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den beiden quasizweidimensionalen Systemen CaB 2 C 2 und C 60 (polyme- risiert, rhomboedrisch) auf dem gleichen Austauschmechanismus beruht. Diese Hypothese muss durch künftige experimentelle und theoretische Untersuchungen über- prüft werden. Übrigens wurde der Magnetismus in rhomboedrischem C 60 – wie so oft bei wichtigen Ent- deckungen – nicht durch zielgerich- tetes Suchen, sondern gewisser- maßen nebenbei gefunden: Die Autoren hatten eigentlich nach Supraleitung in neuartigen Kohlen- stoffphasen gesucht. Karl-Hartmut Müller, Vladimir N. Narozhnyi [1] T. L. Makarova et al., Nature 413, 716 (2001) [2] P.-M. Allemand et al., Science 253, 301 (1991) [3] F. Palacio et al., Phys. Rev. Lett. 79, 2336 (1997) [4] R. C. Haddon, Nature 378, 249 (1995) [5] Ch.H. Xu, G.E. Scuseria, Phys. Rev. Lett. 74, 274 (1995) [6] J. Akimutsu, Science 293, 1125 (2001) Stratosphäre als Wetterfrosch Für Westeuropa lässt sich das Wetter im Winter nur schwer vorhersagen. Eine Beobachtung der Stratosphäre könnte verlässlichere Prognosen er- möglichen. Meteorologen versuchen seit jeher, wiederkehrende Wettermuster als Indikatoren des zukünftigen Wet- ters zu nutzen. Für Vorhersagen über Zeiträume von einer Woche oder länger werden hierfür spezifi- sche Indizes herangezogen, die den Phasenzustand eines bestimmten Wetterphänomens beschreiben. Bei- spielsweise lässt sich das El-Niño- Phänomen – die Verschiebung von tropischen Niederschlagsgebieten vom Westpazifik in den zentralen bis östlichen Pazifik mit ca. 4- bis 7-jähriger Wiederholungsdauer – durch den so genannten Niño3-In- dex beschreiben, der Abweichung der mittleren Meeresoberflächen- temperatur des Gebiets 150°W – 90°W und 5°N – 5°S vom normalen Jahresgang. El Niño führt zum Auf- treten von bestimmten großräumi- gen Wetterlagen über Gebieten des Pazifiks, Süd- und Nordamerikas, Australiens und der indonesischen Inselwelt. Das typische Wetter in diesen Gebieten lässt sich mit Hilfe des Niño3-Index über mehrere Monate vorhersagen. Über dem Nordatlantik und in Westeuropa ist der El-Niño-Index für längerfristige Wettervorhersagen hingegen kaum von Nutzen. Die längerfristige Wet- terentwicklung in diesen Gebieten scheint von chaotischer Natur zu sein, insbesondere im Winterhalb- jahr, in dem genaue Vorhersagen über mehr als fünf Tage problema- tisch sind. „Magische“ Indizes fehl- ten bisher. Die Meteorologen Mark Baldwin und Timothy Dunkerton von Northwest Research Associ- ates, USA, zeigen nun, dass es trotz allem Indizes gibt, die längerfristige Vorhersagen der Wettermuster in diesen Gebieten ermöglichen könn- ten [1]. In den vergangenen Jahren wur- den aus meteorologischen Analysen konsistente Datensätze der letzten 40 Jahre erstellt. Mit diesen um- fangreichen Datensätzen, so ge- nannten Re-Analyen, lassen sich die Variationen des Klimas und die Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 12 Im Brennpunkt 19

Stratosphäre als Wetterfrosch

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den beiden quasizweidimensionalenSystemen CaB2C2 und C60 (polyme-risiert, rhomboedrisch) auf demgleichen Austauschmechanismusberuht. Diese Hypothese mussdurch künftige experimentelle undtheoretische Untersuchungen über-prüft werden. Übrigens wurde derMagnetismus in rhomboedrischemC60 – wie so oft bei wichtigen Ent-deckungen – nicht durch zielgerich-tetes Suchen, sondern gewisser-maßen nebenbei gefunden: DieAutoren hatten eigentlich nachSupraleitung in neuartigen Kohlen-stoffphasen gesucht.

Karl-Hartmut Müller, Vladimir N. Narozhnyi

[1] T. L. Makarova et al., Nature 413,716 (2001)

[2] P.-M. Allemand et al., Science 253,301 (1991)

[3] F. Palacio et al., Phys. Rev. Lett.79, 2336 (1997)

[4] R. C. Haddon, Nature 378, 249(1995)

[5] Ch.H. Xu, G.E. Scuseria, Phys.Rev. Lett. 74, 274 (1995)

[6] J. Akimutsu, Science 293, 1125(2001)

�Stratosphäre als WetterfroschFür Westeuropa lässt sich das Wetterim Winter nur schwer vorhersagen.Eine Beobachtung der Stratosphärekönnte verlässlichere Prognosen er-möglichen.

Meteorologen versuchen seit jeher,wiederkehrende Wettermuster alsIndikatoren des zukünftigen Wet-ters zu nutzen. Für Vorhersagenüber Zeiträume von einer Wocheoder länger werden hierfür spezifi-sche Indizes herangezogen, die denPhasenzustand eines bestimmtenWetterphänomens beschreiben. Bei-spielsweise lässt sich das El-Niño-Phänomen – die Verschiebung vontropischen Niederschlagsgebietenvom Westpazifik in den zentralenbis östlichen Pazifik mit ca. 4- bis7-jähriger Wiederholungsdauer –durch den so genannten Niño3-In-dex beschreiben, der Abweichungder mittleren Meeresoberflächen-temperatur des Gebiets 150°W –90°W und 5°N – 5°S vom normalenJahresgang. El Niño führt zum Auf-treten von bestimmten großräumi-gen Wetterlagen über Gebieten des

Pazifiks, Süd- und Nordamerikas,Australiens und der indonesischenInselwelt. Das typische Wetter indiesen Gebieten lässt sich mit Hilfedes Niño3-Index über mehrereMonate vorhersagen. Über demNordatlantik und in Westeuropa istder El-Niño-Index für längerfristigeWettervorhersagen hingegen kaumvon Nutzen. Die längerfristige Wet-terentwicklung in diesen Gebietenscheint von chaotischer Natur zusein, insbesondere im Winterhalb-jahr, in dem genaue Vorhersagenüber mehr als fünf Tage problema-tisch sind. „Magische“ Indizes fehl-ten bisher. Die Meteorologen MarkBaldwin und Timothy Dunkertonvon Northwest Research Associ-ates, USA, zeigen nun, dass es trotzallem Indizes gibt, die längerfristigeVorhersagen der Wettermuster indiesen Gebieten ermöglichen könn-ten [1].

In den vergangenen Jahren wur-den aus meteorologischen Analysenkonsistente Datensätze der letzten40 Jahre erstellt. Mit diesen um-fangreichen Datensätzen, so ge-nannten Re-Analyen, lassen sichdie Variationen des Klimas und die

Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 12

Im Brennpunkt

19

Dr. Elisa Manziniund Dr. Marco Gior-getta, Max-Planck-Institut für Meteoro-logie, Bundesstr. 55,20146 Hamburg

Abfolge von Wettermustern aufZeitskalen von Jahreszeiten bis zuwenigen Jahren systematisch unter-suchen. Ein aktueller Fokus solcherUntersuchungen liegt auf den na-türlichen Variationen in der Zirku-lation der polaren Troposphäre undStratosphäre im Winterhalbjahr.1)

Damit geht die Hoffnung einher,

identifizierbare kausale Zusammen-hänge zwischen Zirkulationsmus-tern verschiedener Luftschichtenfür eine längerfristige Prognose derWettermuster über dem Nordatlan-tik und Westeuropa nutzen zu kön-nen.

Für die Troposphäre ist schonseit längerem die so genannte nord-atlantische Oszillation (NAO) alscharakteristisches Variationsmusterder Bodendruckverteilung bekannt,insbesondere für das Winterhalb-jahr. In diesem Muster fällt bei po-sitiver NAO-Phase ein verringerterBodendruck um Grönland mit ei-nem erhöhten Bodendruck überdem Ostatlantik und Südwesteuro-pa zusammen (oder umgekehrt beinegativer Phase). Während positi-ven NAO-Phasen liegen die Zug-bahnen von Tiefdruckgebietenweiter nördlich, sodass das Winter-wetter Nordeuropas stürmischer,niederschlagsreicher und wärmer istals im langjährigen Mittel, währenddas Wetter im südlichen Europaund Mittelmeerraum trockener aus-fällt. Eine längerfristige Vorhersag-

barkeit der NAO wäre für Europavon hohem Nutzen [2].

Die Ergebnisse von Baldwin undDunkerton deuten nun darauf hin,dass es einen kausalen Zusammen-hang zwischen der Zirkulation derpolaren Stratosphäre und der nach-folgenden Entwicklung der Wetter-muster der Troposphäre gibt, so wiesie durch die NAO charakterisiertwerden. Charakteristisch für dieStratosphäre ist der so genanntePolarwirbel, eine im Winter auf-tretende, nahezu kreisförmige, ost-wärts gerichtete Strömung der Luftum die Polgegend, die in Stärkeund Kreisförmigkeit variiert undWindgeschwindigkeiten von zeit-weise mehr als 40 m/s aufweist. AufPhasen mit besonders stark ausge-prägtem Polarwirbel in der Stratos-phäre folgt in der Troposphäre überdem Nordatlantik und Westeuropaeine Wetterlage, wie sie von NAOin der positiven Phase bekannt ist(umgekehrt bei besonders schwa-chem Wirbel). Insbesondere zeigendie Autoren, dass die Bahnen vonTiefdruckgebieten bei starken stra-tosphärischen Wirbeln weiter nörd-lich liegen als bei schwachem Wir-bel, wie von NAO-Variationen be-kannt.

Zusammenhänge der Winter-zirkulation der Stratosphäre undTroposphäre wurden schon früheranalysiert [3–6]. In der umfangrei-cheren Analyse von Baldwin undDunkerton wird jetzt ein besondersgeeigneter Index verwendet, um dieStärke des stratosphärischen Polar-wirbels und der nachfolgenden tro-posphärischen Anomalien zu cha-rakterisieren. Dieser dimensions-lose Index beschreibt die Stärke desdominanten räumlichen Variations-musters in der Höhe einer Druck-fläche (z. B. Höhe der 10-hPa-Fläche, generell abhängig vomBodenluftdruck und der mittlerenTemperatur zwischen Boden und 10hPa). Ein verstärkter Polarwirbelwird durch einen positiven Indexcharakterisiert. Diesen Index habenBaldwin und Dunkerton für alleFlächen unterhalb von 10 hPa fürdie Monate November bis April derJahre 1958 bis 1999 berechnet. Ineinem zweiten Schritt wurden Epi-soden mit besonders starken positi-ven ( > +1,5 bei 10 hPa) und negati-ven ( < –3,0 bei 10 hPa) Indexwer-ten ausgesucht. Diese 30 bzw. 18Episoden wurden gemittelt undzeitlich synchronisiert, um einentypischen zeitlichen Verlauf solcher

Episoden zu erhalten (Abb. 1).Interessanterweise zeigt sich in die-sen ausgewählten Fällen eine sichvon oben nach unten ausbreitendeEntwicklung in der Stratosphäremit einer nachfolgenden gleicharti-gen Anomalie in der Troposphäre.Die Auswirkungen in der Tropo-sphäre klingen erst ca. 60 Tagenach dem Referenzdatum (Zeit 0 in Abb. 1) ab. Sowohl die zeitlicheAbfolge als auch die Erhaltungs-tendenz sind von großem Interesse.

Die von Baldwin und Dunkertongezeigten Resultate sind ermutigendund begründen weitere gezielte Un-tersuchungen mit dem Ziel, die ge-nauen Mechanismen zu finden, diezur festgestellten Übertragung derZirkulationsanomalien der Strato-sphäre hinunter in die Troposphäreführen. In der praktischen Anwen-dung, der Wettervorhersage, er-öffnet sich so eine faszinierendeChance, das chaotisch erscheinendeWetter über dem Nordatlantik undWesteuropa mit Hilfe der strato-sphärischen Zirkulation über meh-rere Wochen dem Charakter nachvorhersagen zu können, ein alterTraum in der Wettervorhersage.

Elisa Manzini und Marco Giorgetta

[1] M. P. Baldwin und T. J. Dunkerton,Science 294, 581 (2001).

[2] J. W. Hurrel und H. van Loon, Cli-mate Change 36, 301 (1997).

[3] M. P. Baldwin, X. Cheng und T. J.Dunkerton, Geophys. Res. Lett. 21,1141 (1994).

[4] J. Perlwitz und H.F. Graf, J. Clima-te 8, 2281 (1995).

[5] K. Kodera und M. Chiba, Geophys.Res. 100, 11055 (1995).

[6] W. J. Thompson und J. M. Wallace,Geophys. Res. Lett. 25, 1297(1998).

Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 1220

Im Brennpunkt

Abb. 1:Wenn der so genannte Polarwirbel in der mittleren Strato-sphäre (Höhe ca. 20–30 km) besonders stark oder besondersschwach ausgeprägt ist, pflanzt sich diese Anomalie in die tiefe-re wetterbestimmende Troposphäre (unter 10 km) fort undbleibt dort bis zu 60 Tage lang erhalten. Die Meteorologen ver-knüpfen damit Hoffnungen auf eine bessere Wettervorhersagein der Nordhemisphäre während des Winterhalbjahres. DieAbbildung zeigt die zeitliche Entwicklung eines eindimensiona-len Index der Polarwirbelstärke, gemittelt für 18 besondersschwache (a) bzw. 30 besonders starke Anomalien (b). Blau ent-spricht einem starken Polarwirbel, rot einem schwachen.

1) Troposphäre: Wetter-schicht, Obergrenze inhohen geogr. Breiten bei8 bis 10 km; Stratosphäre: Atmo-sphärenschicht oberhalbder Troposphäre, bis ca.50 km, charakterisiertdurch hohe Ozonmisch-verhältnisse und stabileSchichtung