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Büchereiperspektiven 04/11 2 Das Web 2.0 ist eine Chance für Bibliotheken: Social Media bieten vielfältige Möglichkeiten, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Damit sich der Auftritt im sozialen Netzwerk auch lohnt, sind stete Betreuung, eine Social-Media-Stra- tegie und regelmäßiges Monitoring erforderlich. Es hätte alles so schön und einfach werden können für Bibliothe- ken. Das Internet versprach nahtlose Kommunikation zwischen Menschen und Services, und wenn nicht eine Bibliothek, wer sonst hätte einen gewaltigen Reichtum an (Voll-)Text für diesen entstehenden Parallelkosmos anbieten können. Fakt ist aber: Mit dem Beginn des Internetzeitalters haben Bibliotheken die Markt- führerschaft in puncto „Informationsvermittlung“ an andere abgegeben, ganz abgesehen von der Frage, wer die Schlagzahl bei der Einführung neuer Informationstechnologien vorgibt. Schon die einfachsten Dienste wie das Yahoo-Web-Verzeichnis liefen Social Media: Das gelobte Land für Bibliotheken? Von Mark Buzinkay

Social Media: Das gelobte Land für Bibliotheken? · 2011-12-21 · Bücherei perspektiven 04/11 2 Das Web 2.0 ist eine Chance für Bibliotheken: Social Media bieten vielfältige

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Das Web 2.0 ist eine Chance für Bibliotheken: Social Media

bieten vielfältige Möglichkeiten, sich der Öffentlichkeit zu

präsentieren. Damit sich der Auftritt im sozialen Netzwerk

auch lohnt, sind stete Betreuung, eine Social-Media-Stra-

tegie und regelmäßiges Monitoring erforderlich.

EshätteallessoschönundeinfachwerdenkönnenfürBibliothe-

ken.Das InternetversprachnahtloseKommunikationzwischen

Menschen und Services, und wenn nicht eine Bibliothek, wer

sonsthätteeinengewaltigenReichtuman(Voll-)Textfürdiesen

entstehendenParallelkosmosanbietenkönnen.Faktistaber:Mit

demBeginndesInternetzeitaltershabenBibliothekendieMarkt-

führerschaft in puncto „Informationsvermittlung“ an andere

abgegeben,ganzabgesehenvonderFrage,werdieSchlagzahlbei

derEinführungneuer Informationstechnologienvorgibt.Schon

dieeinfachstenDienstewiedasYahoo-Web-Verzeichnis liefen

SocialMedia:DasgelobteLandfürBibliotheken?

VonMarkBuzinkay

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SoCIALMEDIAFüRBIBLIoTHEKEN

Bibliotheken den Rang ab, konnten sich über millionenfaches

PublikumerfreuenundganznebenbeiihreServicesundInhalte

ineinemTempoausbauen,welchesdiealtgedientenInstitutionen

inErstaunenversetzte.

DieKrisekommtmitdemInternet

DieAntwortderBibliotheksweltaufdieseneueHerausforderung

ließeineWeileaufsichwarten,wurdeundwirdimmernochin

diversenKreisendebattiertunddrücktesichamehestenineiner

defensivenHaltung aus: dieBibliothek als Informationsdienst-

leistermitQualität.Defensivdeshalb,weilmansichzwaraufeine

seiner Stärken, den wohlgeordneten Katalog inklusive fachge-

rechterBeratung,berief,aberdiesenichtauszubauenbereitwar.

Trotz dieser „Stärken“ verloren Bibliotheken weiter an Boden.

SuchmaschinenerschlossendasWeb,online-Buchhändlerliefer-

tenBuchrezensionen,WissenschaftlerInnenpubliziertendirektim

Web,NutzerInnenkommunizierteninForenundgabeneinander

gegenseitigHilfestellungbeiderSuchenachweiteremContent.

Bibliotheken spielten sich zunehmend ins Abseits, zumindest

dort, wo sie nicht über ein Monopol verfügten, welches ohne

online-Alternativeblieb(z.B.teurereZugängezuE-Journals).

DieAlarmglocken indenDirektionenbegannen zu läuten,die

digitale Herausforderung konnte nicht mehr ignoriert werden.

Manfingan,derEntwicklungderWeb-Dienstenachzulaufen,sie

zukopierenundfürsichzunutzen,umdenSchadensogering

wiemöglichzuhalten.JahrespäterundumvieleProjekteerfah-

renersiehtmanein,dassderZugderTechnologieführerschaft

endgültigabgefahrenist.GegendieRessourcen,dieGoogle&Co

inSachenKnow-how,Patenteundökonomischeüberlegenheit

angehäufthaben, isteinWettrennenaussichtslos.VieleBiblio-

thekenhabenkapituliertundgehenalsJunior-Partnerinstrate-

gischenAllianzenmitdiversenonline-Anbieternauf.Einschönes

BeispielistdasGoogle-Books-Projekt.

Web2.0alsstrategischeChance

Werhättegedacht,dassgeradedasWebinseinerzweitenGene-

rationanDienstleistungenjustjenenBodenaufbereitenwürde,

denmancheBereicheunsererGesellschaft(MenschenwieInsti-

tutionen)benötigten,umdenSprunginsWebzuschaffen.Als

hättedasWebdieHandausgestreckt,umu.a.Bibliothekenwie-

derinsBootzuholenundsiefürseineTechnikundPotenziale

zubegeistern.Provokativformuliert:Bibliothekenwurdenvon

KonkurrentenzupotenziellenNutzerndegradiert.Diesezweite

GenerationanDienstenhatteschlagendeArgumente:Siewaren

äußertkostengünstig,schnell,funktional,manbenötigtekei-

nerleitechnischesKnow-how,siebotenenormvielContentund

nochvielmehrNutzerInnen.Alles,waseinerBibliothekabging.

Web2.0-Diensteentwickeltensichnach2001sehrraschzuden

Treibernder technischenEntwicklung imWeb.RSSkamauf,

BlogswurdenMainstream.WikipediaundSocialBookmarking

etabliertensichbaldalsAbbilddesCommunity-Wissens.Fotos

wurdeninsWebgespieltundveröffentlicht,ebensoVideoclips

ineinerniedagewesenenMasse.DasStichwortvom„usergene-

ratedcontent“machtedieRunde,derNutzerwurdealsoauch

zumProduzentenvonInhalten.DieseimmenseAnzahlanBei-

trägeninCommunitysundsozialenNetzwerken,inMikroblogs

wieTwitteroderinonline-office-Anwendungenführteletztlich

zumBegriff„SocialMedia“.Erumfasstalles,wasderErstellung

undPublikationvondigitalenInhaltendient,dieinderCommu-

nityihrenUrsprunghaben.

DerSocial-Media-BoomerinnertaberauchaneineBlase.Social

Mediasindextremschnellgewachsen,jedernutztsieundsetzt

darauf und keiner weiß, was diese Konstruktion ökonomisch

zusammenhält. InderTat stehendieGeschäftsmodellemeist

aufäußerstdünnenBeinen,bedienensich fastausschließlich

beträchtlicher Summen Risikokapital und hoffen auf Einnah-

mendurchWerbungundVerkaufvonNutzerprofilen.Esistalso

fraglich, wie lange diese Dienste in ihrer derzeitigen Form

bestehenbleiben,wielangewirsiealsonutzenkönnen.Diese

Chance,dieBibliothekenmitdemAngebotdieserDiensteerhal-

ten haben, ist also ein temporäres „window of opportunity“,

ein Zeitfenster der Gelegenheit, welches irgendwann wieder

geschlossenseinwird.

DieVersprechungenvonSocialMedia

Social Media sind nicht nur eine äußerst nutzerfreundliche

SammlunganDiensten,diedieErstellunginteressanterInhalte

andieCommunityabgibt,sondernaucheinVersprechen.Die-

4 Landkarte der Online-Communities: So sieht die

schöne neue Web 2.0-Welt aus

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sesVersprechenistdereinfache,schnelleundkostengünstige

Zugang zu einer potenziell unlimitiert großen Community.

HierspielenmehrereFaktoreneineRolle:

1.dieTechnologie

2.dieVernetzung

3.dieoffeneCommunity

WasdieTechnologiebetrifft,sokönnenalle(Nutzer,Produ-

zenten) über einheitliche Standards, vielfältige Anwendun-

genundpersonalisierteDiensteäußersteffizientmiteinander

kommunizieren bzw. Informationen erstellen und abrufen.

Die Vernetzung weiter Teile der Bevölkerung ermöglicht

dendirektenZugangzueinemPublikum,deransonstennur

schwerbzw.unterhohenKostenaufgebautwerdenkann.Da

dieoffeneCommunitybereitsimWebbesteht,kanndiesefür

eigeneIntentionengenutztwerden,ohneaufwendigeAkqui-

sitions-undAufbauarbeitleistenzumüssen.

DieserMixistesletztlich,derUnternehmenundNon-Profits,

Behörden wie private Gruppen, aber auch jeden einzelnen

Nutzer und jede Nutzerin dazu bewegt, im Web Präsenz zu

zeigenunddieeigenenZieleunteranderemüberSocialMedia

erreichen zu wollen. Auch Bibliotheken nehmen sich dieser

Möglichkeitenan,versuchenausunterschiedlichstenMotiven

herausSocialMediazunutzen:eineigenerAuftritt inFace-

book,einYouTube-Kanal,abundzumaletwastweeten,ein

SchaufensterinLibraryThing,gareinePräsenzin„SecondLife“

undnocheineneigenenBlogobendrauf.DasHauptmotivaller

dieserBemühungenwarundist,Flaggezuzeigen,dortzusein,

woderNutzer ist,einenneuenNews-Kanalzueröffnenund

sichmodernzugeben.

SindSocialMediaalsodasgelobteLand,„thepromisedland“,

welchesBibliotheken leichter und einfacher wieder zu alter

Stellungverhelfenkann?

DasPotenzialvonSocialMediascheintriesig.VieleErfolgs-

geschichtenundprominenteFallbeispielebelegen,dassSocial

MediaerfolgreichineineUnternehmensstrategieeingebettet

werdenkönnen.MehrAufmerksamkeit,mehrKunden,mehr

Umsätzesindmöglich.VoneinemerfolgreichenEinsatzvon

SocialMediakannmandannsprechen,wenndieserdieUnter-

nehmensziele wirkungsvoll unterstützt. Je nach Institution

kannessichhierbeiumdieStärkungderKundenbeziehungen,

eine Verbesserung des Images oder um die Steigerung der

Besucherfrequenzhandeln.Gleichzeitigdarfmansichkeine

Wunder erwarten, vor allem dann nicht, wenn man glaubt,

mitdemEröffneneinesFacebook-KontosistdieGeschichte

gegessenunddieBibliothekaufdemWegzumErfolg.Mit-

nichten. Jegliches Social-Media-Engagement muss erst in

genügendemAusmaßdasZielpublikumerreichen,damitWir-

kungen generiert werden. Und das ist kein leichtes Unter-

fangen.

DieHerausforderung„SocialMedia“

UmdieVersprechungenvonSocialMediaeinzulösen,bedarf

es eines steten Aufwandes. Dieser Aufwand bezieht sich

hauptsächlich auf die menschliche Arbeitszeit. So ist, auch

beibescheidenemEinsatz,mitmehrerenStundenproWoche

zukalkulieren.Allesandereistnichtausreichend,umgenug

DynamikinseinSocial-Media-Projektzubringen.Vondiesem

ArbeitsumfangsindbesonderskleineundkleinsteBibliothe-

kenbetroffen,diekeingroßesTeamhabenundentsprechende

Aufgabendaherschlechtaufteilenkönnen.Aberauchgrößere

Institutionen tun sich oft schwer, entsprechend geschultes

undmotiviertesPersonalfürdieseAufgabezubestellen.Vor-

aussetzungistalsozunächst,genügendZeitressourcendurch

eineentsprechendeAnalysederArbeitsabläufefreizuspielen,

um Social-Media-Aktivitäten im geplanten Ausmaß, aber

ohnezusätzlichesArbeitspersonaldurchführenzukönnen.

IstdieseHürdeeinmalgeschafft,kannmaneinSocial-Media-

EngagementernsthaftinsAugefassen.DerErfolghängtvon

mehrerenFaktorenab:

>VorhandenseineinerSocial-Media-Strategie

>einemgewähltenMixausSocial-Media-Anwendungen

>einemandasZielpublikumangepasstenInhaltmitMehrwert

>einerordentlichenPortionEinsatzbereitschaft

>MonitoringvonSocial-Media-Indikatoren

Viele InstitutionenkonzentrierensichaufdieAuswahleines

Werkzeugs.DiesgeschiehtmeistauseinertechnischenPer-

spektiveheraus:WelchenDienstkannichbedienen?Vieleher

sollteder redaktionelle Inhalt imVordergrund stehen,denn

dieserContentistderMehrwert,denunsereNutzerInnenvon

unserwarten.

Einsatzbereitschaftmussobligatorischsein,aucheineSocial-

Media-Strategie.DieseentwickeltmanamehestenimGleich-

klangmitderübergeordnetenGesamtstrategiederBibliothek.

FehltdieseoderfühltmansichdieserAufgabealleinenicht

gewachsen, ist eine externe Beratung und Begleitung eine

diskutierwürdigeoption.Diese Punkte in allen Einzelheiten

SoCIALMEDIAFüRBIBLIoTHEKEN4Social LibraryB

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zubesprechenwürdeBücherfüllenundichmöchtemichhier

inallerKürzeaufdenletztenPunktbeschränken,dermeiner

Erfahrung nach in den allermeisten Fällen völlig übersehen

wird: die überwachung und die Steuerung von Aktivitäten

durchSocial-Media-Indikatoren.

LernenausdenDaten

„Social Media Monitoring“ besteht aus Messmethoden und

einemfestgelegtenSetanKennzahlen(sogenannten„Indika-

toren“),welcheüberdenZustandderBemühungeninSocial

Media berichten. Nur wenn wir über diese Information ver-

fügen, könnenwir unsere Social-Media-Bemühungen indie

richtigeBahnlenken.

Dieses Set soll nicht aus Indikatoren bestehen, die leicht

erfüllbar sind, sondern aus solchen, die Aussagen über die

Zielerreichung der Social-Media-Strategie tätigen können.

Alles andere ist Augenauswischerei. Wenn möglich, werden

unterschiedliche Dimensionen ausgeleuchtet: der Einsatz

(z.B.AnzahldereigenenArtikel),dieReichweite(z.B.Anzahl

derAbonnentinnenundAbonnenten,Fans,Follower),dieWir-

kung(z.B.LinksaufdeneigenenInhalt),dasEngagementder

eigenenCommunity(z.B.AnzahlvonKommentaren).Indika-

torensolltenauchdaraufhinausgewähltwerden,wie„einfach“

sie erfasst werden können. Daher wird meist automatische

Erfassungbevorzugt,diezumMesszeitpunktlediglichabge-

lesenwerdenmuss.AnsonstenmüsstedieErfassungderIndi-

katorenmanuellerfolgen.

ZuBeginnderSocial-Media-Arbeitstehennochkeinehisto-

rischen Indikatoren-Daten bereit, was die orientierung ein

wenig unsicher macht. Sammeln Sie zunächst drei Monate

langDaten,passenSiedannihreZielwerteaufdierestlichen

neunMonaterealistischanundbeginnenSie,dieWertesyste-

matischzuanalysieren.WelcheAktivitätenhabenzuwelchen

Ergebnissengeführt?VermerkenSiebesondereEreignissein

IhrenDatentabellen,umnichtnurDatenzusammeln,sondern

auchausihnenzulernen.

DieErhebungunddieAnalysederIndikatorensolltegenauso

selbstverständlichseinwiedieSchaffungvonSocial-Media-

Inhalten. Damit gehen Sie sicher, ob Ihre Mühe, in Social

MediapräsentzuseinundIhreindividuellenZielezuverfol-

gen,auchlohnt.

SocialMediabietenvieleMöglichkeiten,die sichabernicht

vonselbstentfalten.Stattdessenmüssensiefortdauerndkul-

tiviertwerden,umFrüchtezutragen.

4Mark Buzinkayistseit2006selbstständigalsUnternehmensberatertätigundbegleitet

UnternehmenwieBibliothekenbeiderEntwicklungvonStrategienundImplementierungvonWeb2.0-Anwen-dungeninbestehendeWebsitesundInformationssyste-me.Website:www.buzinkay.net

i

Factbox: Social MediaDiese Social-Media-Anwendungen werden derzeit

häufig von Bibliotheken genutzt:

Facebook

DasbeiunsamweitestenverbreitetesozialeNetzwerkistFace-

book.Inhaltekönnenmit„Freunden“geteiltundkommentiert

werden.Auf„FacebookPages“könnensichUnternehmenund

auchBibliothekenpräsentieren.

www.facebook.com

Twitter

DasMikroblogTwitterermöglichtNachrichtenzujeweilsmaxi-

mal140Zeichen,die„Tweets“genanntwerden.DieMeldun-

genkönnenvon„Followern“abonniertwerden.

http://twitter.com

WordPress

WordPressisteinefreieSoftwarezurVerwaltungderInhalteeiner

Website,insbesonderezuAufbauundPflegeeinesWeblogs.

http://wordpress.orgundhttp://wordpress.com

Flickr

Auf Flickr können NutzerInnen digitale Bilder und Videos mit

KommentarenundNotizenhochladenundzurVerfügungstellen.

www.flickr.com

YouTube

YouTubebietetdieMöglichkeit,Videoshochzuladen,anzusehen

undzubewertenundbildeteinegigantischeonline-Videothek.

www.youtube.com

Foursquare

FoursquareisteinstandortbezogenessozialesNetzwerk,das

vorallemmitSmartphonesgenutztwird.UserInnenkönnenan

Standorten„einchecken“.

http://foursquare.com

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