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20 IN|FO|NEUROLOGIE &PSYCHIATRIE2012;Vol.14,Nr.3 Journal Screen Schlaganfallprävention solchen Genotyp durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings nicht bekannt, ob bei dem Vorliegen dieses Genotyps die Wirksamkeit von Clopidogrel auch tatsächlich klinisch relevant reduziert ist. Patienten und Methodik: Bei der vorliegenden Stu- die handelt sich um eine Metaanalyse aller Studien, bei denen Clopidogrel bei Patienten eingesetzt wurde, bei denen der Genotyp CYP2C19 bekannt war und bei denen vaskuläre Endpunkte erfasst wurden. Ergebnisse: Für die Metaanalyse wurden insgesamt 32 Studien mit zusammen 42.016 Patienten ausgewertet, in denen 3.545 vaskuläre Ereignisse, 579 Stentthrombo- sen bei Koronarstents und 1.413 Blutungsereignisse beobachtet wurden. Patienten mit einem oder mehr CYP2C19-Allelen – und damit einer niedrigen Enzym- aktivität – hatten niedrige Blutspiegel von Clopidogrel- Metaboliten (Abbildung 1), führten zu einer geringeren Plättchenhemmung, gingen mit einem um 16% redu- zierten Risiko von Blutungskomplikationen einher und mit einer Risikoerhöhung für vaskuläre Ereignisse von fünf bis acht pro 1.000 behandelten Patienten. Dies entspricht einer Risikoerhöhung von 18%, die statistisch nicht signifikant war. Wurden nur Studien mit mehr als 200 klinischen Ereignissen ausgewertet, betrug die relative Risiko- reduktion 0,097. Über alle Endpunkte hinweg war der CYP2C19-Genotyp weder mit der Wirksamkeit von Clopidogrel noch mit Blutungskomplikationen asso- ziiert. Schlussfolgerungen: Der CYP2C19-Genotyp führt zu Veränderungen des Metabolismus von Clopidogrel, hat aber keinen Einfluss auf klinische Endpunkte, sei es die Verhinderung vaskulärer Ereignisse oder die Rate von Blutungskomplikationen. HolmesMV,Perel P,ShahTetal. CYP2C19genotype, clopidogrelme- tabolism,platelet function,andcardi- ovascularevents:a systematicreview andmeta-analysis. JAMA2011;306: 2704 –14 Thromboembolieprophylaxe mit Clopidogrel Spielt der Genotyp klinisch doch keine Rolle? Fragestellung: Ist der CYP2C19-Genotyp mit einer reduzierten Wirksamkeit von Clopidogrel in der Prä- vention vaskulärer Ereignisse assoziiert? Hintergrund: Der Plättchenhemmer Clopidogrel wird von mindestens 40 Millionen Menschen weltweit zur Prävention von atherothrombotischen Ereignissen nach Herzinfarkt oder Schlaganfall oder bei peripherer arte- rieller Verschlusskrankheit (pAVK) eingenommen. Clopidogrel wird über das Enzym CYP2C19 metaboli- siert. Es gibt einen Genotyp, der mit einer reduzierten biologischen Wirksamkeit von Clopidogrel einhergeht. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat daher 2009 eine Empfehlung herausgegeben, den CYP2C19- Genotyp bei der Verschreibung von Clopidogrel zu berücksichtigen und im Zweifelsfall einen Test auf einen Kommentar: DieErgebnissedieserMetaanalysensind wissenschaftstheoretisch sehr wichtig. Als die ers ten Studien zu einem veränderten Metabolismus von ClopidogrelbeiPersonenmitdemCYP2C19-Genotyp erschienen,führtedieszueinergroßenAufregungund sogarzuderForderung,ClopidogrelbeiPatientenmit den entsprechenden Allelen entweder gar nicht ein- zusetzen oder in höherer Dosis, obwohl es für beide An sätzekeinerleiwissenschaftlichenBeweisgab.Diese großeMetaanalysezeigtallerdingsnunganzeindeutig, dassderGenotypwederEinflussaufdieRisikoreduk- tionkardiovaskulärerundzerebrovaskulärerEreignisse hatte, noch auf die Blutungsrate. Das bedeutet, dass die sogenannte individualisierte genetisch determi- nierte Medizin für den Einsatz von Clopidogrel keine Rollespielt. Hans-Christoph Diener, Essen NachJAMA2011 Aktiver Clopidogrel-Metabolit Häufigkeit in einer hypothetischen weißen Population Unbehandelte Personen Log. AUC*-Werte Nicht log. Werte Clopidogrel-Konzentrationen N 0 NA 0 –1,5 0,22 –1,0 0,37 –0,5 0,61 CYP2C19 2- 8 * * * * 1, 17 a b Alle behandelten Patienten CYP2C19 Log. = logarithmisch; AUC = Area under the Curve Abbildung1 Beziehung zwischen CYP2C19-Genotyp, aktivem Metaboliten und Plättchenreagibilität.

Spielt der Genotyp klinisch doch keine Rolle?

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20� IN|FO|Neurologie &�Psychiatrie����2012;�Vol.�14,�Nr.�3

Journal Screen Schlaganfallprävention

solchen Genotyp durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings nicht bekannt, ob bei dem Vorliegen dieses Genotyps die Wirksamkeit von Clopidogrel auch tatsächlich klinisch relevant reduziert ist.

Patienten und Methodik: Bei der vorliegenden Stu­die handelt sich um eine Metaanalyse aller Studien, bei denen Clopidogrel bei Patienten eingesetzt wurde, bei denen der Genotyp CYP2C19 bekannt war und bei denen vaskuläre Endpunkte erfasst wurden.

Ergebnisse: Für die Metaanalyse wurden insgesamt 32 Studien mit zusammen 42.016 Patienten ausgewertet, in denen 3.545 vaskuläre Ereignisse, 579 Stentthrombo­sen bei Koronarstents und 1.413 Blutungsereignisse beobachtet wurden. Patienten mit einem oder mehr CYP2C19­Allelen – und damit einer niedrigen Enzym­aktivität – hatten niedrige Blutspiegel von Clopidogrel­Metaboliten (Abbildung 1), führten zu einer geringeren Plättchenhemmung, gingen mit einem um 16% redu­zierten Risiko von Blutungskomplikationen einher und mit einer Risiko erhöhung für vaskuläre Ereignisse von fünf bis acht pro 1.000 behandelten Patienten. Dies entspricht einer Risikoerhöhung von 18%, die statistisch nicht signifikant war.

Wurden nur Studien mit mehr als 200 klinischen Ereignissen ausgewertet, betrug die relative Risiko­reduktion 0,097. Über alle Endpunkte hinweg war der CYP2C19­Genotyp weder mit der Wirksamkeit von Clopidogrel noch mit Blutungskomplikationen asso­ziiert.

Schlussfolgerungen: Der CYP2C19­Genotyp führt zu Veränderungen des Metabolismus von Clopidogrel, hat aber keinen Einfluss auf klinische Endpunkte, sei es die Verhinderung vaskulärer Ereignisse oder die Rate von Blutungskomplikationen.

Holmes�MV,�Perel�P,�Shah�T�et�al.�

CYP2C19�genotype,�clopidogrel�me-

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and�meta-analysis.�JAMA�2011;�306:�

2704–14

Thromboembolieprophylaxe mit Clopidogrel

Spielt der Genotyp klinisch doch keine Rolle? Fragestellung: Ist der CYP2C19­Genotyp mit einer reduzierten Wirksamkeit von Clopidogrel in der Prä­vention vaskulärer Ereignisse assoziiert?

Hintergrund: Der Plättchenhemmer Clopidogrel wird von mindestens 40 Millionen Menschen weltweit zur Prävention von atherothrombotischen Ereignissen nach Herzinfarkt oder Schlaganfall oder bei peripherer arte­rieller Verschlusskrankheit (pAVK) eingenommen. Clopidogrel wird über das Enzym CYP2C19 metaboli­siert. Es gibt einen Genotyp, der mit einer reduzierten biologischen Wirksamkeit von Clopidogrel einhergeht. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat daher 2009 eine Empfehlung herausgegeben, den CYP2C19­Genotyp bei der Verschreibung von Clopidogrel zu berücksichtigen und im Zweifelsfall einen Test auf einen

Kommentar: Die�Ergebnisse�dieser�Metaanalysen�sind�wissenschaftstheoretisch� sehr� wichtig.� Als� die� ers�ten�Studien� zu� einem� veränderten� Metabolismus� von��Clopidogrel�bei�Personen�mit�dem�CYP2C19-Genotyp�erschienen,�führte�dies�zu�einer�großen�Aufregung�und�sogar�zu�der�Forderung,�Clopidogrel�bei�Patienten�mit�den�entsprechenden� Allelen�entweder�gar�nicht�ein-zusetzen� oder� in� höherer� Dosis,� obwohl� es� für� beide�An�sätze�keinerlei�wissenschaftlichen�Beweis�gab.�Diese�

große�Metaanalyse�zeigt�allerdings�nun�ganz�eindeutig,�dass�der�Genotyp�weder�Einfluss�auf�die�Risikoreduk-tion�kardiovaskulärer�und�zerebrovaskulärer�Ereignisse�hatte,� noch� auf� die� Blutungsrate.� Das� bedeutet,� dass�die� sogenannte� individualisierte� genetisch� determi-nierte�Medizin�für�den�Einsatz�von�Clopidogrel�keine�Rolle�spielt.

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Alle behandeltenPatienten

CYP2C19

Log. = logarithmisch; AUC = Area under the Curve

Abbildung�1 Beziehung zwischen CYP2C19-Genotyp, aktivem Metaboliten und Plättchenreagibilität.