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780 H. G~os und E.-J. Km~G~m Stoffwechseluntersuehungen bei progressiver Muskeldystrophie. Kltnische Wochensehrift STOFFWECHSELUNTERSUCHUNGEN BEI PROGRESSIVER MUSKELDYSTROPHIE (ERB). Von H]~L~UT G~os und E~sT-Jos]~F Km~m~G~R Aus der MedizinischenVniversi~igsklinik 1VIainz (Direktor: Prof. Dr. K. VOIT). Das in der Literatur beschriebene und auch yon uns wiederholt beobaehtete uneinheitliehe Ansprechen yon Erkrankungsfallen mit progressiver Muskeldystro- phie auf therapeutisehe Magnahmen (Glykokoll, Vit- amin E) legten den Gedanken nahe, dag dem Krank- heitsgesehehen untersehiedliche Stoffweehselstfrungen zugrunde liegen kSnnten. Aueh BO~ST und MOBIUS, HARriS U. a. erwagen die MSgliehkeit einer Uneinheit- liehkeit des Krankheitsbildes. Bei der bekannten Bedeutung des Glykokolls fiir den Muskelstoffwechsel sehien uns dessen Paarung mit Benzoesaure zu tIippur- saure zur Prtifung besonders geeignet. Zur Anwendung kam der intravenSse I-Iippurs/iuretest nach QuicK. Die ausgeschiedene Menge wurde im tIarn titrimetrisch nach STADL~R und FETZNER ermittelt. Als unterer NormMwert gilt 1,0 g. Die Ausscheidungsmenge fiber- sehreitet naeh unseren Effahrungen bei Gesunden nur selten 1,5 g. AuBerdem wurden Kreatinbestimmungen im Ham nach der yon ABELnV und I~LAUB angegebenen Methode durchgeftihrt. Diese erfafl~ das Kreatin unabh/i~ngig veto Kreatiningehalt und beruht auf einer Reaktion yon Diaeethyl und e-Naphthol mit Kreatin in MkMischer LSsung unter Bildung eines roten Farbstoffes, dessert Intensitat photo- metriseh bestimmt wird. Der Naehteil der FoLINsehen lYre- rhode, dab bei der Bestimmung kleiner Kreatinmengen ein grSBerer KreatiningehMt zu erheblichen Fehlern ffihren kann, besteht bier nicht. Es wurden je 10F~tlle der infantilen und der juvenilen Form untersueht. Tabelle 1. In/antile Form. Schwere-'Iti.p.pur- Kreatin Hr. Name Alter Dauer grad sauxe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Schnu. ¢ Schi., Gottfr. t Sehi., Helm. ? Hoehb. Fi. Grei. ? Sehi., H. ? Laux Garr. Rapp 16 18 20 22 23 47 23 34 50 55 10 11 14 18 40 18 30 40 43 I I I II II III III III III 1,8 1,9 2,0 1,7 1,7 1,1 1,2 0,8 0,6 0,6 352 127 689 437 324 463 471 579 271 389 Die Falle sind naeh der Dauer der Erkrankung und dem Schweregrad des Krankheitsbildes eingeteilt. Dabei bedeutet I Initialstadium mit yeller Arbeits- fahigkeit, II eingesehrankte Arbeitsf/ihigkeit und III Unfahigkeit fiir jegliehe kfrperliehe Tatigkeit. Die Angaben der Patienten fiber die Dauer des Bestehens ihres Leidens sind allerdings ungenau und nur mit groBer Zurfiekhaltung zu verwerten (s. unten). Die angekreuzten 5 Patienten entstammen einer Sippe, bei den iibrigen handelt es sieh anseheinend um sporadisehe Falle. Es zeigt sieh nun, dag zu Beginn der Erkrankung bzw. bei den leichteren Fallen die Hippursaurewerte erhSht sind, wahrend sie mit dem Fortsehreiten der Erkrankung immer starker ab- sinken. Die anfanglieh erhShten Hippursaurewerte lassen sieh vielleicht so erklaren, dab die progressive Muskel- dystrophie primar am Muskel angreift, wobei die Einlagerung yon Glykokoll dureh Zellfermente ge- stSrt ist. Dadurch wiirde Glykokoll vermehrt zur [-Iippursauresynthese zur Verftigung stehen. Eine analoge Erkl/irung geben FRANKE und AHLttELlVf fiir die yon ihnen gefundene erhShte I-Iippursaureaus- seheidung bei der lipophilen Dystrophie. Die fermen- tative St6rung in der Muskulatur besehrankt sieh im iibrigen nieht nur auf das Gtykokoll, sondern ist umfassender, wie dies z. B. aus der St6rung der Bildung und des Abbaues des Myoglobins hervorgeht. Die progressive Muskeldystrophie ist jedoeh keine aus- sehliegliehe Muskelerkrankung. Sie kann sparer aueh andere Organe ergreifen, so dab man yon einer all- gemeinen Mesenehymerkrankung spreehen kann. Man k6nnte daran denken, dag eine dadureh bedingte allgemeine Fermentst6rung im spateren Verlauf aueh zu einer StSrung der tIippursauresynthese ffihrt. VOmT weist darauf bin, dag eine Verminderung der ttippursaureausseheidung nieht immer dureh mangel- hafte Bereitstellung yon Glykokoll verursaeht wird, sondern aueh auf einer St6rung der Synthetisierungs- funktion beruhen kann. ]-Ia~TNA~X denkt an ein spezifisches Ferment in der Leber (,,Hippurase"). BR~I)SrOW and MmK]~ fanden, dag es naeh Zufuhr yon Glykokoll nur bei einer intakten Leber zu einer ErhShung der Hippursaureausscheidung kommt. Unsere Vermutung wird dadureh gestiitzt, dag bei Belastungen mit Glykokoll (3 Tage jeweils 30 g) nut die Patienten mit einer Steigerung der Hippursaure- ausseheidung reagierten, die bereits erh6hte Aus- gangswerte zeigten. Bei den anderen kam es zu keinem oder zu einem minimalen Anstieg der Hippur- saurewerte. Dies wfirde aueh daffir spreehen, dab nut in den Anfangsstadien noch keine Stfrung der Hippur- sauresynthese vorliegt. Tabelle 2. Juvenile Form. hTr. Name 1 ¢ Kre., E. 2 ?Kre., N. 3 Guggenb. 4 ? Dief., W. Engel Ebbers 7 Daub 8 Klei. 9 ?Kre., W. I0 ?Dief., iVf. Alter 15 ll 21 31 53 27 57 39 39 61 I Hippur-i Dauer Sehwere" I g r a d s~iure 2 3 5 10 29 10 36 26 13 40 I I I I II II III III III III 0,9 0,8 0,8 0,8 0,6 1,7 0,9 1,0 1,8 1,6 Kreatin 36 56 34 38 ,0 48 0 39 56 27 Bei alien Patienten land sieh eine meist erhebliehe Kreatinurie, die jedoch keine Beziehungen zum Sehweregrad des klinisehen Brides aufwies. Die An- siehten fiber die Ursache der Kreatinurie bei der progressiven Muskeldystrophie sind geteilt. BR]~- TANO erklart sie mit einem Zerfall yon Muskelglykogen. Die Richtigkeit dieser Annahme wird yon QUEROLL und R~vTEg Mlerdings bezweifelt mit dem Hinweis, dag bei einer lange bestehenden Kreatinurie nieht dauernd in vermehrtem MaGe Muskelglykogen zer- fallen kfnne. M]~LnOL]~SI und COLLAZO beziehen die Kreatinurie auf eine mangelhafte Resynthese des Phosphagens, wahrend T~O~AS der Ansieht ist, dag die erkrankte Muskulatur Kreatin nieht hMten kann. FELIX sprieht direkt yon einem ,,Kreatindiabetes".

Stoffwechseluntersuchungen bei Progressiver Muskeldystrophie (ERB)

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Page 1: Stoffwechseluntersuchungen bei Progressiver Muskeldystrophie (ERB)

780 H. G~os und E.-J. K m ~ G ~ m Stoffwechseluntersuehungen bei progressiver Muskeldystrophie. Kltnische Wochensehrift

S T O F F W E C H S E L U N T E R S U C H U N G E N B E I P R O G R E S S I V E R M U S K E L D Y S T R O P H I E ( E R B ) . Von

H]~L~UT G~os und E~sT-Jos]~F K m ~ m ~ G ~ R Aus der Medizinischen Vniversi~igsklinik 1VIainz (Direktor: Prof. Dr. K. VOIT).

Das in der Literatur beschriebene und auch yon uns wiederholt beobaehtete uneinheitliehe Ansprechen yon Erkrankungsfallen mit progressiver Muskeldystro- phie auf therapeutisehe Magnahmen (Glykokoll, Vit- amin E) legten den Gedanken nahe, dag dem Krank- heitsgesehehen untersehiedliche Stoffweehselstfrungen zugrunde liegen kSnnten. Aueh BO~ST und MOBIUS, HARriS U. a. erwagen die MSgliehkeit einer Uneinheit- liehkeit des Krankheitsbildes. Bei der bekannten Bedeutung des Glykokolls fiir den Muskelstoffwechsel sehien uns dessen Paarung mit Benzoesaure zu tI ippur- saure zur Prtifung besonders geeignet.

Zur Anwendung kam der intravenSse I-Iippurs/iuretest nach QuicK. Die ausgeschiedene Menge wurde im tIarn titrimetrisch nach STADL~R und FETZNER ermittelt. Als unterer NormMwert gilt 1,0 g. Die Ausscheidungsmenge fiber- sehreitet naeh unseren Effahrungen bei Gesunden nur selten 1,5 g. AuBerdem wurden Kreatinbestimmungen im Ham nach der yon ABELnV und I ~ L A U B angegebenen Methode durchgeftihrt. Diese erfafl~ das Kreatin unabh/i~ngig veto Kreatiningehalt und beruht auf einer Reaktion yon Diaeethyl und e-Naphthol mit Kreatin in MkMischer LSsung unter Bildung eines roten Farbstoffes, dessert Intensitat photo- metriseh bestimmt wird. Der Naehteil der FoLINsehen lYre- rhode, dab bei der Bestimmung kleiner Kreatinmengen ein grSBerer KreatiningehMt zu erheblichen Fehlern ffihren kann, besteht bier nicht.

Es wurden je 10F~tlle der infantilen und der juvenilen Form untersueht.

Tabelle 1. In/antile Form.

Schwere- 'Iti.p.pur- Kreatin Hr. Name Alter Dauer grad sauxe

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

Schnu. ¢ Schi., Gottfr. t Sehi., Helm. ? Hoehb. Fi. Grei.

? Sehi., H. ? Laux

Garr. Rapp

16 18 20 22 23 47 23 34 50 55

10

11 14 18 40 18 30 40 43

I I I

I I I I

I I I I I I I I I I I I

1,8 1,9 2,0 1,7 1,7 1,1 1,2 0,8 0,6 0,6

352 127 689 437 324 463 471 579 271 389

Die Falle sind naeh der Dauer der Erkrankung und dem Schweregrad des Krankheitsbildes eingeteilt. Dabei bedeutet I Init ialstadium mit yeller Arbeits- fahigkeit, I I eingesehrankte Arbeitsf/ihigkeit und I I I Unfahigkeit fiir jegliehe kfrperliehe Tatigkeit. Die Angaben der Patienten fiber die Dauer des Bestehens ihres Leidens sind allerdings ungenau und nur mit groBer Zurfiekhaltung zu verwerten (s. unten). Die angekreuzten 5 Patienten ents tammen einer Sippe, bei den iibrigen handelt es sieh anseheinend um sporadisehe Falle. Es zeigt sieh nun, dag zu Beginn der Erkrankung bzw. bei den leichteren Fallen die Hippursaurewerte erhSht sind, wahrend sie mit dem Fortsehreiten der Erkrankung immer starker ab- sinken.

Die anfanglieh erhShten Hippursaurewerte lassen sieh vielleicht so erklaren, dab die progressive Muskel- dystrophie pr imar am Muskel angreift, wobei die Einlagerung yon Glykokoll dureh Zellfermente ge- stSrt ist. Dadurch wiirde Glykokoll vermehrt zur [-Iippursauresynthese zur Verftigung stehen. Eine

analoge Erkl/irung geben FRANKE und AHLttELlVf fiir die yon ihnen gefundene erhShte I-Iippursaureaus- seheidung bei der lipophilen Dystrophie. Die fermen- tat ive St6rung in der Muskulatur besehrankt sieh im iibrigen nieht nur auf das Gtykokoll, sondern ist umfassender, wie dies z. B. aus der St6rung der Bildung und des Abbaues des Myoglobins hervorgeht. Die progressive Muskeldystrophie ist jedoeh keine aus- sehliegliehe Muskelerkrankung. Sie kann sparer aueh andere Organe ergreifen, so dab man yon einer all- gemeinen Mesenehymerkrankung spreehen kann. Man k6nnte daran denken, dag eine dadureh bedingte allgemeine Fermentst6rung im spateren Verlauf aueh zu einer StSrung der tI ippursauresynthese ffihrt. VOmT weist darauf bin, dag eine Verminderung der ttippursaureausseheidung nieht immer dureh mangel- hafte Bereitstellung yon Glykokoll verursaeht wird, sondern aueh auf einer St6rung der Synthetisierungs- funktion beruhen kann. ]-Ia~TNA~X denkt an ein spezifisches Ferment in der Leber (,,Hippurase"). BR~I)SrOW and MmK]~ fanden, dag es naeh Zufuhr yon Glykokoll nur bei einer intakten Leber zu einer ErhShung der Hippursaureausscheidung kommt. Unsere Vermutung wird dadureh gestiitzt, dag bei Belastungen mit Glykokoll (3 Tage jeweils 30 g) nut die Patienten mit einer Steigerung der Hippursaure- ausseheidung reagierten, die bereits erh6hte Aus- gangswerte zeigten. Bei den anderen kam es zu keinem oder zu einem minimalen Anstieg der Hippur- saurewerte. Dies wfirde aueh daffir spreehen, dab nut in den Anfangsstadien noch keine Stfrung der Hippur- sauresynthese vorliegt.

Tabelle 2. Juvenile Form.

hTr. Name

1 ¢ Kre., E. 2 ?Kre., N. 3 Guggenb. 4 ? Dief., W.

Engel Ebbers

7 Daub 8 Klei. 9 ?Kre., W. I0 ?Dief., iVf.

Alter

15 l l 21 31 53 27 57 39 39 61

I Hippur- i Dauer Sehwere" Igrad s~iure

2 3 5

10 29 10 36 26 13 40

I I I I

I I I I

I I I I I I I I I I I I

0,9 0,8 0,8 0,8 0,6 1,7 0,9 1,0 1,8 1,6

Kreatin

36 56 34 38 ,0 48 0 39 56 27

Bei alien Patienten land sieh eine meist erhebliehe Kreatinurie, die jedoch keine Beziehungen zum Sehweregrad des klinisehen Brides aufwies. Die An- siehten fiber die Ursache der Kreatinurie bei der progressiven Muskeldystrophie sind geteilt. BR]~- TANO erklart sie mit einem Zerfall yon Muskelglykogen. Die Richtigkeit dieser Annahme wird yon QUEROLL und R~vTEg Mlerdings bezweifelt mit dem Hinweis, dag bei einer lange bestehenden Kreatinurie nieht dauernd in vermehr tem MaGe Muskelglykogen zer- fallen kfnne. M]~LnOL]~SI und COLLAZO beziehen die Kreatinurie auf eine mangelhafte Resynthese des Phosphagens, wahrend T~O~AS der Ansieht ist, dag die erkrankte Muskulatur Kreat in nieht hMten kann. FELIX sprieht direkt yon einem , ,Kreatindiabetes".

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3g. 30, Heft 83/34 H. G~os und E.-J. KIRNBERGER: Stoffweehsehmtersuehungen bei progressiver Muskeldvstrophie. 781 1. September 1952

SCHAUFF nimmt eine kompensatoriseh gesteigerte Kreatinbildung im Muskel an mit Abgabe des Uber- schusses. Es war nun bemerkenswert, dab eine Be- lastung mit Kreatin (1 g) bei den Patienten im Anfangs- stadium der Erkrankung keine Steigerung der Kreatin- urie zur Folge hatte. Dagegen schieden die kliniseh schwerer und 1Enger Erkrankten, bei denen auch die Glykoko]lbelastung ohne erkennbaren Einflug ge- blieben war (s. oben), unter Kreatinzufuhr die Sub- stanz grSgtenteils wieder aus.

Aueh hier gehSren 5 Patienten einer Sippe an. Die Hippurs~ureausscheidung verh~,lt sieh wesentlieh anders Ms bei der infantilen Form. Gerade die leich- teren F/~lle zeigen pathologisch verminderte Hippur- s~urewerte, w~hrend in den fortgeschrittenen Stadien die Ausscheidung deutlich hSher liegt. Eine Er- kl~rung ffir die Unterschiede in der HShe der Hippur- s~ureausscheidung vermSgen wir noch nicht zu geben. Vielleicht werden hier Be]astungen mit Glyko- ko]l, dig bisher nicht durchgefiihrt werden konnten, einen n~heren AufschluB vermitteln. Auffallender- weise war die Kreatinurie bei allen Patienten nut geringgradig oder fehlte sogar. Eine wesentliche StSrung des Kreatinstoffwechsels scheint bei der juvenilen Form demnach nicht vorzuliegen. BLOCH und SCR6NH~.IMEg fanden einen normalen Kreatin- umsatz bei der progressiven Muskeldystrophie, wobei uns allerdings nieht bekannt ist, ob es sich bei ihren Patienten um solche mit juveniler oder mit infan- tiler Form handelte. Kre&tinbelastungen konnten bei unseren Kranken nicht vorgenommen werden.

Aus den obigen Tabellen ergibt sich, dab zwischen der infantilen und der juvenilen Form stoffwechsel- m/~Big gesehen erhebliehe Untersehiede bestehen, wobei uns das differierende Verhalten der Kreatinurie bei beiden Formen am wesentlichsten erscheint.

Die Eintei]ung in die beiden Kategorien stfitzt sich auf die prim~tre Lokalisation der muskulgren Sym- ptome. FOr die infantile Form gilt Ms charakteristisch der Beginn im Bereich des Beckengfirtels, w/~hrend der humero-scapulare Typ ffir die juvenile Form pathognomiseh ist. Durch die Ausbreitung der Er- krankung im weiteren Ver]auf wird das Bild sparer leicht verwischt. Infolge des sehleiehenden Verlaufes der Erkrankung machen sich die ersten klinisehen Symptome unter Umst~nden erst relativ sp~t bemerk- bar. So wuBten einige unserer Kranken, die sich noch im Initialstadium befanden, yon ihrer Erkran- kung fiberhaupt nichts. Deshalb sind die Angaben der Patienten fiber den Zeitpunkt des Beginns ihrer Erkrankung nicht sicher zu verwerten. Legt man das Lebensalter jedoch dem Einteilungsprinzip zugrunde, so werden nicht selten Fglle als juvenil aufgefa~t werden, die in Wirkliehkeit der infantilen Form an- gehSren. Die Beurteilung kann vet allem dann schwierig sein, wenn bereits Ver~nderungen an beiden Extremitatengruppen vor]iegen. J o g x ffihrt 4 juve- nile F/~l]e an, yon denen 3 eine erhebliche Kreatinurie zeigten. Diese letzteren F/file mSchten wir auf Grund der Lokalisation der Erkrankung (Beginn im Bereich des Beckengfirtels bzw. des Rfickens) der infantilen Form zureehnen, w£hrend wir den 4. Fall, d e r n u r eine geringgr~dige Kreatinurie aufwies, auch nach den klinischen Merkmalen als juvenil auffassen wfirden. Eine st/~rkere Beaehtung dieser Gesichts- punkte wfirde unseres Erachtens zu einer exakteren

Unterscheidung zwischen der infantilen und der juvenilen Form ffihren, wobei dann ~ueh das diffe- rierende Verha]ten der Kreatinurie klarer zum Aus- druek kame. Warum gerade die infantile Form mit einer hochgradigen Kreatinurie einhergeht, ist nicht ganz klar. Es liegt nahe, hier an Beziehungen zu dem meist b5sartigeren Verlauf und der in der Regel aus- gepragteren Pseudohypertrophie der Muskulatur zu denken. Innerhalb der Gruppe der infantilen Er- krankungen war allerdings keine Beziehung zwischen dem Grad der Entwicklung einer Pseudohypertrophie und der HShe der Kreatinurie zu erkennen. Wie unsere Ergebnisse mit dem Hippurs~uretest zeigen, beschr/~nken sieh die Untersehiede zwischen den Formen der progressiven Muske]dystrophie jedoch nicht auf die Kreatinurie. Die normalen ttippurs~ure- werte yon LINNEWEH und L I N N E W E H s o w i e v o n THOMSEN und die verminderten yon BRAND und HARalS stehen danach in keinem Wiederspruch zu- einander, da der Ausfall des Hippursauretestes je naeh Form und Stadium der Erkrankung unterschiedlich sein kamL

Bezfiglieh der Fragen der Vererbung ist trotz zahl- reicher Untersuchungen eine endgfiltige Kl~rung bisher noch nicht erfolgt. So viel dtirfte aber feststehen, dab der Erbgang nieht einheitlich ist. Neben hereditaren F~tllen sieht man nicht selten auch sporadiseh auf- tretende. D,~WlDENKOW trifft bezfiglich des Erb- gangs eine Einteilung in 2 Gruppen:

1. Die Krankheit ist yon den Vorfahren ererb~, ohne dal] eine Generation tibersprungen wird. Beide Gesehleehter sind gleieh h/iufig betroffen.

2. Gesunde Eltern haben kranke Kinder, wobei M~nner h~ufiger erkranken. Aueh in den mtitterliehon Seitenlinien finden sieh nieht selten Erkrankte~

Unsere Sippe der juvenilen Form entspricht der 1. Gruppe, die der infantilen Form der 2. Gruppe dieser Einteilung.

Sieben Patienten der infantilen und zwei der ju- venilen Form erhielten fiber 3 Monate t~glich peroral 400 mg Tocopherol (Ephynal ,,Roche") *

Tabelle 3. Ein/lufi der BehandIung mit Tocopherol au] die Hippumgureausscheidung und die Kreatinurie.

I I Hippurs.~ure [ Krea~in Nr. Name

vor ] nach vor nach r

I

Sehi., Go~tfr. Sehi., Helm. Hochb. Grei. L~UX GAIT. Rapp

390 837 437 463 579 271 389

a) In]antile Form. I 1,9 1,6 2,0 1,3 1,7 1,6 I 1,1 1,3 0,8 1,3 0,6 1,7 0,6 0,9

b) Ju.venile Form. 1,0 1,2 0,8 1,6

1 0 2 ] Daub Engel I ~ 0

127 333 84

275 560 153 176

Bei allen Fallen ergab sich bei der lqachkontrolle ein norma]isierender Effekt des Vitamin E auf die Hippursgureausseheidung : Primer erhShte Werte sanken ab, erniedrigte stiegen an. Es 1/iBt dies an die yon HEINSEN nachgewiesene, regularisierende Wir- kung des Tocopherols auf den Stoffwechsel denken,

* Wit danken tier Fa. Hoffmann-La Roche A.G., G~enzach, ftir die freundliche Oberlassung der Vers~chsmengen.

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782 W. KLSNE : Isolierung des Mumpsvirus aus dem Liquor bei Mumps-Meningoencephalitis. Klinische Wochenschrift

die wahrseheinlich primer am Hypophysenvorder- lappen ansetzt und mSglieherweise sekund~r die Nebennierenrinde mit einbezieht. Man wird hier speziell eine Beeinflussung der T~tigkeit der Fermente fiber den Eiweigstoflweehsel annehmen kSnnen. Auger der Regutierung der Adenosintriphosphatase (Moa- GULIS und JACOBI) ist eine Einwirkung des Vitamin E auf eine ganze l~eihe yon Fermenten im einzelnen fest- gestellt worden. Die Kreatinurie bei den infantilen Fiillen zeigte einen wesentliehen Rfiekgang, ohne indessen vollst~ndig zu versehwinden. Diese bereits bekannte Wirkung des Toeopherols erkl~ren H ~ I ~ S ~ und KSc~Ea unter Hinweis auf die Wirksamkeit des ACTH bei der Mnskeldystrophie (THo~) ebenfalls nieht dureh ellen direkten Angriff fiber die Musku- latur. Sie vermuten vielmehr, dag die Beeinflussung der Muskelfunktion und das Verschwinden der Kreatin- urie fiber eine Funktionssteigerung der Nebennieren- rinde und eine Normalisierung der vorher gestSrten Phosphorylierungsvorg~nge erfo]gen. Bei den beiden juvenilen F~llen fehlte bereits vor der Behandlung eine Ausscheidung yon Kreatin im Iiarn.

Zusammen]assung. An Hand des Hippursgure- testes nach QUICK nnd der Bestimmung der Kreatin- ausseheidung im H a m konnte gezeigt werden, dab zwisehen der infantilen und der juvenilen Form der progressiven Muskeldystrophie grundsiitzliehe Unter-

schiede bezfiglich der StoffweehselstSrungen vorliegen. Verabfolgung yon Tocopherol bewirkte einen regu- larisierenden Effekt auf die Hippurs/iureausseheidung.

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ISOLIERUNG DES MUMPSVIRUS AUS DEM LIQUOR BEI MUMPS-MENINGOENCEPHALITIS. V o n

WILHELM KLONE. Aus dem Laboratorium der Stiftung zur Eriorschung der spinalen Kinderliihmung und der Neurologischen Universiti~tsklinik Hamburg-Eppendorf

(Direktor: Prof. Dr. med. H. PETTE).

Eine Mumpsepidemie im Winter 1951/52 bot uns Gelegenheit Untersuchungen fiber das Vorkommen von Mumpsvirus im Liquor durehzuffihren. Wir untersuehten insgesamt 24Liquoren, 19 yon Pa- tienten mit Parotitis ohne Betei]igung des Zentral- nervensystems und 5 von Patienten mit Mumps- Meningoencephalitis.

Die Virus/~tiologie der Parotitis epidemica wurde durch die Untersuchungen yon JoH~sox und Goon- PASTUI~E im Jahre 1934 endgfiltig gesichert. Wghrend yon diesen wie auch frfiheren Autoren (I~IGOLLE und CONSEILLE, C-OI~DON) Allen als Versuehstiere ffir den Nachweis des Virus verwendet wurden, konnte HABEL 1945 zeigen, dab das Mumpsvirus auch im bebriiteten HIfihnerei gezfiehtet werden kann. Noeh im gleichen Jahr wurde yon LEVENS und ENDEI~S nachgewiesen, dab das im Hfihnerei gezfiehtete Virus Hfihnererythroeyten agglutiniert und diese Ham- agglutination durch Antisera spezifisch gehemmt

wird. Die Untersuchungen dieser Autoren sind yon

groger Bedeutung ffir die Erforsehung der Mumps- infektion, ermSglichen sie doeh mit relativ einfachen lV[ethoden den Nachweis des Mumpsvirus in grol3em Umfang durchzuffihren.

In den folgenden Jahren wurde in der Literatur h~ufig fiber Isolierungen des Virus aus dem Mund- speiehel berichtet. Fast Mle Autoren verimpften das Magerial in die AmnionhShle 7--9 Tage alter Hfihner- embryonen (HtE~LE, HEXLE, WEXD~LL und t~OSEN- BEI~G ; FalEDEWALD ; LEYMASTEI~ und WAleD ; HOCK, POOLE und FI~IEDEWALD; HELLE und I-IE~LE). Es

gelang auch auf diese Weise Mumpsvirus aus dem Blur zu iso]ieren (KILHAM).

IJber eine Isolierung aus dem Liquor bei einem Fall yon Mumps-Meningoencephalitis berichteten 1943 Swxx und Mxwso~. Diese Autoren verimpften den Liquor auf Affen. HENLE und McDouGALL gelang im Jahre 1947 die Isolierung des Mumpsvirus in zwei F~llen yon Meningoencephalitis durch Verimpfung des Liquors in die Amnionh6hle des bebrfiteten Hfihnereies. Eine ausgedehnte Untersuchungsreihe ffihrte KIL~IAM 19,49 durch, bei welcher er in 11 F~llen das Virus isolieren konnte. Alle seine Patienten hatten S ymptome einer Meningoencephalitis.

W~ihrend der Virusnaehweis im Mundspeichel in den ersten Krankheitstagen fast regelm~gig ge]ingt, gibt KILHAM innerhalb der ersten 6 Tage naeh Aus- bruch der Meningoeneephalitis ellen positiven Nach- weis im Liquor in etwa 50% der F~ille an.

Die Durehffihrung unserer Untersuehungen war einheitlieh. Der friseh entnommene Liquor wurde bei - -70 o C aufbewahrt bis die Verimpfung auf Eier erfolgte. Der Liquor wurde dann nach der yon BEVE- I~IDC~ angegebenen Technik in die AmnionhShle 9 Tage alter Hfihnerembryonen verimpft.

Die Eier wurden mit dem Luftsaek naeh oben bei 38 ° C vorbebrfitet und w~hrend dieser Zeit nicht ge- wendet. Ober der Luftblase wurde ein quadratisehes Fenster aus der Eischale geschnitten und nach Entfernung der darunterliegenden Schalenhaut d as Ei yon unten durchleuehtet und mit einer spitzen gebogenen Pinzette ein kleines Stfick der Schalenhaut