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25 »Schon ein Infizierter im Zimmer reicht« Die Masern sind zurück. In München und Berlin häufen sich derzeit die Fälle. Der Mediziner Ole Wichmann erklärt, welche Risiken das für den Einzelnen mit sich bringt. > Meteoriteneisen zu Schmuckperlen > Exoplanet in Staubscheibe um jungen Stern? > Kulturelle Blüte auch ohne Bevölkerungswachstum TITELTHEMA: MASERN Mit ausgewählten Inhalten aus NR CHEMIEWAFFEN Tödlicher Einsatz in Syrien? KREBSFORSCHUNG Wissenschaftler kämpfen um die Wette MEINUNG: TEILCHENPHYSIK Das rätselhafte Elektron DIE WOCHE 2013 20.06.

Spektrum Die Woche No 25 2013

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Page 1: Spektrum Die Woche No 25 2013

25 »Schon ein Infizierter im Zimmer reicht«Die Masern sind zurück. In München und Berlin häufen sich derzeit die Fälle. Der Mediziner Ole Wichmann erklärt, welche Risiken das für den Einzelnen mit sich bringt.

> Meteoriteneisen zu Schmuckperlen > Exoplanet in Staubscheibe

um jungen Stern? > Kulturelle Blüte auch ohne Bevölkerungswachstum

TITELTHEMA: MASERN

Mit ausgewählten Inhalten aus

NR

CHEMIEWAFFEN

Tödlicher Einsatzin Syrien?

KREBSFORSCHUNG

Wissenschaftler kämpfenum die Wette

MEINUNG: TEILCHENPHYSIK

Das rätselhafte Elektron

DIE WOCHE

201320.06.

Page 2: Spektrum Die Woche No 25 2013

2

Liebe Leserin, lieber Leser,die Masern gehen wieder um in

Deutschland und werden von hier flei-

ßig in alle Welt exportiert. Impflücken

bereiten ihnen den Weg, dabei hatten

die Mediziner die bei Weitem nicht

harmlose Krankheit eigentlich schon

im Griff. »Schon ein Infizierter im Zim-

mer reicht«, warnt der Impfforscher

Ole Wichmann, um ungeschützte Kin-

der und Erwachsene anzustecken.

Hoffentlich ausreichend

geimpft grüßt

Daniel Lingenhöhl Redaktionsleiter Spektrum – Die WocheE-Mail: [email protected]: @lingenhoehl

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EDITORIAL IMPRESSUM

Chefredakteur: Dr. Carsten Könneker (v.i.S.d.P.)Redaktionsleiter: Dr. Daniel LingenhöhlRedaktion: Antje Findeklee, Jan Dönges, Dr. Jan OsterkampStändige Mitarbeiter: Lars Fischer, Maike PollmannLayout: Marc Grove, Oliver GabrielSchlussredaktion: Christina Meyberg (Ltg.), Sigrid Spies, Katharina WerleBildredaktion: Alice Krüßmann (Ltg.), Anke Lingg, Gabriela RabeVerlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH,Slevogtstraße 3–5, 69126 Heidelberg, Tel. 06221 9126-600, Fax 06221 9126-751; Amtsgericht Mannheim, HRB 338114, UStd-Id-Nr. DE147514638Verlagsleiter: Richard ZinkenGeschäftsleitung: Markus Bossle, Thomas BleckMarketing und Vertrieb: Annette Baumbusch (Ltg.)Leser- und Bestellservice: Helga Emmerich, Sabine Häusser,Ute Park, Tel. 06221 9126-743, E-Mail: [email protected]

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Page 3: Spektrum Die Woche No 25 2013

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INHALT

02 EDITORIAL/IMPRESSUM

04 BILD DER WOCHE

»The Hoffs« Wurzeln

06 MEINUNG

»Das rätselhafte Elektron« von Frank Wilczek

46 NATURE JOBS

13 EVOLUTION

Maßgeschneiderte Atmung setzte sich durch

17 ALTE ÄGYPTER

Meteoriteneisen zu Schmuckperlen

19 TUMORFORSCHUNG

Megamolekül schützt Nacktmulle vor Krebs

22 SÜDAFRIKANISCHE STEINZEIT

Kulturelle Blüte auch ohne Bevölkerungswachstumr

24 KOSMOGONIE

Exoplanet in Staubscheibe um jungen Stern?

28 EUROPÄISCHE BESIEDLUNGSGESCHICHTE

Rätselhafte Schnecken-Connection zwischen Irland und den Pyrenäen

31 PLATTENTEKTONIK

Schrumpft der Atlantik bald wieder?

38CHEMIEWAFFEN

Tödlicher Einsatz in Syrien? Die Indizien für einen Chemiewaffeneinsatz erhärten sich, lassen aber Fragen offen

SPEK

TRO

GRA

MM

41 KREBSFORSCHUNG

Wissenschaftler kämpfenum die Wette Brustkrebsprognose soll durch Forscherwettbewerb verbessert werden

TITELTHEMA: MASERN

»Schon ein Infizierterim Zimmer reicht«

In Deutschland breiten sich wegen Impflücken die Masern wieder aus

33

Page 4: Spektrum Die Woche No 25 2013

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BILD DER WOCHE

»The Hoffs« Wurzelnvon Martin Busch

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ID S

HAL

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Page 5: Spektrum Die Woche No 25 2013

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BILD DER WOCHE

Ihre Entdecker nennen sie »The Hoff«,

da die neu gefundene Krabbenart

aus der Familie Kiwidae dem Schau-

spieler David Hasselhoff in Sachen

Brustbehaarung in nichts nachsteht.

Auch ihre schwimmerischen Fähigkeiten

lassen den ehemaligen »Baywatch«-Star alt

aussehen. Die Hoff-Krabbe lebt in der Süd-

see und im Indischen Ozean in 2000 Meter

Tiefe an den Rändern Schwarzer Raucher.

In dieser lebensfeindlichen Umgebung er-

nährt sich »The Hoff« von Bakterien, die in

ihren Panzerhaaren wachsen.

Forscher um Nicolai Roterman vom

Zoologischen Instituts der Oxford Univer-

sity stellten in genetischen Studien zudem

fest, dass »The Hoff« und die Yeti-Krabbe

(Kiwa hirsuta) verwandte Arten sind, die

sich vor 40 Millionen Jahren entwickelt ha-

ben. Während die weiße Yeti-Krabbe mit

ihren buschig behaarten Zangen hydro-

thermale Felder des südlichen Pazifiks be-

wohnt, wanderte »The Hoff« in ihre heu-

tigen Lebensräume. Die Ergebnisse wider-

sprechen der verbreiteten Theorie, dass

sich die Tiefseebewohner überwiegend iso-

liert voneinander entwickelten. <

DAV

ID S

HAL

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Page 6: Spektrum Die Woche No 25 2013

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MEINUNG

MEINUNG: TEILCHENPHYSIK

Das rätselhafte Elektronvon Frank WilczekWährend wir dem wahren Wesen des Teilchens nachjagen, sollten wir seine Schönheit würdigen, meint der Teilchen- und Quantenphysiker Frank Wilczek vom Massachusetts Institute of Technology. Er erhielt 2004 den Nobelpreis für Physik.

FOTOLIA / DAVIDUS

Page 7: Spektrum Die Woche No 25 2013

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MEINUNG

Exklusive Übersetzung aus

Was ist ein Elektron? Die-

se Frage spielte eine

zentrale Rolle bei der

Entwicklung der Quan-

tentheorie im frühen

20. Jahrhundert und bringt die Physik auch

heute noch an ihre Grenzen. Es existieren

mehrere unvereinbare Antworten, die alle

richtig erscheinen. Auch ein Jahrhundert

nachdem der dänische Physiker Niels Bohr

sich das Elektron als Trabant des Protons

vorstellte [1], entwickelt und erweitert sich

unser Bild vom Elektron noch.

1927 lieferte Bohr seine Antwort auf die

Frage und damit sein geliebtes Konzept

der Komplementarität: Unter manchen

Umständen lassen sich Elektronen am bes-

ten als Teilchen beschreiben, mit einer ein-

deutigen Ortsangabe; unter anderen wie

Wellen, mit einem eindeutigen Impuls [2].

Beide Darstellungen sind gültig und sinn-

voll, auch wenn sie sich nach Heisenbergs

Unschärferelation einander ausschließen:

Ort und Impuls können nicht gleichzei-

tig beliebig exakt bekannt sein. Jedes Bild

erfasst nur bestimmte Eigenschaften des

Elektrons, aber keines charakterisiert es

vollständig. Die moderne Quantentheorie

bekräftigt Bohrs Idee, dass das, was man

sieht, davon abhängt, wie man es sich an-

sieht. Elektronen sind sowohl denkbar ein-

fach als auch unvorstellbar komplex. Sie

sind bis ins Detail verstanden und bleiben

dennoch geheimnisvoll. Elektronen bilden

das solide Fundament im Weltbild der Phy-

siker, und stellen gleichzeitig eine Art von

Spielzeug dar, das sie zerteilen und mani-

pulieren wollen.

Einfach und komplexIn den meisten praktischen Anwendun-

gen tritt das Elektron als strukturloses Teil-

chen mit einem Eigendrehimpuls oder

Spin auf. Lediglich zwei Zahlen – die Masse

des Elektrons und seine elektrische Ladung

– genügen, um sein Verhalten mit Hilfe

von mathematischen Gleichungen zu be-

schreiben. Auf Basis dieses »praxisnahen

Elektronenmodells« entwickelten Physi-

ker die moderne Mikroelektronik. Es bildet

auch die Arbeitsgrundlage für die Chemie,

einschließlich der Biochemie. Doch einem

hochenergetischen Positron (Antielektron)

erscheint ein Elektron deutlich fassetten-

reicher. Kollisionen von Elektronen und

Positronen, wie sie am Large Electron-Po-

sitron Collider (LEP) am CERN stattfanden,

bringen eine Flut an Quarks, Gluonen, My-

onen, Tau-Leptonen, Photonen und Neu-

trinos hervor. Um die Komplexität eines

Elektrons zu begreifen, müssen alle auch

noch so exotischen Mittel der modernen

Physik zum Einsatz kommen.

Zwischen diesen beiden Beobachtungen

– das Elektron tritt als einfaches Punktteil-

chen auf und enthält andererseits offen-

bar die gesamte Welt – herrscht ein gewal-

tiger Konflikt. Durch ein Konzept, das ich

als Quantenzensur bezeichne, lassen sich

die beiden Ansichten jedoch in Einklang

bringen: Die Eigenschaften der Objekte

ändern sich demnach abhängig von der

Energie, mit der man sie untersucht. Die-

se Quantenzensur steckte bereits implizit

in Bohrs Atommodell und bildet, in einer

allgemeinen Form, eine zentrale Säule der

modernen Quantentheorie. In seinem 1913

veröffentlichten Modell des Wasserstoffa-

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88

MEINUNG

toms [1] stellte sich Bohr vor, dass das Elek-

tron das Proton umkreist wie ein winziger

Planet seine Sonne. Doch solche mechani-

schen Modelle vom Atom weisen schwer

wiegende Probleme auf, darauf hatte der

Physiker James Clerk Maxwell bereits hin-

gewiesen, und auch Bohr war das bekannt.

Sie sagen eine Vielzahl von Wasserstoffato-

men voraus, mit verschiedenen Bahnfor-

men und -größen, während in Wirklichkeit

alle Wasserstoffatome identisch sind. Die

Modelle bringen zudem instabile Atome

hervor. Denn bewegte Elektronen müss-

ten Energie abstrahlen und sich so auf Spi-

ralbahnen dem zentralen Proton nähern.

Doch das machen sie eindeutig nicht.

Durch einige kühne Annahmen räumte

Bohr diese Schwierigkeiten aus dem Weg.

Um eine Instabilität zu vermeiden, be-

schränkte er die Elektronen auf eine Reihe

von diskreten oder quantisierten Energie-

zuständen innerhalb des Atoms. Er erkann-

te, dass das Niveau mit der niedrigsten

Energie oder der Grundzustand eine end-

liche Größe besitzt und das Elektron und

Proton auseinanderhält. Heute führen wir

Bohrs Postulate auf die Tatsache zurück,

dass die richtige quantenmechanische Be-

schreibung von Elektronen auf Wellen-

funktionen beruht, die Schwingungsmus-

ter von stehenden Wellen beschreiben. Die

Gleichungen für Elektronen in Atomen äh-

neln denen für Schwingungen in Musik-

instrumenten, die verschiedene Töne her-

vorrufen.

Die gleichen Ideen lassen sich auch auf

komplexe, gebundene Systeme anwen-

den, wie Atome mit vielen Elektronen und

größeren Kernen. Wird nur wenig Energie

eingespeist, neigt ein System im Grund-

zustand dazu, auch dort zu verharren –

und keine Informationen über seine in-

nere Struktur preiszugeben. Erst wenn es

in einen höheren Zustand angeregt wird,

kommt seine Komplexität zum Vorschein.

Dies ist die Essenz der Quantenzensur. Un-

terhalb einer bestimmten Energieschwel-

le erscheinen uns Atome deshalb als die

»harten, massiven, undurchdringlichen«

Teilchen, die Isaac Newton einst annahm.

Darüber lassen sich ihre Bestandteile her-

austrennen.

Ebenso verraten Elektronen bei niedri-

gen Energien nichts über ihr Innenleben,

trotz ihres Fassettenreichtums im LEP-Be-

schleuniger. Die Elektronstruktur offen-

bart sich nur, wenn man genügend Energie

bereitstellt, um Elektron-Positron-Paare zu

erzeugen – das sind mindestens ein Mega-

elektronvolt, was der überirdischen Tem-

peratur von 1010 Kelvin entspricht. Das

konkrete Elektron ist also keine bloße An-

näherung an die Wirklichkeit, im üblichen

Sinn der Unschärfe, sondern eine genaue

Beschreibung, die unter eingeschränkten

(wenn auch recht großzügigen) Bedingun-

gen gilt.

Nachdem wir nun seine Bedeutung er-

kannt haben, sollten wir die intellektuel-

le Pracht des konkreten Elektrons würdi-

gen. Jede seiner Eigenschaften ist eng mit

tief greifenden Symmetrien von physikali-

schen Gesetzen verwoben: die Masse und

der Spin eines Teilchens mit der speziellen

Relativitätstheorie und die elektrische La-

dung mit der »Eichsymmetrie« des Elekt-

romagnetismus. Das Verhalten des konkre-

ten Elektrons unter Symmetrieoperatio-

nen legt sein physikalisches Verhalten fest.

Das Elektron ist damit ein Inbegriff von

Symmetrie: Seine physikalischen Eigen-

schaften sind untrennbar mit seiner ma-

thematischen Form verknüpft.

Präzise und geheimnisvollIm Prinzip können Elektronen sowohl ma-

gnetische als auch elektrische Dipolfelder

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MEINUNG

Large Electron-Positron ColliderDas CERN untersucht auch in einem Experi-ment, was passiert, wenn in einem Beschleuni-ger – dem Large Electron-Positron Collider – Kollisionen von Elektronen und Positronen stattfinden.

aufweisen, deren Achsen durch den Spin

des Elektrons festgelegt sind. Aber der Sta-

tus dieser Felder könnte kaum unterschied-

licher sein. Die Stärke des Magnetfeldes bie-

tet vielleicht den genauesten und einzigar-

tig erfolgreichen Abgleich von Theorie und

Experiment in der gesamten Naturwissen-

schaft, während man den Betrag des elekt-

rischen Felds noch nie gemessen hat. Sogar

Theoretiker stellt er vor ein Rätsel.

Die Magnetfeldstärke beim Elektron zu

erfassen – in Form eines gyromagnetischen

Verhältnisses oder »g-Faktors« – war zen-

traler Gegenstand der Physik des 20. Jahr-

hunderts. Einen ersten Erfolg brachte die

relativistische Wellengleichung für Elekt-

ronen, die der Physiker Paul Dirac 1928 for-

mulierte [3]. Demnach sollte g = 2 sein, was

mit Ergebnissen aus der Atomspektrosko-

pie übereinstimmte. Nach dem Krieg hat-

te sich die Präzisionsspektroskopie weiter-

CERN

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1010

MEINUNG

entwickelt, und man zeigte mit Hilfe von

Atomstrahlen, dass g um ein Tausendstel

von diesem Wert abweicht. Diese Differenz

konnten Theoretiker erst erklären, nach-

dem sie die mathematischen Schwierigkei-

ten in der Quantenfeldtheorie ausreichend

gemeistert hatten und Korrekturen für die

Dirac-Gleichung berechnen konnten, um

Quantenfluktuationen zu berücksichtigen.

Der kreative Dialog zwischen Experi-

ment und Theorie setzt sich auch heute

noch fort, wobei die verbesserte Genau-

igkeit auf beiden Seiten immer gründli-

chere Vergleiche erlaubt. Die experimen-

telle Grenze hat sich zu großartigen Un-

tersuchungen einzelner Elektronen in

elektrischen und magnetischen Fallen ver-

schoben. Theoretische Berechnungen wer-

den zunehmend komplexer und schlie-

ßen inzwischen auch die Fluktuationen

der Fluktuationen in den Fluktuationen

ein. Der Wert für g ist auf zwölf signifikante

Stellen bekannt [4].

Eine unausgereifte, aber reizvolle »Erklä-

rung« für den Ursprung des Magnetfelds

beim Elektron könnte sein, dass die Quan-

tenunschärfe bezüglich des Orts die La-

dung des Elektrons über ein Volumen ver-

schmiert, das sich wegen des Elektronspins

dreht. Das Elektron ist also gewissermaßen

eine rotierende, geladene Kugel, und diese

erzeugt nach den Grundregeln des Elektro-

magnetismus ein magnetisches Dipolfeld.

Die Größe dieser Kugel schätzen Physiker

auf rund 2,4 x 10-12 Meter. Alle Versuche,

die Position eines Elektrons genauer als

dies zu ermitteln, würde der Unschärferela-

tion zufolge so viel Energie erfordern, dass

zusätzliche Elektronen und Antielektronen

entstehen und die Identität des ursprüngli-

chen Elektrons verschleiern.

Ein elektrischer Dipol, sollte er denn exis-

tieren, würde weit gehend ähnliche Korrek-

turen bewirken. Doch bislang bleibt ein sol-

ches Feld unentdeckt. Physiker investierten

viel Mühe in die experimentelle Suche und

setzten alle Tricks und Fallen ein, die da-

mals das magnetische Moment aufdeckten.

Bisher existiert nur eine obere Schranke für

das elektrische Dipolmoment [5]. Diese ist

beträchtliche 17 Größenordnungen kleiner

als man erwarten würde – harmlos, ange-

sichts effektiven Größe des Elektrons.

Warum ist es so schwer für den Spin, die

elektrische Ladung auszurichten? Eine Er-

klärung fußt auf der Zeitumkehrsymmet-

rie. Auch wenn die Zeit rückwärtsläuft, blei-

ben die physikalischen Gesetze unverän-

dert. Für ein rotierendes Elektron würden

sich allerdings Nord- und Südpol vertau-

schen. Ein elektrischer Dipol, der an einem

Pol mehr Ladung anhäuft, verletzt somit

die Zeitumkehrsymmetrie.

Tatsächlich hält sich die Natur nicht

immer an die Zeitumkehrsymmetrie, wie

man aus Beobachtungen von K- und B-Me-

sonen weiß [6]. Ein von null verschiede-

nes elektrisches Dipolmoment für Elektro-

nen ist also eine theoretische Möglichkeit.

Reizvoll ist, dass viele Theorien jenseits des

Standardmodells der Teilchenphysik – ein-

schließlich der Supersymmetrie – einen

Betrag des elektrischen Felds erwarten, der

gerade unterhalb der derzeitigen oberen

Schranke liegt. Wissenschaftler schlugen

bereits ausgeklügelte Experimente aus der

Festkörperphysik und molekularen Spek-

troskopie vor, mit denen sich noch sorg-

fältiger nach der Existenz dieser winzi-

gen elektrischen Felder suchen ließe. Die-

se »anderen« Dipolmomente könnten sich

als zentraler Gegenstand der Physik des 21.

Jahrhunderts entpuppen.

Starr und vielgestaltigElektronen sind unteilbar und verteidi-

gen ihre Integrität entschieden. Sie folgen

Page 11: Spektrum Die Woche No 25 2013

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MEINUNG

dem Pauliprinzip, dem zufolge sich zwei

Elektronen nicht zur selben Zeit im selben

Quantenzustand aufhalten dürfen. Dies ist

das charakteristische Merkmal von Fermi-

onen, einer Teilchenklasse, die Protonen,

Neutronen und Elektronen umfasst. Infol-

gedessen lassen sich Elektronen nicht ein-

fach zerschmettern.

Die imposanteste makroelektroni-

sche Schöpfung der Natur sind wohl Wei-

ße Zwerge. Auch die Sonne wird in vier

bis fünf Milliarden Jahren zu einem sol-

chen Stern: Hat sie ihren nuklearen Brenn-

stoff aufgebraucht, stürzt sie zu einer etwa

erdgroßen Kugel zusammen – verglichen

mit unserem Planeten allerdings mit ei-

ner millionenfach höheren Dichte. Weiße

Zwerge verdanken ihr Dasein nicht zuletzt

der Quantenstatistik von Elektronen. Denn

presst man Elektronen dicht zusammen,

befördert das einige von ihnen in höhere

Energiezustände, was wiederum eine Kraft

Stilisierte ElektronenwolkeElektronen können als Teilchen wie Welle dar-gestellt werden – nur ein Aspekt ihres rätsel-haften Daseins, das Physiker bis heute nicht im Detail verstanden haben.

FOTOLIA / DAVIDUS

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MEINUNG

– den so genannten »Entartungsdruck« –

hervorruft, die der Schwerkraft entgegen-

wirkt und einen weiteren Kollaps verhin-

dert.

Subtile kollektive Prozesse führen zu

dem, was hoher Druck nicht schafft – näm-

lich Elektronen zu zerteilen. Dieses als frak-

tionierter Quanten-Hall-Effekt bekann-

te Phänomen untersuchte man ausführ-

lich bei Elektronenzuständen in dünnen

Grenzschichten zwischen zwei hochrei-

nen und stark abgekühlten Halbleiterkris-

tallen, die starken Magnetfeldern ausge-

setzt sind. Hierbei verhalten sich die Elekt-

ronen gewissermaßen wie eine Flüssigkeit

[7]. Elektrische Ströme darin legen die Exis-

tenz von Teilchen nahe, deren Ladung ein

Bruchteil der Elementarladung entspricht.

Auch in Supraleitern verlieren Elektro-

nen ihren individuellen Charakter, denn

hier tun sich die Elektronen zusammen

und bilden eine unterschiedslose Einheit.

Kombiniert man den fraktionierten Quan-

ten-Hall-Effekt nun mit der Supraleitung,

erhält man Teilchen, die ihre eigenen Anti-

teilchen sind. Solche »Majorana-Teilchen«

wurden nun experimentell nachgewiesen

[8] und versprechen exotische Eigenschaf-

ten zu haben. So »merkt« sich ihr Quanten-

zustand offenbar, wie sie entstanden sind

und wo sie sich aufgehalten haben. Diese

Teilchen gezielt zu manipulieren, eröffnet

reichhaltige neue Möglichkeiten für die

Mikroelektronik und Quanteninformati-

onsverarbeitung. Die Forschung steht hier

erst am Anfang.

Also, was ist nun ein Elektron? Es ist

ein Teilchen und eine Welle; es ist denk-

bar einfach und unvorstellbar komplex; es

ist genau verstanden und absolut geheim-

nisvoll; es ist unteilbar und neigt zur kre-

ativen Fragmentierung. Keine einzige Ant-

wort wird der Realität gerecht. <

[1] Philos. Mag. 26, S. 1–25, 1913

[2] Nature 121, S. 580–590, 1928

[3] Proc. R. Soc. A 117, S. 610–624, 1928

[4] Rev. Mod. Phys. 84, S. 1527–1605, 2012

[5] Nature 473, S. 493–496, 2011

[6] Phys. Rev. D 86, 010001, 2012

[7] Perspectives in Quantum Hall Effects, Wiley-VCH,

1996

[8] Science 336, S. 1003–1007, 2012

TeilchenphysikVom LHC und anderenErkenntnisbeschleunigern

Spektrum.de – Themenseite

CERN

Page 13: Spektrum Die Woche No 25 2013

1313

SPEKTROGRAMM

EVOLUTION

Maßgeschneiderte Atmung setzte sich durch

von Julia Heymann

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1414

SPEKTROGRAMM

W as haben Forellen, Hirschmäuse und Pottwale gemeinsam? Sie alle stei-

gerten im Lauf der Evolution den Sauer-stofftransport von ihren Lungen oder Kie-men zum Muskelgewebe und schufen sich dadurch einen Überlebensvorteil. Diese An-passung erlaubte den Walen längere Tauch-zeiten, Forellen konnten unter Stress schnel-ler flüchten, und Hirschmäuse verbreiteten sich in den unterschiedlichsten Höhenlagen. Drei Studien zeigen jetzt, welche Verände-rungen der Transportproteine Hämoglobin und Myoglobin dafür nötig waren.

Um seinen Energiebedarf zu decken, be-nötigt der Körper Sauerstoff. Dessen Trans-port zum verbrauchenden Gewebe überneh-men zwei respiratorische Pigmente: Im Blut bindet der Sauerstoff an das in roten Blut-körperchen enthaltene Hämoglobin, das ihn dann im Muskel an das Myoglobin weiter-gibt. Ein ganz spezielles Myoglobin erlaubt

es zum Beispiel Pottwalen, bis zu 90 Minu-ten lang ihren Atem anzuhalten. Scott Mir-ceta und Michael Berenbrink von der Univer-sity of Liverpool untersuchten, wie sich der Muskelfarbstoff solcher Tauchspezialisten im Lauf der Evolution entwickelt hat [1].

Die Muskeln von Pottwalen enthalten bis zu 30-mal mehr Myoglobin als die von Land-tieren, weshalb sie auch eine tiefrote, fast schwarze Farbe haben. Das verschafft dem Wal den entscheidenden Vorteil: Je mehr Myoglobin ein Muskel enthält, desto mehr Sauerstoff kann er aufnehmen und desto länger reicht ein Atemzug. Doch bei derart hohen Konzentrationen müsste das Myo-globin eigentlich verklumpen – wodurch es funktionsunfähig würde.

Der Vergleich des Myoglobins von 130 Säugetierspezies zeigte, wie gute Taucher das vermeiden. Den Forschern fiel auf, dass die Ladung des Transportproteins mit der Tauchfähigkeit der Tiere zunahm. Die Besten unter ihnen – wie zum Beispiel Pottwal und Seeelefant – besaßen nicht nur die höchsten Myoglobinkonzentrationen im Muskel, das Protein war bei ihnen auch am stärksten po-sitiv geladen. Gleich geladene Moleküle sto-ßen sich elektrostatisch ab, und so schlossen die Forscher, dass die Ladung die einzelnen Proteine voneinander fernhielt.

Aus der Ladung seines Myoglobins lässt sich also voraussagen, wie lange ein Tier die Luft anhalten kann. Die Forscher rekonstru-ierten deshalb die Veränderung des Myoglo-

Myoglobingehalt als Mass des TauchvermögensJe höher die Konzentration des sauerstoff- bindenden Proteins, desto dunkler das Muskelgewebe. Von links nach rechts: Schwein, Kuh, Wal. M

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SPEKTROGRAMM

bins quer über den Säugetierstammbaum der letzten 200 Millionen Jahre und ermit-telten sogar die Tauchzeiten bereits ausge-storbener Arten.

In der zweiten Studie fanden Chandra-sekhar Natarajan und Jay Storz von der Uni-versity of Nebraska in Lincoln heraus, dass Hirschmäuse in den Rocky Mountains ein an-dere Hämoglobinvariante besitzen als ihre Verwandten im Flachland der Great Plains [2]. Der Blutfarbstoff besteht aus vier Un-tereinheiten, die an insgesamt zwölf Stellen variieren können. Die Hochland-Hirschmäu-se besitzen die Kombination an Hämoglo-binketten, die den Sauerstoff am leichtes-ten bindet. Das ermöglicht den Tieren, unter dem in großen Höhen herrschenden Sauer-stoffmangel zu überleben. Im Vergleich zu dem der Flachland-Hirschmäuse benötigt das Hämoglobin der Bergbewohner für die gleiche Sättigung nur drei Viertel der Sau-erstoffkonzentration. Die anderen, weniger sauerstoffaffinen Varianten sind offensicht-lich während der Evolution der Tiere ausge-sondert worden.

Jodie Rummer und ihre Kollegen von der University of British Columbia in Vancouver beschäftigten sich mit dem Hämoglobin von Strahlenflossern wie Forellen und Lachsen

[3]. Dieses erwies sich auf Grund seiner ho-hen pH-Empfindlichkeit als besonders effek-tiv: Die Forscher maßen den Sauerstoffge-halt im Blut von Regenbogenforellen mittels implantierter Sensoren. Sie versetzten das Wasser mit Kohlendioxid und erzeugten so eine Stresssituation. Das Team beobachtete eine milde Übersäuerung des Bluts – gleich-zeitig aber erhöhte sich der Sauerstoffgehalt im Muskel um ganze 65 Prozent. Das Hämo-globin der Forellen deponierte also gerade in anstrengenden Situationen, wie etwa wäh-rend der Flucht vor einem Fressfeind, be-sonders viel Sauerstoff im Muskel. Rummer schätzt, dass auf diese Weise bei gleicher Durchblutung bis zu doppelt so viel Sauer-

Hirschmaus (Peromyscus maniculatus)Die kleinen Säugetiere konnten sich durch An-passung der Sauerstoffaffinität ihres Hämo-globins in verschiedenen Höhenlagen ansie-deln.

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K CH

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SPEKTROGRAMM

stoff in den Muskel gelangen kann. Die Stu-die löst ein lang bestehendes Rätsel der Phy-siologie: Fische schaffen es, Sauerstoff ent-gegen eines Konzentrationsgradienten, also in Richtung der höheren Konzentration, aus dem Blut in ihre Schwimmblase zu pumpen. Mit Hilfe des so genannten Root-Effekts kon-trollieren sie ihren Auftrieb und sparen beim Schwimmen Energie. Zu diesem System ge-hört allerdings ein komplexes Gefäßnetz na-mens Rete mirabile, das erst 150 Millionen Jahre später entstand als das spezielle Root-Effekt-Hämoglobin. Der Sinn des Root-Ef-fekts war also vermutlich zunächst die grö-ßere Leistungsfähigkeit der Muskeln unter Stress. Diese wiederum ist ein Grund für den enormen Erfolg der Knochenfische: Sie stel-len fast die Hälfte der Wirbeltierspezies. <

[1] Mirceta, S. et al.: Evolution of Mammalian Diving

Capacity Traced by Myoglobin Net Surface Charge. In:

Science 340 (6138), 2013

[2] Natarajan, C. et al.: Epistasis Among Adaptive Mu-

tations in Deer Mouse Hemoglobin. In: Science 340

(6138), S. 1324-1327, 2013

[3] Rummer, J.L. et al.: Root Effect Hemoglobin May

Have Evolved to Enhance General Tissue Oxygen Deli-

very. In: Science 340 (6138), S. 1327-1329 , 2013

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ALTE ÄGYPTER

Meteoriteneisen zu Schmuckperlenvon Tilmann Althaus

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Eine ägyptische Schmuckperle aus meteoritischem EisenRund 5300 Jahre alt ist diese stark korro-dierte Schmuckperle aus meteoritischem Eisen. Das linke obere Teilbild zeigt die rund zwei Zentimeter lange Perle im sichtbaren Licht, darunter ist eine Karte im Röntgen-licht zu sehen. Rötliche Farbtöne geben stark eisenhaltiges Material wieder, blaue nickelreiches. Das rechte obere Teilbild ist ein Computerröntgentomogramm der Per-le und erlaubt einen Einblick in ihre innere Struktur. Im Teilbild darunter wurde das Datenmaterial der Röntgentomografie so verarbeitet, dass der restliche Metallanteil der Perle als silberne Flecken erkennbar ist. Die Perle enthält nur noch 2,4 Prozent des ursprünglichen Metalls, der Rest sind Eisen-oxide, also Rost.

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SPEKTROGRAMM

Ein Forscherteam um Diane Johnson von der britischen Open University in Mil-

ton Keys untersuchte neun stark korrodierte, 5300 Jahre alte Metallperlen aus Ägypten und stellte anhand eines Exemplars zweifelsfrei fest, dass sie aus meteoritischem Eisen gefer-tigt wurden. Sie sind damit die ersten Belege für die Verarbeitung von Eisen im alten Ägyp-ten, denn frühestens um das Jahr 600 v. Chr. lassen sich Hinweise auf die Gewinnung von metallischem Eisen durch die Verhüttung von Erzen in dieser Region finden.

Die Perlen dienten Schmuckzwecken und wurden in zwei Gräbern in der Region Ger-zeh, 70 Kilometer südlich von Kairo, gefun-den. Ausgegraben wurden sie schon vor mehr als 100 Jahren. Sie befinden sich heute in der Sammlung des Manchester Museum und fan-den lange Zeit relativ wenig Beachtung. Un-tersuchungen im Jahr 1928 hatten bereits ers-te Hinweise auf einen kosmischen Ursprung des verwendeten Materials ergeben, der in den folgenden Jahrzehnten jedoch immer wieder angezweifelt wurde. Um sich endgül-tig Klarheit zu verschaffen, untersuchten die Forscher nun eine der neun Perlen mit moder-nen zerstörungsfreien Analyseverfahren, wo-bei sich auch feststellen ließ, wie die Perlen angefertigt wurden. Ihre Hersteller schmie-

deten sie nicht im Feuer, sondern hämmerten kleine Bruchstücke des Meteoriteneisens kalt zunächst zu flachen Blechen. Diese bogen sie wiederum zu kleinen Hohlzylindern, die etwa zwei bis drei Zentimeter lang und etwa einen halben Zentimeter dick sind.

Mittels eines Rasterelektronenmikroskops mit angeschlossener Röntgenanalyseeinheit bestimmten die Wissenschaftler die Zusam-mensetzung der Oberfläche der Perle, und mit einem Computerröntgentomografen, ähnlich wie er in der medizinischen Diagnostik einge-setzt wird, ließ sich der innere Aufbau im De-tail erkunden. Es zeigte sich, dass Luft und Was-ser der Perle in den letzten 5300 Jahren heftig zugesetzt hatten. Sie besteht heute zum größ-ten Teil aus Eisenoxiden, und nur noch 2,4 Pro-zent des ursprünglichen Metalls sind erhalten.

Die Röntgenanalytik belegt in den Metall-resten hohe Nickelgehalte von bis zu 30 Ge-wichtsprozent. Solch hohe Gehalte sind nur in Eisenmeteoriten üblich und weisen auf das Mineral Taenit oder Bandeisen hin. Zudem ließen sich in den Metallresten feine Lamel-len beobachten, die weniger als 0,2 Millime-ter breit sind. Es sind so genannte widmann-stättensche Figuren, die sich nur in Meteori-ten finden. Sie entstanden, als in der Frühzeit des Sonnensystems vor rund 4,6 Milliarden

Jahren eine Schmelze aus Eisen und Nickel im Inneren von Asteroiden langsam abkühlte und dabei über Millionen von Jahren hinweg auskristallisierte. Dabei kam es zur Bildung ei-nes feinmaschigen kristallinen Netzwerks aus Eisenmineralen. Sie bestehen aus Eisen-Ni-ckel-Legierungen und weisen unterschiedli-che Zusammensetzungen auf. Nach der Form und Orientierung der Lamellen ordneten die Forscher den ursprünglichen Meteoriten der Klasse der feinen Oktaedrite zu.

Die Verwendung meteoritischen Materi-als war nur Personen der Oberschicht einer Gesellschaft vorbehalten. Es ist sehr selten, war zur damaligen Zeit schwierig zu verarbei-ten und fällt zudem aus dem Himmel. Derart kostbare Gebilde wurden oft als Geschenke der Götter angesehen. Sie sollten dem hoch-gestellten Verstorbenen als Grabbeigabe ei-nen guten Übergang ins Jenseits garantie-ren. Beispiele für die Verwendung meteori-tischen Eisens finden sich auch in späteren Funden aus Ägypten. Im Grabschatz des be-rühmten Pharaos Tutanchamun fanden sich unter anderem ein Säbel und 16 Miniatur-klingen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus meteoritischem Eisen bestehen. <

Meteoritics & Planetary Science 1-10, 2013

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SPEKTROGRAMM

TUMORFORSCHUNG

Megamolekül schützt Nacktmulle vor Krebs

von Jan Osterkamp

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SPEKTROGRAMM

Nacktmulle (Heterocephalus glaber) ver-fügen augenscheinlich über eine sa-

genhaft effektive Krebsabwehr: Obwohl die Tiere überdurchschnittlich lange leben, ent-wickeln sich kaum jemals Tumoren in ihren verschiedenen Körpergeweben, wie Lang-zeitbeobachtungen bestätigen. Forscher um Vera Gorbunova von der University of Ro-chester vermuteten bereits, dass die Zellen im Nacktmullgewebe sich gegenseitig über-wachen und ein mögliches Entarten früh un-terbinden können. Nun glauben sie auch zu wissen, wie der dahinterstehende Kontroll-mechanismus arbeitet: In der Haut vermit-telt ein extrazelluläres Riesenmolekül.

Den Forschern war aufgefallen, dass ein bestimmtes kettenförmiges Zuckermolekül – das Hyaloronsäure-Glykosaminoglykan, ein wichtiger Bestandteil der so genannten extrazellulären Matrix zwischen den Zellen etwa der Haut – in Nacktmullen rund fünf Mal größer ist als in Menschen oder Mäu-sen. Dies liegt vor allem daran, dass die Her-stellung der Hyaloronsäure (HA) mit einem veränderten Spezialenzym erfolgt und HA-abbauende Enzyme in den Tieren weniger aktiv sind. Die riesenhaften Matrixketten halten nun offenbar einzelne Zellen in enge-

Nacktmulle im BauZwei Nacktmulle im Bau: Die Nager können 30 Jahre alt wer-den – während die etwa gleich großen und schweren Haus-mäuse nach spätestens vier Jahren sterben. In seiner langen Lebenszeit ist das Tier zudem gut gegen Krebs geschützt. Selbst bei einer über 15 Jahre laufenden Langzeitbeobachtung einer Nacktmullkolonie im Zoo ist Forschern nie ein Tumor aufgefallen.

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SPEKTROGRAMM

rem Kontakt. So ermöglichen sie, dass schon in der Frühphase einer Entartung Alarm ge-geben und diese in der Anfangsphase ge-stoppt werden kann.

Den Alarmmechanismus hatten die For-scher zuvor early contact inhibition (ECI, etwa »Frühkontakthemmung«) getauft: Er sorgt dafür, dass Zellen Wachstum und Tei-lungsrate schon in einem frühen Stadium bremsen. Ausgelöst wird die ECI aber ab ei-ner bestimmten Schwellendichte, die über die extrazelluläre Matrix vermittelt wird. Der Mechanismus kommt bei Nacktmul-len wie Mäusen vor – in Letzteren reagiert

er aber erst bei viel dichter gepackten Ge-weben, womöglich, spekulieren die Forscher, eben auch wegen der insgesamt kürzeren Matrix-HA-Ketten.

Experimentell veränderte Nacktmul-le mit kurzen HA erwiesen sich im Versuch der Forscher tatsächlich als tumoranfällig. Als Schnittstelle zwischen den langen Mat-rixketten und den einzelnen Zellen machte das Team den Rezeptor CD44 aus: Wird diese HA-Andockstelle blockiert, so verhindert das ebenso den früh bremsenden ECI-Mechanis-mus im Gewebe. Der Eingriff sorgt zudem dafür, dass die sonst wenig tumoranfälligen

Nacktmullzellen nun gegen onkogene Vi-ren sensibel werden. Die typische Form der Nacktmull-HA könnte im Lauf der Evolution übrigens durchaus auch aus anderen Grün-den als der Tumorabwehr evolviert sein, mei-nen Gorbunova und Kollegen. Denn Haut und oberes Bindegewebe der Mulle sind mit den langkettigen HA-Ketten auch deutlich elastischer und verformbarer, was ein Vorteil bei Leben unter der Erde sein kann, wo man sich häufiger durch ausgeprägte Engpässe quetschen muss. <

Nature 10.1038/nature12234, 2013

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SPEKTROGRAMM

SÜDAFRIKANISCHE STEINZEIT

Kulturelle Blüte auch ohne Bevölkerungswachstum

von Jan Dönges

Perforierte ReusenschneckenDie perforierten Schalen der Reu-senschnecke Nassarius kraussia-nus aus der südafrikanischen Blombos-Höhle sind mit einem Alter von 75 000 Jahren vermutlich die ältesten Perlen der Mensch-heitsgeschichte.

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SPEKTROGRAMM

R ichtig los ging es mit der kulturellen Ent-wicklung des modernen Menschen erst

ab einer Zeit vor 50 000 Jahren – zeitgleich mit dem Auszug aus Afrika begann der Homo sapiens mit der Anfertigung von fortschritt-lichen Werkzeugen, Kunst und Schmuck. Be-reits mehrere zehntausend Jahre davor las-sen sich in Südafrika immer wieder Ansät-ze von quasimodernem Verhalten erkennen, die jedoch nur von kurzer Dauer waren. Als wahrscheinlichste Erklärung für diese Früh-reife diskutieren Forscher eine zeitweise Er-höhung der Bevölkerungsdichte, die ein Kli-ma schuf, in dem Innovationen und ihre Weitergabe an die nächste Generation be-günstigt wurden.

Leider kann die Bevölkerungsdichte nur indirekt aus dem Fundmaterial erschlossen werden, entsprechend viel Spielraum für Diskussionen besteht. Richard Klein von der Stanford University und Teresa Steele von der University of California in Davies wider-sprechen nun der verbreiteten Erklärung, nachdem sie die Bevölkerungsentwicklung anhand der Größe von Muschel- und Mee-resschneckenschalen abschätzten.

Die Überreste sind in Abfallhaufen in recht großer Zahl vorhanden, sehr wahr-

scheinlich weil die Tiere von den Küstenbe-wohnern aus der Gezeitenzone abgesam-melt und gegessen wurden. Würden nun in einer Region besonders viele Menschen le-ben, so die Überlegung der beiden Forscher, würden auch besonders viele Meeresfrüch-te gesammelt. Dieser Druck müsste dafür sorgen, dass die Größe der Schalen im Mittel abnimmt – die Tiere werden gesammelt, be-vor sie ein hohes Alter erreichen.

Für ihre Auswertung verglichen sie durch-schnittliche Muschelschalengrößen aus der Zeit vor rund 50 000 Jahren – der afrikani-schen »Late Stone Age«, in die der dauer-hafte kulturelle Aufschwung fällt (in Euro-pa: Jungpaläolithikum) – mit der Zeitspanne davor, der »Middle Stone Age«, die vor gut 200 000 Jahren begann. Ergebnis: In der frü-hen Phase waren die Schalen merklich grö-ßer als in der späteren Epoche.

Das deutet nach Meinung der Forscher darauf hin, dass ein nennenswertes Bevöl-kerungswachstum ausschließlich in der spä-teren Phase stattgefunden hat. Nur damals seien genügend Leute vor Ort gewesen, um die Schalentiere zu beeinflussen. Die frü-he Blüte lasse sich infolgedessen nicht über eine Bevölkerungszunahme erklären. Wech-

selnde klimatische Bedingungen könnten nicht als Grund für die Veränderungen in der Schalengröße herhalten. Eine alternati-ve Idee, warum es auch ohne Bevölkerungs-zunahme zu der frühen Blütezeit kommen konnte, bieten Klein und Steele allerdings nicht an. <

Proc. Natl. Acad. Sci. 10.1073/pnas.1304750110, 2013

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KOSMOGONIE

Exoplanet in Staubscheibe um jungen Stern?

von Tilmann Althaus

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SPEKTROGRAMM

Ein Forscherteam um John H. Debes vom Space Telescope Science Institute in Bal-

timore, Maryland, stellte kürzlich Infrarot-beobachtungen vor, die in der Staubscheibe des Sterns TW Hydrae eine ausgeprägte Lü-cke zeigen. Die Astronomen vermuten, dass sich hier möglicherweise ein Planet bildet oder schon befindet.

Mit einer Entfernung von rund 176 Licht-jahren ist uns der Stern TW Hydrae relativ nahe. Zudem ist die ihn umgebende Staub-scheibe so günstig orientiert, dass wir qua-si »von oben« auf sie blicken – hervorragen-

de Bedingungen für Astronomen, die inner-halb der Scheibe nach Details fahnden, um die Rätsel der Planetenentstehung zu ent-schlüsseln. Die nun mit dem Weltraumteles-kop Hubble entdeckte Lücke ist vom Zentral-gestirn TW Hydrae rund 80-mal so weit ent-fernt wie die Erde von der Sonne, ihre Breite beträgt ein Viertel dieses Abstands.

Innerhalb der Lücke gibt es nur etwa ein Drittel so viel Staub wie in den übrigen Be-reichen der Scheibe. Um dies erklären zu können, verfolgten die Astronomen ver-schiedene Lösungsansätze, darunter die

Möglichkeit, dass hier ein Übergang zu un-terschiedlichen Zusammensetzungen und Korngrößen in der Staubscheibe stattfindet, oder aber, dass ein gerade entstandener Pla-net hier seine Runden zieht. Er würde mit seiner Schwerkraft das Scheibenmaterial an sich ziehen und nach und nach sein Umfeld von Staub freiräumen. Die Lücke könnte je-doch auch durch eine Spiralstruktur in der Scheibe vorgetäuscht werden, die sich in den Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble und erdgebundener Teleskope gerade nicht mehr räumlich auflösen lässt.

Eine Lücke in der StaubscheibeMit dem Weltraumteleskop Hubble gelang diese Abbildung der Staubscheibe um TW Hy-drae im nahen Infraroten. In einem Abstand von 80 Astronomischen Einheiten lässt sich eine Lücke in der Scheibe erkennen (linkes Teil-bild), die möglicherweise durch die Schwer-kraft eines Planeten verursacht wird. Die Gra-fik rechts verdeutlicht die Größenverhältnisse.

NASA, ESA, JOHN DEBES (STSCI), HANNAH JANG-CONDELL (UNIVERSITY OF WYOMING), ALYCIA WEINBERGER (CARNEGIE INSTITUTION OF WASHINGTON), AKI ROBERGE (GODDARD SPACE FLIGHT CENTER), GLENN SCHNEIDER (UNIVERSITY OF ARIZONA/STEWARD OBSERVATORY), UND A. FEILD (STSCI/AURA)

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SPEKTROGRAMM

TW Hydrae im Vergleich zum SonnensystemDie Staubscheibe um TW Hydrae (oben) nimmt sich im Vergleich zu unserem Sonnensystem (un-ten) riesig aus. Die große Lücke in der Scheibe, in der sich mögli-cherweise ein Planet befindet, ist rund 2,6-mal so weit vom Zen-tralgestirn entfernt wie der Pla-net Neptun von der Sonne.

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Die Astronomen um Debes bevorzugen jedoch einen Planeten als Erklärung für ihre Beobachtungen. Allerdings bereitet dies den Planetenphysiker Kopfzerbrechen. Bei einer angenommenen Masse zwischen 6 und 28 Erdmassen ist davon auszugehen, dass es sich um einen Gasplaneten ähnlich Jupiter handelt. Die bevorzugten Entstehungsmo-delle für eine solche Welt gehen davon aus, dass sich zunächst ein Kern aus festen Ma-terialien wie Silikatmineralen und Wasse-reis bildet. Bei Überschreiten einer gewis-sen Grenzmasse zieht dieser alles Materi-al in seiner näheren Umgebung an sich und wächst dabei rasch.

Im Fall von Jupiter in unserem Sonnensys-tem dauerte dieser Vorgang rund zehn Mil-lionen Jahre. Aber in dem viel größeren Ab-stand der Lücke zum Stern, wo sich die Par-tikel deutlich langsamer bewegen, würde dieser Vorgang rund 200-mal länger dauern, also bis zu zwei Milliarden Jahre. Allerdings zeigen spektroskopische und andere Unter-suchungen, dass TW Hydrae nur etwa acht Millionen Jahre alt ist. Erschwerend kommt für die Planetenphysiker hinzu, dass sich im Abstand der Lücke von TW Hydrae und jen-seits davon nur feinkörniges Material befin-

det, so dass es schwierig wäre, einen festen Kern zu bilden.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass sich der Planet durch eine lokale gravitative In-stabilität in der Scheibe zusammenballte – dieser Vorgang benötigt nur wenige tau-send Jahre. Allerdings sagen die Modelle vo-raus, dass sich dann Gasplaneten von ein bis zwei Jupitermassen (also rund 300 bis 600 Erdmassen) bilden würden. Sollte sich durch weitere Beobachtungen der Lücke um TW Hydrae tatsächlich ein Planet sicher nach-weisen lassen, so würde dies reichlich Arbeit für die Planetenphysiker bedeuten.

Übrigens wurde bereits vor rund fünf Jah-ren ein Planet um TW Hydrae postuliert. Er soll den Stern in einer Distanz von nur vier Prozent des Abstands Erde-Sonne und inner-halb von rund hundert Stunden umlaufen. Somit würde er zur Klasse der heißen Jupiter gehören. Dagegen führten andere Astrono-men die beobachteten Effekte auf Sternfle-cken zurück. Derzeit gilt dieser innere Planet als nicht gesichert, eine Entscheidung hierzu steht nach wie vor aus. <

Originalarbeit: Debes, J. H. et al., The Astrophysical

Journal 771:45, 2013

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SPEKTROGRAMM

EUROPÄISCHE BESIEDLUNGSGESCHICHTE

Rätselhafte Schnecken-Connection zwischen Irland und den Pyrenäen

von Jan Dönges

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Besuchten steinzeitliche Seefahrer aus Südfrankreich schon vor rund 8000 Jah-

ren die irische Küste? Das legt jetzt eine ak-tuelle Studie nahe. Wichtigstes Beweisstück eines Forscherduos ist ein unscheinbares Mitbringsel: landlebende Gehäuseschne-cken der Art Cepaea nemoralis.

Die zu Deutsch auch Hain-Bänderschne-cke genannten Tiere sind über einen Groß-teil Westeuropas verbreitet. Bestimmte Va-rianten allerdings, die eine helle statt einer dunklen Mündung aufweisen, sind nur auf zwei Regionen beschränkt: Irland einerseits und den Pyrenäenraum sowie Kantabrien andererseits. Dass die Schnecken aus bei-den Gegenden auch tatsächlich eng mitein-ander verwandt sind, haben nun Adele Grin-don und Angus Davison nachgewiesen.

Schnelle Reise nach IrlandIrische Hain-Bänderschnecken stammen offen-bar aus den Pyrenäen, aber genetische Verän-derungen, die auf eine langsame Migration auf dem Landweg hindeuten würden, lassen sich nicht dingfest machen – demnach könnten die Tiere womöglich von mittelsteinzeitlichen Ein-wanderern verschleppt worden sein.

ERBSENSUPPE / CC-BY-SA 3.0 (CC BY-SA)

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SPEKTROGRAMM

Die Forscher der University of Notting-ham betrachteten dazu einen Abschnitt der mitochondrialen DNA verschiedener Exem-plare aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Tiere und erstellten daraus einen Stamm-baum [1]. Ergebnis war schließlich die ge-meinsame Abstammung von Hain-Bänder-schnecken aus den Pyrenäen und Irland. Im benachbarten Großbritannien leben Schne-cken einer anderen Abstammungslinie.

Da archäologische Funde von Schnecken in Irland auf ein Alter von rund 8000 Jahren datiert werden können, scheint es sich nicht um eine neuzeitliche Verschleppung zu han-deln. Stattdessen müssen die Tiere bereits in der Mittelsteinzeit auf die Insel gekommen sein – und zwar mit der Hilfe menschlicher Einwanderer. Das sei jedenfalls die einfachs-te Erklärung, argumentieren Grindon und Davison.

Auch andere Tiere Irlands haben Ahnen weit im Süden. So beobachteten Forscher vor einigen Jahren erstaunliche genetische Übereinstimmungen zwischen Zwergspitz-mäusen (Sorex minutus) aus Irland und An-dorra. Diese Tiere mussten ebenfalls nach Ende der letzten Eiszeit auf die Insel gekom-men sein [2, 3].

Die Connection zwischen der Fauna Ir-lands und dem spanisch-französischen Grenzgebiet ist Biologen schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Die zahlrei-chen Arten, die denen im Süden ähneln, wer-den als »lusitanische Arten« zusammenge-fasst. Wie dies unerklärliche Phänomen zu Stande kommt, das bereits mit Namen wie »die irische Frage« oder »pygmy shrew syn-drome« (»Zwergspitzmaussyndrom«) be-legt wurde, ist eine offene Frage.

Die Tiere kamen wohl grob zur selben Zeit auf die Insel, als Irland nach der letz-ten Kaltzeit wieder bewohnbar wurde und auch von Menschen besiedelt wurde. Lei-der ist aus archäologischen Untersuchun-gen über diese Zeit nur wenig bekannt. Kla-re kulturelle Verbindungen zwischen Irland und der spanisch-französischen Atlantikküs-te lassen sich für das irische Mesolithikum, die Zeitspanne zwischen dem Ende der Alt-steinzeit und der Einführung des Ackerbaus in der Jungsteinzeit, nicht herstellen. Oben-drein ist nicht sicher, ob den damaligen Be-wohnern Südeuropas überhaupt längere Seefahrten zugetraut werden können. Aber dass beispielsweise die Schnecken, die seit der Steinzeit als Nahrungsquelle dienten,

natürliche Verbreitungswege eingeschlagen haben oder von Vögeln verschleppt wurden, ist ebenso unwahrscheinlich.

Als genaue Herkunftsregion der irischen Hain-Bänderschnecken geben Grindon und Davison das Gebiet um Toulouse an, damit stammen sie aus einer Gegend, die weit ent-fernt vom Atlantik liegt. Allerdings habe die Garonne, die parallel zu den Pyrenäen in den Atlantik fließt, seit jeher als Fernhandels-straße zwischen Mittelmeer und Atlantik gedient – womöglich nutzten sie auch jene reiselustigen Menschen der Mittelsteinzeit, die mit ihren Booten schließlich bis nach Ir-land gelangten. <

[1] PloS One 8, e65792, 2013

[2] Proc Biol Sci. 270, S. 1593–1599, 2003

[3] Biol J Linn Soc 97, S. 918–927, 2009

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SPEKTROGRAMM

PLATTENTEKTONIK

Schrumpft der Atlantik bald wieder?von Daniel Lingenhöhl

Portugal bei NachtNein, das ist kein Anzeichen tektonischer Aktivität auf der Iberischen Halbinsel: Es zeigt Spanien und Portugal bei Nacht aus der ISS fo-tografiert. Vor der Küste der Halbinsel scheint sich jedoch ein Tiefseegraben zu öffnen.

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SPEKTROGRAMM

Gegenwärtig entfernen sich Nordameri-ka und Europa um zwei bis drei Zenti-

meter pro Jahr, weil entlang des Mittelozea-nischen Rückens im Nordatlantik eine neue ozeanische Kruste entsteht: Sie drückt die beiden Kontinente quasi voneinander weg. Es ist jedoch keineswegs ausgemacht, dass die Nordamerikanische Platte in geologi-scher Zukunft mit Ostasien kollidiert – ge-nauso gut ist es möglich, dass sich der Oze-an zwischen Alter und Neuer Welt wieder schließt. Hinweise darauf liefert eine Art »embryonaler« Subduktionszone, die João Duarte von der Monash University in Mel-bourne und Kollegen vor der Küste Portugals ausfindig gemacht haben.

Es wäre der erste Fund, der belegt, dass so genannte passive Kontinentränder – hier findet keine plattentektonische Aktivität statt – im Atlantik wieder aktiv werden kön-nen. Entdeckt haben die Geologen diese be-ginnende Subduktionszone, als sie den Mee-resboden vor der Westküste der Iberischen

Halbinsel kartierten. Dabei stießen sie auf geologisch junge Brüche und Verwerfungsli-nien, die beim Abtauchen von schwerer oze-anischer Erdkruste unter die leichtere konti-nentale Kruste entstehen. »Größere Erdbe-benaktivität – inklusive der Katastrophe von Lissabon 1755 – deutete bereits an, dass kon-vergente Plattenbewegungen in der Region stattfinden könnten. Nun können wir dies erstmals tatsächlich belegen«, so Duarte.

Der entstehende Graben, in den der at-lantische Tiefseeboden abtaucht, könnte da-mit einen neuen Abschnitt im so genannten Wilson-Zyklus einläuten: Er beschreibt, wie Superkontinente – etwa Pangäa – durch tek-tonische Kräfte auseinandergerissen wer-den und sich neue Ozeane bilden: ein Pro-zess, der gegenwärtig zum Beispiel am Horn von Afrika abläuft. Das Auseinanderdriften geht im Lauf der Zeit in eine stabile Pha-se über, bevor sich schließlich mit dem Ent-stehen neuer Subduktionszonen die Mee-re erneut schließen und die Kontinente zu-

sammenstoßen. Verantwortlich hierfür sind Konvektionsströme im heißen Erdmantel, die durch ihre Bewegung die Plattentekto-nik der Kruste darüber antreiben.

In Echtzeit beobachten kann man die-se Entwicklung allerdings nicht: Es werde schätzungsweise 20 Millionen Jahre dau-ern, bis die Subduktionszone vor Portugal richtig aktiv werde, so die Geologen. Weitere 220 Millionen Jahre dürfte es dauern, bis die Iberische Halbinsel beispielsweise auf Flori-da trifft und sich Eurasien und Nordamerika wieder zu einem Superkontinent vereinen. Mindestens dreimal in der Erdgeschichte entstanden und vergingen diese Superkon-tinente durch die Kräfte der Erddynamik. <

Geology 10.1130/G34100.1, 2013

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TITELTHEMA: MASERN

»Schon ein Infizierter im Zimmer reicht«von Stefanie ReinbergerDie Masern sind zurück. In München und Berlin häufen sich derzeit die Fälle. Der Mediziner Ole Wichmann, Leiter des Fachreferats Impfprävention des Robert Koch-Instituts in Berlin, erklärt im Interview mit Spektrum.de, weshalb es immer wieder zu Ausbrüchen und Epidemien kommt, welche Risiken das für den Einzelnen mit sich bringt und welche gesundheitspolitischen Konsequenzen entstehen.

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Page 34: Spektrum Die Woche No 25 2013

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Herr Dr. Wichmann, in München und Ber-lin häufen sich in letz-ter Zeit die Masernfälle. Kann man hier bereits

von einer Epidemie sprechen?

Eine richtige Definition, wann man von ei-

nem Ausbruch spricht und wann von ei-

ner Epidemie, gibt es eigentlich nicht. Oft

wird der Begriff Epidemie bei einem gro-

ßen Ausbruch verwandt, wobei der Über-

gang fließend ist. In der aktuellen Situati-

on würden wir als Epidemiologen von ei-

nem lokal begrenzten Ausbruch sprechen.

Wie ernst ist die aktuelle Situation zu beurteilen?

Wir betrachten diese Entwicklung schon als

sehr ernst, vor allem vor dem Hintergrund,

dass wir das gesundheitspolitische Ziel ha-

ben, bis 2015 die Masern in Europa zu eli-

minieren. Von daher müssen auch wir in

Deutschland unseren Beitrag dazu leisten.

Aber leider ist die Bundesrepublik eines

der Länder, in denen die Masern noch re-

lativ häufig vorkommen. Wir sind dadurch

auch für Infektionsexporte in andere Län-

der und Regionen verantwortlich. Das kann

dann ebenso den amerikanischen Konti-

nent betreffen, wo die Masern eigentlich

seit 2002 eliminiert sind. 2009 gab es ei-

nen Fall, bei dem eine infizierte Person Ma-

sern aus Deutschland nach Bulgarien ex-

portierte und dort einen großen Ausbruch

auslöste mit über 24 000 Erkrankten und

24 Todesfällen.

Müssen wir also damit rechnen, dass sich die Masernherde von Mün-chen und Berlin aus auch auf andere Regionen Deutschlands ausweiten?

Die Masern sind eine unheimlich anste-

ckende Krankheit. Bei einer ungeschützten

Person reicht es schon, dass sich ein Infi-

zierter im Zimmer befindet, um sich anzu-

stecken. Wenn nun infizierte Menschen aus

München oder Berlin in andere Regionen

reisen und dort auf ungeschützte Perso-

nen treffen, besteht das Risiko einer Über-

tragung und Weiterverbreitung. Das Glei-

che gilt natürlich für Reisende in die Ge-

biete mit Masernausbrüchen, sofern diese

nicht geimpft sind. Deswegen ist es durch-

aus denkbar, dass sich die Ausbrüche in

Berlin und München noch auf weitere Teile

Ole Wichmannist Leiter des Fachgebiets Impfprävention am Robert Koch-Institut und Privatdozent an der Charité in Berlin.

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Page 35: Spektrum Die Woche No 25 2013

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Deutschlands erstrecken – je nachdem, wie

gut dort die Durchimpfungsrate ist.

Gibt es dabei denn so große regionale Unterschiede?

Ja, die gibt es. Wir wissen, dass der Südwes-

ten Deutschlands besonders große Impflü-

cken hat, Bayern, Baden-Württemberg und

Berlin leider auch, während sich im Osten

– außerhalb Berlins – die Impfquoten in ei-

nem Bereich befinden, in dem mit keiner

großen Weiterverbreitung zu rechnen ist,

falls einzelne Masernfälle auftreten. Hier

haben wir schon fast die Elimination er-

reicht.

Sie erwähnten schon mehrfach das er-klärte Ziel, die Masern zu eliminieren. Ist das überhaupt möglich? So könnten doch Fledermäuse ein Virusreservoir sein.

Das ist ein Missverständnis. Es wurden in

Fledermäusen masernähnliche Viren ent-

deckt, aber definitiv keine menschlichen

Masernviren. Fledermäuse stellen daher in

keiner Weise ein Reservoir für die mensch-

lichen Masern dar. Dass aber die Ausrot-

tung tatsächlich funktionieren kann, zeigt

der amerikanischen Kontinent, also nicht

nur Nord-, sondern ebenso Südamerika,

wo die Masern eliminiert wurden. Und

in einzelnen Ländern Europas, zum Bei-

spiel in den skandinavischen Ländern, ist

dies durch entsprechende Strategien eben-

falls gelungen. Deswegen haben wir keinen

Zweifel, dass diese Maßnahme biologisch

und technisch möglich ist.

Also sind Impflücken die einzige Ursache dafür, dass Masern immer wieder auftreten?

Das Schöne an der Epidemiologie der Ma-

serninfektion ist: Wir sehen momentan

keinerlei Tendenzen, dass der Impfschutz

verloren geht – selbst nach 30 oder 40 Jah-

ren nicht. Und es treten keine Virusstäm-

me auf, die die Impfung nicht abdeckt. Aber

das Virus ist so infektiös, dass es Impflü-

cken findet. Dieses Jahr gab es in Deutsch-

land bereits mehr als 900 Fälle. 85 Prozent

der Infizierten waren ungeimpft, bei den

verbleibenden 15 Prozent haben die meis-

ten nur eine Impfdosis erhalten. Nur ein

Prozent sind so genannte Impfversager,

bei denen die notwendigen zwei Impfdo-

sen keinen Schutz bewirken konnten.

Wo entstehen diese Impflücken?

Wir erkennen ganz klar, wo die Impflücken

auftreten: Bei der Schuleingangsuntersu-

chung sehen wir, dass 92 Prozent der Kin-

der zwei Impfdosen bekommen haben und

fast 97 Prozent immerhin eine. In dieser

Altersgruppe sind wir mit den Impfquo-

ten sehr zufrieden. Das Ziel der WHO ist es,

95 Prozent mit zwei Impfungen zu errei-

chen. Das Problem bei uns entstand vor 15

bis 25 Jahren, als die Impfbereitschaft nied-

riger war – unter anderem weil durch die

Impfungen seit den 1970er Jahren wesent-

lich weniger Maserninfektionen auftra-

ten. Durch die selteneren Ausbrüche ha-

ben sich viele der Ungeimpften nicht auf

natürlichem Weg infiziert, wodurch wir

heute zahlreiche für das Virus empfäng-

liche Jugendliche und junge Erwachsene

haben. Gerade diese Altersgruppe ist sehr

mobil und fördert damit die Verbreitung

des Virus bei einem Ausbruch. Ein großes

Ziel ist daher, diese Impflücke zu schlie-

ßen. Zudem hat es wie bei anderen Imp-

fungen erst einmal lange Jahre gebraucht,

bis die hohen Impfquoten erreicht wur-

den, und die zweite Impfdosis wurde au-

ßerdem erst 1991 eingeführt.

Page 36: Spektrum Die Woche No 25 2013

36

ImpfpassSeit 40 Jahren existiert ein be-währter Impfstoff gegen Masern. Dennoch gibt es auch hier zu Lan-de noch größere Impflücken, die zumindest regionale Masernaus-brüche begünstigen.

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Page 37: Spektrum Die Woche No 25 2013

37

Welche Rolle spielen Ängste vor der Impfung, und wie können Sie den Eltern diese nehmen?

Wir haben 2006 in Nordrhein-Westfalen im

Rahmen eines größeren Ausbruchs Eltern

befragt, warum Kinder nicht geimpft sind.

Meist war die Antwort, dass es vergessen

wurde. Es gibt natürlich Personen, die Be-

denken wegen möglicher Nebenwirkungen

haben. Aber das ist die Minderheit, denke

ich. Die Daten zur Wirksamkeit und Sicher-

heit des Vakzins sind bei der Masern- und

Rötelnimpfung so gut, dass man eigentlich

im Gespräch zwischen Arzt und Eltern die

Bedenken ausräumen kann. Wir verfügen

über 40 Jahre Erfahrung mit dem Impf-

stoff. Was für große Unsicherheit bei Laien

gesorgt hat, war eine Studie, die einen Zu-

sammenhang zwischen der Impfung und

Autismus beschrieben hatte. Diese Studie

wurde mittlerweile von Lancet zurückgezo-

gen – dem Journal, das sie publiziert hatte.

Sie war nicht nur wissenschaftlich fragwür-

dig, sondern es gab zudem einen Interes-

senskonflikt des Autors. Aber die Gerüchte

darum kursieren natürlich noch im Inter-

net, obwohl es mehrere groß angelegte Stu-

dien gab, die das Gegenteil beweisen.

Abgesehen von gesundheitspolitischen Aspekten und Impfstrategien. Welche Risiken bestehen durch die aktuellen Ausbrüche für die Bevölkerung? Gibt es Gruppen, für die eine Maserninfektion besonders gefährlich ist?

Zu den Komplikationen einer Masern-

infektion gehören Mittelohr-, Lungen-

und sogar Gehirnentzündungen. Auch

in Deutschland verläuft im Durchschnitt

eine von 1000 Erkrankungen durch das

Virus tödlich. Besonders gefährdet für ei-

nen schweren Verlauf sind Säuglinge un-

ter einem Jahr und Personen mit einem

geschwächten Immunsystem. Zudem be-

steht bei Erwachsenen ein höheres Risiko

für Komplikationen als bei Kindern. Vor al-

lem aber kann es gerade bei sehr jungen

Babys zu einer schweren und tödlichen

Gehirnerkrankung kommen, der subaku-

ten sklerosierenden Panencephalitis, kurz

SSPE. Und Säuglinge unter einem Jahr kön-

nen nicht geimpft werden. Sie sind also in

ganz besonderem Maß darauf angewie-

sen, dass die Bevölkerung um sie herum

geimpft wurde. Denn dann sind sie durch

den so genannten Herdeneffekt ebenfalls

geschützt.

Was kann der Einzelne tun, um sich und seine Familie zu schützen, wenn es in seinem Umfeld bereits zu einem Masernausbruch gekommen ist?

Man kann sich immer noch impfen lassen

– sogar bis zu drei Tage später, nachdem

man wissend Kontakt zu einer infizierten

Person hatte. Die Inkubationszeit bei Ma-

sern beträgt zirka 10 bis 14 Tage, so dass der

Immunschutz durch die Impfung das Aus-

brechen der Krankheit quasi noch überho-

len kann. Je länger man wartet, desto ge-

ringer ist natürlich die Chance, dass die

Impfung noch nutzt. Aber selbst, wenn es

dann doch zu einem Krankheitsausbruch

kommt, kann der Verlauf noch abgemil-

dert werden. Ich kann daher nur dazu ra-

ten, den eigenen Impfschutz zu überprü-

fen. Wer zwei Impfungen bekommen hat,

gilt als geschützt. Der Impfschutz hält ein

Leben lang. Wer nur eine oder keine Imp-

fung hatte und auch nicht mit Sicherheit

sagen kann, dass er eine Maserninfektion

durchgemacht hat, sollte den Hausarzt auf-

suchen und sich impfen lassen. Ich würde

das auf alle Fälle so machen. <

Vielen Dank für das Gespräch.

Page 38: Spektrum Die Woche No 25 2013

38

CHEMIEWAFFEN

Tödlicher Einsatz in Syrien?von Declan ButlerIn Syrien sollen chemische Kampfstoffe wie Sarin eingesetzt worden sein. Für die USA wäre das ein Anlass, militärisch einzugreifen. Was lange nur ein Verdacht war, scheint jetzt durch Analysen bestätigt zu werden.

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Page 39: Spektrum Die Woche No 25 2013

39

Unabhängige Experten für

chemische Waffen hal-

ten die Behauptung der

USA, Großbritannien und

Frankreichs für glaubwür-

dig, dass die syrische Regierung derartige

Kampfmittel gegen die Rebellen im Land

eingesetzt habe. Allerdings betonen sie

auch, wie schwer solche Aussagen zu be-

werten sind, solange nicht mehr Details da-

rüber bekannt sind, woher die Daten stam-

men und worauf sich die Analysen der drei

Regierungen stützen.

Am 13. Juni erklärte die US-Regierung,

die amerikanischen Geheimdienste hätten

nun »hohe Gewissheit«, dass die syrische

Regierung mehrmals im letzten Jahr che-

mische Kampfstoffe wie Sarin eingesetzt

hat. Dabei seien etwa 100 bis 150 Men-

schen gestorben. Zu diesen Schlüssen wa-

ren auch Großbritannien und Frankreich

diesen Monat gekommen.

Die drei Regierungen gaben an, dass sie

sich auf Zeugenaussagen verließen, wann,

wie und wo die Chemiewaffen eingesetzt

worden sind. Außerdem gebe es Berich-

te von Symptomen, die mit einem Che-

miewaffeneinsatz in Verbindung gebracht

werden können. Laboruntersuchungen

an Blut- und Urinproben haben demnach

auch gezeigt, dass Menschen mit Sarin in

Kontakt gekommen seien. Die Experten

weisen jedoch darauf hin, dass Herkunft

und Geschichte solcher Proben manch-

mal unklar ist. Um als glaubwürdiger Be-

leg dienen zu können, muss die so genann-

te Verwahrungskette den tatsächlichen Ur-

sprung der Proben garantieren.

Verwahrungskette der Proben»Jemand muss bestätigen können, dass

die Proben die ganze Zeit in ihrer Verwah-

rung waren und niemand sie verändern

konnte«, sagt Alastair Hay, Experte für

chemische Kampfstoffe an der University

of Leeds. Hay hat unter anderem die Che-

miewaffenangriffe auf kurdische Siedlun-

gen im Irak untersucht. Allerdings geht er

davon aus, dass Frankreich und Großbri-

tannien »sich sicher zu sein scheinen, Da-

ten von mehr als akzeptabler Qualität zu

besitzen«.

Exklusive Übersetzung aus

Chemische Kampfstoffe hinterlassen

Abbauprodukte in Blut und Urin der Be-

troffenen, die man durch Massenspektro-

metrie (MS) nachweist. Dazu werden die

Proben erst aufgereinigt und die enthal-

tenen Verbindungen mit speziellen che-

mischen Gruppen gekoppelt. Im Massen-

spektrometer sortiert man die gesuchten

Moleküle und ihre Bruchstücke dann

nach Masse und Ladung und vergleicht

das entstehende Spektrum mit einer Pro-

be bekannter Zusammensetzung.

Page 40: Spektrum Die Woche No 25 2013

40

Im Moment sind keine Informationen

über die Qualität der Verwahrungskette öf-

fentlich – allerdings haben die beteiligten

Länder geheime Informationen an ein unab-

hängiges Team der Vereinten Nationen wei-

tergegeben. Bisher war Syrien aber nicht be-

reit, dem Team unter Leitung des schwe-

dischen Wissenschaftlers und früheren

UN-Waffeninspektors Åke Sellström Zugang

zum Land zu gewähren, um die Situation in

Augenschein zu nehmen.

Die Vereinigten Staaten haben inzwischen

eingeräumt, dass zwar Proben von Personen

vorhanden sind, die mit Sarin in Kontakt ka-

men, dass die Proben aber keine Aussagen

darüber zuließen, »wann und wo die Betrof-

fenen mit dem Kampfstoff in Kontakt kamen

und wer dafür verantwortlich war«. Syrische

Regierung und Rebellen beschuldigen sich ge-

genseitig, chemische Kampfstoffe eingesetzt

zu haben. Auszuschließen, dass die Rebellen

verantwortlich sind, ist für die USA und an-

dere Regierungen entscheidend, wenn es um

eine mögliche Intervention in Syrien geht.

Giftgas oder zerstörte Chemiefabrik?Augenzeugenberichte von Chemiewaffen-

einsätzen können unzuverlässig sein. Zeu-

gen führen möglicherweise Symptome wie

Atemnot auf verbotene chemische Waffen

zurück, obwohl die Ursache auch Tränen-

gas oder andere legale, nichttödliche Waffen

sein können. Videos aus dem Kampfgebiet,

die die erste Anschuldigungen von Chemie-

waffeneinsätzen belegen sollten, zeigen

nach Ansicht internationaler Experten denn

auch eher Symptome, die denen einer Chlor-

verätzung ähnlicher sind. Das könnte zum

Beispiel auf einen Bombenangriff auf eine

nahe gelegene Fabrik zurückgehen, erklärt

Susannah Sirkin, Beraterin der Organisati-

on Ärzte für Menschenrechte – der Organi-

sation, die 1988 die erste Belege für die iraki-

schen Massaker an Kurden mit chemischen

Waffen lieferte.

Als langjährige Aktivistin gegen chemi-

sche Waffen sei sie die Letzte, sagt Sirkin, die

die Bedeutung eines Chemiewaffeneinsat-

zes in Syrien anzweifeln würde. Gleichzei-

tig allerdings starben in dem Konflikt bisher

etwa 93 000 Menschen, während die USA

von nur etwa 100 bis 150 Toten durch chemi-

sche Kampfstoffe ausgehen. Es könne keinen

Zweifel geben, dass die syrische Regierung

schon mit konventionellen Waffen schwere

Kriegsverbrechen begangen hat, sagt Sirkin.

»Aus Sicht der Menschenrechte sind schon

andere Rote Linien lange überschritten.« <

Will man nachweisen, dass eine Per-

son mit einem Nervengift wie Sarin in

Kontakt kam, konzentriert man sich auf

Methylphosphonsäureester, die primären

Abbauprodukte dieser Kampfstoffe. Diese

Substanzen sind stabil und wasserlöslich

und können so in Blut und Urin nachge-

wiesen werden. Insbesondere sind diese

Methylphosphonsäureester spezifisch für

Nervengase und von den Abbaupro-

dukten chemisch ähnlicher Pestizide wie

Parathion leicht zu unterscheiden.

Page 41: Spektrum Die Woche No 25 2013

41

KREBSFORSCHUNG

Wissenschaftler kämpfen um die Wettevon Franziska BadenschierWie lassen sich Forscher dazu motivieren, sich eines Problems anzunehmen, schnell Lösungen zu finden und sich dabei auch noch gegenseitig zu helfen? Mit einer Challenge – wie zum Beispiel dem Brustkrebs-Prognose-Wettkampf.

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Page 42: Spektrum Die Woche No 25 2013

42

Auf die Plätze. Fertig. Los!

Nur: Es starten keine Sport-

ler. Stattdessen stürzen

sich Wissenschaftler auf ei-

nen Datensatz mit Infor-

mationen von fast 2000 Brustkrebspati-

entinnen, der mit dem Startschuss, vulgo

mit etwas Tastaturgeklapper und einigen

Mausklicks, online gestellt wurde.

Die Forscher sind bei der »Breast Cancer

Prognosis Challenge« angetreten, einem

Wettkampf um das beste Modell für Brust-

krebsprognosen. Das Ziel der Challenge:

innerhalb von sechs Monaten Modelle zu

entwickeln, mit denen sich genauer als je

zuvor vorhersagen lässt, wie lange Patien-

tinnen ihre Brustkrebsdiagnose überleben.

Die Wettkampfregeln: Jedes Team darf so

viele Tests einreichen, wie es mag, aber ma-

ximal fünf Modelle pro Team kommen in

die Endrunde. Jeder Teilnehmer muss sei-

nen kompletten Modellkode veröffentli-

chen. Und jeder Mitstreiter soll sich ruhig

etwas beim Kode von anderen abschauen

und damit sein eigenes Modell verbessern.

Es klingt erst einmal etwas bizarr. Im-

merhin gibt es in der Forschung Konkur-

renz – um Gelder, um die erste Veröffent-

lichung, ums Renommee. Und nun sollen

Wissenschaftler gegeneinander antreten,

aber zugleich ihre Taktik austauschen? »Ja,

genau«, sagt Initiator Stephen H. Friend

von SAGE Bionetworks. »Es ist eben eine

Challenge, kein Contest. Es geht nicht da-

rum, der Beste zu sein, sondern die bes-

te Lösung für ein Problem zu finden.« Das

mag spitzfindig klingen. Was Friend meint,

ist: Es gibt nicht das eine Ziel und jeder soll

schnellstens dort ankommen – sondern

alle haben gleich viel Zeit und sollen mög-

lichst weit kommen.

Das Problem, das die Herausgeforder-

ten angehen sollen, betrifft Frauen in der

ganzen Welt: Wenn sie die Diagnose Brust-

krebs erhalten, dann möchten sie wissen,

wie lange sie noch zu leben haben. Ärzte

hantieren mit klinischen Daten ihrer Pati-

entin und mit ihren eigenen Erfahrungs-

werten – und manchmal auch mit »Mam-

maPrint« oder »Oncotype Dx«. Das sind

Tests, die anhand von Genexpressionsana-

lysen eine Prognose abgeben, wie aggres-

siv der Brustkrebs sein kann. So ließ sich

die Schauspielerin Angelina Jolie die Brust-

drüsen vorsorglich entfernen, weil ihre

Gene ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit

Brustkrebs vorhergesagt hätten. Die Krux

ist nur: »Diese Prognosetests wurden vor

rund zehn Jahren entwickelt und seitdem

nicht wirklich verbessert«, sagt Friend. Der

Biochemiker hat selbst einen der Vorläu-

fer mitentwickelt. Deswegen fragte er sich:

Könnte vielleicht eine Challenge viele ver-

schiedene Forschergruppen dazu motivie-

ren, sich des Problems anzunehmen? Wäre

solch eine Challenge fruchtbarer als der

übliche »Mach‘s-alleine«-Ansatz?

Gemeinsam zum ZielFriend wandte sich an die Organisation

»Dialogue for Reverse Engineering Assess-

ments and Methods«, kurz DREAM. Die-

se führt seit dem Jahr 2006 Wettbewerbe

mit systembiologischen Herausforderun-

gen durch. Für die Breast Cancer Progno-

»Es geht nicht darum, der Beste zu sein, sondern die beste Lösung für ein Problem zu finden« (Stephen Friend)

Page 43: Spektrum Die Woche No 25 2013

43

sis Challenge wurde eine eigene Plattform

im World Wide Web geschaffen: Hier konn-

ten die Wettkämpfer Daten herunterladen,

ihre Modelle einstellen, die Kodes der an-

deren lesen, mit den Mitstreitern disku-

tieren. »Es war ermutigend zu sehen, dass

Teilnehmer sowohl von den besser funk-

tionierenden als auch von den schlechter

funktionierenden Modellen gelernt ha-

ben«, schreibt Friend mit Kollegen in einer

Auswertung der Challenge [1].

Einmal haben die Organisatoren getes-

tet, ob man die Wettkämpfer mit Geldge-

schenken gewissermaßen dopen könnte:

Ein Teilnehmer sollte 500 US-Dollar bekom-

men, wenn er in sein Modell einen Teil des

Kodes von einem Mitbewerber einbaue und

die neue Prognose dann an die Spitze der

Rangliste gelange. Außerdem sollte auch der

Entwickler des abgekupferten Modells 500

US-Dollar bekommen. »In weniger als 24

Stunden brachte ein Teilnehmer eine neue

Bestmarke zu Stande«, erzählt Schiedsrich-

ter Friend. »Dabei wurde der rechnerische

Ansatz des vorherigen Modells mit klini-

schen Erkenntnissen kombiniert.« Es blieb

aber ein Einzelfall. Geld als Lockmittel wur-

de also nicht verachtet, aber es war auch

nicht der alles entscheidende Ansporn. »Die

Brustkrebsprognose

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Page 44: Spektrum Die Woche No 25 2013

44

Wissenschaftler waren prinzipiell großzü-

gig«, erzählt Friend. »Sie opferten ihre Frei-

zeit für die Challenge. Sie wollten Ideen aus-

tauschen. Nicht Geld verdienen.« Zumal eh

kein Preisgeld ausgelobt worden war: Als

Siegprämie winkte eine Publikation in ei-

nem Schwesterblatt von »Science«.

354 Teams aus 35 Ländern nahmen die

Herausforderung an. Mehr als 1700 Model-

le zur Brustkrebsprognose wurden in sechs

Monaten entwickelt. In insgesamt drei Run-

den konnten die Wissenschaftler ihre Mo-

delle erstellen und nach Testläufen die Ko-

des verfeinern. Am 21. Januar 2013 war die

Zeit schließlich abgelaufen. Nun kamen 83

Modelle in die Endrunde: Sie alle wurden

mit einem komplett neuen Datensatz von

180 Brustkrebspatientinnen getestet.

Ein ungewöhnlicher SiegerDie finale Frage lautete: Wenn man zwei

Brustkrebspatientinnen hat – wie hoch ist

die Wahrscheinlichkeit, dass das Prognose-

modell richtig vorhersagt, welche von bei-

den länger lebt? Dieser Konkordanzindex,

wie ihn die Forscher lieber nannten, ist zwar

nur ein relativer Wert – und für einen aku-

ten Fall einer Patientin, die gerade die Diag-

nose Brustkrebs bekommt, wenig hilfreich.

In der Challenge wurde jedoch jedes Modell

mit Daten von vielen Patientinnen durchge-

rechnet. Eine einzelne absolute Prognose war

also nicht möglich. Mit einem Index hinge-

gen konnte man für ein Modell einen einzi-

gen Wert berechnen – und so ließen sich die

verschiedenen Wettstreiter miteinander ver-

gleichen. Die niedrigste Hürde für die Wett-

streiter war dabei der Indexwert 0,5877: Das

war ein Referenzwert, den Stephen Friend

mit Kollegen im Vorfeld berechnet hatte,

und zwar anhand von 70 riskanten Gensi-

gnaturen, die typisch für Brustkrebs sind.

Zwei weitere Testmodelle der Organisatoren

legten einen Referenzwert von 0,70 vor.

Der Sieger kam auf einen Wert von

0,7562. Das bedeutete: Mit 75,62-prozenti-

ger Wahrscheinlichkeit würde die richtige

Prognose erstellt, welche von zwei Brust-

krebspatientinnen länger überlebt. So gut

sei noch nie ein Test für die Voraussage

bei Brustkrebs gewesen, berichten die Ver-

anstalter. Das Gewinnerteam konnte sich

übrigens auf dem gesamten Siegerpodest

ausbreiten: Zwei weitere Versionen des

Modells landeten auf Platz 2 und 3.

Das Interessante an den Siegern ist:

Sie sind weder Ärzte noch im Labor akti-

ve Krebsforscher. Das Gewinnerteam be-

steht aus Dimitris Anastassiou, der einst

am mpeg2-Standard für digitales Fernse-

hen mitgetüftelt hat, und zwei seiner Dok-

toranden am Department of Electrical En-

gineering der Columbia University. Inzwi-

schen jedoch forscht er im Bereich der

Systembiologie und Bioinformatik. Die

computergestützte Analyse von großen

biologischen Datenmengen gehört zu sei-

nen Schwerpunkten.

Challenge-Initiator Friend schwärmt

von Anastassiou. Dabei ist der gebürtige

Grieche wohl nicht der typische Challen-

ge-Wettkämpfer. »Ich bin eine Ausnahme«,

sagt er selbst. »Und ich habe die Challenge

sehr ernst genommen.« Wegen des Patents

aus seinem »früheren Leben«, wie er gerne

sagt, hatte er genug Geld, um zwei Dokto-

randen ein halbes Jahr lang in Vollzeit für

die Challenge arbeiten zu lassen. »Ich selbst

habe ein paar Monate lang nicht unterrich-

tet. Und als ich nach Griechenland geflo-

gen bin, um in der Heimat drei Wochen Ur-

laub zu machen, habe ich dort auch nur an

dem Programm gesessen. Schließlich bin

ich eine Woche früher zurück in die USA

geflogen. So konnte ich besser mit meinen

Kollegen arbeiten.« Außerdem hat Anas-

tassious Team nicht unbedingt die »Weis-

Page 45: Spektrum Die Woche No 25 2013

45

heit der vielen« benutzt, auf die Organi-

sator Friend so schwört. Anastassiou habe

zwar mal versucht, Teile von fremden Ko-

des einzubauen. Aber die seien dann im-

mer wieder rausgeworfen worden.

Anastassiou macht auch keinen Hehl

daraus, dass er die Challenge nutzen woll-

te, um sich einen Namen in der Krebsfor-

schung zu machen: »In der Community

der Brustkrebsforscher kannte mich vor-

her niemand. Journals hätten mich be-

stimmt nichts über ein Brustkrebsprog-

nosemodell publizieren lassen.« Als Sieger

war ihm eine Publikation sicher. Sie ist in

der Fachzeitschrift »Science Translational

Medicine« erschienen [2].

Dass die Gewinner letztlich nur auf

ihre eigenen Kodes vertrauten und damit

auch gewannen, stellt allerdings einen der

Grundgedanken der Challenge in Frage. Ist

es das falsche Konzept? »Es macht auch si-

cher keinen Sinn, die gesamte bioinforma-

tische Forschung über Challenges zu orga-

nisieren. Aber am Anfang von Problemen

kann ein solcher Wettkampf stimulierend

sein, sich des Themas anzunehmen und

bereits bestehende Algorithmen zu verbes-

sern«, sagt der Biophysiker Thomas Han-

dorf von der Humboldt-Universität Berlin.

Er beschäftigt sich mit zellulären Signalwe-

gen und war selbst bei der Breast Cancer

Prognosis Challenge dabei.

Ein anderer Deutscher hat hingegen

nicht teilgenommen – obwohl er schon

länger erforscht, welche genetischen Sig-

naturen sich für Brustkrebsprognosen eig-

nen: Peter Lichter, der Leiter der Abteilung

Molekulare Genetik am Deutschen Krebs-

forschungszentrum. Er hat von der Chal-

lenge erst nach Abpfiff erfahren: »Schade.

Sonst hätten wir natürlich gerne unsere ei-

genen Modelle getestet und uns mit Kolle-

gen gemessen.«

Vielleicht beim nächsten Mal. Denn die

Breast Cancer Prognosis Challenge war nicht

der erste und auch nicht der letzte wissen-

schaftliche Wettkampf. DREAM und SAGE

Bionetworks haben mittlerweile die Chal-

lenges für 2013 angekündigt. Eine Brust-

krebs-Challenge ist auch wieder mit dabei. <

[1] Margolin, A.A. et al.: Systematic Analysis of Challenge-

Driven Improvements in Molecular Prognostic Models for

Breast Cancer. In: Science Translational Medicine 5, S. 181re1,

2013.

[2] Cheng,W.-Y. et al.: Development of a Prognostic Model

for Breast Cancer Survival in an Open Challenge Environ-

ment. In: Science Translational Medicine 5, S. 181ra50, 2013

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Page 46: Spektrum Die Woche No 25 2013

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Page 47: Spektrum Die Woche No 25 2013

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Associate Scientist Microbiology (m / f)Arbeitgeber: nemensis agStandort Reinach, Switzerland

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genetic methods and molecular biology• Create diagnostic tests for clinical samp-

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• Profound profiling of antibiotics with dif-ferent practices (e.g. resistance develop-ment, time kill studies, checkerboard assa-ys, etc.)

• Primary and secondary screening of new antibacterial molecules … (mehr)

International PhD program in molecular life sciencesArbeitgeber: Biozentrum University of BaselStandort Basel, Switzerland

Gültig bis 30. June 2013

h2. International PhD program in molecular life sciences at the BIOZENTRUM University of Basel, Switzerland.

FELLOWSHIPS FOR EXCELLENCEThe Biozentrum of the University of Basel together with the Werner Siemens – Foun-dation (WSF) offers PhD positions to access the International PhD program in Molecular Life Sciences and encourages excellent stu-dents to apply. Basel is an international cen-ter for biology research with major academic life science institutes and a high density of globally operating biotech companies. The Biozentrum provides an internationally re-nowned research environment … (mehr)

Molecular Analysis of Homobasidio-mycete Basidiome DevelopmentArbeitgeber: LOEWE – Integrative Fungal ResearchStandort Frankfurt , Germany

Gültig bis 30. June 2013

PhD fellowship in “Molecular analysis of homobasidiomycete basidiome develop-ment”A PhD fellowship is available from 1st of Au-gust 2013 to 1st of August 2016 at the Goe-the-University Frankfurt, Department of Biological Sciences (Institute of Ecology, Evolution and Diversity). The position is fra-med within the LOEWE excellence cluster “Integrative Fungal Research (IPF)”. The clu-ster has recently been funded, and includes researchers in mycology at four universities in Germany and the Senckenberg Society. The aim of the cluster is to synergistically tie together the basic research … (mehr)

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Page 48: Spektrum Die Woche No 25 2013

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22 Unsere FamilieAlle Menschen sind so unterschiedlich, dass die Menschheit insgesamt sehr homogen ist. Gibt es dennoch typische Gene, die Europäer, Asiaten und Afrikaner voneinander trennen?

> Molekulare Achillesferse von Mikroben > Geschlechter hören Größe unterschiedlich

> Ein On-Board-Navigationssystem für Raumsonden

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