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Fachthemen Bei einigen bekannten Bauwerken der letzten Jahre, beispielsweise bei der DG-Bank in Berlin (Architekt: Frank Gehry), dem Arts Center in Singapur (Architekt: Vikas Gore), dem Britischen Museum in London (Architekt: Norman Foster) oder kürzlich den Glasdächern über der Zentralachse und dem Servicezentrum der Neuen Messe in Mailand (Architekt: Massimiliano Fuksas), sind Freiformflächen zunehmend für Gebäudehüllen eingesetzt worden. Der folgende Aufsatz befaßt sich mit den geometrischen Aspekten und den mit der praktischen Umsetzung dieser Bauarten verbundenen Problemen. Es werden insbe- sondere eine Vielzahl verschiedener Knotenkonstruktionen vorgestellt, ohne die Stab- strukturen für Freiformflächen nicht realisierbar wären. Reticulated Structures on Free-Form Surfaces. Promoted by buildings like the DG-Bank in Berlin (Architect: Frank Gehry), the Arts Center in Singapore (Architect: Vikas Gore), the British Museum in London (Architect: Norman Foster) and recently the New Fair in Milan (Architect: Massimiliano Fuksas) with its roofs above the Central Axis and the Service Cen- ter, free-form envelopes have become more and more popular in recent years. The paper is a brief review of the geometrical and the corresponding structural problems related to the design of those structures. In particular, a number of node connector types are described, which are essential for the realization of reticulated structures on free-form surfaces. wähnte grundlegende Klassifikation von Flächen anhand der Größe der to- talen oder Gaußschen Krümmung wurde von Gheorghiu und Dragomir in [4] für baupraktische Anwendungen vorgeschlagen. Gemäß [4] sollte die weitere Feinklassifizierung anhand der Generierungsmethode der Flächen vorgenommen werden (Bild 2). Flächen können mit geometri- schen oder nichtgeometrischen Ver- fahren generiert werden. Bei letzte- rem Verfahren wird die Geometrie mit Hilfe von formgebenden Medien wie Gravitationskraft, Überdruck oder Vorspannung erzeugt. Ein für bau- praktische Anwendungen bewährtes Verfahren zur Beschreibung von Flä- Sören Stephan Jaime Sánchez-Alvarez Klaus Knebel Stabwerke auf Freiformflächen Herrn Dr.-Ing. Herbert Klimke zur Vollendung seines 65. Lebensjahres gewidmet 1 Die Geometrie der Flächen Flächen sind die „Haut“ von Objekten. Wir erkennen, identifizieren und wer- ten die Form von Objekten anhand der visuellen Wahrnehmung der Flächen, durch welche die Objekte umhüllt und geometrisch begrenzt werden. Flächen sind zweidimensio- nale stetige Formen im dreidimensio- nalen euklidischen Raum. Eine Fläche bildet somit eine Art zweidimensiona- ler Welt, in der geometrische Elemente wie Punkte, Linien oder Kurven sowie Netzwerke dieser Elemente existieren können. Stabwerke können allgemein als Netzwerk geometrischer Elemente auf jeglicher Art von Flächen be- schrieben werden. Die grundlegende Klassifizierung von Flächen erfolgt anhand ihrer Krümmung. Die maßgeblichen Kon- zepte der Krümmungsdefinition sind in Bild 1 dargestellt. Die weitere Unterteilung von Flä- chen kann nach verschiedenen Me- thoden erfolgen. Die eingangs er- © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 8 562 k = 1/r K= k 1 · k 2 H = (k 1 + k 2 ) / 2 Zwei Normalebenen mit Normalen-Schnittkurven Bild 1. Konzepte der Krümmungsdefinition von Flächen Fig. 1. Curvature, main concepts

Stabwerke auf Freiformflächen

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Fachthemen

Bei einigen bekannten Bauwerken der letzten Jahre, beispielsweise bei der DG-Bank inBerlin (Architekt: Frank Gehry), dem Arts Center in Singapur (Architekt: Vikas Gore), demBritischen Museum in London (Architekt: Norman Foster) oder kürzlich den Glasdächernüber der Zentralachse und dem Servicezentrum der Neuen Messe in Mailand (Architekt:Massimiliano Fuksas), sind Freiformflächen zunehmend für Gebäudehüllen eingesetztworden. Der folgende Aufsatz befaßt sich mit den geometrischen Aspekten und den mitder praktischen Umsetzung dieser Bauarten verbundenen Problemen. Es werden insbe-sondere eine Vielzahl verschiedener Knotenkonstruktionen vorgestellt, ohne die Stab-strukturen für Freiformflächen nicht realisierbar wären.

Reticulated Structures on Free-Form Surfaces. Promoted by buildings like the DG-Bank inBerlin (Architect: Frank Gehry), the Arts Center in Singapore (Architect: Vikas Gore), theBritish Museum in London (Architect: Norman Foster) and recently the New Fair in Milan(Architect: Massimiliano Fuksas) with its roofs above the Central Axis and the Service Cen-ter, free-form envelopes have become more and more popular in recent years. The paper isa brief review of the geometrical and the corresponding structural problems related to thedesign of those structures. In particular, a number of node connector types are described,which are essential for the realization of reticulated structures on free-form surfaces.

wähnte grundlegende Klassifikationvon Flächen anhand der Größe der to-talen oder Gaußschen Krümmungwurde von Gheorghiu und Dragomirin [4] für baupraktische Anwendungenvorgeschlagen. Gemäß [4] sollte dieweitere Feinklassifizierung anhandder Generierungsmethode der Flächenvorgenommen werden (Bild 2).

Flächen können mit geometri-schen oder nichtgeometrischen Ver-fahren generiert werden. Bei letzte-rem Verfahren wird die Geometriemit Hilfe von formgebenden Medienwie Gravitationskraft, Überdruck oderVorspannung erzeugt. Ein für bau-praktische Anwendungen bewährtesVerfahren zur Beschreibung von Flä-

Sören StephanJaime Sánchez-AlvarezKlaus Knebel

Stabwerke auf FreiformflächenHerrn Dr.-Ing. Herbert Klimke zur Vollendung seines 65. Lebensjahres gewidmet

1 Die Geometrie der Flächen

Flächen sind die „Haut“von Objekten.Wir erkennen, identifizieren und wer-ten die Form von Objekten anhandder visuellen Wahrnehmung derFlächen, durch welche die Objekteumhüllt und geometrisch begrenztwerden. Flächen sind zweidimensio-nale stetige Formen im dreidimensio-nalen euklidischen Raum. Eine Flächebildet somit eine Art zweidimensiona-lerWelt, in der geometrische Elementewie Punkte, Linien oder Kurven sowieNetzwerke dieser Elemente existierenkönnen. Stabwerke können allgemeinals Netzwerk geometrischer Elementeauf jeglicher Art von Flächen be-schrieben werden.

Die grundlegende Klassifizierungvon Flächen erfolgt anhand ihrerKrümmung. Die maßgeblichen Kon-zepte der Krümmungsdefinition sindin Bild 1 dargestellt.

Die weitere Unterteilung von Flä-chen kann nach verschiedenen Me-thoden erfolgen. Die eingangs er-

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 8562

k = 1/r

K = k1 · k2

H = (k1 + k2) / 2

Zwei Normalebenen mitNormalen-Schnittkurven

Bild 1. Konzepte der Krümmungsdefinition von FlächenFig. 1. Curvature, main concepts

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sind in die CAD-Werkzeuge integriertund können intuitiv zur Erzeugungund Manipulation von NURBS-Flä-chen verwendet werden. Bild 3 zeigtim unteren Bereich schematisch ei-nige geometrische Komponenten, diebei der NURBS-Modellierung oft be-nutzt werden.

Der CAD-Nutzer beginnt meistmit der Definition von Randkurven derGesamtfläche, die anschließend mitHilfe von Linien und Kurven in kleine,einfache Bereiche (Patch) zerlegt wird,um damit ein Grobnetz als ersteAnnäherung zu erzeugen. Obwohlauch einfache Linien und Kurven be-nutzt werden könnten, um die Ränderder Flächenbereiche zu beschreiben,werden hierfür Splinekurven angewen-det, da diese die Generierung beliebi-ger Kurvenformen ermöglichen. DieDichte des Grobnetzes muß in Abhän-gigkeit von der Stetigkeit und derKrümmung der zu modellierendenForm gewählt werden. Die Ränder derFlächenbereiche (Patch) müssen imallgemeinen an markante Querschnitteder zu modellierenden Form angepaßtwerden. Die Randkurven müssen soausgebildet werden, daß an den Kno-tenpunkten des Grobnetzes sanfteÜbergänge entstehen.

Anschließend erfolgt die Gene-rierung der individuellen NURBS-Flächen für die einzelnen Flächenbe-reiche (Patch). Gewöhnlich sindhierfür in den entsprechenden CAD-Programmen eine Vielzahl von einfa-chen Funktionen bzw. Werkzeugenzur Erzeugung der Flächenbereichevorhanden. Benachbarte Flächenbe-reiche müssen danach an den ge-meinsamen Rändern verbunden wer-den und Beschränkungen der Frei-heitsgrade am Flächenrand definiertwerden. Letzteres dient der Beein-flussung von Gestaltungsaspektenwie Krümmungskontinuität oderTan-gentengleichheit, damit diezusammengesetzten Flächenbereicheam Ende als einheitliche und konti-nuierliche Form erscheinen.

Die Gestaltung von Gebäudehül-len mit Freiformflächen ist in der Re-gel ein komplexer Vorgang. Die Er-zeugung der endgültigen Form einerFreiformfläche ist meist nicht in ei-nem einzelnen Modellierungsschrittmachbar, sondern erfordert eine rela-tiv lange, iterative Prozedur aus Mo-dellierung, Kontrolle, Korrektur undVerbesserung.

K

NP

N

K > 0

H = 0, K < 0

K < 0H < 0, K = 0

Bild 2. Flächenklassifikation nach KrümmungFig. 2. Surface classification, curvature

chen ist die in Bild 3 gezeigte Darstel-lung der Flächen als Spuren geraderund gekrümmter Linien. Hierbei wer-den gewöhnlich gerade Linien zurAbbildung der Stabachsen benutzt.Die Knotenpunkte des entstehendenLiniennetzwerks repräsentieren dieMittelpunkte der konstruktiven Stab-verbindungen (Knoten).

Eine große Anzahl von Struktur-flächen kann mit der sogenanntenhomothetischen Transformation (kom-binierte Streckung und Translation)erzeugt werden [20], [22], [23]. Dabeiwerden durch geeignete Kombinatio-nen der geometrischen Basisoperatio-nen Streckung und Translation Stab-werke oder facettierte Flächen gene-riert. Die durch dieses Verfahrenerzeugten Facetten sind absolut eben,da die mit der jeweiligen Erzeugen-den (Generatrix) korrespondierendenLinien räumlich parallel sind. Dieseherausragende Eigenschaft wird bau-praktisch z. B. für die Realisierungvon Dachstrukturen mit ebenen, vier-eckigen Glasscheiben genutzt. Sofernbei der Generierung der Flächen aus-schließlich Parallelverschiebungen be-nutzt werden, nennt man diese Trans-lationsflächen.

Rotationsflächen können eben-falls durch homothetische Transfor-mation erzeugt werden, indem manein Kreispolygon als Erzeugende (Ge-neratrix) entlang der Rotationsachse

verschiebt und gleichzeitig eine ra-diale Streckung ausführt.

Eine große Anzahl der soge-nannten Regelflächen kann durch einanderes Generierungsverfahren er-zeugt werden, bei dem zusätzlich zurhomothetischen Transformation eineRotation der Erzeugenden (Genera-trix) erfolgt. Dies führt jedoch zuStabwerken mit nicht ebenen Facet-ten. Beispielsweise entsteht das hy-perbolische Paraboloid, indem einegerade Linie entlang zweier wind-schiefer Geraden im dreidimensiona-len Raum verschoben wird.

Die allgemeinste Kategorie vonFlächen bilden die Freiformflächen,die mittels des speziellen mathemati-schen Verfahrens NURBS generiertwerden. Der Begriff NURBS bedeu-tet non-uniform rational B-splines.Mit dem NURBS-Verfahren könnennahezu alle vorstellbaren geometri-schen Formen generiert werden. ImGegensatz zu den analytisch direktbeschreibbaren Flächen wie Zylinder,Kugel oder Paraboloid können dieNURBS-Flächen nur durch iterativeBeeinflussung komplexer mathemati-scher Verknüpfungen erzeugt undverändert werden.

Dank inzwischen verfügbarerCAD-Programme [15] muß man inder Praxis jedoch selten tiefer in diemathematischen Grundlagen desNURBS-Verfahrens eindringen. Diese

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Das eigentliche Stabwerksnetzkann auf der generierten Fläche aufverschiedene Weise erzeugt werden,beispielsweise durch gleichmäßige Flä-chenunterteilung oder durch Projek-tion eines regelmäßigen Netzes aufdie Freiformfläche, wie im unterenTeil von Bild 3 dargestellt.

Die Kategorie der durch nicht-geometrische Verfahren erzeugtenFlächen wird von den meisten Auto-ren [25] anhand der Formfindungs-methode in experimentelle und ana-lytische Verfahren unterteilt. Die ex-perimentelle Formfindung mit

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Hängenetz oder Hängemembran istein traditionelles Verfahren zur Er-zeugung von druckbeanspruchtenSchalen. Ebenso zählt die Formfin-dung mit Seifenblasen zur Erzeugungvon pneumatischen Membranenoder vorgespannten Textilmembra-nen und Seilnetzen zu den expe-rimentellen Verfahren zur Erzeugungvon Minimalflächen. Die analy-tischen Verfahren der Kraftdichte-methode oder der dynamischen Rela-xation dienen gleichfalls der Erzeu-gung von Minimalflächen und sindsomit die mathematischen Gegen-

stücke zu den experimentellen Ver-fahren. In Bild 4 sind die wesentli-chen nicht-geometrischen Verfahrendargestellt.

2 Die Geometrie der Stabwerksnetze

Stäbe mit prismatischem Quer-schnitt, wie etwa T- oder I-Quer-schnitte bzw. rechteckige oder qua-dratische Hohlprofile, müssen in al-ler Regel bezüglich der Trägerflächedes Stabwerksnetzes sinnvoll ausge-richtet werden, beispielsweise durchOrientierung einer Querschnitts-hauptachse in Richtung der Flächen-normale. Die Linien des Stabwerks-netzes definieren meist die Sta-blängsachse, die Knotenpunkte desNetzes repräsentieren die Mittel-punkte der Stabverbindungsele-mente. Eine Ebene ist offensichtlichdie einfachste Flächenart. Hier kön-nen die lokalen Stabachsen einfachparallel und senkrecht zur Ebene an-geordnet werden. Bei kugel- oder zy-linderförmigen Flächen erfolgt dieAusrichtung der lokalen Stabachsenam einfachsten mit Hilfe des Kugel-mittelpunkts bzw. der Zylinderachse,indem eine der Stabachsen daraufausgerichtet wird. Im Falle einerFreiformfäche (NURBS), bei der sichdie Flächenkrümmung ständig än-dert, ist die Ausrichtung der Stäbewesentlich schwieriger. Hier bietennur lokale Flächenparameter wieTangente und Normale eine konsi-stente Möglichkeit zur Ausrichtungder Stabachsen.

Die Normale in einem Stabwerks-knoten wird als Knotenvektor be-zeichnet und ist gewöhnlich die Vektor-summe der normierten Normalvekto-ren aller am Knoten anschließenderFacetten (z. B. Glasscheiben). DerStabvektor ist im einfachsten Fall dieVektorsumme der normierten Nor-malvektoren beider, am Stab anschlie-ßender Facetten.

Im allgemeinen Fall ist derStabvektor bezüglich der beidenanschließenden Knotenvektoren ver-dreht (Stabverdrehung).

Im oberen Teil von Bild 5 ist einerealisierte Stabwerksstruktur auf ei-ner Freiformfläche mit allen für dieAusrichtung von Stäben und Knoten-elementen notwendigen lokalen Stab-vektoren und Knotenvektoren abge-bildet. Der untere Teil von Bild 5 zeigtansatzweise, wie die Stabachsen an-

Bild 3. Flächenklassifikation nach GenerierungsverfahrenFig. 3. Surfaces, geometric modes of generation

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hand lokaler Flächenparameter aus-gerichtet werden können und welcheArten polarer Winkel zwischen Stab-vektor und Knotenvektor hierbei ent-stehen.

Der polare Winkel Ui in der Tan-gentenfläche eines Knotens wird üb-licherweise als Horizontalwinkel be-zeichnet (Bild 5a). Der polare WinkelVi der Stablängsachse in Bezug aufden Knotenvektor heißt Vertikalwin-kel (Bild 5b). Der Winkel Wi zwi-schen der Stabnormalebene und derEbene, die zwischen Stablängsachseund Knotenvektor aufgespannt wird,kennzeichnet die Stabverdrehungund wird als Verdrehwinkel bezeich-net (Bild 5c). Somit kann die lokaleGeometrie eines Stabwerksnetzes mitHilfe der geometrischen ParameterUi, Vi, Wi aller an einem Knoten an-schließenden Stäbe beschrieben undbewertet werden. Diese lokalen geo-metrischen Parameter hängen haupt-sächlich von zwei Faktoren ab – derFlächenkrümmung und Stabnetzkon-figuration.

Die Horizontalwinkel an einemKnoten werden dabei im wesentli-chen von derWahl des Stabnetzes be-einflußt. Bild 6 zeigt beispielhaft zweimögliche Stabnetze, wobei die Win-kel Ui des Vierecksnetzes in Bild 6anatürlicherweise größer sind als dieWinkel des Dreiecksnetzes in Bild 6b,da hier sechs statt vier Stäbe am Kno-ten anschließen.

Die Vertikalwinkel an einemKnoten werden primär von derFlächenkrümmung k = 1 / R beein-flußt. Bild 7 zeigt exemplarisch die Si-tuation bei zwei unterschiedlichenFlächenkrümmungen – einer kleinenKrümmung k1 = 1 / R1 mit kleinemresultierenden Vertikalwinkel und ei-ner größeren Krümmung k2 = 1 / R2mit entsprechend größerem Vertikal-winkel. Hieraus ist auch ersichtlich,daß bei einer ebenen Stabstruktur(R Æ •) die Vertikalwinkel zu Nullwerden.

Die Stabverdrehung hängt vonbeiden Parametern Flächenkrümmungund Ausrichtung des Stabwerksnet-zes ab. Bild 8 stellt die Situationzweier unterschiedlich ausgerichteterStabwerksnetze auf einer Fläche mitgleicher Krümmung dar. DerAusrich-tungswinkel G1 nach Bild 8a rufteine größere Stabverdrehung hervorals der Ausrichtungswinkel G2 nachBild 8b. In Bild 8 ist gut ersichtlich,

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Bild 4. Flächengenerierung mit nicht-geometrischen VerfahrenFig. 4. Surfaces, non-Geometric modes of generation

Bild 5. Definition der lokalen Parameter: Horizontal-, Vertikal- und Verdrehwinkel Fig. 5. Application of local geometric entities: horizontal, vertical and twist angles

Freiform Stabnetz mitNormalen und Tangentenam Knoten und imStabmittelpunkt

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daß bei G = 90° die Stabverdrehungverschwindet.

Die Konstruktion eines Stab-werks auf einer beliebigen, nicht opti-mierten Freiformfläche ist aus zweiGründen sehr komplex:– Das Strukturverhalten und damitdie aus der Bemessung resultieren-den Stabquerschnitte und Stabver-bindungen sind kaum vorhersagbarund selten gleichförmig für die ge-samte Struktur. Vor allem bei einlagi-gen Strukturen werden die Spannun-gen in der Stabstruktur zwischen rei-ner Zug- oder Druckspannung undvorwiegender Biegespannung vari-ieren.– Die lokalen geometrischen Para-meter der Stäbe können stark streuen.Selbst an einem Knoten sind die Pa-rameter der anschließenden Stäbezum Teil sehr unterschiedlich, wasdurch die gewählte Stabverbindungaufgenommen werden muß.

Die eingangs beschriebenen Ver-fahren der experimentellen und ana-lytischen Formfindung sind dazu ge-eignet, das Stabwerksnetz in Bezugauf das Strukturverhalten zu opti-mieren (Strukturoptimierung). Andereebenfalls beschriebene Verfahren,z. B. die Flächengenerierung mittelsder homothetischen Transformation,

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dienen der geometrischen Opti-mierung des Stabwerksnetzes z. B.durch die Erzeugung absolut ebenerVierecksfacetten mit entsprechenderWirtschaftlichkeit oder durch die Er-zeugung eines Stabnetzes mit nur un-erheblich variierenden lokalen Geo-metrieparametern (Geometrieoptimie-rung).

Ungeachtet der Komplexität derKonstruktion hat die Anzahl der Stab-werksnetze auf Freiformflächen, beidenen weder eine Strukturoptimie-rung noch eine Geometrieoptimie-rung erfolgt ist, in den letzten Jahrenzugenommen. Der Grund hierfür istoffenbar in der Verfügbarkeit vonCAD-Programmen mit NURBS-Funktionen und in der mitunter anzu-treffenden architektonischen Präfe-renz für formales Design ohne ausrei-chende Berücksichtigung technischerBeschränkungen zu suchen.

Der einzig sinnvolle Weg zurRealisierung von Stabwerksnetzenauf nicht optimierten Freiformflä-chen liegt in der möglichst flexiblenGestaltung der Knotenverbindung,um mit wenigen Grundausführungendes Knotens sowohl das variierendeStrukturverhalten als auch die verän-derlichen geometrischen Parameterabdecken zu können.

3 Knotenverbindungen für zweilagigeStabwerke

Stabwerke auf Freiformflächen kön-nen prinzipiell in zwei grundlegen-den Ausführungen realisiert werden:als einlagiges Stabwerk oder als zwei-bzw. mehrlagiges Stabwerk. LetztereBauweise wird seit langem erfolg-reich angewendet. Umfassende Be-schreibungen von Knotentypen für

zweilagige Stabwerke sind in [1],[11], [14] enthalten.

Die klassische Knotenverbindungfür zweilagige Stabwerksstrukturenist der in Bild 9 abgebildete Kugelkno-ten.

Dieser Knotentyp wird in Raum-fachwerksystemen wie MERO, Krupp-Montal, Züblin, Tuball (Octatube)und anderen eingesetzt. Die Kon-struktion und Berechnung dieserKnotenverbindung wird in [13], [14]ausführlich behandelt. Die Befesti-gung der Eindeckung bei Stabwerkenmit Kugelknoten erfolgt vornehmlichüber Sekundärpfetten, die an denObergurtknoten angeschraubt sind.Eine direkte Auflage der Eindeckungauf den Stäben ist in aller Regel nichtmöglich. Punktförmig gehaltene Ein-deckungen wie Glasscheiben mit Ro-tulen können dagegen direkt amKnoten befestigt werden, z. B. mitentsprechenden Spiderkreuzen.

Eine sinnvolle Ergänzung desKugelknotens für zweilagige Stab-werke ist der in Bild 10 gezeigteNapfknoten, der von der MEROGmbH, Würzburg, entwickelt wurde.

Der Napfknoten im Obergurt ei-nes zweilagigen Stabwerks erlaubt

a)

b)

Bild 7. Vertikalwinkel für verschiedeneNetzeFig. 7. Vertical angle for different cur-vatures

a) b)

Bild 8. Verdrehwinkel für verschiedene NetzgeometrienFig. 8. Twist angle for different grid configurations

Bild 9. MERO-KugelknotenFig. 9. MERO Ball Node Connector

a) b)

Bild 6. Horizontalwinkel für verschie-dene NetzeFig. 6. Horizontal angle for differentgrids

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567Stahlbau 73 (2004), Heft 8

den stufenlosen Anschluß von pris-matischen Stäben wie z. B. Recht-eckrohren. Dies ermöglicht die di-rekte linienförmige Lagerung undBefestigung von Eindeckungsele-menten auf den Stäben des Ober-gurts. Die Berechnung und Kon-struktion dieser Knotenverbindungist ausführlich in [12] beschrieben.In den vergangenen Jahren wurdenmit dieser Art der Stabwerksstrukturmehrere Projekte mit komplexerGeometrie oder mit Freiformflächenerfolgreich realisiert. Die bekannte-sten davon sind das Eden-Projekt inEngland [10], die Stockholm GlobeArena [8] oder das Arts Center inSingapur [16].

4 Knotenverbindungen für einlagigeStabwerke

Die wachsende Bedeutung einlagigerStabwerksstrukturen ist durch das ar-chitektonische Streben nach transpa-renten und filigranen Tragwerkskon-struktionen bedingt. Knotenverbin-dungen für einlagige Strukturenkönnen in die zwei grundlegendenKategorien Laschenknoten und Stirn-flächenknoten unterteilt werden. Einerster Vergleich von Knotenverbin-dungen für einlagige Strukturenwurde von Klaus Fischer in [7] aufge-zeigt. Im Folgenden werden die bis-her in einlagigen Stabwerken bauprak-tisch verwendeten Knotenverbindun-gen beschrieben und miteinanderverglichen.

4.1 Laschenknoten

Diese Art der Knotenverbindung istdurch folgende Eigenschaften charak-terisiert:– Die Kraftübertragung zwischenKnoten und Stabanschluß erfolgtmittels in Stablängsrichtung angeord-

neten Laschen. Die Laschen sind ent-weder Einzelelemente oder sind inden Stab bzw. Knoten integriert.– Die Kräfte werden vorwiegend mitBolzen über Scher-Lochleibung über-tragen bzw. alternativ über Form-schluß oder eine Schweißverbindung.Die Bolzen werden in der Regel vor-gespannt.

Schlaich Bergermann & Partner,Stuttgart, veröffentlichten 1988 in [17]die Grundprinzipien einer Stabnetz-schale mit einem Laschenknoten,dessen erste Ausführung SBP-1 in denBildern 11 und 12 dargestellt ist.

Die Knotenverbindung bestehthier aus zwei gekreuzten Flachble-chen als Laschen, die mit einem zen-tralen Schraubenbolzen verbundensind. Gleichzeitig wird mit diesemBolzen eine Seilklemme an der Kno-tenunterseite befestigt. Die Stäbe sindan der, der jeweiligen Lasche zuge-wandten, Seite abgefräst und werdenmit zwei oder mehr Bolzen übereine Scher-Lochleibungsverbindungmit den Laschen verbunden.

Der zentrale Bolzen erlaubt eineeinfache Anpassung des Laschen-kreuzes an die auftretenden Horizon-

talwinkel Ui zwischen den anschlie-ßenden Stäben.

Vertikalwinkel müssen über einenKnick in den Laschen realisiert werden.Eventuelle Verdrehwinkel in den Stä-ben können nur bedingt über das Loch-spiel ausgeglichen werden. Aufgrundder kleinen Stabquerschnitte und nureiner vorhandenen Scherebene ist dieÜbertragbarkeit von Biegemomentensehr begrenzt. Diese Knotenverbindungwurde bei mehreren Stabstrukturen aufFreiformflächen erfolgreich eingesetzt,so z. B. bei der Innenhofüberdachungdes Historischen Museums in Ham-burg oder beim Schwimmbad in Neck-arsulm [18], [19], [24].

Bild 13 zeigt die weiterentwik-kelte Variante dieses LaschenknotensSBP-2.

Hier werden nunmehr drei ge-kreuzte Flachbleche verwendet undmit dem zentralen Schraubenbolzenverbunden. Die zwei äußeren La-schen sind an die ösenförmig gefrä-sten Stabenden mit mindestens zweiSchrauben angeschlossen. Die innereLasche wird ebenfalls mit mindestenszwei Schrauben an den gabelförmigausgefrästen Enden der beiden ande-ren Stäbe befestigt. Die Einschränkun-gen hinsichtlich der geometrischenWinkel (Horizontal-, Vertikal- undVerdrehwinkel) sind ähnlich wie beider Ausführung SBP-1. Aufgrund derzwei Scherflächen ist die jedoch Mo-mententragfähigkeit höher als beimKnoten SBP-1. Diese Knotenverbin-dung wurde z. B. für das Tonnendachdes Bahnhofs Berlin-Spandau vorge-schlagen [21].

Die Helmut Fischer GmbH, Tal-heim, publizierte 1999 die in Bild 14abgebildete, weitere Variante einesLaschenknotens HEFI-1 [5], [7].Diese Knotenverbindung besteht auszwei flachen Scheiben mit einer um-laufenden Nut und vier Bolzen-löchern. Die Stabenden werden alsDoppelgehrung gefräst und sind mit

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Bild 10. MERO-Napfknoten Fig. 10. MERO Bowl Node Connector

Bild 11. Laschenknoten SBP-1Fig. 11. Splice Connector SBP-1

Bild 13. Laschenknoten SBP-2Fig. 13. Splice Connector SBP-2

Bild 12. Laschenknoten SBP-1Fig. 12. Splice Connector SBP-1

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Schubzapfen versehen. Diese werdenin die umlaufende Nut der Knoten-bleche eingehakt und stellen dieKraftübertragung sicher. Die Befesti-gung der Stäbe erfolgt jeweils mit ei-nem Bolzen je Stabende.

Die Horizontal-, Vertikal- undVerdrehwinkel können innerhalb ge-wisser Grenzen über die Geometrie derFräsung der Stabenden und der Kno-tenbleche realisiert werden. Dieser La-schenknoten wurde bei der Innenhofü-berdachung Berlin Friedrichstraße Nr.1991–1992 und beim Flußpferdhausim Zoo Berlin [9], [24] eingesetzt.

Eine andere Modifikation einesLaschenknotens SBP-3 wurde vonSchlaich Bergermann & Partner 1996beim Bau der DZ Bank in Berlin ent-wickelt und eingesetzt [3], [24]. DasKnotenteil besteht aus einer dicken

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Platte mit bis zu sechs Anschlußla-schen, die in gefräste Gabelenden derStäbe eingepaßt sind. Die Stäbe sindmit mindestens zwei Schrauben anden Knotenlaschen über zwei Scher-fugen befestigt. Die AnschlußwinkelUi,Vi und Wi können innerhalb einesgewissen Bereichs durch die Geome-trie der Fräsung der Knotenlaschenaufgenommen werden.

Bild 17 zeigt eine weitere Ausfüh-rung eines Laschenknotens POLO-1mit vertikalen Laschen. Eine solcheVerbindung wurde von Polonyi &Fink, Köln für die Vordächer am Köl-ner Hauptbahnhof verwendet [28].

Dieser Knoten hat einen zylin-drischen oder prismatischen Kern, andem bis zu sechs vertikale Laschenangeschweißt sind. An die Stabendenwird eine vertikale Gabellasche an-oder eingeschweißt. Die Stabverbin-dung erfolgt mit zwei oder mehrSchrauben über zwei Scherflächen.Horizontal-, Vertikal- und Verdreh-winkel können über die Geometrieder Laschen aufgenommen werden.Die vertikalen Laschen erlauben dieÜbertragung größerer Biegemo-mente. Ein vom Grundprinzip herähnlicher Knoten wurde auch vonSchlaich Bergermann & Partner fürdie Eingangsüberdachung der Deut-schen Bank in Berlin eingesetzt [2].

4.2 Stirnflächenknoten

Diese Art der Knotenverbindung weistfolgende grundlegende Merkmale auf: – Die Verbindungsfläche zwischenKnoten und Stab verläuft senkrechtzur Stablängsachse.– Die Verbindung erfolgt vorwiegendmittels Kopfplattenstoß mit vor-gespannten Schraubenbolzen oderSchweißung.

Bild 18 zeigt den von SchlaichBergermann & Partner entwickelten

Stirnflächenknoten SBP-4 für das In-nenhofdach Schlüterhof im Deut-schen Historischen Museum in Berlin[24]. Das Knotenstück besteht auszwei kreuzförmigen Flachblechen, diemit vier eingeschweißten Endplattenverbunden sind. Die Stäbe sind an dieKreuzbleche angeschweißt. Zur Mon-tage können die Stäbe provisorischmit einem Bolzen in den Endplattenfixiert werden.

Im Zwischenraum der beidenKreuzplatten ist eine Seilklemmeangeordnet, die mit vier Bolzen ander oberen Platte befestigt ist. Hori-zontalwinkel können nur währendder Fertigung der Kreuzplatten ein-gestellt werden. Vertikalwinkel kön-nen in gewissen Grenzen durch Frä-sung der Knotenstirnseite aufgenom-men werden. Stabverdrehwinkelkönnen nur sehr begrenzt aufgenom-men werden. Durch den geschweiß-ten Vollanschluß der Stäbe an denKnoten können große Biegemo-mente bis hin zur vollen Biegetrag-fähigkeit des Stabes übertragen wer-den.

Der in den Bildern 19 und 20dargestellte geschweißte Stirnflä-chenknoten WABI-1 wurde von derWaagner-Biro AG, Wien, entworfenund für die Überdachung des Innen-hofes des Britischen Museums inLondon eingesetzt [26], [27].

Bild 14. Laschenknoten HEFI-1Fig. 14. Splice Connector HEFI-1

Bild 15. Laschenknoten SBP-3Fig. 15. Splice Connector SBP-3

Bild 16. Laschenknoten SBP-3Fig. 16. Splice Connector SBP-3

Bild 17. Laschenknoten POLO-1Fig. 17. Splice Connector POLO-1

Bild 18. Stirnflächenknoten SBP-4Fig. 18. End-Face Connector SBP-4

Bild 19. Stirnflächenknoten WABI-1Fig. 19. End-Face Connector WABI-1

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Der sternförmige Knoten besitztfünf bis sechs Arme. Jeder Arm be-findet sich in der Gehrung zweierbenachbarter Stäbe. Die massivenKnotenstücke werden mit geradenBrennschnitten aus dicken Blechengefertigt. Die Stabenden sind mit ei-nem, zur entsprechenden Ausneh-mung im Knoten passenden, Doppel-gehrungsschnitt versehen. Die Dickedes Knotenblechs ist etwas geringerals die Höhe der anschließendenStäbe.

Der Schweißanschluß der Stab-enden wird mit Kehlnähten an derOber- und Unterseite und mit HV-Nähten an den Seitenflächen derStäbe ausgeführt. Horizontal-, Verti-kal- und Verdrehwinkel werden überdie Geometrie der Stabendbearbei-tung eingestellt. Die Knotenverbin-dung kann sehr große Biegemomenteübertragen.

In Bild 21 ist ein geschraubterStirnflächenknoten OCTA-1 abgebil-det, der von Octatube Space Structu-res BV, Delft, als Modifikation des Tu-ball Knotensystems entwickelt wurde[14].

Dieser Knoten ist aus einerHohlkugel gefertigt, die oben und un-ten offen ist. Die Stäbe sind mit je-weils zwei Schraubenbolzen an den

Knoten angeschlossen, wobei die Bol-zen vom Knoteninnenraum her ein-geführt werden. Die Horizontal-, Ver-tikal- und Verdrehwinkel sind in ge-wissen Grenzen einstellbar undbeeinflussen eigentlich nur die Geo-metrie der Schraubenlöcher im Kno-ten. Die Übertragung von Biege-momenten ist beschränkt möglich.Aufgrund des nach oben hervorste-henden Knotenstücks ist eine direkteAuflage der Eindeckung über denKnoten hinweg nicht möglich.

Im Jahre 1994 wurde von derMERO GmbH, Würzburg, eine Serievon Stirnflächenknoten vorgestellt,die unter dem Namen MERO-Plusbekannt sind [12]. Einer dieser Kno-tenverbindungen ist der Zylinderkno-ten MERO-1, welcher in den Bildern22 und 23 dargestellt ist.

Das oben und unten offene Kno-tenstück wird aus einem dickwandi-gen Rundrohr gefertigt. Die Stäbewerden mit jeweils zwei Bolzen ange-schlossen, wobei die Bolzen vomKnoteninneren her eingeführt undvorgespannt werden. Die Horizontal-,Vertikal- und Verdrehwinkel des Sta-banschlusses sind in der Geometrieder korrespondierenden Knotenfräs-flächen einzustellen. Die Stabendensind vorzugsweise senkrecht zur Sta-

blängsachse zugeschnitten. Mit denzwei Bolzen können relativ hoheBiegemonente um die Hauptachsedes Anschlußquerschnitts übertragenwerden.

Ein weiterer Stirnflächenknotenaus der MERO-Plus Serie ist derBlockknoten MERO-2, der in Bild 24gezeigt ist.

Das entsprechende Knotenstückwird aus einem massiven Stahlblockgefräst. Die Stäbe werden jeweils wie-derum mit zwei Schraubenbolzen an-geschlossen, wobei die Bolzen dies-mal von der Stabinnenseite her einge-führt und vorgespannt werden. Dahermüssen die Stäbe aus Hohlprofilen,z. B. Rund- oder Rechteckrohren, be-stehen. Nahe der Stabenden wird einHandloch angeordnet, durch welchesdie Bolzen eingeführt werden kön-nen.

Das Montageloch ist meist ander Oberseite des Stabes angeordnet,so daß es nach Aufbringen der Ein-deckung nicht mehr sichtbar ist. Al-ternativ können die Stäbe auch andas Knotenstück angeschweißt wer-den. Die Horizontal-, Vertikal- undVerdrehwinkel des jeweiligen Staban-schlusses müssen über die Geometrieder Knotenfräsfläche eingestellt wer-den. Die Stabenden sind wiederumsenkrecht zur Stablängsachse gefer-tigt. Die Biegetragfähigkeit ist ähnlichwie beim Zylinderknoten MERO-1und wird durch die Höhe des Profilesowie durch Größe und Lage der Bol-zen bestimmt.

Der in den Bildern 25 und 26 ab-gebildete Tellerknoten MERO-3 istein anderer Stirnflächenknoten ausder MERO-Plus Reihe.

Das Knotenstück ist ein flaches,tellerförmiges Schmiede- oder Guß-teil. Die Verbindung der Stäbe an

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Bild 20. Stirnflächenknoten WABI-1Fig. 20. End-Face Connector WABI-1

Bild 21. Stirnflächenknoten OCTA-1Fig. 21. End-Face Connector OCTA-1

Bild 23. Stirnflächenknoten MERO-1Fig. 23. End-Face Connector MERO-1

Bild 22. Stirnflächenknoten MERO-1Fig. 22. End-Face Connector MERO-1

Bild 24. Stirnflächenknoten MERO-2Fig. 24. End-Face Connector MERO-2

Page 9: Stabwerke auf Freiformflächen

den Knoten erfolgt hier nur mit ei-nem Schraubenbolzen, dementspre-chend ist die Biegetragfähigkeit rela-tiv gering. Die Horizontal-, Vertikal-und Verdrehwinkel werden wie beiden anderen MERO-Plus Knotenüber die Geometrie der Knotenfräs-flächen eingestellt. Die Stabendensind daher wieder meist senkrechtzur Stabachse geschnitten, wodurchdie Fertigung der Stäbe relativ ein-fach ist.

In den Bildern 27 und 28 ist dieaktuellste Knotenvariante MERO-4*)

gezeigt.Diese Knotenverbindung wurde

von MERO speziell für das Glasdachder Zentralachse der Neuen Messe inMailand, Italien, entwickelt und ein-gesetzt. Das Stabwerk dieser Frei-formfläche weist ein kombiniertesDreiecks- und Vierecksnetz auf. DasGlasdach der Zentralachse ist etwa1300 m lang und 32 m breit. DasDach ist in Längsrichtung in 12 un-abhängige Teilstrukturen unterteilt.In Bild 29 sind die beiden ersten Teil-strukturen im Bauzustand dargestellt.Insgesamt besteht das Stabwerk ausetwa 16000 Knoten und 41000 Stä-ben. Die Stäbe sind aus Blechen ge-

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fertigt und haben T-Querschnitte miteiner Höhe von 200 mm und einerFlanschbreite von 60 mm. Das Dachwird von etwa 180 Rohrstützen ge-halten, wobei sich die Stützen zumDach hin in sechs Haltearme ver-

zweigen. Die KnotenverbindungMERO-4*) besteht im Prinzip auszwei kombinierten TellerknotenMERO-3 (Bild 29). Ein Tellerknotenwird mit der Öffnung nach oben amoberen Flansch der Profile angeord-net, der zweite Knoteninneren ausmit der Öffnung nach unten am unte-ren Anschlußflansch der Profile befe-stigt. Der untere Anschlußflanschläuft etwa 250 mm vor dem Stabendevoutenförmig aus dem Steg des T-Querschnitts heraus. Die Stäbe wer-den vom Tellerknoten her mit jeweilseinem Bolzen mit dem oberen undunteren Knoteninneren aus verbun-den. Alternativ können die Stäbeauch angeschweißt werden. Die Hori-zontal-, Vertikal- und Verdrehwinkel

Bild 25. Stirnflächenknoten MERO-3Fig. 25. End-Face ConnectorMERO-3

Bild 26. Stirnflächenknoten MERO-3Fig. 26. End-Face Connector MERO-4

Bild 27. StirnflächenknotenMERO-4*)

Fig. 27. End-Face ConnectorMERO-4*)

Bild 28. Stirnflächenknoten MERO-4*)

Fig. 28. End-Face Connector MERO-4*)

Bild 29. Neue Messe Mailand, Dach über der Zentralachse im Bauzustand Juni2004Fig. 29. New Fair Milan, roof over the central axis during construction in June2004

Bild 30. Stirnflächenknoten MERO-4*)

mit SeilklemmeFig. 30. End-Face Connector MERO*)

with cable clamp

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571Stahlbau 73 (2004), Heft 8

sind wie gewöhnlich in der Geome-trie der Knotenfräsflächen einzustel-len. Die Übertragung relativ großerBiegemomente ist möglich.

Eine mögliche Weiterentwicklungdes Stirnflächenknotens MERO-4*) istin Bild 30 aufgezeigt. Hierbei ist eine

4.3 Anwendbarkeit von Knotenverbin-dungen für Freiformstrukturen

Tabelle 1 zeigt zusammenfassend dieAnwendbarkeit der eingangs be-schriebenen Knotentypen für denEinsatz in einlagigen Stabwerken auf

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Knotenverbindung Aufnehmbarkeit von Übertragbarkeit Anwendbarkeitlokalen Geometrieparametern von Schnittgrößen

Variante Anschluß Horizontal Vertikal- Verdreh- Normal- Biege- Freiformflächewinkel winkel winkel kräfte momente

Ui Vi Wi

SBP-1 Laschenkn.+ + O + O

Geom. optim.,geschraubt Strukt. optim.

SBP-2 Laschenkn.+ + O ++ +

Geom. optim.,geschraubt Strukt. optim.

HEFI-1 Laschenkn.++ + + ++ ++

Geom. optim.,geschraubt Strukt. optim.

SBP-3 Laschenkn.++ ++ ++ ++ ++

Geom. nicht optim.,geschraubt Strukt. nicht optim.

POLO-1 Laschenkn.++ ++ ++ ++ ++

Geom. nicht optim.,geschraubt Strukt. nicht optim.

SBP-4 Stirnfl-kn.+ + O +++ +++

Geom. optim.,geschweißt Strukt. nicht optim.

WABI-1 Stirnfl-kn.+++ +++ + +++ +++

Geom. nicht optim.,geschweißt Strukt. nicht optim.

OCTA-1 Stirnfl-kn.++ +++ ++ ++ ++

Geom. nicht optim.,geschraubt Strukt. nicht optim.

MERO-1 Stirnfl-kn.++ ++ + ++ ++

Geom. optim.,(Zylinder) geschraubt Strukt. nicht optim.

MERO-2Stirnfl-kn.

++ +++ ++ ++ ++ Geom. nicht optim.,

(Block)geschraubt Strukt. nicht optim.

Stirnfl-kn.++ +++ ++ +++ +++

Geom. nicht optim.,geschweißt Strukt. nicht optim.

MERO-3Stirnfl-kn.

++ ++ ++ ++ + Geom. nicht optim.,

(Teller)geschraubt Strukt. optim.

Stirnfl-kn.++ +++ ++ ++ ++

Geom. nicht optim.,geschweißt Strukt. nicht optim.

MERO-4Stirnfl-kn.

++ ++ + ++ ++ Geom. nicht optim.,

(Doppel-geschraubt Strukt. nicht optim.

teller) Stirnfl-kn.++ +++ ++ +++ +++

Geom. nicht optim.,geschweißt Strukt. nicht optim.

Symbole O Eingeschränkt anwendbar+ Anwendbar

++ Gut anwendbar+++ Ausgezeichnet anwendbar

Abkürzungen Geom. optim. – Geometrisch optimierte FlächeGeom. nicht optim. – Geometrisch nicht optimierte FlächeStrukt. optim. – Strukturell optimierte FlächeStrukt. nicht optim. – Strukturell nicht optimierte Fläche

Tabelle 1. Anwendbarkeit von Knotenverbindungen für FreiformflächenTable 1. Applicability of Node Connectors for Free-Form Structures

Seilklemme in dem Freiraum zwi-schen oberem und unterem Tellerkno-ten angeordnet, die mit einem zen-tralen Schraubenbolzen am oberenKnoten befestigt ist. Mit diesem Kno-tentyp sind seilverspannte Stabnetz-schalen ausführbar.

Page 11: Stabwerke auf Freiformflächen

Freiformflächen. Generell könnendie meisten Laschenknoten nur fürgeometrisch und strukturell opti-mierte Freiformflächen angewendetwerden, währenddessen Stirnflächen-knoten geometrisch flexibler sindund deshalb gewöhnlich keine opti-mierten Freiformflächen benötigen.

Dies ändert jedoch nichts daran,daß die praktische Realisierung vonStabwerken auf nicht optimiertenFreiformflächen wesentlich aufwen-diger und damit teuerer als die vonStabwerken auf optimierten Frei-formflächen ist.

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Autoren dieses Beitrages: Dipl.-Ing. Sören Stephan, Dr.-Ing. JaimeSánchez-Alvarez und Dr.-Ing. Klaus Knebel,MERO GmbH & Co. KG, Würzburg,Max-Mengeringhausen-Straße 5,97084 Würzburg

*) Zum Patent angemeldet