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SPORTS AUGUST 2015 GOLF JOURNAL 48 Der 39-jährige Schwede und glückliche Familienvater Henrik Stenson hat eine glänzende Karriere hingelegt. Er hat alles Namhafte gewonnen, was ihm fehlt, ist ein Major-Titel. GJ traf den Profi, der Golf als »unendliche Geschichte« bezeichnet, zu einem Exklusivtermin in München I Ingo Grünpeter

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Der 39-jährige Schwede und glückliche Familienvater

Henrik Stenson hat eine glänzende Karriere hingelegt.

Er hat alles Namhafte gewonnen, was ihm fehlt, ist ein Major-Titel.

GJ traf den Profi, der Golf als »unendliche Geschichte« bezeichnet,

zu einem Exklusivtermin in München

I Ingo Grünpeter

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Interview: Henrik Stenson

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Mögen Sie Brokkoli?Ja, ein sehr gesundes Gemüse, solange man nicht darauf putten muss.

Für die Grüns bei der US Open in Chambers Bay haben Sie einen interessanten Vergleich mit Brokkoli gewählt, wie ordnen Sie denn dann München Eichenried ein?Richtig gut, meine Trainingseinheiten auf dem Putting-Grün waren toll, so gut habe ich die hier noch nie gesehen. Aber Sie wollen jetzt doch keinen Gemüse-vergleich?

Natürlich!Hm, ein wenig wie gestutzter Spinat. Spaß beiseite, die sind wirklich gut.

Selten wurde so hitzig über einen Platz dis-kutiert wie über Chambers Bay, war das wirklich so grenzwertig?Im April war ich vor Ort, um mir den Platz anzuschauen. Schon bei der Bege-hung stand für mich fest, dass viele Dis-kussionen anstehen werden. In einigen Bereichen ist die Anlage sehr extrem. Die Grüns haben ähnliche Ausmaße wie die von St. Andrews, nur haben die in Chambers Bay Himalaya-Hügel drin. Ich weiß nicht, welche Golflegende sich da-zu äußerte, aber es stimmt: Wenn man das ein oder andere Grün nur um einen

Yard verfehlte, dann lag man plötzlich 60 Yards weg. Ganz ehrlich, das war einfach zu viel und vollkommen überzogen. Ich habe das Designer Robert Trent Jones II und dessen Mitarbeiter Bruce Charlton auch ganz offen gesagt. Ihnen war im Vorfeld klar, dass viel über den Platz ge-sprochen wird, ob so viel und so kontro-vers? Ich denke, damit hatten sie nicht gerechnet. Eines konnte ich bei der US Open feststellen, sobald sich einige Spieler äußerten, dass ihnen etwas nicht gefällt oder sie keinen Spaß haben – wo-

bei sich ja jeder Profi dieser Aufgabe stel-len muss und die gleichen Voraussetzun-gen hat –, schon nahm das eine spezielle Eigendynamik an. Natürlich spielen wir um viel Geld, werden verwöhnt und rei-sen durch die ganze Welt, aber man darf deswegen doch noch eine Meinung ver-treten, oder? Egal, wie man sich in so einer Situation als Spieler verhält, man kann nicht gewinnen. Sagt man nichts,

ist man langweilig, äußert man sich, wird man als Nörgler und Kritiker hingestellt.

2015 ist dennoch kurios. Betrachtet man die vier Majors, könnte man sagen: Willkom-men bei den Links-Majors garniert mit dem Masters in Augusta...Absolut. St. Andrews ist ein klassischer Links-Course, Chambers Bay ist nah dran und Whistling Straits mit der PGA Championship so einer mit Links-Style. Ja, das ist schon auffallend.

Hat dieses weg vom traditionellen US-Open-Platz nicht schon 2014 in Pinehurst begonnen?Pinehurst fand ich, ehrlich gesagt, erfri-schend, das war einfach mal anders als die typischen US Open, wo man enge Fairways hat und aus dem dichten Rough oft nur raushacken kann. Chambers Bay war Pinball – gute Schläge wurden be-straft und schlechte häufig belohnt. Nächstes Jahr spielen wir im Oakmont Country Club, ein Klassiker unter den Open-Plätzen, und das ist gut so.

Der GC München Eichenried gilt als ver-gleichsweise einfacher Kurs, das dürfte Sie nach der US Open erfreut haben?Alles nach diesem Major ist einfach. Tra-ditionell ist München ein Turnier mit ei-nem niedrigen Sieger-Score, auch wenn man viel verändert und den Platz schwe-rer gemacht hat. Die Runde ist nicht mehr ganz so einfach wie einst.

Warum haben Sie eigentlich auf Went-worth, das Flaggschiff-Turnier der Euro-pean Tour, verzichtet?Es hat einfach nicht in meinen Turnier-kalender gepasst. Bei der Planung muss man die Fliegerei sehr wohl berücksich-tigen und abschätzen, wie oft man hin- und herfliegen kann. Der Jetlag macht mir sehr wohl zu schaffen. Das hat dieses Jahr mit der Familie einfach nicht ge-

»Wenn man das ein oder andere Grün nur um einen Yard verfehlte, dann lag man plötz-lich 60 Yards weg. Ganz ehrlich, das war ein-

fach zu viel und vollkommen überzogen.«

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passt. Einige von uns (u.a. Ian Poulter, Sergio Garcia, Anm. d. Red.) haben die PGA Championship ja dieses Jahr sau-sen lassen, aber natürlich will man die Tour unterstützen und den Sponsor, der uns so viele Jahre treu ist. Nur wenn es dann noch ein Kurs ist, auf dem man nie erfolgreich war, und es nicht in den Ter-minplan passt, dann fällt man halt so eine Entscheidung.

Wird die Lücke zwischen European und PGA Tour nicht jedes Jahr größer, der enor-me Unterschied im Preisgeld und dann auch die Qualität der Spieler?Na ja, in Europa ist das durchschnittliche Preisgeld bei zwei Millionen Euro und in den USA bei sechs bis sechseinhalb Mil-lionen Dollar. Ich denke, das Preisgeld ist durchaus ein Aspekt, aber Spieler treibt auch etwas anderes an: Man will sich messen. Im Regelfall ist die golferi-sche Qualität bei den Turnieren in den USA besser. Das heißt, wenn man die Besten schlagen will, muss man gegen die Besten spielen, genau das ist in den

USA wöchentlich der Fall. Geht man diesen Schritt über den Teich, richtet man sich auch mit der Familie in den USA ein. Für einen Spieler ist es auf der PGA Tour einfach angenehmer, denn man hält sich vorwiegend in einem Land auf, die Reisewege sind kürzer, und das Wetter ist auch besser. Das Gesamtpaket ist angenehmer. Ich finde dennoch, dass die Top-Europäer, die in den USA behei-matet sind, auch häufig in Europa vertre-

ten sind. Viele Spieler haben besondere Beziehungen zu diversen Turnieren und Sponsoren, folglich kommen sie gerne wieder. Ich bin doch ein gutes Beispiel, seit Jahren komme ich zur BMW Inter-national Open, und ja, ich komme im-

mer wieder gerne. Andere habe ein be-sonderes Verhältnis zu Italien oder Por-tugal etc. etc. Im Sommer, gerade rund um die British Open, sind die Felder sehr stark.

Würden Sie Ihre Karriere bislang als durch-wachsen beschreiben?Es fällt mir schwer, dagegen zu argu-mentieren. Meine Karriere gleicht mehr einer Achterbahnfahrt. Ich hatte zwei richtige Dellen, um 2001/2002 und dann 2011/12, das war schrecklich. Aber ich hatte auch sehr viele Höhen. 2013 hatte ich das Jahr meines Lebens, und 2014 war die zweitbeste Saison meiner Karri-ere, das kann man schnell übersehen bei den Erfolgen, die ich 2013 hatte. Dieses Jahr hat alles in den Schatten gestellt. Ich bin mit meinem Erreichten sehr zufrie-den. Wenn ich jetzt aufhöre, würde ich sagen: Das hat gepasst.

Einspruch! Sie sind Schwede, kommen also aus einer sportbegeisterten Nation mit vie-len Spitzengolfern, aber das Land wartet

»Wenn ich jetzt aufhöre, würde

ich sagen: Das hat gepasst.«

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sehnsüchtig auf den ersten Major-Titel. Das muss doch Anreiz genug sein?So ein Sieg wäre das Sahnehäubchen. Aber, ich könnte meine Karriere been-den und wäre auch ohne Major ein glücklicher Mensch. Es wäre eine tolle Ergänzung, denn ansonsten habe ich al-les gewonnen.

Ist das die Motivation, sich täglich zu quä-len und zu trainieren?Teilweise, Golf ist eine Lebensaufgabe, eine unendliche Gesichte, da dieses Spiel nie endet. Ich habe eine perfektio-nistische Ader, und die treibt mich stän-dig an: Ich kann einfach immer noch besser werden. Schon eine gute Trai-ningseinheit ist motivierend, wenn die Bälle genau das machen, was ich will. Dann weiß ich, das geht auch im Turnier. Es ist ein irrer Kick, auf dem 72. Loch zu stehen und dann den Ball mit einem 5er Eisen einen Meter neben die Fahne zu schlagen. Am Ende eines Turniers oder

beim Ryder Cup um den Sieg zu spielen, ist ein unglaublicher Adrenalinschub.

Henrik Stenson auf dem Platz zu beobachten ist interessant. Regungen? Fehlanzeige. Emotionen? Kaum sichtbar. Bringt Sie wirk-lich nichts aus der Ruhe oder verbergen Sie das geschickt, hinter der Sonnenbrille?Ich habe Momente, in denen ich nervös bin, ganz klar. Die Sonnenbrille trage ich seit 1997 aus einem einfachen Grund, da meine Augen sehr empfindlich auf die Sonnenstrahlen reagieren. Natürlich hat die Brille den Vorteil, dass ich mir alles anschauen kann, ohne dass es jemand mitbekommt. Eine Kappe hilft bereits, aber die Brille schützt noch mehr. Viel-leicht erscheine ich dadurch etwas küh-ler und reservierter.

Und ausgerechnet Sie sollen ein guter Kum-pel von Patrick Reed sein...Davon habe ich auch gehört, nein, ich habe mal eine Proberunde mit ihm ge-

spielt und ihm einfach zu seinen Leis-tungen gratuliert. Das war womöglich mehr, als meine Kollegen gemacht hät-ten. Ich habe Achtung vor ihm als Golfer, ich kenne ihn aber nicht gut und da eine Freundschaft hinein zu interpretieren, ist übertrieben.

Sie sind ein Facebook-Aktivist, posten regel-mäßig und auch viel aus ihrem Privatleben – sehen Sie da nicht eine gewisse Gefahr?Kaum, natürlich habe ich meine Kinder nicht gefragt, ob das für sie okay geht, da-für sind sie schließlich noch zu jung. Das wird sich spätestens ändern, wenn meine Kinder älter sind und sich selbst der Sozi-alen Medien bedienen. Im Regelfall sind meine Posts Bilder, wenn wir etwas un-ternommen haben – ich mag gerne lusti-ge Dinge, dann teile ich auch meine Art des Humors. Die überwiegende Mehr-zahl meiner Follower versteht das und hat Spaß. Zum Beispiel die Sache mit meiner Tochter Alice. Wir sind im Büro,

»Es ist ein irrer Kick, auf dem 72. Loch zu stehen und dann den Ball mit einem 5er Eisen einen Meter neben die Fahne zu schlagen.«

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Interview: Henrik Stenson

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HENRIK STENSON>>> Geboren: 5. April 1976 in Göteborg>>> Familie: Verheiratet seit 2006 mit Emma, drei gemeinsame Kinder (Alice, Karl, Lisa)

>>> Wohnort: Orlando (USA)>>> Hobbies: Skifahren, Jet-Ski, Fischen, schnelle Autos (fährt Porsche und BMW)>>> Golf-Idole: Seve Ballesteros, Sir Nick Faldo>>> Sportliche Karriere/Erfolge:• Professional seit 1998• 21 Turniersiege weltweit (u.a. The Players,

WGC-Accenture Matchplay Championship, Final Series DP World Tour Championship, Tour FedExCup-Playoff Tour Championship). Ryder-Cup-Spieler (2006, 2008, 2014).

• Spieler des Jahres der European Tour 2013 >>> Beste Position OWGR: 2 (Ende 2014)>>> Karriere-Preisgeld: 36 Millionen Dollar>>> Lieblingswort: Guter Schlag>>> Unwort: Fore

und ich nehme sie und stelle sie in die Außentasche des Bags. Das war nur noch witzig, und warum sollen die Leute so et-was nicht mitbekommen? Ich weiß nicht, ob das gefährlich ist.

Wenn es bei Ihnen schwungtechnisch brenz-lig wird, suchen Sie seit Jahren Pete Cowen auf. Was zeichnet ihn als Swing-Coach aus?Er ist einer der weltbesten Trainer, viel-leicht bekommt er nicht die Anerken-nung, die ihm gebühren würde. Er hat halt nie die kommerzielle Schiene ge-wählt, in der Art, wie es Leadbetter, Har-mon oder Haney machen. Pete kümmert sich halt lieber um seine Spieler. Es gibt keinen, der so viel harte Arbeit rein-steckt, er ist normalerweise immer dabei. Jetzt hat er nach acht Wochen am Stück mal eine Pause eingelegt. Ihm geht es nur um seine Arbeit und seine Spieler, die anderen Sachen sind für ihn unwich-tig. Bei Pete Cowen ist es die Kombinati-on, die ihn so auszeichnet: Er war Spie-ler, dadurch allein hat er ein unglaubli-ches Wissen, und er hat immer noch den Antrieb zu lernen. Er kennt den Golf-schwung, er kennt den Körper, und er kennt die Biomechanik. Ganz wenige Trainer haben so ein Wissen. Ich vertraue

ihm voll, deswegen arbeiten wir schon so lange zusammen.

Was haben Sie für einen Schwunggedanken?Es sind einige Schritte. Zuerst hat man die Absprachen mit dem Caddie über die Distanz, wo der Ball landen soll und wie der Wind ist. Wenn das steht, denk’ ich gar nicht viel nach, ich gehe hin und hau’ auf den Ball. Läuft es nicht, beginnt man mit dem Analysieren, dann denkt man nach, und man hat nicht mehr die nötige Lockerheit.

Letztes Jahr hat Europa in einer extrem coo-len Art die Amerikaner im Ryder Cup ver-möbelt. Könnte es sein, wenn Europa als Gast kommendes Jahr erneut den Pokal holt, dass die Amerikaner nicht so langsam die Lust an dem Wettbewerb verlieren?Das glaube ich nicht, der Ryder Cup ist Tradition pur. Amerikaner hassen es zu verlieren, egal, in welchem Sport oder Lebensbereich. Das US-Team wird sich bestens vorbereiten und alles daran set-zen, daheim nicht zu verlieren. Wir müs-sen unser Bestes geben. Ich möchte auf alle Fälle für Europa dabei sein, meine schönsten Golferinnerungen sind mit dem Ryder Cup eng verbunden.

»… ich mag gerne lustige Dinge, dann teile ich auch meine Art des Humors.«