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Das Magazin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks SAH Mai 2/2010 www.sah.ch Südafrika Gelbe Karte für Sepp Blatter An toss

Solidarität 2/2010

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Das Magazin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks SAH

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Das Magazin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks SAH • Mai 2/2010www.sah.ch

SüdafrikaGelbe Karte für

Sepp Blatter

An toss

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17.3.2010 Steiniger Weg zu «fairen» Produkten

(…) Der Staatsrat ist der Meinung, «dass der Staat

die Kriterien der nachhaltigen Entwicklung bei den

öffentlichen Beschaffungen systematischer beachten

muss». Dies antwortet die Regierung auf ein Postulat

der SP-Parlamentarier Xavier Ganioz und Andrea

Burgener aus Freiburg. (…)

Eine Arbeitsgruppe werde untersuchen, (…) wie

die Kriterien der nachhaltigen Entwicklung bei den

Beschaffungen systematisch berücksichtigt werden

könnten. Ausserdem werde sie die Ausarbeitung ei-

nes Leitfadens zuhanden der Stellen prüfen, die öf-

fentliche Ausschreibungen durchführen. (…)

19.2.2010

Fair Trade bei öffentlichen Beschaffungen

(…) Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH)

lancierte vor zwei Jahren eine Kampagne, die Fair-

Trade-Regeln auch bei öffentlichen Beschaffungen

zum Thema machte. (…) Ein Leitfaden für die zu-

ständigen Verwaltungsstellen informiert über Hand-

lungsspielräume, internationale arbeitsrechtliche

Standards und die Bedeutung von einschlägigen

Labels. Die Öffentlichkeitsarbeit und etwa hundert

politische Vorstösse in Gemeinden und Kantonen

(…) hatten offenbar einige Wirkung. Indirekt gerie-

ten Importeure seitens staatlicher Abnehmer unter

Druck, für ihre Steine Zertifikate vorzulegen.

3.2.2010 Alles, nur kein Ramsch

Atelier, Projektwerkstatt, Holzwerkstatt – und dazu

noch ein Laden. Stellensuchende Jugendliche stellen

im «boa» nicht nur allerhand Schönes und Prakti-

sches her, sondern können auch gleich ein Detail-

handelspraktikum absolvieren. (…)

Während die 25 Teilnehmenden im Bereich «Bil-

dung» allfällige schulische Lücken aufarbeiten, The-

men aus der Berufswelt vertieft angehen und sich

mit der Bewerbungstechnik auseinandersetzen, kön-

nen sie im Bereich «Arbeit» ihre handwerklichen und

kreativen Qualitäten ins Spiel bringen. (…)

Medienschau

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Fifa muss bei sportlichen Mega-Events ihre soziale

Verantwortung wahrnehmen. Bei der Fussball-WM

in Südafrika hat sie dies verpasst: ArbeiterInnen auf den

Stadien-Baustellen erhielten Hungerlöhne, Slumbe -

woh nerInnen wurden umgesiedelt ohne anständige

Kompen sation. Dies alles trotz erwarteter Gewinne von

zwei Milliarden Franken. Wir zeigen Sepp Blatter die

gelbe Karte und fordern: Die Fifa muss handeln!

Das SAH hat im Rahmen der Kampagne «Fair games –

Fair play» die südafrikanischen Baugewerkschaften

darin unterstützt, bei den Vorbereitungsarbeiten für die

WM Arbeitsrechte einzufordern. Die Kampagne zeigte

Wirkung: Die Löhne auf den Baustellen wurden ange-

hoben, blieben jedoch unter dem Existenzminimum.

Am 22. Mai übergeben die südafrikanischen Gewerkschaf-

ten in Johannesburg die Kampagne an ihre KollegInnen

aus Brasilien, wo die WM 2014 stattfinden wird. SAH-

Präsident Hans-Jürg Fehr wird die Übergabe begleiten. In

der Schweiz sammeln wir unterdessen Unterschriften

zuhanden der Fifa, damit sie bei künftigen WMs soziale

und arbeitsrechtliche Standards in ihre Verträge mit

den Ländern aufnimmt, welche die Spiele austragen.

Unter stützen Sie uns mit Ihrer Unterschrift!

Wir wissen um die Be deutung von menschenwürdiger

Arbeit in der Bekämpfung der Armut. Wir engagieren uns

im südlichen Afrika in weiteren Projekten: Eines zielt auf

die Verbesserung der Bedingungen für Land arbeiterInnen,

ein anderes nutzt das Radio, um über Arbeitsrechte zu

informieren. Mehr dazu auf www.sah.ch – dort finden sie

auch die Petition an die Fifa.

Ruth Daellenbach, Geschäftsleiterin SAH

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Herausgeber: Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, tel. 044 444 19 19, E-Mail: [email protected], www.sah.ch, Postkonto 80-188-1 Zürich

Redaktion: Katja Schurter (verantwortliche redaktorin), rosanna Clarelli, Christian Engeli, Hans Fröhlich, Alexandre Mariéthoz, Cyrill rogger

Layout: Atelier Binkert, www.atelierbinkert.ch

Übersetzungen: irene Bisang, Marianne Enckell, Ursula Gaillard, Milena Hrdina, Walter rosselli, Peter Schrembs

Korrektorat: Angelo Ciampi, Jeannine Horni, Marianne Enckell

Druck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 SchaffhausenErscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 50.–,organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr).Gedruckt auf umweltfreundlichem recycling-Papier.

Impressum

SCHWEIZWerkladen thun: Vielfältiges Angebotfür Erwerbslose 4

Das SAH Bern engagiert sich gegen die Missbrauchsdebatte in der Sozialhilfe 7 STANDPUNKTErhöhung der Entwicklungshilfe trotz Milliardenüberschüssen in Gefahr 9

PINGPONG 10

INTERNATIONALolivenöl als Existenzgrundlage für palästinensische Bäuerinnen 11

WM in Südafrika: Gewinne für die Fifa,Hungerlöhne und Vertreibung für die Armen 14

SPENDENMachen Sie mit beim WM-tippspiel für eine gerechtere Welt 17

EINBLICKMichèle Schupbach setzt sich dafür ein, dassMigrantinnen in der Schweiz ihren Platz finden 18

Umschlagbilder: Auf den Stadienbaustellen in Südafrika erhalten die Arbeiterin-nen Hungerlöhne. Fotos: Spinas | Gemperle (vorne), Emilio Pedrina (hinten)

INTERNATIONAL Mit der Umstellung auf Bio-Produktion hilft das SAH palästinensischen Bäuerinnen, ihre Existenzgrundlage zu sichern. S. 11–13

SCHWEIZ im Werkladen des SAH Bern bauen Erwerbslose innere Blockaden ab und entfalten ihre

Fähigkeiten, um im Arbeitsmarkt zu bestehen. S. 4–6

INTERNATIONAL Das SAH fordert die Fifa auf, sich aktiv gegen Ausbeutung und für die Einhaltung der Menschen-

rechte im rahmen der Fussball-WM einzusetzen. S. 14–15

STANDPUNKT obwohl die Schweiz sich verpflichtet hat, zur Halbierung der Armut beizutragen, droht sie nun bei der Erhöhung der Entwick-lungshilfe zu kneifen. S. 9

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Der Werkladen öffnet um neun Uhr. Wir

Besucherinnen werden freundlich be grüsst

und als erstes durch das Haus und seine

verschiedenen Angebote geführt: Der La-

den mit einer ganzen Reihe von Produk-

ten aus SAH- und anderen sozialen Pro-

jekten; das Buchantiquariat im ersten

Stock, wo zwei Mitarbeiter Bücher in Re-

gale räumen; das angrenzende Nähatelier,

wo die Morgensonne hereinscheint und

die Teilnehmenden bereits konzentriert

nähen, stricken und flicken.

«Ich schaue, dass der Laden attraktiv aussieht»

Elinor Karp* arbeitet seit zwei Monaten

mit einem 80-Prozent-Pensum im Werk-

laden. Sie ist für alles zuständig, was den

Verkauf betrifft: Bestellungen, Sortiment,

Administration und das Bedienen der

KundInnen. «Ich schaue dafür, dass der

Laden attraktiv aussieht, dazu gehört auch

die Gestaltung des Schaufensters», erklärt

sie. Das gefällt ihr, denn sie war schon im-

mer gerne kreativ. Auch den Umgang mit

Menschen ist sie gewohnt. Als Ungelernte

hat sie im jungen Alter mal hier, mal dort

gearbeitet, sei es in einer Bar oder als

Snowboardlehrerin. Doch Elinor Karp

spricht nicht gerne von früher. «Weil ich es

vermasselt habe», erklärt die 31-Jährige.

Als das Geld nicht mehr reichte, wand-

te sich Elinor Karp an den Sozialdienst.

Dort wurde ihr ein Einsatz im Werkladen

vermittelt: «Das Ziel ist, nach einem hal-

ben Jahr eine Stelle zu finden.» Sie würde

gerne eine Büroanlehre machen oder im

kreativen Bereich arbeiten. Eine Heraus-

forderung ist für sie, alles langsam anzu-

gehen. «Ich hatte schon stressigere Jobs»,

lacht sie. «Aber hier lerne ich, meine Arbeit

selbst einzuteilen.»

«Früher wäre Elinor nicht aus dem Ar-

beitsprozess rausgefallen», ist Simone

Guhl überzeugt. «Weil die Zahl der Stellen

für wenig qualifizierte Leute gesunken

ist, werden diese viel schneller aus der

Arbeitswelt herauskatapultiert als früher.

Häufig sind die TeilnehmerInnen auch

durch mangelndes Selbstwertgefühl blo-

ckiert. Dass sie ihre Fähigkeiten und Po-

tenziale entdecken und entfalten können,

ist unser wichtigstes Ziel.» Solche Blocka-

den abzubauen ist nicht immer einfach,

weshalb Simone Guhl die individuelle Be-

gleitung wichtig ist: «So kannst du die Leu-

te befähigen, im Arbeitsmarkt bestehen zu

können. Daran hängt mein Herzblut.»

Schweiz-Israel retourIm Buchantiquariat einen Stock höher

recherchiert David Simcha gerade im In-

ternet nach Büchern, die von KundInnen

verlangt wurden. Er arbeitet seit einem

knappen Jahr an drei Tagen in der Woche

hier, berät KundInnen, holt Bücher ab,

ordnet sie in die Regale ein und gestaltet

das zweite Schaufenster. Ihm gefällt es

hier, weil die MitarbeiterInnen im Werkla-

den ein gutes Team sind: «Es geht um die

Wiedereingliederung in die Gesellschaft,

um die gegenseitige Unterstützung. Das

ist das Positive, nicht die Arbeit alleine.»

Auch Simone Guhl ist dieser Aspekt wich-

tig: «Als Erfolg empfinde ich, wenn es ge-

lingt, eine gute Atmosphäre zu schaffen,

und wenn die Teilnehmenden als Team

funktionieren.»

David Simcha hat 16 Jahre in Israel als

Silberschmied gearbeitet. Ohne Lehre hat

er sich einiges an Berufserfahrung ange-

eignet. Doch in der Schweiz bringt ihm

dies wenig: «Alle wollen ein Diplom se-

hen», meint er resigniert. Darüber hinaus

gebe es hier nicht viele Ateliers, im Ge-

gensatz zu Israel, das einen grossen Markt

für religiöse Kultgegenstände aus Silber

kenne. David Simcha ist vor zwei Jahren

krank aus Israel zurückgekehrt. Zum

Glück war die Behandlung in der Schweiz

erfolgreich, und er hat sich gut erholt.

«Seither bin ich arbeitslos.» Zwar hat er

sich nach einer Ausbildung umgesehen,

doch seine Bewerbung für den Vorkurs an

der Schule für Gestaltung wurde abge-

wiesen. «Vielleicht lag es an meinen 47

Jahren», mutmasst er. Er kann sich vorstel-

len, in der Schweiz eine Stelle zu suchen

oder nach Israel zurückzukehren, «aber

ich müsste mich gut vorbereiten». Klar ist

für David Simcha jedoch, dass er nicht zu-

rück zum Theater will, wo er vor seinem

Israel-Aufenthalt fünf Jahre tätig war. «Das

macht mich schizophren. Ich bin auf der

Suche, wer ich als Mensch bin, nicht auf

der Suche nach einer Rolle», meint er. Da-

bei kommt ihm die Arbeit im Bücherladen

entgegen, gibt sie ihm doch neben einer

Tagesstruktur auch Impulse: «Ich kann

einfach ein Buch aus dem Gestell ziehen

und erfahre Neues.»

Es geht nicht allein umsArbeitenDer Werkladen Thun des SAH Bern bietet Erwerbslosen einen Arbeitseinsatz und Weiterbildung mit dem Ziel, zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Ein Besuch. Text: Katja Schurter, Fotos: Sabine Rock

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David Simcha, Elinor Karp und Susanne Burger (v. oben n. unten) eignen sich in den verschiedenen Bereichen des Werkladens Fähigkeiten an, um wieder eine Stelle finden zu können.

«Hier lerne ich, meine Arbeit selbst einzuteilen.»

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Werkladen Thun

Der Werkladen Thun, bestehend aus Laden, Buchantiquariat und Atelier, bietet 20 Erwerbslosen einen sechs-monatigen Arbeitseinsatz im Bereich Verkauf oder textiles Arbeiten. Die teil-nehmenden erhalten eine tagesstruk-tur und können sich beruflich wie per-sönlich weiterbilden. Das Ziel ist die integration in den ersten Arbeitsmarkt. Es finden regelmässig Veranstaltun-gen statt wie zum Beispiel lesungen für Kinder oder Büchertauschbörsen (siehe www.sah-be.ch).

Stricken und FlickenIm Nähatelier treffen wir auf Jian Sun*,

der Handschuhe strickt. Neben der Bear-

beitung zahlreicher externer Flickaufträge

werden hier Produkte für den Laden her-

gestellt. Weil Jian Sun kein Interesse am

Nähen hatte, schlug ihm Atelierleiterin

Barbara Wandfluh vor, stattdessen zu stri-

cken. Nun produziert er mit Hingabe

Handschuhe, die im Laden verkauft wer-

den.

Von den beiden SAH-Mitarbeiterinnen

ist Flexibilität gefordert, da sie auf zwei

Ebenen arbeiten: «Einerseits muss das Ge-

schäft mit den KundInnen funktionieren,

andererseits brauchen die Teilnehmenden

eine sinnvolle Beschäftigung. Wir müssen

vernetzt denken. Eine besondere Heraus-

forderung ist, die TeilnehmerInnen mit ih-

ren individuellen Schwierigkeiten auch

dann nicht zu überfordern, wenn alles

drunter und drüber geht. Es macht Spass,

aber manchmal schwirrt mir am Abend

der Kopf», lacht Simone Guhl.

Übungsfeld für die LehreAnders als Jian Sun, ist Susanne Burger*

vor drei Monaten explizit wegen des

Nähens ins Atelier gekommen. Sie möchte

an der Berufs-, Fach- und Fortbildungs-

schule Bern (BFF) eine Lehre als Damen-

schneiderin ma-

chen. Am Tag nach

unserem Besuch

geht die 26-Jährige

an die Aufnahme-

prüfung. Sie fühlt

sich dank der Ar-

beit im Nähatelier gut vorbereitet.

Als sie ein Kind bekam, hatte Susanne

Burger ihre Kochlehre abgebrochen, weil

sie die Arbeitszeiten nicht mehr einhalten

konnte. Seither hat sie im Service und an-

derswo gejobbt. Doch die allein erziehen-

de Mutter verdiente zu wenig, um davon

leben zu können: «Ich musste als Working

poor zum Sozialdienst.» Zuletzt hat sie in

einer Seilerei gearbeitet. An den Maschi-

nen war sie für das Einfädeln der Garne

zuständig, «eine ‹Nifeliarbeit›, wie ich sie

gerne mache», lacht Susanne Burger. Doch

dann bedrängte sie ihr Vorgesetzter. Als

sie seine Avancen abwehrte, erhielt sie die

Kündigung, und da sie erst elf Monate

dort gearbeitet hatte, blieb ihr der Gang

zum Arbeitsamt verwehrt. Susanne Burger

hat einen Prozess wegen ungerechtfertig-

ter Kündigung angestrengt, das Urteil

steht noch aus.

Inzwischen ist ihr Kind sechs Jahre alt

und wird während ihrer Arbeitszeiten von

einer Tagesmutter betreut. «Wenn ich die

Prüfung morgen bestehe, habe ich eine

Lehrstelle», freut sie sich. Sie ist über-

zeugt, dass sie im August mit der Lehre

beginnen kann. Bis dahin will sie weiter

im Werkladen arbeiten: «Ich kann noch

viel dazulernen, denn Barbara macht

mich auf Fehler aufmerksam und zeigt

mir, wie ich es besser machen kann.»

Simone Guhl, Leiterin des Werkladens, und Barbara Wandfluh, Mitarbeiterin im Nähatelier, unterstützen die Teilnehmenden auf dem Weg zurück ins Arbeitsleben.

* Namen geändert.

«Wenig Qualifizierte werden schneller aus dem Arbeits-markt herauskatapultiert.»

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Es wird festgestellt, dass Missbrauch

auf Seiten der Behörden nicht themati-

siert werde. Was ist damit gemeint?

Es gibt viele Leute, die Anspruch auf

Sozialhilfe haben, ohne diese zu beantra-

gen. Wenn Behörden die Hürden höher

halten, als sie per Gesetz sind, indem sie

Leute nicht über ihren Anspruch informie-

ren oder keine beschwerdefähigen Verfü-

gungen ausstellen, ist dies nicht okay.

Was sind die Folgen des Missbrauchs-

diskurses?

Der Generalverdacht, unter den die

laufende Debatte SozialhilfebezügerInnen

stellt, ruft emotionalen Druck und Schuld-

gefühle hervor. So kann es vorkommen,

dass sie aus Scham keine Sozialhilfe bean-

spruchen, obwohl sie in existenziellen Nö-

ten sind. Ebenfalls davon betroffen sind

dann häufig PartnerInnen und Kinder.

Gefährlich ist auch, wenn das Sozial-

amt nur als Zahlstelle gesehen und sein

Integrationsauftrag vernachlässigt wird.

Viele bemühen sich um eine Arbeitsstelle,

sind aber durch ihre Misserfolge demoti-

viert. Um sie wieder zu gewinnen, damit

sie mit Eigeninitiative ihre Situation zu

verbessern versuchen, braucht es Vertrau-

en zwischen Sozialarbeitenden und Klien-

tInnen. Der Diskurs belastet jedoch das

Vertrauen auf beiden Seiten.

Wie kommt es zu einer solchen

Missbrauchsdebatte?

Gerade in wirtschaftlich schlechten Zei-

ten wird auf einzelne Bevölkerungsgrup-

Anlass für euren

Bericht* war die

Berner Debatte

um Sozialhilfe-

missbrauch.

Worum ging es

dabei konkret?

Im Jahr 2007 gab es

zwei spektakuläre

Fälle von Sozialhil-

femissbrauch. Ein

Bericht des Fi nanz-

inspektorats dazu suggerierte eine Miss-

brauchsquote von 30 Prozent, was hohe

Wellen warf. Obwohl das Ergebnis einer

verzerrten Stichprobe und keineswegs

verallgemeinerbar, war die Zahl dann me-

dial gesetzt. Es war kaum mehr möglich,

das Thema sachlich zu behandeln.

Was sind die wichtigsten Resultate des

SAH-Berichts?

Eine Missbrauchsquote von 30 Prozent

ist völlig haltlos. Die SozialhilfebezügerIn-

nen werden vom Generalverdacht des

Missbrauchs befreit. Es gibt zwar Miss-

brauch, doch strafrechtlich relevant sind

weniger als zwei Prozent. Missbrauch im

weiteren Sinn – d.h. das zweckfremde Ver-

wenden der Mittel oder das Nichtanneh-

men einer zumutbaren Arbeit – beträgt

etwa drei Prozent und zieht keine Kosten

für den Staat nach sich, da die betreffende

Person das Geld zurückzahlen muss.

Die SozialarbeiterInnen erkennen Fälle

von Missbrauch durchaus und bringen sie

auch zur Anzeige.

pen, die Sozialleistungen von der Gesell-

schaft beziehen, medial eingeschlagen.

Soziale Probleme zu individualisieren, ist

eine generelle Tendenz. Dabei macht die

Sozialhilfe nur einen bescheidenen Anteil

des gesamten Sozialbudgets der Schweiz

aus: Von 132 Milliarden Sozialleistungen

im Jahr 2007 waren es lediglich 2,5 Milli-

arden. Gleichzeitig muss sie sich immer

mehr um Bereiche kümmern, die eigent-

lich anderweitig finanziert werden soll-

ten, wie z.B. die Langzeiterwerbslosigkeit.

Wofür setzt sich das SAH Bern ein?

Wir engagieren uns dafür, dass die Ge-

wichtung auf sozialpolitisch relevantere

Themen verschoben wird, wie Armut und

soziale Ausgrenzung. Um diese zu verhin-

dern, gibt es sinnvollere Instrumente als

Sozialhilfe, zum Beispiel Ergänzungsleis-

tungen für Familien oder die Anhebung

von Niedriglöhnen. Ausserdem sollte der

Sicht der Betroffenen mehr Aufmerksam-

keit geschenkt werden.

Was möchtet ihr mit eurem Bericht

erreichen?

Wir wollen im Kanton Bern eine Fach-

diskussion initiieren und organisieren dazu

auch Veranstaltungen mit Sozialdiensten.

Denn Sozialarbeitende sollen ihren Klien-

tInnen nicht mit Misstrauen begegnen

und sie unnötig sanktionieren. Wir möch-

ten, dass ihre Arbeit weiterhin auf einem

Vertrauensverhältnis aufbaut.

Der Missbrauchsverdacht ist eine Form von AusgrenzungDas SAH Bern bekämpft mit einem Bericht das Misstrauen gegenüber SozialhilfebezügerInnen. Ein Gespräch mit Beat Baumann, Co-Präsident des SAH Bern und Dozent an der Hochschule für Soziale Arbeit Luzern. Interview: Katja Schurter

BEAT BAuMANNCo-Präsident SAH Bern

* Der Bericht ist unter www.sah-be.ch zu finden.

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SAHltimbocca

Das SAH Zürich hat Anfang Mai ein neues Arbeitsintegrationsprogramm namens SAHltimbocca gestartet. Es bietet Arbeitsplätze in der Küche und im Hauswirtschaftsbereich für 20 er- werbslose Personen mit Sprachförde-rungsbedarf. In Kursen und mit Deutsch-unterricht während der Arbeit wird ein berufsorientiertes sprachliches Basis-wissen aufgebaut. Die Teilnehmenden werden mit Coaching dabei unterstützt, Strategien für die Stellensuche zu entwickeln und sich zunehmend autonom auf offene Stellen zu bewer-ben. In der ersten Phase wird das dazugehörige Restaurant noch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sein. In einer zweiten Phase ist ein öffentliches Mittagsangebot geplant. Möglich ist auch die Öffnung einzelner Abende für kulturelle Veranstaltungen. www.sah-zh.ch

Bildung hinter Gittern wird erweitert

Das SAH Zentralschweiz erhält den Auftrag, die Basisbildung im Strafvoll-zug schrittweise in allen Anstalten des Straf- und Massnahmenvollzugs zu verankern. Die Konferenz der Kan-tonalen Justiz- und PolizeidirektorInnen (KKJPD) hat entschieden, das bislang von der Drosos Stiftung finanzierte Projekt «Bildung im Strafvollzug (BiSt)» ab 2011 als feste Einrichtung mit öffentlichen Mitteln durchzuführen. Die bisher in acht Pilotanstalten durchgeführte Basisbildung kann somit auf 27 Anstalten ausgedehnt werden. Bis Ende 2015 wird ein Drittel der InsassInnen einen halben Tag pro Woche die Schulbank drücken. Schweizweit werden künftig 875 Inhaftierte in 155 Lerngruppen in Lesen, Schreiben, Rechnen, im Umgang mit Computern sowie in ihren sozialen Fähigkeiten gefördert. www.sah-zs.ch

Gelder zweckmässig eingesetzt

Im März hat der Bundesrat in seiner Antwort auf den Bericht der ständerät-lichen Geschäftsprüfungskommission zur Zusammenarbeit der Bundesverwal-tung mit Hilfswerken festgestellt, dass es keine Hinweise auf eine Zweckent-fremdung von Finanzmitteln gebe. Zusätzliche Kontrollen seien nicht nötig; es reiche, die bestehenden Mechanis-men zu verbessern und systematisch anzuwenden. Die GPK zeigte sich mit der Antwort zufrieden und wird in einem Jahr die Verbesserungen im Rahmen der üblichen Nachkontrolle überprüfen. Das SAH hat im Februar einen Bericht zu Rolle und Aufgaben von Schweizer Entwicklungs-NRO herausgegeben. Er kann bestellt werden unter: www.sah.ch

Neue Leitung des SAH Tessin

Per 1. Juli 2010 übernehmen Chiara Orelli Vassere und Alba Peirasso gemeinsam die Leitung des SAH Tessin. Sie ersetzen den scheidenden Fra Martino Dotta. Mit der Co-Leitung möchte das SAH Tessin einerseits der Komplexität der Realität im Kanton, auf der anderen Seite seinen vielen und unterschiedlichen Interventionsfeldern Rechnung tragen. www.sos-ti.ch

SAH Bern eröffnet neues Etcetera

Am 1. Februar 2010 hat das SAH Bern in Spiez ein neues Etcetera eröffnet und so deren Zahl auf sechs erweitert. Etceteras vermitteln Menschen, die Sozialhilfe beziehen, stundenweise Arbeitseinsätze, um einen Teil ihres Einkommens selbstän-dig zu sichern und ihre Abhängigkeit von der Sozialhilfe zu vermindern. So können sie ihre Arbeitsfähigkeit erhalten und je nachdem den Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit schaffen. Das neue Etcetera ergänzt die Beschäftigungsprogramme des SAH Bern in Spiez. Personen, die aus gesundheitlichen, zeitlichen oder sonsti-gen Gründen in kein Beschäftigungsprogramm vermittelt werden können, erhalten hier die Möglichkeit, einen Einsatz zu leisten. Weitere Etcetera-Standorte sind Bern, Interlaken, Langenthal, Langnau und Thun, wo das Etcetera seit April 2010 an der Oberen Hauptgasse 44 zu finden ist. www.sah-be.ch

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Armut hin, Hunger her, der Nationalrat ist

dem Druck des Bundesrates gewichen

und hat die Erhöhung der Entwicklungs-

zusammenarbeit auf 0,5 Prozent des Brut-

tonationaleinkommens auf unbestimmte

Zeit verschoben. Begründung: Erst einmal

müsse es der Schweiz finanziell besser ge-

hen.

Besser? Entgegen aller Warnrufe er-

wirtschaftete der Bund im Krisenjahr

2009 einen Überschuss von 2,7 Milliarden

Franken – 1,8 Milliarden mehr als budge-

tiert. Allein dieses ungeplante Plus würde

für das 0,5-Prozent-Ziel genügen, denn

nötig wären dafür rund 1,7 Milliarden

Franken. Aber da wäre noch mehr: Der

Ver kauf der UBS-Pflichtwandelanleihe

schwemmte weitere sieben Milliarden

Franken in die Bundeskasse. Seit Mona-

ten weisen die Wachstumsprognosen

nach oben und die Arbeitslosenzahlen

nach unten. Angesichts dieser Lage er-

blassten andere Länder vor Neid, brüsten

sich jene Bundesräte, Parlamentarierin-

nen und Medienschaffende, die stets

Gründe finden, weshalb mehr Hilfe nicht

opportun sei. Sie selber müssten erröten,

wenn sie auf die letzten zehn Jahre zu-

rückblicken.

Die Schweiz stagniert Im Jahr 2000 hat sich die Schweiz zu-

sammen mit den anderen Uno-Mitglied-

staaten verpflichtet, zur Halbierung von

Armut und Hunger beizutragen und die

Entwicklungshilfegelder zu erhöhen, die

damals bei 0,34 Prozent des Bruttonatio-

naleinkommens lagen. Seither hat sie von

Schuldenerlassen über friedensfördernde

Aktivitäten der Armee bis zu Kosten für

Asyl Suchende immer mehr Ausgaben der

Entwicklungshilfe zugerechnet. So kam

sie 2008 auf 0,42 Prozent. Ohne die er-

wähnten «Zugaben» wären es 0,34 Prozent

gewesen – gleich viel wie im Jahr 2000.

Das ist eine magere Bilanz für ein

Land, das zu den grossen GewinnerInnen

der Globalisierung gehört. Wer die Verlie-

rerInnen sind, zeigt sich seit 2007 in bru-

taler Deutlichkeit. Die Explosion der Nah-

rungsmittel- und Energiepreise schwächte

die ärmsten Länder massiv. Bevor sie sich

davon erholen konnten, traf sie die Wirt-

schaftskrise mit voller Wucht. Hunger, Ar-

mut und Krankheiten nehmen wieder zu,

Kinder verlassen die Schulen, um ihren

Familien im täglichen Kampf ums Überle-

ben beizustehen. Viele Erfolge auf dem

Weg zu den Millenniums-Entwicklungs-

zielen wurden und werden noch vernich-

tet. Und es bleiben nur noch fünf Jahre,

um sie zu erreichen.

Hilfe in Krise umso notwendigerDer Ball liegt nun beim Ständerat. Hält

er im Juni seinen Kurs, muss der Bundes-

rat die nötigen Grundlagen liefern, damit

das Parlament noch dieses Jahr über das

0,5-Prozent-Ziel entscheiden kann.

Die Schweiz kann sich mehr Entwick-

lungshilfe leisten. Trotz der Krise. Und

wegen der Krise. Sie ist besser als erwar-

tet davongekommen. Für die ärmsten Län-

der gilt das nicht. Es wäre äusserst schä-

big, sie mit zwei Zeilen von Erich Kästner

abzuwimmeln:

Einmal kommt auch Eure Zeit.

Morgen ist’s noch nicht so weit.

Wartet nicht auf bessere ZeitenObwohl die Schweiz zu den GewinnerInnen der Globalisierung gehört, wollen Bundes- und Nationalrat die Entwicklungshilfe nicht erhöhen. Der Ball liegt nun beim Ständerat.Text: Michèle Laubscher

MICHèLE LAuBSCHERAlliance Sud

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Rätsel

Das lösungswort des rätsels in Solidarität 1/10 lautete «Willkommen». Die Gewinnerinnen sind ausgelost: ray-monde und Philippe Gaume aus le noirmont haben eine tasche aus Segeltuch und Vreni Staub aus Dornach hat Kerzenständer gewonnen, alles Produkte aus dem Werkladen thun (siehe Artikel auf S. 4). Wir danken den Mitspielerinnen für ihre teilnahme und dem Werkladen für die gestifteten Preise.

Einsendeschluss für dieses rätsel ist der 21. Juni 2010. Die namen der Gewinnerinnen werden in der Solidarität 3/2010 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der rechtsweg ist ausgeschlos-sen. Von der teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende des SAH und der SAH-regionalvereine.

Schicken Sie das lösungswort ans SAH – mit dem beiliegenden vorfrankierten Antworttalon, einer Postkarte oder per E-Mail an: [email protected], Betreff «rätsel». Jede richtige lösung nimmt an der Verlosung teil.

Auswertung Barometer

Am Solidaritäts-Barometer der letzten nummer haben 65 Personen teilgenommen, 48 aus der Deutsch-schweiz und 17 aus der romandie. Wir möchten ihnen die Antworten nicht vorenthalten:

Sollen Sprachkurse für neu in die Schweiz eingereiste MigrantInnen obligatorisch sein?

Viele Befürworterinnen begründen ihr Ja damit, dass die Sprache der Schlüssel zur integration sei. Einige betonen, dass die Kurse finanziert werden müssten. Ein günstiger Preis ohne obligatorium führe jedoch leicht zu unregel mässiger teilnahme. Je- mand ist der Meinung, dass ein obligatorium vor allem für Frauen wichtig sei, denen der Mann sonst keine teilnahme an Kursen erlauben würde. Bei den zehn Personen, die sich dagegen aus sprechen, findet es die Mehrheit wichtig, ein leicht zugängliches, günstiges Angebot zu schaffen. Ein Argument gegen Zwang ist, dass nicht lerne, wer nicht interessiert sei.

Sollte etwas an der Schweizer Migrations-politik verändert werden?

Die Personen, welche etwas verändern möchten, würden die Migrationspolitik menschenwürdiger gestalten und nicht dauernd verschärfen. Sie fordern die regularisierung von Sans-papiers, die Schliessung des Ausschaffungsgefängnisses und mehr offenheit bei der humanitären Aufnahme. Einige betonen, dass die Einheimischen für das Gelingen einer integration mitverantwortlich seien: Die Schweizerinnen müssten offener sein und ein kommunales Stimmrecht für Ausländerinnen geschaffen werden. Andere würden die Hilfe in den Herkunftsländern verstärken, damit die leute nicht migrieren müssen. Drei Stimmen fordern die Ausschaffung von Straffälligen.

Spielregeln

Finden Sie die Antworten auf fol-

gende Fragen im Buchstabenfeld

und streichen Sie diese Buchstaben

durch. Die Antworten können vor-

wärts oder rückwärts, waagerecht,

senkrecht oder diagonal stehen.

Jeder Buchstabe kann zu mehre-

ren Antworten gehören. Die übrig

bleibenden Buchstaben ergeben das

lösungswort.

G S G o l E V r t

n t n F M l E E U

U E U Z U l D U G

t U D W A E n A t

U E l A B t E M A

E r i n l S P A A

B n B Z E K S i S

S i r i o n r E B

U E o G W o E M

A E D n E A t S W

lösungswort:

PreisEine Flasche palästinensisches Bio-olivenöl aus dem Projekt «Qua-lität plus» (siehe Artikel auf S.11).

1 Dagegen sollte sich die Fifa bei der Fussball-WM aktiv einsetzen. 2 Wer im Gefängnis

dazu Zugang hat, hat bessere Chancen auf einen neustart. 3 Das brauchen Bäuerinnen

in Moçambique im Moment. 4 So heisst ein Projekt des SAH Bern in thun. 5 Dadurch

erhalten Heimgekehrte in Sri lanka mehr Bewegungsfreiheit. 6 Das SAH unterstützt

palästinensische Bäuerinnen, auf diese Produktion umzustellen. 7 Dieser SAH-regional-

verein wehrt sich gegen die Missbrauchsdebatte. 8 Die korrekte Schreibweise von Hilfe.

9 Damit trägt Fussball schauen zu einer gerechteren Welt bei. 10 Diese behindert den

Zugang zu den olivenhainen im Westjordanland. 11 Das möchten Menschen finden, die

einen Kurs des SAH Wallis besuchen. 12 So viele Millionen Arme gibt es in Südafrika.

13 Dieser hat in Palästina tradition. 14 Vom Entscheid dieses rats hängt die Erhöhung

der Entwicklungshilfe ab.

Solidaritäts-Barometer

Sollte sich die Fifa aktiv gegen Ausbeutung bei der Fussball-WM einsetzen?

Ist es sinnvoll, sportliche Grossanlässe wie die Fussball-WM in Entwicklungs- und Schwellenländern durchzuführen?

Beantworten Sie die Fragen des Solidaritäts-Barometers auf dem beigelegten Antworttalon.

ja 57 %nein 7,5 %weiss nicht 20 %keine Antwort 15.5 %

ja 81,5 %nein 15,5 %weiss nicht 3 %

11

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Existenzgrundlage dank biologischem OlivenanbauOlivenöl ist eine der wenigen verbleibenden Einkommens- quellen der ländlichen palästinensischen Bevölkerung. Das SAH unterstützt die ProduzentInnen bei der Umstellung auf Bioproduktion. Text und Fotos: Cyrill Rogger

Amro Kharashah vor Olivenhainen und der Sperranlage, die das Westjordanland von Israel trennt.

Jaious liegt nahe der Stadt Qalqilia im

Westjordanland. Das Haus der Familie

Kharashah steht auf einer Anhöhe mit

Blick über die grüne Frühlingslandschaft

mit ihren unzähligen Olivenbäumen. Hier

pflanzte der Grossvater in den 1950er Jah-

ren die ersten Olivenbäume. Heute er-

wirtschaftet die Familie ihr Einkommen

mit rund 300 Bäumen, verteilt auf sechs

Hektaren Land. Während die Pflege der

Plantage Männersache ist, insbesondere

das Schneiden der Bäume und die Boden-

bearbeitung, helfen bei der Ernte zum

Jahresende alle Familienmitglieder mit.

«Das ist eine schöne Arbeit», meint Tochter

Batool Kharashah. Geerntet wird von

Hand. Das ist zwar arbeitsintensiv, dafür

aber schonend für die Früchte, was sich

durch den höheren Preis bei Tafeloliven

und Olivenöl auszahlt. «Die Menge und

die Qualität des Öls bestimmen massgeb-

lich unseren Lebensstandard», sagt Vater

Hasan Kharashah. Doch der Erlös aus

dem Verkauf des Öls reicht nach einer

schlechten Ernte nicht zum Leben. Die Fa-

milienmitglieder müssen sich mit Gele-

genheitsjobs über Wasser halten, die an-

gesichts der geringen Bewegungsfreiheit

der Menschen schwierig zu finden sind.

Mauer behindert den ZugangVor dem Haus zeigen die beiden Söhne

Mosa’ab und Amro Kharashah auf den

Olivenhain der Familie. Gerne hätten wir

uns die Bäume, die um diese Zeit zu blü-

hen beginnen, aus der Nähe angeschaut.

Doch diese befinden sich hinter der

Mauer, die das Westjordanland auf einer

Länge von 800 km vom israelischen Kern-

Auswertung Barometer

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gebiet trennt. Wie ein Flusslauf schlängelt

sich die von der israelischen Armee streng

bewachte Sperranlage durch die Land-

schaft und zerschneidet landwirtschaftli-

ches Anbaugebiet. Wie an vielen Orten,

hält sich die Grenzziehung bei Jaious

nicht an die Waffenstillstandslinie von

1949, sondern schneidet einen Teil des

Westjordanlandes ab. Dies bezeichnete

der internationale Gerichtshof in einem

von der UN-Vollversammlung in Auftrag

gegebenen, aber rechtlich nicht binden-

den Gutachten als illegal.

Die Mauer erschwert der Familie Kha-

rashah die Pflege ihres Olivenhaines un-

gemein. Zwar erhält sie jeweils eine Be-

willigung, um die Mauer zu passieren,

jedoch oft nur für ein paar Stunden und

nur für einzelne Familienmitglieder. Oft

werden die Zeiten kurzfristig geändert.

Die Kharashahs empfinden die Art und

Weise der Vergabe der Passierscheine als

systematische Willkür und Demütigung.

Mehrarbeit aber keine Mehrkosten Trotz der schwierigen politischen Be-

dingungen ist der ältere Sohn Mosa’ab

Kharashah zuversichtlich, dass die kom-

mende Ernte überdurchschnittlich gut

wird. Er verbringe viel Zeit im Olivenhain,

wenn es Schule und Passierschein zulies-

sen, und habe die zahlreichen neuen

Triebe und Blütenknospen gesehen. Saad

Dagher, Leiter der Arab Agronomists As-

sociation (AAA), welche die Olivenbäue-

rInnen in Jaious mit Weiterbildung und

Beratung unterstützt, bestätigt: «Es sieht in

der Tat gut aus, doch erst nach der Blüte

sind zuverlässige Schätzungen der Ernte-

menge möglich. Bis dahin sind die Bäume

besonders anfällig auf Schädlinge wie die

Olivenfliege oder Pilzkrankheiten.»

2008 hat die Kooperative Jaious, zu der

sich Familie Kharashah mit 15 anderen Oli-

venproduzentInnen zusammenge schlos sen

hat, auf biologischen Anbau umgestellt.

«Das bedeutet mehr Arbeit, aber Schädlinge

und Krankheiten lassen sich auch mit

umweltschonenden Methoden in Schach

halten», sagt Mosa’ab Kharashah. Er hat

Familie Kharashah, deren Olivenhain (o.) jenseits der Sperranlage liegt, beim Mittagessen (u.).

Ein Produzent der Kooperative Jaious (u.).

Das Projekt «Qualität plus»

«Qualität plus» ist ein gemeinsames Projekt der «Kampagne Olivenöl» (www.olivenoel-palaestina.ch) und des SAH. in enger Zusammenarbeit mit der Arab Agronomists Association (AAA) will es das Einkommen von 300 olivenproduzentinnen in Palästina mit kompetenter Beratung und Weiterbil-dung erhöhen. Die Zertifizierung für biologische und faire Produktion ga-rantiert einen höheren Marktpreis, und dank der Vermarktung des Öls durch die Kampagne in der Schweiz erhalten die Bauernfamilien eine Absatzgarantie. www.sah.ch

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zusammen mit seinem Vater im letzten

Jahr eine Weiterbildung der AAA zum

Thema biologische Schädlingsbekämpfung

besucht und erklärt, wie die leuchtenden

Farben der Klebefallen die Olivenfliege an-

ziehen, die ihnen dann im wahrsten Sinne

des Wortes auf den Leim kriecht.

Bessere Qualität und höhere Erträge

Hasan Kharashah sieht die Vorteile des

biologischen Anbaus vor allem im höhe-

ren Erlös. «Der Preis für biologisches Öl

ist in der besten Qualitätsklasse rund 20

Prozent höher, während die Kosten für

die Pflege der Plantagen mit Ausnahme

des höheren Zeitaufwands nicht gestie-

gen sind. Seit der Unterstützung des AAA

im Rahmen des Projekts ‹Qualität Plus› hat

sich vieles verbessert», meint er weiter.

«Durch den engeren Kontakt unter den

Produzenten können anstehende Proble-

me schneller gelöst werden, und die Bera-

tung durch AAA schlägt sich in höheren

Erträgen nieder. Der Säuregehalt im Öl –

das wichtigste Qualitätskriterium – ist

dank der schonenden Erntemethode und

der verkürzten Lagerdauer zwischen Ern-

te und Presse gesunken. Besonders wich-

tig sind für uns die vorteilhaften Abnah-

meverträge mit der Handelsfirma, die

unser Öl in die Schweiz exportiert.»

Tradition des ÖlbaumsDie Ertragsschwankungen stellen je-

doch nach wie vor ein grosses Problem

dar. «Mit verbessertem Baumschnitt und

einem pfluglosen Verfahren, welches das

Wasser im Boden vor Verdunstung schüt-

zen soll, hoffen wir die Erträge ausglei-

chen und die Einkommenssicherheit der

Bauernfamilien verbessern zu können»,

meint Saad Dagher. Entsprechende Versu-

che sind dieses Jahr geplant.

Pläne hat auch Mosa’ab Kharashah. Er

will nächstes Jahr die Ausbildung als

Röntgenassistent beginnen. Er hofft, dass

er auch dann noch genügend Zeit für die

Arbeit im Olivenhain findet, denn er

möchte die lange Tradition des Ölbaums

in Palästina weiterführen. Es ist zu hoffen,

dass sich dafür nicht nur die agronomi-

schen, sondern auch die politischen Rah-

menbedingungen verbessern.

Umfassende Einschränkungen lähmen Ökonomie

Laut dem Bericht der ILO zur Lage in den besetzten Gebieten von 2009 haben sich die Einkommen der PalästinenserInnen im Westjordanland weiter verringert, und die Beschäftigungsaussichten bleiben düster. Der Bau der Mauer und die fortge-setzte Expansion der israelischen Siedlungen schaden den Palästinenserinnen öko-nomisch: Es schliesst sie vom Zugang zu land, Wasser und anderen ressourcen aus, verhindert den Bau von Häusern und ökonomischer infrastruktur und schränkt die Be-wegungsfreiheit von Menschen und Gütern ein. Über die Hälfte der 15- bis 29-Jährigen besuchen weder eine Schule noch haben sie eine Arbeitsstelle. Die palästinensische Ökonomie und der Arbeitsmarkt funktionieren unter der Besetzung nicht, das Bruttoinlandprodukt ist seit 1999 um 28 Prozent gesun-ken. Die hohe Arbeitslosigkeit und geringe Produktivität der Beschäftigung gehen mit grosser Armut einher. Als Schlüssel für Veränderungen erwähnt der ilo-Bericht die Aufhebung der Einschrän-kungen der Bewegungsfreiheit, die innerpalästinensische Versöhnung und Verbesse-rung der palästinensischen Verwaltung sowie eine Erhöhung des Beschäftigungsanteils internationaler Unterstützung. (Quelle: www.ilo.org)

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Aid is tax

«The correct spelling oft he word

aid is tax» – die korrekte Schreibweise von

Hilfe ist Steuern. Das Zitat von Jeffrey

Owens, dem Leiter des Zentrums für

Steuerpolitik der OECD, bringt eine

Diskussion auf den Punkt, die sich in der

Entwicklungspolitik immer mehr aufdrängt.

Sie knüpft an die Tatsache an, dass via

Steuerflucht mehr Geld aus den Ländern

des Südens in die Banken des Nordens

abfliesst, als umgekehrt von den Staaten

des Nordens für Entwicklungszusammen-

arbeit ausgegeben wird. Daraus folgt: Es

braucht eine entwicklungspolitisch

motivierte internationale Steuerpolitik mit

dem Ziel, diesen Mittelabfluss zu unterbin-

den.

Das ist leichter gesagt als getan, denn eine

Allianz von Nordbanken und Südober-

schichten versucht genau dies zu verhin-

dern. Die Nordbanken kassieren üppige

Provisionen für die Verwaltung der

milliardenschweren Fluchtgelder, die

herrschenden Südoberschichten hinterzie-

hen in grossem Stil Steuern und betrügen

ihre eigenen Völker.

Die politische Aufgabe besteht darin, diese

Allianz zu sprengen. An Ideen, wie das

gemacht werden könnte, fehlt es nicht. Ein

Abkommen über Zinsbesteuerung, wie es

zwischen der Eu und der Schweiz existiert,

könnte bilateral oder multilateral zwischen

Ländern des Südens und des Nordens

ausgehandelt werden. Ergänzt werden

müsste es durch ein griffiges Amtshilfever-

fahren, das der Steuerflucht einen Riegel

schiebt. Da die Südoberschichten dies

nicht verlangen werden, ist es Aufgabe der

Nordstaaten, in die Offensive zu gehen.

HANS-JüRG FEHRSAH-Präsident und SP-Nationalrat

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Südafrika ist ein Land, durch das auch 20

Jahre nach dem Ende der Apartheid eine

tiefe Kluft geht. Zwar ist die Apartheid ab-

geschafft, sie wurde aber durch eine wirt-

schaftliche Spaltung des Landes ersetzt.

Trotz rasantem Wirtschaftswachstum wur-

den seit 1994 über eine Million Jobs ver-

nichtet, immer mehr Menschen arbeiten

informell, also ohne Arbeitsvertrag und

ohne Arbeitsrechte. 40 Prozent der Bevöl-

kerung müssen heute mit weniger als

zwei Dollar pro Tag auskommen. Die Le-

benserwartung ist von 62 Jahren im Jahr

1990 auf heute unter 51 Jahre gesunken.

Ist die WM eine Chance?Die Erwartungen an die Fussball-WM

waren deshalb gross: Sie sollte Hundert-

tausende von Jobs bringen und Südafrika

einen Entwicklungsschub verleihen. Die

südafrikanische Regierung investierte in

die Infrastrukturbauten für die WM –

Fussballstadien, Zugverbindungen etc. –

über 4,5 Milliarden Franken.

Heute zeigt sich aber: Profitiert haben

vor allem internationale Baukonzerne

und die Fifa. Die ArbeiterInnen auf den

WM-Baustellen hingegen wurden mit

Löhnen von 2500 Rand pro Monat (etwa

360 Franken) abgespeist – weit unter den

4500 Rand, die Gewerkschaften als Exis-

tenzminimum fordern. Erst dank Streiks

und internationaler Proteste* haben sich

die Löhne gegen Ende der Bauzeit auf

durchschnittlich 3000 Rand verbessert.

Für ein menschenwürdiges Leben ist auch

das zu wenig.

Menschen in Lager verfrachtetIn Südafrika leben Hunderttausende

Menschen in Slums oder sind obdachlos.

An der WM 2010 will sich die südafrika-

nische Regierung den erwarteten Touris-

tInnen und den Millionen Fernsehzu-

schauerInnen aber als blühende Nation

präsentieren. In vielen Stadtzentren sollen

deshalb neue Einkaufspassagen für die

zahlungskräftigen TouristInnen aus aller

Welt entstehen. Dabei stören die Bilder

von Elendsvierteln an den Austragungs-

orten. Aus diesen Gründen wurden und

werden Zehntausende so genannter shack

dwellers (wörtlich: HüttenbewohnerIn-

nen) umgesiedelt. Im Klartext bedeutet

dies, dass shack dwellers und Obdachlose

während der WM in Übergangslagern un-

tergebracht werden. Oftmals bieten diese

Camps zwar eine bessere Infrastruktur als

die Slums, die Umsiedlung hat aber den-

noch verheerende Folgen. Weil sich die

Camps weit ausserhalb der Städte befin-

den, steigen die Transportkosten für Fa-

milien teilweise auf ein Existenz gefähr-

dendes Niveau, denn die ArbeiterInnen

und Schulkinder müssen jeden Tag in die

Stadt fahren.

Zum Wohl der Welt...Über 4,5 Milliarden Franken investiert Südafrika in die Fuss - ball-WM. Die Baukonzerne haben ihre Gewinne verfünffacht, die Fifa rechnet mit zwei Milliarden Gewinn. Doch bei den 20 Millionen Armen in Südafrika kommt nichts davon an. Text: Christian Engeli, Fotos: Joachim Merz

Cartoon von ANNA

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lLieber Sepp Blatter

Ich fordere die Fifa auf, dass sie sich in Zukunft aktiv gegen Ausbeutung und für die Einhaltung der Menschenrechte bei der Fussball-Weltmeisterschaft einsetzt. Die Fifa muss von ländern und Städten, die Gastgeber einer WM sein wollen, die Ein-haltung der Menschenrechte verlangen. lizenznehmer, Sponsoren und Baukonsortien müssen vertraglich verpflichtet werden, Existenz sichernde löhne zu zahlen und die Einhaltung von grundlegenden Arbeitsrechten zu überwachen.länder und Unternehmen, die nicht bereit sind, diese Bedingungen zu erfüllen, sollen in Zukunft keine WM mehr veranstalten können.

Unterschreiben Sie unseren Aufruf an Fifa-Präsident Sepp Blatter unter www.anstoss-südafrika.ch oder auf beiliegendem talon.

ArbeiterInnen wehren sich gegen Hungerlöhne auf den Stadionbaustellen.

Soziale Beziehungen werden auseinan-

dergerissen. Diese Netzwerke sind aber in

einem Land, in dem weder die Gesund-

heits- noch die Altersvorsorge funktionie-

ren, für die Menschen überlebenswichtig.

Welche Verantwortung hat die Fifa?

Auf solche Missstände angesprochen,

betont Fifa-Präsident Sepp Blatter jeweils,

dass nicht die Fifa selbst Arbeits- und

Menschenrechtsverletzungen begehe. Ver-

antwortlich seien vielmehr die südafrika-

nische Regierung, lokale Behörden, Bau-

unternehmen etc. Rein legalistisch mag

dies stimmen. Doch mit Verlaub: In di-

cken Vertragswerken regelt die Fifa sämt-

liche Bereiche, die einen reibungslosen,

Gewinn bringenden Ablauf der Spiele ga-

rantieren – von der Höhe der Grashalme

auf den Spielfeldern bis hin zur zu lässigen

Bildschirmdiagonale bei Public-Viewings.

Die Fifa hätte es in der Hand, griffige Re-

gelungen zur Verhinderung von Ausbeu-

tung und Vertreibung zu formulieren und

auf Gastgeberländer, beteiligte Unterneh-

men und Sponsoren Druck auszuüben.

Ignoranz der Fifa Doch die Fifa setzt diesbezüglich auf

Ignoranz und Gesprächsverweigerung.

Dies zumindest ist der Schluss der Uno-

Berichterstatterin Raquel Rolnik in einem

aktuellen Bericht zu den Vertreibungen in

Südafrika.

In den Hochglanz-Landschaften der Fi-

fa-Broschüren und -Verlautbarungen tönt

es anders. Vor ziemlich genau drei Jahren

schrieb sich die Fifa mit einem neuen Slo-

gan die soziale Verantwortung auf ihre

Fahne. «For the Game. For the World»:

Zum Wohl der Spiele. Zum Wohl der Welt.

Bislang ist davon leider wenig zu spü-

ren. Unterschreiben Sie unsere Petition

und helfen Sie so mit, den Druck auf die

Fifa zu erhöhen.

* Wesentlich dazu beigetragen hat die internationale Kampagne «Fair Games – Fair Play», die vom SAH mitlanciert wurde (siehe Solidarität 2/2009).

Fahrräder für Rück-kehrerInnen in Sri Lanka

Nach dem Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka im Mai 2009 sind über 250 000 Flüchtlinge in Lagern in der Region Vavuniya festgehalten worden. Das SAH leistete Nothilfe. Auf internationalen Druck wurde den Flüchtlingen im Dezember 2009 endlich erlaubt, nach Hause zurückzukehren. Seither haben 160 000 Menschen die Lager verlassen und sind in ihre Wohnorte im Norden Sri Lankas zurückgegangen. Da die Infrastruktur zerstört ist, müssen die RückkehrerInnen weit gehen, um Zugang zu Wasser, Schulen, Gesund-heitsversorgung und Arbeitsmöglich-keiten zu erhalten. Öffentliche Trans-portmittel gibt es kaum. Damit Wasser und andere benötigte Güter transpor-tiert werden und LehrerInnen wie auch SchülerInnen wieder in die Schulen gelangen können, verteilt das SAH im Mullati vu-Distrikt in der Region Vanni 1100 Velos mit Transportkiste.

Kredit für nicaraguanische Bäuerinnen

Ende 2009 hat das SAH der Bauernorganisation UNAG in Chinandega 30 000 US-Dollar für einen Kreditfonds bereitgestellt. Arme Bäuerinnen können zwischen 100 und 300 Dollar ausleihen, um z.B. eine Schweinezucht aufzubauen, Bohnen anzupflanzen oder Tortillas herzustellen. Sie können einen Kleinkredit beantragen, wenn sie als Gruppe von drei bis fünf Frauen solidarisch dafür haften. Bereits im März zeigten sich bei der Versammlung der UNAG-Frauen erste Auswirkungen: Die 185 begünstigten Frauen haben ein Einkommen, dank dem sie nicht zum Arbeiten nach Costa Rica reisen müssen, um ihren Familien das Über-leben zu sichern. Bis dahin mussten sie das jede Saison tun, wobei die Kinder allein zurückblieben.

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Saatgut für Moçambique

Nachdem Moçambique 2007 und 2008 von schweren Überschwemmungen heimgesucht worden war, setzte im Oktober 2009 im Süden und Zentrum des Landes eine Dürreperiode ein. In der Folge vertrockneten rund 60 Prozent der Erstaussaat, was hohe Ernteverluste nach sich zieht. Nun ermöglichten starke Regenfälle im Februar eine Zweitaussaat und damit die Chance, den Ernteverlust wettzu-machen. Damit hat sich aber auch die Nachfrage nach Saatgut erhöht, und die Preise sind ge stiegen. Gerade die ärmsten Familien können es sich daher nicht leisten. Deshalb hat das SAH Anfang März 27 500 Kilo Saatgut an 5000 armuts betroffene Familien verteilt, deren Erstaussaat zerstört worden war. Zudem arbeitet das SAH mit erfahrenen BäuerInnen zusammen, um Saatgut für dürreresistente Produkte (wie z.B. Süsskartoffeln) zu ziehen und dieses an die Gemeindemitglieder zu verteilen.

Afrikanische Sprachen und Kultur in der Erziehung

Ende Januar fand in Burkina Faso eine Konferenz zur Integration afrikanischer Sprachen und Kultur in die Erziehung statt (siehe Solidarität 1/10). ErziehungsministerInnen aus über 20 afrikanischen Ländern kamen zusammen, um gemeinsame Schritte zur Reform der Schulsysteme zu beschlies-sen. Einge laden war auch das SAH, das sich seit vielen Jahren für die mehr-sprachige Bildung in Burkina Faso einsetzt.Die Teilnehmenden waren sich einig, dass die Erziehung auf den Werten und der Sprache der eigenen Kultur basieren soll und nicht auf der Erbschaft ehe - ma liger KolonialistInnen – wie in vielen Ländern noch üblich. Jetzt ist der politische Wille und das Engagement von Regierung und Gesellschaft gefragt: Die Regierungen müssen eine Bildungs-politik entwickeln, welche die einheimi-schen Sprachen und die Kultur integ-riert. Internationale Organisationen wie die UNESCO sollen die Resultate beobachten, Mechanismen der Quali-tätssicherung aufbauen und den Dialog zwischen den Ländern fördern. Partne-rInnen der Entwicklungszusammenar-beit – wie z.B. das SAH – sind aufgeru-fen, Ressourcen zur Unterstützung im Erziehungs bereich zu mobilisieren.

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WM 2010 in Südafrika – tippen, gewinnen, spendenDas SAH lanciert Mitte Mai das WM 2010-Tippspiel. Gründen Sie eine eigene Tippgruppe und spielen Sie gegen Ihre Freunde und Arbeitskolleginnen. Unterstützen Sie dabei das SAH mit einer Torspende. Text: Rosanna Clarelli

Unterschreiben Sie unseren Aufruf an Fifa-Präsident Sepp Blatter:Die Fifa muss sich in Zukunft aktiv gegen Ausbeutung und für die Einhaltung der Menschenrechte bei der Fussball-WM einsetzen.

Online-Petition unter www.anstoss-südafrika.ch

In wenigen Wochen startet in Südafrika

die Fussball-Weltmeisterschaft. Damit Sie

bei jedem Spiel mitfiebern können, hat

das SAH ein Online-Tippspiel eingerich-

tet. Gemeinsam mit Ihren Arbeitskolle-

gen, Freundinnen und Verwandten kön-

nen Sie eine Tippgruppe gründen und

miteinander wetten, wer die Resultate der

Spiele am besten tippt. Dabei gibt es auch

drei exklusive Radios «Rainbow-Nation»

aus einem südafrikanischen Erwerbslo-

senprojekt zu gewinnen.

Damit bei der ganzen WM-Freude die

Probleme in Südafrika nicht vergessen

werden, haben wir die «Torspende» einge-

baut. Sie spenden pro Tor, das ihre Lieb-

lingsmannschaft erzielt, einen frei ge-

wählten Betrag. Wenn Sie beispielsweise

zehn Franken pro Tor von Honduras ein-

setzen und dieses Team im ganzen Tur-

nier fünf Tore schiesst, spenden Sie 50

Franken an ein SAH-Projekt in Südafrika.

Anmeldung und Infos zu Tippspiel, Tor-

spende und Download des Spielplans auf

www.anstoss-südafrika.ch oder mit bei-

liegendem Antwort-Talon. Bestellen Sie

den SAH-Spielplan der WM 2010 mit inte-

ressanten Infos zum Gastgeberland Süd-

afrika.

Weitere Unter - stüt zungsformen

Regelmässige SpendenMit einem lastschrift-Auftrag bei der Post oder ihrer Bank können Sie das SAH regelmässig unterstützen, und es entstehen weder ihnen noch uns Kosten. Nachlass-Spenden in unseren Merkblättern finden Sie wertvolle tipps zum Erbrecht und zur testamentsverfassung. Siehe auch www.sah.ch/testamentSAH-Patenschaft Übernehmen Sie eine SAH-Patenschaft und engagieren Sie sich gezielt für ge-rechte Arbeitsbedingungen weltweit.

Bestellen Sie die Unterlagen mit bei-liegendem Antwort-talon. Haben Sie weitere Fragen? Wir sind für Sie da: [email protected] oder tel. 044 444 19 19

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Engagement für AusgeschlosseneMichèle Schupbach Constantin unterstützt im SAH Wallis Menschen ohne Französischkenntnisse dabei, eine Stelle zu finden. Text: Alexandre Mariéthoz, Foto: Robert Hofer

«Die Menschen, die unseren Kurs besu-

chen, stammen aus rund zehn Ländern.

So komme ich in Kontakt mit verschie-

densten Kulturen.» Michèle Schupbach ist

beim SAH Wallis verantwortlich für einen

Kurs, der MigrantInnen den Wiederein-

stieg ins Berufleben erleichtern soll (siehe

Kasten). Die 45-jährige Mutter dreier Kin-

der stammt aus Bramois in der Nähe von

Sitten und kennt die Verhältnisse im Wal-

lis bestens.

Aufschlussreiche AuslanderfahrungMichèle Schupbachs Laufbahn war

stets von Begegnungen mit anderen Kul-

turen geprägt. Nachdem die frisch diplo-

mierte Heilpädagogin erste Berufserfah-

rungen in einer Walliser Institution für

Jugendliche in schwierigen Situationen

gesammelt hatte, verliess sie 1991 im Alter

von 26 Jahren die Schweiz in Richtung Ar-

gentinien. Fast zwei Jahre lang war sie

dort für eine kleine Nichtregierungsorga-

nisation tätig, die sich um Strassenkinder

kümmerte. Zu ihrer Arbeit gehörten auch

Besuche in Gefängnissen, unter anderem

bei ImmigrantInnen, die in die Kriminali-

tät abgedriftet waren. «Diese Auslander-

fahrung hat mir enorm viel gebracht und

meinen Wunsch verstärkt, mich für Ausge-

schlossene zu engagieren.» Nach ihrer

Rückkehr in die Schweiz arbeitete Michè-

le Schupbach in einer Institution für die

Wiedereingliederung von Jugendlichen,

die ihre Lehre abgebrochen haben. Paral-

lel dazu studierte sie am Institut universi-

taire d’études du développement (IUED)

der Universität Genf. 1996 stiess sie

schliesslich zum SAH Wallis, wo sie den

Kurs zur beruflichen Wiedereingliederung

von MigrantInnen aufbaute.

Das Selbstvertrauen stärkenDer Kurs wird von Menschen besucht,

die kaum Qualifikationen vorweisen kön-

nen und meist in Sektoren wie Landwirt-

schaft, Hotellerie, Baugewerbe oder Ver-

kauf tätig waren. «80 bis 90 Prozent von

ihnen sind Frauen», so Michèle Schup-

bach. «Den meisten von ihnen fehlte bis-

lang der Kontakt zur Aussenwelt. Zudem

hatten sie an ihren vorherigen Stellen

kaum Gelegenheit, ihre Französisch-

kenntnisse anzuwenden.» Hinzu kommt,

dass sie meist keine Ausbildung haben,

wodurch ein Wechsel des Arbeitsfeldes

sehr schwierig wird.

Der Schwerpunkt des Kurses ist, Fran-

zösisch zu lernen. «Wenn die Teilneh-

merInnen an Vorstellungsgespräche gin-

gen, mussten sie sich früher oft von

jemandem begleiten lassen, der sich auf

Französisch verständigen konnte. Dank

unserem Kurs werden sie unabhängiger

und gewinnen mehr Selbstvertrauen.»

Und damit steigen auch ihre Chancen auf

eine Stelle.

Michèle Schupbach und ihr Team be-

mühen sich, den Kurs den Bedürfnissen

der Teilnehmenden anzupassen, unter an-

derem mithilfe des computergestützten

Unterrichts. «Inserate auf dem Internet le-

sen und einen Lebenslauf auf dem Com-

puter erstellen zu können, sind wichtige

Pluspunkte bei der Arbeitssuche», sagt sie.

Es dreht sich aber nicht alles um Sprache

und Arbeitsleben. Auch Themen wie Ergo-

nomie am Arbeitsplatz und Geografie

werden behandelt.

Verständnis weckenAuch nach 14-jähriger Tätigkeit für das

SAH Wallis ist meine Gesprächspartnerin

noch immer voller Begeisterung: «Wenn

ich Migrantinnen und Migranten dabei

helfen kann, ihren Platz hier zu finden,

dann ist dies für mich nach wie vor eine

grosse Genugtuung.» Neben der Arbeit

hat für Michèle Schupbach ihre Familie ei-

nen grossen Stellenwert. Ihr Mann, der

von 1989 bis 1992 im Tschad mit Jugend-

lichen gearbeitet hat, ist heute ebenfalls

beim SAH Wallis tätig und dort für das

Motivationssemester verantwortlich. Bei-

de arbeiten Teilzeit und teilen sich Haus-

halt und Erziehungsarbeit. Dabei legen

sie grossen Wert darauf, ihren drei Kin-

dern im Alter von neun, sieben und vier

Jahren bewusst zu machen, «dass es ver-

schiedene Realitäten und Kulturen gibt».

Nicht nur am andern Ende der Welt, son-

dern auch im Wallis.

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Sprachkurs und Praktikum

Im Kurs zur Wiedereingliederung ins Berufsleben (Cours d’acquisitions de base) werden Grundkenntnisse in Französisch und Rechnen so-wie allgemeine Informationen und Berufspraktika vermittelt. Er richtet sich an Erwerbslose, die kein Fran-zösisch sprechen und über geringe Qualifikationen verfügen. Während des viermonatigen Kurses verbessern die teilnehmenden ihre mündlichen und schriftlichen Französischkenntnis-se, ihre rechenfähigkeiten sowie ihre Kompetenzen bei der Stellensuche. Sämtliche Bildungsangebote des SAH Wallis sind eduQua-zertifiert. www.oseo-vs.ch

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Michèle Schupbach setzt sich dafür ein, dass die KursteilnehmerInnen unabhängiger werden und an Selbstvertrauen gewinnen.

Die Fifa muss ihre soziale Verantwortung bei der Fussball-WM wahrnehmen! unterschreiben Sie unsere Petition: www.anstoss-südafrika.ch

www.sah.ch