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SONDERDRUCK 1_ und Jldmal Beilage der "Schwäbischen Zeitung" - Ausgabe Biberach Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur von Stadt und Kreis Biberach Nr. 3vom 10.Dezember 1980/23. Jahrgang 300 Jahre Post in Biberach (I) Von den reichsstädtischen Boten zum Taxis'schen Postreuther Von Hermann Fritzenschaft Entstehung und Entwicklung des Taxissehen Postwesens sind eng verbunden mit der Machtent- faltung und den Schicksalen des Herrscherhauses der Habsburger. Nach dem Westfälischen Frieden (1648)sah sich das ohnmächtige Reich genötigt, den Reichsständen vermehrte Rechte zuzugestehen, was die Lage der Taxissehen Reichspost nicht er- leichterte, die zwar das kaiserliche Postregal zu verwalten hatte, aber unter schwerer Konkurrenz der Klosterboten, der Kaufmanns-, Universitäts- und reitenden Boten der Reichsstädte und Metzger sowie der landesherrlichen Posten stand. Beson- ders die norddeutschen Fürsten richteten von Taxis unabhängige Posten ein, weshalb Taxis, um sich schadlos zu halten, mit steigendem Nachdruck dem Botenwesen der rheinischen und süddeutschen Städte zu Leibe rückte, die in dem ungleichen Kampf schließlich unterliegen mußten. Den Schluß stein einer Erneuerung des Reichspostwe- sens bildet die unterm 17. 10. 1698 von Kaiser Leo- pold 1. auf Vorschlag seines Generalpostmeisters erlassene allgemeine Reichspostordnung. Sie ent- hält in 20 Abschnitten eine Zusammenfassung aller wesentlichen Verwaltungs- und Betriebsanordnun- gen über das Postwesen. Kaiser Joseph 1. (1705-1711) bestätigte sie am 27.10.1706 in ihrem vollen Wortlaut. Damit war der Übergang vom habs- burgischen Hofkurierdienst zur allgemein zugängli- chen Reichspostanstalt beendet, die allerdings be- vorzugt dort ihre Einrichtungen schuf, wo Aussicht auf Gewinn bestand. Die besondere Entwicklung des Postwesens in Biberach Bevor wir auf die Gründung einer Reichspostan- stalt in Biberach zu sprechen kommen, lohnt sich ein Blick auf die besondere Entwicklung der Post in Oberschwaben, zählen doch die Posten in Ober- schwaben zu den ältesten in Deutschland! Ihre Ent- stehung gerade in Oberschwaben verdanken sie den vom Kaiser Maximilian 1. ab 1490 eingerichteten Kurierdiensten, die von seinen Erbländern Tirol und Vorderösterreich sich auf die Besitzungen am Bodensee, im Breisgau und Elsaß erstreckten. Im übrigen gingen diese Reitkurse bei Bedarf weit ins Reich und bis nach Italien, Ungarn und die Nieder- lande hinein. Zweck dieses reinen Hofkurierdien- stes waren die politischen und militärischen Nach- richtenverbindungen mit dem Unterwegswechsel von Pferden und Reitern. In der Folge verlief die Entwicklung zu wirklichen Posten in langsamem Wandel. Anfangs verschwanden nämlich die Linien Maximilians wieder, wenn der Zweck erfüllt war, um evtl. später bei erneutem Bedarf wieder einge- richtet zu werden. Andere Fürsten bevorzugten fe- ste Einrichtungen, so wie sie unter Maximilians Nachfolger dann auch geschaffen wurden. Im einzelnen erforderte der oft wechselnde Auf- enthaltsort Maximilians Verbindungen mit den Zielpunkten seines militärischen und politischen Interesses und besonders mit Innsbruck, dem da- maligen Verwaltungsmittelpunkt. Meist drehte es sich um Feldzüge, aber auch um Reichstage, z.B. in Lindau 1496und in Konstanz 1507.Die Boten wur- den nach Art der Landsknechte bei Bedarf ange- worben und entlassen. Erst ab 1530blieb dervorder- .österreichische Kurs von Innsbruck über Füssen, Markdorf und Freiburg ins Elsaß für dauernd beste- hen. Man hatte diese Verbindung auch nötig, um Herzog Ulrich von Württemberg überwachen zu können, der wieder in den Besitz seines Landes kommen wollte. Die einzelnen "Postlager" auf dem Kurs waren teilweise gemeinsam mit der niederlän- disch-italienischen Postroute. Eine Posthalterei be- stand zu Eintürnen, die später nach Bergatreute verlegt wurde. Nach Belassen der ständigen Linien wurden die Posthalter seßhaft und befaßten sich auch mit der Vermietung von Reitpferden. Auch das Mitbefördern von Privatbriefen nahm zu, was zwar verboten, aber fast immer umgangen wurde, insbesondere von den höheren Hofangestellten. Später als anderswo kam es bei den vorderöster- reichischen Kursen zu regelmäßigen Abgangszei- ten, etwa Ende des 16. Jahrhunderts. Doch die zahlreichen kriegerischen Ereignisse in Tirol und Vorderösterreich wirkten lähmend und zerstörend auf das Verkehrswesen ein, zum anderen aber auch manchmal belebend, wenn durch die Kriege der Nachrichtenanfall stark anschwoll. Dann mußten Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit eben ge- steigert werden. Man bewirkte das, indem man ein- fach weitere Poststationen dazwischenschaltete. Im 30jährigen Krieg bildete sich eine unausweich- liche Konkurrenzsituation zwischen der tirolisch- vorderösterreichischen Post und der sich ausdeh- nenden Taxissehen Reichspost. Zunächst verur- sachte dies der 1635 eingerichtete Reichspostkurs, der von Augsburg nach Lindau über Leutkirch und Wangen führte und der Reichspost unmittelbaren Anschluß an das schweizerische Gebiet brachte. Ein Übergang von Korrespondenz und Reisenden von der einen auf die andere Linie war zunächst nicht möglich. Im Verlaufe des Großen Krieges gab 41

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SONDERDRUCK

1_und JldmalBeilage der "Schwäbischen Zeitung" - Ausgabe Biberach

Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur von Stadt und Kreis Biberach

Nr. 3vom 10.Dezember 1980/23. Jahrgang

300 Jahre Post in Biberach (I)Von den reichsstädtischen Boten zum Taxis'schen PostreutherVon Hermann FritzenschaftEntstehung und Entwicklung des Taxissehen

Postwesens sind eng verbunden mit der Machtent-faltung und den Schicksalen des Herrscherhausesder Habsburger. Nach dem Westfälischen Frieden(1648) sah sich das ohnmächtige Reich genötigt, denReichsständen vermehrte Rechte zuzugestehen,was die Lage der Taxissehen Reichspost nicht er-leichterte, die zwar das kaiserliche Postregal zuverwalten hatte, aber unter schwerer Konkurrenzder Klosterboten, der Kaufmanns-, Universitäts-und reitenden Boten der Reichsstädte und Metzgersowie der landesherrlichen Posten stand. Beson-ders die norddeutschen Fürsten richteten von Taxisunabhängige Posten ein, weshalb Taxis, um sichschadlos zu halten, mit steigendem Nachdruck demBotenwesen der rheinischen und süddeutschenStädte zu Leibe rückte, die in dem ungleichenKampf schließlich unterliegen mußten. DenSchluß stein einer Erneuerung des Reichspostwe-sens bildet die unterm 17. 10. 1698 von Kaiser Leo-pold 1. auf Vorschlag seines Generalpostmeisterserlassene allgemeine Reichspostordnung. Sie ent-hält in 20 Abschnitten eine Zusammenfassung allerwesentlichen Verwaltungs- und Betriebsanordnun-gen über das Postwesen. Kaiser Joseph 1.(1705-1711) bestätigte sie am 27.10.1706 in ihremvollen Wortlaut. Damit war der Übergang vom habs-burgischen Hofkurierdienst zur allgemein zugängli-chen Reichspostanstalt beendet, die allerdings be-vorzugt dort ihre Einrichtungen schuf, wo Aussichtauf Gewinn bestand.

Die besondere Entwicklung desPostwesens in Biberach

Bevor wir auf die Gründung einer Reichspostan-stalt in Biberach zu sprechen kommen, lohnt sichein Blick auf die besondere Entwicklung der Post inOberschwaben, zählen doch die Posten in Ober-schwaben zu den ältesten in Deutschland! Ihre Ent-stehung gerade in Oberschwaben verdanken sie denvom Kaiser Maximilian 1. ab 1490 eingerichtetenKurierdiensten, die von seinen Erbländern Tirolund Vorderösterreich sich auf die Besitzungen amBodensee, im Breisgau und Elsaß erstreckten. Imübrigen gingen diese Reitkurse bei Bedarf weit insReich und bis nach Italien, Ungarn und die Nieder-lande hinein. Zweck dieses reinen Hofkurierdien-stes waren die politischen und militärischen Nach-richtenverbindungen mit dem Unterwegswechselvon Pferden und Reitern. In der Folge verlief dieEntwicklung zu wirklichen Posten in langsamem

Wandel. Anfangs verschwanden nämlich die LinienMaximilians wieder, wenn der Zweck erfüllt war,um evtl. später bei erneutem Bedarf wieder einge-richtet zu werden. Andere Fürsten bevorzugten fe-ste Einrichtungen, so wie sie unter MaximiliansNachfolger dann auch geschaffen wurden.Im einzelnen erforderte der oft wechselnde Auf-

enthaltsort Maximilians Verbindungen mit denZielpunkten seines militärischen und politischenInteresses und besonders mit Innsbruck, dem da-maligen Verwaltungsmittelpunkt. Meist drehte essich um Feldzüge, aber auch um Reichstage, z. B. inLindau 1496 und in Konstanz 1507. Die Boten wur-den nach Art der Landsknechte bei Bedarf ange-worben und entlassen. Erst ab 1530blieb dervorder-.österreichische Kurs von Innsbruck über Füssen,Markdorf und Freiburg ins Elsaß für dauernd beste-hen. Man hatte diese Verbindung auch nötig, umHerzog Ulrich von Württemberg überwachen zukönnen, der wieder in den Besitz seines Landeskommen wollte. Die einzelnen "Postlager" auf demKurs waren teilweise gemeinsam mit der niederlän-disch-italienischen Postroute. Eine Posthalterei be-stand zu Eintürnen, die später nach Bergatreuteverlegt wurde. Nach Belassen der ständigen Linienwurden die Posthalter seßhaft und befaßten sichauch mit der Vermietung von Reitpferden. Auchdas Mitbefördern von Privatbriefen nahm zu, waszwar verboten, aber fast immer umgangen wurde,insbesondere von den höheren Hofangestellten.Später als anderswo kam es bei den vorderöster-reichischen Kursen zu regelmäßigen Abgangszei-ten, etwa Ende des 16. Jahrhunderts. Doch diezahlreichen kriegerischen Ereignisse in Tirol undVorderösterreich wirkten lähmend und zerstörendauf das Verkehrswesen ein, zum anderen aber auchmanchmal belebend, wenn durch die Kriege derNachrichtenanfall stark anschwoll. Dann mußtenLeistungsfähigkeit und Geschwindigkeit eben ge-steigert werden. Man bewirkte das, indem man ein-fach weitere Poststationen dazwischenschaltete.Im 30jährigen Krieg bildete sich eine unausweich-

liche Konkurrenzsituation zwischen der tirolisch-vorderösterreichischen Post und der sich ausdeh-nenden Taxissehen Reichspost. Zunächst verur-sachte dies der 1635 eingerichtete Reichspostkurs,der von Augsburg nach Lindau über Leutkirch undWangen führte und der Reichspost unmittelbarenAnschluß an das schweizerische Gebiet brachte.Ein Übergang von Korrespondenz und Reisendenvon der einen auf die andere Linie war zunächstnicht möglich. Im Verlaufe des Großen Krieges gab

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es vielfache Verwicklungen. Es bildeten sich Ge-meindeverkehrseinrichtungen mit dem NamenPost, ferner die Metzgerposten, und je nach denBesatzungsverhältnissen machte sich auch dieschwedische Post breit. So entstand in Ulm einköniglich-schwedisches Postamt, was eine starkeEinschränkung der Reichs- und österreichischenLandesposten zur Folge hatte. Jedoch bereitete dieschwere Niederlage der Schweden 1634bei Nördlin-gen der schwedischen Post in Ulm das Ende. DieReichspostlinie im Süden Oberschwabens kamstets wieder in Gang, während die vorderöster-reichische oftmals unterbrochen war, zeitweise ein-gestellt und schließlich über den Arlberg undSchweizer Gebiet nach Konstanz und den Breisgaugeführt wurde. Erst 1654 wurde der alte Kurs mitden früheren Stationen wieder aufgenommen. Esergaben sich jetzt auch mehr Verknüpfungspunkteund mehr Durchlässigkeit mit der Reichspost. InLeutkirch bestanden nunmehr zwei Postämter, einkaiserliches und ein österreichisches, die sich im-mer noch Konkurrenz machten.

Die Reichsstadt Biberach an der RißIn der Stadt Biberach lebten nach den Drangsalen

des Dreißigjährigen Krieges nurmehr etwa 2200Einwohner. Kriegswirren und die Pest hatten nacheiner 22jährigen Besatzungszeit viele Opfer gefor-dert. Biberach hatte jedoch als Handwerker- undHandelsstadt einen soliden Rückhalt. Schon im Mit-telalter brachte die Barchentweberei Wohlstand indie Stadt. Die Erholung von den Leiden des 30jähri-gen Krieges war sehr mühsam. Der Rat und alleAmter waren nunmehr paritätisch mit Protestantenund Katholiken besetzt. Die beherrschende Stel-lung im Wirtschaftsleben hatten die Handwerker-zünfte inne, unter denen die Weber die bedeutend-ste war. Auch unter den Kriegen Ludwigs XIV. vonFrankreich hatte Biberach zu leiden. 1677 bekamdie Stadt drückende Einquartierung von Kaiserli-chen unter Graf Piccolomini. Besonders schlimmfür die Bürger waren auch die Einquartierungen derFranzosen im Spanischen Erbfolgekrieg 1703/04.Truppendurchzüge von Osterreichern und Franzo-sen, Plünderungen und Requisitionen blieben derStadt und ihren Bewohnern nicht erspart. DieseDrangsale konnte auch das Schutz- und Trutzbünd-nis des Schwäbischen Kreises nicht lindern, demBiberach bis 1802 angehörte.Immer blieb die Stadt der große Markt für eine

weite ländliche Umgebung. Verständlicherweisebrachte der Handel von allein auch das Bedürfnisnach Nachrichtenverbindungen mit sich. Über eige-ne reichsstädtische Botenanstalten ist wenig be-kannt, doch waren sicherlich das Botenwesen derKaufmannschaften, der Klöster, des SchwäbischenStädtebundes und Privatboten bedeutungsvoll fürdie Reichsstadt Biberach an der Riß.

Das für die Biberacher Post bedeutsameJahr 1680Die Gründung einer Taxissehen Reichspostan-

stalt in Biberach muß in den Zusammenhang derdamaligen Zeit gestellt werden. Die wenigen Post-anstalten spielten zunächst noch eine untergeord-nete Rolle gegenüber den weitverzweigten Boten-anstalten der Klöster, Städte, Kaufleute und Metz-ger. Unter den wichtigen handeltreibenden Städten

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stachen besonders Lindau, St. Gallen, Schaffhau-sen, Ulm, Augsburg und Memmingen hervor, dieunter sich und mit andern bedeutenden Orten ein-bis zweimal wöchentlich Botenverbindungen zuFuß, Pferd oder Wagen unterhielten. Die Zersplitte-rung dieser mannigfachen Botenverbindungen undEinzelboten war verwirrend und wurde durch dieAuseinandersetzungen des Kaisers um das ihm vor-behaltene Postregal mit den Landesfürsten, andernKörperschaften und Unternehmungen sowie einnicht stark ausgeprägtes völkisches Zusammenge-hörigkeitsgefühl nur noch gefördert. Die unterscharfen Strafandrohungen ergangenen kaiserli-chen Verordnungen, die das "N eben-, Metzger- undBotenpostwesen" zurückdrängen wollten und denstädtischen Botenanstalten das Recht absprach, un-terwegs regelmäßig Postillione und Pferde zu wech-seln, erzeugte erbitterten Widerstand der Reichs-stände, so daß die Auseinandersetzungen im letztenDrittel des 17. Jahrhunderts einem Höhepunkt zu-strebten. Die Folge war ein regelrechter Postkrieg inunserem heimatlichen Oberschwaben und im Bo-denseeraum. Zahlreiche Rechtsstreite, Gutachten,Gegenäußerungen in Schriften und Büchern mach-ten es mehr zu einer Macht- als zu einer Rechtsfrage,wer welche Posteinrichtungen wo unterhalten durf-te. Gewalt, List und Bestechung wurden als Mittelzum Zweck eingesetzt. Die vier wichtigsten Boten-kurse unserer Gegend waren seit der 2. Hälfte des16. Jahrhunderts die von St. Gallen nach Ulm, vonSchaffhausen über Riedlingen, Ehingen nach Ulm,von Lindau über Chur nach Mailand und von Lind-au über Buchhorn, Meersburg nach Konstanz.Für die Reichsstadt Biberach waren die St. Galle-

ner und Nürnberger Kaufmannsboten von größter,ja internationaler Bedeutung. Der regelmäßige Bo-tenkurs von St. Gallen über Lindau, Ravensburg,Wald see, Biberach nach Ulm und weiter nach Nürn-berg unterstand der Kaufmannschaft von St. Gal-len. Zu Beginn des Jahres 1860 erschienen denrührigen und pflichteifrigen Leitern der TaxissehenPostbezirke von Augsburg und Nürnberg die Zeit-verhältnisse günstig, die genannten Botenkurse derKaufmannschaften zu unterbinden und an ihrerStelle dem kaiserlichen Postregal entsprechendReichspostlinien zu errichten. Zu diesem Zweckmußte zunächst in Ulm ein Taxisscher Stützpunktgegründet werden. Der Postverkehr der FreienReichsstadt Ulm wickelte sich im Nahverkehr überdie Stadtkanzlei mit Hilfe von berittenen Metzgernab. Ansonsten erreichten die ulmischen "ZünftigenBoten" regelmäßig nach einer Botenordnung Augs-burg, Nürnberg, Straßburg und Lindau. Der Magi-strat von Ulm widersetzte sich energisch einemTaxissehen Postamt, das später Oberpostamt fürdie neuen oberschwäbischen Posthaltereien wer-den sollte. Doch das Haus Taxis setzte zunächst eineSeitenverbindung von Ulm zum niederländisch-ita-lienischen Postkurs durch, der eineinhalb Meilenentfernt bei Elchingen vorbeiführte, weil er in Ulmnicht geduldet wurde. Heute befindet sich in dieserGegend ein großes Autobahnkreuz. Die Ulmer erho-ben jedoch Klage beim Wiener Reichshofrat. DieTaxissehen Postbeamten wurden in Ulm boykot-tiert und zum Verlassen der Stadt aufgefordert.Trotzdem wurde das Reichspostamt im Sommer

1680 auf kaiserlichen Befehl gegründet. Der UlmerRat wußte aber den Ankauf oder das Anmieten vonGebäuden zu verhindern, so daß der Betrieb imGasthof zum "Hirsch" außerhalb der Stadtmauernabgewickelt werden mußte. Dies sollte mehrere

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Jahre andauern. Der neue Postmeister von Ulm warBernhardin Pichelmayer. Er hatte keine leichte Auf-gabe, und man sprang nicht gerade zimperlich mitihm um. Zudem war er von auswärts gekommenund katholisch. Er klagte: "Wenn ich nur über dieStraße gehe, deuten sie mit Fingern auf mich,schmähen, lästern und fluchen mir Halß und Beynentzwey." Neben den Streitigkeiten mit der StadtUlm richtete Pichelmayer sogleich sein Hauptau-genmerk auf die Botenlinien der Kaufmannschaf-ten. Es gelang ihm, den Kurs Ulm - Schaffhausendurch gütliche Übereinkunft der Reichspost einzu-verleiben. Beim Kurs Lindau - Mailand hatte erjedoch keinen Erfolg, dagegen wurden durch Ge-waltmaßnahmen die Kurse St. Gallen - Nürnbergund Lindau - Konstanz zugrundegerichtet. Nach-dem die beim kaiserlichen Reichshofrat zu Wieneingereichten Klagen gegen die Botenanstaltennämlich nicht rasch genug die gewünschte Wirkungbrachten, machte Pichelmayers Eifer Oberschwa-ben und die Bodenseegegend zum Schauplatz förm-licher Kriegszüge gegen die friedlich dahinziehen-den Kaufmannsboten. Pichelmayer wurde von denMannen des Grafen von Montfort zu Tettnang tat-kräftig gegen die "reichen Pfeffersäkke" unter-stützt. Zwei, drei oder vier bis an die Zähne bewaff-nete kaiserliche Postbedienstete lauerten den Bo-ten an den Landstraßen auf und nahmen ihnengewaltsam Sendungen, Pferde und Geschirr ab undmißhandelten sie, ohne sich um die zuständigenOrts- und Landesobrigkeiten zu kümmern.Nicht alle freilich ließen sich solche Rückfälle ins

Faustrecht gefallen. Zweimal wurde der rücksichts-lose Haudegen Pichelmayer in Haft genommen,einmal durch den Grafen Fugger zu Augsburg beimösterreichischen Zollamt Gebrazhofen festgesetzt.Aber Beharrlichkeit führte ihn doch zum vorge-steckten Ziel. Noch im selben Jahr (wahrscheinlichim September) konnte er drei von Ulm ausgehendeneue kaiserliche Reitpostkurse zustandebringen,nämlich von Ulm über Gierigen, Nördlingen nachNürnberg; von Ulm über Ehingen, Riedlingen, Men-gen nach Schaffhausen und von Ulm jeweils mitEinrichtung von Postämtern und Posthaltereienüber Laupheim, Biberach, Waldsee, Ravensburg,Tettnang nach Lindau. Die Verbindung Ulm -Lindau wurde wöchentlich geritten und hatte fürBiberach ein Aufkommen von etwa 30 Briefen. EineFahrpostexpedition gab es damals in Biberach nochnicht. Der Taxissehe "Postreuther" brachte freitagsdas Felleisen von Biberach nach Waldsee und rittleer zurück. Mittwochs ritt er leer nach Waldsee undbrachte das Felleisen nach Biberach, wo er es an denLaupheimer Postreiter übergab. Damit war dasNahziel Pichelmayers in Oberschwaben erreicht.Im Raum Mindelheim sind noch 1686 Überfälle aufstädtische Boten überliefert.Postmeister Pichelmayer war eine bedeutende

Persönlichkeit. Er leitete über mehrere Jahrzehnteweg drei große Taxissehe Postämter, nämlich Ulm,Augsburg und Lindau. Später erlangte er denReichsadel und den Titel Kaiserlicher Rat. Mit derStadt Ulm hatte er nach zehnjährigem Prozeß 1690einen Vergleich schließen können: Das kaiserlichePostamt, das den oberschwäbischen Posthaltereienvorgesetzt war, blieb in Ulm. Die Postbeamten er-hielten einige Abgabefreiheiten, und die amtlichenSchreiben der Stadt wurden portofrei befördert!Pichelmayer lebte auch einige Zeit in Biberach undstarb hier am 14.2.1709 mit 78 Jahren. Er wollte imWengenkloster in Ulm beerdigt werden. Doch Ulm

wollte den lebend geduldeten und gefürchtetennunmehr nicht in seinen Mauern ruhen lassen. Erwurde daher auf dem katholischen Friedhof in Söf-lingen beigesetzt. Danach kam der verträglichereTaxissehe Kabinettssekretär Dolle an die Spitze desUlmer Postamts, das Mitte des 18. Jahrhundertsdann zum Oberpostamt wurde, was es faktischschon immer gewesen war.

Taxissehe Reichspost1748 siedelte das Haus Taxis dann nach Regens-

burg über, wo es heute noch seinen Sitz hat. DieOberleitung der Posten verblieb aber in Frankfurt.Um die vom Kaiser betriebene Aufnahme des Für-sten Taxis ins Reichsfürstenkollegium wirksam zumachen, erwarb Fürst Karl Anselm (1773-1805) am22. Oktober 1785 die Reichsgrafschaft Friedbergund die Herrschaften Scheer, Dürmentingen undBussen in unserer engeren Heimat Schwaben um2100000 Gulden. Aufgrund dieses Besitzes gelangteKarl Anselm in den Fürstenrat des SchwäbischenKreises. Kaiser Joseph II. (1765-1798) erhob diesesGebiet am 16. Juli 1787 zu einer unmittelbarenreichsgefürsteten Grafschaft. Die Familie Taxis hat-te damit den höchsten Punkt ihres Ansehens undEinflusses, ihrer Macht und ihrer Einkünfte er-reicht.Man kann sagen, daß von dieser Reichsgrafschaft

her der Name Thurn und Taxis in unserer Heimatbis heute einen guten Klang hat. Durch all dieseZeiten hindurch bestand also in Biberach eine Ta-xissehe Posthalterey und eine Postexpedition;denn diese beiden Einrichtungen waren bei derReichspost an größeren Orten meist getrennt orga-nisiert. Die Posthaltereien hatten als Fuhrunterneh-men unter Aufsicht der Postexpedition (des Post-amts) die gehörige Anzahl von Postillionen, Pfer-den, Wagen usw. bereitzuhalten und auf den regulä-ren Postlinien (den Ordinari-Posten) oder zu Son-derfahrten (den Extraposten) einzusetzen. So hatteder Posthalter Löle in Biberach im Jahre 1760 drei-zehn Pferde und fünf Knechte. Die Postexpeditionbzw. das Postamt war zuständig für die Annahmeder Sendungen, die Taxerhebung. die Mitgabe mitden Ordinari-Posten und die Bereithaltung zur Ab-holung, da es noch keine Zustellung gab. Der Post-expedient besorgte sein Amt meist nebenberuflich.1780 allerdings findet sich in Biberach bereits alsHilfspersonal ein Zusteller und Packer, der zu zweiDrittel beschäftigt war. Ab 1770 gab es noch einebeträchtliche Ausdehnung der vorderösterreichi-sehen Kurse in Oberschwaben mit Gründung zahl-reicher Postanstalten, unter anderem auch in Wart-hausen bei Biberach. In Oberschwaben bestandendamit 32 Postanstalten (19 Reichs- und 13 Vorder-österreichische) an 27 verschiedenen Orten. Zu die-ser Zeit besaß das Herzogtum Württemberg, obwohldoppelt so groß und dichter bevölkert, nur halb soviele Postanstalten. Ab 1711 gab es in Biberachanstelle des Reichspostspediteurs (Reichspostex-pedienten) den Titel Postverwalter.Als unter den Auswirkungen der französischen

Revolution Europa aus den Fugen barst, wurdeauch die Taxissehe Post von den Wogen des Um-sturzes der alten Ordnung erfaßt. Die Besitzungenin Belgien gingen verloren; infolge des LunevillerFriedens (9. Februar 1801) fielen die Posten in denösterreichischen Niederlanden und auf dem linkenRheinufer an Frankreich. Als Entschädigung erhieltdas Haus Taxis durch den Reichsdeputationshaupt-

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schluß (25.Februar 1803) das gefürstete DamenstiftBuchau nebst Stadt, die Abteien Marchtal und Ne-resheim, das Amt Ostrach mit der HerrschaftSchemmerberg und den Weilern TiefenthaI, Fran-kenhofen und Stetten als Fürstentum zugesprochenund den ungeschmälerten Fortbestand seiner Po-sten in dem Zustande zugesichert, in dem sie sichzur Zeit des Friedensschlusses befanden. Zuge-kauft wurde 1805 noch die Herrschaft Ober- undUntersulmetingen. Mit der Errichtung des Rhein-bundes und der Auflösung des Deutschen Reichserlosch 1806auch das erbliche Reichspostgeneralat.Zugleich verlor Fürst Alexander (1805-1827) dieLandeshoheit über seine schwäbischen Besitzun-gen. Das Ge biet fiel an Bayern, an Württem berg undan Hohenzollern-Sigmaringen. Die Posthoheit gingan die selbstherrlich gewordenen Rheinbundfür-sten über. Die neuen Staaten übernahmen die Po-sten teils in eigene Verwaltung gegen Entschädi-gung des Hauses Taxis (so Bayern, Baden), teilsohne solche (Württemberg), teils gaben sie die Aus-übung des Postregals dem Fürsten zu Lehen. Dahergab es Anfang des 19.Jahrhunderts 30 verschiedenePostverwaltungen in Deutschland. Ihre Vielfaltwird durch je gesonderte Uniformen, Tarife undVerordnungen demonstriert. Erst mit dem Erwa-chen des nationalen Einheitswillens wurde auch derKeim zu künftigem Streben nach der Posteinheitgelegt.

Königlich württembergische Landespost1806-1819Die Eigenverwaltung der württembergischen

Staatspost währte zunächst von 1806 bis 1819. Be-reits im Dezember 1805 wurden die württembergi-sehen Oberämter beauftragt, die Posten für denStaat in Besitz zu nehmen. Biberach war aber zudieser Zeit (seit 1802)noch badische Oberamtsstadtund die Post immer noch unter Taxisscher Leitung.Daher konnte hier erst im Herbst 1806 der kaiserli-che Reichsadler am Posthaus abgenommen unddurch das neue königlich-württembergische Wap-pen ersetzt werden. Beim Übergang der Postenwaren 28 Postämter vorhanden, wozu dann nochBiberach kam. Aufgrund des Organisationsmanife-stes vom 18.März 1806 wurde eine dem Departe-ment der auswärtigen Angelegenheiten untergeord-nete Oberpostdirektion in Stuttgart gebildet, bei deraußer einem Oberpostdirektor noch 20 Oberposträ-te, 1 Oberpostsekretär, 1 Sekretär und 1 Kanzlistbeschäftigt wurden. Durch Verfügung vom 19.Juni1807 traten vier Oberpostämter in Stuttgart, Heil-bronn, Tübingen und Biberach als Mittelstellenzwischen die Direktion und die inzwischen auf 68vermehrten Postämter. Das Oberpostamt Stuttgart. wurde zum Generalpostamt erhoben. Bereits imJahre 1810 wurde dann das Oberpostamt Biberachnach Ulm verlegt, nachdem Ulm württembergischgeworden war. Zum Oberpostamt Biberach hatten15Postämter gehört, nämlich: Altdorf(Weingarten),Waldsee, Wurzach, Wolfegg, Isny, Holzleute, Laup-heim, Ochsenhausen, Mengen, Saulgau, Altshau-sen, Buchau, Stockach, Radolfzell und Singen.In der Folgezeit wurden vermehrt weitere Kurse

zu den neuen Landesteilen eingerichtet, zahlreichePostämter errichtet, neue Instruktionen erlassenund durch einheitliche Tarife das Postwesen durch-greifend reformiert. Für die Vermittlung des Post-verkehrs der Orte ohne Postanstalt durften nur

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noch Amtsboten tätig sein unter behördlicher Auf-sicht. Das übrige Botenwesen wurde weitgehendeingeschränkt. Die Vorstände der Oberpostämter,die die Amtsbezeichnung Oberpostmeister führten,hatten die unterstellten Postämter zweimal jährlichzu visitieren. Nach dem Wien er Kongreß verbliebenim deutschen Raum noch 17Postverwaltungen, diesich 1850 zum deutsch-österreichischen Postvereinzusammenschlossen, um den Postverkehr über dieLandesgrenzen hinweg flüssiger zu gestalten unddie in jedem Staat verschiedenen Gebühren zu ver-einheitlichen.

Thurn- und Taxissehe Lehenspost1819-1851Zwischen 1819 und 1851wurde das Postwesen in

Württemberg wieder vom Hause Thurn und Taxisals Lehenspost übernommen. Nach langwierigenVerhandlungen zwischen der Krone Württembergund dem Hause Taxis wurde am 27.Juli 1819 vonden Bevollmächtigten ein Erb-Mann- Thronlehens-vertrag unterzeichnet und durch königliche Verord-nung vom 9.September 1819 in Kraft gesetzt. Hier-nach erhielt der Fürst Karl Alexander von Thurnund Taxis und seine männlichen Nachkommen so-wie nach Erlöschen seines Stammes der Fürst Maxi-milian von Thurn und Taxis und seine männlicheNachkommenschaft vom 1.Oktober 1819an als Erb-Mann- Thronlehen die Würde und das Amt einesKönigl. Württembergischen Erb- und Landpostmei-sters. Ihm wurde das nutzbare Eigentum und dieVerwaltung sämtlicher Posten im Königreich Würt-temberg übertragen. Für die Überlassung hatte derErblandpostmeister jährlich 70000 Gulden an diewürtt. Staatskasse zu zahlen. Die Zentralverwal-tung wurde am 15.November 1819 vollständig mitder fürstlichen Generalpostdirektion in Frankfurtvereinigt. Zu Beginn der Lehenspost waren 4 Ober-postämter und 87 Postämter vorhanden, darunterauch Biberach an der Riß. Vorbehalten blieb demKönig als Lehensherr die Postgesetzgebung, diePostpolizei, die Vertretung der Postanstalten ge-genüber andern Staaten sowie die Besetzung man-cher Personalstellen. Die Oberpostämter waren mitdenselben Aufgaben wie zuvor nun Mittelstellenzwischen ihren untergeordneten Anstalten und derGeneralpostdirektion zu Frankfurt. Sie waren auchbefugt, Legalstrafen anzusetzen.Nach der Eröffnung des Eisenbahnbetriebs in

Württemberg (22.Oktober 1845)erhob der Fürst vonThurn und Taxis Anspruch auf Entschädigung fürdie eintretende Schmälerung seiner Einkünfte. Eswurden auch Verhandlungen aufgenommen, derPostverwaltung die Benutzung der Eisenbahn zugestatten. Beides blieb erfolglos. Der Postlehens-vertrag war seit seiner Entstehung der Gegenstandvielfältiger Angriffe gewesen, insbesondere seitensder württembergischen Volksvertretung. Sie brach-te es nach längeren Verhandlungen dann am28.März 1851 soweit, daß ein Vertrag zustandekam,der den Postlehensverband mit Wirkung vom 1.Juli1851 auflöste. Damit gingen die Posten wieder in dieSelbstverwaltung des württembergischen Staatesüber. Der Fürst von Thurn und Taxis erhielt für dieAbtretung der seinem Haus zustehenden Rechtesowie die Überlassung der Postgebäude (darunterdas jetzige Amtsgerichtsgebäude in Biberach) undder Ausstattungsgegenstände die Summe von1300000 Gulden.

Page 5: SONDERDRUCK 1 und Jldmal · pold 1.auf Vorschlag seines Generalpostmeisters erlassene allgemeine Reichspostordnung. Sie ent-hält in20Abschnitten eine Zusammenfassung aller wesentlichen

Württembergische Staatspost. ab 1851

Die württembergische Staatspost sollte von 1851bis 1920dauern. Bei der Übernahme waren in Würt-temberg 122 Postanstalten vorhanden. Die Ober-postämter blieben zunächst erhalten, wurden aberab 1.Juni 1852 aufgehoben und die Postanstaltenunmittelbar der "Postkommission", ab 1858 "Post-direktion" genannt, unterstellt. Wegen der vielfacherforderlichen Verhandlungen mit den Nach-barstaaten ging die Leitung der Verkehrsanstaltenvom Finanzministerium im Jahre 1864 auf das De-partement der auswärtigen Angelegenheiten über,bei dem die Zentralbehörde für die Verkehrsanstal-ten eine Abteilung bildete. Am 1.September 1851erfolgte der Beitritt zum deutsch-österreichischenPostverein. Neben der weiteren Gründung vonPostanstalten, in unserer Gegend 1856in Essendorf,1857in Warthausen, 1860in Ummendorf, ereignetensich große postalische und andere Umwälzungen inDeutschland. Nach dem Kriege von 1866 führtePreußen sein erklärtes Ziel durch, das TaxissehePostwesen endgültig zu beseitigen. Das schwierigeAblösungswerk führte der Geheime Postrat Ste-phan mit Umsicht und Nachdruck zu Ende. Preu-ßen übernahm am 1.Juli 1867 das Taxissehe Post-wesen mit allen Rechten in seine Verwaltung undgewährte dem Fürsten Maximilian Karl eine Abfin-dung von 3 Millionen Talern in bar. Damit gab es ab1868 neben der Norddeutschen Bundespost unterFührung Preußens noch Postverwaltungen in Ba-

den, Bayern und Württemberg, wobei Bayern undWürttemberg ihre eigene Verwaltung bis 1920/21behalten sollten.Nach der Reichsverfassung vom 16.April 1871

und Gründung der Deutschen Reichspost bliebdem Königreich Württemberg die selbständige Aus-übung des Post- und Telegraphendienstes in sei-nem Gebiete gewahrt. Dem Reich stand jedoch dieGesetzgebung über rechtliche Verhältnisse, überPortofreiheiten und das Taxwesen zu mit Ausnah-me der Bestimmungen für den innerwürttembergi-sehen Verkehr. Am 1.April 1881 trat eineneue Be-hördengliederung in Kraft, die bis zum Ubergangder württembergischen Post an das Reich gültigblieb. Als selbständige Direktivbehörde war dieGeneraldirektion der Posten und Telegraphen beimMinisterium des Auswärtigen für die unmittelbareLeitung und Beaufsichtigung des Post- und Tele-graphenbetriebs zuständig. Schon am 19.Oktober1878 wurde ein "beratender Ausschuß von Vertre-tern des Handels und Gewerbes sowie der Land-wirtschaft" zur Wahrnehmung der Ansprüche die-ser Berufskreise ins Leben gerufen, also ein Vorlau-fer des heutigen Postverwaltungsrats. Aus ihm gingspäter der aus je acht Vertretern des Handels, derGewerbevereinigungen und der Landwirtschaft ge-bildete "Beirat der Verkehrsanstalten" hervor mitder Aufgabe, in wichtigen Verkehrsfragen gutacht-liche Äußerungen abzugeben sowie Wünsche undBeschwerden zur Kenntnis des Ministeriums zubringen.

(Fortsetzung folgt)

Friedrich Eser (1798-1873)Ein bedeutender Oberschwabe - Von Gabriele Freifrau von Koenig-Warthausen

In unserer Publikation über "Wilhelm Waiblingerund sein oberschwäbischer Freund" lernten wireinen Mann kennen, der es besonders verdient, daßsein Andenken in Oberschwaben hochgehaltenwird: Friedrich Xaver Eser, der am 14.Februar 1798zu Hürbel geboren wurde. Der Vater, Judas Thad-däus Eser, verheiratet mit Kreszenz v. Zwergern ausBabenhausen, war seit 1700 dort freiherrlich Frey-berg-Eisenbergischer Rat und Obervogt. Die Fami-lie Eser war katholisch und stammte aus der bayeri-sehen Provinz Schwaben. Von fünf Kindern bliebennur Friedrich und eine zehn Jahre ältere SchwesterSophie am Leben, nachmals verheiratet mit demLandschaftskassier v. Welz in Altdorf-Weingarten.Erst 1907 hat der bekannte Herausgeber des Diö-

zesanarchivs von Schwaben, Paul Beck in Ravens-burg, Esers "Erinnerungen aus meinem Leben",geschrieben in seinem 71. Lebensjahr, veröffent-licht. Es ist ein hochinteressantes Denkmal für jeneganze Zeit, in der etwas vom Humboldtschen Idealder Gesamtbildung bis in die entferntesten Dörfergedrungen war.Immer betrachtete Eser Hürbel als die unvergeß-

liehe, eigentliche Heimat. 80 Jahre war die Familiedort ansässig. Ländliche Originale, Adel, Beamten-kollegen des Vaters und vor allem der Klerus präg-ten das Weltbild des Knaben. Bei Besuchen durfteer schon bald den Vater begleiten, mit wachen Sin-nen nahm er die Umwelt in sich auf. Da drei seinerGeschwister an den Pocken verstorben waren, ließ

man den Kleinen beim Stadionsehen Leibarzt Dr. v.Bourdon in Warthausen impfen, wozu damals nochmenschliches Pockengift verwertet wurde. Derkleine Friedrich überlebte nach schwerer Krank-heit.

Sein Hürbel schilderte er folgendermaßen: "Amsüdlichen Abhange des Hügels, auf welchem dasgeräumige, viertürmige Schloß mit der Kirchesteht, am Saume eines großen, nun in eine Wieseumgewandelten Teiches ... liegt das bescheidene,aber mit seinen Neugebäuden wohnlich und be-quem eingerichtete Amthaus, wo ich das Licht derWelt erblickte." Auf Anfrage teilte das Bürgermei-steramt Gutenzell-Hürbel mit, daß vermutlich dasForsthaus in Hürbel, Poststr. 4, das Geburtshausvon Friedrich Eser sei. An Hand der im vorigenAufsatz erwähnten Bleistift-Skizze Waiblingers läßtsich das seit jener Zeit unveränderte Esersche Hausmühelos erkennen; auch die Angabe von Eser selbstüber die Lage am südlichen Abhang stimmt genau.Als es vor einigen Jahren abgebrochen werden soll-te, haben sich verständnisvolle Heimatfreunde fürseine Erhaltung eingesetzt. Hören wir weiter ausEsers Erinnerungen: "Die Gegend von Hürbel bie-tet die Physiognomie des oberschwäbischen Lan-des in ausgeprägter Weise ... Die meisten Höhen-punkte, und nicht selten auch die Talgründe.schmückt und belebt die Fernsicht auf die imposan-te Kette der Bayerischen, Vorarlberger, Tiroler undSchweizer Alpen, deren Anblick der Oberländer so

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