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Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik

Herausgegeben im Auftrag der Konferenz fürGeschichtsdidaktik vom Vorstand

Band 2

Herausgegeben vom Vorstand der Konferenz fürGeschichtsdidaktik: Susanne Popp, Michael Sauer, Bettina Alavi,Marko Demantowsky und Gerhard Paul

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Susanne Popp / Michael Sauer / Bettina Alavi /Marko Demantowsky / Gerhard Paul (Hg.)

Zeitgeschichte – Medien –Historische Bildung

V&R unipress

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89971-653-5

Ð 2010, V&R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede

Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen

schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine

Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht

werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr-und Unterrichtszwecke.

Printed in Germany.

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt

Susanne PoppZum Stand der Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Michael SauerZeitgeschichte – Medien – Historische Bildung.Einführung in das Tagungsthema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Sektion 1: Zeitgeschichte in kommerziellen Printmedien

Marko DemantowskyEinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Meik Zülsdorf-KerstingZwischen Dämonisierung und Glorifizierung – Zeitgeschichte in derBild-Zeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Christian SpießZeitgeschichte in populären Geschichtsmagazinen . . . . . . . . . . . . . 61

Nicolai HannigAufklärende Geschichte. Der zeithistorische Journalismus des SPIEGELim Profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Jeannette van LaakZeitgeschichte in kommerziellen Printmedien am Beispiel des stern . . . 93

Sektion 2: Zeitgeschichte in Unterrichtsmedien

Michael SauerEinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

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Holger ThünemannZeitgeschichte im Schulbuch. Normative Überlegungen, empirischeBefunde und pragmatische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Bärbel KuhnDeutsche Zeitgeschichte in französischen Geschichtsbüchern . . . . . . . 133

Ulrich KröllZeitgeschichte in digitalen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Fabio CrivellariZeitgeschichte und Unterrichtsfilm. Desiderate und Perspektiven . . . . 171

Sektion 3: Zeitgeschichte in Film und Fernsehen

Gerhard PaulEinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Saskia Handro»Erinnern Sie sich …«. Zum Verhältnis von Zeitgeschichte undFernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Oliver NäpelKommerz, Bildung, Geschichtsbewusstsein. Historisches Lernen durchGeschichte im TV? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Sabine MollerSpielfilme als Blaupausen des Geschichtsbewusstseins.Good Bye Lenin! aus deutscher und amerikanischer Perspektive . . . . . 239

Sektion 4: Zeitgeschichte im Internet

Bettina AlaviEinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Jakob KrameritschDie fünf Typen des historischen Erzählens – im Zeitalter digitaler Medien 261

Hiram KümperZeitgeschichte und Wikipedia: von der Wissens(ver)schleuder(ung) zumForschungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Inhalt6

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Rainer Pöppinghege»die echt konkrete seite« – LeMO als Lernort der Zeitgeschichte? . . . . . 297

Nachwuchssektion

Johannes Meyer-HammeHistorische Identitäten und Geschichtsunterricht in derEinwanderungsgesellschaft. Ergebnisse einer rekonstruktiven Studie . . . 309

Andrea KolpatzikDer Spion, der aus dem Internet kam. Geschichtsjournalismus in denneuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Verzeichnis der Autoren und Autorinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Inhalt 7

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Susanne Popp

Zum Stand der Disziplin

Liebe Kolleginnen und Kollegen,meine sehr verehrten Damen und Herren,

im Jahr des Gedenkens an die doppelte Staatsgründung (1949) und den vereini-genden »Mauerfall« (1989) ist es mir eine besondere Freude, Sie im »Haus derGeschichte der Bundesrepublik Deutschland« in Bonn zur 18. Zweijahrestagungder Konferenz für Geschichtsdidaktik begrüßen zu dürfen. Während wir uns vorzwei Jahren inMünchenmit demMuseum als außerschulischem Lernort und dendort zu erwerbenden historischen Kompetenzen befasst haben, ist diese Tagungdem Thema »Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung« gewidmet undfindet – in diesem an Erinnerungs-, Gedenk- und Jubiläumsanlässen so reichenJahr 20091 – in der inspirierenden Atmosphäre eines international renommiertenNationalmuseums für deutsche Zeitgeschichte statt. Man kann sich kaum einenpassenderen Rahmen für den wissenschaftlichen Austausch jener Disziplin den-ken, die sich – theoretisch und pragmatisch, empirisch und normativ – mit Zu-stand und Wandel von Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur in derenvielfältigen sozialen und institutionellen Formen auseinandersetzt. Die ausge-prägte Vermittlungsorientierung des genius loci manifestiert sich zudem in densehr erfolgreichen Bemühungen des »Hauses der Geschichte« um die politisch-historische Bildung von Jugendlichen und weiteren Laienpublika sowie in denmannigfaltigen museumpädagogischen und –didaktischen Innovationen derAusstellungspraxis, die Angenehmes und Nützliches auf vorzügliche Weise zuverbinden weiß. In diesem Sinne, so hoffen wir, wird die ungemein anregende»Lernumgebung« dieses Hauses auch den Sektionsbeiträgen, Diskussionen undBegegnungen unserer Tagung zu Gute kommen und diese besonders gut gedeihenlassen.

Daher möchte ich an erster Stelle den Dank der KGD aussprechen – zunächstgegenüber der Institution, dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik

1 Vgl. Werner Dahlheim (Hrsg): Gedenkjahr 2009. Schwalbach/Ts. 2009.

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Deutschland in Bonn, das unseremVerband äußerst großzügige Gastfreundschafterweist und nicht nur Räumlichkeiten und Equipment kostenfrei zur Verfügungstellt, sondern auch die abendliche Podiumsdiskussion mit Empfang organisiertund trägt. Dabei gilt unser ganz besonderer Dank dem Hausherrn, Herrn Pro-fessorDr. HansWalterHütter, demPräsidenten der Stiftung »Haus der GeschichtederBundesrepublikDeutschland«. Er unterstützte unserVorhaben inallenPhasender Planung und Vorbereitung mit großemWohlwollen und erfahrenem Rat undstellte uns nicht zuletzt auch zweiMitarbeiterinnen als Ansprechpartnerinnen zurVerfügung, Frau Dr. Judith Koppetsch und Frau Dr. Karin Jackenkroll. Auch ihnenbeidenmöchtenwir sehr herzlich danken: In zahlreichen Telefonaten und E-Mail-Korrespondenzen zwischen Bonn und Augsburg haben sie ebenso kompetent wiezuverlässig geholfen, die unvermeidlichen Schwierigkeiten in den Griff zu be-kommen, die mit einer auswärtigen Tagungsorganisation nun einmal verbundensind.

In der Tradition, die vor allem die beiden KGD-Vorsitzenden Uwe Uffelmann(1989–1999) undBernd Schönemann (1999–2007) institutionalisiert haben, folgtan dieser Stelle der Eröffnung der Bericht zum Stand von Verband und Disziplin.Er legt üblicherweise die Entwicklung von Mitgliederzahlen, FachpublikationenundNachwuchsförderung dar, geht auf innere Strukturen undAußenbeziehungender KGD ein und endet mit allgemeineren Bemerkungen zu Arbeitsschwer-punkten und einem Ausblick auf aktuelle verbandliche Herausforderungen.

Heute aber verbietet es sich, unmittelbar zur Tagesordnung überzugehen. DieKGD hat im November 2008 einen überaus herben Verlust erlitten. Uwe Uffel-mann, der Ehrenvorsitzende unseres Verbandes, ist am 21. November 2008 völligunerwartet verstorben, als er von einem Krankenhausaufenthalt nach Hauseaufbrechen wollte. Uns allen, die wir ihn als Leiter der Münchener Mitglieder-versammlung noch lebhaft vor Augen haben, wird es hier in Bonn noch einmalsehr schmerzlich bewusst, dass wir nur noch in der Erinnerung Zugang zu ihmfinden können – zu seiner reichen Erfahrung, demweitblickendenRatschlag, demzuverlässigen Rückhalt, der ermutigenden Kritik und dem persönlichen Wohl-wollen in allen Fragen des Verbandes und der Disziplin. Uwe Uffelmann hat sichmit der ihm eigenen Überzeugungskraft, seinem wissenschaftlichen, disziplin-politischen und verbandlichen Gestaltungswillen sowie einem nie versiegendenpersönlichen Engagement unschätzbare Verdienste um die Konferenz für Ge-schichtsdidaktik erworben und damit auch die gesamte Disziplin nachhaltig ge-prägt. An dieser Stelle möchte ich, stellvertretend für vieles andere, nur das Fol-gende hervorheben: In seiner Amtszeit als Verbandsvorsitzender hat Uwe Uffel-mann bewirkt, dass die KGD als gemeinnütziger eingetragener Verein beimAmtsgericht: Heidelberg registriert wurde. Er vermochte ferner zu erreichen, dassdie KGD Sitz und Stimme im Ausschuss beim Vorstand des Verbandes der His-toriker undHistorikerinnenDeutschlands (VHD) erhielt, was die Stellung unseres

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wissenschaftlichen Fachverbandes institutionell erheblich stärkte. Auch wurdedamit die angestrebte Positionierung im Kreis der Geschichtswissenschaftensymbolisch sehr wirksam herausgestellt. Nicht zuletzt sicherte dieser Schritt derKGD eigene geschichtsdidaktische Sektionen bei den deutschen Historikertagen.Schließlich wurde in Uwe Uffelmanns zehnjähriger Amtszeit die KGD-Reihe»Schriften zur Geschichtsdidaktik (SGD)« begründet, die herausragende Quali-fikationsschriften ebenso bündelt wie die Dokumentationen der Zweijahresta-gungen derKGD.Von 1994 an bis heute sind 26 Bände in dieser Reihe erschienen –eine stolze Bilanz, die das Profil unserer Disziplin in hervorragender Weise re-präsentiert.

Ich bitte Sie nun alle, sich zu erheben und unseres Ehrenvorsitzenden in einerSchweigeminute zu gedenken.

Beim Bericht über die Mitgliederentwicklung seit 2007 hätte Uwe Uffelmannsicher aufmerksam registriert, dass die Mitgliederzahlen der KGD seit 2007 umrund 10 %, angestiegen sind, und zwar trotz spürbarer Beitragserhöhung undzahlreicher Pensionierungen, denen erfahrungsgemäß immer einige Austrittefolgen. Am 30. September 2009 hatte die KGD 256 persönliche Mitglieder (2007:231) sowie 16 korporative Mitglieder (2007: 16); seit Herbst 2007 gab es 33 Aus-tritte und 58 Neuzugänge. Damit scheint auch der Generationenwechsel in derKGD, der Uwe Uffelmann zuletzt ein sehr wichtiges Anliegen war, auf dem bestenWeg zu sein.

Ein positives Bild zeichnen auch Anzahl, thematische Breite und inhaltlicheQualität der geschichtsdidaktischen Publikationen, die seit der Münchener Ta-gung erschienen sind. Hier gibt es keine Anzeichen, dass die Produktivität derDisziplin demnächst versiegen könnte, was Joachim Rohlfes bekanntlich früherwiederholt befürchtete.Überhaupt fand dieser strengeKommentator undKritikerder wissenschaftlichen Entwicklung der Geschichtsdidaktik – in einem Fest-schriftbeitrag2 – durchaus positive Worte für unsere Disziplin.

Da es unmöglich erscheint, die Fülle der Buchneuerscheinungen in den beidenzurückliegenden Jahren hier angemessen zu würdigen, beschränke ich mich aufwenige Stichworte: Das neue, im komfortabel kleinen Format gehaltene Nach-schlagewerk »Wörterbuch Geschichtsdidaktik«3 erweist sich bereits jetzt alsdurchschlagender Erfolg. Die Hinwendung zur empirischen Forschung erfolgtweiterhin mit großem Engagement und vielfältigen Fragestellungen;4 oft, aber

2 Joachim Rohlfes: Quo vadis, Geschichtsdidaktik? In: Olaf Hartung/Katja Koehr (Hrsg.):Geschichte und Geschichtsvermittlung. Festschrift für Karl Heinrich Pohl. Bielefeld 2008,S. 9–26.

3 Ulrich Mayer u. a. (Hrsg.): Wörterbuch Geschichtsdidaktik. Schwalbach/Ts. 2., erweiterteund überarbeitete Auflage Schwalbach/Ts. 2009.

4 Vgl. z.B. Jan Hodel (Hrsg.): Forschungswerkstatt Geschichtsdidaktik 07. Beiträge zur Tagung»Geschichtsdidaktik Empirisch 07«. Bern 2009; Johannes Meyer-Hamme: Historische Iden-

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nicht ausschließlich ist sie mit der Entwicklung von Qualitätsmaßstäben,5 Bil-dungsstandards und graduierbaren Kompetenzmodellen für das UnterrichtsfachGeschichte verbunden.Noch immer ist das Ziel, dasUnterrichtsfachGeschichte inden Status eines »KMK-Kompetenz-Kernfaches« zu heben, auch aufgrund derspezifischen Komplexität unserer theoretischen Ansätze und Fragestellungennicht wirklich näher gerückt. Doch lässt sich inzwischen recht gut erkennen, dassdie bildungspolitisch ohnehin unausweichlich geforderte Beschäftigung mitfachspezifischen Kompetenz-Modellen als kräftiger Motor wirkt, die überfälligeSichtung, Analyse und kritische Reflexion grundlegender wissenschaftlicherAnnahmen und Ziele, Fragestellungen, Forschungsdesigns und Verfahren inner-halb unserer scientific community voranzutreiben.

Auf dem weiten Gebiet der Geschichtskultur zeichnen sich zwei weitere the-matische Schwerpunkte in den Buchpublikationen der beiden vergangenen Jahreab. Es handelt sich erstens um das Thema der »public history«6, unter Einschlussvon Erinnerungskultur und Museum7, und zweitens um das Verhältnis von Fik-tionalität und Realität in unterschiedlichen medialen Formaten der Geschichts-

titäten und Geschichtsunterricht. Fallstudien zum Verhältnis von kultureller Zugehörigkeit,schulischen Anforderungen und individueller Verarbeitung. Idstein 2009 (SGD 26). MeikZülsdorf-Kersting: Sechzig Jahre danach. Jugendliche und der Holocaust. Münster 2007.

5 Vgl. z.B. Peter Gautschi: Guter Geschichtsunterricht. Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise.Schwalbach/Ts. 2009; Werner Heil : Kompetenzorientierter Geschichtsunterricht. Stuttgart2010 (Geschichte im Unterricht Bd. 1). Christoph Kühberger : Kompetenzorientiertes histo-risches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherungen für Geschichte,Sozialkunde und Politische Bildung. Innsbruck 2009.

6 Vgl. z.B. Sabine Horn: Erinnerungsbilder. Auschwitz-Prozess und Majdanek-Prozess imwestdeutschen Fernsehen. Essen 2009. Barbara Korte/Sylvia Paletschek (Hrsg.): History goesPop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres. Bielefeld 2009;Bernd Mütter : HisTourismus. Geschichte in der Erwachsenenbildung und auf Reisen. 2. Bde.Oldenburg 2008; Vadim Oswalt/Hans-Jürgen Pandel (Hrsg.): Geschichtskultur. Die Anwe-senheit von Vergangenheit in der Gegenwart. Schwalbach/Ts. 2009; Michael Sauer/SabineHorn (Hrsg.): Geschichte undÖffentlichkeit. Orte – Medien – Institutionen. Göttingen 2009.Wolfgang Amsoneit/Walter Ollenik: Zeitmaschine Architektur. Eine Einführung in die Ar-chitekturtheorie. Essen 2008. – Vgl. zur internationalen Geschichtspolitik und -kultur : z.B.Julian Dierkes: Postwar History Education in Japan and in the Germanys. London u.a. 2010;Markus Furrer : Die Schweiz im kurzen 20. Jahrhundert (1914 bis 1989) mit Blick auf dieGegenwart, Zürich 2008; Michael Gottlob: Historie und Politik im postkolonialen Indien.Göttingen 2009; Jutta Schumann/ Susanne Popp (Hrsg.): History Teaching in the Crossfire ofPolitical Interests. Schwalbach/Ts. 2009 (Yearbook of the International Society of HistoryDidactics 2009); Sven Schuster : Die Violencia in Kolumbien. Verbotene Erinnerung? DerBürgerkrieg in Politik und Gesellschaft (1948–2008). Stuttgart 2009.Vgl. zum Dialog Geschichtsdidaktik und Kulturgeschichte: Jürgen Joachimsthaler/EugenKotte (Hrsg.): Theorie ohne Praxis – Praxis ohne Theorie? Kulturwissenschaft(en) imSpannungsfeld zwischen Theorie, Didaktik und kultureller Praxis. München 2009.

7 Vgl. z.B. Martina Christmeier : Besucher am authentischen Ort. Eine empirische Studie imDokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Idstein 2009 (SGD 24); Susanne Popp/Bernd Schönemann (Hrsg.): Historische Kompetenzen und Museen. Idstein 2009 (SGD 25).

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präsentation8. Damit ist nicht selten ein Interesse an ikonischen Quellen undDarstellungen9, darunter auch Comics10, verbunden, das zur Beschäftigung mitKonzepten der »visual literacy« und den grundsätzlichen Bedingungen der Dar-stellbarkeit von historischen Aussagen mittels ikonischer Zeichensysteme hin-führt. Weitere gemeinsame Interessenspunkte der geschichtsdidaktischen For-schung liegen beim bilingualen Geschichtsunterricht,11 bei Studien zur Historio-graphie von Disziplin und Geschichtsunterricht,12 bei der Diskussion und Er-schließung epochenspezifischer Ansätze13 für die Geschichtsdidaktik sowieschließlich bei der Auseinandersetzung mit raumbezogenen, insbesondere mitglobal- wie regionalgeschichtlichen Zugängen14. Daneben haben selbstverständ-

8 Vgl. z.B. Janine Christine Georg: Fiktionalität und Geschichtsvermittlung – unvereinbar?Eine Studie über den Beitrag historischer Jugendromane der Gegenwart zum historischenLernen. Hamburg 2008; Christian Kuchler : Filmskandale imGeschichtsunterricht. In: GWU59 (2008), S. 565–574; Eva Ulrike Pirker : Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in po-pulären Geschichtskulturen. Bielefeld 2010 (Historische Lebenswelten in populären Wis-senskulturen 3); Jan Trützschler : Authentizität und Fiktion – derHolocaust als Filmkomödiein »Das Leben ist schön« und »Zug des Lebens«. Aachen 2008.

9 Vgl. z.B. Kristin Land/Hans-Jürgen Pandel: Bildinterpretation praktisch. Schwalbach/Ts. 2009; Werner Dreier u. a. (Hrsg.): Schlüsselbilder des Nationalsozialismus. Innsbruck2008.

10 Vgl. z.B. Ren¤Mounajed: Geschichte in Sequenzen.Über den Einsatz von Geschichtscomicsim Geschichtsunterricht. Frankfurt a.M. u. a. 2009.

11 Vgl. z.B. Malte Bachem: Bilingualer Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2010 (Geschichtefür heute 3,1); Daniela Caspari u. a. (Hrsg.): Bilingualer Unterricht macht Schule. Beiträgeaus der Praxisforschung. Frankfurt a. M. 2007; Anne Ingrid Kollenrott: Sichtweisen aufdeutsch-englisch bilingualen Geschichtsunterricht. Eine empirische Studie mit Fokus aufinterkulturelles Lernen. Frankfurt a.M. 2008; Bärbel Kuhn (Hrsg.): Geschichte bilingual.Schwalbach/Ts. 2009 (ZfGD 8); Stefanie Lamsfuß-Schenk: Fremdverstehen im bilingualenGeschichtsunterricht. Frankfurt a.M. 2008.

12 Vgl. z.B. Knut Engeler : Geschichtsunterricht und Reformpädagogik. Eine Untersuchung zurPraxis des Geschichtsunterrichts an höheren Schulen der Weimarer Republik. Berlin 2009;Wolfgang Hasberg/Manfred Seidenfuß (Hrsg.): Modernisierung im Umbruch. Geschichts-didaktik und Geschichtsunterricht nach 1945. Berlin 2008 (Geschichtsdidaktik in Vergan-genheit und Gegenwart 6); Stephan Jerger : Uni form. Zum militärischen Habitus imSchulsystemderWilhelminischenÄra. Regensburg 2008; ReinholdKrammer: IntentionundProzesse im Geschichtsunterricht. Der Einfluss externer Faktoren auf die Praxis an dendeutschsprachigen MittelschulenÖsterreichs 1849–1914. Innsbruck 2008 (ÖsterreichischeBeiträge zur Geschichtsdidaktik 1).

13 Vgl. z.B. Michele Barricelli/Julia Hornig (Hrsg.): Aufklärung, Bildung, »Histotainment«?Zeitgeschichte in Unterricht und Gesellschaft heute. Frankfurt a.M. 2008; Thomas MartinBuck: Mittelalter und Moderne. Schwalbach/Ts. 2008; Albert Drews (Hrsg.): Zeitgeschichteals TV-Event. Erinnerungsarbeit und Geschichtsvermittlung im deutschen Fernsehfilm.Rehburg-Loccum 2008; Vgl. auch ZfGD 8 (Anm. 11).

14 Vgl. z.B. Johannes Dillinger : Die Vermittlung von Landesgeschichte. Beiträge zur Praxis derhistorischen Didaktik. Heidelberg 2010; Globalgeschichtliche Perspektiven im Geschichts-unterricht [Themenschwerpunkt]. In: Geschichte für heute 2,3 (2009); Bärbel Kuhn (Hrsg.):Weltgeschichtliche Perspektiven im Geschichtsunterricht. St. Ingbert 2010 (Historica etDidactica 1); Georg Wagner-Kyora u. a. (Hrsg.): Transkulturelle Geschichtsdidaktik. Kom-

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lich auch die Schulbuch-Analyse15 und die – von Seiten der Praxis stets geschätzte–Hinwendung zuMedienundMethodendesGeschichtsunterrichts keineswegs anBedeutung eingebüßt – ganz im Gegenteil.16

Was nun die Publikationstätigkeit der KGD selbst anbelangt,17 so sind der 7.und 8. Jahresband der »Zeitschrift für Geschichtsdidaktik« termingerecht ausge-liefert worden, obgleich der amtierende Vorstand weitreichende Neuerungenbeschlossen und umgesetzt hat, die für die beidenHerausgeberWolfgangHasberg(2008)18 – er hatte den »Pilot-Durchgang« zumeistern – und Bärbel Kuhn (2009)19

erhebliche Herausforderungen bedeuteten. Ihnen beiden gebührt daher ein be-sonderer Dank des Vorstandes für die gute Kooperation und das hohe Engage-ment, mit dem sie wesentlich dazu beitrugen, dass die Zeitschrift trotz derschwierigen »Experimentierphase« fristgerecht und in vertrauter Qualität er-scheinen konnte.

Die erste der angesprochenen Neuerungen besteht darin, dass fortan der je-weils amtierende Verbandsvorstand– stellvertretend für die KGD-Mitglieder – dieHerausgeberschaft bei dieser vollständig aus Beiträgen finanzierten Fachzeit-schrift wahrnimmt. In Verbindung damit erfolgte als zweiter Schritt die Aufwer-tungder früheren »ModeratorInnendes Jahresbandes« zu »HerausgeberInnendesJahresbandes«. Damit wurde eine bibliometrisch wertlose Attribuierung durch

petenzen und Unterrichtsdidaktik. Schwalbach/Ts. 2008. – Zur Regionalgeschichte: Lern-potentiale der Regionalgeschichte [Themenschwerpunkt]. In: Geschichte für heute 3,2(2010). Schwalbach/Ts. 2010; Gerhard Fritz (Hrsg.): Beiträge des »Tages der Landesge-schichte in der Schule« vom 23./24. Oktober 2007 in Eppingen. Stuttgart 2008.

15 Vgl. z.B. Michael Doering: Das sperrige Erbe. Die Revolutionen von 1848/49 im Spiegeldeutscher Schulgeschichtsbücher (1890–1945). Münster u. a. 2008; M¤lanie Gauweiler : DieDarstellung des ZweitenWeltkriegs in französischen Geschichtsschulbüchern, in: Francia 35(2008), S. 505–525.

16 Vgl. z.B Uwe Danker/Astrid Schwabe: Historisches Lernen im Internet. Geschichtsdidaktikund Neue Medien. Schwalbach/Ts. 2008; Monika Fenn (Hrsg.): Aus der Werkstatt des His-torikers. Didaktik der Geschichte versus Didaktik des Geschichtsunterrichts. München 2008(Münchner Kontaktstudium Geschichte 11); Karin Kneile-Klenk: Pauken oder Lernen?Schwalbach/Ts. 2007; Herbert Kohl/Hartmann Wunderer : Von der Quelle zum Tafelbild. 2Bde. Schwalbach/Ts. 2009; Michael Sauer: Geschichte erspielen. Lern- und Rollenspiele fürden Unterricht. Bamberg 2009; Gerhard Schneider (Hrsg.): Transfer. Ein Versuch über dasAnwenden und Behalten von Geschichtswissen. Schwalbach/Ts. 2009; Waltraud Schreiber/Katalin Úrkossy (Hrsg.): Zeitzeugengespräche führen und auswerten. Historische Kompe-tenzen schulen. Neuried 2009 (Themenhefte Geschichte 4); Birgit Wenzel: Kreative undinnovative Methoden. Schwalbach/Ts. 2010.

17 Für die Finanzierung der ZfGD (Zeitschrift für Geschichtsdidaktik) und des KGD-Ta-gungsbandes sowie für die Bezuchussung der Nachwuchstagung und der entsprechendenPublikation wurden im Berichtszeitraum insgesamt 50 Prozent der Mitgliedsbeiträge auf-gewendet.

18 Vgl. Wolfgang Hasberg (Hrsg.): Epoche als geschichtsdidaktische Größe. Schwalbach/Ts. 2008 (ZfGD 7)

19 Vgl. ZfGD 8 (Anm. 11).

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eine bibliometrisch aussagekräftige Bezeichnung ersetzt, was angesichts des mitder Heftbetreuung verbundenen Arbeitsaufwandes überfällig war. Zur weiterenVerbesserung der Partizipationsmöglichkeiten der KGD-Mitglieder und der Op-timierung der Verfahrenstransparenz wurde drittens ein »call for papers« imKGD-Newsletter20 eingeführt, der das Thema des nächsten Jahresbandes früh-zeitig präsentiert und zugleich zur Einreichung von Beiträgen einlädt. Der inter-nationalenWahrnehmbarkeit wiederum dient die vierte Maßnahme, die Beiträgeder ZfGD mit englischsprachigen Abstracts zu komplettieren.

Mit Rücksicht auf die gestiegenen Erfordernisse einer »outcome«-gesteuertenQualitätssicherung, insbesondere das Rating undRanking vonwissenschaftlichenPublikationen, und mit Blick auf unseren wissenschaftlichen Nachwuchs, der inder ZfGD einen adäquaten Publikationsort vorfinden soll, hat sich der amtierendeVorstand schließlich auch dazu entschlossen, das »double blind peer reviewing«einzuführen. Gewiss liegen die Schwierigkeiten dieses Verfahrens in einem ver-gleichsweise kleinen Fach auf der Hand. Doch umgekehrt stellt die Didaktik derGeschichte in der deutschen und internationalen Wissenschaftslandschaft kei-nesfalls die einzige Disziplinmit einem überschaubaren Kreis potentieller »peers«dar. Vielmehr würde sich die KGD in ein wissenschaftsstrategisch ungünstigesLicht rücken, wenn sie, im Unterschied gar zu kleineren Disziplinen, diesen na-tional wie international fest etablierten Standard des wissenschaftlichen Quali-tätsmanagements ignorierte und damit auch auf die vielfach berichtete Mög-lichkeit verzichtete, selbst zu erproben, ob und inwieweit das Peer-Reviewing zurProfessionalisierung der innerdisziplinären Kommunikations- und Kritikkulturbeitragen kann. Wegen des in langjähriger Expertise erworbenen Erfahrungs-reichtums wandten wir uns in der Startphase vor allem an Emeriti – und sind denMitwirkenden zu größtemDank verpflichtet! Oft genug sehr kurzfristig angefragt,beteiligten sie sich konstruktiv und loyal an dem durchaus riskanten Experimentund scheuten weder Zeit noch Mühe, um die ersten beiden Durchgänge zumErfolg zu führen. Damit bereiteten sie zugleich die Grundlage für den inzwischenerfolgten zweiten Schritt, die Erweiterung desKreises der anzufragendenPeers aufdie gesamte deutschsprachige Professorenschaft unserer Disziplin.

Die – wie bereits erwähnt – von Uwe Uffelmann mitbegründete Reihe»Schriften zur Geschichtsdidaktik« (SGD) bildet neben der in Bernd Schöne-manns Amtszeit initiierten »Zeitschrift für Geschichtsdidaktik (ZfGD)« einentragenden Pfeiler der KGD und der Disziplin. Im Zeitraum von 2007 bis 2009 sinddort sieben Bände erschienen: drei im Jahre 2009,21 so auch der Band der Mün-

20 Vgl. <http://www.kgd-geschichtsdidaktik.rub.de/pages/home/aktuelles.php> (aufgerufenam 20.05. 2010).

21 Vgl. Meyer-Hamme (Anm. 4), Christmeier (Anm. 7), Popp/Schönemann (Anm. 7).

Zum Stand der Disziplin 15

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chener KGD-Tagung (2007), einweiterer im Jahre 200822 sowie drei Publikationenim Jahre 200723, darunter zwei Habilitationsschriften und die Dokumentation derMeißener KGD-Tagung (2005). Häufig hat die KGD die geschichtsdidaktischenHochschulschriften der SGD-Reihe mit einem Druckkostenzuschuss gefördert.24

Seit dem Herbst 2007 hat der amtierende Vorstand vier weitere Anträge positivbeschieden. Es handelt sich um die Dissertationsschriften von Ren¤ Mounajed(»Geschichte in Sequenzen« 200925), Johannes Meyer-Hamme (»HistorischeIdentitäten und Geschichtsunterricht« 200926), Katja Gorbahn (Arbeitstitel: »So-ziale Identität und Identifikationsangebote in Schulbuch-Darstellungen der anti-ken griechischen Geschichte«27) und Sabine Horn (»Erinnerungsbilder. Ausch-witz-Prozess und Majdanek-Prozess im westdeutschen Fernsehen« 200928).

Wegen der steigendenAnzahl von Förderanträgen sah sich derVorstand jedochbedauerlicherweise gezwungen, die maximale Fördersumme auf den Betrag von625 Euro zu begrenzen und – im Falle von Dissertationsschriften – eine summacum laude-Bewertung zurVoraussetzung zu erklären. Auchwurde dieVergabe desDruckkostenzuschusses an die Auflage gebunden, die geförderte Arbeit in derentsprechenden KGD-Publikationsreihe zu veröffentlichen und die finanzielleZuwendung der KGD explizit in der Titelei zu erwähnen.29

Der in der Satzung festgeschriebenen Aufgabe der Nachwuchsförderung dientschließlich auch die finanzielle Förderung der im Zwei-Jahres-Turnus stattfin-denden KGD-Nachwuchstagung sowie der daraus hervorgegangenen Publikatio-nen, die Bernd Schönemann und Saskia Handro üblicherweise in der von Wolf-gang Jacobmeyer beim LIT-Verlag herausgegebenen Reihe »Zeitgeschichte –Zeitverständnis« publizieren.30 Den Organisatoren dieser Nachwuchstagungen,

22 Vgl. Monika Fenn: Zwischen Gesinnungs- und Fachbildung. Die Relevanz der KategorieHeimat in Volksschulunterricht und Lehrerbildung in Bayern seit 1945. Idstein 2008 (SGD23).

23 Vgl. Ulrich Baumgärtner : Transformationen des Unterrichtsfaches Geschichte. StaatlicheGeschichtspolitik undGeschichtsunterricht in Bayern im 20. Jahrhundert. Idstein 2007 (SGD21). Eugen Kotte: »In Räume geschriebene Zeiten«. Nationale Europabilder im Ge-schichtsunterricht der Sekundarstufe II. Idstein 2007 (SGD 20); Bernd Schönemann/Hart-mut Voit (Hrsg.): Europa in historisch-didaktischen Perspektiven. Idstein 2007 (SGD 22).

24 Nahezu ein Drittel der Einnahmen aus KGD-Mitgliedsbeiträgen wird derzeit für die För-derung von Qualifikationsschriften auf dem Gebiet der Geschichtsdidaktik aufgewendet.

25 Vgl. Mounajed (Anm. 10).26 Vgl. Meyer-Hamme (Anm. 4).27 Im Erscheinen in der Reihe »Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik (ZfGD)« bei

V&R unipress in Göttingen.28 Vgl. Horn (Anm. 6).29 Auch soll die Qualifikationsschrift zukünftig nach Zuerkennung der Förderung innerhalb

einer Jahresfrist erscheinen.30 Die Bände der KGD-Nachwuchstagungen in den Jahren 2007 und 2009 wurden beim LIT-

Verlag publiziert; vgl. Saskia Handro/Bernd Schönemann (Hrsg.): Orte des historischen

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die Bernd Schönemann in seiner Amtszeit als KGD-Vorsitzender begründet hat,sei an dieser Stelle für ihr kontinuierliches Engagement und die Herausgabe derPublikationen herzlich gedankt.

Im Interesse einer weiteren Stärkung des Profils von Verband und Disziplin istder Vorstand gegenwärtig mit Überlegungen befasst, sämtliche aus KGD-Mit-gliedsbeiträgen (teil-)finanzierten Schriften in einer einzigen Reihe zusammen-zuführen, die mit der Zeitschrift in einem einzigen Verlag publiziert werden soll.31

Eine wichtige Verbandsaufgabe der KGD besteht in der Kooperation mit an-deren Fachverbänden. Dabei kommt der Mitgliedschaft in der Gesellschaft fürFachdidaktik e.V. (GFD), dem Dachverband der fachdidaktischen Fachgesell-schaften, gegenwärtig eine besondere Bedeutung zu. Denn hier werden die ver-bands- und wissenschaftspolitischen Interessen der fachdidaktischen Disziplinenauf Bundesebene gebündelt. Die GFD dient als wichtiger Ansprechpartner fürBildungspolitik und -administration in Bund und Ländern, für KMK, HRK oderauch das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und das Institut zur Quali-tätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Auch wenn sich die Didaktik der Ge-schichte, stärker als andere Fachdidaktiken, über die Zugehörigkeit zur Fach-wissenschaft definiert und den Geschichtsunterricht an Schulen nicht als alleini-gen Hauptgegenstand, sondern vielmehr als Segment eines umfassenderen Auf-gabenfeldes versteht, kann die KGD doch keinesfalls auf eine gemeinsame Inter-essensvertretung der fachdidaktischen »Berufswissenschaften«32 verzichten. Mandenke nur an aktuelle Fragen wie die leistungsbezogene Mittelvergabe, die fach-bezogene Forschungsförderung oder die Forderung nach einem genuin fachdi-daktischen Gutachtergremium bei der DFG, die Entwicklung und Fixierung vonQualitätskriterien für das Ranking und Rating von Forschungsleistungen undPublikationen, die Optimierung der Nachwuchsförderung durch Einrichtung vonPromotions- und Graduiertenkollegs sowie auch die aktuellen Trends in derLehrerbildung. Hier wird deutlich, dass die einzelnen Fachdidaktiken, die sowohlinnerhalb der fachwissenschaftlichen Kollegien als auch im Kreis der Erzie-hungswissenschaften stets von einer Minderheitenposition aus agieren müssen,eine Durchsetzung ihrer spezifischen Belange und das dafür erforderliche inter-essenspolitische Gewicht nur im gemeinsamen Handeln entwickeln können.

Lernens. Berlin 2008 (Zeitgeschichte – Zeitverständnis 18); dies. (Hrsg.): Geschichte undSprache. Berlin 2010 (Zeitgeschichte – Zeitverständnis 21).

31 Dieser Schritt ist zur Zeit der Drucklegung dieses Bandes bereits erfolgt. Die ZfGD 2010 wirdebenso beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erscheinen wie die Reihe »Beihefte zur ZfGD«(V&R unipress), die künftig alle Tagungsbände der KGD, herausragende geschichtsdidak-tische Monographien und grundsätzlich alle mit Verbandsmitteln geförderten Qualifikati-onsschriften bündeln wird.

32 »Berufswissenschaft« ist ein aktueller Terminus, der das zu Recht beklagte semantischeUngleichgewicht zwischen den Begriffen »Fachwissenschaft« und »Fachdidaktik« aufhebensoll – und doch für die Geschichtsdidaktik nicht ganz passend erscheint.

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Von sehr großer Bedeutung ist desWeiteren die Kooperation der KGDmit demVerband der deutschen Historikerinnen und Historiker (VHD), dessen Vorstandsich in den beiden zurückliegenden Jahren ebenfalls sehr intensiv mit den Her-ausforderungen von »outcome«-, Rating- und Ranking-Modellen auseinander-setzte.Diesmündete indie vonVorstandundAusschuss getragene und somit auchvon der KGD unterstützte Position, die Beteiligung des VHD an einem geplantenEvaluierungsverfahren desWissenschaftsrats abzulehnen; als Konsequenz darausempfahl der VHD-Vorstandes später seinenMitgliedern auch, sich nicht amCHE-Ranking 2009 zu beteiligen.33 Maßgebliche Gründe für diese Haltung waren unteranderem, dass die vorgesehenen Evaluierungsverfahren die Heterogenität derStrukturen und Bedingungen der verschiedenen Teildisziplinen und Standortenicht differenziert genug abzubildenvermochtenund ferner die Folgen des Ratingund Ranking für die einzelnen Forschungs- und Lehreinheiten nicht zuverlässigabzuschätzen sind. Schließlichvertratmandie Position, dass eine Evaluierung nurdann Sinn mache, wenn sie zu einer wirksamen Verbesserung der schwierigenLage der Geistes- bzw. Geschichtswissenschaften führe; dies aber sei bislang nichtzu erkennen.34 Im Hinblick auf den Bologna-Prozesses griff der VHD eine Anre-gung von Seiten der KGD auf und richtet auf dem Berliner Historikertag 2010 einPanel zur Diskussion der Modularisierungsfolgen für das Geschichtsstudium unddie Lehrerbildung aus.

Schließlich ist für die KGD die Kooperation mit dem Verband der Ge-schichtslehrer Deutschlands e.V. (VGD) unverändert von konstitutiver Bedeu-tung, auch wenn sich im Berichtszeitraum auf Verbandsebene kein speziellesProjekt der thematischen Zusammenarbeit ergeben hat. Dies ist wesentlich daraufzurückzuführen, dass beide Verbände gegenwärtig mit einer Fülle recht hetero-gener und spezifischer Problemlagen zu kämpfen haben, die zunächst eher ar-beitsteilig anzugehen sind. Dies hat seitens der KGD keinesfalls mit Desinteressean den bildungspolitischen und fachlichen Herausforderungen des Geschichts-unterrichts zu tun, ganz im Gegenteil.

Berichte aus den KGD-Arbeitsgruppen auf Länderebene35 liegen derzeit nurvereinzelt vor, was durchaus gewisse Schwächen auf dieser in einem föderalenSystem unverzichtbaren horizontalen Strukturebene erkennen lässt. MöglicheUrsachen könnten einerseits einem erheblichen personellen Wandel und ande-rerseits bei der dynamischen Ausdifferenzierung der geschichtsdidaktischenAufgaben- und Interessensgebiete liegen. In jedem Fall betrachtet es der Vorstandals wichtige Aufgabe, die Arbeit der Regionalgruppen zu stärken, um allseits ein

33 Vgl. <http://www.historikerverband.de/verband.html> (aufgerufen am 20.05. 2010).34 Vgl. unten zur »Blitzlicht«-Befragung der KGD (Punkte).35 Vgl. <http://www.kgd-geschichtsdidaktik.rub.de/pages/home/der-fachverband/arbeitsgruppen-

auf-laenderebene. php> (aufgerufen am 20.05.2010).

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Aktivitätsniveau zu erreichen, wie es gegenwärtig – den dort aktiven KolleginnenBettina Alavi und Bettina Wenzel sei herzlich gedankt! – in Baden-Württembergund im Gebiet Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern gegeben ist.

Die Tendenz der Internationalisierung der deutschen Didaktik der Geschichtehat sich in denvergangenen beiden Jahren erfreulicherweise weiter verstärkt. Diesist zum einen an zahlreichen einzelnen Kooperationen36 sowie an der Beteiligungvon KGD-Mitgliedern an geschichtsdidaktischen Tagungen imAusland, so z.B. inder Schweiz, in den Niederlanden oder in Skandinavien, abzulesen, zum anderenaber auch an den Gästen aus der Schweiz, Italien und Österreich, die an unsererBonner Konferenz teilnehmen und die ich hier besonders herzlich begrüßenmöchte. Wegen der vielen Doppelmitgliedschaften darf hier als Stützpfeiler derInternationalisierung der deutschen Geschichtsdidaktik auch die InternationaleGesellschaft für Geschichtsdidaktik (IGGD37) erwähnt werden, in der ElisabethErdmann den Vorsitz führt, die auchwesentliche Impulse gab, das »Jahrbuch« derIGGD zu einer international anerkannten geschichtsdidaktischen Fachzeitschriftfortzuentwickeln.38

Bevor ich nun zu den Ergebnissen einer Blitzumfrage komme, ist es mir einpersönliches Anliegen, dem Vorstandskollegen Marko Demantowsky herzlichdafür zu danken, dass er Öffentlichkeitsarbeit der KGD auf völlig neue Füßegestellt hat – und das mit vergleichsweise sehr geringem finanziellen Aufwand. Erträgt damit wesentlich zur Umsetzung des Bestrebens des gesamten Vorstandesbei, Kommunikation, Transparenz und Partizipation innerhalb der KGDweiter zuverbessern. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang: die Gestaltungund Pflege der Website der KGD, die innerhalb der fachdidaktischen Verbändequalitativ hervorsticht und in hervorragenderWeise internationalisiert ist; fernerdie instruktiven Übersichten über nationale und internationale Didaktik-Stand-orte sowie über aktuelle Forschungsprojekte an deutschen Institutionen, wobeidie Eintragsdichte für die Außendarstellung von Disziplin und Verband nichtimmer vorteilhaft erscheint; schließlich den Aufbau von Datenbanken, wobei denbibliographischenDatenbanken insofern eine besondere Bedeutung zukommt, alsnach der Einstellung der »Erlanger Historikerseite« und der Oldenburger Bi-bliographie von Hilke Günther-Arndt eine spürbare Lücke entstanden ist. Nebender Website ist zudem der neu eingeführte Newsletter zu nennen, der die Mit-glieder mit aktuellen Informationen versorgt. Und schließlich muss als weiteresVerdienst des Öffentlichkeitsreferenten erwähnt werden, dass er ein Konzept fürdie professionelle Archivierung der Verbandsunterlagen für spätere Recherche-

36 Vgl. unten auch die »Blitzlicht«-Umfrage.37 Vgl. <http://www.int-soc-hist-didact.org/index.html> (aufgerufen am 20.05.2010).38 Vgl. zu den Ausgaben des »Yearbook« von 2007 bis 2009 <http://www.philhist.uni-augs

burg.de/lehrstuehle/geschichte/didaktik/Yearbook/> (aufgerufen am 20.05.2010).

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und Forschungszwecke erarbeitet hat. Ich möchte in Ihrer aller Namen MarkoDemantowsky danken, weil er mit großem Geschick und Erfolg die Öffentlich-keitsarbeit der KGD neu aufgestellt hat.

Bevor ich nun zum Schlussteil komme, möchte ich Ihnen in der gebotenenKürze einige Ergebnisse des »Blitzlichts«, d.h. einer Blitzumfrage bei den 53deutschen Hochschul-Standorten der Geschichtsdidaktik vorstellen, die wir zurVorbereitung dieses Berichts im Juni und Juli 2009 durchgeführt haben. Erfreu-licherweise beteiligten sich mit 39 Standorten immerhin rund 70 % aller Befrag-ten. Herzlichen Dank an die Mitwirkenden!a) DenvorliegendenAngaben zufolgewurdenvomHerbst 2007 bis zumSommer

2009 insgesamt 10 Promotionen und eine Habilitation (Universität Rostock)im Fach Didaktik der Geschichte abgeschlossen.

b) Auf die Frage, ob Veränderungen in den Studienordnungen eingetreten sind,die die Anteile der Geschichtsdidaktik an den Lehramtsstudiengängen ge-steigert oder verringert hätten, verzeichnete rund die Hälfte der Antworteneine Zunahme der fachdidaktischen Studienanteile. Verringerte Studienan-teile infolge veränderter Studienordnungen wurden in keinem Fall genannt;die zweite Hälfte der Antworten gab vielmehr an, dass sich die Gegebenheitennicht verändert hätten.

c) Rund 50 % der eingegangenen Antworten schätzten die modularisiertenLehramtsstudiengänge als positive Entwicklung für die Didaktik der Ge-schichte ein, während einDrittel der Antworten negativ urteilte;15 %machtenkeine Angaben.

d) Dass für die Didaktik der Geschichte »Drittmitteleinwerbung« keineswegs einFremdwort ist, zeigt sich darin, dass immerhin 25 Standorte angeben, seit 2007Drittmittel eingeworben zu haben. Darunter befinden sich auch fünf DFG-Projekte.

e) Die Beteiligung der Didaktik der Geschichte an internationalen Projekten undKooperationen ist eindrucksvoll: 50 % der eingegangenen Antwortbogenverzeichneten internationale Aktivitäten.

f) Zuletzt fragte das »Blitzlicht« nach Erfahrungen mit externen Evaluierungen,sofern solche bereits vorliegen. Dies traf für 15 Antworten zu. Diese ver-zeichneten jeweils ungefähr zur Hälfte gute und schlechte Erfahrungen. EindeutlichesÜberwiegen der Nein-Antworten (7:4) ergab sich hingegen bei derzweiten Teilfrage: »Nein« bedeutet hier, dass der externe Evaluierungsberichteine verbesserte Ausstattung der Geschichtsdidaktik gefordert oder empfoh-len hat und dieses Postulat bislang keine Folgen gezeitigt hat.

Zum Abschluss dieses Berichtes möchte ich als Diskussionsimpuls für diese Ta-gung drei Aspekte ansprechen, die mir als aktuelle Herausforderungen für dieKGD und unsere Disziplin bedeutsam erscheinen. Zum ist es mir ein Anliegen zu

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unterstreichen, dass die Didaktik der Geschichte – bei aller gebotenen Hinwen-dung zum Modell der fachspezifischen Kompetenzen und bei weitreichendemVerständnis für die Forderung, Lernfortschritte der SchülerInnen evaluativenVergleichsmessungen zugänglich zumachen, –nicht aus den Augen verlieren darf,dass das Konzept der domänenspezifischen Kompetenzen kein fachliches ist –weder von seinem Ursprung her noch in seiner Intention. Wenn es, wie es bei-spielsweise in den aktuellen Entwürfen für Hessische Bildungsstandards (2010)heißt, nicht mehr auf »[…] die einzelnen Inhalte der Fächer [ankommt; SP],sondern das, was alle Kinder und Jugendliche am Ende ihrer schulischen Lauf-bahn (oder auch nach wichtigen Abschnitten ihres Bildungsweges) wissen undkönnen sollen«39, dann impliziert dies, was Bildungspolitiker gelegentlich auch imKlartext formulieren, dass grundsätzlich kein eigenes Schul- oder Unterrichtsfachvonnöten ist, umbestimmte fachlicheKompetenzen zu vermitteln bzw. erwerben;dies können dann auch Lernfelder leisten, die »unter anderem« beispielsweiseauch historische Kompetenzen anbahnen. Selbst wenn sich unsere wissenschaft-lichen Beiträge zur geschichtsdidaktischen Kompetenz-Modellierung und -For-schung sehr dezidiert auf eine »structure of discipline« beziehen, so kann mandeshalb doch nicht darauf vertrauen, dass Bildungspolitik und –administrationoder auch die Erziehungswissenschaften diese Haltung respektieren oder garübernehmen.DieKGDmuss sehr entschieden dafür eintreten, dasUnterrichtsfachGeschichte in seinem Bestand zu sichern und zu stärken und energisch alle Ten-denzen zurückweisen, die direkt oder indirekt auf eine Abkopplung des Ge-schichtsunterrichts vom Prinzip der Fachlichkeit und der fachwissenschaftlichenReflexion zielen. Eine »Enthistorisierung« des Geschichtsunterrichts bedeutetmittelfristig eine »Entkernung« der fachlichen Professionalität der Lehrkräfte mitunabsehbaren Folgen für den Geschichtsunterricht, die Lehrkräfte selbst undnicht zuletzt auch für das universitäre Fächergefüge, insbesondere das Verhältnisvon Erziehungs- und fachdidaktischen Wissenschaften und die Stellung der Ge-schichtsdidaktik. Wenn der Geschichtsunterricht historische Inhalte primär als»Steinbruch« für das Training formaler Fachkompetenzen betrachtet, entzieht erder wissenschaftlich fundierten Förderung von historischem Denken und Ge-schichtsbewusstsein die elementaren Grundlagen. Undwo dieVermittlung großerdiachroner Zusammenhänge der regionalen, nationalen, europäischen und glo-balen Geschichte als Basis für historisches DenkenundUrteilen als »Stoffhuberei«und »verstaubte Fachlichkeit« abgetan wird, übersieht man zumeist, dass derGeschichtsunterricht nicht allein der genuin historischen Bildung dient. Er hat

39 Hessische Bildungsstandards für die Sekundarstufe I. Entwurf für das Gymnasium Sekun-darstufe I. Zit.n. Stellungnahme des Verbandes der Historiker und HistorikerinnenDeutschlands e.V. (VHD) zu den neuen hessischen Bildungsstandards und Inhaltsfeldern<http://www.kgd-geschichtsdidaktik.rub.de/media/Aktuelles/Stellungnahme_zu_Hess__Bildungsstandards.pdf > (aufgerufen am 18. Juni 2010)

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sehr wesentliche allgemeinbildende Aufgaben auch für andere Fächer wahrzu-nehmen, was gerade für die Chancengleichheit vonKindern und Jugendlichenmitso genanntem »bildungsfernen Hintergrund« und starkem Mangel an »kulturel-lem Kapital« (Bourdieu) höchst bedeutsam ist. Bestimmen heteronome Funk-tionalisierung und inhaltliche Fragmentierung das Curriculum,40 vermag derGeschichtsunterricht den notwendigen Beitrag zur historischen Bildung und le-bensweltlichen Orientierung der jungen Generation nicht mehr zu leisten.

Auch wenn von einer Abschaffung des Schulfaches Geschichte nicht die Redeist, muss doch auch der europaweite Trend zu Fächerverbünden kritisch beob-achtet werden. Selbstverständlich gibt es viele gute Gründe, geschichtliche The-men fächerverbindend unter Rückgriff auf die spezifischen Kompetenzen zu er-arbeiten, die in den Fächern Geographie und Politischer Bildung erworben wur-den. Und das gilt vice versa auch für die anderen beteiligten Fächer. Umgekehrtaber hat uns die Erfahrung gelehrt, dass »Fächerverbund« oft nicht viel mehrbedeutet als eine didaktisch verbrämte Kürzung der Fach-Stundentafel. Auch hatman sich längst anVerbund-Konzepte gewöhnt, die offensichtlich ohne Rücksichtauf die Frage konstruiert wurden, ob es nicht doch einen folgenreichen Unter-schied macht, wenn im einen Fall die zeitliche und sachliche Kohärenz der The-men und Inhalte für die Fachstruktur konstitutiv ist, während im anderen Fall einGefüge besteht, das bei der Sequentialisierung an wenige oder gar keine aus derSache selbst resultierenden Vorgaben gebunden ist. Ob und welche strukturellenUnterschiede zwischen den Schulfächern bestehen und welche Funktion undFolgen sie für das didaktische Denken und Handeln haben, wird übrigens bei denallgegenwärtigen Empfehlungen für das exemplarische Verfahren kaum einmalerörtert. Dabei liegt es auf der Hand, dass sich die Idee des »Exemplarischen« ineinem erfahrungswissenschaftlichen Fach wie Geschichte anders darstellt alsbeispielsweise in der Physischen Geographie.

Der Trend, zunehmend mehr curriculare Kompetenzen an die einzelnenSchulen und in die Fachkollegien hinein zu verlagern, stellt m.E. eine zweite großeHerausforderung für unsere Disziplin dar. Zum einen gilt es aufmerksam verfol-gen, wie sich die Themenauswahl vor Ort entwickelt, welche Schwerpunkte ten-denziell bevorzugt werden, welchen Einfluss einerseits die wissenschaftliche Ex-pertise von fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Seite erhält, welche Rolleandererseits bewährte Konzepte, eingefahrene Routinen und eher pragmatischeErwägungen spielen werden und woher Impulse zu Innovationen, die größerenAufwand bedeuten, kommen können. Zum anderen aber ist es wichtig, in derLehreraus- und –fortbildung genuin geschichtsdidaktische Qualitätskonzepte zurGeltung zu bringen, die speziell für die Gestaltung von curricularen Prozessen imGeschichtsunterricht auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt wurden und

40 Vgl. VHD (Anm. 39): Die Stellungnahme entstand unter Mitarbeit der Verf.’in.

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diese nicht zuletzt auch auf ein gediegenes Niveau fachwissenschaftlicherGrundlagen, geschichtsdidaktischer Kompetenzen und theoretischer Reflexionverpflichten.

Die letztemeiner Anmerkungen schließt an eine individuelleÄußerung an, diein einem Antwortbogen der »Blitzlicht«-Befragung ergänzend den Eindruckfesthielt, dass sich die Geschichtsdidaktik zwar aktuell im Aufwind befinde, dabeiaber mehr von einer bildungswissenschaftlichenWelle als von einem spezifischenInteresse an historischer Bildung und geschichtsdidaktischer Forschung getragenwerde. Diese Beobachtung erscheint mir sehr zutreffend und lenkt mit demHinweis auf die bildungspolitischen Rahmenbedingungen den Blick auf zweiweitere Herausforderungen für unsere Disziplin, mit denen sich die KGD un-ausweichlich auseinandersetzen muss. Zunächst sind hier die Überführung derLehramtsstudiengänge in den BA/MA-Typ »of Education« (nicht »of Arts«!) unddas aktuell als sehr innovativ angesehene Modell der »school of education« zunennen, das die »Bildungswissenschaften« – Erziehungswissenschaften undFachdidaktiken – zum Kernbereich der Lehrerbildung macht und die Fachwis-senschaften eher aus dem Zentrum herausrückt. Ganz unabhängig davon, welcheprinzipiellen Vorzüge und Grenzen mit diesem Konzept aus geschichtsdidakti-scher Sicht verbunden sein können, so besitzen die genannten Entwicklungendoch insofern bereits große Tragweite für unsere Disziplin, als diese sich – wiebereits erwähnt – weniger als »Vermittlungswissenschaft« denn als Teilgebiet derGeschichtswissenschaften und über einen Gegenstandsbereich definiert, der sichkeineswegs auf »education« im Sinne der schulischen Bildung beschränkt. Wirwerden wir uns dieser offensichtlich europaweit sich durchsetzenden sektoralenZuordnung der Fachdidaktiken nicht völlig entziehen können. Umso mehr ge-winnen aber in dieser Situation die bewusst und prononciert vorgetragene Posi-tionierung unserer Disziplin im bereits dargelegten Sinne, die klare Ausrichtungan fachlichen Spezifika und Standards sowie die bewusste Pflege der Anbindungan die Historischen Wissenschaften, die der Didaktik der Geschichte ohnehinzunehmend mehr Anerkennung zollen, an struktur- und disziplinpolitischerBedeutung.

Aus der in rasantem Tempo sich vollziehenden Neuordnung des deutschenHochschulwesens resultieren indes noch weitere Herausforderungen für dieProfilbildung und strategische Positionsbestimmung unserer Disziplin. Währendsich auf der einen Seite die Grenzen zwischenUniversitäten und Fachhochschulenzunehmendverwischen, gewinnt andererseits dieDifferenzierung immermehr anBedeutung, die zwischen offiziell anerkannten »Forschungsuniversitäten« undinoffiziell so genannten »Lehr-Universitäten« unterscheidet, die – als »Ausbil-dungsbetriebe«– indieNäheder Fachhochschulen gerücktwerden.Wieunschwerzu vermuten ist, wird die Didaktik der Geschichte – als Teil der Lehrerbildung –ihren Platz vorwiegend in der »Lehr-Universität« finden, zumal VertreterInnen

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von wissenschaftlichen Didaktikfächern wenig glaubwürdig wirken würden,strebten sie Positionen an, die von Lehr- und Vermittlungsaufgaben weithin freigestellt sind. In dieser Situation könnte es von entscheidender Bedeutung sein,dass die Didaktik der Geschichte ihre bisherige Stärke als »kombinierte« For-schungs- und Lehrdisziplin weiter ausbaut und stärkt und auf diese Weise dasArgument geradezu »verkörpert«, dass nicht allein die Forschung die Lehre be-reichert, sondern die Wechselwirkung von Forschung und Lehre die größtenVorzüge bietet.Wie es derzeit aussieht, ist dieDisziplin für dieseAufgabemit Blickauf die Publikationstätigkeit, die Drittmitteleinwerbung und die interdisziplinäresowie internationale Vernetzung sehr gut gerüstet.

In seinem Beitrag »Quo vadis, Geschichtsdidaktik«, der unserer Disziplin imRückblick auf die vergangenen 30 bis 40 Jahre »eklatante«41 Fortschritte bestätigt,nimmt JoachimRohlfes eine Bestimmung der aktuellen Situation derDidaktik derGeschichte mit Hilfe von drei Kriterien – der fachwissenschaftlichen, der unter-richtspraktischen und der theoriebildenden Kompetenz – vor und betont denerfahrungs- und handlungswissenschaftlichen Charakter der Disziplin. DieseKategorisierung trifft dann den Kern der aktuellenHerausforderungen, wenn sichdie Didaktik auf allen drei Kompetenzfeldern so stark wie möglich entwickelt.

Hiermit beende ich diesen Bericht und bin mir dabei bewusst, dass auch fürdiese Darstellung partiell die berühmte Feststellung von Max Frisch zutrifft, diesich zugleich hervorragend als Motto für unsere Tagung eignet, die sich in einemzeitgeschichtlichenMuseumdie gesellschaftlicheKonstruktionvonZeitgeschichtegeschichtsdidaktisch analysiert: »Jeder Mensch erfindet sich früher oder spätereine Geschichte, die er für sein Leben hält […]42«. Im Spannungsfeld zwischen»Erfindung« und kritischer Analyse, zwischen Erfahrung, Theorie und normati-ver Reflexion wünsche ich Ihnen allen eine anregende und ertragreiche Tagung!

41 Vgl. Rohlfes (Anm. 2), S. 25.42 Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein. Frankfurt a.M. 1971, S. 45.

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Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung.Einführung in das Tagungsthema1

Das Tagungsthema verknüpft drei Begriffe miteinander, die jeder für sich unddie insbesondere in ihrer Kombination für die Geschichtsdidaktik von Belangsind. »Zeitgeschichte« – mit diesem Begriff verbinden sich zunächst Anlass undOrt der Tagung. Wir erinnern uns in diesem Jahr an die Entstehung der beidendeutschen Staaten vor 60 Jahren und an den Fall der Mauer vor 20 Jahren. DieVerkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949, die Gründung der DDR am7. Oktober 1949, die Öffnung der Schlagbäume an den Berliner Grenzüber-gängen am 9. November 1989 – das sind die Jubiläumsdaten, auf die wir unsbeziehen. Freilich findet in dem von Wissenschaft und populären Medien in-tensiv betriebenen Erinnerungsgeschäft die Entstehung und Geschichte der(alten) Bundesrepublik weitaus mehr Aufmerksamkeit als die der DDR, die fastausschließlich aus der Perspektive ihres Endes in den Blick gerät. Der wichtigsteGrund dafür ist vermutlich, dass die (alte und auch neue) Bundesrepublik allesin allem auf eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte zurückblicken kann.Wedervor dem Hintergrund der deutschen Geschichte zuvor noch aus der Perspektiveder Zustände und Erwartungen bei ihrer Gründung konnte man mit dieserErfolgsgeschichte rechnen. Aus heutiger Sicht scheint uns vieles allzu selbst-verständlich, und deshalb sind in diesem Jubiläumsjahr nicht nurWürdigungen,sondern auch Nachfragen und Erklärungen angebracht.2

Angesichts dieses Jubiläumskontextes lag es nahe, auch für unsere Tagung diedeutsche Nachkriegsgeschichte zum Thema zu machen – allerdings unter demfür unsere Disziplin spezifischen Aspekt der Geschichtsvermittlung. Und wirhaben dies umso lieber getan, als uns das »Haus der Geschichte der Bundesre-publik« dazu eingeladen hat, unsere Tagung in diesem Jahr hier durchzuführen.

1 Der Vortragstext wurde nur geringfügig verändert und mit Fußnoten versehen; der Vor-tragsduktus ist im Wesentlichen erhalten geblieben.

2 Vgl. dazu insgesamt GWU 60 (2009), H. 9 zum Thema »1949 – Rückblicke auf die Geschichteder Bundesrepublik« mit Beiträgen von Edgar Wolfrum, Hans-Ulrich Wehler, Heinrich Au-gust Winkler und Christoph Kleßmann; vgl. insbesondere den pointierten Beitrag von EdgarWolfrum: Die Bundesrepublik Deutschland – trotz allem geglückt?, S. 468–477.

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Einen passenderen Ort hätte man nicht finden können, ist das HDG doch ex-plizit gegründet worden als zentraler Ort für die museale Erinnerung zunächstan die Geschichte der alten und jetzt auch der neuen Bundesrepublik.

Anlass und Ort definieren auch den Begriff »Zeitgeschichte«, wie er für un-sere Tagung Verwendung findet. Es geht um die deutsche Geschichte nach demZweiten Weltkrieg. Damit weichen wir ab vom traditionellen (deutschen) Ver-ständnis, das die Zeitgeschichte in der Regel um 1917 beginnen lässt. HansRothfels, ohne dessen Erwähnung kein Reden über Zeitgeschichte auskommt,hat bekanntlich eine doppelte Definition verwendet: zum einen die erwähnteereignisbezogene und statische, zum anderen eine dynamische. Orientieren wiruns an dieser zweiten Definition, dass nämlich Zeitgeschichte die Epoche derMitlebenden sei3 – oder moderner gesprochen: die noch im kommunikativenGedächtnis der Gesellschaft präsente Zeit –, dann werden wir unsere chrono-logischen Vorstellungen ohnehin neu justieren müssen – zunächst in Richtungauf den Beginn der NS-Zeit, dann in der Tat auf die Nachkriegsgeschichte.

Bezüge und Herausforderungen

»Zeitgeschichte – Medien – historische Bildung«: Welches Netz von Bezügenspannt sich zwischen diesen drei Begriffen? Zunächst Zeitgeschichte und Me-dien: Die Medien, insbesondere Film und Fernsehen, nehmen sich besondersgern zeitgeschichtlicher Themen an. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist dasInteresse des Publikums an der Zeitgeschichte besonders ausgeprägt – es istseine Geschichte oder zumindest eine »Gegenwartsvorgeschichte«, bei der Ge-genwartsbedeutsamkeit offen zu Tage liegt; zum anderen lässt sich Zeitge-schichte anders als ältere Epochen durch einen breiten Fundus von Quellenpräsentieren, die den Darstellungsweisen der genannten Medien entgegenkommen: Film- und Tondokumente; Fotografien in einem breiten Überliefe-rungsstrom; und natürlich Zeitzeugenaussagen, die sich überhaupt nur von denMitlebenden erstmals gewinnen lassen.

Was verbindet die Begriffe Zeitgeschichte und historische Bildung? Zeitge-schichte wird in der Öffentlichkeit auch als ein besonders wichtiger und zen-traler Bestandteil historischer Bildung angesehen, und damit meine ich zu-nächst einmal die schulische Bildung. Dies gilt schon seit längerem für dasThema Nationalsozialismus, seit einiger Zeit aber auch für die Geschichte derDDR. Das macht sich besonders dann bemerkbar, wenn – echte oder ver-meintliche – Defizite zu Tage treten: Scheinen bei Jugendlichen die Kenntnisse

3 Hans Rothfels: Zeitgeschichte als Aufgabe. In: VfZ 1 (1953), S. 1–8; die statische Definitionauf S. 1, die dynamische auf S. 2.

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oder das Bewusstsein im Hinblick auf solche Themen nicht adäquat zu sein,werden verstärkte Bildungsbemühungen eingefordert.4 So kommt etwa immereinmal wieder die Diskussion darüber auf, ob man nicht eine spezielle Holo-caust-Education in der Schule installieren solle. In der anderen Blickrichtung hates der historische Unterricht zu zeitgeschichtlichen Themen mit besonderenVoraussetzungen zu tun. Die geringe Distanz, die emotionale Nähe zum Ge-genstand, die Offenheit der historischen Entwicklung – was für den Zeitge-schichtsforscher eine besondere Herausforderung darstellt, kann sich auch imUnterricht als Problem erweisen. Umgekehrt darf man sich bei der Behandlungvon Zeitgeschichte im Geschichtsunterricht am ehesten eine Orientierung fürdie Gegenwart, die Erklärung von Gegenwartsphänomenen, eine persönlicheVerwicklung der Lernenden, eine Verknüpfung der eigenen Lebensgeschichteund Identität mit der allgemeinen Geschichte erhoffen, wie sie zu den Zielen desGeschichtsunterrichts gehören.5

Schließlich die Verknüpfung von Medien und historischer Bildung: Histori-sche Bildung im Bereich der Zeitgeschichte findet natürlich nicht nur in derSchule, sondern eben auch durch die mediale Vermittlung statt; nicht im Sinnevon langfristigen, zielgerichteten und reflektierten Bildungsprozessen, aber sehrwohl mit tiefgreifender Wirkung. Darauf muss wiederum auch die Schule rea-gieren: Sie muss diese Einflüsse als Voraussetzung und Rahmenbedingungschulischen Lernens in Rechnung stellen und sie sollte sie im Unterricht ana-lytisch in den Blick nehmen.

Geschichte hat besondere Konjunktur in den Medien.6 Das Fernsehen sendet

4 So aus Anlass der Untersuchung von Monika Deutz-Schroeder/Klaus Schroeder : SozialesParadies oder Stasi-Staat? Das DDR-Bild von Schülern – ein Ost-West-Vergleich. München/Stamsried 2008 (Berlin & München, Bd. 6). Vgl. auch dies.: Oh, wie schön ist die DDR.Kommentare und Materialien zu den Ergebnissen einer Studie. Schwalbach/Ts. 2009.

5 Vgl. dazu Hartmut Voit: »Zeitgeschichte als Aufgabe« – Überlegungen in geschichtsdidak-tischer Absicht. In: Marko Demantowsky/Bernd Schönemann (Hrsg.): Zeitgeschichte undGeschichtsdidaktik. Schnittmengen – Problemhorizonte – Lernpotentiale. Bochum/Freiburg2004 (Dortmunder Arbeiten zur Schulgeschichte und zur historischen Didaktik, Bd. 33),S. 19–34, hier S. 29 f.

6 Zum historischen Hintergrund des allgemeinen Geschichtsbooms Barbara Korte und SylviaPaletschek: »Dieser Geschichtsboom kann als integraler Bestandteil und als Antwort auf denbeschleunigten Gesellschaftswandel in der sogenannten ›zweiten Moderne‹ verstanden wer-den. Traditionelle Wertmuster, Lebensstile und Arbeitsweisen waren seit dem letzten Dritteldes 20. Jahrhunderts radikalen Veränderungen unterworfen […] Die Hinwendung zur Ge-schichte kann in dieser Situation Kontinuität, Identität und Orientierung stiften. […] Geradedie Beschäftigung mit Geschichte in populären Vermittlungsformen befriedigt das Bedürfnisnach Unterhaltung und neuemWissen, nach ästhetischen und emotionalen Erfahrungen undeiner risikofreien Begegnung mit fremden Lebenswelten.« Barbara Korte/Sylvia Paletschek:Geschichte in populären Medien und Genres. Vom Historischen Roman zum Computerspiel.In: Dies. (Hrsg.): History Goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medienund Genres. Bielefeld 2009 (Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen, Bd. 1),

Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung. Einführung in das Tagungsthema 27

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historische Dokumentationen zur Prime Time. Fernsehfilme wie »Die Luft-brücke«, »Dresden«, »Die Flucht« oder »Die Gustloff« haben sich als Straßen-feger erwiesen, Kinofilme wie »Good Bye Lenin« oder »Das Leben der Anderen«haben internationale Erfolge gefeiert. Die Zahl historischer Magazine wächst,renommierte Zeitungen wie die »ZEIT« oder der »Spiegel« decken das Markt-segment Geschichte mit speziellen Angeboten ab. Die Medien als Agenturen deröffentlichen Geschichtsvermittlung spielen eine entscheidende Rolle beimTransport von Geschichtswissen und Geschichtsdeutungen und prägen damitdas öffentliche Geschichtsbewusstsein.

Rückblick

Dass es Aufgabe der Geschichtsdidaktik sei, solche medialen Vermittlungspro-zesse von Geschichte zu untersuchen, ist beileibe keine neue Erkenntnis. DieGeschichtsdidaktik hat sich diesemThema schon früh zugewandt. Schon auf derKGD-Tagung 1975 in Nürnberg hatte Wilhelm van Kampen von »didaktischerVerantwortung für den außerschulischen Bereich der RezeptionvonGeschichte«gesprochen.7Und er hatte verwiesen auf einen Artikel vonHilke Günther-Arndt,der kurz zuvor unter demTitel »Empirische Forschung undGeschichtsdidaktik«in dem Periodikum »Aus Politik und Zeitgeschichte« erschienen war. Darinschrieb die Autorin: »Für die Erforschung der Voraussetzungen des Ge-schichtsunterrichts [Hervorhebung im Original] sind auch im Sinne einesumfassenderen Begriffes der Geschichtsdidaktik folgende Schwerpunktedenkbar :

S. 9–60, hier S. 10. Vadim Oswalt und Hans-Jürgen Pandel haben darauf hingewiesen, dassman den geschichtskulturellen Umgang mit Geschichte nicht einfach nur als Transmissi-onsriemen für den Transport von Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft auffassen dürfe:»Schon lange werden die historischen Wissenschaften nicht mehr als die einzigen legitimenSachwalter von Geschichte angesehen. Erschüttert ist darüber hinaus das Bild, dass nur sie essind, die ein reflektiertes Geschichtsbild entwickeln und dann in der Gesellschaft diffundie-ren. Für die Geschichtswissenschaft ist deshalb das Verhältnis von geschichtswissenschaft-licher Forschung undManifestationen der Geschichtskultur nicht mehr als Einbahnstraße zudenken, d.h. Geschichtsdarstellungen in der Öffentlichkeit sind nicht nur einseitig als ba-nalisierte Derivate der HistorischenWissenschaften zu denken. Es gibt durchaus umgekehrteEinflussnahmen, denn Historiker bleiben ihrerseits in ihren Arbeiten von Strömungen inLiteratur und Film nicht unbeeinflusst, zumal wenn sie ein verstärktes öffentliches Interesseerregen.« Vadim Oswalt/Hans-Jürgen Pandel: Einführung. In: Dies. (Hrsg.): Geschichtskul-tur. Die Anwesenheit von Vergangenheit in der Gegenwart. Schwalbach/Ts. 2009, S. 9.

7 Wilhelm van Kampen: Zur Notwendigkeit, etwas über die außerschulische Produktion vonGeschichtsbewusstsein zu erfahren. In: Walter Fürnrohr/Hans Georg Kirchhoff (Hrsg.):Ansätze empirischer Forschung imBereich derGeschichtsdidaktik. Stuttgart 1976 (Band überdie Tagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik vom 1. bis 3. Oktober 1975 in Nürnberg),S. 286–294, hier S. 290.

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1) die Inhaltsanalyse von historischer Belletristik, von historisch-politischenSendungen in Rundfunk und Fernsehen, von Artikeln und Serien in Zeit-schriften und Zeitungen […];

2) die Messung der Wirkung von Medien, der ›geheimen Erzieher‹, auf histo-risch-politische Werturteile und Entscheidungen;

3) die Untersuchung des Einflusses von Eltern, Geschwistern, Freunden, gesell-schaftlichen Gruppen im Prozeß der historisch-politischen Sozialisation.«8

1977 in Osnabrück war dann die ganze Tagung der Konferenz für Geschichts-didaktik dem Thema »Geschichte in der Öffentlichkeit« gewidmet.9 In fünfSektionen wurden die folgenden Themenfelder behandelt: Historische Museenund Ausstellungen; Die Rolle der Geschichte in der Selbstdarstellung von Ge-meinden; Historische Belletristik; Geschichte in der Zeitungs- und Zeitschrif-tenpresse; Geschichte in Film, Funk und Fernsehen. Man war sich einerseitsdessen bewusst, dass es sich um erste tastende Versuche zur Gewinnung vonNeuland handelte; andererseits wurde die Notwendigkeit, sich mit diesen The-men zu beschäftigen, schon damals als unabweisbar empfunden. So resümierteim Tagungsband wiederum van Kampen in seinem Überblick über die Sektion»Geschichte in Film, Funk und Fernsehen«: »Diese Sektion […] war der erstenoch bescheidene und wenig systematische Versuch, sich eines Themas anzu-nehmen, dessenWahl immerhin inzwischen keiner Begründungmehr bedarf.«10

Und Joachim Rohlfes erklärte in seinem Tagungsbericht in der GWU, es habesich gezeigt, »daß auf dem Felde der außerwissenschaftlichen und außerschu-lischen Vermittlung von geschichtlichem Wissen eine Menge interessanterProbleme warten, deren Klärung Geschichtsforschung und Geschichtsdidaktikunmittelbar angehen. In Osnabrück mußte auch dem letzten klar werden, daßdie Didaktik eines Fachesmehr als die Lehre von seiner schulischen Vermittlungist, daß sie es mit dem gesamten Komplex der von dem Fach ausgehendenWirkungen zu tun hat.« Die Tagung, so Rohlfes, war »ein voller Erfolg – nichtweil sie perfekte Forschungsergebnisse zur Diskussion stellte, sondern weil sieauf neuartige und vielversprechende Untersuchungsfelder, Methoden, Mate-rialien aufmerksam machte«.11

8 Hilke Günther-Arndt: Empirische Forschung und Geschichtsdidaktik. Zu einigen neuerenVeröffentlichungen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 33/75, S. 36 f.

9 Wilhelm van Kampen/Hans Georg Kirchhoff (Hrsg.): Geschichte in der Öffentlichkeit. Ta-gung der Konferenz für Geschichtsdidaktik vom 5.–8. Oktober 1977 in Osnabrück. Stuttgart1979 (Anmerkungen und Argumente zur historischen und politischen Bildung, Bd. 23). Vgl.allerdings schon zuvor vonseiten der Geschichtswissenschaft Peter Borowski/Barbara Vogel/Heide Wunder (Hrsg.): Gesellschaft und Geschichte. Bd.1: Geschichte in Presse, Funk undFernsehen. Opladen 1976.

10 Van Kampen/ Kirchhoff (Anm. 9), S. 274.11 Joachim Rohlfes: Geschichte in der Öffentlichkeit. Eine Tagung der Konferenz für Ge-

Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung. Einführung in das Tagungsthema 29

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Genuine Aufgaben der Geschichtsdidaktik

Dass die mediale Vermittlung von Geschichte zum Aufgabenfeld der Ge-schichtsdidaktik gehöre, lässt sich seit dem Beginn der Neunzigerjahre kon-zeptionell am Begriff der Geschichtskultur festgemachen. Der damals von JörnRüsen geprägte und entwickelte Terminus ist rasch zu einem Leitbegriff unsererDisziplin avanciert12 – das bedarf hier keiner genaueren Darstellung.13 Der Be-griff Geschichtskultur bezieht bekanntlich die Schule mit ein, stellt sie damit ineinen weiteren Kontext und relativiert sie zugleich als eine von vielen Ge-schichtsagenturen. Mit dem Begriff ist Geschichtskultur zugleich als weiteresArbeitsfeld verstärkt in den Blick der Disziplin gekommen.14 Freilich ist diesesFeld noch nicht wirklich systematisch, sondern lediglich punktuell und an-satzweise bearbeitet worden – in Anbetracht der notorisch knappen personellenRessourcen der Geschichtsdidaktik ist dies auch nicht verwunderlich. Das hatder Geschichtsdidaktik vor vier Jahren den von Martin Sabrow aus der Per-spektive der Zeitgeschichtsforschung formulierten Vorwurf eingebracht, siebefleißige sich eines theoretischen »imperial overstretch«, wenn sie eine globaleZuständigkeit für das weite Feld »Geschichte in der Gesellschaft« proklamiere.15

Die Polemik, die dabei mitspielte, war gewiss der Auseinandersetzung mit einerpartiell konkurrierenden Subdisziplin zum Zwecke eigener Profilierung ge-schuldet.16 Dennoch stellt sich in der Tat die Frage: Was wären innerhalb des

schichtsdidaktik vom 5. bis 8. Oktober 1977 in Osnabrück. In: GWU 29 (1978), H. 5, S. 307–311, hier S. 307 und 310.

12 Zuerst in Jörn Rüsen: Geschichtsdidaktik heute – Was ist und zu welchem Ende betreibenwir sie (noch). In: Geschichte lernen (1991), H. 21, S. 14–20, hier S. 17. Genauer definiert als»praktisch wirksame Artikulation von Geschichtsbewusstsein im Leben einer Gesellschaft«in ders.: Was ist Geschichtskultur?. In: Klaus Füßmann (Hrsg.): Historische Faszination.Geschichtskultur heute. Köln 1994, S. 3–26.

13 Ich verweise hier lediglich auf Bernd Schönemanns detaillierte Ausführungen in der Do-kumentation der KGD-Tagung 1999: Bernd Schönemann: Geschichtsdidaktik und Ge-schichtskultur. In: Bernd Mütter/Bernd Schönemann/Uwe Uffelmann (Hrsg.): Geschichts-kultur. Theorie – Empirie – Pragmatik. Weinheim 2000 (Schriften zur Geschichtsdidaktik,Bd. 11), S. 26–58. Vgl. auchMarkoDemantowsky : Geschichtskultur und Erinnerungskultur– zweiKonzeptionen des einenGegenstandes.HistorischerHintergrundund exemplarischerVergleich. In: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 33 (2005), H. 1/2, S. 11–20.

14 Von Einzelstudien abgesehen bislang vor allem die einschlägigen Beiträge im Handbuch derGeschichtsdidaktik, Abschnitt VII: Aspekte der Geschichtskultur : Klaus Bergmann u.a.(Hrsg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik. 5. überarb. Aufl. Seelze-Velber 1997; ein»Handbuch Geschichtskultur« ist in Vorbereitung. Vgl. jetzt auch zwei Sammelbände: Sa-bine Horn/Michael Sauer: Geschichte und Öffentlichkeit. Orte – Medien – Institutionen,Göttingen 2009 (UTB: Geschichte, Bd. 3181); Vadim Oswalt/Hans-Jürgen Pandel (Anm. 7).

15 Martin Sabrow: Nach dem Pyrrhussieg. Bemerkungen zur Zeitgeschichte der Geschichts-didaktik. In: Zeithistorische Forschungen 2 (2005), H. 2, S. 268–273, hier S. 270.

16 Vgl. die Anmerkungen von Bernd Schönemann: Zum Stand der Disziplin. In: BerndSchönemann/HartmutVoit (Hrsg.): Europa in historisch-didaktischen Perspektiven. Idstein

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