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Radiologe 2012 · 52:430–436 DOI 10.1007/s00117-011-2294-8 Online publiziert: 18. Mai 2012 © Springer-Verlag 2012 W. Reith · A. Simgen · U. Yilmaz Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie,  Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar Spinale Angiographie Anatomie, Technik und Indikation Bei dringendem Verdacht auf das Vorliegen spinaler Gefäßmissbildun- gen, spinaler duraler Fisteln, gefäß- reicher Tumoren, Wirbelkörpermetas- tasen und weiterer Entitäten sollte eine spinale Angiographie durchge- führt werden. Dabei ist das Kompli- kationsrisiko für passagere oder blei- bende neurologische Defizite nach spinaler Angiographie nicht höher als bei einer zerebralen Angiographie. Bei Beachtung einiger wesentlicher Punkte können Schädigungen des Rückenmarks und vorübergehende oder bleibende Symptomatiken ver- mieden werden. Anatomie Im Zervikalbereich gibt es Zuflüsse aus den Aa. vertebrales, cervicalis profun- da und cervicalis ascendens beider Sei- ten. Die arterielle Versorgung der Wirbel- säule erfolgt im Thorakal- und Lumbal- bereich aus segmentalen Interkostal- und Lumbalarterien. Im Bereich der LWS und der Sakralre- gion kommen die rückenmarkversorgen- den Äste aus der A. iliaca interna beidseits. Da die Segmentarterien durch extra- und intraspinale Kollateralen längs und quer verbunden sind, sieht man häufig bei In- jektion einer Segmentarterie die Mitfül- lung der benachbarten darüber- und da- runterliegenden Segmente bzw. Segment- arterien der Gegenseite (. Abb. 1). Die aus der Aorta abgehende Segment- arterie versorgt die paravertebrale Musku- latur und die Wirbelkörper, ein R. spina- lis die Dura mater und die Nervenwur- zeln. Die A. radiculomedullaris (R. spi- nalis) stellt die von extradural kommen- de Versorgung des Rückenmarks dar [1, 2]. Das zervikale Rückenmark erhält seine Blutzufuhr aus der A. vertebralis und den gegenüber der Embryonalzeit reduzier- ten segmentalen Wurzelarterien. Aus bei- den Aa. vertebrales gehen im Bereich der V4-Segmente intrakraniell die Äste ab, die nach kaudal verlaufen und sich zur A. spi- nalis anterior vereinigen. Die A. spinalis anterior verläuft entlang der Fissura ante- rior und versorgt die ventralen und latera- len Anteile des Rückenmarks (. Abb. 2). Die oberflächlichen Arterien des Rü- ckenmarks sind die A. spinalis anterior und die über ein Strickleitersystem ver- netzten Aa. spinalis posteriores, die im Bereich des Eintritts der Wurzel liegen. Die in der Fissura anteriores verlaufen- de A. spinalis anterior versorgt die vorde- ren zwei Drittel des Myelonquerschnitts, die Vorderhörner, den Tractus spinothala- micus lateralis und teilweise auch die Py- ramidenbahnen. Die beiden Aa. spinalis posteriores versorgen die Hinterstränge und die Hinterhörner. Im Bereich der Intumescentia cervica- lis und lumbalis sind oft kaliberstarke an- teriore Zuflüsse zum Myelon nachweis- bar. Ein kräftiger Zufluss im Thorakolum- balbereich wird als A. radicularis magna Adamkiwwiecz bezeichnet und kann bis zu 1 mm im Kaliber betragen. Dieses Ge- fäß entspringt in ca. 75% der Fälle links zwischen Th9 und 12 [2]. Im mittleren thorakalen Abschnitt kann die A. spinalis anterior unterbrochen sein, da das Mye- lon in diesem Abschnitt ebenfalls sehr schmächtig ist. Beide Segmentarterien sind durch die extra- und intraspinalen Kollatera- len längs und quer verbunden und wei- sen deshalb eine sehr gute Kollaterali- Leitthema: Vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks Abb. 18 Spinale Kollateralen. Füllung benach- barter Segmentarterien bei Kontrastmittelinjek- tion in die Segmentarterie Th8 links 430 | Der Radiologe 5 · 2012

Spinale Angiographie; Spinal angiography;

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Page 1: Spinale Angiographie; Spinal angiography;

Radiologe 2012 · 52:430–436DOI 10.1007/s00117-011-2294-8Online publiziert: 18. Mai 2012© Springer-Verlag 2012

W. Reith · A. Simgen · U. YilmazKlinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, 

Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar

Spinale AngiographieAnatomie, Technik und Indikation

Bei dringendem Verdacht auf das Vorliegen spinaler Gefäßmissbildun-gen, spinaler duraler Fisteln, gefäß-reicher Tumoren, Wirbelkörpermetas-tasen und weiterer Entitäten sollte eine spinale Angiographie durchge-führt werden. Dabei ist das Kompli-kationsrisiko für passagere oder blei-bende neurologische Defizite nach spinaler Angiographie nicht höher als bei einer zerebralen Angiographie. Bei Beachtung einiger wesentlicher Punkte können Schädigungen des Rückenmarks und vorübergehende oder bleibende Symptomatiken ver-mieden werden.

Anatomie

Im Zervikalbereich gibt es Zuflüsse aus den Aa. vertebrales, cervicalis profun-da und cervicalis ascendens beider Sei-ten. Die arterielle Versorgung der Wirbel-säule erfolgt im Thorakal- und Lumbal-bereich aus segmentalen Interkostal- und Lumbalarterien.

Im Bereich der LWS und der Sakralre-gion kommen die rückenmarkversorgen-den Äste aus der A. iliaca interna beidseits. Da die Segmentarterien durch extra- und intraspinale Kollateralen längs und quer verbunden sind, sieht man häufig bei In-jektion einer Segmentarterie die Mitfül-lung der benachbarten darüber- und da-runterliegenden Segmente bzw. Segment-arterien der Gegenseite (. Abb. 1).

Die aus der Aorta abgehende Segment-arterie versorgt die paravertebrale Musku-

latur und die Wirbelkörper, ein R. spina-lis die Dura mater und die Nervenwur-zeln. Die A. radiculomedullaris (R. spi-nalis) stellt die von extradural kommen-de Versorgung des Rückenmarks dar [1, 2]. Das zervikale Rückenmark erhält seine Blutzufuhr aus der A. vertebralis und den gegenüber der Embryonalzeit reduzier-ten segmentalen Wurzelarterien. Aus bei-den Aa. vertebrales gehen im Bereich der V4-Segmente intrakraniell die Äste ab, die nach kaudal verlaufen und sich zur A. spi-nalis anterior vereinigen. Die A. spinalis anterior verläuft entlang der Fissura ante-rior und versorgt die ventralen und latera-len Anteile des Rückenmarks (. Abb. 2).

Die oberflächlichen Arterien des Rü-ckenmarks sind die A. spinalis anterior und die über ein Strickleitersystem ver-netzten Aa. spinalis posteriores, die im Bereich des Eintritts der Wurzel liegen. Die in der Fissura anteriores verlaufen-de A. spinalis anterior versorgt die vorde-ren zwei Drittel des Myelonquerschnitts, die Vorderhörner, den Tractus spinothala-micus lateralis und teilweise auch die Py-ramidenbahnen. Die beiden Aa. spinalis posteriores versorgen die Hinterstränge und die Hinterhörner.

Im Bereich der Intumescentia cervica-lis und lumbalis sind oft kaliberstarke an-teriore Zuflüsse zum Myelon nachweis-bar. Ein kräftiger Zufluss im Thorakolum-balbereich wird als A. radicularis magna Adamkiwwiecz bezeichnet und kann bis zu 1 mm im Kaliber betragen. Dieses Ge-fäß entspringt in ca. 75% der Fälle links zwischen Th9 und 12 [2]. Im mittleren

thorakalen Abschnitt kann die A. spinalis anterior unterbrochen sein, da das Mye-lon in diesem Abschnitt ebenfalls sehr schmächtig ist.

Beide Segmentarterien sind durch die extra- und intraspinalen Kollatera-len längs und quer verbunden und wei-sen deshalb eine sehr gute Kollaterali-

Leitthema: Vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks

Abb. 1 8 Spinale Kollateralen. Füllung benach-barter Segmentarterien bei Kontrastmittelinjek-tion in die Segmentarterie Th8 links

430 |  Der Radiologe 5 · 2012

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sierung auf. Die A. spinalis anterior und die Aa. spinales posteriores sind dane-ben über die so genannte Konusarkade am Konus miteinander verbunden. Wäh-rend der Embryonalzeit erfolgen Umfor-mungen, wobei nur noch ca. 6–7 ventra-le und 11–16 dorsale Rückenmarkzuflüs-se (A. radiculomedullaris) bestehen blei-ben (. Abb. 3; [2]). Die Rückenmarkver-sorgung in der Embryonalzeit erfolgt über Segmentarterien in jeder Höhe. Nach der embyronalen Umformungsphase ver-sorgen die Segmentalarterien eine Seite des normalerweise zugehörigen Gewe-bes eines halben Metamers mit Ausnah-me des Rückenmarks. Die Segmentarte-rie gibt einen R. spinalis ab, der die Ner-venwurzeln, die Dura mater (R. radicu-laris) und den Wirbelkörper versorgt (. Abb. 4). Eine vom R. spinalis abge-hende A. radiculomedullaris, die neben Nervenwurzeln auch die Dura versorgt und weiter zum Rückenmark verläuft, ist nach der embryonalen Phase des Men-schen nur noch in einigen wenigen Seg-menthöhen nachweisbar (. Abb. 5).

Die Rückenmarkversorgung erfolgt in den vorderen zwei Dritteln des Myelon-

Abb. 3 7 Rückenmarkzuführende Gefäße ent-stammen zervikal aus den Aa. vertebrales (1), 

den Trunci thyreo- und costocervicalis sowie aus den Segmentarterien aus der Aorta. Dabei exis-

tieren ca. 6 Zuflüsse zur A. spinalis anterior (2) und ca. 11–16 Zuflüsse zu den Aa. spinales post-

eriores. Der kräftigste zuführende Ast, die A. ra-dicularis magna Adamkiewicz ist nur einseitig 

angelegt und kommt meist von links (3)

Abb. 4 8 R. spinalis aus der Segmentarterie L4 rechts mit Wirbelkörperblush. Nach kranial Fül-lung der A. spinalis anterior

Abb. 2 8 A. spinalis anterior. Hier Füllung bei Kontrastmittelinjektion die Segmentarterie L2 links (die weiße Pfeilspitze markiert die Kathe-terspitze)

431Der Radiologe 5 · 2012  | 

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Page 5: Spinale Angiographie; Spinal angiography;

querschnitts über die A. spinalis anterior. Die weitere Versorgung erfolgt über die A. spinalis posterior und das piale Arte-riennetz, die Vasocorona medullaris. Die aus der Vasokorona entspringenden Äste dringen in radiärer Richtung in das Rü-ckenmark ein. Das intramedulläre Kapil-larnetz ist in der grauen Substanz dichter als in der weißen.

Die venöse Drainage erfolgt über int-ra- und perimedulläre Venen. Man unter-scheidet tiefe Vv. centrales und oberfläch-liche, ein piales Netzwerk darstellende Ve-nen. Entlang der Nervenwurzeln gelangt das venöse Blut in den Plexus venosi ver-tebrales internii. Dieser Plexus erstreckt sich von der Schädelbasis bis zum Sakrum dorsal und ventral und besteht aus klap-penlosen Venen, die im Fettgewebe ein-gebettet sind. Der Plexus hat kranial An-schluss an den Sinus occipitalis und den Sinus petrosus inferior und kann als Kol-lateralweg bei Verschluss der Vv. jugulares internae fungieren [3, 4].

Indikationen und Kontraindikationen für die spinale Angiographie

Eine spinale Angiographie muss bei drin-gendem Verdacht auf das Vorliegen einer spinalen Gefäßmissbildung oder spinalen duralen Fistel durchgeführt werden [5].

Zuvor sollte jedoch immer eine spina-le MRT-Bildgebung vorliegen. Die neuen MRTs erlauben die Darstellung der spina-len Gefäße und Gefäßzuflüsse mit einer hochauflösenden MR-Angiographie (MRA). Dies hat den Vorteil, dass bei Ver-dacht auf eine durale arteriovenöse(AV)-Fistel der Fistelpunkt häufig schon mit der kontrastunterstützten MRA nachge-wiesen werden kann. Dies erleichtert die spinale Angiographie, da dann nur noch selektiv die entsprechenden Endarterien aufgesucht und dargestellt werden müs-sen [6].

Weitere Indikationen sind das Vorlie-gen gefäßreicher Tumoren, wie Häman-gioblastome oder Wirbelkörpermetas-tasen, bei denen neben der präoperati-ven Darstellung der Gefäßversorgung zu-gleich eine Embolisation dieser gefäßrei-chen Tumoren durchgeführt werden kann (. Abb. 6). Bei klinischem Verdacht auf eine Durchblutungsstörung, z. B. einen spinalen Infarkt, ist eine selektive spinale Angiographie nicht indiziert. Die weitere Indikation ist oftmals die Darstellung der zuführenden Gefäße, insbesondere der A. Adamkiewicz bei Aortenaneurysmen und präoperativer Versorgung [7, 8, 9].

Komplikationen nach spinaler Angio-graphie bzgl. des Risikos passagerer oder bleibender neurologischer Defizite treten normalerweise nicht häufiger auf als bei

Zusammenfassung · Abstract

Radiologe 2012 · 52:430–436DOI 10.1007/s00117-011-2294-8© Springer-Verlag 2012

W. Reith · A. Simgen · U. Yilmaz

Spinale Angiographie. Anatomie, Technik und Indikation

ZusammenfassungIndikationsstellung, Technik und Durchfüh-rung der spinalen Angiographie erfordern detaillierte Kenntnisse der Gefäßversorgung des Spinalkanals und des Rückenmarks. Die Gefäßversorgung des Rückenmarks erfolgt im Bereich des Halsmarks aus den beiden Aa. vertebrales. Eine zusätzliche arterielle Ver-sorgung der Wirbelsäule einschließlich des Rückenmarks wird über segmentale Arterien hergestellt, die im Bereich der Thorakal- und Lumbalregion aus der Embryonalphase als segmentale, interkostale und Lumbalarterien erhalten geblieben sind.

Da die spinale Angiographie die Gefahr der Querschnittslähmung birgt, ist eine stren-ge Indikation notwendig. Eine über länge-re Zeit bestehende unklare klinische Sym-ptomatik kann auch durch eine spinale Ge-fäßmalformation hervorgerufen werden. Ist durch die MRT-Bildgebung der Verdacht auf eine spinale Gefäßfehlbildung gegeben, soll-te eine Angiographie durchgeführt werden, da diese Fehlbildungen oft kurabel sind.

SchlüsselwörterSpinale durale arteriovenöse Fisteln · Arteriovenöse Malformationen · Spinale Angiographie · Endovaskuläre Embolisation · Spinale Gefäßversorgung

Spinal angiography. Anatomy, technique and indications

AbstractSpinal angiography is a diagnostic modality requiring detailed knowledge of spinal vas-cular anatomy. The cervical spinal cord is sup-plied by the vertebral arteries while segmen-tal arteries which are preserved from fetal anatomy, supply the thoracic and lumbar re-gions. As spinal angiography carries the risk of paraplegia the indications have to be con-sidered very carefully. Nevertheless, spinal angiography should be performed if there is reason to suspect a spinal vascular malforma-tion from magnetic resonance imaging (MRI).

KeywordsSpinal dural arteriovenous fistula · Arteriovenous malformations · Spinal angiography · Endovascular embolization · Spinal vascular anatomy

Abb. 5 9 Posterolate-raler Zufluss aus der Segmentarterie L1 rechts

434 |  Der Radiologe 5 · 2012

Page 6: Spinale Angiographie; Spinal angiography;

einer zerebralen Angiographie. Um Schä-digungen des Rückenmarks und vorüber-gehende oder bleibende Symptomatiken zu vermeiden, sind einige Punkte zu be-achten:F  Es sollten nur nichtionische Kontrast-

mittel verwendet werden.F  Die Kontrastmittelmenge sollte so ge-

ring wie möglich gehalten werden. In der Regel sind bei manueller Injek-tion in die Interkostal- und Segment-arterien 2–3 ml Kontrastmittel aus-reichend. Für die zervikalen Zuflüsse und Darstellung der rückenmarkzu-führenden Gefäße sind höhere Kon-trastmittelmengen notwendig (bis zu 7 ml für die A. vertebralis, etwas we-niger den für Truncus thyreocervica-lis und Truncus costocervicalis).

F  Nach Injektion in die entsprechenden Gefäße sollte der Katheter sofort wie-der aus dem Ostium entfernt werden.

In einer retrospektiven Serie von 302 spi-nalen Angiographien zeigte sich, dass systemische Komplikationen in 2 Fäl-len (0,7%) auftraten (pulmonales Ödem und Rückenschmerzen), in 3 Fällen Leis-tenhämatome (1,0%). Komplikationen mit neurologischen Symptomen traten in dieser Serie nicht auf. Allerdings zeig-te sich, dass bei präoperativer Diagnose einer Myelitis transversa in 32% der Fälle Gefäßmalformationen als Ursache vorla-gen. Angiographisch ließ sich in dieser Se-rie die A. Adamkiewicz in 97,4% der Pa-tienten lokalisieren [10].

Vorbereitung und Aufklärung des Pa-tienten für eine spinale Angiographie unterscheiden sich nicht von der einer zerebralen Angiographie. Der Patient muss am Vortag über die Notwendig-keit der Untersuchung und die speziel-len Komplikationen der spinalen Angio-graphie aufgeklärt werden, insbesondere über bleibende und vorübergehende isch-ämische Schädigungen des Rückenmarks mit entsprechender Querschnittssympto-matik. Um Darmgasüberlagerungen zu vermeiden, können 24 h vor der Untersu-chung entblähende Medikamente verab-reicht werden.

Die Durchführung einer kompletten spinalen Angiographie, z. B. zur Darstel-lung einer spinalen duralen arteriovenö-sen Fistel, erfordert die beidseitige selek-tive Darstellung der Aa. vertebralis und cervicalis ascendens bzw. des Truncus thyreocervicalis, des Truncus costocervi-calis, sämtlicher Interkostal- und Lumbal- und der iliolumbalen Arterien. Eine Son-dierung aller dieser Gefäße ist mit einem Katheter nicht möglich. Als Schleuse soll-te eine 6- bzw. 5-F-Schleuse verwendet werden.

Die zervikalen rückenmarkversorgen-den Arterien können in der Regel mit Hil-fe eines 4- oder 5-F-Universalkatheters durch die oben genannten Gefäße dar-gestellt werden. Für die Abgänge der In-terkostal- und Lumbalarterien, die an der dorsolateralen Aortenwand liegen, wer-den meist Katheter vom Typ Cobra, Si-dewinder oder spezielle spinale Katheter

notwendig, um die Gefäßostien zu son-dieren. Notfalls können auch entspre-chende Katheter über heißem Wasser-dampf den Erfordernissen angepasst und entsprechende Krümmungen hergestellt werden.

Die wesentlichen Zuflüsse zum zer-vikalen Myelon kommen im oberen Ab-schnitt aus der A. vertebralis, für das üb-rige Halsmark v. a. aus dem Truncus cos-tocervicalis.

In der oberen und mittleren Thorakal-region kommen Zuflüsse zur A. spinalis anterior häufig nur aus einem radikulo-medullären Gefäß. Die untere thorako-lumbale Region des Rückenmarks wird in der Regel ebenfalls nur durch eine ka-liberstarke Arterie versorgt. Diese so ge-nannte A. radicularis magna Adamkie-wicz entspringt in ca. 80% der Fälle aus den Segmentarterien Th9 bis L2, vorwie-gend auf der linken Seite. Die unteren lumbalen, iliolumbalen und sakralen Ar-terien versorgen die Cauda equina. Auf-grund der segmentalen Blutversorgung der Wirbelsäule und des angrenzenden Gewebes haben pathologische Prozesse oft nur einen arteriellen Zufluss, weshalb mindestens 2 Etagen ober- und unterhalb der Läsion angiographisch untersucht werden müssen. Bei Verdacht auf eine du-rale AV-Fistel bzw. eine AV-Malformati-on ist immer eine vollständige spinale An-giographie notwendig. Die zuvor durch-geführte kontrastunterstützte MRA kann die Darstellung auf die die Läsion versor-genden Gefäße beschränken.

Fazit für die Praxis

F  Die Indikation zu einer spinalen An-giographie sollte streng gestellt wer-den, da bei unsachgemäßer Hand-habung die Gefahr einer bleibenden Querschnittslähmung besteht.

F  Bei Verdacht auf eine spinale Gefäß-malformation ist die spinale Angio-graphie zur genauen Lokalisation notwendig.

F  Bei gefäßreichen Tumoren und Me-tastasen ist die selektive Embolisati-on eine wirksame palliative Maßnah-me, um einen drohenden Querschnitt zumindest vorübergehend abzuwen-den.

Abb. 6 8 Embolisation eines stark vaskularisierten Tumors in Höhe LWK3 links mit Mikropartikeln. Darstellung vor der Embolisation (links). Nach Embolisation (rechts) zeigt sich eine deutliche Reduk-tion der gefüllten Tumorgefäße. Weiße Pfeilspitzen Katheterspitzen, schwarze Pfeilspitze rechts Mikroka-theterspitze

435Der Radiologe 5 · 2012  | 

Page 7: Spinale Angiographie; Spinal angiography;

F  Eine präoperative Embolisation kann das operative Vorgehen deutlich er-leichtern und den intraoperativen Blutverlust reduzieren.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. W. ReithKlinik für Diagnostische  und Interventionelle Neuroradiologie, Universitätsklinikum des Saarlandes,Kirrberger Straße 1, 66424 Homburg/[email protected]

Interessenkonflikt.  Keine Angaben

Literatur

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  2.  Grunwald I, Thron A, Reith W (2001) Spinale An-giographie: Gefäßanantomie, Technik und Indika-tionsstellung. Radiologe 41:961–967

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  6.  Huffmann BC, Spetzger U, Reinges M et al (1998) Treatment strategies and results in spinal va-scular malformations. Neurol Med Chir (Tokyo) 38(Suppl):231–237

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  8.  Shi HB, Suh DC, Lee HK et al (1999) Preoperative transarterial embolization of spinal tumor: emboli-zation techniques and results. AJNR Am J Neurora-diol 20(10):2009–2015

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10.  Chen J, Gailloud P (2011) Safety of spinal angiogra-phy: complication rate analysis in 302 diagnostic angiograms. Neurology 77(13):1235–1240 [Epub 2011 Sep 14]

Alexander Kaul (Hrsg)Medical Radiological Physics, Landolt-Börnstein Numerical Data and Functional Relation-ships in Science and TechnologyGroup VIII Volume 7ABerlin, Heidelberg, New York: Springer-Ver-lag  2012, 300 S., (ISBN 987-3-642-23683-9), 2000.00 EUR

Vor 130 Jahren war die Welt der Physik noch 

überschaubar und die wichtigsten Daten lie-

ßen sich in einem schmalen Band zusammen-

fassen. So hatte die im Jahr 1883 veröffent-

lichte erste Auflage des Physikhandbuchs von 

H. H. Landolt und R. Börnstein einen Umfang 

von nur 250 Seiten. Seit dieser Zeit hat sich 

der „Landolt-Börnstein“ zum traditionsreichs-

ten und umfassendsten Nachschlagewerk 

der Physik entwickelt. Die seit 1961 herausge-

gebene Neue Serie umfasst bereits mehr als 

400 Einzelbände, in denen nicht nur Daten zu 

neuen Spezialgebieten zusammengetragen 

sind, sondern zunehmend auch die fachlichen 

Grundlagen dieser Gebiete zusammen-

fassend dargestellt werden. Dieser Tradition 

folgt auch der gerade erschiene Band 7A der 

Gruppe 8 mit dem Titel „Medical Radiological 

Physics“.

Der von A. Kaul als Herausgeber gemeinsam 

mit zwölf international ausgewiesenen Exper-

ten verfasste Teilband behandelt die Themen-

bereiche Strahlenbiologie, Strahlenbiophysik, 

Dosimetrie und medizinischer Strahlenschutz. 

Besonders hervorzuheben ist, dass – mit 

Ausnahme der beiden Dosimetriekapitel – 

durchgängig auf ionisierende und nicht-ioni-

sierende Strahlung eingegangen wird, wobei 

letztere nicht nur elektrische, magnetische 

und elektromagnetische Felder über den ge-

samten Frequenzbereich (einschließlich opti-

scher Strahlung und Laser) umfasst, sondern 

auch den Ultraschall. Abgerundet wird das 

Werk durch ein 32-seitiges Glossar.

Dem Charakter des „Landolt-Börnstein“ ent-

sprechend handelt es sich auch bei dem vor-

liegenden Band nicht um ein Lehrbuch, das 

die Grundlagen des Fachgebiets systematisch 

und didaktisch geschickt entwickelt, sondern 

um ein Handbuch, in dem die wichtigsten 

Fakten, Beziehungen und Daten zusammen-

gestellt sind. Obwohl sich das umfangreiche 

Werk primär an praktizierende und angehen-

de Medizinphysiker und -techniker richtet, 

sollte der Stoff – mit Ausnahme einiger 

Abschnitte zur Dosimetrie – auch für Radio-

Buchbesprechungen

logen, Nuklearmediziner und Strahlenthera-

peuten gut verständlich und zur Vertiefung 

der (bio)physikalischen und strahlenhygieni-

schen Grundlagen ihres Fachgebiets bestens 

geeignet sein. Das gilt insbesondere für den 

im fünften Kapitel behandelten Themen-

komplex des medizinischen Strahlenschutzes, 

der in medizinischen Lehrbücher leider oft zu 

kurz kommt. Dieses praxisnahe Kapitel fasst 

die vielfältigen Empfehlungen internationaler 

Gremien (u.a. ICRP, ICNIRP und UNSCEAR) zum 

medizinischen Strahlenschutz zusammen, 

die für klinisch tätige Mediziner oftmals nur 

schwer zugänglich sind.

Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele 

Medizinphysiker und Strahlenmediziner über 

ihr persönliches Exemplar dieses empfehlens-

werten Handbuchs verfügen könnten – was 

aufgrund des Preises von über 2000 Euro aber 

wohl leider eine Utopie bleiben wird (es sei 

denn, der Verlag entschließt sich aufgrund 

des weit über die Physik hinausgehenden 

potentiellen Leserkreises zur Herausgabe 

einer preisgünstigen Sonderausgabe). Die 

verfügbare reguläre Ausgabe sollte jedenfalls 

in keiner gut ausgestatteten radiologischen 

Bibliothek eines Universitätsklinikums fehlen.

G. Brix, Neuherberg

436 |  Der Radiologe 5 · 2012