11
1973 H. Durr und W. Buinoch 1691 Liebigs Ann. Chem. 1973, 1691-1701 Stereochemische Studien an Bicyclen. - EinfluS von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren Heinz Durr *) und Walter Bujnoch **) Fachbereich 14, Organische Chemie, Universitat des Saarlandes, D-66 Saarbrucken, St. Johanner Stadtwald Eingegangen am 12. Marz 1973 Durch das paramagnetische Verschiebungsreagenz Tris(2,2,6,6-tetramethyl-3,5-heptandio- nato)europium(III) [Eu(tmh)3] tritt in den 1H-NMR-Spektren der Bicyclo[3.1.0]hexene 1-4 eine Anffacherung der Resonanzsignale ein. Dadurch werden die komplexen Spektren von 2-4 praktisch 1. Ordnung und kbnnen direkt analysiert werden. Die Bestimmung der AE,- Werte erlaubt eine eindeutige Zuordnung der Stereoisomeren zur exo- oder endo-Form von 1. Trotz der gemachten Vereinfachungen besteht eine befriedigende Beziehung zwischen den AE~ Werten und l/R3 sowie zwischen log AE~ und log ri. Stereochemical Studies on Bicyclic Systems. - Effect of Shift Reagents on 1H-NMR Spectra Paramagnetic shift reagents like tris(2,2,6,6-tetramethyl-3,5-heptanedionato)europium(III) [Eu(tmh)3] give rise to splitting of the resonance signals in the IH-NMR spectra of bicyclo- [3.1.0]hexenes 1-4. The complex spectra of 2-4 are simplified to 1st order spectra and can thus be analyzed directly. The evaluation of AE~ values allows unambiguous assignment to the exo- or endo-isomer of 1. In spite of the simplifications, a satisfactory relation exists between &,values and l/R3, and between log AE, and log ri. Paramagnetische Verschiebungsreagenzien haben sich in der letzten Zeit zur Ver- einfachung von 1H-NMR-Spektren hervorragend bewahrt. Im Gegensatz zur Anwen- dung hoherer Magnetfelder (ca. 300 MHz), die - auf kostspielige Weise - eine Spektrenvereinfachung ergibt, stellt die Verschiebungstechnik eine einfache und billige Methodel) dar. Als paramagnetische Verschiebungsreagenzien haben sich Komplexe der ,,inneren Ubergangselemente" (Lanthaniden und Actiniden), z. B. Tris(2,2,6,6-tetramethyl-3,5-heptandionato)europium(III) [Eu(tmh)3] ***) als beson- ders wirkungsvoll erwiesen. Diese Komplexe wurden von Hinckley 2) sowie Sanders und Williams3) in die NMR-Spektroskopie eingefiihrt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dal3 sie infolge gunstiger Elektronenspin-Gitter-Relaxation und grol3em magnetischem Moment (Eu3+ : 4f7) im Gegensatz zu den meisten anderen Ubergangsmetallen scharfe Absorptionssignale und starke paramagnetische Verschiebungen verursachen. Bedin- gung ist, daB die untersuchte Substanz freie Elektronenpaare besitzt, die zur Koordi- nation mit dem Lanthanidenion befahigt sind. *) Korrespondenz bitte an diesen Autor richten. **) Herrn Prof. G. Wittig in Dankbarkeit zum 75. Geburtstag gewidmet. ***) In Lit. 1-3) als Eu(DPM)3 bezeichnet. 1) R. v. Ammon und R. D . Fischer, Angew. Chem. 84, 737 (1972). 2) C. C. Hinckley, J. Amer. Chem. SOC. 91, 5160 (1969). 3) J. K. Sunders und D. H. Williams, Chem. Commun. 1970, 422. Liebigs Ann. Chem. 1973, Heft 10 1 in

Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1973 H. Durr und W. Buinoch 1691 Liebigs Ann. Chem. 1973, 1691-1701

Stereochemische Studien an Bicyclen. - EinfluS von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren Heinz Durr *) und Walter Bujnoch **)

Fachbereich 14, Organische Chemie, Universitat des Saarlandes, D-66 Saarbrucken, St. Johanner Stadtwald

Eingegangen am 12. Marz 1973

Durch das paramagnetische Verschiebungsreagenz Tris(2,2,6,6-tetramethyl-3,5-heptandio- nato)europium(III) [Eu(tmh)3] tritt in den 1H-NMR-Spektren der Bicyclo[3.1.0]hexene 1-4 eine Anffacherung der Resonanzsignale ein. Dadurch werden die komplexen Spektren von 2-4 praktisch 1. Ordnung und kbnnen direkt analysiert werden. Die Bestimmung der AE,- Werte erlaubt eine eindeutige Zuordnung der Stereoisomeren zur exo- oder endo-Form von 1. Trotz der gemachten Vereinfachungen besteht eine befriedigende Beziehung zwischen den A E ~ Werten und l/R3 sowie zwischen log A E ~ und log ri.

Stereochemical Studies on Bicyclic Systems. - Effect of Shift Reagents on 1H-NMR Spectra Paramagnetic shift reagents like tris(2,2,6,6-tetramethyl-3,5-heptanedionato)europium(III) [Eu(tmh)3] give rise to splitting of the resonance signals in the IH-NMR spectra of bicyclo- [3.1.0]hexenes 1-4. The complex spectra of 2-4 are simplified to 1st order spectra and can thus be analyzed directly. The evaluation of A E ~ values allows unambiguous assignment to the exo- or endo-isomer of 1. In spite of the simplifications, a satisfactory relation exists between &,values and l/R3, and between log AE, and log ri.

Paramagnetische Verschiebungsreagenzien haben sich in der letzten Zeit zur Ver- einfachung von 1H-NMR-Spektren hervorragend bewahrt. Im Gegensatz zur Anwen- dung hoherer Magnetfelder (ca. 300 MHz), die - auf kostspielige Weise - eine Spektrenvereinfachung ergibt, stellt die Verschiebungstechnik eine einfache und billige Methodel) dar. Als paramagnetische Verschiebungsreagenzien haben sich Komplexe der ,,inneren Ubergangselemente" (Lanthaniden und Actiniden), z. B. Tris(2,2,6,6-tetramethyl-3,5-heptandionato)europium(III) [Eu(tmh)3] ***) als beson- ders wirkungsvoll erwiesen. Diese Komplexe wurden von Hinckley 2 ) sowie Sanders und Williams3) in die NMR-Spektroskopie eingefiihrt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dal3 sie infolge gunstiger Elektronenspin-Gitter-Relaxation und grol3em magnetischem Moment (Eu3+ : 4f7) im Gegensatz zu den meisten anderen Ubergangsmetallen scharfe Absorptionssignale und starke paramagnetische Verschiebungen verursachen. Bedin- gung ist, daB die untersuchte Substanz freie Elektronenpaare besitzt, die zur Koordi- nation mit dem Lanthanidenion befahigt sind.

*) Korrespondenz bitte an diesen Autor richten. **) Herrn Prof. G. Wittig in Dankbarkeit zum 75. Geburtstag gewidmet. ***) In Lit. 1-3) als Eu(DPM)3 bezeichnet. 1) R. v. Ammon und R . D. Fischer, Angew. Chem. 84, 737 (1972). 2) C. C. Hinckley, J. Amer. Chem. SOC. 91, 5160 (1969). 3) J. K. Sunders und D. H. Williams, Chem. Commun. 1970, 422.

Liebigs Ann. Chem. 1973, Heft 10 1 in

Page 2: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1692 H. Diirr und W . Buinoch 1973

Wir beschaftigen urn seit einiger Zeit mit Bicyclen vom Typ des Bicyclo[3.1.0]- hexens4.5). Diese Verbindungen sind in der letzten Zeit von vielseitigem Interesse gewesen, da sie bei der Photolyse von Benzol in protischen Solvenzien anfallen6-9) undzinteressante Vorstufen fur potentiell ,,homoaromatische" Carbeniumionen darstellenlo). Die Bicyclo[3.1 .O]hexenole 1 zeigen interessante Photoreaktionens). Wahrend jedoch bei den unsubstituierten Vertretern l a und l b die Stereochemie des endo- bzw. em-Isomeren aus der Multiplizitat der Signale eindeutig bestimmt werden karma), ist dies bei den substituierten Vertretern 2a, 2 b und 3 b nicht mehr moglich, da die Spektren vie1 zu komplex sind. In der vorliegenden Arbeit sol1 daher die Ermittlung der Stereochemie der Bicyclo[3.1.O]hexene l b , 2a, 2b, 3b und 4 mit Hilfe des para- magnetischen Verschiebungsreagenzes Tris(2,2,6,6-tetramethyl-3,5-heptandionato)- europium(II1) [Eu(tmh)3] beschrieben werden.

1H-NMR-Spektren von 1 4

worden. Das lH-NMR-Spektrum von l b ist bereits in Lit.6.8.9) ausfiihrlich beschrieben

l a l b

2a 2b

3b 4

4) H. Diirr, Liebigs Ann. Chem. 703,\109;(1967). 5)'H. Diirr, P. Heitkamper und P. Herbst, Tetrahedron Lett. 1970, 1599. 6 ) E. Farenhorst und A . F. Bickel, Tetrahedron Lett. 1966, 591 1 . 7) I. E. Den Besten, L. Kaplan und K. E. Wilzbach, J. Amer. Chem. SOC. 90, 5868 (1968);

L. Kaplan, L. A . Wendling und K. E. Wilzbach, J. Amer. Chem. SOC. 93, 3821 (1971). 8) J. A. Berson und N . M . Hasty, J. Amer. Chem. SOC. 93, 1549 (1971). Herrn Prof. Berson

sei fur die Ubersendung einer verbesserten Synthesevorschrift fur 1 b gedankt. 9) T. J. Katz, E. Jang Wang und N . Acton, J. Amer. Chem. SOC. 93, 3782 (1971). 10) R . F. Childs und S. Winstein, J. Amer. Chem. SOC. 90, 7146 (1968); V. H . Koptyug,

L. I. Kuzubova, I. S. Isaev und V. I. Manatyuk, Chem. Commun. 1969, 389; R. F. Childs und B. Parrington, Chem. Commun. 1970, 1540; D. W . Swatton und H. Hart, J. Amer. Chem. SOC. 89, 5075 (1967).

Page 3: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1973 Stereochemische Studien an Bicyclen 1693

80 70 60 50 10 3 0 20 10 b[ppml 0

8.0 7.0 6.0 5.0 L.U 3.0 2.0 1.0 b[ppml 0

Abbildung 1. 1H-NMR-Spektren von 50 mg 2a in 0.5 ml CDCl,: a) ohne, b) mit 20 mg, c) mit 40 mg Eu(tmh)3

110'

Page 4: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1694 H. Diirr und W. Bujnoch 1973

Das 1H-NMR-Spektrum des endo-3,5-Diathyl-l,2-diphenylbicyclo[3.1.0]-2-hexen- 4-01s (2a) zeigt neben den Signalen der Phenylprotonen und dem Signal von H4 (siehe unten) nur zwei unstrukturierte Multipletts zwischen 6 = 0.8-1.4 und 1.9 bis 2.5 ppm. Setzt man immer groBere Mengen Eu(tmh)3 zu, so werden diese komplexen Spektren stark vereinfacht und interpretierbar, wie dies fur 2a genauer beschrieben werden sol1 (siehe Abb. 1). Im Spektrum von 2a mit 40 mg (0.054.10-3 mol) Eu(tmh)3 pro 50 mg 2a werden die ursprunglich komplexen Multipletts zwischen 0.8 und 2.5 ppm in zwei Tripletts fur die beiden CH3-Gruppen bei 1.76 ppm (3J = 7.5 Hz) und 2.13 ppm (3J = 7.5 Hz) aufgelost. Die CHz-Gruppen ergeben das in sich aufgespaltene Quartett (P-CHz) bei 2.58 ppm (35 = 7.5 Hz) und die beiden Quartetts der a-CHz-Gruppen bei 4.18 und 6.10ppm. Die beiden Dubletts bei 3.16ppm ( J = 4Hz) und 4.41 ppm stammen von den Cyclopropanprotonen. Selbst die Protonensignale der beiden Phenylkerne werden in ortho- (8.15 ppm), metu- und para-Protonensignale (7.50 ppm) auf gespalten.

Die Zuordnung von cc-CH3 und a-CHz sowie (3-CH3 und P-CH2 wurde auf Grund des bekannten Effekts vorgenommen, wo nach der durch die x-Elektronen der Doppelbindung verursachte Abschirmungskegel die Resonanzfrequenzen des benachbarten CH3-CH2- Restes nach tieferem Feld verschiebt. Die Signale der a-CH2- und in wesentlich geringerem MaBe auch die der P-CHz-Gruppe sind in je zwei Quartetts aufgespalten. Dieser Effekt laBt sich anhand von Newman-Projektionen erklaren.

I

Man sieht, daB in allen drei Rotationskonformeren H und H' diasterotop sind und deshalb verschiedene chemische Verschiebungen ergeben mussen. Interessant ist die ungleich starke Aufspaltung der beiden CHZ-Gruppen. Dieser Effekt durfte sich aus den verschiedenen ,,Umgebungen" der beiden Gruppen innerhalb des Molekuls erklaren. Das weist darauf hin, daB der Komplex offenbar nicht symmetrisch gebaut ist, d. h. daB sich das paramagnetische Zentrum naher an der a-Methylengruppe befindet.

Auswertung der MeDergebnisse

Fuhrt man die 1H-NMR-Messungen von 1 -4 in Anwesenheit verschiedener Konzentrationen an Eu(tmh)3 aus, und tragt die jeweilige chemische Verschiebung gegen die zugehorige Menge Eu(tmh)3 auf, so erhalt man Geraden (siehe Abb. 2).

Die Steigungen der Geraden spiegeln den EinfluB des Verschiebungsreagenzes Eu(tmh)3 auf die Signallage des betrachteten Protons im 1H-NMR-Spektrum wider.

Page 5: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1973 Stereochemische Studien an Bicyclen 1695

1201 1200

16 l ppm I1 [ H z l

1151 900

1101 600

151 300

101

( I I I I I / I / / l l I l I I 1

20 LO 60 80 100 120 1LO 171 LLGiTG mg Eu ltmhls

Abbildung 2 a. Paramagnetische Verschiebung der 1H-NMR-Signale in Abhangigkeit der Konzentration an Eu(tmh)s von l b

Ein Ma13 fur diesen EiduR ist auch der von Demarco11) eingefiihrte AE,-Wert der definiert ist als:

n = l : l AEu = %!;:13 - 'Eu(tmh),

bedeutet die chem. Verschiebung des betrachteten Protons in reinem CDC13, d.h. in Abwesenheit von Eu(tmh)3.

8 ~ = = ~ ~ ~ ~ 1 3 bedeutet die chemische Verschiebung des betrachteten Protons in Anwesenheit einer aquimolaren Menge an Eu(tmh)3.

11) P. V. Demarco, T. K. Elzey, R. B. Lewis und E. Wenkert, J. Amer. Chem. SOC. 92, 5737 (1970).

Page 6: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1696 H. Diirr und W. Bujnoch 1973

I b[pprnlI [Hzl

700

IlOi 600

500

400

151 300

200

100

b

/

// a-CH2 /

/ /

/ /

/ /

I I I I I I I 1 I I

20 40 60 80 100 120 mg Eu ltrnhls

Abbildung 2 b. Paramagnetische Verschiebung der 1H-NMR-Signale in Abhangigkeit der Konzentration an Eu(tmh)3 von 2a

Die beiden 6-Werte konnen meist nicht experimentell ermittelt werden, da bei Abwesen- heit von Eu(tmh)3 die Zuordnung der 1H-NMR-Signale haufig nicht gelingt und die Werte in Anwesenheit einer aquimolaren Menge an Eu(tmh)3 sich wegen dessen zu geringer Loslichkeit in CDCI3 nicht messen lassen. Sie konnen aber beide leicht durch Extrapolation (siehe Abb. 2), z. B. bei 2a auf 0 und 120.4 mg Eu(tmh)3, erhalten werden. Bei l b und 3b laljt sich die Lage der Cyclopropanprotonen im 1H-HMR- Spektrum auch in Abwesenheit von Eu(tmh)3 bestimmen, und es zeigt sich, dalj die

Page 7: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1973 Stereochemische Studien an Bicyclen 1697

16Cppmll [Hzl

700

650

1101 600

550

500

6 0

400

350

151 300

250

200

150

100

20 LO 60 80 100 120 mg Eu Itmhl,

Abbildung 2c. Paramagnetische Verschiebung der 1H-NMR-Signale in Abhangigkeit der Konzentration an Eu(tmh)3 von 2b

Werte nahe Omg Eu(tmh)3 nur wenig von der bestmoglichen Geraden abweichen. Bei hohen Eu(tmh)3-Konzentrationen konnen ebenfalls geringe Abweichungen von einer Geraden auftreten [Selbstassoziation von Eu(tmh)3 I)].

Diskussion der Mekrgebnisse

Die paramagnetische Signalverschiebung im 1H-NMR-Spektrum wird als isotrope Verschiebung A? bezeichnet 1). Enthalt das Verschiebungsreagenz, z. B. Eu(tmhh, ungepaarte Elektronen, so setzt sich A? aus einem Pseudokontaktterm A f i P und einem Fermi-Kontaktterm A? zusammen. Ap'P beschreibt dabei die dipolaren magnetischen Wechselwirkungen des Metallions mit den jeweils betrachteten Kernen (Protonen). A? beriicksichtigt die Erhohung der Spindichte am beobachteten Kern. Erzeugt das Verschiebungsreagenz ein axialsymmetrisches Zusatzfeld, so gilt die vereinfachte Gleichung (1)l).

Page 8: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1698 H. Durr und W. Bujnoch 1973

Bei nicht axialsymmetrischem Zusatzfeld gilt Gleichung (2) .

Apip = - __ [-D’ (3 C O S ~ C C - 1) -D”sinzcr cos 2p].(3 coszy - 1) (2) 2R:

Hierbei sind :

A? = Differenz der Resonanzfrequenzen mit und ohne Sekundarfeld, A? = A?+ A?,

1 - xx - 2

1 2 - xy).

1 2 NL (xx - xy),

D” = _- NL = Loschmidtsche Zahl,

xx, xy, xz = magnetische Suszeptibilitaten,

9i = Winkel zwischen Hauptsymmetrieachse von Komplex und Richtungsvektor Metallion- Proton,

Ri = Abstand zwischen Metallion und Proton,

a,p,y = Lage der Drehachse eines frei rotierenden Substratmolekiils in Bezug auf den Radius- vektor.

In Tabelle 1 sind die AE,-Werte sowie die Modellabstande ri, die aus Dreiding- modellen bestimmt wurden, wiedergegeben.

Nur unter Vernachlassigung der Winkelabhangigkeiten sollten sich bei einer Auf- tragung von AE, gegen l/R3 (R w ri) Geraden ergeben, wie dies Abbildung 3 zeigt.

Die Streuungen der MeDpunkte ergeben sich aus folgenden Punkten:

1) Die Variable 9 wurde nicht beriicksichtigt.

2) Der Abstand Metallion-Sauerstoff (Koordinationsstelle des Metallions) ist fur den vorliegenden Komplex nicht bekannt. Es wurde an einem Dreidingmodell jeweils der Abstand Sauerstoff-Proton (Ti) gemessen.

3) Die Abstande der Protonen vom Sauerstoffkern sind, mit Ausnahme derjenigen der beiden starr an das Molekiilgeriist gebundenen Cyclopropanprotonen bei 2a, 2 b und 4 in gewissen Grenzen variabel. Allgemein wurden die maximalen Abstande ver- wendet. Zur paramagnetischen Verschiebung des H4-Signals (1 b: AEu = 13.22, 2a: AE, = 19.75 ppm) ist zu bemerken, daB wegen der Nahe von H4 zum Koordinations- zentrum neben dem Pseudokontaktterm auch der Fermi-Kontaktterm ein gewisses Gewicht besitzen diirfte.

Da die paramagnetische Verschiebung unter anderem vom Abstand des betrachteten Protons vom Metallion abhangt, ergibt sich die Moglichkeit, im 1H-NMR-Spektrum die Signallage von H6e,d, und H6,,, festzulegen.

Page 9: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1973 Stereochemische Studien an Bicyclen 1699

Tabelle 1. AEu-Werte sowie Modellabstande ri fur 1-4

Verbindung Protonen AEU [Hzl A E ~ bpml

2a

2 b

3b

4

- 793 - 500 -384 -220 -213 -208 - 140

-141 -169 -221 -321 -345 -556 -735

-1154

- 77 -210 -219 -212 -318 -

-655 - 1105

-75 -66

-5 -5 -6 -7 -8 -9

-13.22 -8.34 -6.39 -3.67 -3.55 -3.47 -2.33

-2.35 -2.81 -3.68 -5.35 -5.75 -9.26

-12.25 - 19.23

-1.13 -3.5 -3.65 -3.53 -5.31 -

-10.93 -18.4

-1.25 -1.10

-0.08 -0.08 -0.10 -0.11 -0.13 -0.15

2.0 2.7 2.9 4.1 4.2 4.4 4.6

5.6 5.3 4.4 3.7 4.1 2.5 3.3 2.0

5.0 5.5 4.0 4.1 4.3 4.6 3.4 2.0

4.1 4.6

4.1 3.4 4.32 4.3 5.2 5.4

a) nicht eindeutig zuzuordnen.

Aus den Gleichungen (1) und (2) ergibt sich eine l/R3-Abhangigkeit der paramag- netischen Verschiebung Tragt man Gleichung (1) fur einen axialsymmetrischen Komplex im logarithmischen MaBstab auf, so sollte man eine Gerade mit der Steigung -3 erhalten [Gleichung (3) und Abb. 41.

(3)

Gleichung (3) gilt allerdings nur, wenn das 2. und 3. Glied konstant bleiben. Dies ist bei 9 = 0-50" und 60-90" erfullt (bei 54.7" wird das 2. Glied = a). Eine derartige Auftragung fur l b und 2a zeigt, daB auch im Fall der Bicyclohexenole - trotz der Vereinfachungen - diese Beziehung befriedigend erfullt ist.

log 1 Ail = -3 log Ri + [log 1(3 C O S Z ~ ~ - 1)1 + log /DI]

Page 10: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1700 H. Diirr und W. Bujnoch 1973

l b 2 a

I I I l l , 2 3 L 5 6 10

ml ~ o g r , [ X i

Abbildung 3. Auftragung von log A E ~ gegen log ri von l a und 2b

001 003 005 007 009 011 013 l b

0006 0008 0010 0012 0014 0016 0018 2 a

1 1 1 1 1 1 1 ! , 1 ~ 1 1 I I I I I I I I

pi7K 111 X-31

Abbildung 4. l/r3-Abhangigkeit der AEu-Werte bei l b und 2a

Page 11: Stereochemische Studien an Bicyclen. — Einfluß von Verschiebungsreagenzien auf 1H-NMR-Spektren

1973 Stereochemische Studien an Bicyclen 1701

Wie Tabelle 1 und die Abbildungen 2a -c zeigen verhalten sich die Verbindungen 1 b, 2 b und 3 b vollkommen analog, d. h. ihre A,,-Werte fiir Hs,,, bzw. H6,,d, unterscheiden sich, verglichen rnit 2a, nur geringfugig ( lb: 1.34, 3b: 0.15 ppm). Da fur l b eine ein- deutige Zuordnung der Protonen aufgrund der Spinkopplung moglich ist6-8), darf damit als sicher gelten, daB es sich bei lb , 2b und 3b urn die exo-Isomeren handelt. Fur 1 b und 3b gilt auBerdem, daB das Proton H6e,d,, d. h. das Cyclopropanproton bei hochstem Feld, einen groBeren AE,-Wert aufweist als H6exo. Damit ist auch das Pro- blem der Zuordnung der H6-Protonen in Bicyclo[3.1 .O]hexenolen eindeutig geklart 4,11). Das Proton H6,xo besitzt einen etwas groBeren Abstand zum Sauerstoffatom (ri =

4.6 A) als das Proton H6,,do (ri = 4.1 A) [siehe Tab. 11. Analoges gilt auch fur 4. Die geringe Differenz der A,,-Werte in 3 b fur H6,,, und H6,,dO durfte durch die sterische Hinderung der Phenylgruppen bedingt sein, die f i i r eine Verminderung der Gleichge- wichtskonstanten bei der Komplexbildung von 3b mit Eu(tmh)3 verantwortlich ist. Im Gegensatz zu lb , 2b, 3b und 4 beobachtet man bei 2a eine groBe Differenz der A,,-Werte fur H6,,, und H6,,d,. DerAbstand von H6,,d, zum Sauerstoff betragt nur 2.5 A (0 -H6ex, = 3.7 A), weshalb die paramagnetische Verschiebung fur H6,,d, wesentlich groBer ist. Diese groBe Differenz der A,,-Werte von H6,,d, und Hfjexo kann daher als Beweis fur ein endo-Bicyclo[3.1 .O]hexenol angesehen werdenlz).

Mit Hilfe der Signale der Protonen H4 kann keine eindeutige Aussage uber die Stereochemie von 1-3 gemacht werden.

Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Verband der chemischen Industrie fur die Unterstiitzung dieser Arbeit.

Experimenteller Teil Alle 'H-NMR-Spektren wurden rnit einem Gerat Varian A 60 aufgenommen. Zur Messung

der Spektren wurden jeweils 50 mg Bicyclohexenol in 0.5 ml CDC13 gelost und immer grodere Mengen (in 10-mg-Schritten) Tris(2,2,6,6-tetramethyl-3,5-heptandionato)europium(III~ [Eu(tmh)3] zugefiigt. Als innere Referenz wurde TMS verwendet. Es wurden Spektren mit 0, 10, 20, 30, 40, 50 und 60 mg Eu(tmh)3 aufgenommen. Alle Messungen wurden rnit nicht entgasten Losungen durchgefiihrt.

exo-BicycZo[3.1.0J-2-hexen-4-oZ (1 b). - Die Photolyse des Benzol/HzO-Gemisches wurde nach der Vorschrift in Lit.63) durchgefiihrt. Der grodte Teil des Benzols wurde anschlieBend ausgefroren. Der olige, gelbbraune Rest wurde einer gaschromatographischen Trennung unterworfen. Bedingungen: 6-m-Saule; Chromosorb P(AW); 20 % Siliconol DC 200; Saulen- temperatur 15OOC; Tragergas Nz, 45 ml/min. Es wurden ca. 90 mg exo-Bicyclohexenol (1b) als gelbe Fliissigkeit rnit Sdp. 200°C isoliert.

Die Synthesen der Verbindungen 2a, 2b, 3b und 4 sind in Lit.13) beschrieben.

12) H. Durr, Ill. Inst. Technol. NMR News Lett. 107, 58 (1967). Dort wurde aufgrund einer ,,long-range"-Kopplung (W-Geometrie) die entgegengesetzte Zuordnung getroffen. Die Verwendung von Verschiebungsreagenzien erlaubt jedoch eine eindeutige Zuordnung.

13) H. Durr, Liebigs Ann. Chem. 711, 115 (1968); B. Eistert und A . Langbein, Liebigs Ann. Chem. 678, 78 (1964).

[45/731