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104 Geoforu m 3/1970 kilt zu haben (S. 5, 7). Korrelationen sind statistische Zusammenh~ge - die kausalen Beziehungen aufzudecken bedarf es dagegen der Einsicht in Handlungszusam- menhfinge und Motivsysteme, die aus dem verwendeten Ausgangsmaterial kaum ge- wonnen werden kann. Jiirgen STRASSEL, G6ttingen ZAPF, Katrin, Karolus HEIL und Justus RUDOLPH (1969) : Stadt am Stadtrand. Eine vergleichende Untersuchung in vier Miinchener Neubausiedlungen. - Ver6ffent- lichungen des Instituts fOx angewandte Sozial- wissenschaft, Bd. 7. Frankfurt: Europ~iische Verlagsanstalt. 372 S., DM 18,- Am Rande unserer St~idte haben sich die industriegesellschaftlichenDffferenzierungs- und Umschichtungsprozesse der letzten Jahrzehnte sehr eindrucksvoU in den neuen Grot~wohngebieten manffestiert. Die ,,Stiidte am Stadtrand" haben aber auch Wanderungs- str6me indiziert, die die Konzentration in den Ballungsgebieten weiter verst~rkt haben. Unter dem Einflug einer nicht immer sehr sachlich geffihrten 6ffentliehen Diskussion wurde es bei der gebotenen Eile immer schwieriger, Magsthbe fOx richtiges Planen und Bauen zu finden. Die Autoren des vor- liegenden Buches beschreiten einen Ausweg aus diesem Dilemma. Sie versuchen, mit der systematischen Erfassung yon Meinungen, Reaktionen und Verhaltensweisen der Be- wohner in bezug auf typische Wohnsituatio- nen der Planung die fehlenden Anhaltspunkte zu bestimmen. Die vier ausgew~ihlten moder- nen Grof~siedlungen am Rande vofi Miinchen - Fiirstenried Ost und West, Bogenhausen und Hasenbergl - unterscheiden sich hin- sichtlich ihres st~dtebaulichen Konzeptes, ihrer Entstehungszeit und Sozialstruktur. Der gesamte Problemkreis l~igt sich schwer- lich aus der Sicht einer Disziplin beaxbeiten. So haben hier Justus Rudolph und Karolus Hell aus der Sicht der Stadtplaner die st~dte- baulichen Strukturelemente, die gebaute Urn- welt und die Reaktionen der Bewohner analy- siert. Der Soziologin Katrin Zapf fiel die Auf- gabe zu, die Bev61kerungsstruktur, die Aus- stattung der Siedlung und die Verhaltens- weisen zu untersuchen. Der Arbeitsgang der Untersuchung wird in seinen wesentlichen Details im Anhang (S. 349 ff) des Buches geschildert. In allen Siedlungen tSJlt auf, dat~ unabh~ingig yon den Haustypen eine sehr hohe Zufrieden- heir mit der derzeitigen Wohnung herrscht, die sich nur z. T. aus dem Kontrasterlebnis erkl~en l~t~t. In den mehrgeschossigen Wohn- geh6ften, die besonders in Foxstenried Ost und West anzutreffen shad, sind die hohe Wohnzufriedenheit und das positive Naehbar- schaftsverh~iltnis bemerkenswert. Gegeniiber den direkten Nachbarn ist eine starke Reser- viertheit festzustellen. Bei einem so ausge- pr~igten Distanzverhalten k6nnen Nachbar- schaften kaum entstehen. ,,Es hat den An- schein, daft eine Bereitschaft zur menschlichen Begegnung in dem Matte w~ichst, in dem st6rende Zwangskontakte und technisch ver- meidbare St6rmomente vermindert werden" (S. 94). Daneben wirkt sich in allen Siedlun- gen ein hoher Rentneranteil negativ auf das nachbarschaftliche Klima aus. Dieses Ergeb- nis sollte beachtet werden, wenn der Grad der sozialen Mischung in Wohngebieten zu bestimmen ist. Differenziert man die Woh- nungsbeurteilung nach Alter und Schulbildung der Bewohner, so ergibt sich, dal~ mit zuneh- mendem Alter die Beurteilung positiver und mit besserer Schulbildung negativer ausffallt. Die M6glichkeit selektiver Wanderungen deutet sich hier bereits an. Alle Neubausiedlungen kennzeichnet ein sehr geringes Durchschnittsalter der Bev61- kerung. Hier wohnen vorwiegend junge auf- bauende Familien, die aber auf die Dauer keine Kontinuitht der Bev61kerung gewahr- leisten k6nnen. Das Schreckgespenst zu- n~ichst iiberf'tillter Kinderggrten, dann iiber- ftiilter Schulen und schlie~lich iiberfiillter Friedh6fe geistert in diesem Zusammenhang durch die Literatur. Es zeigt sich demgegen- iiber in den vier Miinchener Siedlungen, dal~ nach Ablauf von 5-7 Jahren die Set~haftig- keit der Bev61kerung stark abnimmt und ein Austausch yon Mietern in gleichem Mage wie in ~ilteren Stadtteilen einsetzt. Da gerade die inner¢,idtische Mobilitiit junger Haushalte sehr grog ist, liegt hier eine Steuerungsm6g- lichkeit fox den Bestand einer jungen Bev61- kerungsstruktur./3ffentliche Investitionen in Kinderg~ten und Schulen k6nnten auf diese Weise langfristig und optimal genutzt werden. Neubausiedlungen ,,regenerieren sich nicht dutch die Kinder der Eltern, sondern durch Zuziige" (S. 225). Dies sind nur einige Ergebnisse der aul~er- ordentlich ideenreichen Studie, deren quan- titative Belege jedoch an manchen Stellen nicht signffikant genug erscheinen. Hans B()HM, Bonn HAMMOND, Edwin (1968): An Analy- sis of Regional Economic and Social Statistics. 35 S. + 181 S. Statistiken. Durham: The Rowntree Research Unit, University of Durham. 25s. Der Wert vieler Statistiken for den Geo- graphen wird dadurch stark gemindert, dag sie sich auf rein administrativ abge- grenzte Einheiten beziehen, wiihrend man fOx kulturgeographische Einheiten, insbesondere Wixtschafts- und Planungs- regionen, gar nicht oder nur mit grot~er Miihe Angaben erhiilt. Dieser Miihe hat sich der Herausgeber unterzogen, der hier eine Zusammenstellung yon Stati- stiken aus den Sachgebieten "Population", "Employment", "Housing", "Education", "Health", "Environment" und "Social" fOx die Planungsregionen Grol~britanniens vorlegt (Scotland, North, Yorkshire and Humberside, North West, Wales, West Midlands, East Midlands, East Anglia, South West, South East). In kurzen vorangestellten Erl~iuterungen der Statistiken werden augerdem wertvolle Hinweise for die Interpretation der einzelnen Daten gegeben. Der Herausgeber bemiihte sich, vor allem weniger bekannte und im allge- meinen nur schwer zugangliche oder gar nicht ver6ffentlichte Statistiken auf- zunehmen, um dem Planer und Politiker eine Hilfe zu geben und auf Probleme und Entwicklungstrends hinzuweisen, die sonst leicht tibersehen werden oder schwer zu belegen sind. Deshalb liegt das Schwergewicht auf Daten, die soziale und wirtschaftliche Fragen beleuchten, und diesem Zweck dient auch der iiber- wiegende Gebrauch yon Indexziffern statt absoluter Zahlen sowie yon Zeit- reihen (meist bis 1966/67). Ein f'OX den Geographen und den Lan- desplaner gleich wichtiges Problem wird dadurch angedeutet, dai~ der Herausgeber die Regionalangaben nicht nur zu den gesamtbritischen Zahlen in Beziehung setzt, sondern aut~erdem die Daten fiir den Norden (einschliet~lich Wales) und den Siiden gegeniiberstellt. Es zeigt sich immer wieder das Bild eines Entwick- lungsgef'alles vom Siidosten zum Westen und Norden. Besonders die alt-industri- alisierten Problemgebiete im Mittelland und im Norden sowie die Abwanderungs- gebiete yon Nordengland und Schottland zeigen anhand vieler Indikatoren ein Bild yon (verglichen mit dem Siiden) wirtschaftlicher Stagnation und minder- wertigen Lebens- und Arbeitsbedingun- gen, wahrend trotz aller planerischen Gegenmagnahmen die Bedeutung der Siidostregion mit London in allen Lebensbereichen weiter zunimmt. Landeskundliches und planerisches Arbeiten wiirde erleichtert, wenn ~ihn- fiche statistische Aufbereitungen for weitere L~nder vorl~en. Reinhard PAESLER, Miinchen

Stadt am stadtrand: ZAPF, Katrin, Karolus HEIL und Justus RUDOLPH (1969) : Eine vergleichende Untersuchung in vier Münchener Neubausiedlungen. — Veröffentlichungen des Instituts

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104 Geoforu m 3/1970

k i l t zu haben (S. 5, 7). Korrelationen sind statistische Zusammenh~ge - die kausalen Beziehungen aufzudecken bedarf es dagegen der Einsicht in Handlungszusam- menhfinge und Motivsysteme, die aus dem verwendeten Ausgangsmaterial kaum ge- wonnen werden kann.

Jiirgen STRASSEL, G6ttingen

ZAPF, Katrin, Karolus HEIL und Justus RUDOLPH (1969) : Stadt am Stadtrand. Eine vergleichende Untersuchung in vier Miinchener Neubausiedlungen. - Ver6ffent- lichungen des Instituts fOx angewandte Sozial- wissenschaft, Bd. 7. Frankfurt: Europ~iische Verlagsanstalt. 372 S., DM 18,-

Am Rande unserer St~idte haben sich die industriegesellschaftlichen Dffferenzierungs- und Umschichtungsprozesse der letzten Jahrzehnte sehr eindrucksvoU in den neuen Grot~wohngebieten manffestiert. Die ,,Stiidte am Stadtrand" haben aber auch Wanderungs- str6me indiziert, die die Konzentration in den Ballungsgebieten weiter verst~rkt haben. Unter dem Einflug einer nicht immer sehr sachlich geffihrten 6ffentliehen Diskussion wurde es bei der gebotenen Eile immer schwieriger, Magsthbe fOx richtiges Planen und Bauen zu finden. Die Autoren des vor- liegenden Buches beschreiten einen Ausweg aus diesem Dilemma. Sie versuchen, mit der systematischen Erfassung yon Meinungen, Reaktionen und Verhaltensweisen der Be- wohner in bezug auf typische Wohnsituatio- nen der Planung die fehlenden Anhaltspunkte zu bestimmen. Die vier ausgew~ihlten moder- nen Grof~siedlungen am Rande vofi Miinchen

- Fiirstenried Ost und West, Bogenhausen und Hasenbergl - unterscheiden sich hin- sichtlich ihres st~dtebaulichen Konzeptes, ihrer Entstehungszeit und Sozialstruktur.

Der gesamte Problemkreis l~igt sich schwer- lich aus der Sicht einer Disziplin beaxbeiten. So haben hier Justus Rudolph und Karolus Hell aus der Sicht der Stadtplaner die st~dte- baulichen Strukturelemente, die gebaute Urn- welt und die Reaktionen der Bewohner analy- siert. Der Soziologin Katrin Zapf fiel die Auf- gabe zu, die Bev61kerungsstruktur, die Aus- stattung der Siedlung und die Verhaltens- weisen zu untersuchen. Der Arbeitsgang der Untersuchung wird in seinen wesentlichen Details im Anhang (S. 349 ff) des Buches geschildert.

In allen Siedlungen tSJlt auf, dat~ unabh~ingig yon den Haustypen eine sehr hohe Zufrieden- heir mit der derzeitigen Wohnung herrscht, die sich nur z. T. aus dem Kontrasterlebnis erkl~en l~t~t. In den mehrgeschossigen Wohn- geh6ften, die besonders in Foxstenried Ost

und West anzutreffen shad, sind die hohe Wohnzufriedenheit und das positive Naehbar- schaftsverh~iltnis bemerkenswert. Gegeniiber den direkten Nachbarn ist eine starke Reser- viertheit festzustellen. Bei einem so ausge- pr~igten Distanzverhalten k6nnen Nachbar- schaften kaum entstehen. ,,Es hat den An- schein, daft eine Bereitschaft zur menschlichen Begegnung in dem Matte w~ichst, in dem st6rende Zwangskontakte und technisch ver- meidbare St6rmomente vermindert werden" (S. 94). Daneben wirkt sich in allen Siedlun- gen ein hoher Rentneranteil negativ auf das nachbarschaftliche Klima aus. Dieses Ergeb- nis sollte beachtet werden, wenn der Grad der sozialen Mischung in Wohngebieten zu bestimmen ist. Differenziert man die Woh- nungsbeurteilung nach Alter und Schulbildung der Bewohner, so ergibt sich, dal~ mit zuneh- mendem Alter die Beurteilung positiver und mit besserer Schulbildung negativer ausffallt. Die M6glichkeit selektiver Wanderungen deutet sich hier bereits an.

Alle Neubausiedlungen kennzeichnet ein sehr geringes Durchschnittsalter der Bev61- kerung. Hier wohnen vorwiegend junge auf- bauende Familien, die aber auf die Dauer keine Kontinuitht der Bev61kerung gewahr- leisten k6nnen. Das Schreckgespenst zu- n~ichst iiberf'tillter Kinderggrten, dann iiber- ftiilter Schulen und schlie~lich iiberfiillter Friedh6fe geistert in diesem Zusammenhang durch die Literatur. Es zeigt sich demgegen- iiber in den vier Miinchener Siedlungen, dal~ nach Ablauf von 5-7 Jahren die Set~haftig- keit der Bev61kerung stark abnimmt und ein Austausch yon Mietern in gleichem Mage wie in ~ilteren Stadtteilen einsetzt. Da gerade die inner¢,idtische Mobilitiit junger Haushalte sehr grog ist, liegt hier eine Steuerungsm6g- lichkeit fox den Bestand einer jungen Bev61- kerungsstruktur./3ffentliche Investitionen in Kinderg~ten und Schulen k6nnten auf diese Weise langfristig und optimal genutzt werden. Neubausiedlungen ,,regenerieren sich nicht dutch die Kinder der Eltern, sondern durch Zuziige" (S. 225).

Dies sind nur einige Ergebnisse der aul~er- ordentlich ideenreichen Studie, deren quan- titative Belege jedoch an manchen Stellen nicht signffikant genug erscheinen.

Hans B()HM, Bonn

HAMMOND, Edwin (1968): An Analy- sis of Regional Economic and Social Statistics. 35 S. + 181 S. Statistiken. Durham: The Rowntree Research Unit, University of Durham. 25s.

Der Wert vieler Statistiken for den Geo- graphen wird dadurch stark gemindert,

dag sie sich auf rein administrativ abge- grenzte Einheiten beziehen, wiihrend man fOx kulturgeographische Einheiten, insbesondere Wixtschafts- und Planungs- regionen, gar nicht oder nur mit grot~er Miihe Angaben erhiilt. Dieser Miihe hat sich der Herausgeber unterzogen, der hier eine Zusammenstellung yon Stati- stiken aus den Sachgebieten "Population", "Employment", "Housing", "Education", "Health", "Environment" und "Social" fOx die Planungsregionen Grol~britanniens vorlegt (Scotland, North, Yorkshire and Humberside, North West, Wales, West Midlands, East Midlands, East Anglia, South West, South East). In kurzen vorangestellten Erl~iuterungen der Statistiken werden augerdem wertvolle Hinweise for die Interpretation der einzelnen Daten gegeben.

Der Herausgeber bemiihte sich, vor allem weniger bekannte und im allge- meinen nur schwer zugangliche oder gar nicht ver6ffentlichte Statistiken auf- zunehmen, um dem Planer und Politiker eine Hilfe zu geben und auf Probleme und Entwicklungstrends hinzuweisen, die sonst leicht tibersehen werden oder schwer zu belegen sind. Deshalb liegt das Schwergewicht auf Daten, die soziale und wirtschaftliche Fragen beleuchten, und diesem Zweck dient auch der iiber- wiegende Gebrauch yon Indexziffern statt absoluter Zahlen sowie yon Zeit- reihen (meist bis 1966/67).

Ein f'OX den Geographen und den Lan- desplaner gleich wichtiges Problem wird dadurch angedeutet, dai~ der Herausgeber die Regionalangaben nicht nur zu den gesamtbritischen Zahlen in Beziehung setzt, sondern aut~erdem die Daten fiir den Norden (einschliet~lich Wales) und den Siiden gegeniiberstellt. Es zeigt sich immer wieder das Bild eines Entwick- lungsgef'alles vom Siidosten zum Westen und Norden. Besonders die alt-industri- alisierten Problemgebiete im Mittelland und im Norden sowie die Abwanderungs- gebiete yon Nordengland und Schottland zeigen anhand vieler Indikatoren ein Bild yon (verglichen mit dem Siiden) wirtschaftlicher Stagnation und minder- wertigen Lebens- und Arbeitsbedingun- gen, wahrend trotz aller planerischen Gegenmagnahmen die Bedeutung der Siidostregion mit London in allen Lebensbereichen weiter zunimmt.

Landeskundliches und planerisches Arbeiten wiirde erleichtert, wenn ~ihn- fiche statistische Aufbereitungen for weitere L~nder vorl~en.

Reinhard PAESLER, Miinchen