Nickel und die Platinmetalle (Rhodium, Palladi-um, Platin) als Katalysatoren, Silber und Gold als Edelmetalle hoher Leit-fahigkeit. Das flussige Quecksilber mit seinen meist toxischen Verbindungen

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76 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

nimmt eine Sonderstellung in der Chemie der Ubergangsmetalle ein und wirdhier nicht behandelt.

Komplex- oder Koordinationsverbindungen

Ein Komplex entsteht, wenn sich verschiedene, an sich auch allein stabileAtome, Ionen oder Molekule miteinander

”koordinieren“ und stochiometrisch

sowie geometrisch wohldefinierte neue Verbindungen hoherer Ordnung bilden.Komplexbildung erfolgt zwischen Teilchen mit

”Elektronenlucken“ (d. h. mit

einer kleineren Zahl von Elektronen als zum Erreichen der nachsten stabilenabgeschlossenen Elektronenkonfiguration erforderlich) und anderen Teilchen(Liganden), die uber freie Elektronenpaare verfugen: Bei Kombination beidererreicht das System einen energetisch gunstigeren Zustand. Komplexbildungist nicht auf Ubergangsmetalle beschrankt, aber wegen der im Allgemeinennicht voll besetzten d-Orbitale dort besonders ausgepragt.

Ein Komplex besteht aus einem Zentral-Atom oder Zentral-Ion als Koor-dinationszentrum und der Ligandenhulle. Das Koordinationszentrum ist ty-pischerweise ein Metallion, als Liganden dienen zumeist Anionen oder Neu-tralmolekule mit freien Elektronenpaaren. Die Anzahl der Bindungen zwi-schen dem Zentralteilchen und seinen Liganden bezeichnet man als Koor-dinationszahl (KZ) des Zentralteilchens. Liganden mit mehr als einer Ko-ordinationsstelle (d. h. freie Elektronenpaare oder negative Ladungen) hei-ßen mehrzahnige- oder Chelatliganden. Einige der wichtigsten Liganden undChelatliganden sind das sechszahnige EDTA, Oxalat (zweizahnig; zwei Carb-oxylat-Gruppen), Ethylendiamin (zweizahnig, zwei Amino-Gruppen mit ei-nem freien Elektronenpaar), Acetylacetonat (zweizahnig; zwei Carboxylat-Gruppen), Wasser und Ammoniak. Zeichnen Sie zur Ubung bei den folgendenLiganden die zur Komplexbildung benotigten freien Elektronenpaare ein.

NH3

Ammoniak

HO

H

Wasser

OO

OO

Oxalat--

NH2NH2

Ethylendiamin

CH3

O

CH3

O

Acetylacetonat

NNO

O

O

OO

O

O

O

-

-

-

-

Ethylendiamintetraacetat = EDTA

Wird ein Metall komplexiert, so unterscheiden sich die Eigenschaften desKomplexes oft drastisch von denen des freien Metall-Ions. Dasselbe gilt furdie Liganden.

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3.8. KOMPLEXE 77

Haufig sind Farbanderungen zu beobachten: Eine Losung von Kupfersul-fat in Wasser ist schwach hellblau, mit Ammoniak wird die Losung tiefblau,bei Zusatz von Chloridionen andert sich dagegen die Farbe der Losung uberGrun nach Gelb. In den Losungen sind unterschiedliche Komplexionen ent-halten:([Cu(H2O)]2+ (hellblau), [Cu(NH3)3]2+ (tiefblau), [CuCl2(H2O)2] (grun), [CuCl4]2− (gelb)

Ionen konnen durch Komplexbildung bzgl. ihres Loslichkeitsverhaltensund ihrer Reaktivitat

”maskiert“ werden. Wahrend bekanntlich Ag+-Ionen

durch Chlorid als AgCl ausgefallt werden, reagieren die Komplexionen[Ag(NH3)2]

+ nicht mit Chlorid unter Fallung. Ag+-Ionen werden als Oxida-tionsmittel (E = +0.8 V) leicht zu elementarem Silber reduziert, nicht aberin Gegenwart von Cyanid als Cyanokomplex [Ag(CN)2]

2−, der ein negativesRedoxpotential aufweist (E = −0.31V).

Kationsauren

Losungen von Metall-aquakomplexen wie [Fe(H2O)2]3+ reagieren stark sauer

(sie sind sog.”Kationsauren“), weil Wassermolekule in der Ligandensphare

polarisiert werden und Protonen abspalten.Informieren Sie sich in den Lehrbuchern uber die Geometrie und Isomerie

von Komplexen.

Nomenklaturregeln zur Benennung von Komplexen

• Ist die Komplexverbindung ein Salz, so wird zuerst das Kation ge-nannt. Im [Ag(NH3)2Cl] wird daher zuerst der kationische Komplex[Ag(NH3)2]

+ und dann das Gegenion Cl− geschrieben.

• In den Namen der Komplex-Ionen oder -Molekule werden die Ligandenvor dem zentralen Matallion aufgefuhrt, verschiedene Ionen oder neu-trale Molekule als Liganden in alphabetischer Reihenfolge. So heißt daskomplexe Kation [Cr(H2O)4Cl2]

+ Tetraquadichlorochrom(III).

• Anionische Liganden enden auf -o, wahrend neutrale Liganden in derRegel die Molekulnamen tragen. Fur einige wichtige Liganden lautendie Bezeichnungen: N3

− azido, Br− bromo, CN− cyano, F− fluoro, HO−

hydroxo, CO32− carbonato, C2O4

2− (Oxalat) oxalato, S2− thio, NH3

ammin, COcarbonyl, H2Oaqua (haufig wird aber auch aquo benutzt).

• Die Zahl der Liganden einer Sorte wird durch griechische Zahlworte (di-,tri-, tetra-, penta-, hexa-) angegeben. Enthalten die Namen der Ligan-den schon solche Prafixe, dann werden die Vorsilben bis-, tris-, tetrakis

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78 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

usw. verwendet. So lautet der Name fur den Komplex [Co(en)3]Cl3Tris(ethylendiamin)-cobalt(III)chlorid.

• Ist der Komplex ein Anion, so wird die Endung -at benutzt. So heißtz. B. die Verbindung K4[Fe(CN)6] Kalium-hexacyanoferrat(II), Na[Al(OH)4]heißt Natriumtetrahydroxoaluminat(III).

3.8.1 Versuch: Cu-Komplexe

Stichworte: Komplexbildungskonstante, Liganden, Stabilitat von Kom-plexen

Allgemeines: Kupfer bildet, wie viele andere Ubergangsmetalle, mit ne-gativ geladenen Ionen oder einigen Lewis-Basen mit einem freien Elektro-nenpaar farbige Komplexe. So entsteht mit Wasser der blauliche Tetraqua-Komplex [Cu(H2O)4]

2+, mit Clorid (Cl−) der grune Tetrachloro-Komplex[CuCl4]

2− und mit Ammoniak (NH3) der blaue Tetramin-Komplex [Cu(NH3)4]2+.

Die Bildung eines Komplexes ist zumeist eine Gleichgewichtsreaktion. Fureine Komplexbildungsreaktion wie:

M + 6L ⇀↽ ML6

(M = Metallion, Zentralatom; L = Ligand)lasst sich auch anhand des Massenwirkungsgesetzes (MWG) eine Komplex-bildungskonstante formulieren:

K =[ML6]

[M] · [L]6

Die Bildung eines Komplexes hangt demnach auch stark von der Konzen-tration der Liganden ab.

Die Aminosaure Glycin bildet mit Kupfer einen stabilen Komplex. Glycinist ein

”zweizahniger“ Chelatligand. Er kann hier als Modell fur viele im

Korper wichtige Komplexe dienen. Die beiden Zahne bestehen zum einenaus dem negativen Sauerstoff und dem freien Elektronenpaar des Stickstoffs.

[Cu(H2O)]2+ + 2 NH2

O

O-

_O

NH2

O -

O O

NH2

-

Cu2+ + 2 H2O

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3.8. KOMPLEXE 79

Chemikalien: CuCl2 ·H2O, NaCl, verd. NH3, CuSO4-Losung (1 g CuSO4

+ 10 ml H2O)

Durchfuhrung:

a.) Ligandenaustausch: In einem Reagenzglas wird 1 g Kupferchlorid(CuCl2 · 2H2O) in ca. 6 ml Wasser gelost. Die leicht blaue Farbe derLosung lasst sich durch Zugabe von einigen Spatelspitzen Natriumchlo-rid (NaCl) in Grun uberfuhren. Durch Verdunnen tritt die leicht blaueFarbe wieder auf.

Zu 5 ml dieser Losung wird verd. Ammoniak (NH3) zugetropft. Nachjedem Tropfen wird das Reagenzglas geschuttelt. Das sich anfanglichbildende, feste Kupferhydroxid (Cu(OH)2) lost sich nach weiterer Zuga-be wieder auf, und es entsteht bei Ammoniak-Uberschuss ein loslicherKomplex.

b.) Diglycinokupfer(II)-Komplex: 0.5 g Glycin werden in 10 ml Was-ser unter vorsichtigem Erhitzen uber dem Bunsenbrenner gelost. DiepH-Werte dieser Losung und der Kupfersulfatlosung (CuSO4) werdenmit Indikatorpapier gemessen. In einem Reagenzglas werden jeweils3 ml der Kupfersulfat-Losung und der Glycin-Losung vereinigt und derpH-Wert erneut gemessen. Um die Stabilitat des entstandenen Kom-plexes zu demonstrieren, wird durch Zutropfen von Natriumhydroxid(NaOH) versucht, den Komplex zu zerstoren. Das

”Ausfallen“ des fe-

sten Cu(OH)2 wurde den Zerfall des Komplexes anzeigen. Man tropftNatriumhydroxid (NaOH) zu, bis die Losung schwach alkalisch ist (In-dikatorpapier).

Aufgaben:

a.) Protokollieren Sie ihre Beobachtungen und interpretieren Sie diese, in-dem Sie zu jedem Prozess eine Reaktionsgleichung formulieren.

Welcher grune Komplex bildet sich nach Zugabe von Natriumchlorid(NaCl)?

Warum lost er sich nach Verdunnen mit Wasser wieder auf?

Welcher losliche Kupferkomplex bildet sich nach Zugabe von Ammoni-ak (NH3)?

b.) Interpretieren sie den gemessenen pH-Wert nach der Vereinigung vonKupfersulfat-Losung (CuSO4) und Glycin-Losung. Konnte der Kom-plex durch Zugabe von Natriumhydroxid (NaOH) zerstort werden?

Entsorgung: Wassrige Schwermetallabfalle

Ende Versuch 3.8.1

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80 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

3.8.2 Versuch: Fe-Komplexe

Zweiergruppe

Stichworte: Kationsaure, Autooxidation, Chelatliganden

Allgemeines: Bioanorganische Komplexe des Eisens (Hamin, Ferredoxin,Ferritin u. a.) spielen in der Biochemie eines lebenden Organismus eine tra-gende Rolle.

In wassriger Losung werden Fe3+-Ionen von sechs Wassermolekulen zumHexaqua-Komplex [Fe(H2O)6]

3+ komplexiert. Durch die hohe Ladung desZentralatoms werden die Liganden so polarisiert, dass es recht leicht ist, einesder Wasserstoffatome als H+ an die Umgebung abzugeben. Der Komplexreagiert sauer. Man spricht hier von einer Kationsaure.

[Fe(H2O)6]3+ → [Fe(H2O)5(OH)−]2+ + H+

Fe2+ ist zwar in festen Salzen stabil, wird aber durch Autooxidation inwassriger Losung nach gewisser Zeit zu Fe3+. In Losung liegen daher zumeistFe3+-Ionen vor.

Eisenionen bilden mit Thiocyanat (SCN−) einen sehr farbstarken, rotenKomplex. Selbst kleine Mengen Eisen konnen damit sichtbar gemacht wer-den. Diese Reaktion eignet sich daher als Nachweisreaktion fur Eisen. Mito-Phenantrolin, einem zweizahnigen Chelatliganden, ergibt sich ebenfalls eintiefrot gefarbter 3:1 Komplex. Auch diese Reaktion eignet sich als Nachweis-reaktion. Allerdings lassen sich durch diese Nachweise nur freie Eisenionen inLosung nachweisen.

Chemikalien: FeCl3, NH4SCN, FeSO4, K3[Fe(CN)6], K4[Fe(CN)6], o-Phen-antrolin-Losung (2 % in Ethanol gelost), 2 M H2SO4

Durchfuhrung:

a.) Kationsaure:

Messen Sie den pH-Wert einer FeCl3-Losung (0.5 g FeCl3 in 10 mlWasser). Stellen Sie eine frische Eisensulfat-Losung (FeSO4) aus ca.0.5 g Eisensulfat und 10 ml Wasser her. Messen Sie den pH-Wert sofort

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3.8. KOMPLEXE 81

nach der Herstellung und dann einige Zeit spater.

b.) Eisennachweis:

Reagenzglas 1: zwei Finger breit frische FeSO4-Losung + 1 Spatelspit-ze Ammoniumthiocyanat (NH4SCN)

Reagenzglas 2: zwei Finger breit frische FeCl3-Losung + 1 SpatelspitzeAmmoniumthiocyanat (NH4SCN)

Reagenzglas 3: zwei Finger breit Kaliumhexacyanoferrat-(III)-(K3[Fe(CN)6])-Losung (rotes Blutlaugensalz) + 1 Spatelspitze Ammoniumthio-cyanat (NH4SCN)

Reagenzglas 4: zwei Finger breit Kaliumhexacyanoferrat-(II)-(K4[Fe(CN)6])-Losung (gelbes Blutlaugensalz) + 1 Spatelspitze Ammoniumthio-cyanat (NH4SCN)

Die gleiche Nachweisreihe wird mit o-Phenantrolin-Losung anstelle vonAmmoniumthiocyanat (NH4SCN) wiederholt.

Aufgaben:

a.) Protokollieren Sie die gemessenen pH-Werte, und erklaren Sie eineeventuelle Anderung dieser Werte.

b.) Protokollieren Sie die gemachten Beobachtungen, und vergleichen Siedie beiden Nachweisreaktionen. Gibt es Unterschiede? Erklaren Sie,warum der Nachweis bei manchen eisenhaltigen Substanzen nicht er-folgreich war.

Entsorgung: Neutralisieren, wassrige Schwermetallabfalle

Ende Versuch 3.8.1

3.8.3 Versuch: Gleichgewicht von Kupferkomplexen

Zweiergruppe

Stichworte: Hydration, Aqua-Ionen, Komplexbildungsgleichgewicht, Chlo-ridnachweis mit Silbernitrat

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82 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Allgemeines: Komplexgleichgewichtsreaktionen eignen sich wegen der oftauffalligen Farbreaktionen gut fur eine Veranschaulichung der Temperatur-und Konzentrationsabhangingkeit von Gleichgewichtsreaktionen.Kupferchlorid zeigt in wassriger Losung folgendes Gleichgewicht:

[Cu(H2O)4]2+ +4Cl− ⇀↽ [CuCl4]

2− + H2O

(blau) (gelb)

Das blaue Kupfertetraqua-Ion [Cu(H2O)4]2+ steht im Gleichgewicht mit

dem gelben, negativ geladenen Kupfertetrachlorokomplex [CuCl4]2−. Die Far-

be der Losung gibt also die Lage des obigen Gleichgewichtes an. Dieses Gleich-gewicht lasst sich gemaß dem Massenwirkungsgesetz fur diese Reaktion durchZugabe oder Entzug von Chloridionen (Cl−) beinflussen:

K =

[[CuCl4]

2−]· [H2O][

[Cu(H2O)4]2+]·

[Cl−

]4

Durch Zugabe von Silbernitrat (AgNO3) bildet sich mit den Chloridionen(Cl−) das schwerlosliche, weiße Silberchlorid (AgCl). Diese Reaktion ist zumNachweis und zur Verringerung der Konzentration von Chloridionen (Cl−)geeignet.

Chemikalien: 1 M CuCl2-Losung (17 g CuCl2 · 2H2O in 100 ml Wasser),konz. HCl, konz. NH3, 1 M AgNO3-Losung

Durchfuhrung: 50 ml einer 1 M Kupferchlorid-(CuCl2)-Losung werdengleichmaßig auf 4 Reagenzglaser verteilt. Die Losung in Glas 1 ist blaugrunund nahert sich beim Verdunnen mit Wasser dem himmelblauen Farbtoneiner Kupfersulfatlosung. Zugabe von konzentrierter Salzsaure in Glas 2 fuhrtzur Farbanderung nach Hellgrun, welche beim Erwarmen in einen Brauntonubergeht. In Glas 3 setzt man konzentrierte Ammoniaklosung bis zur tiefenBlaufarbung zu, die bei Verdunnung einen helleren Ton annimmt. Glas 4 wirdzunachst wie Glas 2 mit konzentrierter Salzsaure behandelt, fugt man 1 MSilbernitrat (AgNO3) Losung im Uberschuss hinzu, erhalt man einen weißenNiederschlag, und die Farbe wechselt nach Blaugrun.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihre Beobachtungen, und formulieren Sie furjeden der 4 Prozesse eine Reaktionsgleichung. Erklaren Sie die Prozesse ineigenen, kurzen Worten anhand des Massenwirkungsgesetzes.

Warum nimmt die Losung in Reagenzglas 1 beim Verdunnen die Farbeeiner Kupfersulfatlosung an?

Entsorgung: Neutralisieren, wassrige Schwermetalle

Ende Versuch 3.8.3

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3.8. KOMPLEXE 83

3.8.4 Versuch: Magnesium im Spinat

Boxweise

Stichworte: Chelatligand, Zentralatom, Chlorophyll, Titangelb, organischeFarbstoffe

Allgemeines: Ein Chelatligand ist ein Molekul, welches gleich mehrereZentren besitzt, die entweder durch Ladung oder durch ein freies Elektronen-paar eine Komplexbildung zu einem Zentralatom aufbauen konnen. SchlagenSie dazu die entsprechenden Kapitel in den einschlagigen Lehrbuchern nach.

Der Pflanzenfarbstoff Chlorophyll ist ein Chelatkomplex mit Magnesium(Mg) als Zentralatom. In hoheren Pflanzen liegt ein Gemisch aus blaugrunemChlorophyll a (ca. 75 %) und gelbgrunem Chlorophyll b vor. Diese unterschei-den sich nur an dem Rest R (siehe Abbildung).

_

_N N

N N

O

C2H5

R

OOC20H39

OOMe

Mg\

\

Chlorophyll a: R = CH3

Chlorophyll b: R = CHODas Zentralatom Magnesium ist hier von vier Stickstoffatomen mit freien

Elektronenpaaren umgeben. Diese bilden die vier Zahne des Chelatliganden.Setzt man das Magnesium frei, so lasst es sich mit einem typischen Magne-siumtest mit Titangelb nachweisen.

__

S

N

S

NN N

N

SO3NaSO3Na

H

_

__

Als einen Vertreter chlorophyllhaltiger Pflanzen benutzen wir im diesemVersuch Spinat. Er enthalt Magnesium, welches unter anderem auch im Chlo-rophyll gespeichert ist.

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84 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Der grune Chlorophyll-Komplex ist hier im Gegensatz zu den vorran-gegangenen farbigen Komplexen nicht aufgrund der Wechselwirkung der d-Zustande farbig. Vielmehr liegt die grune Farbe an dem konjugierten Systemder Doppelbindungen. Auch die Farbigkeit des Titangelb-Molekuls beruht aufdiesem Effekt. Aufgrund des Umfanges dieses Themas kann Ihnen an dieserStelle nur empfohlen werden, sich dieses Wissen mit Hilfe eines Lehrbuchesanzueignen (siehe auch organischer Teil). Es ist biologisch durchaus von In-teresse.

Chemikalien: Spinat, 4 M HCl, 2 M NaOH, pH-Papier, Titangelb-Losung(0.05 %)

Durchfuhrung: 10 g kleingeschnittener Spinat (tiefgekuhlt und aufgetaut)werden mit 10 ml 4 M Salzsaure (HCl) in einem 250 ml Erlenmeyer-Weit-halskolben uber dem Bunsenbrenner (Dreifuß, Drahtnetz) im Abzug einmalkurz aufgekocht. Zur Vermeidung von Siedeverzugen werden einige Siedestei-ne in die wassrige Aufschlammung der Spinatblatter gegeben (Vorsicht vorSpritzern!). Danach wird die Suspension durch ein Faltenfilter gegeben unddas klare Filtrat durch tropfenweise Zugabe von 2 M Natronlauge unter Pru-fung mit pH-Papier neutralisiert. Dabei kann sich die Losung leicht truben.Die neutralisierte Losung wird auf etwa 100 ml verdunnt und ungefahr 2 mlder verdunnten Losung in ein Reagenzglas gegeben. In das Reagenzglas wirdzusatzlich die gleiche Menge 2 M NaOH sowie 2–3 Tropfen der 0.05 %igen Ti-tangelblosung gegeben und mit einem Glasstab umgeruhrt. Rotfarbung oderein roter Niederschlag zeigen die Anwesenheit von Mg2+ im Hydrolysat desSpinats an.

Aufgaben: Protokollieren Sie die einzelnen Verfahrensschritte in kurzenWorten und stellen Sie Vermutungen daruber an, warum diese notig waren,um das Magnesium zu isolieren.

Entsorgung: Reste neutralisieren und in den Ausguss entsorgen

Ende Versuch 3.8.4

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3.9. ANALYTISCHE BESTIMMUNGEN 85

3.9 Analytische Bestimmungen

3.9.1 Analyse 2: Bestimmung von NaCl durch Ionenaustauscher

Zweiergruppe

Stichworte: Massenwirkungsgesetz, Saure/Base-Titration, Sulfonsauregrup-pe

Allgemeines: Die hier verwendeten Ionenaustauscher bestehen aus einemGlasrohr mit einem Auslauf an einem Ende. Das Glasrohr ist mit dem Ionen-austauscherharz befullt. Wird nun eine Natriumchloridlosung (NaCl) einge-fullt, so kommt nach kurzer Zeit am Auslauf nur noch Salzsaure (HCl) heraus.Die am Austauscherharz vorhanden H+-Ionen wurden mit den Na+-Ionen derLosung ausgetauscht und aus der Saule

”ausgespult“.

Kationenaustauscher tauschen spezifisch alle positiven Metallionen (z. B.Na+) gegen Protonen (H+) aus. Sie bestehen aus einem Harz welches die feste,immobile Phase darstellt. An diesem Harz sind saure funktionelle Gruppenchemisch gebunden, wie z. B. Sulfonsaure-Gruppen. Diese tragen acide(saure)Wasserstoff-Atome. Lasst man nun eine wassrige Salzlosung (Wasser ist diemobile Phase) durch den Kationenaustauscher fließen, so geben die Sulfon-sauregruppen die Protonen ab und binden die Natriumionen an sich.

S

O

O

O-

Harz

Na+S

O

O

O H

Harz

+ Na+

- H+

Anionenaustauscher tauschen spezifisch alle negativ geladenen Anionenaus. Sie haben funktionelle Gruppen mit Zentren, welche in der Lage sind,die Anionen an sich zu binden und dafur Hydroxidionen (OH−) abzuge-ben. Auf diese Weise lasst sich eine Natriumsulfat-(Na2SO4)-Losung in eineNatriumhydroxid-(NaOH)-Losung uberfuhren.

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86 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Neben Reinigungsfunktionen (Herstellung von entionisiertem Wasser) ha-ben Ionenaustauscher auch eine analytische Bedeutung. Die Konzentrati-on einer Natriumchlorid-(NaCl)-Losung lasst sich durch Umwandeln in eineSalzsaure-(HCl)-Losung und anschließende Titration ermitteln. Die durch dieTitration ermittelte Konzentration der Salzsaure-(HCl)-Losung, muss diesel-be sein, wie die Konzentration der Natriumchlorid-(NaCl)-Losung.

Chemikalien: Ionenaustauscher, 4 M HCl

Durchfuhrung: Diese Analyse wird in Zweiergruppen durchgefuhrt.

Probenabgabe: Beschriften Sie einen 100 ml Messkolben mit folgendenDaten (siehe auch Analyse 1):

Praktikant 1: Praktikant 2:Nachname, Vorname: Nachname, Vorname:Analyse: 2 Analyse: 2Box Nr.: Box Nr.:Saal: Saal:

Im Gegensatz zur Analyse 1 wird hier, bei einer Falschansage, nur inAusnahmefallen eine weitere Probe fur den Praktikanten ausgegeben. Amdarauffolgenden Tag sind die gefullten Proben abzuholen.

Vorbereiten der Saule: Lassen Sie sich den Aufbau und Befullung sicher-heitshalber vom Assistenten genau beschreiben.

In eine extra ausgegebene Glassaule wird unten ein Pfropf aus Glaswollegestopft. Benutzen Sie dabei Haushaltshandschuhe und stellen Sie sicher,dass Sie moglichst wenig von der Glaswolle einatmen. Der Pfropf kann miteinem langen Glasstab vorsichtig unten in der Saule festgedruckt werden. Erdient dem Zuruckhalten des Ionenaustauscherharzes.

Spannen Sie die Saule senkrecht in die dafur vorgesehene Halterung. Las-sen Sie den korrekten Sitz vom Assistenten uberprufen. Bringen Sie ein StuckGummischlauch an dem Auslauf der Saule an und verschließen Sie diesen miteinem Quetschhahn. Der Schlauch sollte so bemessen sein, dass er bis etwa zueinem Drittel in einen 250 ml Erlenmeyerkolben hineinragen kann (Aufbausiehe Bild).

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3.9. ANALYTISCHE BESTIMMUNGEN 87

Bei geschlossenem Quetschhahn wird zunachst etwas Wasser hineingege-ben, so dass die Glaswolle davon bedeckt ist. Mit dem Glasstab wird dieGlaswolle solange gedruckt, bis sich keine Luftblasen in ihr befinden.

Bei geoffnetem Quetschhahn wird das Ionenaustauscherharz eingeschlammt(Vorsicht, enthalt noch einen Rest Salzsaure). Dabei ist darauf zu achten, dasssich keine Luftblasen bilden. Diese lassen sich durch vorsichtiges Umruhrenmit einem Glasstab beseitigen. Nachdem der Ionenaustauscher bis etwa 2 cmunter der Auslaufhohe des Rohres gleichmaßig eingeschlammt wurde, fullenSie ihn mit entionisiertem Wasser (kein Leitungswasser!!) und spulen Sie ihndamit so lange, bis die am Schlauch austretenden Tropfen neutrale Reaktionzeigen (pH-Papier). Die Saule darf ab jetzt nicht mehr

”trockenlaufen“. Der

Flussigkeitsstand darf also nicht mehr unter den Stand der Harzbefullungfallen. Benutzen Sie beim Durchspulen ein großes Becherglas und neutrali-sieren Sie die Losung anschließend. Diese kann danach im Ausguss entsorgtwerden.

Der Ionenaustauscher ist jetzt gebrauchsfertig. Lassen Sie die Flussig-keit bis kurz uber die Befullung auslaufen und schließen Sie den Quetsch-hahn. Spulen Sie den Inhalt ihres Analysekolbens quantitativ in die Ionenaus-tauschersaule. Benutzen Sie zum Ausspulen des Analysekolbens eine PVC-Spritzflasche mit entionisiertem Wasser. Achten Sie aber darauf, dass Sie nurso viel Wasser wie unbedingt notig benutzen. Das Aufbringen der Analy-senlosung sollte moglichst in einem Schritt und konzentriert erfolgen. Der

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88 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Quetschhahn wird jetzt gerade so weit geoffnet, das hochstens ca. ein Trop-fen in der Sekunde austreten kann. Lassen Sie etwa 50 ml auf diese Weise inein Auffanggefaß laufen, bevor Sie einen sauberen 250 ml Erlenmeyerkolbenunter den Auslaufschlauch stellen. Prufen Sie dabei immer wieder den pH-Wert der Losung (pH-Papier). Sollte dieser sich zum sauren hin verandern,stellen Sie sofort einen sauberen 250 ml Erlenmeyerkolben als Auffanggefaßauf. Fullen Sie die Saule immer wieder mit entionisiertem Wasser auf, damitsie nicht trockenlauft. Lassen Sie so lange die Losung durchlaufen, bis dieTropfen wieder neutrale Reaktion zeigen (pH-Papier).

Danach wird die so aufgefangene Salzsaurelosung mit einer 1 M Natron-lauge (NaOH) (wird ausgegeben) mit bekanntem Titer titriert und der Ge-halt an Salzsaure in mol bestimmt (siehe Titrationen). Hierbei wird der ge-samte Inhalt des Erlenmeyerkolbens bei nur einer Titration titriert. Als In-dikator wird Phenolphthalein verwendet.

Regenerieren des Austauscherharzes: Zum Entfernen der Natriumio-nen aus dem Autauscherharz wird durch einen Uberschuss an Saure dasGleichgewicht verschoben. Es bildet sich wieder Natriumchlorid, welches aus-geschwemmt wird. Dazu lasst man ca. 100 ml 4 M Salzsaure (HCl) langsamdurch den Austauscher laufen und spult solange mit entionisiertem Wassernach, bis die austretenden Tropfen eine neutrale Reaktion mit pH-Papierzeigen. Der Austauscher kann jetzt wieder in das Vorratsgefaß gegeben wer-den. Soll der Autauscher von einer anderen Gruppe benutzt werden, so ist erfolgendermaßen zu beschriften: Regeneriert am:. . . von:. . .

Aufgaben: Berechnen Sie anhand des Verbrauches bei der Titration denGehalt an NaCl in ihrem Analysekolben in mg.

Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise, Berechnungen und das Ergebnis.Machen Sie bei Ihrem Assistenten eine Ergebnisansage. Es sind zwei Ansagenmoglich.

Entsorgung: Losungen neutralisieren, Ausguss. Der regenerierte Ionenaus-tauscher wird in das Vorratsgefaß zuruckgegeben.

Ende Versuch 3.9.1

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3.9. ANALYTISCHE BESTIMMUNGEN 89

3.9.2 Analyse 3: Photometrische Bestimmung von Phosphat

Boxweise

Stichworte: Photometrie, Lambert-Beersches-Gesetz, Extinktion, Extink-tionskoeffizient, Photometer, Kalibrierkurve

Allgemeines: Die Photometrie wird sehr haufig zur Bestimmung der Kon-zentration einer Losung herangezogen. Hierbei wird der Zusammenhang zwi-schen Lichtabsorption und Konzentration ausgenutzt. Dieser Zusammenhanglasst sich durch das Lambert-Beersche-Gesetz beschreiben.

Eine farbige Losung absorbiert in einem bestimmten WellenlangenbereichLicht. Die nicht absorbierten Wellenlangen (Farben) des aus der Losung aus-tretenden oder reflektierten Lichtes erzeugen im Auge des Betrachters einenFarbeindruck. Auch vermeintlich farblose Losungen absorbieren Licht be-stimmter Wellenlangen. Da diese Wellenlangen des Lichts aber fur den Men-schen nicht sichtbar sind, entsteht fur uns kein Farbeindruck. Ist bekannt,welche Wellenlange am besten von einem Stoff absorbiert wird, so lasst sichdiese Wellenlange fur eine photometrische Konzentrationsmessung nutzen.

Ist eine Substanz in einem Losungsmittel gelost und wird ein Lichtstrahlgeeigneter Wellenlange hindurchgesandt, so wird um so mehr Licht von derLosung absorbiert, je konzentrierter diese ist. Der austretende Strahl hat einegeringere Intensitat I als der eintretende Strahl I0.

LosungI0 I

I ist um so kleiner, je großer die Konzentration der Losung und dieSchichtdicke d (Weg des Lichtes durch die Losung) ist. Zur DurchlassigkeitD stehen diese Großen in folgender Beziehung:

D =I

I0

= 10−εcd

Der molare, dekadische Extinktionskoeffizient ε ist wellenlangenabhan-gig und stoffspezifisch. Fur vollige Lichtabsorption ist D = 0, wahrend beivolliger Durchlassigkeit D = 1 ist.

Aus praktischen Grunden wird diese Beziehung zum Lambert-BeerschenGesetz umgeformt. Es gibt die Beziehung der Extinktion E zu den Großend (Schichtdicke in cm), ε (Extinktionskoeffizient in cm2/mmol) und c (Kon-zentration in mmol/ml) an:

E = logI0

I= εcd

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90 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Die Extinkion E ist dimensionslos und geht von Null (keine Lichtabsorp-tion) bis unendlich (vollige Lichtabsorption). Messbar ist i. a. der Bereich 0bis 2.

Lambert-Beersches Gesetz: Bei konstanter Schichtdicke d sind die gemes-sene Extinktion E und die Konzentration c einer Losung einander direkt-proportional.

Fur c = 1 mol/l und d = 1 cm wird E gleich ε. Ist ε bekannt, so genugteine Extinkionsmessung zur Berechnung von c. Oft ist aber fur komplizierteoder empirische Farbreaktionen (Phosphat-, Zucker-, Proteinbestimmung) εnichtbekannt oder E ist stark von den Messbedingungen abhangig. In diesenFallen erstellt man mit Losungen bekannter Konzentration eine Kalibrier-kurve. Die Konzentrationen der Kalibirierlosungen sollten in dem vermutetenKonzentrationsbereich der zu messenden Probe liegen, um die Genauigkeitder Interpolation zu erhohen. Wird die Extinktion E bei einer konstantenWellenlange mit verschiedenen bekannten Konzentrationen gemessen, so re-sultiert eine Kalibrierkurve mit einem linearen Bereich. Innerhalb von diesemBereich lasst sich durch Interpolation die Konzentration einer Probe ermit-teln.

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Aufbau eines Photometers: Ein Photometer besteht aus einer Licht-quelle, einem Monochromator (Farbfilter, Prisma oder Gitter) zur Erzeu-

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3.9. ANALYTISCHE BESTIMMUNGEN 91

gung einfarbigen Lichts einer bestimmten Wellenlange, einem Kuvettenraumfur die Probe, einer Photozelle zum Messen der Lichtintensitat und einemAnzeigegerat (Galvanometer).

Anzeige

Photozelle

Lichtquelle

Filter, Prismaoder Gitter

Kuvette

Monochromator

Chemikalien: Ammoniummolybdat, 2 M H2SO4, FeSO4, P-Standardlosung(1.0 µmol P/ml)

Durchfuhrung:Probenabgabe: Ein 100 ml Kolben wird wie folgt beschriftet:Namen, Vorname:Analyse: 3Box Nr.:Saal:Die Beschriftung sollte auf einem geugend großen Stuck Papier mit einemLoch erfolgen und am Meßkolben angebracht werden.

Reagenzlosung: 1.7 g Ammoniummolybdat in 50 ml 2 M Schwefelsaure(H2SO4) in einem 100 ml Messkolben losen, kurz vor Gebrauch mit 1 gEisen(II)sulfat (FeSO4) versetzen und auf 100 ml auffullen.

Probe: Sie erhalten die Probe in einem 100 ml Messkolben. Diesen fullenSie auf 100 ml mit entionisiertem Wasser auf und mischen die Losung.

Kalibrierkurve und Messung: Jede Gruppe erstellt eine eigene Kali-brierkurve, um systematische und Geratefehler moglichst auszuschlie-ßen und um gleiche Messbedingungen zu garantieren. Das genaue Ar-beiten bei der Vorbereitung der Proben fur die Kalibrierkurve wirktsich stark auf das Ergebnis aus.

Vier saubere Reagenzglaser bereithalten und P-Standardlosung (1.0 µmolP/ml) hineinpipettieren.

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92 KAPITEL 3. ALLGEMEINE UND ANORGANISCHE CHEMIE

Reagenzglas 1: 1.0 ml P-Standardlosung + 2.5 ml Reagenzlosung +1.5 ml dest. Wasser

Reagenzglas 2: 1.5 ml P-Standardlosung + 2.5 ml Reagenzlosung +1 ml dest. Wasser

Reagenzglas 3: 2.0 ml P-Standardlosung + 2.5 ml Reagenzlosung +0.5 ml dest. Wasser

Reagenzglas 4: 2.5 ml P-Standardlosung + 2.5 ml Reagenzlosung

Reagenzglas 5: 1.0 ml der Probenlosung + 2.5 ml Reagenzlosung +1.5 ml dest. Wasser

Alle Reagenzglaser sollten jetzt mit 5 ml Losung gleich hoch befulltsein.

Nach 5 min. sollten die Losungen zusammen mit der Probe zugig amPhotometer gemessen werden. Dazu werden die Losungen am Photo-meter in die Messkuvette gefullt und die Extinktion gegen eine Wasser-probe gemessen, um die Absorption des Losungsmittels (Wasser) vonder Messung auszuschließen. Die Quarzkuvetten sind Prazisionsgerateund mussen sorgfaltig behandelt werden. Sie durfen nur an den mil-chigen bzw. rauhen Seiten angefasst werden! (Ein Kuvettenpaar kostetetwa 1000,- DM). Außen an der Kuvette durfen keine Tropfen hangen.Anweisungen des Assistenten beachten.

Aufgabe: Die gemessene Extinktion der Losungen 1–4 wird uber µmolPhosphor aufgetragen. Die Konzentration der Probe wird mit Hilfe der Ka-librierkurve ermittelt.

Entsorgung: Wassrige Schwermetallabfalle.

Ende Versuch 3.9.2

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Kapitel 4

Organische Chemie

4.1 Themen des 3. Kolloquiums:

Es folgt eine Zusammenstellung der wichtigsten Themen in Stichworten. Eswird empfohlen, die Stichworte in den einschlagigen Lehrbuchern nachzu-schlagen.

Organische Chemie

Funktionelle Gruppen, Namensgebung organischer Verbindungen (Nomen-klatur), raumliche Struktur, Stereoisomerie in organischen Molekulen (Chi-ralitat, Konfiguration, Konformation, Konstitution, R/S-Nomenklatur, E/Z-Isomerie).

Reaktionsmechanismen

Elektrophile, nucleophile Substitutionsreaktionen (SN1- und SN2-Reaktionen,Ubergangszustande, Inversion bzw. Walden Umkehr, Carbeniumionen), Eli-minierung (isolierte und konjugierte Doppelbindungen), Additionsreaktionen(π-Komplex, Bromoniumion usw.)

Aromaten

Definition von Aromaten, konjugierte Doppelbindungen, mesomere Grenz-formeln (Resonanzformen), Huckel Regel usw.

Alkohole

primare, sekundare, tertiare Alkohole usw.

93

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94 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Amine

primare, sekundare, tertiare Amine, usw.

Carbonylverbindungen

Ketone und Aldehyde: Carbonylgruppe, Polaritat der Carbonylgruppe,Carbeniumion, Carbanion, Aldolkondensation, usw.

Carboxylgruppe Carbonsauren und Carbonsaurederivate (Anhydrid, Sau-rechlorid, Saureamid), Aciditat und Mesomerie der Carboxylgruppe, Mecha-nismus der Esterbildung mit Carbonsauren und Saurechloriden, Verseifung,Fette und Fettsauren, Decarboxylierung, Keto-Enol-Tautomerie (DefinitionTautomerie, Mesomerie, Enolform) usw.

Redoxreaktionen

Definition Oxidation/Reduktion bei organischen Molekulen, Hydrition, (”Oxi-

dationsreihe“: Alkohol → Aldehyd/Keton → Carbonsaure), Dehydrierungund Hydrierung usw.

Aciditat

Mesomeriestabilisierung, induktiver Effekt, Struktureinflusse auf die C-H Aci-ditat, Alkoholat, Thiolat usw.

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4.2. EINFUHRUNG 95

4.2 Einfuhrung

Stichworte bitte in Lehrbuchern nachschlagen: Atomorbitale, Hy-bridisierung, Einfachbindung, Nomenklatur, Isomere, Funktionelle Gruppen,Cyclohexanring (axial, equatorial), Konstitution, Doppelbindungen, konju-gierte Doppelbindungen, Dreifachbindung, Stereochemie, optische eigenschaf-ten von chiralen Molekulen, CIP-Regeln, R/S-Nomenklatur, D/L-Nomenkla-tur, Enantiomere, Diastereomere, Newman-Projektion, Fischer-Projektion,Heteroatome.

Die organische Chemie ist die Chemie des Kohlenstoffs in seinen zahlrei-chen Verbindungen. Kohlenstoff nimmt eine Sonderstellung unter den Ele-menten ein. Kein anderes Element kann so viele verschiedene Verbindungenmit sich selbst eingehen. Entsprechend seiner Stellung im Periodensystem(Ordnungszahl 6, Elektronenkonfiguration: [He] s2p2) besitzt er eine nicht-abgeschlossene Elektronenkonfiguration mit vier Aussen- oder Valenzelektro-nen.Diese Valenzelektronen befinden sich in s- und p-Orbitalen. Durch Hy-bridisierung (

”Vermischung“) dieser s- und p-Orbitale zu den tetraedrischen

sp3-, trigonal-planaren sp2- und linearen sp-Hybridorbitalen resultieren furdie Chemie des Kohlenstoffs typische Eigenschaften:

• Kohlenstoffatome gehen miteinander, mit Wasserstoff und mit ande-ren Atomen (

”Heteroatome“ wie N, O, P, S) stabile kovalente Einfach-

und/oder Mehrfachbindungen ein.

• Kohlenstoffatome konnen sich unter Bildung von Ketten und Ringen(auch mit Heteroatomen) aneinanderreihen. Kein anderes Element istdazu so befahigt wie Kohlenstoff.

• Fur einen bestimmten Satz von Atomen (z. B. C3H8O) bestehen meh-rere Anordnungsmoglichkeiten, die verschiedenen Molekulen mit unter-schiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften entsprechen(Isomere).

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96 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Kohlenstoffgeruste und funktionelle Gruppen

Organische Molekule lassen sich unter zwei Aspekten betrachten:

1.) Das Kohlenstoffgerust (kurze oder lange Kette, Ringe, usw.) bestimmtmaßgeblich die Große und raumliche Struktur.

2.) Die an das Kohlenstoffskelett gebundenen funktionellen Gruppen sinduberwiegend fur die Reaktivitat und chemischen Eigenschaften verant-wortlich.

Funktionelle Gruppen sind unterscheidbare Molekulteile mit Heteroato-men oder Mehrfachbindungen zwischen Kohlenstoffatomen, deren chemischeNatur weitgehend unabhangig vom Gesamtmolekul eine bestimmte Reakti-onsweise vorgibt. Allerdings beeinflussen sich Kohlenstoffgerust und Stellungeiner funktionellen Gruppe im Molekul gegenseitig.

Wenn ein Molekul mehrere verschiedene funktionelle Gruppen tragt, hates auch mehrere, chemisch unterschiedliche Reaktionsmoglichkeiten, derenEintreten und relative Bedeutung von den jeweiligen Reakionsbedingungenund -partnern abhangen. Der unpolare Charakter der Alkylreste R (Kohlen-wasserstoffketten oder Ringe) spiegelt sich im Verhalten der Kohlenwasser-stoffe wider. Dagegen bedingt die unterschiedliche Elektronegativitat des C-Atoms und der mit ihm verknupften Heteroatome einer funktionellen Gruppemehr oder weniger polare Eigenschaften eines Molekuls.

Sowohl die Kohlenstoffgeruste als auch die funktionellen Gruppen dienenzur Klassifizierung und Benennung (Nomenklatur) organischer Verbindun-gen. Grundlage fur die Benennung organischer Molekule ist das Nomenklatur-Regelwerk der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry).Fur altbekannte und gangige Substanzen werden aber daneben weiterhin Tri-vialnamen verwendet. Informieren Sie sich in den Lehrbuchern uber die Be-nennung organischer Molekule und Molekulteile.

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4.2. EINFUHRUNG 97

Eine Auswahl an funktionellen Gruppen:

AminR NH2

NitroverbindungR NO2

CyanoverbindungR CN

SulfonsaureR S

O

O

O H

Halogenverbindung R X X = F, Cl, Br, I

Alkohol R O H

Thiol R S H

Ether R O R

AldehydR

O

H

Keton R R

O

CarbonsaureR

O

O H

Carbonsaurederivate:

Carbonsaureanhydrid O RR

O O

CarbonsaurehalogenidR

O

Cl

Carbonsaureamid

RO

NH2

R=Alkylrest

Wasserstoffbruckenbindung

Die Hydroxyl-Gruppe -OH nimmt wegen ihrer Fahigkeit zur Ausbildungstarker Wasserstoffbrucken eine Sonderstellung ein. Aufgrund der besonders

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98 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

starken Polarisierung der OH-Bindung fungiert sie sowohl als”H-Brucken-

Donator“ (starke positive Teilladung δ+ am H-Atom) als auch als”H-Brucken-

Acceptor“ (starke negative Teilladung δ− am O-Atom). In vereinfachter Formwird die Ausbildung von H-Brucken wie folgt dargestellt:

O

R

HO

R

H O

R

H

Auf starke H-Brucken ist auch der hohe Siedepunkt des Wassers zuruck-zufuhren. Eine eminent wichtige Rolle spielt auch die Ausbildung von H-Brucken mit NH− und OH-Gruppierungen als

”Donator“ und N- oder O-

Atomen als”Acceptor“ in den Desoxyribonucleinsauren und den Ribonucle-

insauren so wie zwischen -NH und Carbonyl-O-Atomen in den Proteinen.CH-Gruppierungen konnen dagegen nur in Ausnahmefallen als vergleichs-weise sehr schwache H-Brucken-Donatoren wirken.

Hydrophobe und hydrophile Molekulteile

In Analogie zu den unpolaren Kohlenwasserstoffen, speziell den Alkanen, be-zeichnet man auch unpolare Alkylreste als hydrophob oder lipohil, wahrendpolare Gruppen—insbesondere solche, die starke H-Brucken bilden konnen—als hydrophil bezeichnet werden. So lasst sich das unterschiedliche Verhaltender einzelnen Verbindungen beim Versuch des Losens in Wasser bzw. Cyclo-hexan aufgrund der entweder hydrophilen oder hydrophoben Eigenschaftender Molekule erklaren. Im Ethanolmolekul uberwiegt z. B. der hydrophileCharakter der OH-Gruppe. Deshalb ist der Losungsvorgang in Wasser starkexergonisch, und Wasser und Ethanol bilden in jedem Verhaltnis homoge-ne Gemische. Dagegen dominiert im Pentanolmolekul mit seinem großerenAlkylrest der hydrophobe Charakter, und dadurch wird seine Loslichkeit inWasser stark herabgesetzt, so dass bei den hier benutzten Mengenverhaltnis-sen zwei Phasen auftreten.

Isomerie

Isomere

Die Summenformel einer Verbindung zeigt nur die Anzahl der vorhandenenAtome an. Die Konstitution oder Konstitutionsformel beschreibt zusatzlichdie Art und Reihenfolge, in der die Atome miteinander verknupft sind. Esist manchmal moglich, Atome in mehr als einer Konstitution zusammenzu-fugen. Man nennt Verbindungen, die zwar dieselbe Summenformel, jedoch

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4.2. EINFUHRUNG 99

verschiedene Konstitutionen haben, Konstitutionsisomere. Die BezeichnungIsomer leitet sich vom griechischen isos meros, d. i. gleiche Teile, ab.

Ein Beispiel fur Konstitutionsisomere sind die verschiedenen Isomere desPentans.

Stereoisomere besitzen dieselbe Konstitution, jedoch verschiedenen raum-lichen Bau. Die Konfiguration, bei gegebener Konstitution, beschreibt dieraumliche Anordnung der Atome um ein starres (Doppelbindung oder Ring-systeme, cis-trans-Isomerie) oder chirales Strukturelement. Stereoisomere wer-den eingeteilt in Enantiomere und Diastereomere und, unabhangig da-von, in Konformations- und Konfigurations-Isomere.

Enantiomere verhalten sich wie Bild und Spiegelbild, sie sind chiral, d. h.von ihrem Spiegelbild verschieden. Typische chirale Objekte sind Hande, Fu-ße, Handschuhe, Schuhe, Schrauben, Wendeltreppen etc. und naturlich auchdie DNA-Doppelhelix. Einen chiralen Gegenstand erkennt man immer an derInkongruenz (Deckungsungleichheit) mit seinem Spiegelbild. Das Spiegelbildder linken Hand ist eine rechte Hand. Man kann diese beiden Hande jedochauf keinerlei Weise zu einer raumlichen Deckung bringen. Deswegen sprichtman oft auch von der Handigkeit, wenn man die Chiralitat meint.

Ein Molekul, in dem ein C-Atom von vier verschiedenen Substituentenumgeben ist, ist chiral. Diese C-Atome nennt man auch Chiralitatszentrenoder asymmetrisch substituierte C-Atome. Achirale Objekte oder Molekulebesitzen keine Handigkeit. Sie sind deckungsgleich mit ihrem Spiegelbild.

HC2H5

CH3

COOH

CH3HC2H5

COOH

Spiegel

R S

**

Enantiomerenpaare haben unter achiralen Bedingungen (z. B. achiralesLosungsmittel/Reaktionspartner) die gleichen physikalischen Eigenschaften,

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100 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

unter chiralen Bedingungen verschiedene, weil dabei Diastereomere entste-hen. Enantiomere konnen unter achiralen Bedingungen physikalisch oder che-misch nicht getrennt werden.

Diastereomere verhalten sich nicht wie Bild und Spiegelbild. Hat eineVerbindung mehrere Chiralitatszentren, so konnen sich Enantiomeren- undDiastereomerenpaare bilden. Ein Enantiomer dieser Verbindung erhalt mandurch Umkehr der absoluten Konfiguration aller Chiralitatszentren. Kehrtman nicht alle, sondern nur einige um, so erhalt man Diastereomere.

Diastereomere haben unter allen Bedingungen verschiedene physikalischeEigenschaften. Sie konnen physikalisch oder chemisch voneinander getrenntwerden.

Konfigurationsisomere, genauso wie Konstitutions-Isomere, konnen nurdurch die Aufhebung und Neuknupfung von kovalenten Bindungen ineinan-der umgewandelt werden.

OH

OH

H

H

HO

OH

H

H

Achiraler Aldehyd

OH

OHH

OH

H

H

OH

HOH

OH

H

H

* *

OH

OHH

OH

H

H

H OH

O H

OHH

H

D-Glycerinaldehyd D-Glycerinaldehyd

O H

OHH

OHH

OHH

H

O H

HOH

H OH

H

H

OHD-Glycerinaldehyd L-Glycerinaldehyd

D-Erythrose D-Threose

Diastereomere

Enantiomere

R- und S-Nomenklatur nach Cahn-Ingold-Prelog-Regeln (CIP)

Die absolute Konfiguration eines Enantiomeren wird durch die BezeichnungR bzw. S angegeben. Zur Bestimmung der absoluten Konfiguration einesasymmetrischen Atoms werden seine Substituenten entsprechend den CIP-Regeln nach ihren Prioritaten geordnet. Das Molekul wird so gedreht, dassder Substituent niedrigster Prioritat nach hinten zeigt. Wenn dann die ub-rigen Substituenten in aufsteigende Prioritat im Uhrzeigersinn zueinanderstehen, liegt ein R-konfiguriertes Atom vor. Im entgegengesetzten Fall han-delt es sich um ein S-konfiguriertes Atom.

CIP-Regeln:Die Regeln werden in ihrer Reihenfolge nacheinander angewandt, bis eine

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4.2. EINFUHRUNG 101

Unterscheidung der Substituenten moglich ist.

1.) Ordnungszahl: Ein Substituent, der mit einem Atom hoherer Ord-nungszahl an das asymmetrische Atom gebunden ist als ein anderer,hat hohere Prioritat.

2.) Atommasse: Ein Substituent, der mit einem Atom hoherer Atommas-se an das asymmetrische Atom gebunden ist als ein anderer, hat hoherePrioritat.

3.) Substitutionsgrad: Erlauben die ersten beiden Regeln keine Diffe-renzierung durch die direkt an das asymmetrische Atom gebundenenAtome, so werden die jeweils nachsten Substituentenatome herangezo-gen, bis eine Differenzierung moglich wird.

4.) Mehrfachbindungen: Doppel- und Dreifachbindungen werden in derWeise behandelt, dass man von einer Verdoppelung bzw. Verdreifa-chung der Atome der Mehrfachbindung ausgeht.

Cl CH3

SH H

R

BrOH

CH3 Cl

R S O

OH

R

S

S

H

D

COOHR R

OH

OH

E/Z- und cis-, trans-Isomere

Wahrend Einfach-Bindungen acyclischer Molekule frei drehbar sind, ist eineRotation in cyclischen Molekulen und um Mehrfachbindungen eingeschrankt.Daher muss bei substituierten Alkenen und cyclischen Verbindungen die re-lative Konfiguration berucksichtigt werden, durch die die Lage der Substitu-enten relativ zueinander angegeben wird. Die relative Konfiguration wird ineindeutigen Fallen durch die Bezeichnungen cis und trans beschrieben.

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102 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

cis-2-Buten trans-2-Buten cis-1,3-Dimethyl-cyclopentan

trans-1,3-Dimethyl-cyclopentan

Bei hohersubstituierten Alkenen sind die Bezeichnungen cis und transnicht mehr eindeutig. Man benutzt dann die Bezeichnungen E (entgegen)und Z (zusammen). Dazu wird an jedem Ende der Doppelbindung der Sub-stituent der hochsten Prioritat bestimmt. Liegen beide Substituenten hoch-ster Prioritat auf der gleichen Seite der Doppelbindung, wird die relativeKonfiguration als Z bezeichnet, liegen sie auf entgegengesetzten Seiten derDoppelbindung, ist die relative Konfiguration E. Die Prioritaten der Sub-stituenten werden nach den Cahn-Ingold-Prelog-Regeln (CIP) bestimmt, dieauch zur Bestimmung der absoluten Konfiguration benutzt werden und sichprimar an den Ordnungszahlen, am Atomgewicht und am Substitutionsgradder Substituenten orientieren.

ClH

Br F

NH2CH3

H5C2 OMe

CH3Li

H3CS CH3

HD

F SO3H

CH3Cl2B

CH3 C6H5

E Z E

E Z

Konformations-Isomere lassen sich durch Rotation um Einfachbindungenineinander umwandeln (isomerisieren). Konformationen sind alle raumlichenAnordnungen eines Molekuls, die durch Rotationen um Einfachbindungenentstehen. Dreht man z. B. die Methylgruppen im Ethanmolekul um die C–C-Einfachbindung, so erhalt man unendlich viele Konformationen dieses Mole-kuls.

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4.2. EINFUHRUNG 103

Bei Cyclohexan-Ringen treten durch Drehung der C–C-Einfachbindungenauch Konformationsisomere auf. Die Substituenten lassen sich hierbei in axia-le (ax) und equatoriale (eq) Substituenten einteilen. Durch Drehung der C–C-Einfachbindungen lassen sie sich ineinander uberfuhren.

Y

YYY

Y

X X

Y

XX

X

X

X

X XX

X

YY

X

YY

Y

Y

ax

ax

eq eq

Informieren Sie sich in Lehrbuchern uber: Fischer-Projektion, Newman-Projektion und D-, L-Nomenklatur.

Optische Aktivitat

Ein Enantiomer ist in der Lage, die Schwingungsebene von linear polarisier-tem Licht zu drehen; die Substanz ist optisch aktiv. Der Drehwinkel kannmit Hilfe eines Polarimeters gemessen werden. Der Betrag der Drehung wirddurch die ausseren Faktoren Wellenlange des verwendeten Lichts, Schicht-dicke und Konzentration der Probe, Temperatur und Losungsmittel beein-flusst. Bei vorgegebener Temperatur und Wellenlange (zumeist die Natri-um D-Linie) kann aus der gemessenen Drehung, der Konzentration und derSchichtdicke die spezifische Drehung als charakteristische Eigenschaft einerVerbindung ermittelt werden. Spiegelbildisomere drehen die Schwingungsebe-ne jeweils um den gleichen Betrag, jedoch in entgegengesetzte Richtungen.Wird die Ebene im Uhrzeigersinn gedreht, ist die Substanz

”rechtsdrehend“.

Das”linksdrehende“ Enantiomer dreht die Ebene um den gleichen Betrag

nach links. Die Drehrichtung wird mit einem”+“ fur rechtsdrehend und ei-

nem”−“ fur linksdrehend vor dem Substanznamen angegeben. Die Konfigu-

ration eines Enantiomers lasst keine Aussage daruber zu, in welche Richtungpolarisiertes Licht gedreht wird, d. h. man kann der absoluten Konfigurations-angabe R oder S keine Information bezuglich der Drehrichtung entnehmen.

Liegt ein 1:1-Gemisch vom Enantionerenpaar vor (Racemat), ist die Probeoptisch inaktiv, da sich die Drehrichtungen gegenseitig aufheben.

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104 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Aromaten

Wenn mehrere C=C-Doppelbindungen in einer Kette mit Einfachbindun-gen alternieren (

”konjugierte Doppelbindungen“), so ergibt sich ein gegen-

uber isolierten Doppelbindungen verandertes π-Elektronensystem. Die π-Elektronenwolken erstrecken sich teilweise auch uber die Einfachbindungenund fuhren zu einem merklichen (aber nicht volligen!) Bindungsausgleich.Liegt aber eine bestimmte Zahl solcher konjugierter Doppelbindungen in ei-nem ebenen Ring, so erreicht das π-Elektronensystem eine vollig gleichmaßi-ge Elektronendichte (Delokalisierung) und gleichmaßige Bindungslangen allerBindungen.

Der klassische aromatische Kohlenwasserstoff Benzol mit 6 π-Elektronenist daher nicht als Cyclohexatrien mit 3 Einfach- und 3 Doppelbindungenaufzufassen, sondern besitzt vollstandig delokalisierte Bindungen:

Aromatische Verbindungen sind formal durch Mesomerie energetisch sta-bilisiert. Die Strichformeln geben nur fiktive Grenzstrukturen wieder, derwahre Zustand liegt in der Mitte. Er wird durch einen Kreis im Sechsring an-gedeutet. Die Strichformeln werden dennoch oftmals aus zeichnerischen unddidaktischen Grunden verwendet.

Beachte: Der Mesomeriepfeil←→, der zwischen zwei fiktiven Gebilden steht,hat nichts mit einem Gleichgewichtspfeil ⇀↽ zu tun!

Aromatischer Charakter und Mesomerie sind nicht auf Benzol beschrankt.Nach einer Regel von Huckel gilt er fur alle cyclischen, planaren Systeme mitn = 0, 1, 2, . . . π-Elektronen.

Auch freie Elektronenpaare von Heteroatomen konnen Teil des π-Systemssein, wie z. B. in Pyrol:

N

H

_

Neben aromatischen Kohlenwasserstoffen sind substituierte Aromaten wiePhenol oder Anilin wichtige und haufige Verbindungen. In ihnen verhalten

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4.2. EINFUHRUNG 105

sich die funktionellen Gruppen anders als in aliphatischen Verbindungen, weildie freien Elektronenpaare von O- oder N-Atomen in Wechselwirkung mitdem aromatische System treten. Dies kann durch zusatzliche Grenzstrukturenbeschrieben werden:

OH

-H+

+H+

O O O-

-

-

Phenol, ein aromatischer Alkohol, hat andere Eigenschaften und Reak-tivitat als ein aliphatischer Alkohol, Anilin, ein aromatisches Amin andereEigenschaften als ein aliphatisches Amin (siehe Azofarbstoffe). Aber auchdie Reaktionsweise des aromatischen Ringes wird von Substituenten durchMesomerie- und induktive Effekte wesentlich mitbestimmt.

Informieren Sie sich in Lehrbuchern uber Erstsubstituenteneinflusse unddirigierende Wirkungen dieser Erstsubstituenten auf Angriffe von Zweitsub-stituenten.

4.2.1 Versuch: Betrachtung an Molekulmodellen

BoxweiseAnhand von Molekulmodellen kann man die Konstitutionen und Kon-

formationen von Molekulen nachahmen. Anhand der Modelle lassen sich diestereochemischen Problemstellungen dreidimensional darstellen.

Gerate: MINIT Molekulbaukasten.

Durchfuhrung: Da dem Praktikum nur ein Molekulbaukasten zur Verfu-gung steht, wird in den ersten zwei Wochen des Organikteils immer jeweilseine Gruppe (Box) von Praktikanten fur diesen Versuch eingeteilt. DieseGruppe lost die Aufgaben und stellt die Molekulmodelle dem Assistentenvor. Der Versuch dauert ca. 15–30 min.

Aufgaben:

Konstitutions-Isomere: Bauen Sie mit Hilfe des Molekulbaukastens diemoglichen Konstitutionsisomere von C5H12. Protokollieren Sie die Kon-stitutionsformeln und benennen sie die Konstitutionsisomere nach IU-PAC. Wieviele Konstitutionsisomere sind moglich?

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106 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Chiralitat, Enantiomere: Das Modell eines sp3-hybridisierten Kohlenstof-fatoms (C-Tetraeder) wird mit vier verschiedenen Substituenten (vierverschiedenfarbigen Kugeln) versehen. An einem zweiten C-Tetraederwerden die gleichen vier Kugeln so angebracht, dass sich die Modellewie Bild und Spiegelbild verhalten.

Versuchen Sie, durch Drehen die beiden Modelle zur Deckung zu brin-gen, also herauszufinden, ob sie identisch sind. Was muss geschehendamit sich die beiden Molekule wieder zur Deckung bringen lassen?

Bauen Sie Modelle fur zwei enantiomere Aminosauren, z. B. Alanin, aufund uberzeugen Sie sich davon, dass sie sich wie Bild und Spiegelbildverhalten aber nicht deckungsgleich sind.

CH3

HNH2

O OH

H NH2

CH3

OOH

CH3 NH2

H

OOH

CH3NH2

H

O OH

L-Alanin D-Alanin

S-Alanin R-Alanin

Konformation: Bauen Sie Sechsringe aus:

• sp3-hybridisierten Kohlenstoffatomen (C-Tetraeder)

• sp2-hybridisierten Kohlenstoffatomen (trigonal-planar)

Kennzeichnen Sie die Substituenten des Sechsringes aus sp3-hybridisier-ten Kohlenstoffatomen in der Sesselform als axial und aquatorial, indemSie fur jede Sorte eine andere Farbe benutzen. Wie lassen sich dieseineinander uberfuhren? Warum ist die Wannenform ungunstiger als dieSesselform?

Bauen Sie ein Molekul-Modell von n-Butan und drehen Sie dieses ander zentralen Bindung so, dass gestaffelte Konformationen entstehen,welche Energieminima darstellen. Zeichnen Sie diese Zustande in dersog. Newman-Projektion.

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4.2. EINFUHRUNG 107

Cis- und trans-Isomerie:

1.) Bauen Sie Modelle fur Malein- und Fumarsaure. Welche hat cis-,und welche trans-Konfiguration (vgl. Citronensaure-Cyclus desStoffwechsels)? Veranschaulichen Sie sich an den Modellen, wel-che der beiden Sauren unter Wasseraustritt ein inneres Anhydrid(Funfring) bilden kann. Wie kann eine Umwandlung des einen Iso-meren in das andere erreicht werden?

2.) Cis- und trans-disubstituierte Cycloalkane: Bauen Sie ein mono-substituiertes Cyclopentan oder Cyclohexan auf und daraus dia-stereomere, disubstituierte Cycloalkane.

E/Z-Isomerie: Der Sehvorgang beginnt mit einer cis-trans-Isomerisierung.Wie sind E- u. Z-Konfiguration definiert?

Bauen sie das Molekul 2-Buten einmal als E-Isomer und einmal alsZ-Isomer.

Komplexe Molekule (Steroide): Zur Stoffgruppe der Steroide gehorenzahlreiche biologisch wichtige Verbindungen, die in der Natur weit ver-breiteten Verbindungen wegen ihrer Wirkungsvielfalt fur die Biologievon hohem Interesse.

Bauen sie mit Hilfe des Molekulbaukastens die hier gezeigten Molekuledreidimensional auf. Achten Sie dabei auf die Stereozentren. WievieleChiralitatszentren besitzen die Molekule?

Obwohl Estradiol und Cortison das gleiche Grundgerust besitzen, er-fullen sie im Korper ganz unterschiedliche Aufgaben. In der zweidi-mensionalen Darstellung sehen sich beide Molekule sehr ahnlich. Diedreidimensionale Darstellung unterstreicht die Unterschiede besser.

Estradiol: Ein weibliches Sexualhormon.

OH

H

CH3OH

H H

H

Estradiol / Östradiol

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108 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Cortison: Ein Stereoidhormon der Nebennierenrinde. Es wird vielsei-tig therapeutisch eingesetzt.

H

CH3

H H

O

O

OHO

CH3

OH

Cortison

Ende Versuch 4.2.1

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4.3. SUBSTITUTION, ELIMINIERUNG, ADDITION (6.–7. WOCHE)109

4.3 Substitution, Eliminierung, Addition (6.–

7. Woche)

Stichworte bitte nachschlagen: Nucleophil, Elektrophil, Substitution,SN1 und SN2, Walden-Umkehr, Addition, Bromoniumion, cis-/trans-Isomerie,Eliminierung, Regel nach Markownikow

In diesem Kapitel geht es um die drei wichtigsten Reaktionstypen in derorganischen Chemie: Substitution, Eliminierung und Addition. Fast jede Re-aktion in der organischen Chemie lasst sich, mehr oder weniger, einer derdrei Reaktionsarten zuordnen. Um die Mechanismen dieser Reaktionstypenverstehen zu konnen, mussen zuerst ein paar Grundbegriffe erklart werden.

Nucleophile (nucleophil =”kern“liebend)

Wegen der unterschiedlichen Elektronegativitat von C und Br ist die C-Br-Bindung polarisiert. Man deutet dies dadurch an, dass auf dem entsprechen-den Kohlenstoffatom eine positive Partialladung eingezeichnet wird.

Man kann erwarten, dass ein derartiges elektronenarmes Kohlenstoffa-tom bevorzugt von Reagentien angegriffen wird, die uber ein nicht bindendesElektronenpaar verfugen. Dieses kann genutzt werden, um eine Bindung mitdem Kohlenstoffatom auszubilden, wodurch dessen Elektronenmangel aus-geglichen wird. Diese Reagentien mit einem nichtbindenden Elektronenpaarheißen Nucleophile:

OH OEt H2O NH3

- -

Elektrophile (elektrophil = elektronenliebend)

Elektronenarme Reagentien wie die hier gezeigten nennt man Elektrophile.

H NO2 Br Brδ+ δ−

+ +" "

Alkohole und Amine

Kohlenstoffatome werden nach der Anzahl der direkt gebundenen C-Atomeunterschieden: An primaren Kohlenstoffatomen ist ein weiteres Kohlenstof-

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110 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

fatom gebunden, an sekundare sind zwei, an tertiare drei und an quartarevier weitere Kohlenstoffatome gebunden.

Entsprechend lassen sich drei Arten von Alkoholen unterscheiden. Je nachdem, ob die Alkoholgruppe (-OH) an einem primaren (endstandigen), einemsekundaren oder einem tertiaren C-Atom gebunden ist spricht man von pri-maren, sekundaren oder tertiaren Alkoholen.

Auch bei Aminen ist der Substitutionsgrad (Anzahl der direkt an dasN-Atom gebundenen C-Atome) ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Hierbestimmt allerdings die Anzahl der am Stickstoff-Atom gebundenen C-Atomedie Bezeichnung.

R NH2

R N

R

R

primär sekundär tertiär quartiär

R

NR

R

R+

__R

R

NH

|

Carbeniumionen

Im Verlauf vieler organischer Reaktionen bilden sich intermediar Carbeniu-mionen. Das sind Molekule mit positiv geladenen C-Atomen, die im Laufeder Reaktion ein Elektronenpaar an ein anderes Teilchen abgegeben haben.Die Stabilitat eines Carbeniumions hangt von dem Substitutionsgrad desjeweiligen C-Atoms ab. Je mehr Alkylgruppen an dem positiv geladenen C-Atom sitzen, um so stabiler ist das Carbeniumion. Die Alkylgruppen habeneinen leichten elektronenliefernden (donierenden) Effekt (Hyperkonjugationund induktiver Effekt: siehe Lehrbucher). Damit wird die positive Ladungzum Teil auf Nachbaratome verlagert.

R C R C

R

R C

R

RH

H

H

Primär sekundär tertiär

Auch die Art des Losungsmittels hat einen großen Einfluss auf die Stabi-litat eines Carbeniumions. Da ein Carbeniumion ein geladenes Teilchen ist,wird es durch ein polares Losungsmittel besser solvatisiert.

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4.3. SUBSTITUTION, ELIMINIERUNG, ADDITION (6.–7. WOCHE)111

Zusammengefasst: Carbeniumionen sind um so stabiler, je hoher ihr Sub-stitutionsgrad und je polarer das Losungsmittel ist.

4.3.1 Versuch: SN1- und SN2-Substitution: t-Butylchlorid

Stichworte: monomolekular, bimolekular, Racemat, Inversion

Allgemeines: Eine Kohlenstoff-Halogenverbindung ist polarisiert. Die po-sitive Partialladung am C-Atom ermoglicht einen Angriff durch Nucleophile.Eine typische Reaktion der Halogenalkane RX ist deshalb die nucleophileSubstitution.

RX + Y− → RY + X−

Die austretende Gruppe X, haufig auch als Abgangsgruppe bezeichnet,wird durch ein Nucleophil Y− mit freiem Elektronenpaar (eine Lewis-Base)ersetzt (substituiert). Dabei nimmt die austretende Gruppe das bindendeElektronenpaar mit und die neu eintretende Gruppe stellt beide Elektronender neuen Bindung.

Mechanismus: Nucleophilen Substitutionen (SN) konnen nach zwei unter-schieldichen Reaktionsmechanismen ablaufen: die monomolekulare Substitu-tion (SN1) und die bimolekulare Substitution (SN2).

SN1: Die Reaktionsgeschwindigkeit der idealen SN1-Reaktion ist nur von derKonzentration des Eduktes abhangig. Sie verlauft uber ein Carbenium-Ion und wird gefordert

a.) durch polare Losungsmittel mit guten Solvatationseigenschaftenund

b.) durch alle Strukturparameter, die ein Carbenium-Ion stabilisierenkonnen, also z. B. hohe Alkylsubstitution des Reaktionszentrums.

Tertiare Kohlenstoffatome sind typische Zentren, an denen eine Substi-tution nach SN1-Mechanismus stattfindet.

Die SN1-Reaktion an einem chiralen Zentrum bewirkt eine, zumindestteilweise, Racemisierung (Bildung eines racemischen Gemisches beider

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112 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Enantiomere), weil sich das Nucleophil von zwei Seiten an die Carbeni-umzwischenstufe annahern kann. Im Idealfall ist keine der beiden Seitenbevorzugt und man erhalt ein Racemat (Gemisch beider Enantiomere,so dass sich die optischen Eigenschaften gegenseitig aufheben).

R'

RR''

X

-x-

C+

R'

R''R

A B- -

A

B

R'

YR''

R

R'

RR''

Y

Y Y

SN2: Die Reaktionsgeschwindigkeit der SN2-Reaktion ist sowohl von der Kon-zentration des Eduktes als auch von der des Nukleophils abhangig. DerEintritt des Nucleophils und die Abspaltung der Abgangsgruppe erfol-gen im Idealfall gleichzeitig.

Die SN2-Reaktion an einem asymmetrischen Kohlenstoffatom fuhrt zueiner Konfigurationsinversion, die als Walden-Umkehr bekannt ist.

R

XR'

H

R

R'H

XY+Y

-

Übergangszustand

-X- R

HR'

Y

Die SN2-Reaktion ist damit im Idealfall ein Beispiel fur eine stereospezi-fische Reaktion (siehe Lehrbucher). Sie wird durch niedersubstituierteReaktionszentren (sek. C-Atome) und unpolare Losungsmittel gefor-dert.

Beispiel: Substituiert man jeweils an einem prim., sek., und tert. Alkoholdie OH-Gruppe durch ein Chlorid (Cl−), so lasst sich im Hinblick auf denReaktionsmechanismus folgendes Schema formulieren.

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4.3. SUBSTITUTION, ELIMINIERUNG, ADDITION (6.–7. WOCHE)113

primarer Alkohol:

OHR

H

H 1. + HCl2. - H2O

SN2R Cl

sekundarer Alkohol:

OH

R

R

H

1. + HCl2. - H2O

Cl

R

R

Cl

R

R

polares LM

unpolares LM

SN1

SN2

tertiarer Alkohol:

OH

R

R

R 1. + HCl2. - H2O

SN1Cl

R

R

R

Chemikalien: tert. Butanol (falls in festem Zustand, durch Erwarmen desGefaßes im Wasserbad (30-40C) in flussigen Zustand bringen), konz. HCl,ges. NaCl-Losung, ges. NaHCO3-Lsg., CaCl2.

Durchfuhrung: 0.1 mol tert. Butanol werden mit 0.5 mol konzentrierterSalzsaure (HCl) (achten Sie auf die Molaritat der ausstehenden konzentrier-ten Salzsaure) in einem 100 ml Scheidetrichter vereinigt und durch sanftesSchwenken (ohne Aufsetzen des Stopfens) grundlich gemischt. Nach einerMinute wird der Scheidetrichter mit einem PVC-Stopfen verschlossen, undeinige Minuten unter haufigem Beluften durch den Hahn geschuttelt. VorsichtHCl-Gas entweicht!! (Abzug!!). Nach Beendigung der Reaktion (10 min.) lasstman die Phasen sich entmischen und trennt die organische Phase (oben) vonder wassrigen. Man wascht die organische Phase zunachst mit 25 ml gesattig-ter Natriumchlorid-(NaCl)-Losung (

”Aussalzen“), dann mit 25 ml gesattig-

ter Natriumhydrogencarbonat-(NaHCO3)-Losung. Dazu wird die organische

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114 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Phase in dem Scheidetrichter mit der Waschlosung durchmischt und wie-der getrennt. Das Waschen mit der Natriumhydrogencarbonat-(NaHCO3)-Losung verursacht heftige Kohlendioxid-(CO2)-Entwicklung und Schaumbil-dung, darum wird auch hier zunachst der Scheidetrichter offen geschwenktund dann unter haufigem Beluften geschuttelt. Zum Schluss wird die orga-nische Phase mit 20 ml Wasser gewaschen. Die etwas trube Flussigkeit wirdin einem Rundkolben uber wasserfreiem Kalziumchlorid (CaCl2) getrocknet,indem man eine Spatelspitze des Salzes in den Kolben gibt und nach funfmi-nutigem Schwenken die organische Phase wieder abdekandiert oder filtriert.

Beilsteinprobe: Der Assistent fuhrt mit der organischen Phase die sog.Beilsteinprobe durch. Dazu entfacht er in einem Abzug (frei von brennbarenChemikalien!) einen Brenner und erhitzt einen Kupferdraht. Diesen Kupfer-draht taucht er in die Losung und halt danach den mit der organischen Phasebenetzten Draht in die Brennerflamme. Ist eine organische Halogenverbin-dung anwesend, so leuchtet die Flamme grun auf, weil aus dem Kupferdrahtund dem aus der organischen Halogenverbindung freigesetzten Halogenwas-serstoff fluchtige Kupferhalogenide entstehen, die sich wiederum in der heißenFlamme teilweise in ihre Atome zersetzen und somit das in der Hitze ange-regte Kupferatom seine grune Spektralfarbe aussendet. Ein Gegentest mitdem Edukt tert. Butanol sollte keine grune Flammenfarbung zeigen.

Aufgaben: Protokollieren Sie in kurzen Worten ihre Vorgehensweise undformulieren Sie die Reaktionsgleichung mit Ubergangsprodukt. Nach welchemMechanismus verlauft die Reaktion und warum?

Entsorgung: Organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.3.1

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4.3. SUBSTITUTION, ELIMINIERUNG, ADDITION (6.–7. WOCHE)115

4.3.2 Versuch: Eliminierung

Stichworte: Eliminierung, Doppelbindung, Aromaten

Allgemeines:

H

R R

H

H

X HR

H R-x

Y-

-

Eliminierungsreaktionen treten—oft in Konkurrenz zur Substitution—ein, wenn eine Abgangsgruppe X ein Molekul verlasst, wodurch ein Car-beniumion entsteht, und anschließend ein Nucleophil als Protonenakzeptor(Bronsted-Base) wirkt und vom β-C-Atom (das dem betrachteten positivgeladenen C-Atom benachbarte C-Atom) ein Proton ubernimmt. Da sichNucleophilie und Basizitat verschiedener Teilchen Y im allgemeinen nichtgleichsinnig andern und von den Reaktionsbedingungen (Losungsmittel, pH-Wert) abhangen, ist man in der Lage, SN- oder Eliminierungsreaktionen se-lektiv zu begunstigen. Wichtige Methoden zur Einfuhrung von Doppelbin-dungen in Molekule durch Eliminierung sind z. B. die Dehydratisierung vonAlkoholen durch Saure oder die Halogenwasserstoffabspaltung aus Alkylha-logeniden durch Basen, die geringe Nucleophilie zeigen.

Die Einfuhrung von Doppelbindungen in organische Molekule durch Ab-spaltung von Wasser (Dehydratisierung) wird durch Sauren erleichtert, diedie nicht sehr reaktive OH-Funktion protonieren und so ihren Austritt alsH2O einleiten. Jedoch muss auch eine Base zur Ubernahme des H vom be-nachbarten C-Atom vorhanden sein.

OH

-H2O

CyclohexanolSdp. 160-161°C

CyclohexenSdp. 83°C

Chemikalien: Cyclohexanol, KHSO4, Kaliumpermanganat-Losung.

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116 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Durchfuhrung: Man mischt in einem 100 ml-Rundkolben 15 g Cyclohe-xanol mit 15 g fein gemorsertem Kaliumhydrogensulfat (KHSO4) und setzteinen kleinen Destillationsaufsatz (wird vom Assistenten ausgegeben) auf.Die Apparatur muss vor der Inbetriebnahme vom Assistenten begutachtetwerden. Der Vorlagekolben wird mit Eis gekuhlt, indem man ihn in ein Be-cherglas mit Eiswasser taucht. Der Reaktionskolben wird mit einem passen-den Heizpilz bis zum Sieden erhitzt (Siedesteine zugeben) bis das gebildeteCyclohexen und Wasser (aber nicht Cyclohexanol) uberdestillieren. Cyclohe-xanol hat einen hoheren Siedepunkt als Cyclohexen. Steigt die Temperaturam Destillationsvorstoß an, so ist dies ein Zeichen, dass jetzt nicht umgesetz-tes Cyclohexanol uberdestilliert. Brechen Sie an dieser Stelle die Destillationab. Bei Beendigung der Destillation sollte noch etwas Flussigkeit im Kolbenvorhanden sein. Trennen Sie mit einer Pasteurpipette die beiden Phasen desDestillats und fuhren Sie mit der organischen Phase die Baeyerprobe durch.Die wassrige Phase wird verworfen (organische Losungsmittelabfalle).

Baeyer-Probe auf Alkene: Zum Nachweis von Doppelbindungen eignetsich diese Reaktion mit KMnO4. Auf diese Weise lasst sich feststellen, obsich auch wirklich eine Doppelbindung gebildet hat.

Doppelbindungen (ausser die formalen Doppelbindungen in Aromaten)entfarben Permanganat-Losung, wobei uber cyclische Mangansaureester 1,2-Dialkohole (Glykole) und niedere Oxidationsstufen von Mangan entstehen.Bei dieser Addition werden beide C-Atome der Doppelbindung von der glei-chen Seite angegriffen (cis-Addition). Aus Cycloalkenen entstehen cis-1,2-Diole.

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4.3. SUBSTITUTION, ELIMINIERUNG, ADDITION (6.–7. WOCHE)117

+MnO4-

O OMn

O O

+H2O

OHOH

Glycol (1,2-Diol)

+niedere Ox. Stufenvon Manganz.B. MnO2

Durchfuhrung der Baeyer-Probe: Ein Mikroreagenzglas wird ca. einFinger hoch mit dem Alken gefullt und die ausstehende Permanganat-Losungmit einer Pasteurpipette zugetropft. Entfarbt sich die rote Permanganat-Losung, so liegt eine Doppelbindung vor. Toluol besitzt drei Doppelbindun-gen. Machen sie die gleiche Probe mit Toluol.

Aufgaben: Protokollieren Sie kurz Ihre Vorgehensweise und Beobachtun-gen. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung mit allen Einzelschritten und,nach Moglichkeit, Oxidationszahlen. Welche Rolle spielt KHSO4? Welche Re-aktion zeigt Toluol bei der Baeyer-Probe und warum?

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.3.2

4.3.3 Versuch: Addition an Doppelbindungen

Stichworte: π-Komplex, Bromoniumion

Allgemeines: Doppel- und Dreifachbindungen sind elektronenreiche Stel-len eines Molekuls, da neben der σ-Einfach-Bindung die π-Bindung vorhan-den ist. Daher werden sie bevorzugt von Elektrophilen (Lewis-Sauren) ange-griffen. Die Auflosung einer π-Bindung unter Anlagerung zweier neuer Sub-stituenten heißt elektrophile Addition AE.

Biologisch wichtige Reaktionen von Olefinen (Alkenen) sind z. B. die Hy-drierung (H2-Addition zu gesattigten Verbindungen), Hydratisierung zu Al-koholen, HCl-Addition zu Alkylhalogeniden, Saureanlagerung zu Estern, Bro-mierung zu Dibromiden. Der Mechanismus ist zweistufig:

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118 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

H

R'

R

H

Alken

H

R'

R

H

Br

BrR

H

H

R'

Br+

+

Bromoniumionπ-Komplex

δ+

δ-

HBr

BrH

R'R

1,2-Dibromalkan

_ __ _Br Br||

-_ ||_Br

Das unpolare, aber polarisierbare Brommolekul Br2 richtet sich in derNahe einer Doppelbindung so aus, dass das positive Ende des induziertenDipols sich zur elektronenreichen Doppelbindung orientiert (π-Komplex). Indieser Situation kann das Brom heterolytisch ionisieren unter Bildung desBromid-Ions Br−. Das formal zuruckbleibende, aber nicht frei auftretendeKation Br+ lagert sich an die Doppelbindung zu einem

”Bromonium-Ion“

an. Aus dem Alken (elektronenreich, Nucleophil) ist ein Kation mit Elek-tronenmangel (Elektrophil) geworden, das von dem in Losung befindlichenBromid-Ion von der Seite angegriffen wird, die nicht vom Brom abgeschirmtwird (trans-Addition).

Chemikalien: Cyclohexen, Brom/Eisessig (1:1) (10%), 2 M NaOH

Durchfuhrung: (Vorsicht beim Umgang mit Brom!! Einatmen und Haut-kontakt vermeiden!)

1 ml des ausstehenden oder selbst hergestellten Cyclohexens wird in einemReagenzglas unter Umschutteln in kleinen Portionen mit der ausstehendenBrom/Eisessig-Losung versetzt (zum Schluss tropfenweise), bis die Bromlo-sung nicht mehr entfarbt wird. Dann versetzt man die Mischung mit 2 MNaOH, bis sich das olige, terpentinahnlich riechende Dibromid abzuscheidenbeginnt. Es bilden sich zwei Phasen. Stellen Sie fest, welche Phase wassrig istund entsorgen sie diese (organische Losungsmittelabfalle). Das Produkt wirdmit NaOH neutralisiert. Zum Bromnachweis kann der Assistent die Beilstein-probe ausfuhren.

Aufgaben: Protokollieren Sie kurz Ihre Vorgehensweise und Beobachtun-gen. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung mit allen Einzelschritten.

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4.3. SUBSTITUTION, ELIMINIERUNG, ADDITION (6.–7. WOCHE)119

Entsorgung: Organische Losungsmittelabfalle.

Ende Versuch 4.3.3

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120 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.4 Carbonylverbindungen, Aciditat (8.–9. Wo-

che)

Stichworte: Carbonyl-Gruppe, α-H-Atome, C-H-Aciditat, Mesomerie, Re-sonanzstabilisierung, Keto-Enol-Tautomerie, Tautomere, Elektronegativitat,I-Effekte

Aldehyde und Ketone

Carbonylverbindungen enthalten eine Carbonylgruppe C=O. Ist mindestensein Wasserstoffatom direkt an das Carbonylkohlenstoffatom gebunden, han-delt es sich um Aldehyde. In Ketonen sind zwei Kohlenstoffatome an die Car-bonylgruppe gebunden. Die IUPAC-Nomenklatur kennzeichnet aliphatischeAldehyde mit dem Suffix (Endung) -al, das an den jeweiligen Kohlenwasser-stoffnamen angehangt wird. Fur aliphatische und cycloaliphatische Ketonewird die Endung -on verwendet. Ketone werden haufig auch durch die Namenbeider organischer Reste und die Endung -keton benannt (z. B. Ethylmethyl-keton). Aus historischen Grunden tragen zahlreiche Aldehyde und KetoneTrivialnamen, die sehr gebrauchlich sind (z. B. Formaldehyd, Aceton). Ist dieAldehyd- oder Ketogruppe nicht die Hauptfunktionalitat der Verbindung,so wird das Prafix Oxo- zur Namensgebung verwendet. Ist die Aldehyd-gruppe der Substituent eines Ringgerustes, so wird dieser mit dem Suffix-carbaldehyd bezeichnet. Die Reste -CHO und -COCH3 heißen Formyl- bzw.Acetylgruppe.

Die Carbonylgruppe besteht aus einer kurzen und stabilen C=O-Dop-pelbindung. Das Kohlenstoffatom ist sp2-hybridisiert, so dass die Bindungs-winkel am Carbonylkohlenstoffatom ungefahr 120 betragen und die Car-bonylgruppe, sowie die daran direkt gebundenen Atome eine Ebene bilden.Die unterschiedliche Elektronegativitat von Sauerstoff und Kohlenstoff fuhrtzu einer starken Polarisierung der Carbonylgruppe, die durch die mesomereGrenzformeln oder durch Partialladungen beschrieben werden kann.

δ+ δ-+ -|_ Ood.OO

_

Die Polaritat der Carbonylgruppe pragt die physikalischen und chemi-schen Eigenschaften der Carbonylverbindungen. Die Siedepunkte der Alde-hyde und Ketone liegen hoher als die vergleichbarer Kohlenwasserstoffe abertiefer als die vergleichbarer Alkohole. Die H-Atome am benachbarten (α)-C-Atome sind leicht acid (sauer). Starke, nichtnucleophile Basen konnen daher

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 121

ein α-Proton abstrahieren. Dabei entstehen Enolat-Anionen oder Enolate,die uber die Carbonylgruppe resonanzstabilisiert sind.

O

H3HC

H H

+ Base

- H-Base

O

H3HC

H-

O

H3HC

H

-

Enolat

Die Reprotonierung kann nun an zwei Positionen erfolgen: am Kohlen-stoffatom, unter Ruckbildung der Carbonylverbindung, oder am Sauerstof-fatom, unter Bildung eines Enols. Die Keto- und Enolform sind Tautomere,die in saurer oder basischer Losung miteinander im Gleichgewicht (Keto-Enol-Tautomerie) stehen. Das Gleichgewicht liegt meist weit auf der Seiteder Carbonylverbindung, kann aber zur Enol-Form verschoben werden, wenndiese durch andere Faktoren begunstigt ist. So wird z. B. im 2,4-Pentandion(Acetylaceton) die Enolform durch Wasserstoffbruckenbindungen in einemsechsgliedrigen Ring stabilisiert. Daruberhinaus entstehen bei der Verschie-bung zur Enolform konjugierte Doppelbindungen die eine Mesomeriestabili-sierung (Delokalisierung von π-Elektronen) ermoglichen.

CH3 CH3

O O

H H

EnolKeton

HO O

CH3CH3

H

H-Brücke

Aciditat

Alkohole und Phenole

Wie Wasser sind auch Alkohole und Phenole schwache Sauren. Die ihnengemeinsame Hydroxygruppe ist ein Protonendonor und dissoziiert in gleicherWeise wie Wasser:

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122 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Wasser: HO–H + Base ⇀↽ HO− + H-Base

Alkohol: RO–H + Base ⇀↽ RO− + H-Base

Die konjugierte Base eines Alkohols ist ein Alkoxid-Ion bzw. Alkoholat.Methanol und Ethanol haben fast dieselbe Saurestarke wie Wasser. t-

Butanol z. B. ist jedoch eine erheblich schwachere Saure, wahrend Phenolum den Farktor 106 starker sauer ist als Ethanol! Wie konnen diese großenUnterschiede erklart werden, wo doch jedesmal eine Hydroxygruppe der Pro-tonendonor ist? Der Hauptgrund fur die hohere Aciditat von Phenolen gegen-uber Alkoholen ist die Moglichkeit der Resonanzstabilisierung (Mesomerie)im Phenoxid- bzw. Phenolat-Anion, die im entsprechenden Alkoxid-Anionnicht gegeben ist.

O O O

-

-

-

Die Ladung kann hier delokalisiert werden und somit ein Energiegewinnfur das System erziehlt werden. Beim Alkoxid- bzw. Alkoholat-Anion bleibtsie am Sauerstoff lokalisiert.

Carbonsauren

Carbonsauren sind wesentlich acider (sauer) als Alkohole. Im Carboxylat-Anion (COO−) ist die negative Ladung mesomeriestabilisiert.

O

O O

O

_

|_

_

|_

Beide Sauerstoffatome sind gleichmaßig an der Ladungsverteilung betei-ligt. Die Ladungsverteilung durch Mesomeriestabilisierung bedeutet, dass dasCarboxylat-Anion gegenuber dem Alkoholat-Anion weit stabiler ist. Dement-sprechend ist seine Tendenz, sich aus der korrespondierenden Saure zu bilden,viel großer.

Bei Alkoholen wie auch bei Carbonsauren erhoht sich die Aciditat durchinduktive Effekte von elektronenziehenden Substituenten wie z. B. Haloge-nen. So reagieren Trifluoressigsaure und α-halogenierte Alkohole wesentlichstarkere Sauren als ihre nichthalogenierten Formen.

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 123

Erganzung zur Aciditat von organischen Verbindungen:

_

__

Acidität und Elektronegativität (E.N.)

Säure H3C-H H2N-H HO-H F-HpKs ca. 50 33 16 3

korresp. Base H3C| H2N| HO| F|- - --

E.N. C:2,5 N:3,0 O:3,5 F:4,0

Acidität und Delokalisierung (Mesomerie)

Säure

pKs

Korresp.Base

H H

H HHH

HH

H H

H HHH

HH

-

ca. 50

H HHH

H

H

43

H

H

H

H

H-

_H

H

H

H

H-

Allyl-Anion

H H

16

-

-

--

-

Aromat

Cyclopentadienid-Anion

Durch Abgabe einesProtons entsteht einAromat.

____

Acidität und Delokalisierung + Elektronegativität

Säure

pKs

korresp.Base

HHH

H

H

H

H

H

H

HH

-

_

H

H

H

H-

Allyl-Anion

OH

43 ca.20

O

O

-

_-

Enolat-Anion

O OH

ca.11

O O-

_O O

-

Enolat-Anion des Stoffwechsels

O OH

ca.5

O O-

_O O

-

Vergleichen Sie den pKs-Wert der Essigsäure (ca. 5) mit dem von Ethanol(ca. 17). Worauf beruht der Unterschied?

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124 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Oxidation und Reduktion

Alkohole, die mindestens ein Wasserstoff am sauerstoffgebundenen C-Atomtragen, konnen durch Oxidation in eine Carbonylverbindung umgewandeltwerden. Primare Alkohole liefern zunachst Aldehyde, dann Carbonsauren.Aus sekundaren Alkoholen entstehen Ketone.

R

H

H

OH RO

HR

OH

O

Ox. Ox.

prim. Alkohol Aldehyd Säure

Die Oxidation von Alkoholen in biologischen Systemen nennt man Dehy-drierung. Das dabei beteiligte Enzym ist die Alkoholdehydrogenase (ADH).Desweiteren wird ein Coenzym benotigt, welches den formal entstehendenWasserstoff (H2) bindet. In der Regel ist dies Nicotinamid-adenindinucleotid(NAD+/NADH + H+) (siehe Lehrbucher der Physiologie und Biochemie).

Die Oxidation eines primaren Alkohols zu einem Aldehyd und unter Um-standen weiter zu einer Carbonsaure ist verbunden mit einer Anderung derOxidationszahl (Oxidationsstufe) des Kohlenstoffatoms, an dem die Reaktionstattfindet.

Oxidation und Reduktion sind oft Begleiterscheinungen von Substitutio-nen, Additionen oder Eliminierungen. Allgemein wird die Oxidation einesAtoms definiert als Verlust von Elektronen, die Reduktion als Gewinn vonElektronen. In der organischen Chemie bezieht sich die Oxidation, bezie-hungsweise Reduktion, auf Kohlenstoffatome mit kovalenten Bindungen. DerUberschuss oder Unterschuss an Elektronen eines Kohlenstoffatoms gegen-uber seinem elementaren Zustand mit vier Valenzelektronen (Oxidationszahl= 0) wird nach Art der gebundenen Atome bestimmt. Ein elektronegativesAtom erhoht die Oxidationszahl des Kohlenstoffs, denn es zieht die Bindungs-elektronen zu sich. Ein elektropositiveres Atom, auch Wasserstoff, erniedrigtdie Oxidationszahl, denn die Bindungselektronen werden dem Kohlenstoff zu-geschlagen. Bei einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung werden die Bindungs-elektronen geteilt. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass dieOxidationszahlen nur formale Grossen sind.

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 125

4.4.1 Versuch: Saurestarke organischer Verbindungen

Stichworte: Mesomerie, Stabilisierung von Ladungen

Allgemeines: Organische Verbindungen konnen Wasserstoff als Proton ab-geben (auf Basen ubertragen), wenn folgende Effekte wirksam werden:

a.) Mesomeriestabilisierung: Mesomerie, die eine Verteilung der Ladunguber mehrere Atome erlaubt. Essigsaure z. B. ist acider als Methanol.Zwar wird bei beiden eine O–H-Bindung heterolytisch gespalten, fur dasentstehende Acetat-Ion gibt es jedoch, im Gegensatz zum Methanolat-Ion (Methoxid-Ion), zwei mesomere Grenzformeln.

+

_

H3CO-H + H2O H3CO-

_O

O H+ H2O

__

O

O

__O

O|-

|-

+ H3O

+H3O+

Methanol:

Essigsäure:

b.) Elektronegativitat: Je elektronegativer das Atom ist, das das entspre-chende Proton tragt, desto bereitwilliger gibt es das Proton ab.

Chemikalien: Ethanol, Acetylaceton, Essigsaure, Trichloressigsaure, Phen-olphtalein-Losung, 1 M NaOH

Durchfuhrung: Prufen Sie folgende Verbindungen auf ihre Saurenatur(pH-Papier):

Ethanol, Acetylaceton, Essigsaure, Trichloressigsaure.

Et OH

O O O

OHCl3C

O

O

Ethanol Acetylaceton Essigsäure Trichloressigsäure

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126 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Versuchen Sie, den pH-Wert der Substanz direkt zu ermitteln (Indikator-papier); dann machen Sie Wasser + 1 Tropfen Phenolphtalein-Losung mitder kleinsten Menge 1 M Natriumhydroxid-(NaOH)-Losung alkalisch, gebendie Substanz zu und prufen auf Entfarbung.

Aufgaben: Protokollieren Sie die gemessenen pH-Werte und interpretie-ren Sie diese anhand von Reaktionsgleichungen unter Berucksichtigung evtl.entstehender mesomerer Grenzformeln.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.4.1

4.4.2 Versuch: Aldolkondensation

Stichworte: C-H-Aciditat, Ladungsstabilisierung durch Mesomerie, Car-banionen, Enolat-Ion, C–C-Verknupfungsreaktionen

Allgemeines: Ketone wie z. B. Aceton (= Propanon) oder Aldehyde sindin der Lage, in Gegenwart von starken Basen (OH−-Ionen) zu einem geringenTeil in Enolat-Ionen uberzugehen. Ein Enolat-Ion ist ein starkes Nucleophil,das uber zwei nucleophile Zentren, das α-C-Atom und das O-Atom verfugt.Dieses Enolat-Ion greift mit seinem freien Elektronenpaar am C-Atom dasCarbonyl-C-Atom eines Neutralmolekuls an. Das so gebildete Anion nimmtvom Wasser ein Proton auf, wobei ein Aldol oder Ketol entsteht. Da dieEnolat-Ionen durch diese Reaktion standig verbraucht werden, bilden sichim Rahmen des Saure-Basen-Gleichgewichts laufend Enolat-Ionen nach, bisdie Reaktion abgeschlossen ist. In Abhangigkeit von den Bedingungen konnenentweder Aldole oder Ketole isoliert werden (Verknupfung zweier Molekuleunter Bildung einer C–C-Einfachbindung), oder die Reaktion kann in einemZug unter Wasserabspaltung bis zu α, β-ungesattigten (Bildung einer C=C-Doppelbindung durch Kondensation) Carbonyl-Verbindungen fuhren. In derReaktion eines Aldehyds mit einem Keton addiert im allgemeinen das Enolatdes Ketons an den Aldehyd. Wegen der Aldol-Bildung tragt die Reaktion denNamen Aldol-Reaktion.

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 127

_

__

_| _

-||

_

_|_

CH3

O

H+ H2C

O

H

_-

H

O

CH3

OH-

+H2O

H

OHOH

CH3

3-Hydroxybutanal(Aldol)

Aldoladdition:

Aldolkondensation: ( OH-katalysiert)

H

O

H H

CH3

OHH

+ OH-H2O H

O

H

CH3

OHH

-OHCH3 H

OH-

_|

- OH-

-

CH2

O

H

H | BaseH2C

O

H

_-

δ+

δ-

_ |CH2

O

H

-

Enolat-Ion

-

Grundsatzlich konnte naturlich das Enolat-Ion die Carbonyl-Komponenteauch uber das O-Atom angreifen. Das dabei entstehende Produkt ware jedochthermodynamisch ungunstiger.

Chemikalien: Benzaldehyd, Aceton, Ethanol, ges. Natriumhydroxid-Losung

Durchfuhrung: In einem Reagenzglas gibt man zu etwa 2 ml Benzaldehyd(C6H5–CHO) 1 ml Aceton und als Losungsmittel ca. 4 ml Ethanol. Durch Zu-gabe von 1 ml gesattigter Natriumhydroxid-Losung wird die Reaktion gestar-tet. Nach einigen Minuten reibt man die Reagenzglaswand (innen) vorsichtigmit einem Glasstab und lasst das Reagenzglas ca. 10 min. im Stander stehen.Das kristallin ausgefallene Reaktionsprodukt wird auf einem Hirschtrichterabgesaugt, mit einigen ml Ethanol nachgewaschen und durch Umkristallisa-tion aus Ethanol gereinigt. Bestimmen Sie den Schmelzpunkt des Produkts(er sollte bei 112C liegen).

Umkristallisieren: Die Substanz wird zunachst mit einer zur voll-standigen Auflosung nicht ausreichenden Menge des Losungsmittels erhitzt.Da normalerweise die Loslichkeitskurve in der Nahe des Losungsmittelsiede-punkts steil ansteigt, sollt man beim Umkristallisieren immer bis zum Siedenerhitzen. Man gibt dann vorsichtig so lange Losungsmittel nach, bis sich in

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128 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

der Siedehitze alles aufgelost hat. Danach lasst man die Losung langsam aufRaumtemperatur abkuhlen und filtriert die entstandenen Kristalle ab.

Bestimmung der Schmelztemperatur in der Kapillare Die feinpulverisierte, gut getrocknete Substanz wird in einer 2–4 mm hohen Schicht inein etwa 1 mm weites, einseitig zugeschmolzenes Kapillarrohrchen gebracht.Dazu taucht man die Kapillare in die Substanzprobe und klopft das Pulvervorsichtig auf den Kapillarboden bzw. lasst das Rohrchen mehrfach durchein langes, senkrecht auf einer harten Unterlage stehendes Glasrohr fallen.

Das sogenannte Schmelzpunktrohrchen wird im einfachsten Fall mit ei-nem Gummiring oder durch Ankleben des oberen Endes mit einem Klebe-band an einem Thermometer befestigt. Die Substanzprobe muss sich dabeiin Hohe der Quecksilberkugel des Thermometers befinden.

Das Thermometer wird nun in ein mit Silikonol gefulltes 100 ml Becher-glas getaucht. Das Becherglas wird mit Hilfe einer Heizplatte langsam erhitzt(4–6C pro min.) bis das Pulver in der Kapillare zu schmelzen beginnt. BeimErhitzen ist es notwendig, mit einem speziellen Ruhrer (wird mit dem Ol-bad ausgegeben) die gleichmaßige Durchmischung des Ols, und damit derTemperatur, sicherzustellen.

Aufgaben: Stellen Sie zunachst die Bruttoreaktionsgleichung fur die Kon-densation (Wasserabspaltung) zwischen zwei Mol Benzaldehyd und einemMol Aceton auf. Welche der beiden Verbindungen wirkt als CH-acide Kom-

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 129

ponente? Versuchen Sie dann, die einzelnen Schritte der Reaktion zu formu-lieren.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.4.2

4.4.3 Versuch: Praparative Darstellung eines Esters

Boxweise

Stichworte: Azeotrope, Ester & Ether, Saureanhydride

Allgemeines: Ester sind in ihren Eigenschaften sehr typisch fur die organi-sche Chemie. Sie sind z. B. wasserunloslich, fluchtig und meist stark riechend;sie kommen als Fette und Wachse in der Natur vor haben aber auch techni-sche Bedeutung als Losungs- und Extraktionsmittel.

Ester entstehen aus zwei verschiedenen Substanzklassen, einer Carbon-saure und einem Alkohol mit den funktionellen Gruppen -COOH bzw. -OHdurch Kondensation unter Abspaltung von Wasser.

RO

OH+ OH R' R

O

O R'+ H2O

Kat.

Kat.

Die Esterbildung ist durch eine einfache Reaktion (Hydrolyse,”Versei-

fung“) wieder ruckgangig zu machen. Hin- und Ruckreaktionsschritte sindnormalerweise langsam und mussen durch Katalysatoren beschleunigt wer-den.

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130 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

_R

O

OH

+H+

ROH

OH

OH R'

-H2O

ROH

OR'R

O

OR' -H+

Ester

_

+

+

| _

|_

__ _

|_

_

R

OH

OH

H

OR'

R

O

OH

OH

R' H+

+

ROH

OH

+

Um praparativ eine hohe Ausbeute an Ester zu erreichen, muss man dasGleichgewicht nach rechts verschieben, indem man z.B. den Alkohol im Uber-schuss einsetzt und/oder das entstehende Wasser durch wasserentziehendeMittel oder apparative Maßnahmen (Abdestillieren, Wasserabscheider) ausdem Reaktionsgemisch entfernt.

Gunstiger ist die Umsetzung eines Saureanhydrids mit Alkohol, weil dannkein Wasser entsteht und die Ruckreaktion nicht eintritt. Auch hier wirktSaurekatalyse beschleunigend.

Wasserabscheider: Informieren Sie sich in Lehrbuchern uber Azeotro-pe. Die Azeotropbildung kann man ausnutzen, um einen Stoff—hier Wasser—aus einem Gemisch

”herauszuschleppen“. Man setzt der zu trocknenden Sub-

stanz einen Stoff zu, der mit Wasser ein Azeotrop bildet und mit Wasser in derKalte nicht mischbar ist, z. B. Toluol und erhitzt in der Apparatur (s. Abb.)die Mischung zum Sieden. Das Wasser geht mit dem Toluol azeotrop uberund scheidet sich beim Abkuhlen in Tropfen aus, die im graduierten Rohrdes Wasserabscheiders nach unten sinken. Auf diese Weise ist das Ende derWasserabscheidung leicht zu erkennen sowie die Wassermenge messbar. Beichemischen Umsetzungen, bei denen Wasser entsteht, kann man daher denFortgang der Reaktion gut beobachten. Durch dauernde Entfernung des Re-aktionswassers wird daruber hinaus das Gleichgewicht im gewunschten Sinneverschoben.

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 131

Der Wasserabscheider sollte einen Tag vor dem geplanten Versuch, voneinem Praktikanten aus der jeweiligen Laborbox, bei der Glasausgabe desFachbereiches ausgeliehen werden.

Durchfuhrung: Jede Box stellt beide Ester her.

1.) Essigsaureisopentylester aus Essigsaure und Isopentanol

Chemikalien: Eisessig, 3-Methyl-1-butanol (Isopentanol), p-Toluol-sulfonsaure-monohydrat, Toluol, ges. NaHSO4-Losung, MgSO4

CH3

O

OH+

CH3

CH3

OH

CH3 O

O

CH3

CH3

-H2O

Essigsäure 3-Methyl-1-butanol Essigsäureisopentylester

H+

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132 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Eine Losung von 10 ml Eisessig (konz. Essigsaure), 5 ml Isopentanol(Isoamylalkohol, 3-Methyl-1-butanol) und 0.3 g p-Toluolsulfonsaure-monohydrat in 30 ml Toluol wird in einem 100–250 ml Rundkolben mitWasserabscheider 1 h unter Ruckfluss gekocht (Siedesteine und Heiz-pilz verwenden). Die Apparatur wird gemaß den Anweisungen des As-sistenten aufgebaut und muss vor Inbetriebnahme von dem Assistentenbegutachtet werden. Nach dem Abkuhlen wird die organische Phase imScheidetrichter mit 20 ml Wasser, 2 × 20 ml gesattigter Natriumhydro-gencarbonatlosung (Vorsicht: CO2-Entwicklung) und erneut 2 × 20 mlWasser gewaschen. Nach dem Trocknen mit wasserfreiem Magnesium-sulfat (MgSO4) und Abdestillieren des Losungsmittels am Rotations-verdampfer (Assistent) erhalt man den Ester als farbloses Ol.

2.) Acetylsalicylsaure (ASS,”Aspirin“) aus Salicylsaure und Essigsaurean-

hydrid

Chemikalien: Essigsaureanhydrid, wasserfreie Salicylsaure,konz. H2SO4, 50%ige Essigsaure

OH

COOH

+CH3 O CH3

O O

O

O

Me

O

OH

Salicylsäure Essigsäureanhydrid Acetylsalicylsäure

H+

-CH3COOH

In einem 100–250 ml Rundkolben gibt man 5 ml Essigsaureanhydrid3.5 g wasserfreie Salicylsaure und anschließend 5 Tropfen konzentrierteSchwefelsaure. Man mischt den Inhalt des Kolbens und erwarmt mitdem Wasserbad 30 min. auf 50–60C (Ruckflusskuhler verwenden). Dieauf Raumtemperatur abgekuhlte Reaktionsmischung gießt man auf ca.75 ml Wasser, schuttelt zur Hydrolyse des uberschussigen Saureanhy-drids, kuhlt dann in Eis und isoliert das ausgefallene Produkt. Es kannaus 50%iger Essigsaure umkristallisiert werden.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise in kurzen Worten, for-mulieren Sie die Reaktionsgleichung moglichst in allen Teilschritten (Mecha-nismen) und berechnen Sie die Ausbeute an Produkt. Bestimmen Sie denSchmelzpunkt der selbst hergestellten Acetylsalicylsaure.

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 133

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.4.3

4.4.4 Versuch: Fettverseifung

Stichworte: Saure und Basenkatalyse der Verseifung, Aufbau naturlicherFette, gesattigte & ungesattigte Fettsauren, Weiterfuhrend: Phospholipide,Aufbau von Zellmembranen.

Allgemeines: Katalysiert man, vom Ester ausgehend, die Gleichgewicht-seinstellung (Ruckreaktion) nicht durch Saure, sondern hydrolysiert mit Al-kalihydroxiden, so entstehen neben Alkohol die Alkalisalze der Fettsaurenund das Gleichgewicht wird vollig zu den Endprodukten verschoben. Fettesind Ester von langkettigen Carbonsauren und dem

”dreiwertigen“ Alkohol

Glycerin.

CH2CH

CH2

O

O

O

O

R

O

R'

O

R''

3 NaOH CH2CH

CH2

OH

OH

OH

Triglycerid Glycerin

+

RO

ONa

+

-

R'O

ONa

+

-

R''O

ONa

+

-

Fettsäure-Na-Salz

R, R’ und R” konnen, aber mussen nicht identisch sein.

Fette: Ester des”dreiwertigen“ Alkohols Glycerin CH2OH–CHOH–CH2OH

mit 3 Molekulen langkettiger Fettsauren (”Triglycerid“).

Seifen: Alkalisalze der langkettigen Fettsauren.

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134 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Wachse: Ester langkettiger Fettsauren mit langkettigen”Fettalkoholen“, z. B.

Bienenwachs = Palmitinsaure-myricylester C15H31CO–O–C30H61.

Chemikalien: Speiseol, NaOH, EtOH, CaCl2

Durchfuhrung: Man mischt in einem 250 ml Erlenmeyerkolben 5 g Speise-ol mit einer Losung von 5 g NaOH in 20 ml Wasser/Ethanol 1:1 und erwarmtvorsichtig 15 min. zu schwachem Sieden. Verdampfender Alkohol wird ggf.ersetzt. Nach dem Erkalten bleibt als Produkt eine halbfeste Masse aus Na-triumsalzen der Fettsauren (Kernseifengeruch) und Glycerin zuruck. LosenSie eine kleine Probe der Seife und messen sie den pH-Wert mit Indikator-papier. Durch Zugabe von CaCl2-Losung fallt flockige Kalkseife aus und dieSchaumbildung geht zuruck. Der Hauptteil der Seife wird mit Hilfe des Buch-nertrichters vorsichtig mit kleinen Wasserportionen alkalifrei gewaschen undgetrocknet.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und stellen Sie die Reaktions-gleichung auf. Welche Beobachtung machen Sie wahrend des Auflosens einerkleinen Probe der Seife? Welchen pH-Wert hat die Seifenlosung und warum?Warum bildet sich bei Zugabe von CaCl2-Losung ein weißer Niederschlag?Welche Formel hat Kalkseife?

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle.

Ende Versuch 4.4.4

4.4.5 Versuch: Decarboxylierung und oxidative Decarboxylierung

Stichworte: Keto-/Enoltautomerie, Hydroxysauren, β-Ketocarbonsauren,Weiterfuhrend: Bedeutung von Brenztraubensaure (Pyrovarsaure) und De-carboxylierung in biologischen Systemen.

Allgemeines: Decarboxylierung (Abspaltung von CO2) normaler Carbon-sauren erfordert hohe Temperaturen. Unter milden Bedingungen decarboxy-lieren β-Ketocarbonsauren wie Acetessigsaure (die daher in reiner Form nicht

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 135

isolierbar ist), da ein cyclischer Ubergangszustand uber ein Enol die Reaktionerleichtert:

O OH

OCH3

+ CO2

O

CH3

CH3

Aceton

Acetessigsäure(eine ß-Ketocarbonsäure)

Enol

CH3 CH2

OH

Oxidative Decarboxylierung kommt bei Hydroxycarbonsauren vor. Dieselassen sich leicht zu Ketosauren dehydrieren, die dann wie oben spontandecarboxylieren. Die folgende Reaktion gibt es (etwas komplizierter) auch imStoffwechsel:

OHOH

O

O OH

Äpfelsäure

OHOH

O

O O

Oxalsäure

CH3OH

O

O

Brenztraubensäure

+ CO2Ox.

Nachweis von CO2 im Garrohrchen: Durch Auflosen von Barium-hydroxid Ba(OH)2 wird eine gesattigte Ba(OH)2-Losung hergestellt. Nach-dem sich nicht gelostes Ba(OH)2 am Reagenzglasboden abgesetzt hat, wirddekantiert (obere klare Losung abschutten) und damit eine klare, gesattigteBa(OH)2-Losung gewonnen. Diese wird wie gezeigt in ein Garrohrchen ge-fullt. Wird nun CO2-haltiges Gas von unten durch das Garrohrchen geblasen,so trubt sich die klare Losung infolge von Bariumcarbonat-(BaCO3)-Bildung.BaCO3 ist schwerloslicher als Ba(OH)2 und fallt daher als weißer, feiner Nie-derschlag aus.

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136 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Durchfuhrung:

a.) Decarboxylierung von Acetessigsaure:

Chemikalien: 1 M NaOH, Acetessigester, Ba(OH)2-Losung, 2 M H2SO4

Mischen Sie in einem kleinen Erlenmeyerkolben 1 ml Acetessigsauree-thylester mit 3 ml 1 M Natriumhydroxid-(NaOH)-Losung und erwar-men den Erlenmeyerkolben auf einer Heizplatte bis der typische Ester-geruch verschwunden ist (ca. 5–10 min.). Danach geben Sie 5 ml 2 MSchwefelsaure (H2SO4) hinzu und verschließen das Reagenzglas mit ei-nem durchbohrten Gummistopfen. Durch den Gummistopfen wird einGarrohrchen gesteckt, welches mit einer wassrigen, klaren Ba(OH)2-Losung gefullt ist. Nach anfanglichem Aufkochen entwickelt sich CO2,das mit Ba(OH)2 im Garrohrchen nachgewiesen wird.

b.) Oxidative Decarboxylierung von Apfelsaure:

Chemikalien: Apfelsaure, FeSO4, H2O2-Losung (30%),Ba(OH)2-Losung

In einem Reagenzglas werden 0.2 g Apfelsaure und 0.1 g EisensulfatFeSO4 in 5 ml Wasser gelost. 1 ml dieser Losung wird als Vergleich(Blindprobe) in ein zweites Reagenzglas gefullt. Zu der restlichen Lo-sung gibt man mit einer Pasteurpipette 2 Tropfen H2O2-Losung (30%)(Vorsicht! Bei Beruhrung mit der Haut sehr atzend und schmerzhaft)und verschließt das Reagenzglas unverzuglich mit einem Garrohrchen(s. o.). Falls nach 5 Minuten noch kein erkennbarer Gasstrom durch

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4.4. CARBONYLVERBINDUNGEN, ACIDITAT (8.–9. WOCHE) 137

das Garrohrchen blubbert, fugt man weitere 2 Tropfen H2O2-Losungzu. Sobald die CO2-Entwicklung beendet ist, erhitzt man 5 min. auf60C im Wasserbad (mit Wasser gefulltes 250 ml Becherglas auf ei-ner Heizplatte) zur Verkochung (d. h. Zerstorung) des uberschussigenH2O2. Anschließend versetzt man Probe und Blindprobe mit je 1 mlDinitrophenylhydrazin-Losung (Nachweis auf Ketone und Aldehyde).

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und formulieren Sie die Reak-tionsgleichungen mit allen Teilschritten. Was beobachten Sie bei der Zugabevon Dinitrophenylhydrazin-Losung? Begrunden Sie die Beobachtung.

Entsorgung: organische LosungsmittelabfalleEnde Versuch 4.4.5

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138 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.5 Identifizierung organischer Stoffe (10. Wo-

che)

Stichworte: Struktur und Derivate der Alkohole, Amine, Aldehyde undKetone, Carbonsaureamide

Stoffwechselprodukte, unbekannte Naturstoffe oder Produkte organischerReaktionen, mussen identifiziert werden. Diese Aufgabe ist wegen der Vielfaltorganischer Substanzen und Haufigkeit von Isomeren viel komplizierter alsin der anorganischen Analyse. Wichtige Moglichkeiten sind:

1.) Chemische Derivatisierung zur Feststellung funktioneller Gruppen

Da die Unterschiede in Eigenschaften und Reaktivitat organischer Ver-bindungen besonders stark von ihren funktionellen Gruppen abhangen,ist man bestrebt, zunachst die Zugehorigkeit zu einer Substanzklasse(Alkohole, Amine, Aldehyde, Ketone, Carbonsauren usw.) festzustellen.Dies ist moglich durch chemische Umsetzungen, die spezifisch und voll-standig alle Vertreter einer Klasse in gut definierte, moglichst kristal-line Derivate uberfuhren (z. B. Alkohole → Ester). Gelingt eine solche

”Derivatisierung“, so beweist sie die Zugehorigkeit zur Substanzklasse,

und die physikalischen Daten des Derivates (Schmelzpunkt) erlaubeneine endgultige Identifizierung mit Hilfe von Tabellenwerten. TypischeBeispiele sind die Analyse von Alkoholen, Aminen und Carbonylver-bindungen.

2.) Vergleich mit authentischen Substanzen bekannter Struktur

Wenn fur eine unbekannte Substanz nur eine begrenzte Zahl von Mog-lichkeiten in Frage kommt, so genugt–unter Verzicht auf chemischeUmwandlung—manchmal der Vergleich einer leicht zu messenden Ei-genschaft (Spektrum, optische Aktivitat, chromatographisches Verhal-ten) mit denen von mehreren Vergleichssubstanzen. Naturliche Fett-sauren, Zucker oder Aminosauren werden so identifiziert. Die Methodestellt keinen strengen Strukturbeweis dar und muss durch Nachweisenach der 1. oder 3. Art erganzt werden, wenn Verdacht auf andersarti-ge, von den Vergleichssubstanzen nicht erfasste Strukturen besteht.

3.) Spektroskopische Instrumentalanalyse

In organischen Molekulen mit ihren zahlreichen Bindungen ist es mog-lich, durch Bestrahlung in langwelligen (niederenergetischen) Spektral-bereichen bestimmte Schwingungen, magnetische Anderungen u. dergl.

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4.5. IDENTIFIZIERUNG ORGANISCHER STOFFE (10. WOCHE) 139

nur an einzelnen Bindungen oder Atomen anzuregen, so dass die be-obachteten Absorptionssignale Strukturdetails der Molekule direkt an-zeigen. Hierzu zahlen vor allem die Methode der kernmagnetischen Re-sonanz (NMR, siehe auch Kernspin-Tomographie), die wir wegen desapparativen Aufwands nicht ausfuhren, und die Infrarotspektroskopie(IR), die funktionelle Gruppen und ggf. Molekulgeruste an kleinen Pro-ben und ohne Vorarbeiten zu analysieren gestatten.

Meist wird man in komplizierten Fallen zwei oder mehr Wege bis zur end-gultigen Strukturaufklarung beschreiten mussen. Die Tendenz geht, u. a. we-gen der im Naturstoffbereich oft sehr kleinen vorhandenen Substanzproben,zur Instrumentalanalyse, doch behalten auch einfache chemische und chro-matographische Nachweise ihren Wert. Auftrennung oder Derivatisierung derAminosauren in einem Proteinhydrolysat im Mikromaßstab uben wir spater.

Vorversuche

Im Folgenden werden Ihnen verschiedene Nachweisreaktionen fur Alkohole,Amine und Ketone/Aldehyde vorgestellt. Testen Sie die Nachweisreaktionenjeweils mit den ausstehenden Substanzen und machen Sie damit Blindver-suche, um die Nachweisreaktionen kennenzulernen. Danach lassen Sie sicheine Analysensubstanz geben und analysieren die Inhaltsstoffe mit Hilfe derfolgenden Nachweisreaktionen.

4.5.1 Versuch: Nachweis von Alkoholen

Stichworte: Struktur und Eigenschaften von Alkoholen (primar, sekundar,tertiar), Veresterung mit Saurechloriden

Allgemeines: Rekapitulieren Sie die Eigenschaften von Alkoholen. Warumsind die niederen Vertreter wasserloslich, die hoheren nur begrenzt mit Wassermischbar?

Chemikalien: Ammoniumcer(IV)nitrat, 2 M HNO3, Pyridin, 3,5-Dinitro-benzoylchlorid, 6 M HCl, NaHCO3-Losung, Ethanol

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140 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Durchfuhrung:

Identifizierung der Stoffgruppe: Alle Alkohole sowie Hydroxysaurenund Hydroxyaldehyde geben unter Ligandenaustausch einen roten Komplexmit der gelborangefarbenen Losung von Ammoniumcer(IV)nitrat.

[Ce(NO3)6]2− + R–OH → [Ce(OR)(NO3)5]

2− + H+ + NO−3

Vom Reagenz (10 g (NH4)Ce(NO3)6 in 25 ml 2 M Salpetersaure) werden0.5 ml mit 3 ml Wasser in einem Reagenzglas verdunnt, 4–5 Tropfen der zuprufenden Substanz zugegeben und geschuttelt. Bis auf Phenole (intensiveDunkelfarbung, evtl. Niederschlag) und Amine (evtl. Ausfallung) wird derAlkoholnachweis durch andere organische Substanzen nicht gestort.

Individuelle Identifizierung: Alkohole identifiziert man als schwer-losliche Ester der 3,5-Dinitrobenzoesaure. Zur quantitativen Umsetzung ver-estert man nicht mit der Saure, sondern dem reaktionsfahigeren Saurechlorid.

O

Cl

O2N

O2N

+ OH R|Base O

O

O2N

O2N

R+

3,5-Dinitrobenzoesäure Alkohol

H-Base + Cl-

0.5 ml Alkohol werden in einem 50 ml-Rundkolben unter Eiskuhlung mit3 ml Pyridin und 2 g 3,5-Dinitrobenzoylchlorid vermischt und unter Ver-wendung eines Ruckflusskuhlers 10 Minuten auf dem Wasserbad auf 80Cerhitzt. Die Mischung wird (zur Hydrolyse des uberschussigen Saurechlorids)auf 50 ml Eiswasser gegossen und tropfenweise mit 6 M Salzsaure HCl aufpH = 5 gebracht. Den Niederschlag filtriert man mit dem Buchnertrichter ab,wascht mit Natriumhydrogencarbonat-(NaHCO3)-Losung und trocknet aufFilterpapier (nicht im Trockenschrank!). Das Produkt ist aus Ethanol umzu-kristallisieren und der Schmelzpunkt des Derivates zu bestimmen. Anhanddes Schmelzpunktes kann auf den Alkohol geschlossen werden.

Aufgaben: Fuhren Sie die Nachweisreaktionen mit verschiedenen Alkoho-len aus. Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und formulieren Sie die Reaktions-gleichungen.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.5.1

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4.5. IDENTIFIZIERUNG ORGANISCHER STOFFE (10. WOCHE) 141

4.5.2 Versuch: Nachweis von Aminen als Benzamid

Stichworte: Struktur und Eigenschaften von Aminen, Basizitat von Ami-nen

Allgemeines: Amine sind basische Verbindungen, die sich durch Substi-tution der Wasserstoffatome durch organischen Resten von NH3 abgeleiteteVerbindungen. Man unterscheidet hier:

\

\R NH

H

R N R

HN

R

R RNR

R

R

R

C2H5 NH2 NH

Et

NEt Et

OHN

CH3

CH3

CH3

OH

primäres sekundäres tertiäres Amin quartäres Ammoniumsalz

Ethylamin Piperidin Triethylamin Cholin

Beispiele:

+

-

_

+

|

_|

Amine reagieren ahnlich wie Alkohole als Nucleophil mit elektrophilenReaktionszentren, wie z. B. X–C=O von Carbonsaurederivaten. Die primarenund sekundaren Amine identifiziert man durch Umsatz mit Benzoylchloridzu substituierten Benzoesaureamiden (kurz Benzamide).

O

Cl+

RNH

R

Base O

NR

R+ HCl

Chemikalien: 2 M KOH, 0.5 ml Benzoylchlorid (frisch destilliert)

Durchfuhrung: 0.5 g Amin werden in 10–15 ml 2 M Kaliumhydroxid-(KOH)-Losung gelost, mit 0.5 ml Benzoylchlorid versetzt und kraftig ge-schuttelt. Der Benzoylzusatz wird 1–2 mal wiederholt, bis der Amingeruchverschwunden ist. Das Produkt wird mit dem Buchnertrichter abgesaugt, mit

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142 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Wasser gewaschen und aus Ethanol/Wasser (1:1) umkristallisiert. Nach demTrocknen der Substanz wird der Schmelzpunkt bestimmt.

Anmerkung: Nicht in Gegenwart von Alkoholen ausfuhren: Esterbildungals Konkurrenzreaktion! Aminosauren reagieren in gleicher Weise wie Amineunter Bildung von N-Benzoylaminosauren.

Aufgaben: Fuhren Sie die Nachweisreaktionen mit verschiedenen Aminenaus. Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und formulieren Sie die Reaktionsglei-chungen. Sind auch tertiare Amine mit dieser Methode nachzuweisen?

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.5.2

4.5.3 Versuch: Nachweis von Aldehyden und Ketonen als Dinitro-phenylhydrazone

Stichworte: Struktur und Eigenschaften von Carbonylverbingungen, Elek-trophilie des Carbonyl-C-Atoms

Allgemeines: Zum Nachweis von Aldehyden und Ketonen eignen sich be-sonders schwerlosliche C=N-Derivate der C=O-Gruppe. Sie entstehen durchprimare Addition von nucleophilen NH2-Gruppen geeigneter Reagenzien undWasserabspaltung.

_ _

__

O + NH2 OH N OH

OximeHydroxylamin

+ NH2

H O

NH2

Semicarbazid

N N

H O

NH2

+ NH2 N

O2N

NO2

H

N N

O2N

NO2

H

O

O

2,4-Dinitrophenylhydrazin 2,4- Dinitrophenylhydrazon

_ _

__ __ _

_ _

_ _

-H2O

Semicarbazone

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4.5. IDENTIFIZIERUNG ORGANISCHER STOFFE (10. WOCHE) 143

Chemikalien: Dinitrophenylhydrazin, Phosphorsaure (85%), Ethanol

Durchfuhrung:

Reagenz: (Steht normalerweise im Labor aus)Als Reagenz wird 1 g Dinitrophenylhydrazin in 10 ml konz. Phosphorsaure

(85%) unter Erwarmen gelost (Wasserbad) und mit 10 ml Ethanol verdunnt,ggf. durch Glasfritte filtrieren.

Hautkontakt vermeiden!Man lost je 5 Tropfen Substanz in 1 ml Ethanol, tropft Reagenz zu und

beobachtet die ausfallenden Niederschlage (ggf. Eiskuhlung). Zur Identifizie-rung einer unbekannten Substanz geht man von ca. 0.5 g Substanz aus, waschtden Niederschlag mit Wasser und kristallisiert aus Ethanol oder Essigesterum. Nicht im Trockenschrank trocknen! Bestimmen Sie den Schmelzpunkt.

Aufgaben: Fuhren Sie die Nachweisreaktionen mit verschiedenen Aldehy-den und Ketonen aus. Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und formulieren Siedie Reaktionsgleichungen.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.5.3

4.5.4 Analyse 4: Organische Sustanzen (Alkohole, Aldehyde, Ke-tone, Amine)

Allgemeines: Versehen Sie ein Blatt Papier mit einem Loch, so dass einReagenzglas hindurchpasst und beschriften Sie diese wie folgt:Kurs Nr.:Analyse Nr.: 4Namen, Vorname:Box Nr.:Saal:

Stecken Sie ein mit einem Stopfen verschlossenes Reagenzglas durch dasLoch und stellen Sie das Reagenzglas in den vom Assistenten aufgestellten

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144 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Halter fur die Analysen. Am nachsten Kurstag konnen Sie ihr Reagenzglasgefullt wieder entgegenehmen.

Sie erhalten jeweils eine organische Substanz, die Sie zunachst nach ih-rer Substanzklasse (funktionelle Gruppe) zuordnen und ihrem Assistenten

”ansagen“ sollen. Bei richtiger

”Ansage“ der funktionellen Gruppe identifi-

zieren Sie dann die individuelle Verbindung mit Hilfe der vorangegangenenNachweisverfahren.

Durchfuhrung:

Erste Orientierung: Aussehen, Geruch, pH-Wert. Auf keinen Fall aberGeschmacksprobe!!

Gruppenzugehorigkeit: Mit 1/3 der Analysensubstanz nach Loslichkeitsver-halten und qualitativen Tests entscheiden.

Identifizierung: Mit restlicher Analysensubstanz das entsprechende Derivatherstellen. Siehe vorangegangene Nachweisverfahren.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle.

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4.5. IDENTIFIZIERUNG ORGANISCHER STOFFE (10. WOCHE) 145

Schmelzpunktliste: Fp. = Schmelzpunkt (Schmp.)

Amine Fp. BenzamidPropylamin CH3CH2CH2NH2 84CIsobutylamin CH3CH2CH(CH3)NH2 57CBenzylamin C6H5CH2NH2 105CDiethylamin (C2H5)2NH 42CMorpholin C4H9NO 75CGlycin NH2CH2COOH 187CAlanin NH2CH(CH3)COOH 166CAlkohole Fp. DinitrobenzoatMethanol CH3OH 109CEthanol CH3CH2OH 93C1-Propanol CH3CH2CH2OH 74C2-Propanol CH3CH(OH)CH3 122C1-Butanol CH3(CH2)3OH 64C1-Pentanol CH3(CH2)4OH 46CCyclohexanol C6H11OH 112CBenzylalkohol C6H5CH2OH 112CAldehyde und Ketone Fp. DinitrophenylhydrazonFormaldehyd HCHO 166CChloral (Hydrat) CCl3-CHO 131Cn-Butyraldehyd CH3CH2CH2CHO 122CBenzaldehyd C6H5-CHO 237CPinakolon CH3-CO-C(CH3)3 125CCyclohexanon C6H10O 162CAceton CH3-CO-CH3 128C

Ende Versuch 4.5.4

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146 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.6 Themen des 4. Kolloquiums

Es folgt eine Zusammenstellung der wichtigsten Themen in Stichworten. Eswird empfohlen, die Stichworte in den einschlagigen Lehrbuchern nachzu-schlagen.

Kohlenhydrate

Monosaccharide, Disaccharide, Polysaccharide, Oligosaccharide, glycosidischeBindung, raumlicher Bau und Stereochemie der Kohlenhydrate, Fischer-Projektion,Haworth-Projektion, Pyranose, Furanose, Glucose, Halbacetale, Acetale, En-antiomere, Epimere, Mutarotation, Oxidation und Reduktion von Monosac-chariden, reduzierende Zucker.

Aminosauren und Proteine

Aminosauren: Definition und Struktur von Aminosauren, Chiralitat, Zwit-terionen, isoelektrischer Punkt IP, Titrationskurve bei Aminosauren, pKs-Werte von Aminosauren, D/L- und R/S-Nomenklatur, Dunnschichtchroma-tografie, chromatographische Trennung (Rf -Werte) usw.

Peptide und Proteine: Bildung, Struktur und chemisches Verhalten derPeptidbindung, Di- und Tripeptide usw.

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 147

4.7 Zucker/Kohlenhydrate (11.–12. Woche)

Stichworte: Chiralitat in Sacchariden, Fischer-Projektion, D/L-Nomen-klatur, cyclische Strukturen (Halbacetale) der Monosaccharide und derenKonformations-Isomere, Epimere, Anomere, Haworth-Projektion, glycosidi-sche Bindungen, Polysaccharide, Struktur von Cellulose und Amylose (Star-ke)

Kohlenhydrate haben in allen Organismen lebenswichtige Aufgaben zuerfullen. Sie entstehen aus Kohlendioxid und Wasser durch Photosynthese ingrunen Pflanzen. Die bekanntesten Kohlenhydrate sind Starke und Cellulo-se sowie die unter dem Sammelbegriff Zucker zusammenfassbaren Monosac-charide Glucose, Galaktose und Fructose sowie die Disaccharide Saccharose,Maltose und Lactose.

Cellulose ist das wichtigste Baumaterial der Pflanzen. Sie wird zur Versei-fung der Zellwande, zur Bildung von Fasern und zur Verfestigung des Holz-gewebes benotigt. Starke ist ein Reservekohlenhydrat. Die Pflanze benutztStarke als Energie- und Rohstoffspeicher. Viele Pflanzen, zum Beispiel dieZuckerrube und das Zuckerrohr, produzieren große Mengen an Saccharose,dem handelsublichen Zucker, heute noch der Hauptsußstoff unserer Speisenund ein wichtiges Nahrungsmittel. Das Monosaccharid Glucose ist als Blut-zucker die unmittelbare Energiequelle des Saugerorganismus. In Kombinationmit Phosphorsaure und mit heterocyclischen Basen finden sich die Monosac-charide Ribose und 2-Desoxyribose im genetischen Material, den Nucleinsau-ren. Viele andere Zucker sind Bestandteile von Antibiotika und Coenzymen,von Knorpelgewebe, Haut und Knochen, vom Aussenskelett der Crustaceenund den Zellwanden der Bakterien.

Die chemischen Reaktionen der Kohlenhydrate umfassen die zweier funk-tioneller Gruppen, der Carbonylgruppe und der Hydroxygruppe. Die grobeEinteilung von Kohlenhydraten erfolgt im allgemeinen nach Molekulgroßein Monosaccharide (aus einem Zuckerbaustein), Oligosaccharide (bis zu zehnZuckereinheiten) und Polysaccharide (bis zu mehreren tausend Zucckereinhei-ten). Der Ausdruck Saccharid kommt vom lateinischen saccharum (Zucker)und deutet darauf hin, dass die meisten niedermolekularen Kohlenhydratesuß schmecken.

Monosaccharide

Man klassifiziert die Monosaccharide nach der Anzahl ihrer Kohlenstoffato-me (Triose, Tetrose, Pentose, Hexose, Heptose, usw.) und nach der Art derCarbonylgruppe. Wenn es sich um einen Aldehyd handelt, nennt man dieVerbindung allgemein Aldose, ist es ein Keton, wird sie Ketose genannt. Bei-

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148 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

de Konstitutionsmerkmale kann man zusammenfassen und etwa von einerAldopentose oder einer Ketohexose sprechen.

Glycerinaldehyd steht in wassriger, alkalischer Losung mit 1,3-Dihydroxy-aceton im Gleichgewicht. Es handelt sich hierbei um eine Keto-Enol-Tauto-merie mit einem Endiol als tautomeres Zwischenprodukt.

*

H O

H OH

CH2OH

CH2OH

O

CH2OH

Glycerinaldehyd eine Aldo-triose

1,3-Dihydroxyacetoneine Keto-triose

OH

CH2OH

HOH

Endiol

Fischer Projektion und D/L-Nomenklatur

Zur strukturellen Darstellung der Monosaccharide wird haufig die Fischer-Projektion verwendet. Dabei wird die langste Kohlenstoffkette senkrecht an-geordnet, das am hochsten oxidierte Kohlenstoffatom steht oben. Die waa-gerechten Linien stellen Bindungen dar, die auf den Betrachter hin gerichtetsind, senkrechte Linien weisen von ihm weg. Die Stereozentren der Zuckerkonnen durch die R,S-Nomenklatur eindeutig beschrieben werden. Dennochwird haufig ein alteres System zur Klassifizierung verwendet: Die Zuordnungzur D- oder L-Reihe. Fur die Zuordnung ist das unten stehende asymmetri-sche (chirale) C-Atom der Kohlenstoffkette verantwortlich, d. h. das asymme-trische Kohlenstoffatom, das am weitesten von der Aldehyd- bzw. Ketogruppeentfernt ist. Zeigt in der Fischer-Projektion die OH-Gruppe dieses C-Atomsnach links, gehort der Zucker zur L-Reihe, weist sie nach rechts, gehort erzur D-Reihe. Die D- und L-Form eines Zuckers, z. B. D-(-)-Erythrose undL-(+)-Erythrose, verhalten sich an allen asymmetrischen Zentren wie Bildund Spiegelbild, sie sind Enantiomere.

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 149

*

*

*

*

*

*

*

*

*

*

*

*H OH

H OH

CH2OH

CHO

H

OH H

CH2OH

CHO

OH

D-(-)-Erythrose L-(+)-Erythrose

H OH

OH H

CH2OH

H OH

H OH

CHO

D-Glucose D-Mannose

1

2

3

4

5

6

Enantiomere

OH H

OH H

CH2OH

H OH

H OH

CHO1

2

3

4

5

6

Epimere

Spiegel

Stereoisomere, die sich nur durch die Konfiguration an C-2 unterscheiden,wie z. B. D-Glucose und D-Mannose, werden als Epimere bezeichnet. DieDrehrichtung einer Verbindung fur linear polarisiertes Licht wird durch (+)bzw. (-) angegeben und steht mit der Zugehorigkeit zur D- oder L-Reihe inkeinem Zusammenhang.

Halbacetal

Die Fischer-Projektion ist naturlich nur eine anschauliche und eindeutigeSchreibweise fur Molekule. Die wirklich vorliegende dreidimensionale Struk-tur kann man aus ihr nicht ohne weiteres erkennen. Schreibt man die Formelnmit den echten Bindungswinkeln, so erkennt man folgendes:

C

C

C

CH

HO

H

OH

H

OH

CHO

HOC2HH

OH

CHO

OHH

HHO

H OH

OHH

CH2OH

Diese Schreibweise lasst deutlich werden, dass sich das C-1-Atom und dieOH-Gruppe von C-5 (bzw. C-4) sehr nahe beieinander befinden. Analog demMechanismus der Aldolkondensation (s. o.) bildet sich ein Sechserring (bzw.Funferring), und zwar ein sogenanntes Halbacetal (der genaue Mechanismusdieser Reaktion s. u.).

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150 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

O

H

OH

HO

H

OH

H

H

HO

CH2OHH

Schreibt man dieses Halbacetal ohne Keilbindungen, das C-1-Atom rechts,den Halbacetal-Sauerstoff rechts oben und zeichnet unter Vernachlassigungder echten Bindunswinkel die OH-Gruppen (und H-Atome) nur nach obenoder unten, so kommt man zur Haworth-Formel. Die Fischerprojektion wirddabei nach rechts umgelegt. Rechts stehende OH-Gruppen werden nach untenzeigend gezeichnet und links stehende OH-Gruppen nach oben. Die Formel-zeichnung cyclischer Zucker kann in der Fischer-, Haworth- oder Sesselpro-jektion erfolgen.

H OH

OH H

H OH

H

CH2OH

O

H

CHO

Fischer-Projektion

OCH2OH

OHH OH

OHOH

Haworth-Projektion

OHOHO

OHOH

OH

Sesselkonformation

1

2

3

4

5

6

5

6

4 1

23

12

3

45

6

wird immer nach oben zeigend gezeichnet

Bei Monosacchariden fuhrt die intramolekulare Addition der Hydroxy-gruppe von C-4 oder C-5 der Aldosen an das Carbonyl-C-Atom also zurBildung von cyclischen Halbacetalen. Die funfgliedrigen Halbacetale werdenals Furanosen und die sechsgliedrigen als Pyranosen bezeichnet. (Diese Be-zeichnungen leiten sich vom Pyran bzw. Furan ab)

O O

Tetrahydropyran Tetrahydrofuran

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 151

Mechanismus der Reaktion: Bei dem nucleophilen Angriff des Hydroxyl-Sauerstoffes an das Carbonyl-C-Atom entsteht ein neues chirales Zentrum.Der nucleophile Angriff des Hydroxyl-O-Atoms auf das Carbonyl-C-Atom derAldehyd-Gruppe kann von zwei Seiten erfolgen. Die erhaltenen Diastereome-re unterscheiden sich nur durch die Konfiguration am Halbacetal-C-Atomund werden Anomere genannt. Das neue Chiralitatszentrum ist das anomereZentrum. Hat das Halbacetalkohlenstoffatom die S-Konfiguration, bezeichnetman das Diastereomere als α-Anomer, bei R-Konfiguration als β-Anomer.

__

OHOHO

OHOH

OH

OHO

OHOH

OH

OH

OOHO

OHOH

OH

H

H

αβ

β-D-Glucose α-D-GlucoseD-Glucoseal-Form

5

RO

H+ OH R'

Aldehyd Alkohol

ROH

OR'

Halbacetal

Die OH-Gruppe des Halbacetals (α oder β) bezeichnet man als glycosi-dische OH-Gruppe. Bindungen, an denen sie beteiligt ist, nennt man glyco-sidische Bindungen.

Mutarotation

In wassriger Losung besteht ein Gleichgewicht zwischen den Anomeren undder nichtcyclischen Form. Durch Einstellung geeigneter Kristallisationsbe-dingungen ist es moglich, die reine α- oder β-Pyranoseform der Glucose zuerhalten. Bringt man die reinen Anomere wieder in Losung, so ergibt sichnach kurzer Zeit wieder ein Gleichgewicht. Die Umwandlung wird durch dieVeranderung der spezifischen Drehung der Losung angezeigt. Das Phanomenwird als Mutarotation bezeichnet.

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152 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

OH

OHO

OHOH

OH

OH

OHOH

OH

OH

O

H

OHOHOH

O

OHOH

OH

α-D-Glucopyranose D-Glucose β-D-Glucopyranose

Oligosaccharide

Oligosaccharide sind Kohlenhydrate, die glycosidisch aus zwei bis zehn Mono-sacchariden zusammengesetzt sind. Bei der Verknupfung der Saccharidbau-steine gibt es grundsatzlich zwei Moglichkeiten: Zum einen konnen die Hydro-xygruppen der beiden anomeren C-Atome unter Wasserabspaltung (Konden-sation) zwei Vollacetale mit einem gemeinsamen Bruckensauerstoff ausbilden(1,1-glycosidische Bindung). Zum anderen kann eines der beiden halbace-talischen C-Atome mit einer der alkoholischen Hydroxygruppe des anderenSaccharids reagieren (1,2 oder 1,3 oder 1,4 usw. glycosidische Bindung). Dieshat zur Folge, dass eine reaktive Halbacetalgruppierung erhalten bleibt.

Zucker ohne halbacetalische Hydroxylgruppe zeigen keine Mutarotationund wirken auf Fehlingsche Losung nicht reduzierend. Man unterscheidetdeshalb auch zwischen reduzierenden und nichtreduzierenden Zuckern.

_

_

_

_

OHO

OHOH

OH

OH

α

α-D-Glucose

ROH

OR'

Halbacetal

+O

OH

OHOH

OHOH

β-D-Fructose

βO

OH

OHOH

OHO

OHO

OHOH

OH

Saccharoseβ-D-Fructofuranosyl-α-D-glucopyranosid

+ OH R''-H2O

-H2O

RO

O R''

R'

AcetalAlkohol

H+

OOH

O

OHOH

O

OHOH

OH

OH OH

1,4-glycosidische Bindung in α-Lactose

1

4

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 153

Polysaccharide

Polysaccharide sind aus wesentlich mehr Bausteinen aufgebaut, prinzipiellsind alle Kombinationen moglich und viele kommen auch in der Natur vor(z. B. Glycokalyx).

Die beiden prominentesten Vertreter wurden oben schon erwahnt, Cel-lulose und Amylose (Starke). Beide Polysaccharide sind ausschließlich ausD-Glucose-Einheiten aufgebaut und unterschieden sich im Grunde nur durcheinen wesentlichen Punkt:

O

O

O

HH

OHH

OHO

H

CH2OH

H

O

H

OH

OH

H

HH

CH2OH

nVerknupfung β-glycosidisch ⇒ Faltblatt ⇒ Cellulose

O O

OH

OHH

OHO

H

CH2OH

HH

OH

OH

OH

H

HH

CH2OH

H

n

Oxidation

Einfache Zucker konnen je nach Oxidationsmittel und Bedingungen zu un-terschiedlichen Produkten reagieren, wie z. B. zu Aldonsauren. Ein wichtigesBeispiel fur eine Aldonsaure ist Ascorbinsaure (Vitamin C).

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154 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

O

OH

H

H OH

OH

OH

O

L-Ascorbinsäure(Vitamin C)

Reduktion von Monosacchariden

Aldosen und Ketosen lassen sich zu Zuckeralkoholen (Alditole) reduzieren.Die Alditole aus Hexosen, die Hexite, sind gut kristallisierende, suß schmecken-de Verbindungen, die beispielsweise Verwendung als Zuckeraustauschstoffe(Diabetikerzucker) finden. Die wichtigsten Hexite sind Dulcit, D-Mannit (Be-standteile des

”Mannas“) und D-Sorbit.

CH2OH

OHH

OH H

OH H

H OH

CH2OH

CH2OH

HOH

OH H

H OH

H OH

CH2OH

CH2OH

OHH

OH H

H OH

H OH

CH2OH

Dulcit D-Mannit D-Sorbit

4.7.1 Versuch: Aufbau von Molekulmodellen (StereochemischeAspekte der Zuckerchemie)

Boxweise

Stichworte:

Allgemeines: Die Vorgehensweise ist die gleiche wie bei Versuch 4.2.1.

Mit Hilfe des MINIT-Molekulbaukasten-Systems bauen Sie sich Mole-kulmodelle verschiedener Verbindungen und diskutieren die entsprechendenstereochemischen Aspekte.

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 155

C-Atome = schwarze, O-Atome = rote, H-Atome = weiße Bausteine,CH- und OH-Bindungen sowie C=O-Doppelbindungen sollten durch kleine-re, C-C- und C-O-Einfachbindungen durch langere Verbindungsstucke mar-kiert werden. Fur die Carbonyl-C-Atome sind die dreibindigen und fur dieCarbonyl-O-Atome die einbindigen Bausteine zu verwenden.

Durchfuhrung und Aufgaben:

a.) Bauen Sie Modelle fur D- und L-Glycerinaldehyd auf und vergewissernSie sich, dass die beiden Formen (Bild und Spiegelbild) nicht miteinan-der zur Deckung zu bringen sind!

Wie mussen die beiden Molekule im Raum orientiert werden, damitman ihre Zuordnung (D-Form oder L-Form) treffen kann? SchreibenSie die Formeln beider Verbindungen in der Fischer-Projektion auf!Welche der beiden moglichen Formen nach der R,S-Nomenklatur (R-oder S-) entspricht der D-Form?

b.) Man fugt jeweils drei weitere H–C–OH Einheiten hinzu, so dass zweiD-Glucose-Molekule in ihrer offenen Form entstehen. (Dabei muss dieStellung der OH-Gruppe an C-2 des ursprunglichen L-Glycerinaldehydskorrigiert werden!). Man beachte dabei, dass eine raumliche Orientie-rung des Molekuls, wie sie die Fischer-Projektion zur Festlegung derKonfiguration an den einzelnen C-Atomen vorschreibt, zu einer quasi-ringformigen Anordnung des Molekuls fuhrt. Aus den beiden identi-schen Molekulen bildet man einerseits α-D-Glucose, andererseits β-D-Glucose. Dabei muss das dreibindige sp2-C-Atom durch ein vierbindigessp3-C-Atom ersetzt werden, und anstelle kurzerer Verbindungsstuckemussen langere eingefugt werden. Zweckmaßigerweise zeichne man sichdie Formeln der ringformigen Formen vorher auf. Die beiden Isomerenliegen genau wie Cyclohexan in der Sesselform vor. Um welche Art vonStereoisomerie handelt es sich bei diesem Isomerenpaar? Sind die bei-den Formen energetisch gleichwertig oder nicht? Wenn nicht, welche istdie energiearmere (stabilere) Form und warum?

Man vergleiche die Formeln von D-Glucose und D-Galactose (offeneForm). An welchem C-Atom der Modelle mussten H und OH vertauschtwerden, um α-D-Glucose und β-D-Glucose in α-D- bzw. β-D-Galactosezu uberfuhren?

c.) Man forme das Modell der β-D-Glucose ebenfalls in α-D-Glucose um.Dann verbinde man die beiden α-D-Glucose-Molekule zum Disaccharid

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156 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Maltose! (Vorher Formel aufschreiben!) An welchen Positionen mus-sen die beiden Molekule miteinander verbunden werden? Welche OH-Gruppe wird bei der unter Wasserabspaltung ablaufenden Bildung derMaltose tatsachlich abgespalten und warum?

d.) Nachdem das Modell der Maltose wieder in zwei α-D-Glucosemolekulezerlegt worden ist, fugt man diese zum Disaccharid Trehalose zusam-men! An welchen Stellen mussen die beiden Molekule jetzt verbundenwerden (vorher Formel aufschreiben!)?

Maltose und Trehalose verhalten sich bei der Reduktionsprobe volligunterschiedlich, obwohl sie aus den gleichen Grundbausteinen bestehen.Erklaren Sie das!

Ende Versuch 4.7.1

Wahlpflichtblock 1

Von jedem Praktikanten sind vier der folgenden sechs Versuche durchzu-fuhren. Innerhalb einer Laborbox-Gruppe sind insgesamt alle Versuche desWahlpflichtblocks durchzufuhren.

4.7.2 Wahlpflichversuch: Reduktion von Fehlingscher Losung durchGlucose (Fehlingsche Probe) (1/6)

Stichworte: Reduzierende Zucker

Allgemeines: Die Fehlingprobe ist aufgrund der leicht zu beobachten-den Farbanderungen ein wichtiger Nachweis auf reduzierende Zucker. In derfolgenden chemischen Gleichung sind an Stelle der Kupfertartrat-Komplex-Ionen der Fehlingschen Losung nur die Kupfer(II)-Ionen angegeben. Die Glu-cose wird dabei zu Gluconsaure beziehungsweise zu Gluconat-Ionen oxidiert.

2 Cu2+ +O

HCH2OH-(CHOH)4 + 5 OH

-

Cu2O +O

OCH2OH-(CHOH)4 - + 3H2O

rot

blau

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 157

Chemikalien: 0.5 M Glucose-Losung, Fehlingsche Losung I und II, mitge-brachte Fruchte- und Gemuseproben

Durchfuhrung: In einem Reagenzglas werden 6 ml eines Gemisches vonFehlingscher Losung I und II mit 3 ml Glucoselosung im Wasserbad unterdauerndem Schutteln zum Sieden erhitzt (Vorsicht! Neigung zum Siedever-zug!).

Untersuchung von Fruchten und Gemuse auf Zucker: Untersu-chen Sie die selbst mitgebrachten Fruchte- und Gemuseproben auf reduzie-rende Zucker.

Aus einem Apfel, einem Stuck Karotte oder einigen Beeren ist ein Breiherzustellen. Zwei Spatelspitzen Brei werden nach Zugabe von etwa 5 mlWasser in einem Reagenzglas zum Sieden erhitzt. Anschließend ist ein Ge-misch aus 2 ml Fehlingscher Losung I und 2 ml Fehlingscher Losung II mit3 ml des wassrigen Obstauszuges zum Sieden zu erhitzen.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise und stellen Sie die Re-aktionsgleichung mit Oxidationszahlen auf. Beschreiben Sie ihre Beobachtun-gen. Erganzen Sie in der obigen Reaktionsgleichung die freien Elektronenpaa-re und geben Sie die Oxidationszahlen an. Warum kann Glucose reduzierendwirken?

Entsorgung: anorganische Schwermetallabfalle

Ende Versuch 4.7.2

4.7.3 Wahlpflichtversuch: Silberspiegel (Probe nach Tollens) (2/6)

Stichworte: reduzierende Zucker

Allgemeines: Eine weitere Nachweisreaktion ist die Probe nach Tollens.Hierbei werden Silberionen zu elementarem Silber reduziert, welches sich mitetwas Gluck und Geschick als

”Silberspiegel“ an der Glaswand des Reagenz-

glases niederschlagt.

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158 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Im Fall der Glucose lautet die Reaktionsgleichung:

2 [Ag(NH3)2]NO3 +O

HCH2OH-(CHOH)4

Glucose

+ H2O

2 Ag +O

OCH2OH-(CHOH)4 -

+ NH4+ + 2 NH4NO3 + NH3

Ammoniumgluconat

Chemikalien: 0.5 M Glucoselosung, ammoniakalische Silbernitratlosung

Durchfuhrung: Verwenden Sie fur diesen Versuch ein neues Reagenzglas.Es darf keine Spur von Verunreinigung oder Fett an der Glaswand haften.

Fullen Sie ca. 5 ml der ausstehenden Silbernitat-(AgNO3)-Losung in einneues Reagenzglas. Geben Sie ca. 5 ml der 0.5 M Glucoselosung hinzu underhitzen sie das Reagenzglas vorsichtig unter Drehen im ca. 90C heißen (kurzvor dem Sieden) Wasserbad, bis sich an der Wandung ein Silberspiegel ab-scheidet.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise und stellen Sie die Re-aktionsgleichung mit Oxidationszahlen und freien Elektronenpaaren auf. Be-schreiben Sie ihre Beobachtungen. Warum kann Glucose reduzierend wirken?Warum muss die Silbernitratlosung ammoniakalisch sein?

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.3

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 159

4.7.4 Wahlpflichtversuch: Reduzierende Wirkung von D-Glucosegegenuber Triphenyltetrazoliumchlorid (3/6)

Stichworte: organische Farbstoffe, konjugierte Systeme und Farbigkeit vonMolekulen

Allgemeines: Zum Nachweis von reduzierenden Zuckern lasst sich auchdie Oxidation mit Triphenyltetrazoliumchlorid verwenden.

N N

NN

+

Cl- N

N N

NH + HCl

rotfarblos

+ ? H+

+ ? e-

Chemikalien: Triphenyltetrazoliumchlorid, Glucose

Durchfuhrung: 1 ml Triphenyltetrazoliumchlorid-Losung wird im Rea-genzglas zum Sieden erhitzt (Wasserbad) und dann mit etwa dem gleichenVolumen Glucoselosung versetzt.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise und stellen Sie die Re-aktionsgleichung auf. Beschreiben Sie ihre Beobachtungen. Warum kann Glu-cose reduzierend wirken? Wieviel Elektronen werden ausgetauscht?

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle.

Ende Versuch 4.7.4

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160 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.7.5 Wahlpflichtversuch: Reaktion von Glucose mit Methylen-blaulosung (4/6)

Stichworte: organische Farbstoffe, konjugierte Systeme und Farbigkeit vonMolekulen

Allgemeines: Methylenblau wird durch basische Glucoselosung zu einerfarblosen Leukoverbindung reduziert, wobei Glucose zur Gluconsaure oxidiertwird. Die farblose Leukoverbindung des Methylenblaus lasst sich durch Luftwieder oxidieren.

S

N

(H3C)2N N(CH3)2+

Cl- + 2H

S

N

(H3C)2N N(CH3)2

H

+ HCl

Methylenblau Leukomethylenblau

Wegen der leichten Reduzierbarkeit dient Methylenblau als Wasserstoffak-zeptor fur biochemische Redoxprozesse. Methylenblau wird nicht nur in derTextilfarberei verwendet, sondern besitzt außerdem die Fahigkeit, die graueSubstanz im peripheren Nervensystem selektiv anzufarben (Ehrlich, 1885).Man bezeichnet dieses Verfahren als Vitalfarbung, da sie am lebenden Orga-nismus durchfuhrbar ist. Methylenblau zahlt somit zu den

”Vitalfarbstoffen“.

Chemikalien: Glucose, Methylenblaulosung, 3 M NaOH

Durchfuhrung: In einem Erlenmeyerkolben werden etwa 20 g Glucose in100 ml Wasser gelost und mit so viel Methylenblaulosung versetzt, bis dieLosung kraftig blau gefarbt ist. Dann sind 15 ml Natriumhydroxid-(NaOH)-Losung hinzuzufugen. Nun wird diese Losung auf einer Heizplatte auf 30–40Cerwarmt. Wenn die Farbe verschwunden ist, schutteln Sie den Erlenmeyer-kolben kraftig. Wiederholen Sie diese Prozedur mehrmals.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise und stellen Sie die Re-aktionsgleichung auf. Beschreiben Sie ihre Beobachtungen. Warum kann mandas Farbphanomen auch nach mehrmaligem Erhitzen beobachten?

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 161

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.5

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162 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.7.6 Wahlpflichtversuch: Reduktion von Kaliumpermanganat durchGlucose (5/6)

Stichworte: Glucose, reduzierende Zucker

Allgemeines: Das Oxidationsmittel Kaliumpermanganat KMnO4 wird durchGlucose zu braunem Mangan(IV)-oxidhydrat MnO(OH)2 reduziert.

O

HCH2OH-(CHOH)4

Glucose

+ + H2O

O

OCH2OH-(CHOH)4 - + ? MnO(OH)2 + H+

? MnO4-

?

?

Gluconat-Ionen

Chemikalien: 0.5 M Glucose-Losung, Kaliumpermanganat-Losung (6%)

Durchfuhrung: Etwa 5 ml Glucoselosung werden in einem Reagenzglasmit 3 Tropfen Kaliumpermanganat-(KMnO4)-Losung versetzt und geschut-telt.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise und stellen Sie die Re-aktionsgleichung mit Oxidationszahlen auf. Beschreiben Sie Ihre Beobachtun-gen. Warum kann Glucose reduzierend wirken? Erganzen Sie in der obigenReakionsgleichung die freien Elektronenpaare.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.6

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 163

4.7.7 Wahlpflichtversuch: Holzverzuckerung (6/6)

Stichworte: Glycosidische Bindungen

Allgemeines: Die Cellulose des Holzes wird durch starke Sauren bis zuniedermolekularen Kohlenhydraten hydrolytisch abgebaut. Diese lassen sichdann anhand der Fehlingschen Probe nachweisen.

O

OH

OH

CH2OH

OO

OH

OH

CH2OH

OO

n

Beispiel für glycosidische Bindungin Polysacchariden wie Cellulose

+ H+

+ H2O

??

Chemikalien: Feines Holzmehl, konz. HCl, Haines Reagenz (2 g CuSO4,15 g Glycerin, 150 g 5%ige KOH-Losung)

Durchfuhrung: Etwa 1 g feines Holzmehl wird mit 8 ml konzentrierterSalzsaure gut verrieben und etwa 15 min. im Abzug stehengelassen. Dann istdas Stoffgemisch in einem Becher mit 50 ml Wasser zu versetzen und zumSieden zu erhitzen. Nach 15 min. werden 3–4 ml Losung in ein Reagenzglasfiltriert. Das Filtrat ist mit Natriumhydroxidlosung bis zur basischen Reak-tion zu versetzen und mit 4 ml Haines Reagenz zum Sieden zu erhitzen.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise und beschreiben Sie ihreBeobachtungen. Versuchen Sie anhand einer Reaktionsgleichung die Hydro-lyse von Cellulose zu niedermolekularen Kohlenhydraten in saurem Mediumzu erklaren.

Entsorgung: Neutralisieren und organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.7

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164 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.7.8 Versuch: Prufung von Saccharose mit Fehlingscher Losung

Stichworte: nichtreduzierende Zucker, Saccharose

Allgemeines: Saccharose ist der Zucker schlechthin. Sie kommt in derZuckerrube und im Zuckerrohr in Anteilen bis 25% vor. Ihre technische Ge-winnung erfolgt hieraus in großem Maßstab. Saccharose ist ein β-D-Fructofuranosyl-α-D-glucopyranosid. Die anomeren Kohlenstoffatome der α-D-Glucopyranose(C-1) und der β-D-Fructofuranose (C-2) sind glycosidisch verbunden.

O

HO

OHOH

HOH2COH

O

OH

CH2OH

CH2OHOH

H1

2

Saccharose

Chemikalien: Saccharose (Rohrzucker), Fehlingsche Losung I und II

Durchfuhrung: In einem Reagenzglas werden 2 ml Fehlingsche LosungI mit 2 ml Fehlingscher Losung II gemischt. Dann sind in einem zweitenReagenzglas etwa 0.5 g Saccharose in etwa 2 ml Wasser zu losen, anschließendmit Fehlingscher Losung zu versetzen und unter dauerndem Schutteln imsiedenden Wasserbad zu erhitzen.

Machen Sie dieselbe Probe mit Haines Reagenz.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise und beschreiben Sie ihreBeobachtungen. Ist Saccharose ein reduzierender Zucker?

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.8

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 165

4.7.9 Versuch: Inversion von Saccharose

Stichworte: Invertzucker, optische Drehung

Allgemeines: Bei Einwirkung verdunnter Sauren wird Saccharose durchHydrolyse in Glucose und Fructose gespalten:

C12H22O11 + H2OH+

C6H12O6 + C6H12O6

Saccharose D(+)-Glucose D(-)-Fructose

O

HO

OHOH

HOH2COH

O

OH

CH2OH

CH2OHOH

H + H2OH+

O

OHOH

HOH2COH

OH

H + OHO

OH

CH2OHOH

OH

Saccharose

α-Glucopyranose β-Fructopyranose

Bemerkung: Die Saccharoselosung ist rechtsdrehend (optisch). Das entste-hende Stoffgemisch von D(+)-Glucose und D(-)-Fructose ist jedoch linksdre-hend, da die D(-)-Fructose starker nach links als D(+)-Glucose nach rechtsdreht. Der Vorgang der Hydrolyse wird wegen der Umkehrung der Drehungals Inversion und das entstehende Gemisch als Invertzucker bezeichnet.

Chemikalien: Saccharose (Rohrzucker), 1 M H2SO4, 3 M NaOH-Losung,Haines Reagens, Unitestpapier

Durchfuhrung: In einem 250 ml Becherglas werden 2 g Saccharose in20 ml Wasser gelost, mit 2 ml 1 M Schwefelsaure (H2SO4) versetzt und imWasserbad zum Sieden erhitzt. Nach 5 min. ist zum Stoffgemisch bis zur ba-sischen Reaktion Natriumhydroxid-(NaOH)-Losung zuzufugen. Dann werden10 ml Haines Reagenz zugegeben.

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166 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Aufgaben: Protokollieren Sie ihre Vorgehensweise, beschreiben Sie ihreBeobachtungen und formulieren Sie die Reaktionsgleichung. Warum gelingthier die Reduktion von Haines Reagenz? Erklaren sie mit Formeln die Um-wandlung des Funfringes aus der Saccharose in den Sechsring der β-Fructo-pyranose.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.9

4.7.10 Versuch: Nachweis von Vitamin C mit Tillmans Reagenz

Stichworte: Wasserstoffbrucken, Enole, Vitamine. Weiterfuhrend: Aufbauwichtiger Vitamine (A, B, C, E) und deren Funktion als Coenzyme.

Allgemeines: Mensch sowie Affe, Meerschweinchen und einige andere Tier-arten benotigen die L(+)-Ascorbinsaure (Vitamin C) als Vitamin, weil ihnenverschiedene Enzyme zur korpereigenen Synthese fehlen. Die Endiolgruppie-rung der Ascorbinsaure besitzt ein großes Redoxpotential, das fur den Ablaufphysiologischer Reduktions- und Oxidationsprozesse benotigt wird.

_

\

L-Ascorbinsäure(Vitamin C)

H-BrückenHOO

O

H

H OH

OH

O

H

Die biochemischen Wirkungen der Ascorbinsaure beruhen auf einer Be-teiligung am mikrosomalen Elektronentransport sowie an zahlreichen Hydro-xylierungsreaktionen.

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 167

Bei Vitamin C-Avitaminose (Skorbut) werden Symptome beobachtet, diedas mesemchymale Gewebe betreffen, z.B. Blutungen in der Muskulatur undSchmerzen in den Extremitaten. Die Resistenz gegen Infektionen lasst starknach. Der tagliche Vitamin C-Bedarf von ca. 50–100 mg kann durch denVerzehr pflanzlicher Lebensmittel, die zum Teil reich an Vitamin C sind, wiez. B. Hagebutten, schwarze Johannisbeeren, Citrusfruchte, Paprika gedecktwerden. Auch Kartoffeln sind mit einem Gehalt von 3–30 mg/100 g einewichtige Vitamin C-Quelle.

Ascorbinsaure ist im neutralen oder alkalischen Milieu, bei erhohter Tem-peratur und in Gegenwart von Schwermetallionen sehr oxidationsempfindlichdies kann zu Vitamin C-Verlusten beim Zubereiten der Speisen fuhren.

In der Lebensmitteltechnologie wird Ascorbinsaure in immer großeremUmfang als Antioxidationsmittel zur Stabilisierung von Lebensmitteln ein-gesetzt. Die Oxidation von Fetten und Olen kann z. B. durch Zusatz vonfettloslichem Ascorbylpalmitat verhindert werden.

In diesem Versuch wird L-Ascorbinsaure (AS) aus dem entsprechend vor-bereiteten Untersuchungsmaterial mit Oxalsaure-Losung extrahiert und an-schließend mit blauem 2,6-Dichlorphenolindophenol (DI) zur Dehydroascor-binsaure (DAS) umgesetzt.

O

OH

H

H OH

OH

OH

O + O

Cl

Cl

N O-

DIAS

OH

Cl

Cl

N

H

O- +

O

O

H

H OH

OH

O

O

DASDI-Leukoform

farblos

(blau)

Beispiele fur Untersuchungsmaterialien:

• frisches Obst und Gemuse

• Frucht- und Gemusesafte

• Konservenprodukte

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168 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

• Multivitaminpraparate, Bonbons

• Wurstwaren wie z. B. BiFi (hier wird Vit. C als Konservierungsmitteleingesetzt)

Chemikalien: Tillmanns-Reagenz bzw. DI-Losung (2,6-Dichlorphenolindo-phenol als Natriumsalz-Dihydrat C12H6Cl2NNaO2 × 2H2O, L(+)-Ascorbin-saure C6H8O6, Oxalsaure C2H2O4 × 2H2O, Oxalsaure-Losung (2%)

Durchfuhrung:

Probenaufarbeitung: Flussigkeiten wie Frucht- und Gemusesafte werden mitOxalsaure-Losung verdunnt und, wenn notig, filtriert. Feste Lebens-mittelproben wie Fruchte und Gemuse werden grob zerkleinert, un-ter Zusatz von Oxalsaure-Losung homogenisiert und filtriert. SonstigeVitamin-C-haltige, feste Lebensmittel werden in Oxalsaure-Losung ge-lost, zur Ausfallung von Proteinen mit etwas Trichloressigsaure versetztund filtriert.

Nachweis: Die moglichst klare und nicht zu farbige Probenlosung wird nunca. zwei Finger hoch in ein Reagenzglas gefullt und einige TropfenTillmans-Reagenz hinzugetropft. Die Entfarbung von Tillmanns-Reagenzzeigt die Anwesenheit von Vitamin-C an.

Tillmans-Reagenz ist bei Raumtemperatur und bei Sonnenlicht nicht sehrlange haltbar!

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen. Warum liegt Vitamin-C inder Enolform vor? Warum entfarbt sich das Tillmanns-Reagenz? (Antwortfreigestellt).

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.10

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 169

4.7.11 Versuch: Darstellung des Pentaacetylderivats eines Mono-saccharids

Stichworte: Acetylierung, Anhydride, Katalysatoren

Allgemeines: Monosaccharide lassen sich durch Derivatisierung identifi-zieren.

Bei der Acetylierung der Zucker mit Acetanhydrid setzt man saure oderbasische Katalysatoren, z. B. Zinkchlorid, konz. Schwefelsaure, wasserfreiesNatriumacetat oder Pyridin, zu. Die Hexosen gehen dabei in Pentaacetateund die Pentosen in Tetraacetate uber, z. B. entsteht aus Glucose die Pen-taacetylglucose. Diese Acetate reduzieren Fehlingsche Losung nicht, d. h., sieenthalten keine freie Aldehydgruppe, treten aber in α- und β-Form auf. Wel-ches Anomer vorwiegend auftritt, hangt entscheidend vom Katalysator ab,wie folgendes Beispiel zeigt:

OHO

OHOH

HOH2C

OAcAcOO

AcOOAc

AcOH2C

OAc

AcOO

AcOO

AcOH2C

H,OH

α,β-FormD-Glucose

β α

β-D-Glucopyranose-pentaacetat α-D-Glucopyranose-pentaacetat

O

OHOH

OHOH

H,OH

α,β-Form

D-Galactose(Ac)2O, NaOAc(Ac)2O, ZnCl2

Ac = CH3CO-

Ac

Chemikalien: Glucose, Galactose, Natriumacetat (wasserfrei), Essigsau-reanhydrid

Durchfuhrung: Lassen Sie sich vom Assistenten eine Zuckerprobe geben.Ihre Aufgabe ist es nun, herauszufinden, ob es sich um Glucose oder Galaktosehandelt.

Erhitzen Sie 4 g dieser Probe mit 2 g wasserfreiem Natriumacetat und20 g Essigsaureanhydrid in einem 100 ml Rundkolben mit aufgesetztem Ruck-flusskuhler (die Apparatur muss vor dem Gebrauch vom Assistenten begut-achtet werden) bis zur Losung und halten dann noch 10 Minuten bei leichtem

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170 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Sieden. Danach gießt man die Reaktionsmischung in 250 ml Eiswasser undruhrt das sich abscheidende Ol bis zur Verfestigung. Man lasst noch 10 Mi-nuten unter gelegentlichem Umruhren stehen, saugt die feste Masse mit demBuchnertrichter ab, wascht mit ca. 100 ml Wasser nach und kristallisiert ausEthanol um, indem man die Masse in einem 100 ml Rundkolben, der miteinem Ruckflusskuhler zu versehen ist, in moglichst wenig Ethanol heiß lost(Heizpilz) und danach die Losung in einem Eisbad abkuhlt. Der dabei ent-stehende Niederschlag wird mit dem Hirschtrichter abgesaugt und auf gleicheWeise wie zuvor nochmals kristallisiert. Eine kleine Probe der abgesaugtenund mit etwas Ethanol nachgewaschenen Substanz wird zwischen Filterpapiertrockengepresst, dann wird eine Schmelzpunktbestimmung durchgefuhrt. Jenach dem welcher Zucker ausgegeben wurde, ist entweder Pentaacetyl-β-D-Glucose (Schmp. 131–134C) oder Pentaacetyl-β-D-Galactose (Schmp. 142C)durch Veresterung der OH-Gruppen von Glucose oder Galactose entstanden.

Aufgaben: Protokollieren Sie ihr Vorgehen bei der Reaktion und formu-lieren Sie die Reaktionsgleichung. Dem Assistenten ist anzugeben, welcherZucker vorgelegen hat. Um welche Art von Isomeren handelt es sich bei denbeiden moglichen Produkten?

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.11

Wahlpflichtblock 2

Von jedem Praktikanten sind zwei der folgenden vier Versuche durchzufuhren.Innerhalb einer Laborbox-Gruppe sind insgesamt alle Versuche des Wahl-pflichtblocks durchzufuhren.

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 171

4.7.12 Wahlpflichtversuch: Herstellung von Starkekleister (1/4)

Boxweise; wird fur die nachfolgenden Versuche gebraucht!

Stichworte: viskose, kolloide Losungen

Allgemeines: Die Starke ist das Assimilationsprodukt der grunen Pflan-zenzellen. Unter Assimilation versteht man die Uberfuhrung des Kohlendi-oxids der Luft in Starke unter katalytischer Mithilfe des grunen Pflanzenfarb-stoffs Chlorophyll und gleichzeitiger Einwirkung des Sonnenlichts (Photosyn-these). Bei diesem z.T. noch ungeklarten Prozess gibt die Pflanze molekula-ren Sauerstoff ab. Hierdurch entstehen auf der Erde jahrlich etwa 100 Mil-liarden Tonnen Starke.

Die biochemisch erzeugte Starke lagert sich in Form von kleinen, weißenStarkekornern in den

”Chloroplasten“ ab. Ein direkter Transport der Star-

ke innerhalb der Pflanze ist nicht moglich, da die Pflanzenmembranen furKolloide undurchlassig sind. Die Pflanze hat aber die Fahigkeit, die durchAssimilation entstandene Starke enzymatisch uber Maltose zu Glucose abzu-bauen. Die Glucose kann in der Pflanze wandern und in bestimmten Depots,vor allem in den Wurzelknollen (Kartoffeln) und Samen (Getreidekornern),wieder zur

”Reservestarke“ aufgebaut werden.

Die Starkekorner bestehen aus Amylopektin (etwa 80%) und Amylose(etwa 20%), die sich in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaftenunterscheiden. Das Verhaltnis Amylopektin:Amylose ist abhangig von derPflanzenart; z. B. gibt es Maissorten, die uber 98% Amylopektin enthalten.

Amylose besteht sterisch aus einer spiralformigen Helix mit 6 D-Glu-coseeinheiten pro Windung. Ihre relative Molekulmasse schwankt zwischen17.000–225.000, das entspricht einer Sequenz von etwa 100–1400 Glucoseein-heiten innerhalb der Kette.

α

α

α

OH

O

OHOH

H

OH

O

OHOH

OH

OHO

OHOH

O

OH

O

nAmylose

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172 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

In kaltem Wasser ist Starke nicht loslich. Beim Erwarmen im Wasser setztbei etwa 50C eine starke Quellung ein. Schließlich bilden die Starkekornereinen durchscheinenden Starkekleister. Die Verkleisterungstemperatur ist furdie einzelnen Starkearten verschieden, sie liegt etwa zwischen 60C und 80C.Der Starkekleister ist eine kolloide Losung der Starke.

Chemikalien: Starke

Durchfuhrung: Etwa 5 g Starke (evt. etwas mehr) werden mit etwa 20 mlkaltem Wasser zu einem dunnen Brei angeruhrt, der anschließend unter stan-digem Umruhren in 100 ml siedendes Wasser zu gießen ist. Es entsteht eineviskose Losung, der Starkekleister.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen.

Entsorgung: Ausguss

Ende Versuch 4.7.12

4.7.13 Wahlpflichtversuch: Saurehydrolyse der Starke (2/4)

Stichworte: Haines Reagenz, Hydrolyse von Polysacchariden

Allgemeines: Starkekleister reagiert nicht mit Haines Reagenz, wahrendnach der Saureeinwirkung ein ziegelroter Niederschlag ausfallt. Beim Siedendes Starkekleisters mit einer verdunnten starken anorganischen Saure wirddie Starke hydrolytisch zu Glucose abgebaut.

Die entstandene Glucose reduziert in basischer Losung Haines Reagenzzu Kupfer(I)-oxid.

Chemikalien: Starkekleister, 3 M HCl, 3 M NaOH, Haines Reagens

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 173

Durchfuhrung: In einem Becherglas wird ein Gemisch von etwa 10 mlStarkekleister, 10 ml Wasser und 2 ml 3 M Salzsaure (HCl) etwa 10 min. zumSieden erhitzt. Nach dem Abkuhlen ist Natriumhydroxid-(NaOH)-Losung biszur basischen Reaktion (pH-Papier) zuzusetzen und 5 ml Haines Reagenz zu-zufugen. Dann werden 5 ml nicht behandelter Starkekleister mit 5 ml HainesReagenz zum Sieden erhitzt.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und stellen Sie die Reaktions-gleichungen auf.

Entsorgung: Nach dem Neutralisieren Abguss

Ende Versuch 4.7.13

4.7.14 Wahlpflichtversuch: Enzymatische Hydrolyse von Starke(3/4)

Stichworte: Iod-Starke-Komplex, Iod-Kaliumiodid-Losung, Enzyme, Ab-bau glycosidischer Bindungen

Allgemeines: Der Mundspeichel enthalt das Enzym Ptyalin, das Starkeuber Dextrin zu Maltose hydrolytisch abbaut. Die Abnahme der Viskositatdes Kleisters beruht auf der fortschreitenden hydrolytischen Spaltung derStarke.

OH

O

OH

HOH2C

H

OHO

OHOH

HOH2C

OOH

Maltose (α-Form)

Die in der Starke enthaltene Amylose ist aus α-1,4-glycosidisch verknupf-ten Glucosepyranosemolekulen aufgebaut. Amylosemolekule sind zu spiralfor-migen Ketten angeordnet. Der Starkenachweis mit Iod/Iodid beruht darauf,

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174 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

dass I5−-Ionen von der Helix der Amylosemolekule umhullt werden und so

eine blaue Einschlussverbindung bilden.

Chemikalien: Starkekleister, I2/KI-Losung, Haines Reagens

Durchfuhrung: In 8 kleinen Reagenzglasern werden je 10 ml Wasser mitje 1 Tropfen Iod-Kaliumiodidlosung geschuttelt. Die Iodlosungen durfen nurschwach gelbbraun gefarbt sein. Anschließend werden in einem großen Rea-genzglas etwa 10 ml Starkekleister mit reichlich Speichel vermischt und ineinen Becher gestellt, der 40C warmes Wasser enthalt. Die Temperatur sollkeinesfalls hoher sein. Sofort zu Beginn und dann jeweils nach 30 Sekundenwerden etwa 0.5 ml des starkehaltigen Gemisches in je ein Reagenzglas mitIodlosung getropft. Nachdem keine Farbreaktion mit der Iodlosung mehr zubeobachten ist, wird das restliche Stoffgemisch mit 4 ml Haines Reagenz zumSieden erhitzt.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ihre Beobachtung.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.7.14

4.7.15 Versuch: Untersuchung von Nahrungsmitteln auf Starke(4/4)

Stichworte: Starkegehalt von Nahrungsmitteln, Iod-Starke-Reaktion

Allgemeines: Starke kann man aus vielen Lebensmitteln durch Auskochengewinnen. Durch die Behandlung mit siedendem Wasser bildet sich aus derStarke Starkekleister, der nach Abkuhlung auf Zimmertemperatur mit Iod-losung die charakteristische blaue Farbung ergibt.

Chemikalien: Iod-Kaliumiodid-Losung, verschiedene Nahrungsmittel wie:Kartoffel, weiße Bohnen, Getreidekorner, Brot, Mehl, Haferflocken und Nu-deln

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4.7. ZUCKER/KOHLENHYDRATE (11.–12. WOCHE) 175

Durchfuhrung: Die Nahrungsmittel sind zunachst zu zerkleinern. Von ei-ner Kartoffel wird etwas abgeschabt, Getreidekorner sind in der Reibschalemit dem Pistill zu zerdrucken. Kleine Stoffmengen dieser Nahrungsmittelwerden in Reagenzglaser gegeben und mit je etwa 5 ml Wasser zum Siedenerhitzt und dann auf Zimmertemperatur abgekuhlt. Dann ist je ein TropfenIod-Kaliumiodid-Losung zuzusetzen. Farbt sich die Losung blau, so ist Starkenachgewiesen.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ihre Beobachtungen.

Entsorgung: Ausguss

Ende Versuch 4.7.15

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176 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.8 Aminosauren und Proteine (13.–14. Wo-

che)

Stichworte: Zwitterionen, isoelektrischer Punkt

Aminosauren sind Carbonsauren, die eine Aminogruppe im Molekul ent-halten. In der Natur sind α-Aminosauren am haufigsten, deren Aminogruppesich am Kohlenstoffatom C-2 α-standig zur Carboxylgruppe befindet.

_

O

OH

NH2

R O

OH

R

NH2

α αβ β

α-Aminosäure β-Aminosäure

_

Aminosauren sind die Bausteine hochmolekularer Naturstoffe, der Prote-ine (Molekulargewicht >10.000 g/mol). Obwohl es mehr als funfhundert un-terschiedliche, naturliche Aminosauren gibt, bestehen die Proteine aller Orga-nismen zum großten Teil aus nur zwanzig verschiedenen Aminosauren. Diesewerden auch als proteinogene Aminosauren bezeichnet. Acht dieser Amino-sauren, die essentiellen Aminosauren, muss der Mensch mit seiner Nahrungzu sich nehmen, da sie nicht von seinem Stoffwechsel synthetisiert werdenkonnen. In allen haufig vorkommenden Aminosauren besitzt das Stereozen-trum an C-2 die S-Konfiguration.

Die einfachste α-Aminosaure, Glycin, ist achiral. Durch ihre Carboxyl-und Aminogruppe sind Aminosauren zugleich sauer und basisch. Sie liegenals zwitterionische Ammoniumcarboxylate (Zwitter-Ion) vor. In wassriger Lo-sung bilden sich je nach pH-Wert unterschiedliche Saure-Base-Gleichgewichteunter Beteiligung der funktionellen Gruppen aus. Der Ladungszustand vonAminosauren wird durch den pH-Wert der Losung beeinflusst. Je nach pH-Wert liegen Aminosauren als Kation, Zwitterion oder Anion vor. Am Isoelek-trischen Punkt (IP) liegt die Aminosaure ganz uberwiegend als Zwitterionvor und ist nach aussen hin neutral.

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4.8. AMINOSAUREN UND PROTEINE (13.–14. WOCHE) 177

__|

O

O

NH2

R O

O

NH3

R O

OH

NH3

R

IPZwitter-IonIn basichem

MilieuIn sauremMilieu

+H+

-H+ -H+

+H+

+ +_

|- -

| |

Anion KationpKs2 pKs1

Der IP jeder Aminosaure liegt bei einem charakteristischen Wert (beineutralen Aminosauren in der Nahe des Neutralpunktes). Fur saure Amino-sauren liegt der IP bei niedrigerem, fur basische Aminosauren bei hoherempH-Wert.

Aminosauren konnen entsprechend ihrer funktionellen Gruppen wie Ami-ne oder wie Carbonsauren reagieren. Die Carboxylgruppe von α-Aminosaurenlasst sich auf dem ublichen Weg mit Alkoholen verestern. Uber die Ester sindauch Amide zuganglich.

Eine wichtige Farbnachweisreaktion fur Aminosauren ist die mit Ninhy-drin. Mit Ausnahme von Prolin und Hydroxyprolin reagieren alle naturlichenα-Aminosauren mit Ninhydrin unter Bildung eines intensiv violett gefarbtenAnions. Nur das Stickstoffatom der Aminosaure findet sich im Reaktionspro-dukt, das nach einem komplizierten Mechanismus entsteht.

_

_

O

O

OH

OH+ R

NH2

O

ON

O

O

O

O

+ RO

H-CO2

-3H2O

_

_

||-

| |-

Aminosauren konnen sich durch Bildung von Amidbindungen zwischeneiner α-Aminogruppe und einer Carboxylgruppe unter Wasseraustritt ver-binden. Auf diese Weise konnen sehr viele Aminosauren zu Proteinen poly-merisieren. Eine zwischen zwei Aminosauren geknupfte Amidbindung nenntman auch Peptidbindung (Lehrbucher: Mesomerie der Peptidbindung, teil-weiser Doppelbindungscharakter der C–N-Bindung, keine freie Drehbarkeit).Eine Verbindung aus zwei amidartig verknupften Aminosauren nennt manDipeptid.

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178 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

_

_R

NH3

N

O R'

O

OH

Peptidbindung

N-Terminus C-Terminus-

+| |

Man schreibt eine Peptidkette im allgemeinen so, dass die freie Ammo-niumgruppe links, die freie Carboxylatgruppe rechts steht. Die entsprechen-den Aminosauren nennt man je nachdem N-terminale beziehungsweise C-terminale Aminosaure.

Cystein

Thiole und Disulfide konnen durch Oxidation bzw. Reduktion ineinanderuberfuhrt werden. Auf diese Weise wird auch die Aminosaure Cystein in Cy-stin umgewandelt. Die reversible Bildung der Disulfidbrucke, die auch unterphysiologischen Bedingungen erfolgt, ist wichtig fur die Raumstrukturbildungvon Proteinen und findet unter anderem im Friseurhandwerk Anwendung(Dauerwellen).

__

_O SH

O

NH3

Ox.

Red.O S

O

S

NH2

O

ONH3

Cystein Cystin

_ __

-

++

+

--

4.8.1 Versuch: Titration von Glycin

Stichworte: amphoteres Verhalten, Pufferbereiche, pKs-Werte von Ami-nosauren, IP

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4.8. AMINOSAUREN UND PROTEINE (13.–14. WOCHE) 179

Allgemeines: Da Aminosauren formal eine saure Carboxyl-(-COOH)-Gruppeund eine basische Amin-(-NH2)-Gruppe besitzen, existieren fur jede Amino-saure auch mehrere pK-Werte.

_NH2

O

OH

Glycin

NH2

O

O

H3NO

OH

(liegt so nie vor!)

+_

-| |

Anion Kation

_

H3NO

O| |-

+

Zwitterion

Bemerkung: In der Realitat liegt eine Aminosaure nie in der oben gezeigtenWeise vor! Aminosauren liegen entweder als Kation (Ammoniumform), Anion(Carboxylatform) oder als Zwitterion vor!

Titriert man Aminosauren (z. B. Glycin) mit starken Sauren bzw. Basen,so zeigt sich das amphotere Verhalten der Aminosauren gegenuber Saurenund Basen. Im Sauren—Titration mit HCl—(hier fungiert die Aminosaurein ihrer Ammoniumform als Base) zeigt sich das gleiche Bild, wie bei einer Ti-tration einer schwachen Base mit einer starken Saure. Man erkennt einen Puf-ferbereich beim ersten pKs-Wert der Aminosaure. Am isoelektrischen Punkt(IP) liegt die Aminosaure als Zwitterion vor. Im Basischen—Titration mitNaOH—(hier fungiert die Aminosaure als Carboxylat-Anion als Saure) bietetsich das gleiche Bild wie bei einer Titration einer schwachen Saure mit einerstarken Base. Man erkennt auch hier beim zweiten pKs-Wert einen Puffer-bereich. Der pH-Sprung (Wendepunkt) am jeweiligen Aquivalenzpunkt derKurven ist sehr schwach ausgepragt (Pfeile).

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180 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

In der Praxis kann man daher Aminosauren mit Saure oder Base undden ublichen Indikatoren nicht titrieren. Ein Ausweg ist die Titration in Ge-genwart von Formaldehyd (wassrige Losung: Formalin), mit dem die Amino-gruppe zur Methylol- oder Methylenverbindung kondensiert:

H3N

R

H

O

O+

H

HO

HO N

H

R

OH

O

+

-

Aminosäure Formaldehyd CH2N

R

OH

O

- H2O

Methylol-Verbindung

Methylen-Verbindung

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4.8. AMINOSAUREN UND PROTEINE (13.–14. WOCHE) 181

Bei dieser”Aminosauretitration nach Sorensen“ ist die Basizitat des Stick-

stoffs durch die Stubstitution stark herabgesetzt und man titriert die Ver-bindung wie eine normale, undissoziierte Carbonsaure mit gut erkennbaremAquivalenzpunkt.

Chemikalien: kristallines Glycin, Phenolpthalein (1% in Ethanol), 0.5 MNaOH, Formalin (Formaldehyd in Wasser), Na2CO3

Durchfuhrung: Man lost im Erlenmeyerkolben 0.02 mol kristallines Gly-cin in 100 ml Wasser, versetzt mit 1 ml Phenolpthalein und beginnt, mit0.5 M Natriumhydroxid-(NaOH)-Losung zu titrieren. Vergleichen Sie das ver-brauchte Volumen NaOH-Losung bei Indikatorumschlag mit der theoretischbenotigten Menge. Nun gibt man 10 ml Formalin zu (das zur Neutralisationvon Ameisensaure als Verunreinigung zuvor mit festem Na2CO3 neutralisiertwurde), beobachtet den Indikator und titriert erneut bis zum Umschlag.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ergebnisse. Stellen Sie dieReaktionsgleichungen auf.

Ist der letzte Umschlag der richtige Aquivalenzpunkt? Welchen Effektbeobachten Sie bei Zugabe des Formaldehyds und welche Ursache hat er?

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.8.1

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182 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.8.2 Versuch: Isoelektrischer Punkt und Loslichkeit von Casein

Stichworte: Globuline, Strukturproteine

Allgemeines: Eine der—auch biochemisch—wichtigen Eigenschaften vonProteinen ist ihre Loslichkeit in Wasser. Bestimmend dafur sind Art undraumliche Verteilung der Aminosaure-Seitenreste R, deren hydrophober oderhydrophiler, saurer oder basischer Charakter. Aus Grunden der Hydrations-enthalpie und der Gesamtentropie (Molekul plus Losungsmittel) haben globu-lare Proteinmolekule normalerweise die hydrophoben Seitenreste im Innerenund die polaren nach aussen hin angeordnet:

CH3

CH3

OH

H3N+

OHO

OH

NH3

+

OH

O

niedriger pH,positiv geladen

CH3

CH3

OH

H3N+

OO

-

OH

NH3

+

O

O

-

Isoelektrischer PunktNettoladung = 0

CH3

CH3

OH

NH2

OO

OH

NH2

O

O

hoher pH,negativ geladen

-

-

Der Ionisierungszustand der sauren und basischen Reste wird vom pH-Wert der Losung bestimmt. Am Isoelektrischen Punkt (IP) des Proteins be-

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4.8. AMINOSAUREN UND PROTEINE (13.–14. WOCHE) 183

sitzt das Molekul die Nettoladung Null. Hier kann neben Solvation der Resteein anderer Effekt dominieren:

Da die Molekule sich nicht mehr—wie bei vom IP abweichenden pH-Werten, bei denen sie alle gleichsinnig geladen sind—voneinander abstoßen,neigen sie zur Aggregation unter intermolekularer Wechselwirkung zwischenpositiver und negativer Ladung. Am IP besitzen daher die meisten Proteineein Loslichkeitsminimum, sie fallen aus oder

”flocken aus“ (in der Regel in

amorpher, nicht kristalliner Form).Da in den IP eines Proteins die Ladungsbeitrage aller im Molekul vor-

handenen ionisierten Gruppen (mit unterschiedlichen pK-Werten) eingehen,ist er fur ein Protein im Gegensatz zu Aminosauren nicht zu berechnen, son-dern muss experimentell bestimmt werden. Kennt man ihn, so kann er zurIsolierung von Proteinen durch Ausfallen benutzt werden.

Chemikalien: Casein, 1 M NaAc

Durchfuhrung: Bereiten der Casein-Losung: 0.4 g Casein werden in 10 ml1 M Natriumacetatlosung unter schwachem Erwarmen gelost und mit Wasserauf 100 ml im Messkolben aufgefullt.

Zur Herstellung von Essigsaure-Acetatpuffer werden folgende Essigsaure-losungen in Reagenzglasern angesetzt:

Reagenzglas 1 2 3 4 5 6 7 8 90.1 M Essigsaure (ml) 0.1 0.3 0.6 1 2 4 6 10 15Wasser (ml) 8.9 8.7 8.4 8 7 5 3 - -Casein-Losung (ml) 1 1 1 1 1 1 1 1 1pH-WertTrubung

Trubung: 1=keine, 2=erkennbare, 3= starke, 4=sehr starke.Die abweichenden Volumina in Reagenzglas 8 und 9 seien vernachlassigt.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ergebnisse.Berechnen Sie den pH-Wert der Pufferlosungen und bestimmen Sie den

isoelektrischen Punkt durch Vergleich der Trubung in den einzelnen Puffern.Casein ist in reinem Wasser zunachst unloslich, bei schwach alkalischem

pH loslich. Welche Art von Seitenresten R erwarten Sie daher in großererZahl im Molekul?

Entsorgung: Abfalle neutralisieren, danach organische Losungsmittelab-falle

Ende Versuch 4.8.2

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184 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.8.3 Versuch: Gewinnung von Casein aus Milch (Eiweißgerin-nung durch Sauren)

Boxweise

Stichworte: Denaturierung von Proteinen (reversibel/irreversibel), Koagu-lation

Allgemeines: Casein ist zu etwa 3% in der Kuhmilch als Calciumsalz ent-halten und fallt am isoelektrischen Punkt (etwa pH = 4.7) durch Koagulationaus.

Chemikalien: Magermilch, konz. Essigsaure (Eisessig)

Durchfuhrung: Etwa 500 ml Magermilch sind mit 3–5 ml konz. Essig-saure anzusauern und mit dem Glasstab gut umzuruhren. Der entstehendeNiederschlag wird mit dem Buchnertrichter abfiltriert, grundlich mit Was-ser gewaschen. Zum Trocknen konnen die Produkte des ganzen Saales vomAssistenten gesammelt und in einem sog. Exikkator unter Vakuum getrock-net werden. Das gewonnene Casein kann in einem der folgenden Versucheverwendet werden.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und stellen Sie die Ausbeutean Casein aus 500 ml Milch durch Auswiegen der Trockenmasse fest. WievielCasein hatten Sie erhalten mussen, wenn die Milch 3% Casein enthalt?

Entsorgung: Ausguss

Ende Versuch 4.8.3

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4.8. AMINOSAUREN UND PROTEINE (13.–14. WOCHE) 185

4.8.4 Versuch: Aussalzen von Casein

Stichworte: Denaturierung von Proteinen (reversibel/irreversibel), Koagu-lation

Allgemeines: Die isoelektrische Ausfallung gelingt nicht uberall, oder siekann bei pH-Werten beiderseits pH 6–8 empfindliche Proteine denaturieren.Dagegen ist es fast immer moglich, Proteine durch Ammoniumsulfat

”auszu-

salzen“. In sehr hohen Konzentrationen (bei Sattigung 760 g (NH4)2SO4 proLiter Wasser; die Losung ist ca. 4 M) entziehen die Salzionen dem Proteindie Hydrathulle vollig, das Protein fallt aus.

Chemikalien: Casein, 0.1 M Na-Acetat, (NH4)2SO4

Durchfuhrung: 0.4 g Casein werden in 10 ml 0.1 M Na-Acetat unterschwachem Erwarmen gelost. Anschließend wird die Losung zentrifugiert.3 ml der uberstehenden, klaren Caseinlosung werden mit 7 ml einer gesattig-ten (NH4)2SO4-Losung versetzt. Die Losung trubt sich durch ausgefallenesCasein. Das gefallte Casein wird abzentrifugiert. Prufen Sie, ob sich der Nie-derschlag wieder in Wasser auflost.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ihre Beobachtungen. Istder Aussalzungsprozess reversibel? Warum ist er oft dem Ausfallen durchAnsauern vorzuziehen?

Entsorgung: Ausguss

Ende Versuch 4.8.4

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186 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.8.5 Versuch: Hippursaure

Stichworte: Peptidbindung, primar-, sekundar-, teriar-Struktur von Pro-teinen

Allgemeines: Soll in der Aminogruppe einer Aminosaure ein H-Atom durcheine Acylgruppe ersetzt werden, wie das z. B. zur Knupfung einer Peptidbin-dung notig ist, so tritt eine Reaktion nur ein, wenn:

• die Aminogruppe nicht protoniert ist (-NH2, nicht -NH3+) und

• ein reaktionsfahiges Saurederivat (z. B. Chlorid) verwendet wird.

O

OHBenzoesäure

O

ClBenzoylchlorid

O

NH

OH

O

Hippursäure

H3NO

O-

+Zwitter-Ion

NH2

O

O-

Glycin-Anion

(Würde Aminogruppenprotonieren)

(Kein N-Nucleophil)

-HCl

Hier wird Hippursaure (Benzoylglycin) als Modell fur die Knupfung einerPeptidbindung hergestellt.

Bemerkung: Im tierischen Organismus konnen nicht-physiologische aroma-tische Verbindungen wie Benzoesaure mit Aminosauren

”konjugiert“ d. h. ver-

bunden und dann ausgeschieden werden, so z. B. die erstmals beim Pferdbeobachtete Hippursaure.

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4.8. AMINOSAUREN UND PROTEINE (13.–14. WOCHE) 187

Chemikalien: Glycin, 2 M NaOH, Benzoylchlorid, Diethylether, 0.5 MNaOH, Phenolphthalein

Durchfuhrung:

a.) Herstellung von Hippursaure: Man lost in einem 100 ml Erlen-meyerkolben 2 g Glycin in 10 ml Wasser, setzt einige Tropfen 2 MNaOH zu und tropft unter Ruhren nach und nach 8 g Benzoylchloridzu. Die Losung muss durch zutropfen von NaOH dauernd alkalisch ge-halten werden (insgesamt etwa 30 ml 2 M NaOH) und wird am Schlusssolange geschuttelt, bis der Geruch nach Benzoylchlorid verschwundenist. Nach Ansaurern mit konzentrierter Salzsaure fallt ein Gemisch ausBenzoesaure und Hippursaure aus. Das Produkt lasst man 15 Minutenstehen und saugt es mit einer Nutsche ab. Es wird zwischen Filterpa-pier getrocknet und in 10 ml Ether (Scheidetrichter) zur Entfernungder Benzoesaure geschuttelt. Danach wird wieder abgesaugt. Die ro-te Hippursaure kristallisiert man aus heißem Wasser um. UberprufenSie die Reinheit ihres Produktes anhand des Schmelzpunktes (Schmp.187C).

b.) Titration von Hippursaure: Man lost 0.01 mol Hippursaure (C6H5–CONHCH2COOH) unter Erwarmen in Wasser und titriert mit 0.5 MNaOH gegen Phenolphthalein bis zum Umschlagspunkt.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ihre Beobachtungen. Stel-len Sie die Reaktionsgleichung auf.

a.) Warum fuhrt die Kombination R–COOH + +NH3–CH2–COOH nichtzur Reaktion?

b.) Vergleichen Sie den NaOH-Verbrauch mit der dem theoretischen Ver-brauch und der Titration des Glycins. Was konnen Sie aus diesemErgebnis uber die Basizitat des Stickstoffs in der N-Acylverbindungaussagen? Ist es fur die Eigenschaften von Peptiden notig, die -CO–NH-Peptidbindungen als basische Gruppe zu berucksichtigen?

Entsorgung: Restliches Benzoylchlorid vorsichtig mit Eiswasser hydroly-sieren. Organische Losungsmittelabfalle.

Ende Versuch 4.8.5

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188 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.8.6 Versuch: Einwirkung von Natriumhydroxidlosung auf Pro-teine

Stichworte: Spaltung der Peptidbindung

Allgemeines: Proteine (Eiweiße) sind gegenuber Basen sehr empfindlich.Sie werden in basischem, wie auch in stark saurem Milieu hydrolytisch ge-spalten. Dabei wird fur jede aufgeloste Peptidbindung ein H2O-Molekul ver-braucht. Die saure Hydrolyse wird oft zu analytischen Zwecken angewandt.Die alkalische Hydrolyse eignet sich dafur nicht, da viele Aminosauren sichdabei verandern.

Die menschliche und tierische Haut und einzelne Textilien sind vor Ein-wirkung von Losungen mit basischer Reaktion zu schutzen. Da Schafwolle ausEiweiß (Keratinen) besteht, darf sie nicht mit basisch reagierenden Wasch-mitteln gereinigt werden.

Chemikalien: 3 M NaOH-Losung, Schafwolle, Menschenhaar, Casein

Durchfuhrung: In Reagenzglasern werden kleine Proben z. B. Schafwolle,Menschenhaar und Casein mit je 5–7 ml 3 M Natriumhydroxid-(NaOH)-Losung unter dauerndem Schutteln im Wasserbad zum Sieden erhitzt.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ihre Beobachtungen.

Entsorgung: Mit Eisessig neutralisierte Losung kann in den Ausguss ge-geben werden.

Ende Versuch 4.8.6

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4.8. AMINOSAUREN UND PROTEINE (13.–14. WOCHE) 189

4.8.7 Versuch: Proteinbestimmung durch Biuretreaktion

Stichworte: Chelatkomplexe, Komplexbindungen

Allgemeines: Kupfer-Ionen geben in alkalischer Losung mit allen Substan-zen, die mindestens zwei Peptidbindungen enthalten, violett gefarbte Kom-plexe.

/

/

N NO

O R

N NO

R O

Cu2+K+,Na+

Die Reaktion ist nach der analogen Komplexbildung mit dem dimerenHarnstoff

”Biuret“ NH2–CO–NH–CO–NH2 benannt.

Chemikalien: Proteinlosung (auch Milch), 3 M NaOH-Losung, 0.5 M Kupfer(II)-sulfatlosung

Durchfuhrung: Etwa 3 ml Proteinlosung werden, in einem Reagenzglas,mit 3 ml Natriumhydroxid-(NaOH)-Losung und 3–4 Tropfen Kupfer(II)Sulfatlosungkraftig geschuttelt.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ihre Beobachtungen.

Entsorgung: organische Losungsmittelabfalle

Ende Versuch 4.8.7

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190 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

4.8.8 Analyse 5: Trennung und Identifizierung eines Aminosaure-gemisches

Stichworte: Dunnschichtchromatographie (DC), Chromatographie, Kapil-lareffekt, stationare und mobile Phase

Allgemeines:

Grundlage: Nernstscher Verteilungskoeffizient.

Chromatographische Verfahren beruhen alle auf dem gleichen Prinzip,namlich der unterschiedlichen Verteilung der zu trennenden Stoffe zwischeneiner stationaren und einer beweglichen (mobilen) Phase. Ein chromatogra-phisches System besteht daher aus zwei nicht miteinander mischbaren Pha-sen, von denen sich die eine an der anderen vorbeibewegt. Das Trennprinzipbesteht darin, dass unterschiedliche Stoffe mit der stationaren und der mo-bilen Phase unterschiedlich starke Wechselwirkungen eingehen.

Bei der Dunnschichtchromatographie (DC) wird die stationare Phase alsdunne Schicht auf einen geeigneten Trager, z. B. eine Glasplatte, Polyester-oder Aluminiumfolie, aufgebracht. Auf dieser Schicht wird das Substanzge-misch durch Elution mit einem Lauf- oder Fließmittel (in der DC haufig dieBezeichnung fur die mobile Phase) getrennt. Das Laufmittel transportiert dieeinzelnen Komponenten des Substanzgemisches je nach Loslichkeit und/oderAdsorptionsverhalten unterschiedlich weit. Die Laufstrecke der Substanz, an-gegeben als Rf -Wert (Retentions-Faktor), wird dann zu ihrer Identifizierungbenutzt. Der Rf -Wert ist das Verhaltnis des zuruckgelegten Weges der Sub-stanz und des Laufmittels (Losemittel).

Rf =Weg der Substanz

Weg des Laufmittels

Der Rf -Wert ist immer kleiner als 1 und ist fur jede Substanz untergleichen Bedingungen eine reproduzierbare, konstante Kenngroße.

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4.8. AMINOSAUREN UND PROTEINE (13.–14. WOCHE) 191

+ +

Substanz Vergleichs-Substanz

Weg derSubstanz

Weg desLaufmittels

Laufmittelfront

Chemikalien: Glycin, Isoleucin, Lysin, Fließmittel (n-Butanol/Eisessig/Was-ser 4:1:1)

Durchfuhrung: Befullen sie eine DC-Kammer (oder ein 250 ml Becher-glas, das mit einer Petrischale oder Aluminiumfolie abgedeckt werden kann)etwa 0.5–1 cm hoch mit Fließmittel, stellen Sie ein Filterpapier hinein undverschließen sie die Kammer. Das Filterpapier unterstutzt die schnelle Ein-stellung des Verdampfungsgleichgewichts in der DC-Kammer.

Auf einer DC-Karte wird 1.5–2 cm vom unteren Rand entfernt ganz vor-sichtig mit Bleistift eine Startlinie gezogen, auf der im gleichen Abstand 4Startpunkte markiert werden. Mit Hilfe der Kapillaren werden nun die Lo-sungen der drei bekannten, ausstehenden Aminosauren und die unbekannteAnalysenlosung auf die markierten Punkte aufgetragen. Dazu muss die Kapil-lare mit der Losung ruhig und senkrecht auf der DC-Karte aufgesetzt werden,die Losung darf nicht auf die DC-Karte aufgetropft werden. Die aufgetrage-nen Flecke sollten einen Durchmesser von nicht mehr als 2–3 mm haben.Danach wartet man, bis die Losung auf der Karte getrocknet ist.

Man stellt die DC-Karte in die Kammer und verschließt diese sofort wie-der. Dabei muss die DC-Karte etwa 0.5 cm in das Fließmittel eintauchen,auf keinen Fall aber durfen die aufgetragenen Flecken in das Fließmittel ein-tauchen. Durch die Wirkung der Kapillarkrafte steigt das Fließmittel aufder DC-Karte nach oben. Kurz bevor die Fließmittelfront das obere Endeder DC-Karte erreicht (ca. 1.5 Stunden), nimmt man die DC-Karte aus der

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192 KAPITEL 4. ORGANISCHE CHEMIE

Kammer, markiert die Fließmittelfront mit einem Bleistift und wartet, bisdas Fließmittel verdampft ist. Danach wird die DC-Karte mit Ninhydrinlo-sung bespruht und kurz (!) mit der Metallseite auf eine erhitzte Heizplattegelegt. An den Stellen, bis zu denen die Aminosauren gewandert sind, bildensich violette Flecken.

Aufgaben: Protokollieren Sie Ihr Vorgehen und Ihre Beobachtungen.Bestimmen Sie die Rf -Werte der 3 Aminosauren. Welche Aminosauren

haben in der Analysenlosung vorgelegen?

Entsorgung: Feststoffabfalle, organische Losungsmittel

Ende Versuch 4.8.8