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Weiterbildung | 49 HANDELSZEITUNG | Nr. 35 | 30. August 2012 DENISE WEISFLOG H enkels Fall ist schon ein Klassiker. In einem Facebook-Wettbewerb wurden Nutzer dazu aufgerufen, Pril-Spülmittelflaschen zu gestalten. Die beste sollte als «Limited Edition» in den Verkauf gehen. Als Favorit der Teilnehmer machte eine dadaistische Version das Rennen – ein braunes Etikett mit dem Schriftzug «Schmeckt nach Hähnchen». Anstatt Humor zu beweisen und den Lieb- ling der User zu produzieren, stellte Hen- kel kurzerhand eine Jury zusammen, die einen weniger provokativen Entwurf zum Sieger erkor. Das Resultat war ein Sturm der Entrüstung via Social Media, der einen erheblichen Imageschaden für den deut- schen Konzern mit sich brachte. Für Manuel P. Nappo, Leiter der Fach- stelle Social Media an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), ist Henkel kein Einzelfall: «Wenn ein Unternehmen nicht bereit ist, zu hören, was der Kunde zu sagen hat, ist es nicht bereit für Social Media.» Sei dagegen der Wille vorhanden, mit den Stakeholders zu kommunizieren, mache ein Auftritt auf Facebook und Co. durchaus Sinn. «Nicht nur die Kom- munikationsabteilung und das Personal, sondern auch das Management, die Per- sonalabteilung und alle anderen Bereiche müssen den neuen Kanälen gegenüber offen sein. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist Social Media ein starkes Mittel, das den hoch gelobten Dialog zwischen Firmen und Kunden ermög- licht.» In der modernen Unternehmens- führung gehe die Interaktion beide Wege. «The deer has the gun now», sagt Nappo. Der Hirsch habe nun die Waffe. Ungefilterte Feedbacks «Zum ersten Mal gibt es direkte, un- gesteuerte Reaktionen zu Produkten und Auftritten.» Das sei früher nicht möglich gewesen. Zwar kenne man seit 50 Jahren Produktetests von Werbefirmen, doch seien dort die Feedbacks immer gefiltert, weil der Konsument wisse, dass er sich in einem Testumfeld befinde und beobach- tet werde. «Mit Social Media stehen wir heute am Anfang einer Entwicklung, die uns gesellschaftlich stark verändern wird», meint Nappo weiter. Laut einer aktuellen Studie der HWZ engagieren sich mittlerweile 91 Prozent der grössten Schweizer Unternehmen im sozialen Web. Dabei zeigen die Gross- betriebe gegenüber dem Vorjahr enorme Fortschritte in ihren Social-Media-Aktivi- täten. 68 Prozent der Befragten pflegen Facebook aktiv, 66 Prozent Youtube sowie 58 Prozent Twitter. Mehr als zwei Drittel der Firmen verfügen zudem über entspre- chende Personalressourcen für ihre Social- Media-Aktivitäten. Fast neun von zehn Unternehmen geben an, soziale Medien in erster Linie zum Image- und Reputationsaufbau zu nutzen. Hier gibt es gemäss Nappo kaum Fallstricke: «Kritisch wird es bloss, wenn ein Unternehmen die Konsequenz nicht mitbringt, seine Strukturen an die neuen Möglichkeiten anzupassen.» Dann ent- stehe eine Divergenz zwischen Erwar- tungshaltung und Nutzerrealität. Wenn dagegen authentisch, offen, transparent und mit gesundem Menschenverstand kommuniziert werde, könne man fast nur gewinnen. «Ist ein Produkt schlecht, leidet das Image so oder so. Auf Social Media hat eine Firma zumindest die Möglichkeit, auf Kritik zu reagieren.» Personalisiert antworten Wichtig sei es, so Manuel P. Nappo, stets personalisiert und ehrlich zu antwor- ten und vor allem nichts zu vertuschen. «Sogenannte Shitstorms, also eine Flut aufgebrachter Kommentare, gibt es meist, weil ein ungelöstes Problem besteht. Die Antworten sollten deshalb immer dialog- orientiert sein – im Stil von: ‹Gibt es sonst noch etwas?›», sagt der Leiter der Fach- stelle Social Media an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ). Bei Inhalten, die eine Firma selbst über Social-Media-Kanäle verbreite, gelte das Credo: «Was man nicht in der Tagesschau sehen möchte, gehört auch nicht ins sozi- ale Web.» Dass es irritieren könne, wenn beispielsweise ein Reisekonzern den Unfalltod eines Managers via Twitter kommuniziere oder ein Nachtklub auf Facebook Stellung zu einer Schiesserei nehme, sei verständlich, so Nappo. Er denke aber, dass diese Tools auch zur Verarbeitung dienen können. «Bei gewis- sen Vorkommnissen verschickt man keine Medienmitteilung. Dann werden Face- book oder Twitter zu Orten, an denen man der Welt davon erzählt.» Er finde es sehr authentisch, wenn sich ein Unternehmen via Social Media ebenfalls zu negativen Themen äussere. Interne Weiterbildung Auf die Frage, ob es Sinn mache, wenn eine Firma die Social-Media-Aktivitäten der Mitarbeitenden überwache, meint Nappo: «Wenn man jemandem nicht ver- traut, soll man ihn nicht einstellen.» In absehbarer Zeit würden Unternehmen aber klare Richtlinien zum Umgang mit dem sozialen Web entwickeln. Viele Dinge wie Sorgfaltspflicht oder Treu und Glaube seien zwar bereits in den Arbeitsverträgen rudimentär geregelt, eine betriebsinterne Personalschulung im Umgang mit den sozialen Medien sei hingegen jeder Firma dringend zu empfehlen. Den plötzlichen Erfolg der neuen Ka- näle führt Nappo unter anderem auf die Wirtschaftskrise zurück. MySpace sei bei- spielsweise schon 2003 lanciert worden, doch sei die Zeit dafür nicht reif gewesen. «Mit der Krise fielen plötzlich viele Sicher- heiten weg – die Menschen hatten das Bedürfnis, ihren Unmut mitzuteilen, und zwar ohne politischen Zweck.» Auch das verstärkte Reiseverhalten sowie der Wunsch, sich global zu vernetzen, hätten die Kommunikation via Facebook und Co. gefördert. Dass Social Media auch die Geschäftswelt erfassen würde, sei ein logischer Schritt, denn «heute wollen Konsumenten mitreden», sagt Nappo. Er hätte übrigens die Pril-Flasche mit dem Hähnchen-Etikett gekauft. Fiese Fallen Soziales Web Die neuen Kanäle können Unternehmen zu einem besseren Image verhelfen. Jedoch nur, wenn sie gewisse Regeln befolgen. KOMPETENZZENTRUM Social Media an der HWZ Fachstelle Die Hochschule für Wirt- schaft Zürich (HWZ) hat Anfang Jahr die erste Fachstelle für Social Media Management der Schweiz gegründet. Geleitet wird sie durch Manuel P. Nappo, schon bisher Stu- dienleiter des Zertifikatslehrgangs CAS (Certificate of Advanced Stu- dies) Social Media Management. Die neue Fachstelle realisiert massge- schneiderte Schulungen und Work- shops mit Unternehmen, Verbänden sowie Verwaltungen und beteiligt sich an Forschungsprojekten und Weiterbildungsveranstaltungen. Nachfrage Insgesamt 24 Absolven- ten der HWZ haben am 14. August 2012 im Zunfthaus zur Zimmerleuten in Zürich das CAS-Zertifikat in Social Media Management erhalten. Laut Studienleiter Nappo ist der nächste 21-tägige Lehrgang ab August 2012 bereits ausgebucht. «Das Thema ist und bleibt aktuell. Freie Studien- plätze gibt es erst ab Februar 2013 wieder», sagt er. Kostenpunkt rund 8500 Franken. ANZEIGE © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer Schweiz AG, - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung HANDELSZEITUNG-2012-08-30-tui- 666f4ad37e8700004b30d9da70392014

Social Media: Fiese Fallen

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Die neuen Kanäle können Unternehmen zu einem besseren Image verhelfen. Jedoch nur, wenn sie gewisse Regeln befolgen.

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Weiterbildung | 49handelszeitung | Nr. 35 | 30. August 2012

Denise Weisflog

Henkels Fall ist schon ein Klassiker. In einem Facebook-Wettbewerb wurden Nutzer dazu aufgerufen,

Pril-Spülmittelflaschen zu gestalten. Die beste sollte als «Limited Edition» in den Verkauf gehen. Als Favorit der Teilnehmer machte eine dadaistische Version das Rennen – ein braunes Etikett mit dem Schriftzug «Schmeckt nach Hähnchen». Anstatt Humor zu beweisen und den Lieb-ling der User zu produzieren, stellte Hen-kel kurzerhand eine Jury zusammen, die einen weniger provokativen Entwurf zum Sieger erkor. Das Resultat war ein Sturm der Entrüstung via Social Media, der einen erheblichen Imageschaden für den deut-schen Konzern mit sich brachte.

Für Manuel P. Nappo, Leiter der Fach-stelle Social Media an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), ist Henkel kein Einzelfall: «Wenn ein Unternehmen nicht bereit ist, zu hören, was der Kunde zu sagen hat, ist es nicht bereit für Social Media.» Sei dagegen der Wille vorhanden, mit den Stakeholders zu kommunizieren, mache ein Auftritt auf Facebook und Co. durchaus Sinn. «Nicht nur die Kom-mu nikationsabteilung und das Personal, sondern auch das Management, die Per-sonalabteilung und alle anderen Bereiche müssen den neuen Kanälen gegenüber offen sein. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist Social Media ein starkes Mittel, das den hoch gelobten Dialog zwischen Firmen und Kunden ermög-licht.» In der modernen Unternehmens-führung gehe die Interaktion beide Wege. «The deer has the gun now», sagt Nappo. Der Hirsch habe nun die Waffe.

Ungefilterte Feedbacks«Zum ersten Mal gibt es direkte, un-

gesteuerte Reaktionen zu Produkten und Auftritten.» Das sei früher nicht möglich gewesen. Zwar kenne man seit 50 Jahren Produktetests von Werbefirmen, doch seien dort die Feedbacks immer gefiltert, weil der Konsument wisse, dass er sich in einem Testumfeld befinde und beobach-tet werde. «Mit Social Media stehen wir heute am Anfang einer Entwicklung, die uns gesellschaftlich stark verändern wird», meint Nappo weiter.

Laut einer aktuellen Studie der HWZ engagieren sich mittlerweile 91 Prozent der grössten Schweizer Unternehmen im sozialen Web. Dabei zeigen die Gross-betriebe gegenüber dem Vorjahr enorme Fortschritte in ihren Social-Media-Aktivi-täten. 68 Prozent der Befragten pflegen Facebook aktiv, 66 Prozent Youtube sowie 58 Prozent Twitter. Mehr als zwei Drittel der Firmen verfügen zudem über entspre-chende Personalressourcen für ihre Social-Media-Aktivitäten.

Fast neun von zehn Unternehmen geben an, soziale Medien in erster Linie zum Image- und Reputationsaufbau zu

nutzen. Hier gibt es gemäss Nappo kaum Fallstricke: «Kritisch wird es bloss, wenn ein Unternehmen die Konsequenz nicht mitbringt, seine Strukturen an die neuen Möglichkeiten anzupassen.» Dann ent-stehe eine Divergenz zwischen Erwar-tungshaltung und Nutzerrealität. Wenn dagegen authentisch, offen, transparent und mit gesundem Menschenverstand kommuniziert werde, könne man fast nur gewinnen. «Ist ein Produkt schlecht, leidet das Image so oder so. Auf Social Media hat eine Firma zumindest die Möglichkeit, auf Kritik zu reagieren.»

Personalisiert antwortenWichtig sei es, so Manuel P. Nappo,

stets personalisiert und ehrlich zu antwor-ten und vor allem nichts zu vertuschen. «Sogenannte Shitstorms, also eine Flut

aufgebrachter Kommentare, gibt es meist, weil ein ungelöstes Problem besteht. Die Antworten sollten deshalb immer dialog-orientiert sein – im Stil von: ‹Gibt es sonst noch etwas?›», sagt der Leiter der Fach-stelle Social Media an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ).

Bei Inhalten, die eine Firma selbst über Social-Media-Kanäle verbreite, gelte das Credo: «Was man nicht in der Tagesschau sehen möchte, gehört auch nicht ins sozi-ale Web.» Dass es irritieren könne, wenn beispielsweise ein Reisekonzern den Unfalltod eines Managers via Twitter kommuniziere oder ein Nachtklub auf Facebook Stellung zu einer Schiesserei nehme, sei verständlich, so Nappo. Er denke aber, dass diese Tools auch zur Verarbeitung dienen können. «Bei gewis-sen Vorkommnissen verschickt man keine

Medienmitteilung. Dann werden Face-book oder Twitter zu Orten, an denen man der Welt davon erzählt.» Er finde es sehr authentisch, wenn sich ein Unternehmen via Social Media ebenfalls zu negativen Themen äussere.

Interne WeiterbildungAuf die Frage, ob es Sinn mache, wenn

eine Firma die Social-Media-Aktivitäten der Mitarbeitenden überwache, meint Nappo: «Wenn man jemandem nicht ver-traut, soll man ihn nicht einstellen.» In absehbarer Zeit würden Unternehmen aber klare Richtlinien zum Umgang mit dem sozialen Web entwickeln. Viele Dinge wie Sorgfaltspflicht oder Treu und Glaube seien zwar bereits in den Arbeitsverträgen rudimentär geregelt, eine betriebsinterne Personalschulung im Umgang mit den

sozialen Medien sei hingegen jeder Firma dringend zu empfehlen.

Den plötzlichen Erfolg der neuen Ka-näle führt Nappo unter anderem auf die Wirtschaftskrise zurück. MySpace sei bei-spielsweise schon 2003 lanciert worden, doch sei die Zeit dafür nicht reif gewesen. «Mit der Krise fielen plötzlich viele Sicher-heiten weg – die Menschen hatten das Bedürfnis, ihren Unmut mitzuteilen, und zwar ohne politischen Zweck.» Auch das verstärkte Reiseverhalten sowie der Wunsch, sich global zu vernetzen, hätten die Kommunikation via Facebook und Co. gefördert. Dass Social Media auch die Geschäftswelt erfassen würde, sei ein logischer Schritt, denn «heute wollen Konsumenten mitreden», sagt Nappo. Er hätte übrigens die Pril-Flasche mit dem Hähnchen-Etikett gekauft.

Fiese FallenSoziales Web Die neuen Kanäle können Unternehmen zu einem besseren image verhelfen. Jedoch nur, wenn sie gewisse Regeln befolgen.

Kompetenzzentrum

Social media an der HWzFachstelle Die Hochschule für Wirt-schaft Zürich (HWZ) hat Anfang Jahr die erste fachstelle für social Media Management der schweiz gegründet. geleitet wird sie durch Manuel P. nappo, schon bisher stu-dienleiter des Zertifikatslehrgangs CAs (Certificate of Advanced stu-dies) social Media Management. Die neue fachstelle realisiert massge-schneiderte schulungen und Work-shops mit Unternehmen, Verbänden sowie Verwaltungen und beteiligt sich an forschungsprojekten und Weiterbildungsveranstaltungen.

Nachfrage insgesamt 24 Absolven-ten der HWZ haben am 14. August 2012 im Zunfthaus zur Zimmerleuten in Zürich das CAs-Zertifikat in so cial Media Management erhalten. laut studienleiter nappo ist der nächste 21-tägige lehrgang ab August 2012 bereits ausgebucht. «Das Thema ist und bleibt aktuell. freie studien-plätze gibt es erst ab februar 2013 wieder», sagt er. Kostenpunkt rund 8500 franken.

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© Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer Schweiz AG, - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung HANDELSZEITUNG-2012-08-30-tui- 666f4ad37e8700004b30d9da70392014