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Studie „Umsetzung der Politik zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Europäischen Sozial- fonds 2007-2013“ Endbericht im Auftrag des BMFSFJ Impressum Erstellung ISG-Dresden Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH Wormser Str. 74 01309 Dresden Bearbeiter: Marco Puxi und Liane Dolze Stand: 05. Dezember 2005

Studie „Umsetzung der Politik zur Gleichstellung von ... · 2013“ beauftragt. Die ISG-Dresden legt hiermit den im Vertrag vereinbarten vorläufigen Endbericht vor. Zur Einordnung

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Studie „Umsetzung der Politik zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Europäischen Sozial-fonds 2007-2013“

Endbericht im Auftrag des BMFSFJ Impressum Erstellung ISG-Dresden Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH Wormser Str. 74 01309 Dresden Bearbeiter: Marco Puxi und Liane Dolze Stand: 05. Dezember 2005

Inhaltsverzeichnis

- I -

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Übersichten und Abbildungen ................................................................................................. II Abkürzungsverzeichnis..................................................................................................................................... III Vorbemerkung ................................................................................................................................................... 1 1. Institutionelle Rahmenbedingungen der Förderperiode 2007-2013 .................................................. 4 1.1 Rahmenbedingungen der EU.............................................................................................................. 4 1.1.1 Programmierung und Finanzierung..................................................................................................... 4 1.1.2 Strategische Ausrichtung der zukünftigen EU-Strukturfondsförderung .............................................. 6 1.2 Gender-Mainstreaming als politikgestaltendes Querschnittsziel ........................................................ 8 1.2.1 Die europäische Zielstellung ............................................................................................................... 8 1.2.2 Gender-Mainstreaming und die Gleichstellung von Mann und Frau .................................................. 8 1.2.3 Gender Mainstreaming und Gleichstellung in der zukünftigen Ausgestaltung

der europäischen Beschäftigungspolitik.............................................................................................. 9 1.2.4 Gender-Mainstreaming und die Gleichstellung von Frau und Mann im ESF 2007-2013 ................. 11 1.3 Rahmenbedingungen auf Ebene des Bundes .................................................................................. 13 1.3.1 Rahmenbedingungen durch die Arbeitsmarktpolitik des Bundes ..................................................... 13 1.3.2 Gender-Mainstreaming und die Gleichstellung von Frau und Mann in Deutschland ....................... 19 2. Ergebnisse und Wirkungen gleichstellungsorientierter Förderansätze im ESF 2000-2006 ............. 23 2.1 Ergebnisse des ESF Monitorings und der ESF Halbzeitbewertung des Bundes ............................. 23 2.2 ESF Ansätze des Bundes zur Förderung der Gleichstellung............................................................ 28 2.2.1 Ansätze zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf..................................................... 28 2.2.2 Ansätze zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung von Frauen................................... 32 2.2.3 Bewertung der ESF kofinanzierten Förderansätze des BMFSFJ ..................................................... 33 2.3 Ergebnisse der Fachinterviews ......................................................................................................... 34 3. Empfehlungen für die ESF Förderung 2007-2013 ............................................................................ 37 3.1 Vorbemerkungen............................................................................................................................... 37 3.2 Empfehlungen zur strategischen Verankerung des Gleichstellungsziels

in der ESF Förderperiode 2007-2013 ............................................................................................... 38 3.3 Empfehlungen zu den Interventionsfeldern zur Erreichung des

Gleichstellungsziels in der ESF Förderperiode 2007-2013............................................................... 40 3.4 Empfehlungen zur Umsetzung.......................................................................................................... 42 Literatur ........................................................................................................................................................... 43 Anhänge .......................................................................................................................................................... 44

Verzeichnis der Übersichten und Abbildungen

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Verzeichnis der Übersichten und Abbildungen

Übersichten:

Übersicht 1: Bewilligte Projekte nach dem Beitrag zur Gleichstellung 2004 ............................................. 24 Übersicht 2: Teilnehmereintritte und Teilnehmerbestand - Bund und Länder 2004 (Alle Maßnahmen) ... 25 Übersicht 3: Anteile von Jugendlichen, Frauen und Langzeitarbeitslosen in

einzelnen ESF-Maßnahmen 2001-2004................................................................................ 26

Abbildungen:

Abbildung 1: Art der Arbeitsverhältnisse nach der Weiterbildung............................................................... 27

Abkürzungsverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis AA Arbeitsagentur (früher: Arbeitsamt) ABM Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ADAPT Gemeinschaftsinitiative ADAPT ALG / Alg Arbeitslosengeld ANBA Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit ARGE Arbeitsgemeinschaft BA Bundesagentur für Arbeit (früher: Bundesanstalt für Arbeit) BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BMWA Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit EFRE Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung EPPD Einheitliches Programmplanungsdokument EQUAL Gemeinschaftsinitiative EQUAL ESF Europäischer Sozialfonds EU Europäische Union EU-KOM EU-Kommission EXGZ Existenzgründerzuschuss FbW Fortbildung und Weiterbildung GD Generaldirektion (der Europäischen Kommission) GD-Beschäftigung Generaldirektion Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit GD-Regio Generaldirektion Regionalpolitik GD-Umwelt Generaldirektion Umwelt IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH IT Informationstechnologie JuSoPro Jugendsofortprogramm KMU Kleine und mittlere Unternehmen LAA Landesarbeitsamt (frühere Bezeichnung für die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit) LM Landesmittel Mio. Million NRW Nordrhein-Westfalen NSRP Nationaler Strategischer Rahmenplan OP Operationelles Programm RD Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (früher: Landesarbeitsamt) RWI Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung SAM Strukturanpassungsmaßnahme SGB Sozialgesetzbuch SÖSTRA Institut für Sozialökonomische Strukturanalysen VO Verordnung

Vorbemerkung ISG-Dresden

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Vorbemerkung Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat die ISG-Dresden Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH mit der Erstellung der Studie „Umset-zung der Politik zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Europäischen Sozialfonds 2007-2013“ beauftragt. Die ISG-Dresden legt hiermit den im Vertrag vereinbarten vorläufigen Endbericht vor.

Zur Einordnung der Studie sind vorab die an das Gutachten selbst gestellten Ziele herauszuarbei-ten. Diese beziehen sich auf folgende Bereiche:

• Ableitung von Handlungsempfehlungen für den Bereich Gleichstellung / Gender-Mainstrea-ming in der ESF Förderperiode 2007-2013;

• Einleitung einer Strategiediskussion auf Ebene des ESF Begleitausschusses zur Berücksichti-gung gleichstellungsbezogener Ansätze im ESF der Förderperiode 2007-2013.

Mit dieser Zielstellung ist klar, dass die Studie in erster Linie der Vorbereitung der für die Umset-zung und Steuerung relevanten Akteure zur ESF bezogenen Programmierung der Strukturfonds-periode 2007-2013 dient. Die Studie steht dabei vor der Herausforderung, einen belastbaren und umsetzungsorientierten Beitrag zur zukünftigen strategisch-inhaltlichen Ausrichtung der ESF geför-derten Arbeitsmarktpolitik in Deutschland aus gleichstellungspolitischer Sicht in einem insgesamt noch ungewissen Rahmen zu leisten. Wir werden zeigen, dass eine Reihe bestimmender Faktoren für die konkrete Ausgestaltung des ESF Mitteleinsatzes - etwa die Vorgaben der Arbeitsmarktpoli-tik des Bundes, die geschäftspolitische Ausrichtung der Bundesagentur für Arbeit (BA) hinsichtlich des Mittel- und Instrumenteneinsatzes, die Konsequenzen einer zum Berichtszeitpunkt noch nicht endgültig abgestimmten ESF Verordnung (ESF VO), die Unklarheiten darüber, ob und in welcher Form es für die Interventionsperiode 2007-2013 zu einem EPPD Ziel 3 unter Federführung des Bundes kommen wird oder den mehr denn je offenen Fragen zu den Kofinanzierungsbedingungen des ESF aus nationalen Mitteln - zum Berichtszeitpunkt unbekannt oder unklar sind.

Um so wichtiger ist vor dem Hintergrund der dargestellten Unsicherheiten und Unwägbarkeiten die Herausarbeitung strategischer Handlungsfelder und Erfordernisse aus den Erfahrungen der laufen-den Förderperiode: Wie konnte der Gender-Mainstreaming-Ansatz in der ESF Umsetzung veran-kert werden, können Ergebnisse und Wirkungen daraus abgeleitet werden, welchen Beitrag haben insbesondere die Förderansätze des Politikfeldes E (Maßnahme 10) zur Erreichung des Quer-schnittsziels „Gleichstellung“ beigetragen, und wie ordnen sich hier insbesondere die vom BMFSFJ gesetzten Förderschwerpunkte ein?

Bei der Frage, welchen Beitrag zur Erreichung des Gleichstellungsziels der ESF bislang leisten konnte, kann partiell auf Ergebnisse der ESF Halbzeitbewertung des Bundes sowie der Aktualisie-rung der ESF Halbzeitbewertung des Bundes zurückgegriffen werden. Wo möglich, beispielsweise unter Berücksichtigung von Informationen aus dem ESF Begleitsystem sowie eigener Erhebungen im Rahmen von telefonischen Fachinterviews mit Fondsverwaltungen sowie Programmver-antwortlichen des Bundes und der Länder werden wir Aussagen darüber treffen, ob und ggf. unter welchen (modifizierten) Bedingungen diese Ansätze fortgeführt werden können und angesichts der Notwendigkeiten eines sich dynamisch entwickelnden Arbeitsmarkts auch sollten.

Vorbemerkung ISG-Dresden

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Eine Gesamtevaluation von Erfolg und Wirkungen gleichstellungsorientierter Förderansätze im ESF von Bund und Ländern kann diese Studie auch vor dem Hintergrund des rd. dreimonatigen Projektzeitraums weder außerhalb noch innerhalb der Maßnahme 10 / Politikfeld E leisten oder er-setzen. Wenn Einschätzungen und Bewertungen zu einzelnen Förderansätzen, insbesondere sol-chen des BMFSFJ, vorgenommen werden, resultieren diese in erster Linie aus der übergeordne-ten strategischen Relevanz des jeweiligen Instruments und – sofern vorhanden – erst in zweiter Li-nie aus den vorhandenen, heterogenen instrumentenspezifischen Informationen.

Insbesondere bei der Interpretation von entsprechenden Ergebnissen, die überwiegend oder aus-schließlich anhand von (qualitativen) Fachinterviews gewonnen wurden, ist auf die spezifischen In-teressenlagen der Befragten zu verweisen: Die „Aufgabenteilung“ zwischen Bund und Ländern bei der Umsetzung gleichstellungspolitischer ESF Förderansätze ist beispielsweise Teil einer überge-ordneten Diskussion um Kompetenzen zwischen den relevanten Akteuren im föderalen System. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass gleichstellungspolitische Förderansätze von Bund und Ländern zwar eine übergeordnete Zielstellung verfolgen, durchaus aber unterschiedlichen Prioritä-tensetzungen, Finanzierungsbedingungen und Umsetzungsstrukturen unterliegen. Mehr denn je sind diese auch durch die sich ändernden Rahmenbedingungen auf Bundesebene „im Fluss“.

Zu berücksichtigen ist des Weiteren die Heterogenität der derzeit umgesetzten Förderangebote so-wie deren (inhaltliche, strukturelle und verwaltungstechnische sowie zielgruppenbezogene) Verän-derungen im Zeitverlauf.

Vor diesem Hintergrund ist diese Studie als erster Beitrag zur strategischen Weichenstellung des ESF aus gleichstellungspolitischer Sicht zu verstehen. Die ISG zeigt bestehende Notwendigkeiten auf, bewertet – wenn entsprechende Informationen vorhanden sind – die Ergebnisse und Wirkun-gen des bisherigen Instrumentariums und zeigt Wege auf, wie auf Basis dieser Erfahrungen den bestehenden Notwendigkeiten effektiv entsprochen werden kann. In diesem Rahmen werden Vor-schläge zur Umsetzung unterbreitet, die sowohl den Kofinanzierungserfordernissen als auch der steigenden strategischen Relevanz des Gleichstellungsziels Rechnung tragen.

Der von der ISG hiermit vorgelegte (vorläufige) Endbericht gliedert sich in insgesamt vier Kapitel:

• Kapitel 1 stellt auf Basis fundierter Literatur-, Quellen- und Statistikrecherchen die Entwicklun-gen der ESF geförderten Gleichstellungspolitik und der Diskussion auf EU- und Bundesebene für die zukünftige Relevanz des Gleichstellungsziels im ESF 2007-2013 dar und entwickelt auf dieser Basis die strategischen Handlungserfordernisse für die Gestaltung der Arbeitsmarktin-terventionen des ESF ab 2007 aus gleichstellungspolitischer Sicht;

• Kapitel 2 fasst vorliegende Daten und Untersuchungen zu den Ergebnissen und Wirkungen der ESF Interventionen aus gleichstellungspolitischer Sicht zusammen. Einbezogen werden neben relevanten Informationen aus dem ESF Begleitsystem (Monitoring) auch Ergebnisse der ESF Evaluation des Bundes sowie Ergebnisse der durchgeführten Fachinterviews;

• Kapitel 3 schließt die Untersuchung mit einer Zusammenfassung sowie mit Schlussfolgerun-gen und Empfehlungen für die weitere inhaltliche und strukturelle Ausgestaltung des ESF im Interventionszeitraum 2007-2013 aus gleichstellungspolitischer Sicht ab. Kapitel 3 beinhaltet außerdem Vorschläge zur Konkretisierung des zukünftig einzusetzenden arbeitsmarktpoliti-

Vorbemerkung ISG-Dresden

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schen Instrumentariums sowie zu Umsetzungsstrukturen und Verwaltungsmodalitäten des In-strumenteneinsatzes.

• Der Anhang enthält den Leitfaden für die durchgeführten Fachinterviews mit Verantwortlichen im BMFSFJ sowie Fondsverwaltungen einiger Bundesländer. Darüber hinaus findet sich im Anhang die Präsentation der vorläufigen Ergebnisse dieser Studie auf dem Begleitausschuss des EPPD Ziel 3 am 11.11.2005 in Saarbrücken.

ISG-Dresden Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH Dresden, 05. Dezember 2005

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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1. Institutionelle Rahmenbedingungen der Förderperiode 2007-2013

Im folgenden Kapitel werden die Rahmenbedingungen, unter denen die ESF Strukturfondsförde-rung in der Interventionsperiode 2007-2013 in Deutschland erfolgen werden, beschrieben und de-ren Konsequenzen für die ESF Programmierung aus gleichstellungspolitischer Sicht erläutert. Zu-nächst wird dargestellt, welche Anforderungen aus den vorliegenden Entwürfen der Allgemeinen Strukturfondsverordnung sowie der ESF VO resultieren und welchen Einfluss die EU-Kommission (EU-KOM) auf Förderschwerpunkte und Maßnahmen voraussichtlich nehmen wird. Daran an-schließend wird darauf eingegangen, welche Konsequenzen sich für die Programmplanung aus den Planungen des Bundes für ein wahrscheinliches Bundesprogramm ergeben und welche Rah-menbedingungen durch die Arbeitsmarktpolitik des Bundes (SGB II und SGB III) gesetzt werden.

1.1 Rahmenbedingungen der EU

Die endgültigen Rahmenbedingungen für die Umsetzung des ESF (im neuen Ziel 2) in der Förder-periode 2007 – 2013 sind derzeit nur teilweise bekannt. Während bezüglich der allgemeinen Struk-turfondsverordnung sowie der ESF VO1 die großen Linien erkennbar sind – wobei allerdings einige Fördermodalitäten noch nicht endgültig geklärt sind, z.B. Umfang der privaten Kofinanzierung –, bestehen erhebliche Unsicherheiten bezüglich des finanziellen Rahmens. Es ist davon auszuge-hen, dass diese Frage im weiteren Verlauf der britischen EU-Präsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 nicht mehr geklärt werden wird. Für die Programmplanung 2007 – 2013 sind fol-gende zentrale Rahmenbedingungen relevant bzw. zu erwarten.

1.1.1 Programmierung und Finanzierung

Der erste Schritt der Programmplanung besteht – nach dem vorliegenden Entwurf der allgemeinen VO – in der Erstellung des Nationalen Strategischen Rahmenplans (NSRP). Zuständig sind hierfür zunächst das Bundesministerium für Finanzen, dann das Bundesministerium für Arbeit und Sozia-les für den ESF. Der NSRP soll darüber hinaus mit den Bundesländern abgestimmt werden. Im NSRP sind die einzelnen Operationellen Programme (OP) sowie vermutlich auch deren Finanzver-teilung auf der Schwerpunktebene zu benennen (die Dokumente EPPD - Einheitliches Programm-planungsdokument - sowie Programmergänzung sollen in der neuen Förderperiode entfallen).

Für das neue Ziel-2 (alt ESF Ziel-3) kann entweder ein umfassendes OP, das im Wesentlichen dem alten EPPD Ziel-3 entspräche, erstellt werden, oder jedes Bundesland und der Bund entwi-ckeln eigene OPs. Denkbar wäre auch, dass sich einzelne Länder zu einem OP zusammenschlie-ßen (vgl. hierzu auch das folgende Kapitel: Rahmenbedingungen auf der Bundesebene).

Die N+2-Regelung, nach der Mittel, die z.B. für das Jahr 2006 geplant, aber nicht bis Ende 2008 verausgabt wurden, verfallen, d.h. an die EU-KOM zurückgegeben werden müssen, bleibt vermut-

1 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regi-

onale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds vom 14.07.2004 und Vorschlag über den Europäischen Sozialfonds vom 14.07.2004.

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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lich erhalten. Dies spricht eher für ein einziges großes Programm von Bund und Ländern, da Aus-gleichprozesse verhindern können, dass ein Land von dieser Regelung negativ betroffen wird.

Die ESF VO ist weitestgehend verhandelt, die dort vorgeschlagenen Bestimmungen können für die Programmerstellung somit als überwiegend fix angesehen werden. Aufgrund der Erfahrungen mit der Dauer von Programmverhandlungen mit der EU-KOM, in die nicht nur die GD-Beschäftigung und die GD-Regio eingreifen, sondern auch z.B. die GD-Umwelt, sollten die jeweiligen OPs mög-lichst bis Mitte 2006 im Entwurf vorliegen, um zum Jahresende 2006 ein genehmigtes Programm zu haben.

Die sehr weit reichenden bisher bekannten Vorschläge der britischen Präsidentschaft werden bei entsprechender Umsetzung zu einer dramatischen Kürzung der Zuweisungen an die Mitgliedstaa-ten für den ESF führen. Die ISG geht davon aus, dass eine solche dramatische Kürzung allerdings nicht eintreten wird, da ansonsten die Einflussmöglichkeiten der EU-KOM auf die Umsetzung der neuen Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung sinken würden, die die Nationa-len Aktionspläne für Beschäftigung sowie die Lissabon-Strategie zusammenfassen.2 Eine merkli-che Verringerung des verfügbaren Mittelvolumens ist jedoch wahrscheinlich.

Nach dem aktuellen Kenntnisstand der ISG plant der Bund – wie bereits in der Förderperiode 2000-2006 – rd. 50 % der ESF Mittel für das Ziel-2 in einem eigenen Programm zu binden. Damit ist es eher unwahrscheinlich, dass die Bundesländer von einem geringeren Bundesanteil am ge-samten ESF Volumen für das Ziel-2 profitieren und damit u.U. die zu erwartenden Kürzungen kom-pensieren könnten.

Nach den Vorstellungen der Kommission soll im (neuen) Ziel-2 die Aufteilung zwischen EFRE und ESF 50:50 betragen. Neu ist, dass der EFRE – wie bisher der ESF – flächendeckend, d.h. horizon-tal eingesetzt werden kann. Es liegt kein definitiver Verteilungsschlüssel für die Aufteilung der (ESF)Mittel auf die Bundesländer im Ziel-2 vor. Es fanden erste Vorgespräche zwischen Bund und Ländern statt. Ergebnis dieser Gespräche war, dass weder der Vorschlag der EU-KOM noch der Vorschlag der Wirtschaftsministerkonferenz für den ESF als sinnvoll bewertet werden. Derzeit geht die Tendenz in die Richtung, den 1999 für das EPPD Ziel-3 entwickelten Verteilungsschlüssel wei-ter anzuwenden. Mit dieser Frage befasst sich eine Länderarbeitsgruppe.

Die max. Kofinanzierung durch den ESF im Ziel-2 wird in Deutschland voraussichtlich erneut 45 % betragen (Ausnahme: Transnationale Maßnahmen (ähnlich EQUAL) 55 %). Problematisch ist der Vorschlag der EU-KOM, entsprechend der Praxis beim EFRE, auch beim ESF private Kofinan-zierung nicht mehr zuzulassen. Dies würde dazu führen, dass zahlreiche Maßnahmen – z.B. zur Förderung der beruflichen Weiterbildung in KMU – kaum mehr finanziert werden könnten, da die in diesem Fall erforderlichen öffentlichen Mittel nicht verfügbar sind. Wahrscheinlich können 5 % der ESF Mittel für Investitionen eingesetzt werden.

Fraglich ist, ob die Kommission in den Verhandlungen zulassen wird, dass nach 2006 SGB III-Maßnahmen kofinanziert oder auch SGB III-Mittel als Kofinanzierung für den ESF herangezogen werden können bzw. dürfen. Grundsätzlich besteht bei der EU-KOM die Haltung, dass SGB III Maßnahmen nicht mehr kofinanziert werden sollten, allerdings wird auch über Ausnahmen nach-

2 Vgl. EU-Kommission (Hrsg.), Integrierte Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (2005-2008), KOM (2005) endgül-

tig, 12.4.2005.

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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gedacht. Dies betrifft z.B. die Existenzgründerförderung durch Überbrückungsgeld oder Existenz-gründungszuschuss. Hier sieht die EU-KOM auch weiterhin Handlungsbedarf, der noch steigen dürfte, falls das Gründercoaching des ESF BA-Programms entfällt und der Bund kein vergleichba-res eigenes Programm auflegt. Bei weiteren Maßnahmen wie z.B. ergänzende Qualifizierung bei ABM bestehen wohl Verhandlungsspielräume, wenn die ESF Kofinanzierung tatsächlich zu einer Qualitätssteigerung führt. Nicht länger akzeptiert werden dürfte allerdings die bisherige Praxis, dass Träger von Qualifizierungsmaßnahmen bzw. Arbeitslose, die an einer aus dem SGB III finan-zierten FbW-Maßnahme teilnehmen, zusätzlich ESF Mittel erhalten, um noch weitere Qualifikatio-nen zu erwerben.

Eine Kofinanzierung von SGB II-Maßnahmen mit ESF Mitteln ist dagegen aus Sicht der EU-KOM ein tragfähiges Konstrukt zur besseren Erreichung des Ziels der sozialen Integration. Als Berech-nungsbasis der Kofinanzierung für ergänzende ESF Maßnahmen für Alg-II-Bezieher kommen das Arbeitslosengeld II, Sozialversicherungsbeiträge und Fahrtkosten in Betracht, nicht hingegen die Gelder zur Finanzierung der Unterkunft.3

Vor dem Hintergrund des hohen Stellenwerts, den die soziale Integration (wieder) für die Europäi-sche Kommission hat, sind bei einer ESF Finanzierung in diesem Bereich wahrscheinlich große Spielräume gegeben, das schließt z.B. auch die ESF Finanzierung der Aufwandsentschädigung für 1-€-Jobs ein, wie auch ergänzende Qualifikations- und Betreuungsmaßnahmen sowie die Auf-wandsentschädigungen für Träger solcher Projekte.

1.1.2 Strategische Ausrichtung der zukünftigen EU-Strukturfondsförderung

Die Umsetzung des ESF in der Förderperiode 2007 – 2013 soll nach den Vorstellungen der EU-KOM zentral dazu genutzt werden, die Ziele der Lissabon-Strategie zu erreichen. Prioritäten sind:

• Wachstum;

• Vollbeschäftigung;

• Wettbewerbsfähigkeit;

• Sozialer Zusammenhalt.

Weitere Stichworte sind:

• Weiterbildung und Lebenslanges Lernen;

• Soziale Eingliederung;

• Innovation;

• Arbeitsproduktivität;

• Beschäftigungsorientiertes Wachstum;

• Transnationale Maßnahmen (Art. 8 ESF VO, ähnlich EQUAL);

• Chancengleichheit / Gender-Mainstreaming;

• Arbeitsplatzqualität.

3 Vgl. Schreiben der EU-KOM vom 8.4.2005 an das BMWA.

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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Drei Schwerpunkte der künftigen OPs zeichnen sich ab:

S1. Steigerung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer und Unternehmen

S2. Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und soziale Eingliederung

S3. Transnationale Zusammenarbeit und Kooperation (Art. 8 ESF VO)

D.h., zukünftig wird wahrscheinlich die Zahl der Schwerpunkte des Programms deutlich geringer ausfallen als in der Vergangenheit.4Zusätzlich entfällt aller Voraussicht nach die Maßnahmeebene. Abgesehen davon, dass damit zukünftig Programmänderungen weniger häufig notwendig sein werden, dürften sich die Spielräume bei der Programmumsetzung spürbar erhöhen, weil die sehr stark instrumenten- und weniger zielbezogene Maßnahmeebene wahrscheinlich entfällt.5

Grundsätzlich lässt es der Entwurf der ESF VO zu, dass die Mitgliedstaaten in ihren OPs nicht alle „Interventionsfelder“, die die ESF VO nennt oder die sich aus der Lissabon-Strategie sowie den Vorstellungen der EU-KOM zum Thema „soziale Integration“ ergeben, bedienen müssen, sondern sich auf einzelne Bereiche konzentrieren können. Dennoch ist davon auszugehen, dass im Rah-men der Verhandlungen die Kommission darauf drängen wird, dass möglichst alle der oben ge-nannten Interventionsfelder durch das OP erfasst werden. In diesem Kontext ist auch zu berück-sichtigen, dass u.U. die GD-Umwelt eigene weitere Ziele formulieren wird. D.h., das endgültige Programm wird wahrscheinlich wieder ein weites Feld von Instrumenten und Detailmaßnahmen für die unterschiedlichsten (Querschnitts-)Ziele und Zielgruppen beinhalten müssen.

Solange die Umsetzung in einem großen Programm erfolgt, das das gesamte Ziel-2 abdeckt oder doch zumindest mehrere Länder, bestehen größere Möglichkeiten einer Kompensation, d.h. ein-zelne Länder könnten eine Spezialisierung vornehmen, da nicht jedes Land die gleiche Konzentra-tion verfolgen dürfte.

Hinsichtlich des von der EU-KOM gezogenen Rahmens sind zwei zusätzliche Aspekte besonders hervorzuheben, und zwar die Förderung von ESF Maßnahmen im Bildungsbereich sowie die oben bereits genannte transnationale Zusammenarbeit und Kooperation.

Im Bildungswesen besteht eine große Bereitschaft der Kommission mit dem ESF aktiv zu werden, vor allem wenn diese Maßnahmen darauf abzielen, Berufsvorbereitung zu intensivieren und die Berufsfähigkeit sicherzustellen. Dies ist vor allem unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen nati-onalen Kofinanzierung von (wahrscheinlich) 55 % interessant, da z.B. Lehrergehälter pauschal – etwa das Einstiegsgehalt eines Berufsschullehrers – herangezogen werden können.

Transnationale Maßnahmen sind einerseits eine Vorliebe der EU-KOM, andererseits werden diese in Deutschland von den Fondsverwaltern überwiegend kritisch gesehen. Diese berechtigte kriti-sche Haltung resultiert daraus, dass in solchen Projekten oftmals im Wesentlichen nur „Tourismus“ von Projektleitern und -mitarbeitern gefördert wurde. Jedoch bestehen nach den Erfahrungen der ISG durchaus Chancen durch transnationale Maßnahmen positive Arbeitsmarkteffekte zu erzielen,

4 Wobei die letzte Sitzung des Begleitausschusses EPPD Ziel 3 am 10. und 11. November 2005 in Saarbrücken zeigte,

dass die EU-Kommission durchaus Präferenzen gegenüber einer differenzierteren Schwerpunktbildung setzt, wäh-rend Bund und Bundesländer zur Erhöhung der Flexibilität des ESF eher weniger Schwerpunkte favorisieren.

5 Zum aktuellen Diskussionsstand auf Bundesebene vgl. BMWA, Arbeitspapier zur Strategie der ESF-Förderung in Deutschland im Zeitraum 2007-2013, Beitrag zum Nationalen strategischen Rahmenplan, Entwurf, Bonn 27.09.2005, S. 2, unveröffentlicht

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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z.B. wenn Jugendliche während der Ausbildung Auslandspraktika und Sprachkurse absolvieren, wie u.a. die Evaluation des EU-Programms LEONARDO DA VINCI ergeben hat.6 Es ist davon aus-zugehen, dass die Kommission sowohl auf einem eigenen Schwerpunkt „Transnationalität“ im OP als auch auf einer flächendeckenden Umsetzung bestehen wird.

1.2 Gender-Mainstreaming als politikgestaltendes Querschnittsziel

1.2.1 Die europäische Zielstellung

Waren grundsätzliche Zielorientierungen auf die Gleichstellung von Mann und Frau bereits in den EG-Verträgen verankert worden, so bildet die Gleichstellung von Mann und Frau eines der unum-strittenen Grundprinzipien des EU-Verfassungsentwurfes: Die Union „bekämpft soziale Ausgren-zung und Diskriminierungen und fördert (...) die Gleichstellung von Frauen und Männern (...)“ heißt es bereits in Artikel I 3.3 bei der Erläuterung der zentralen Ziele der EU. In Teil II wird der Spiel-raum festgelegt, der zur Erreichung dieses Ziel vorgegeben wird: „Die Gleichheit von Frauen und Männern ist in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsent-gelts, sicherzustellen. Der Grundsatz der Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.“7 Diese dop-pelte Vorgehensweise gehört zu den nach der Kohärenz herausgehobensten auf alle Arbeitsberei-che anwendbaren Bestimmungen.8

1.2.2 Gender-Mainstreaming und die Gleichstellung von Mann und Frau

Nachdem die Gleichstellung Anfang der 1990er Jahre Gemeinschaftsziel aller Strukturfonds und Ende der neunziger Jahre als Doppelansatz von einerseits spezifischen Maßnahmen und Politiken zur Geschlechtergleichstellung und andererseits Gender-Mainstreaming als Querschnittsaufgabe in den Strukturfonds festgeschrieben worden ist, wurde leicht zeitversetzt Gleichstellung seit 1996 in sämtliche Politikbereiche eingebunden und die Umsetzung über mittelfristige Aktionsprogramme forciert.9

Die seit neuestem vorgelegten Kommissionsberichte zur Gleichstellung von Frau und Mann zeich-nen zwar Fortschritte nach, kommen aber zu dem Schluss, dass die geschlechtsspezifische Se-gregation im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor anhält und bei der Lohnpolitik nur wenig Annäherung festzustellen ist. Ähnliches gilt auch für die Rollenaufteilung in der Familie. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird ein nach wie vor erheblicher Verbesserungsbe- 6 Vgl. www.wsf-kerpen.de, Evaluation Leonardo da Vinci. 7 Art. I 3.3 in: Entwurf der EU-Verfassung, CIG 87/04, Brüssel 6.8.2004, S. 10; Art. II 83, ebd., S. 73 8 Art. III 116; “Bei allen in diesem Teil genannten Maßnahmen wirkt die Union darauf hin, dass Ungleichheiten zwischen

Frauen und Männern beseitigt werden und die Gleichstellung von Frauen und Männern gefördert wird.“ ebd. S. 88; Art. III 214,4 bekräftigt dies noch einmal: „Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung beziehungsweise zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.“(ebd., S. 166)

9 Mitteilung der Kommission, Einbindung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in sämtliche politischen Kon-zepte und Maßnahmen der Gemeinschaft, KOM (96) 67 endg., 21.2.1996; Viertes mittelfristiges Aktionsprogramm der EU zur Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern 1996-2000 und Rahmenstrategie der Gemein-schaft zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern 2001-2005

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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darf gesehen. Als eine der zentralen Schlussfolgerungen wird die „Erhöhung der Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt (gesehen), wodurch zum einen die finanzielle Tragfähigkeit der Renten-systeme gefördert wird, zum anderen die Frauen in die Lage versetzt werden, wirtschaftlich unab-hängig zu sein und eigene Rentenansprüche zu erwerben“ 10

Die Überarbeitung der Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen Ende 2004, die die Doppelstrategie der spezifischen Förderung von Frauen und des allgemeinen Gender-Manistreaming in Artikel 6 wieder aufnimmt, die Initiierung eines Grünbuches zum demo-graphischen Wandel, in dem der Aspekt der Chancengleichheit generell wie insbesondere bei der Aktivierung der 55- bis 64jährigen eine besondere Rolle spielt, in 2005 und die Schaffung eines Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen in 2006 sind sichtbare Zeichen einer weitreichen-den gleichstellungspolitischen Konsolidierung, die in allen europäischen Politikbereichen verankert ist.11 Die angeführten und weitere Berichte (s.u.) zeigen weitere Handlungsnotwendigkeiten in der Beschäftigungspolitik und den nationalen Politiken auf.

1.2.3 Gender Mainstreaming und Gleichstellung in der zukünftigen Ausgestaltung der europäischen Beschäftigungspolitik

Die Implementierung von Gender-Mainstreaming in den Strukturfonds ist nach Untersuchungen der EU in der Programmperiode 2000-2006 wirksamer gelungen als in den vorangegangenen Zeit-räumen. Eine besondere Rolle kommt dabei dem ESF zu, in dem der duale Ansatz von Gender-Mainstreaming als Querschnittsaufgabe und spezifischen frauenfördernden Maßnahmen im Politik-feld E am deutlichsten sichtbar wird.12

Unbeschadet der Implementierungserfolge stellt die Sozialpolitische Agenda 2005-2009 fest, dass „trotz der erzielten Fortschritte (...) es noch immer große Probleme (gibt), z.B. in Bezug auf die As-pekte geschlechtsspezifisches Lohngefälle, Arbeitsmarktzugang und Erwerbsbeteiligung der Frau-en, Fortbildung, beruflicher Aufstieg, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Mitwirkung an Ent-scheidungsprozessen“.13 Untermauert werden diese Aussagen durch Feststellungen des EU-Be- 10 Bericht zur Gleichstellung von Frau und Mann 2005, KOM (2005) 44, S. 10; s.a. ebd. S. 4f. und Bericht zur Gleichstel-

lung von Frau und Mann 2004, KOM (2004) 115, S. 9f. 11 Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehand-

lung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen; Zitat aus dem Grünbuch: „Wie kann eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben dazu beitragen, die Probleme des demografischen Alterns zu lösen? Wie kann man ein besseres Gleichgewicht der häuslichen und familiären Pflichten zwischen Männern und Frauen erreichen? Muss man als Anreiz für eine gerechtere Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern bestimmte Leistungen oder Vorteile (Urlaub usw.) bieten? Wie kann man beiden Elternteilen im Falle des Elternurlaubs ein gerechtes Entgelt bieten? Wie lässt sich das Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten (Krip-pen, Vorschulen usw.) und Pflegemöglichkeiten für ältere Menschen – sowohl durch öffentliche Einrichtungen als auch von Privatunternehmen – fördern? Kann ein verringerter Mehrwertsteuersatz für Dienstleistungen im Bereich der Kinderbetreuung und der Pflege älterer Menschen dazu beitragen, das Angebot an derartigen Betreuungsmöglichkei-ten zu erhöhen? Wie kann man es Eltern – insbesondere jungen Paaren – ermöglichen, einerseits den Arbeitsmarkt-zugang zu finden und ihren beruflichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen und gleichzeitig die gewünschte Zahl an Kindern zu haben“ (Mitteilung der Kommission. Grünbuch „Angesichts des demografischen Wandels - eine neue Soli-darität zwischen den Generationen“, KOM (2005) 94 endgültig, Brüssel 16.3.2005 S. 6); Vorschlag für eine Verord-nung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Europäischen Instituts für Gleichstellungsfra-gen KOM (2005) 81 endg. als Bundesratsdrucksache 188/05 v. 17.3.2005

12 Mitteilung der Kommission. Implementierung des Gender-Mainstreaming in den Strukturfonds-Programmplanungsdo-kumenten 2000-206, KOM (2002) 748 endg. v. 20.12.2002, hier insbes. S. 11

13 Mitteilung der Kommission. Sozialpolitische Agenda 2005-2009, KOM(2005) 33 endgültig, Brüssel 9.2.2005, S. 12

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schäftigungsberichtes 2004/2005, der von einer Verlangsamung der feststellbaren Fortschritte in Richtung auf eine Frauenbeschäftigungsquote von 60 % spricht. Eine Schlussfolgerung daraus liegt in der ausdrücklichen Betonung der Chancengleichheit im Rahmen des Solidaritätsziels der Agenda.14

Bereits der KOK-Bericht hatte in 2003 konstatiert: „Geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen weiter“.15 Anders als bis dahin fordert der Bericht aus grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Ziel-stellungen heraus den Abbau aller Arbeitsmarktbarrieren zugunsten einer breiteren Erwerbsbeteili-gung der erwerbsfähigen aber bislang nicht einbezogenen Bevölkerung. Weiterhin notwendig sei-en „spezielle Maßnahmen (...), um die vielen Hemmnisse beiseite zu räumen, die immer noch die Erwerbsbeteiligung der Frauen behindern“: Verbesserte Betreuungsmöglichkeiten, Teilzeitregelun-gen, Abbau von Steuerbenachteiligungen und unterschiedliche Bezahlung.16

Bleibt die Sozialpolitische Agenda in ihren Formulierungen noch sehr allgemein, indem sie die Gleichstellung als eines der beiden herausgehobenen Querschnittsziele formuliert, werden die „Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedsstaaten“ v. 12.07.2005 konkreter: „Entscheidend für den Fortschritt sind auch die Faktoren Chancengleichheit und Diskriminierungs-bekämpfung. Das Gender-Mainstreaming und die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter sollten bei allen Maßnahmen berücksichtigt werden“.17 Die Aus- und Weiterbildungssysteme sollen sich auf neue Qualifikationsanforderungen ausrichten u.a. durch Dienstleistungen zur Unterstüt-zung von Familien. Zur Leitlinie „Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte und Unternehmen verbes-sern“ heißt es u.a., Unternehmen „müssen dem zunehmenden Bedarf an mehr Arbeitsplatzqualität gerecht werden, der in Verbindung steht mit den persönlichen Präferenzen der Arbeitskräfte und Änderungen der familiären Bedingungen (...)“.18

Schließlich widmen sich die strategischen Leitlinien für die Kohäsionspolitik 2007-2013 dem ver-besserten Arbeitsmarktzugang für drei herausgehobene Zielgruppen: Jugendliche im Übergang Schule – Beruf, Migrant/innen und hier insbesondere den Migrantinnen sowie der Förderung der Frauenerwerbsbeteiligung. Hierzu seien auch zukünftig „besondere Maßnahmen (notwendig), um die Frauenerwerbsbeteiligung zu steigern, die berufliche Geschlechtersegregation abzubauen so-wie die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern und geschlechtsspezifische Stereo-type zu beseitigen, ein familienfreundlicheres Arbeitsumfeld zu schaffen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern; (hierzu gehören insbesondere) das Gender Mainstreaming im Rah-men politischer Strategien und Maßnahmen, Bewusstseinsbildung und den Dialog zwischen Ent-scheidungsträgern.“ Schließlich wird ein verbesserter Zugang zu Finanzierungsinstrumenten ins-besondere für junge Unternehmerinnen gefordert.19

Die europäischen Strukturfonds, insbesondere der ESF und das EU-Programm PROGRESS sol-len zukünftig in engerer Anlehnung als bisher die Agenda und die beschäftigungspolitischen Leitli-

14 Rat und EU-Kommission, Gemeinsamer Beschäftigungsbericht 2004/5, 7010/05, S. 2 15 Jobs, Jobs, Jobs. Mehr Beschäftigung in Europa schaffen. Bericht der Taskforce Beschäftigung vom November 2003,

S. 15 16 Ebd., S. 7 und 65 17 Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten des Rates der Europäischen Kommission vom

12. Juli 2005, in: Amtsblatt der Europäischen Kommission 6.8.2005, L 205/S. 21-27, hier S. 23 18 Ebd. S. 25; s.a. ebd. S. 27 19 Ebd., S. 26ff.

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nien auch in Bezug auf Gender-Mainstreaming und Gleichstellung von Frau und Mann umsetzen, um die Schaffung und Verbesserung von Arbeitsplätzen durch neue Beschäftigungsverhältnisse und durch die Verbesserung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer/innen und Unternehmen zu erreichen. Die Sozialpartner sollen dabei in einem besonderen Maße in die Pflicht genommen werden und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Situation beitragen.20 Die Fokussie-rung auf Menschen mit Migrationshintergrund und ein höhere Erwerbsbeteiligung Älterer sollen die weiteren, miteinander zu verflechtenden Schwerpunkte bilden.

1.2.4 Gender-Mainstreaming und die Gleichstellung von Frau und Mann im ESF 2007-2013

Die bisherige Komplexität der Strukturfonds mit neun Zielen mit sechs Finanzierungsinstrumenten wird voraussichtlich erheblich vereinfacht auf zukünftig drei zentrale Schwerpunkte mit drei Finan-zierungsinstrumenten. Der EFRE wird in allen drei Zielen „Konvergenz“, „Regionale Wettbewerbs-fähigkeit und Beschäftigung“ und „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ eingesetzt werden, der Kohäsionsfonds nur im ersten Ziel und der Europäische Sozialfonds in den ersten beiden. Den drei Fonds wird eine allgemeine Verordnungsgrundlage gegeben. Darin finden sich auch für alle Fonds gültige Gleichstellungsziele. Darüber hinaus werden Fondsspezifika in jeweils eigenen Ver-ordnungen erläutert. Ausdrückliche Maßnahmen zur Umsetzung von Gender-Mainstreaming und Gleichstellung finden sich allerdings dann nur noch im ESF.21

Die Verordnung für den ESF 2007-2013 verleihe „der Verpflichtung der Union im Hinblick auf die Beseitigung von Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern größeren Nachdruck: Spezifische Aktionen, die an Frauen gerichtet sind, werden mit einem klaren Konzept für das Gender-Main-streaming kombiniert, um Beschäftigungsquote und berufliche Fortschritte von Frauen zu erhö-hen“22, heißt es in der Begründung. Der ESF solle zukünftig stärker auf die Umsetzung der be-schäftigungspolitischen Leitlinien konzentriert werden. Bezogen auf Gleichstellung und Gender-Mainstreaming soll dies bedeuten: „Die Mitgliedsstaaten und die Kommission tragen dafür Sorge, dass die Umsetzung der Schwerpunkte, die vom ESF im Rahmen der Ziele Konvergenz und Re-gionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung finanziert werden, zur Förderung der Chancen-gleichheit und zur Beseitigung von Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern beitragen; ein Gender Mainstreaming Ansatz sollte mit spezifischen Maßnahmen zur Steigerung einer dauerhaf-ten Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben und ihres beruflichen Aufstiegs kombiniert wer-den.“23

Die „Verbesserung des Zugangs zur Beschäftigung“ solle dabei durch „Erhöhung der Beteiligung am Arbeitsmarkt von Frauen“ u.a. durch Projekte im Bereich Existenzgründung wie durch aktive und präventive Maßnahmen zur verbesserten Arbeitsplatzsuche und durch weitere spezifische

20 Vgl. z.B. Statement “Sozialpartner geben starke Unterstützung für die Überprüfung der Lissabon-Strategie“,

IP/05/353,v. 22.3.2005 21 Die Kohäsion am Wendepunkt 2007, in: Inforegio Mitteilungsblatt Nr. 125 August 2004, EU Regionalpolitik; Verord-

nung mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen So-zialfonds und den Kohäsionsfonds, KOM (2004) 492 endgültig v. 14.7.2004; Verordnung über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung KOM (2004) 495 endgültig v. 14.7.2004

22 Verordnung des Rates und des EU-Parlamentes über den Europäischen Sozialfonds, KOM (2004) 493 endg. vom 14.7.2004, S. 2f.

23 Ebd. S. 5

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Maßnahmen, die die Gleichstellung von Frau und Mann und die Erwerbsbeteiligung der Frauen verbessern, befördert werden.24

Im Rahmen des Abschnitts über Kohärenz und Konzentration wird gefordert, dass die „Operatio-nellen Programme (...) die Mittel auf die dringendsten Erfordernisse und auf diejenigen Politikberei-che konzentrier(en), in denen eine Unterstützung aus dem ESF im Hinblick auf die Verwirklichung der Programmziele eine deutliche Verbesserung herbeiführen kann“.25 Artikel 6 der ESF-VO regelt schließlich die ausdrückliche Einbeziehung aller Gleichstellungsaspekte in Programmplanung, -umsetzung, -begleitung sowie -evaluation.26 Darüber hinaus muss in den Jahresberichten darüber einschlägig berichtet werden

In Weiterentwicklung der Methode der offenen Koordinierung strukturiert die europäische Ebene den ESF nicht mehr in Politikfelder sondern richtet ihn an zweien der drei zentralen Kohäsionsziele aus. Innerhalb dieses Zielrahmens sollen nationale Programme eigene Schwerpunkte setzen. Hat-te die EU in der laufenden Förderperiode noch dezidierte Impulse gesetzt, in dem sie eine Doppel-strategie durch die Querschnittszielorientierung Gender-Mainstreaming und die gleichzeitige Ein-führung eines Politikfeldes E mit frauenfördernden Maßnahmen in den ESF Vorgaben festlegte, so wird zukünftig ein größerer Gestaltungsspielraum für die nationale Programmplanung gegeben.

Nach wie vor wird der Stellenwert der Gleichstellung von Frau und Mann und eines querschnitts-orientierten Ansatzes des Gender-Mainstreaming für das Gelingen der Zielerreichung hervorgeho-ben. Deutlicher als bisher wird darauf gezielt, dass nationale Programme dies in ihre Planungsdo-kumente und die Umsetzung ab 2007 als Bestandteil aller Programmbereiche aufnehmen und wei-ter verfolgen anstatt allein operativ Spezialprogramme anzulegen. Dabei wird der strukturelle An-satz des Gender-Mainstreaming für alle Interventionsbereiche betont. Die spezifische Frauenförde-rung ist weiter möglich, und angezeigt wo sie notwendig erscheint, allerdings ist sie nicht mehr als eigene Maßnahme vorgeschrieben. .

Inhaltlich werden insbesondere Instrumente zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur verbesserten Unternehmensgründung, zur breiteren Teilhabe an beruflicher Bildung und zur An-gleichung der unterschiedlichen Lohnniveaus der Geschlechter gefordert. Die größten Anstrengun-gen soll dabei die nationale Ebene unternehmen. Eine zusätzliche Fokussierung auf die Verbreite-rung der Erwerbsbeteiligung insbesondere älterer Menschen zwischen 55 und 64 Jahren sowie von Migrant/innen wird gleichzeitig gefordert. Beginnend mit dem Kok-Bericht 2003 erhielt Gender-Mainstreaming als Instrument zur Verbesserung der Gleichstellung von Frau und Mann in der Ar-beitswelt eine mainstreamfähigere Argumentationsgrundlage, die sich zusammenfassen lässt als „Wir brauchen die Kompetenzen aller Frauen für das europäische Erwerbspersonenpotenzial“.

24 „Förderung von spezifischen Maßnahmen zur Steigerung einer dauerhaften Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben

und zur Verbesserung ihres Vorankommens, zum Abbau der geschlechtsspezifischen Segregation am Arbeitsmarkt – u.a. durch Eingehen auf die Ursachen des geschlechtsspezifischen Lohngefälles - und zur besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, u.a. durch Erleichterung des Zugangs zu Betreuungsdiensten für Kinder und abhängige Personen“; ebd., S. 7

25 Ebd., S. 9 26 Artikel 6 Gleichstellung von Frauen und Männern: „Die Mitgliedsstaaten und die Verwaltungsbehörden tragen dafür

Sorge, dass die Operationellen Programme eine Beschreibung darüber enthalten, wie die Gleichstellung von Frauen und Männern im Rahmen der Programmplanung, der Durchführung, der Begleitung - einschließlich durch spezifische Indikatoren - und der Evaluierung gefördert wird“; ebd., S. 11

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Auf EU-Ebene wird nunmehr ein einziges integriertes Programm für Beschäftigung und soziale So-lidarität (PROGRESS) eigene zielgruppenbezogene Impulse beim Einbezug der Gleichstellung in die Bekämpfung der Ausgrenzung vom Arbeitmarkt setzen.27 Das bisherige Programm Chancen-gleichheit geht in PROGRESS auf, man kann das als eine Abkehr von Spezialprogrammen zur Er-reichung von speziellen Frauenförderzielen interpretieren.

1.3 Rahmenbedingungen auf Ebene des Bundes

1.3.1 Rahmenbedingungen durch die Arbeitsmarktpolitik des Bundes

Deutschland unterscheidet sich von anderen EU-Ländern dadurch, dass die Bedeutung der ESF Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik äußerst gering ist. Im Jahr 2004 betrug der Anteil der ESF Mittel an den SGB III-Geldern für aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen deutschlandweit nur rd. 3 %.28 Mit anderen Worten: Der ESF hat in Deutschland gesamtwirtschaftlich betrachtet besten-falls eine ergänzende Funktion, flächendeckende Arbeitsmarktpolitik lässt sich damit nicht gestal-ten, es ist daher eine Konzentration entweder auf Förderlücken oder landesspezifische Entwick-lungschancen sinnvoll.

Für die Bundesländer kann der ESF aber durchaus auch von quantitativer Bedeutung sein, und zwar weil die i.d.R. nur über ein geringes eigenes Budget zur Finanzierung aktiver arbeitsmarktpo-litischer Maßnahmen verfügen und daher die Landes-ESF Mittel erhebliche Potenziale für länder-spezifische Aktivitäten und Strategien eröffnen. Soweit die Länder über eigene Landesmittel zur Kofinanzierung der dem Land zustehenden ESF Gelder verfügen oder anstelle dieser private Kofi-nanzierung mobilisieren können, sind diese durchaus in der Lage, eigene Schwerpunkte zu setzen und damit entweder Lücken der Bundesförderung zu schließen oder auch endogene Stärken wei-ter zu entwickeln.

Knappe Haushaltsmittel oder auch Beschränkungen der förderfähigen Maßnahmen (durch die ESF VO) haben bisher in den meisten Ländern dazu geführt, dass häufig die Strategie verfolgt wurde bzw. werden musste, mit Landes-ESF Mitteln SGB III-Maßnahmen kozufinanzieren. Zum einen war man bei der Ausgestaltung der Landesarbeitsmarktpolitik stark von den bundespolitischen Rahmenbedingungen und deren Veränderungen abhängig, zum anderen bestand nur einge-schränkt die Möglichkeit, eigene Ansätze zu verfolgen, man befand sich in einer Art babylonischer Gefangenschaft mit dem Bund. Welche gravierenden Effekte aus dieser für eine zielgerichtete Landesarbeitsmarktpolitik ausgehen können, hat sich spätestens seit 2002 gezeigt, als die BA be-gonnen hat, ihre Förderpolitik und ihr Förderinstrumentarium grundlegend zu überprüfen.

Über den Sinn des Aufstockens von SGB III-Maßnahmen wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach diskutiert.29 Zusammenfassend lässt sich dazu festhalten: Soweit damit Förderlücken ge- 27 Mitteilung der Kommission über den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates ü-

ber ein Gemeinschaftsprogramm für Beschäftigung und soziale Solidarität – PROGRESS, A6-0199/2005 endgültig v. 20.06.2005

28 Eigene Berechnungen auf Basis des Entwurfs des Jahresberichts zum EPPD Ziel-3 2004, S. 33 ff. und ANBA-Arbeits-markt 2004, S. 95 ff.

29 Vgl. z.B. RWI/SÖSTRA: Evaluierung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des Europäischen Sozialfonds in Deutschland in der Förderperiode 2000 – 2006, Halbzeitbewertung, Essen/Berlin 2003; IfS/FBAE: Fortschreibung der Zwischenbewertung für die Interventionen des Europäischen Sozialfonds im deutschen Ziel 3-Gebiet in der Förderpe-riode 1994 bis 1999, Berlin 2000.

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schlossen wurden, z.B. Sprachkurse für Migranten, Verlängerung der Zahlung bzw. Aufstockung des Überbrückungsgeldes für Existenzgründer oder berufliche Qualifizierung von Strafgefangenen, können Aufstockungen nicht grundsätzlich als wirkungslos qualifiziert werden. Allerdings ist auch zu konstatieren, dass sich solche Ergänzungsfinanzierungen teilweise auf Förderinstrumente kon-zentriert haben, deren arbeitsmarktpolitischer Erfolg zweifelhaft ist, wie z.B. zusätzliche Qualifizie-rung bei ABM. Aufstockungsverfahren, die im Wesentlichen nur darauf abzielen, die Landes-ESF Mittel zu verausgaben, ohne dass damit eine besondere arbeitsmarktpolitische Strategie verbun-den ist, sollten vermieden werden.

Mit den vier Gesetzen zu modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz I bis IV), d.h. den Re-formen des SGB III und der Neueinführung des SGB II zum 1. Januar 2005, sind erhebliche Kon-sequenzen für die Arbeitsmarktpolitik der Länder und auch die ESF Abwicklung auf Landesebene verbunden, die bei der Programmierung der ESF Interventionen 2007–2013 zu berücksichtigen sind. Nachstehend sollen zusammenfassend die wesentlichen dieser neuen Rahmenbedingungen erläutert werden:30

• Die Förderlogik der BA wurde radikal umgestellt. Diese folgt bei ihrer Beschäftigungspolitik ei-ner neuen Ausrichtung: An die Stelle der herkömmlichen Konditionalsteuerung ist eine Steue-rung anhand von Wirkungen und Wirtschaftlichkeit getreten. Die Förderung wird an den Zielen einer unmittelbaren und schnellen Integration in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet, dies schließt auch „atypische“ Beschäftigung und Selbständigkeit ein. Im Vordergrund der Förder-praxis steht kostenorientierte und wirkungsbezogene Effizienzsteigerung.31

• Mit dem ersten Hartz-Gesetz wurde ab 2003 die berufliche Weiterbildung Arbeitsloser massiv verändert. Entscheidend war vor allem die Einführung des Bildungsgutscheins. Dies hatte zur Konsequenz, dass die Arbeitsagenturen die Arbeitslosen nicht mehr an einen vorher bestimm-ten Träger delegieren, sondern sich die Arbeitslosen selbst eine für sie geeignete Bildungs-maßnahme suchen. Der Bildungsgutschein kann nur bei (von der BA) zugelassenen bzw. zer-tifizierten Trägern eingelöst werden. Ziel dieser Praxis ist u.a. den Wettbewerb zwischen den Trägern zu erhöhen. Weiterhin wurde eine geschäftspolitische Vorgabe erlassen, die besagt, dass nur noch solche Maßnahmen gefördert werden, bei denen nach Maßnahmeende eine 70%ige Integrationsquote zu erwarten ist. Dies dürfte de facto dazu geführt haben, dass in diese Maßnahmen kaum noch „Problemgruppen“ des Arbeitsmarktes einbezogen wurden. Da-her überrascht es auch nicht, dass zwischen 2002 und 2004 die Zahl der Eintritte in FbW bun-desweit von 455.000 auf 185.000 zurückgegangen ist. Hinzuweisen ist auch darauf, dass wäh-rend FbW nicht länger Unterhaltsgeld gezahlt wird, sondern Arbeitslosengeld.

• Für die Bundesländer ergab sich daraus, dass die Arbeitslosen ihre Träger selbst suchen mussten und - auch weil die BA die Träger verstärkt über zentrale Ausschreibungsverfahren aussucht - Vereinbarungen zur zusätzlichen Qualifizierung von ESF Teilnehmern mit Trägern kaum mehr möglich waren. Verstärkt wurde dieser Effekt noch dadurch, dass die BA den Um-fang von FbW deutlich verringert und auch eine andere Zielgruppenorientierung vorgenommen hat (Arbeitslose mit guten Integrationschancen).

30 Für einen Überblick vgl. Deeke, Axel, Aktualisierung der Halbzeitbewertung des ESF-BA-Programms, Nürnberg 2005. 31 Ebenda, S. 16.

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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• Eine weitere Konsequenz der Hartz-Reformen resultiert aus dem so genannten Aussteue-rungsbeitrag, den die BA für jeden Arbeitslosen an den Bund zu leisten hat, der von Arbeitslo-sengeld I in Arbeitslosengeld II wechselt (ca. 10.000 € je Fall). Dies führt dazu, dass die BA bzw. die Arbeitsagenturen bei der Förderung von Arbeitslosen wahrscheinlich eine Abwägung dahingehend vornehmen, ob sich eine Förderung überhaupt lohnt. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Arbeitslose nach der Förderung noch unter Arbeitslosengeld I fällt und eine gute Chance hat, vor Auslaufen des Arbeitslosengeldes I eine Beschäftigung zu finden. Dies hat ebenfalls mit dazu beigetragen, dass die Arbeitsagenturen verstärkt Kurzzeitmaßnahmen kon-zentriert auf Personengruppen mit hoher Integrationswahrscheinlichkeit unterstützen. Dass in einer solchen Situation wenig Bedarf an ergänzender Förderung durch den ESF besteht, liegt auf der Hand. Deeke formuliert in diesem Zusammenhang: „Offenkundig ist jedoch, dass diese Regelung einen zusätzlichen Druck auf die BA zu einer kurzfristig orientierten vermittlungszen-trierten Praxis beinhaltet, die dem Ziel einer wirkungsorientierten Arbeitsförderung zugunsten einer engen betriebswirtschaftlichen Kalkulation der Beitragsmittel widersprechen kann“.32

• Auch die bisherige ABM/SAM-Förderung wurde spätestens seit Beginn des Jahres 2003 ver-stärkt kritisch beleuchtet, nicht zuletzt, weil verschiedene Evaluationsstudien deren Effizienz erheblich in Frage gestellt hatten.33 Entscheidende Änderungen der Neuregelung von ABM und SAM sind, dass die ABM-Zeiten nicht neue Ansprüche auf Arbeitslosengeld I hervorrufen, die Maßnahmedauer i.d.R. auf 12 Monate verkürzt wird und beide Instrumente zu ABM (neu) zusammengefasst wurden. Auch bei diesem Instrument ist es in den vergangenen Jahren zu einer Reduktion gekommen, und zwar gingen die Eintritte in Westdeutschland von rd. 52.500 im Jahr 2002 auf 41.500 in 2004 zurück.

• Eine weitere wichtige Neuerung des zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Ar-beitsmarkt von 2003 betraf den „Existenzgründungszuschuss“ (EXGZ) für die so genannte „Ich-AG“. Der EXGZ kann für max. drei Jahre in Höhe von 600 € im ersten, 360 € im zweiten und 240 € im dritten Jahr bezahlt werden. Im Prinzip handelt es sich dabei in erster Linie um einen Zuschuss zur Finanzierung der Sozialversicherungsbeiträge des Gründers oder der Gründerin und weniger um eine Anschubfinanzierung. Eine Voraussetzung für den Zuschuss ist, dass das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit 25.000 € im Jahr nicht übersteigt. Seit dem Herbst 2004 ist die Bewilligung des EXGZ an eine zuvor erfolgte Prüfung der Geschäfts-idee bzw. des Businessplans gekoppelt. Der EXGZ ist sehr stark angenommen worden. Wur-den im ersten Jahr (in Westdeutschland) noch 68.000 Neueintritte gezählt, waren es 2004 be-reits 114.000.

• Hinsichtlich der Geschäftsabwicklung durch die einzelnen Agenturen ist auf folgende Neuerun-gen hinzuweisen: Die Bemühungen, die input-gesteuerte Verwaltung durch eine wirkungsori-entierte Steuerung zu ersetzen, wurden fortgeführt. Ein zentrales Element der Arbeitsmarktre-form sind wirkungsbezogene Zielvereinbarungen der Zentrale in Nürnberg mit den Agenturen für Arbeit vor Ort. Die Agenturen können demnach ihre Mittel nach eigener Entscheidung so einsetzen, dass diese eine möglichst hohe Zielerreichung sicherstellen. Durch neue Organisa-tionsformen und so genannte Handlungsprogramme werden sie zu einer möglichst effizienten

32 Ebenda, S. 21. 33 Vgl. hierzu im Detail Kapitel 4 in diesem Bericht.

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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Zielerreichung gesteuert. Auch diese neue Ausrichtung vor Ort macht es schwerer, die bisher typischen ESF Zielgruppen – wie z.B. Benachteiligte, Migranten, Ältere, Alleinerziehende etc. – durch ergänzende ESF Mittel des Landes ergänzend zu fördern.

Die größte Veränderung der Arbeitsmarktpolitik resultiert aus dem am 1. Januar 2005 in Kraft ge-tretenen SGB II, das die Integration der alten Sozialhilfe und der bisherigen Arbeitslosenhilfe vor-sieht. Für die Programmplanung 2007 – 2013 ergeben sich daraus folgende wesentliche Konse-quenzen:

• Bei der Umsetzung des SGB II hab es die Länder nicht nur mit den von Arbeitsagenturen und Kommunen gegründeten ARGEn zu tun, sondern auch mit den so genannten Optionskommu-nen.

• Grundsätzlich stehen für die SGB II-Bezieher alle Instrumente des SGB III (Ausnahme EXGZ) zur Förderung zur Verfügung. Ergänzt wird dieses Instrumentarium durch sozialhilfetypische Leistungen (§ 16.2 SGB II) – wie z.B. Schuldnerberatung, Drogenberatung, psycho-soziale Be-treuung –, das Einstiegsgeld sowie die Zusatzjobs. Die Bezieher von Arbeitslosengeld II sollen durch den Einsatz von Fallmanagern im Rahmen von Eingliederungsvereinbarungen ebenfalls möglichst schnell in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden.

• Finden diese Arbeitslosen keine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt, sollen ihnen befristete Arbeits-gelegenheiten angeboten werden. In Frage kommen hier sowohl ABM, als auch die so ge-nannten 1-€-Jobs (Mehraufwandsvariante) und die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3 S 1 SGB II (Entgeltvariante). In diesen Varianten sind zusätzliche Qualifizie-rungsmaßnahmen möglich. ABM soll vor allem für ältere Arbeitslose eingesetzt werden. Für Ältere kann dieses Instrument bis zu 3 Jahren angewandt werden.

• Die BA strebt an, dass die Aktivierungsquote von ALG II-Empfängern rd. 26 % betragen soll, und zwar 52 % bei Jugendlichen und 23 % bei den über 25-Jährigen. Vor allem beim Perso-nenkreis der über 25jährigen Langzeitarbeitslosen könnten zukünftig Aktivierungslücken ent-stehen. Verschärfend kommt hinzu, dass die Zahl der real erfassten ALG II Empfänger im Ok-tober 2005 bundesweit durchschnittlich 60 %.34 über den ursprünglichen Schätzungen aus dem Jahr 2003 lagen, die den Planungen für das Eingliederungsbudget für SGB II-Leistungen zu-grunde lagen. Dieses Budget ist eine Leistung aus dem Bundeshaushalt und unterliegt daher aktuellen und zukünftigen Sparzwängen. Mit einer Anpassung an die gestiegenen ALG II Zah-len, um die genannten ursprünglichen Aktivierungsquoten überhaupt erreichen zu können, ist mittelfristig nicht zu rechnen.

• Derzeit bedient das ESF BA-Programm des Bundes SGB II-Bezieher nicht. Die wesentliche Begründung dafür ist, dass – neben den unterstellten nicht ESF konformen Abwicklungsrege-lungen bei den ARGEn und Optionskommunen – das ESF Unterhaltsgeld höher ausfallen wür-de als das SGB II und damit eine nicht zu rechtfertigende Bevorzugung eintreten würde. Aller-dings ist derzeit nicht abzuschätzen, wie die Strategie des Bundes in einem zukünftigen ESF Bundesprogramm bezüglich dieses Personenkreises aussehen wird.

34 In besonders betroffenen Städten und Landkreisen übertreffen die Zahlen auf Grund der erheblichen regionalen Dis-

paritäten die ursprüngliche Schätzung sogar um mehr als 100 %.

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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• Wie bereits erwähnt, bestehen seitens der EU-KOM im Moment keine Bedenken einer Kofi-nanzierung von SGB II und ESF. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass bei der EU-KOM dem Gedanken der sozialen Integration wieder verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ob die Bundesländer in diesem Feld aktiv werden sollten, hängt von der Einschätzung ab, ob die im Rahmen der Umsetzung von SGB II durch den Bund verfolgten Maßnahmen ausreichen und ob ergänzende Maßnahmen einen nennenswerten Arbeitsmarkteffekt haben oder doch zumin-dest zur sozialen Stabilisierung beitragen.

Die Breite und die Vielfalt des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums (SGB II und SGB III) lässt in Bezug auf Instrumente kaum mehr „Lücken“ erkennen. Die in der Regelförderung des SGB III und auch II verfügbaren Förderinstrumente wurden im Zuge der Reformen der Arbeitsmarktgesetz-gebung erweitert. So wurde z.B. das Existenzgründerseminar (vor Gründung), das bisher nur im Rahmen des ESF BA-Programms oder der Länder-ESF Programme förderfähig war, in die Regel-förderung übernommen. Bereits in der Vergangenheit hatte dies zur Konsequenz, dass die Länder im großen Stil Maßnahmen und Leistungsempfänger des SGB III (und auch SGB II) zusätzlich un-terstützt haben, sei es durch eine Verlängerung der Maßnahmen oder durch zusätzliche Instru-mente – z.B. Qualifikation während ABM.

Die zentralen Befunde zu den bundespolitischen Rahmenbedingungen lauten wie folgt:

• Die Strategie der BA – vor allem im SGB III – wird dadurch bestimmt, dass arbeitsmarktpoliti-sche Instrumente einen klaren Integrationsbezug haben sollen. Es werden vor allem kurzzeiti-ge Maßnahmen finanziert. Für FbW gilt die 70 %-Regel, d.h., es werden nur solche Maßnah-men gefördert, die erwarten lassen, dass später 70 % der Teilnehmer einen Arbeitsplatz am 1. Arbeitsmarkt finden.

• Der Aussteuerungsbetrag, den die BA beim Übergang von Arbeitslosengeld I zu Arbeitslosen-geld II zu bezahlen hat, führt mit dazu, dass im Rahmen des SGB III im Wesentlichen nur noch kurzzeitige Maßnahmen, und zwar wohl überwiegend für Arbeitslose mit guten Integrations-chancen, finanziert werden.

• Das Gesamtvolumen der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Bereich des SGB III dürfte weiter abnehmen. Davon betroffen sind in erster Linie die Instrumente FbW und ABM/SAM.

• Die geplanten Aktivierungsquoten sowie der bundespolitische Politikdiskurs im Bereich des SGB II lassen eine relativ hohe Erreichbarkeit zwar bei Jugendlichen durch die Konzentration auf diese Zielgruppe erwarten. Bei den über 25-Jährigen ist dabei allerdings eher eine gegen-teilige Tendenz absehbar.

Für die zukünftige Strategie zur Umsetzung des ESF ergibt sich aus den bundespolitischen Rah-menbedingungen insbesondere die Frage, ob mit dem ESF Lücken, die SGB III und SGB II offen lassen, schließen oder gänzlich andere Strategiebereiche bedient werden sollten. Bezüglich mögli-cher Förderlücken ist festzuhalten:

• Der „Instrumentenkasten“ von SGB III und SGB II ist gut gefüllt, es gibt kaum Lücken.

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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• Unter Umständen entfällt ab 2007 das Gründercoaching des ESF BA-Programms. Für Exis-tenzgründer aus der Arbeitslosigkeit besteht eine Förderlücke v.a. im Bereich der Finanzierung von Investitionen, Geschäftsausstattung und Umlaufvermögen.

• Die Förderung von Alg-I-Beziehern konzentriert sich auf Kurzzeitmaßnahmen, für schwer ver-mittelbare Arbeitslose sind Restriktionen zu konstatieren.

• Die Bemühungen der BA, mit den Beitragsmitteln sparsam umzugehen, haben vermutlich den Nebeneffekt, dass der Übergang von Schwervermittelbaren in Langzeitarbeitslosigkeit nicht entscheidend reduziert wird.

• Die geplanten Aktivierungsquoten und die Begrenzung des Eingliederungsbudgets für Alg II-Bezieher lassen Mengenrestriktionen v.a. bei den über 25-Jährigen erwarten. Hier könnte eine Förderlücke im quantitativen Bereich entstehen.

• Last, but not least ist festzuhalten, dass die Einführung des SGB II eine personenbezogene Förderlücke zur Folge hatte, und zwar sind davon die Personen betroffen, die keinen Anspruch auf Lohnersatzleistungen nach dem SGB III oder II haben, dies sind v.a. verheiratete Frauen, die bisher Arbeitslosenhilfe bezogen, nun aber wegen des Partnereinkommens keine Lohner-satzleistungen mehr erhalten. Grundsätzlich fallen diese Personen zwar unter das SGB III, of-fen ist jedoch, in welchem Umfang diese zukünftig von den Agenturen bedacht werden und ob ein neues ESF Bundesprogramm z.B. die Zahlung eines „Unterhaltgeldes“ für diesen Perso-nenkreis während der Teilnahme an einer FbW-Maßnahme vorsieht. Hier kann sich somit e-benfalls eine Förderlücke auftun, in die ein Länderprogramm stoßen könnte.

Eine Strategie, die (auch) auf die Schließung von Förderlücken setzt, hat mehrere Aspekte zu be-leuchten. Würden mit dem ESF Lücken geschlossen, die sich daraus ergeben, dass Bund oder BA diese Maßnahmen, Instrumente etc. aus Erfolglosigkeit reduzieren, stellt sich naturgemäß die Fra-ge, warum Mittel „sinnlos“ verausgabt werden. Es sei denn, man könnte nachweisen, dass solche Instrumente zwar nicht die Integration in den ersten Arbeitsmarkt bewirken, wohl aber eine soziale Stabilisierung, den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit oder Überwindung von Hilfebedürftigkeit, welches ebenfalls explizite Ziele des SGB II sind.

Förderlücken, die sich aus der eher mit Einsparungen begründeten Reduzierung aktiver Maßnah-men im SGB III ergeben, könnten hingegen – abgesehen von den oben bereits beschriebenen Re-striktionen, die aus einer teilweise ablehnenden Haltung der EU-KOM resultieren –, durchaus aus guten arbeitsmarktpolitischen Gründen geschlossen werden. Aber auch hier stellt sich die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis einer solchen Strategie.

Im Bereich des SGB II ergeben sich Förderlücken vor allem aufgrund der beschriebenen Mengen-restriktionen. Es ist noch nicht abzuschätzen, ob diese auch zu kürzeren Maßnahmen führen und welchen Stellenwert berufliche Qualifizierung dabei haben wird. Insbesondere wird zu klären sein, welchen Beitrag 1-€-Jobs zur Integration leisten können und ob es sinnvoll ist, diese mit ESF Mit-teln zu ergänzen, sei es durch zusätzliche Betreuung und Qualifizierung oder durch ein Aufstocken der Kontingente. Derzeit liegen zu den Arbeitsgelegenheiten noch keine verlässlichen Evaluations-ergebnisse vor, die eine Empfehlung in die eine oder andere Richtung ermöglichen würde.

Fazit: Ob mit dem ESF in Förderlücken des SGB III oder SGB II gestoßen oder (grundsätzlich) an-dere Schwerpunkte und Ziele definiert werden sollen, ist zum einen eine politische Entscheidung

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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und hängt zum anderen davon ab, welche Kofinanzierungsmöglichkeiten für alternative Ansätze überhaupt bestehen und welche Effekte für die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung von sol-chen Instrumenten im Vergleich zu eher traditionellen Ansätzen zu erwarten sind.

1.3.2 Gender-Mainstreaming und die Gleichstellung von Frau und Mann in Deutschland

Die im Jahr 2000 eingesetzte Interministerielle Arbeitsgruppe „Gender Maintreaming“ (IMA GM) ist zentraler Teil des durch das BMFSFJ für den Handlungsbereich der Bundesregierung entwickelten Implementierungskonzeptes. Nach dem Abschluss der ersten Implementierungsphase (u.a. mit ei-ner Aufnahme der Aufgabe Gender-Mainstreaming in die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesverwaltung) ist die Hauptaufgabe der IMA GM nunmehr die Überführung in die Regelpraxis der Ministerien, d.h. insbesondere Aufbau einer verantwortlichen Struktur in jedem Ministeriumsbe-reich. In den vergangenen fünf Jahren sind verschiedenste Aktivitäten in den Bereichen Qualifizie-rung der Verwaltungsstrukturen, Anpassung der Programmstrukturen und Verbesserung der Öf-fentlichkeitsarbeit durchgeführt worden. Als Produkte liegen u.a. Leitfäden zu Gender-Mainstreaming in der Vorbereitung von Rechtsvorschriften, bei Forschungsvorhaben, im Be-richtswesen, in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und im Europäischen Sozialfonds vor. Die In-ternetseite www.gender-mainstreaming.net und die Einrichtung des Genderkompetenzzentrums als Drehscheibe zwischen Wissenschaft und Praxis begleiten die weitere Umsetzung von Gender-Mainstreaming in Deutschland.35

Ein buntes Bild der Gender-Mainstreaming-Aktivitäten findet sich auf Ebene der Bundesländer. Auch hier finden sich interministerielle Arbeitsgruppen, Aufnahme des Ziels in die Geschäftsord-nungen, verwaltungsinterne Handlungen und in Einzelfällen die Gründung spezialisierter Dienst-leistungsstellen.36

Der Nationale Beschäftigungspolitische Aktionsplan für die Bundesrepublik Deutschland 2004 führt als Ziele für die Strategie der beruflichen Gleichstellung in Wiederaufnahme der Ziele der EU-Ebe-ne auf: Erhöhung des Beschäftigtenanteils von Frauen insgesamt, die Steigerung dieses Anteils bei den zukunftsorientierten Berufen sowie in Führungspositionen und darüber hinaus die Verrin-gerung der Einkommensunterschiede. In seinem ersten Implementierungsbericht wird allerdings auf diese Ziele kaum eingegangen.37

Für den Bereich des Gender-Mainstreaming in der Beschäftigungspolitik spielt der ESF auf Grund seines flächendeckenden, die nationale Beschäftigungspolitik ergänzenden und zugleich in die Eu-ropäische Beschäftigungsstrategie eingebundenen Ansatzes eine besondere Rolle. 35 Vgl. http://www.gender-mainstreaming.net/gm/Bundesregierung/umsetzungsstand.html; von der Hauptseite aus erhält

man auch weitere Informationszugänge zu den aufgeführten Arbeitshilfen, zum aktuellen Sachstand und zu weiteren links. Vgl. dazu auch: Halbzeitbewertung für das EPPD Ziel 3 2003, S. 418ff.

36 So das Gender-Institut Sachsen-Anhalt (http://www.g-i-s-a.de/) während in Niedersachsen als „Gegenbeispiel“ „Gen-der“ eher eine Frage des Internetauftrittes von „Frauen online Niedersachsen“ ist und dort Frauenförderung den Schwerpunkt bei der Gleichstellung bildet. Ein Indiz für die unklare Strategie ist auch die 1991 gegründete „Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK)“, die für das Frauen- und Familienministerium Niedersachsen die Konferenz der Frauenministerinnen ist, während Branden-burg den Gleichstellungsaspekt gleichgewichtig betont.

37 Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktionsplan 2004, o.J., S. 31ff.; Der Imple-mentierungsbericht 2005 geht bis auf den Unterpunkt „Nachhaltige Familienpolitik – bessere Infrastruktur für Betreu-ung und Erziehung“ mit seiner Fokussierung auf Kinderbetreuung auf diese Zieldimension nicht weiter ein. (vgl. Bun-desrepublik Deutschland, Implementierungsbericht 2005, S. 6)

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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Die ESF-Halbzeitbewertung Ziel 3 begründet das Gewicht von Gender-Mainstreaming in der Pro-gramm-Implementierung und zeigt dabei indirekt auf, wie das Prinzip zukünftig in der nationalen Programmplanung gestärkt werden könnte: „Das Prinzip des Gender-Mainstreaming ist nicht nur im Planungssystem des ESF, sondern auch im übergeordneten Werte- und Normensystem der EU, der Mitgliedstaaten und einzelner Bundesländer verankert. Es entfaltet deswegen sehr viel größere Verbindlichkeit und damit auch eine größere Steuerungswirkung, als die anderen Quer-schnittsziele. Aus den Expertengesprächen wurde deutlich, dass durch die Berücksichtigung des Ziels und durch die Anwendung der Instrumente des Mainstreaming-Verfahrens ein Bewusstseins-bildungsprozess in Gang gebracht werden konnte, der den Horizont der Möglichkeiten zur Berück-sichtigung des Gleichstellungsziels ausgeweitet hat.

Aus dieser Erfahrung mit der Einführung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes lässt sich schluss-folgern: Wenn die Querschnittsziele ernst genommen werden sollen, brauchen sie eine stärkere in-stitutionelle Verankerung in den Programmen und Verfahren sowie in den grundsätzlichen politi-schen Aussagen der EU und der Länder zu den Grundzügen der ESF Förderung.“38

Gleichstellung und Gender-Mainstreaming seien zwar in allen Zielsystemen der arbeitsmarktpo-litischen Förderstrategien auf Bundesländerebene verankert. Die Umsetzung des Querschnittsziels im ESF sei allerdings mit der Sensibilisierung der Verwaltungsbehörden, der Anpassung der Struk-turen, der Einbindung in die Bewilligungsverfahren durch Leitfäden, Bewertungsraster, eigene Ab-schnitte auf Antragsformularen etc. nur uneinheitlich gelungen. Gender-Mainstreaming werde oft noch mit Frauenförderung gleichgesetzt. Eine systematische Verankerung fehle bei gleichzeitiger Zunahme einzelner Aktivitäten. Als Ausweg wird eine grundsätzliche „positiven Zielbestimmung (empfohlen. Diese) könnte z.B. darin bestehen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die gleichbezahlte Teilhabe von Frauen und Männern stärker in den Mittelpunkt gerückt wird.“39

Darüber hinaus implementierten einzelne Ziel 2-Länderprogramme Gender-Mainstreaming in ihren Programmstrukturen und den Projektauswahlkriterien sehr weitgehend. In der Umsetzung spielen sie aber über sensibilisierende Maßnahmen hinaus keine größere Rolle.40

Die vom BMFSFJ initiierten konkreten Aktivitäten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Be-ruf werden unsystematisch durch länderspezifische Ansätze aus den Landesfamilienministerien unter dem Vorbehalt ergänzt, die Zuständigkeit für die Förderung von Familien und damit auch für eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf liege wesentlich auf der Bundesebene.41 Die von der EU-Kommission geforderten zukünftigen Handlungsnotwendigkeiten für die nationale Ebe-

38 Halbzeitbewertung für das EPPD Ziel 3 2003, S. XXI 39 Ebd. S. 426; vgl.a. ebd. S. 121, 413, 418ff und 424ff. 40 Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen werden in der Mitteilung der Kommission. Implementierung des

Gender-Mainstreaming in den Strukturfonds-Programmplanungsdokumenten 2000-206, KOM (2002) 748 endg. v. 20.12.2002, hier insbes. S. 11 herausgehoben erwähnt. In NRW hat die Organisation „Frau und Beruf“ in Castrop-Rauxel einen Begleitauftrag zum Gender-Mainstreaming im Ziel 2-Programm NRW erhalten. Vgl. zur Umsetzung: Halbzeitbewertung des Ziel 2-Programms 2000-2006 des Landes Nordrhein-Westfalen – Abschlussbericht – Novem-ber 2003. „In der Praxis relativiert sich die Rolle der Querschnittsziele allerdings. Sie werden beachtet, schlagen sich aber nicht als entscheidendes Kriterium [bei der Projektauswahl und Programmgestaltung] nieder.“ (ebd. S. 365)

41 Einzelne Ansätze finden sich bei den Familienministerien in NRW, Niedersachsen, Brandenburg oder Sachsen-Anhalt, während dies in Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern anderen Handlungs-bereichen überlassen wird: Z.B. Modellversuche zur betrieblich gestützten Tagespflege (NRW); Ideenwettbewerbe und Diskussionsreihen zur Verbindung von Familie und Beruf (Brandenburg); Berufsrückkehr, Frau und Beruf und ein umfangreicherer Internetauftritt (Niedersachsen); Audit Familie und Beruf (Sachsen-Anhalt)

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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ne in Europa (vgl. Kapitel 1.2) werden in Deutschland bislang insgesamt nur unsystematisch auf-genommen.

Als Schlussfolgerung für die zukünftige Ausrichtung lässt sich festhalten: Die ab 2007 größere Ge-staltungsnotwendigkeit im Rahmen des ESF eröffnet die Möglichkeit einer allerdings nur beispiel-haften Systematisierung in der Beschäftigungspolitik. In Deutschland spielt der ESF quantitativ nur eine ergänzende Rolle zu den gewichtigen nationalen Leistungsgesetzen SGB II und SGB III.

In der zukünftigen Umsetzung des ESF besteht die Chance, die vom BMFSFJ selbst ebenfalls be-mängelte „konzeptionelle Unklarheit“ in der Anordnung der Politikfelder und Querschnittsziele, die für die jetzige Programmperiode bis 2006 festgestellt wurde,42 in der Anlage der nationalen Pro-grammplanung zu vermeiden. Zum einen ist die Problematik erkannt und zum anderen wird es die Politikfelder in dieser Form voraussichtlich nicht mehr als Vorgabe von Seiten der EU-Verordnungen geben. Dadurch kann es nicht mehr zu einer Verwechslung des Querschnittsziels mit einer speziellen Maßnahme kommen. Der Rückhalt von Seiten der EU-Verordnungen, die Gleichstellung von Frau und Mann in allen Interventionen zu verankern, ist auf strategischer Ebene so stark wie nie zuvor. Die wirtschaftspolitische Notwendigkeits-Begründung seit dem Kok-Bericht aus 2003 erleichtert die Durchsetzung.

Das Prinzip des Gender Mainstreaming strukturell in alle Zielebenen mit einzubeziehen und es da-mit als Schwerpunkt der Umsetzung in Deutschland zu definieren hieße beispielsweise:

- Bei der Programmierung das Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf konse-quent zu berücksichtigen, d.h. in allen Aktionsfeldern geeignete Maßnahmen vorzusehen, zu konzipieren und umzusetzen;

- Im Rahmen des Konvergenz-Ziels den Ausbau der Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen und Männer konsequenter auf die Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Frauen, die Arbeitsflexi-bilisierung zugunsten von Familienarbeit und die Definition von gender-orientierten Qualifizie-rungsfeldern auszurichten;

- Im Rahmen des Ziels Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung die vorhandenen Bildungskom-petenzen von Frauen und Männern systematisch in Wirtschaftsstrukturen einzubinden;

- Die Ausweitung der Anpassungskompetenzen durch gender-orientierte Bildungs- und Be-schäftigungsansätze erweitern

- Die Verbindung mit den beiden anderen herausgehobenen Zielgruppen Jugendliche im Über-gang Schule-Beruf und Ältere zwischen 55-64 Jahren im Berufsleben in der Ziellegung herzu-stellen;

- Dies als zentrale Aufgabe des Begleitausschusses zu definieren.

Auf der Instrumentenebene bedarf es damit fortentwickelnder Aktivitäten durch die Bundesebene, die insbesondere auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in all ihren Facetten ausge-richtet sind: Verbesserte Kinderbetreuung, verbesserte Arbeitszeitregelungen, verbesserter Zu-gang zu Finanzierungsinstrumenten, verbesserte Einkommensangleichung durch Änderungen im Steuersystem, verbesserter Zugänge zu beruflicher Bildung von Beschäftigten.

42 Leitfaden zur Implementierung und Umsetzung von Gender-Mainstreaming im Europäischen Sozialfonds, Berlin 2005,

S. 6

Kapitel 1: Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene ISG-Dresden

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Die Vorgehensweise sollte dabei die Ambivalenz einer zentralisierten Aufgabenzuweisung für Gen-der-Mainstreaming an eine einzelne Institution berücksichtigen. Ist diese in der nationalen Pro-grammplanungsstruktur nicht herausgehoben verankert, gerät Gender Mainstreaming in die Ge-fahr der Nischenexistenz. Ist die herausgehobene Einbindung mit einer umfassenden operativen Aufgabenstellung verbunden, droht die Gefahr, einer nicht ausreichend ausstrahlenden Umset-zung. Daher sollte die Anbindung an die vorhandenen und zukünftig geplanten nationalen Umset-zungsstrukturen erreicht werden, in der ein Motor mit steuernden Kompetenzen ausgestattet wird. Das zieht entsprechende Anforderungen an Monitoring, Controlling und Evaluation nach sich.

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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2. Ergebnisse und Wirkungen gleichstellungsorientierter Förderansätze im ESF 2000-2006

2.1 Ergebnisse des ESF Monitorings und der ESF Halbzeitbewertung des Bundes

Aus dem ESF Monitoring lassen sich nur in eingeschränkter Weise Ergebnisse hinsichtlich des Stands der Erreichung gleichstellungsbezogener Ziele ableiten. Bekannt sind die nach Politikfel-dern und Maßnahmen verausgabten Mittel (ESF und nationale Ebene) für die Jahre 2000 bis 2004 sowie der Stand der Mittelbindungen ab 2005 bis zum Ende der Förderperiode. Darüber hinaus lässt sich die Zahl von Teilnehmereintritten sowie der Teilnehmerbestand nach Jahren differenziert darstellen. Der einzige direkte Hinweis für das Erreichen gleichstellungsbezogener Zielsetzungen ergibt sich aus der Differenzierung von durchgeführten ESF Projekten nach ihrem Bezug zum Gleichstellungsziel. Demnach werden Projekte differenziert in solche, die „hauptsächlich“ das Gleichstellungsziel verfolgen, die „auch“ dieses Ziel verfolgen oder die sich „neutral“ in Bezug auf das Gleichstellungsziel verhalten.

Hinsichtlich der Angaben der Bewilligungsstellen zu den Querschnittszielen in den Stammblättern werden deutliche Unterschiede zwischen den Jahren 2003 und 2004 augenscheinlich (vgl. Über-sicht 1). Machten in 2003 ca. 25 % keine Angaben zu den Querschnittszielen, so waren in 2004 von nahezu allen Bewilligungsstellen Angaben zu diesem Aspekt vorhanden. Gleichzeitig kann ei-ne starke Steigerung von Projekten mit einer aus Sicht der Bewilligungsstellen starken Ausrichtung auf Gleichstellung nachgezeichnet werden. Danach lag der Anteil der Projekte, die „auch“ chan-cengleichheitsorientiert sind in 2003 noch bei 18 %, in 2004 hingegen bereits bei 48,5 %. Begrün-den lässt sich diese Steigerung sicher z.T. mit der Tatsache, dass sich in 2003 in den meisten Fondsverwaltungen die Strukturen und Verfahren zur Integration der Querschnittsziele noch in der Entwicklungsphase befanden. Somit können die Resultate aus 2004 auch als Folge einer eingetre-tenen Sensibilisierung gewertet werden. Jedoch ist zu beachten, dass die Angaben zu den Quer-schnittszielen in den Stammblättern nicht begründet werden müssen und über die Inhalte dessen, was „auch“ oder „hauptsächlich“ zum Gleichstellungsziel beiträgt, der subjektiven Interpretation überlassen bleibt. Überprüfbare Kriterien wurden hierzu weder zu Beginn noch im Lauf der Förder-periode 2000-2006 definiert oder vereinbart. Die Angaben in den Stammblättern allein sind also kaum ausreichend zur Überprüfung des Querschnittsziels Gleichstellung.

Die Evaluierung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des ESF in Deutschland EPPD Ziel 3 konstatiert für den Programmvollzug im Politikbereich E / Maßnahme 10 insgesamt ein zufrieden-stellendes Ergebnis. Danach wurde in der ersten Hälfte der Förderperiode Maßnahme 10 trotz der Erhöhung der geplanten Maßnahmeeintritte um mehr als 50 % fast vollständig umgesetzt. In 2003 lag die Teilnehmerzahl sogar um zwei Drittel höher als geplant. Ausschlaggebend für dieses posi-tive Ergebnis waren JuSoPro (Einstellungsbeihilfen am 1. Arbeitsmarkt) und das ESF-BA-Pro-gramm (Coaching für Existenzgründerinnen).

Auch in 2004 wurde die geplante Teilnehmerzahl insgesamt übertroffen, jedoch gingen die Teil-nehmerzahlen auf Bundesebene im Vergleich zu 2003 vor allem aufgrund des im Jahr 2003 aus-gelaufenen JuSoPro zurück (vgl. Übersicht 2).

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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Übersicht 1: Bewilligte Projekte nach dem Beitrag zur Chancengleichheit 2004

Bewilligte Projekte nach Beitrag zur Chancengleichheit Gesamt Ziel 3 Ziel 1 ESF

Maß- nahmen Haupt-

sächlich Auch Neutral Keine Angabe

SummeProjekte

Haupt-sächlich Auch Neutral Keine

AngabeSummeProjekte

Haupt-sächlich Auch Neutral Keine

AngabeSumme Projekte

1 83 454 662 87 1.286 83 452 662 87 1.284 0 2 0 0 2 2 20 523 145 5 693 20 421 133 5 579 0 102 12 0 114 3 0 5 23 0 28 0 5 23 0 28 0 0 0 0 0 4 147 1.304 366 14 1.831 147 1.280 365 14 1.806 0 24 1 0 25 5 246 1.933 2.572 8 4.759 1 545 52 0 598 245 1.388 2.520 8 4.161 6 41 261 179 16 497 41 238 174 16 469 0 23 5 0 28 7 49 274 1.585 17 1.925 48 271 1.585 17 1.921 1 3 0 0 4 8 0 534 0 0 534 0 479 0 0 479 0 55 0 0 55 9 91 1.408 949 8 2.456 91 563 948 8 1.610 0 845 1 0 846

10 1.238 68 22 8 1.336 761 67 22 8 858 477 1 0 0 478 11 639 1.962 336 0 2.937 531 1.460 218 0 2.209 108 502 118 0 728

12.1 0 3 23 6 32 0 3 23 5 31 0 0 0 1 1 12.2 0 5 42 10 57 0 3 41 10 54 0 2 1 0 3

Summe 2.554 8.734 6.904 179 18.371 1.723 5.787 4.246 170 11.926 831 2.947 2.658 9 6.445

Quelle: ISG-Dresden 2005; Eigene Auswertungen auf Basis des ESF Begleitsystems.

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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Übersicht 2: Teilnehmereintritte und Teilnehmerbestand - Bund und Länder 2004 (Alle Maßnahmen) Teilnehmereintritte absolut Teilnehmerbestand absolut

Gesamt Ziel 3 Ziel 1 ESF Maß-

nahmen Ingesamt Männer Frauen Ingesamt Männer Frauen Ingesamt Männer Frauen

ESF Maß-

nahmen Insgesamt Ziel 3 Ziel 1

1 46.730 28.394 18.336 45.886 27.963 17.923 844 431 413 1 114.795 90.518 24.2772 113.690 60.230 53.460 110.931 58.877 52.054 2.759 1.353 1.406 2 131.308 123.732 7.5763 1.043 877 166 1.043 877 166 0 0 0 3 2.237 2.237 04 119.750 68.621 51.129 106.876 61.078 45.798 12.874 7.543 5.331 4 155.016 132.823 22.1935 49.600 28.111 21.489 14.719 9.583 5.136 34.881 18.528 16.353 5 51.111 16.230 34.8816 241.708 171.947 69.761 224.709 165.086 59.623 16.999 6.861 10.138 6 292.233 275.234 16.9997 49.489 29.309 20.180 43.959 26.566 17.393 5.530 2.743 2.787 7 87.789 73.844 13.9458 13.346 9.721 3.625 11.966 8.666 3.300 1.380 1.055 325 8 15.503 14.009 1.4949 37.682 36.508 1.174 16.484 15.326 1.158 21.198 21.182 16 9 49.617 21.163 28.45410 39.471 911 38.560 27.232 743 26.489 12.239 168 12.071 10 70.283 40.234 30.04911 82.111 38.465 43.646 55.506 25.555 29.951 26.605 12.910 13.695 11 92.103 59.126 32.977

12.1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 12.1 0 0 012.2 200 100 100 200 100 100 0 0 0 12.2 200 200 0

Summe 794.820 473.194 321.626 659.511 400.420 259.091 135.309 72.774 62.535 Summe 1.062.195 849.350 212.845

Teilnehmereintritte in % Teilnehmerbestand in % Gesamt Ziel 3 Ziel 1

ESF Maß-

nahmen Ingesamt Männer Frauen Ingesamt Männer Frauen Ingesamt Männer Frauen

ESF Maß-

nahmen Insgesamt Ziel 3 Ziel 1

1 5,9 60,8 39,2 7,0 60,9 39,1 0,6 51,1 48,9 1 10,8 78,9 21,12 14,3 53,0 47,0 16,8 53,1 46,9 2,0 49,0 51,0 2 12,4 94,2 5,83 0,1 84,1 15,9 0,2 84,1 15,9 0,0 /. /. 3 0,2 100,0 0,04 15,1 57,3 42,7 16,2 57,1 42,9 9,5 58,6 41,4 4 14,6 85,7 14,35 6,2 56,7 43,3 2,2 65,1 34,9 25,8 53,1 46,9 5 4,8 31,8 68,26 30,4 71,1 28,9 34,1 73,5 26,5 12,6 40,4 59,6 6 27,5 94,2 5,87 6,2 59,2 40,8 6,7 60,4 39,6 4,1 49,6 50,4 7 8,3 84,1 15,98 1,7 72,8 27,2 1,8 72,4 27,6 1,0 76,4 23,6 8 1,5 90,4 9,69 4,7 96,9 3,1 2,5 93,0 7,0 15,7 99,9 0,1 9 4,7 42,7 57,310 5,0 2,3 97,7 4,1 2,7 97,3 9,0 1,4 98,6 10 6,6 57,2 42,811 10,3 46,8 53,2 8,4 46,0 54,0 19,7 48,5 51,5 11 8,7 64,2 35,8

12.1 0,0 /. /. 0,0 /. /. 0,0 /. /. 12.1 0,0 /. /.12.2 0,0 50,0 50,0 0,0 50,0 50,0 0,0 /. /. 12.2 0,0 100,0 0,0

Summe 100,0 59,5 40,5 100,0 60,7 39,3 100,0 53,8 46,2 Summe 100,0 80,0 20,0

Quelle: ISG-Dresden 2005; Eigene Auswertungen auf Basis des ESF Begleitsystems.

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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Hinsichtlich des finanziellen Verlaufs der ESF Interventionen im Politikbereich E in der ersten Hälf-te der Förderperiode muss vorangestellt werden, dass die finanzielle Ausstattung unter Einbezie-hung von 15 Mio. € aus der Effizienzreserve von 199 auf 128 Mio. € reduziert wurde. Diese Kür-zung soll jedoch keineswegs eine gesunkene Bedeutung des Querschnittsziels „Gleichstellung“ widerspiegeln, sondern vielmehr die Erreichung dieses Ziel in allen Politikbereichen in stärkerem Maß gewährleisten. Die Verausgabung und Bindung der geplanten Mittel im Politikbereich E lag bis einschließlich 2004 bei drei Viertel der nach der Programmänderung für die gesamte Förder-periode geplanten ESF Mittel. Somit kann für den Politikbereich E eine vergleichsweise planmä-ßige Programmumsetzung festgestellt werden.

Der Anteil der Frauen an den Maßnahmen im EPPD Ziel 3-Fördergebiet lag in den einzelnen Jah-ren zwischen 42 und 48 %. Zudem sind Frauen in fast allen Politikbereichen und Maßnahmen ent-sprechend ihren Anteilen an den jeweiligen statistischen Bezugsgrößen beteiligt. Lediglich im Poli-tikbereich D sind Frauen leicht unterrepräsentiert. Dies ist zum einen die Folge spezifischer Zuord-nungen von Projekten und Maßnahmen. Beispielsweise wurde der überwiegende Teil der Projekte, die Frauen bei der Existenzgründung unterstützen, im Politikbereich E „verbucht“. Andererseits wird die Maßnahme „Kurzarbeit und Qualifizierung“ überwiegend von Berufen z.B. im Bergbau und der Stahlindustrie mit einem überproportionalen Männeranteil dominiert. Betrachtet man die Vertei-lung der Zielgruppen auf die einzelnen ESF-Maßnahmen 2001-2004 so lässt sich ein erwartungs-gemäß hoher Frauenanteil in Maßnahme 10 feststellen (Vgl. Übersicht 3).

Übersicht 3: Anteile von Jugendlichen, Frauen und Langzeitarbeitslosen in einzelnen ESF-Maßnahmen 2001-2004

Maßnahme Jugendliche Anteil in %

Frauen Anteil in %

Langzeitarbeitslose Anteil in %

Politikbereich A 69 39 16• Maßnahme 1 95 33 9• Maßnahme 2 16 52 29• Maßnahme 3 23 33 28Politikbereich B 39 44 35• Maßnahme 4 42 46 25• Maßnahme 5 14 35 99Politikbereich C 76 37 1Politikbereich D 17 35 3• Maßnahme 7 22 40 1• Maßnahme 8 4 28 0• Maßnahme 9 6 17 11Politikbereich E 25 90 19Politikbereich F 56 55 18Gesamt 53 44 13

Quelle: RWI, SÖSTRA, Ronning, G., Evaluierung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des ESF in Deutschland, För-derperiode 2000-2006 EPPD Ziel 3, Halbzeitbewertung, 2005.

Trotz des zielgerechten Frauenanteils in fast allen Maßnahmen lässt sich keine abschließende Aussage darüber treffen, ob man grundsätzlich von der Erreichung geschlechterspezifischer Ent-scheidungsverfahren ausgehen kann. Denn letztlich lässt sich kein Zusammenhang zwischen ho-hen weiblichen Teilnehmerzahlen und der erfolgreichen Umsetzung des Gender-Mainstreaming-

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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Ansatzes herstellen. Offen bleibt, inwieweit die Maßnahmen traditionelle Geschlechterrollen und Segmentierungen aufgreifen oder diesen positiv entgegenwirken.

Teilnehmerbefragungen zu ausgewählten Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik im Rahmen der Halbzeitbewertung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des ESF in Deutschland im EPPD Ziel 3 machen indes deutlich, dass die Maßnahmen zur Förderung des Zugangs der Frauen ins Er-werbsleben zum überwiegenden Teil klassische Geschlechtermuster fortschreiben. Zunächst ein-mal ist positiv hervorzuheben, dass die geschlechterspezifischen Weiterbildungen (Maßnahmen für Berufsrückkehrerinnen, spezifische Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen) vorherrschen. Die-ser Anteil ist in 2004 im Vergleich zu 2003 sogar von 50 % auf 59 % gestiegen. Nur rd. ein Drittel aller Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen fanden im Anschluss einen Arbeitsplatz. Dabei ist der Anteil der Frauen, die im Anschluss an die Maßnahme in qualifizierten Angestel-ltenverhältnissen beschäftigt ist, beinahe doppelt so hoch wie der Anteil der Männer. Im Gegensatz dazu ist bei Männern der Anteil der Facharbeitertätigkeiten weitaus stärker ausgeprägt als bei Frauen. Differenziert nach Branchen ist der überwiegende Teil der Männer im Verarbeitenden Ge-werbe tätig und Frauen vorwiegend im Gesundheits- und Sozialwesen. Dies spiegelt sich auch in der Art der Weiterbildung wider. Frauen werden in der Mehrzahl für eine Angestelltentätigkeit qua-lifiziert, wogegen bei Männern Anpassungsqualifizierungen und der Erwerb eines Facharbeiterbrie-fes vorherrschen. Ein Blick auf die Art der Arbeitsverhältnisse, welche von den Teilnehmern im An-schluss an die Maßnahme aufgenommen werden, zeigt eine klare Benachteiligung von Frauen. Der Anteil der Frauen, welche sogenannte unsichere Arbeitsverhältnisse wie Teilzeitarbeitsplätze, Mini-Jobs u.ä. oder befristete Stellen inne haben, ist demnach auffallend höher (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Art der Arbeitsverhältnisse nach der Weiterbildung und dem Geschlecht

Quelle: RWI/SÖSTRA ESF-Befragung 2005

Zusammenfassend kommen die Evaluatoren zu dem Schluss, dass es politischer Weichenstellun-gen in Form von Strategien zur beruflichen Förderung von Frauen - z.B. zur Erlangung und Siche-

55 45

33

67

76

24

48 52

91

9

97

3

Befristet Unbefristet Vollzeit Teilzeit Nein Ja

Weiblich in %Männlich in %

Befristung der Stelle Voll- oder Teilzeit Mini-Job u.ä.

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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rung von Führungspositionen - und zur Vermeidung geschlechtertypischen Berufswahlverhaltens von Frauen und Männern bedarf. Auf Ebene der Projektträger bieten sich klare Anforderungen in den Förderrichtlinien, Wettbewerbe und eindeutige Zielvereinbarungen an. Des Weiteren ist eine Weiterarbeit an der Klärung und Konkretisierung des Querschnittziels notwendig, um die de-facto noch immer vorhandene Nachrangigkeit von Gender-Mainstreaming bei der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle von Maßnahmen abzubauen.43

2.2 ESF Ansätze des Bundes zur Förderung der Gleichstellung

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert unter dem Dach der „Gleichstellung“ die Programme „Lokale Bündnisse für Familie“, das Audit „Beruf und Familie“, den Bundeswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2005“, das Portal „Mittelstand und Familie“, die Kam-pagne der Bundesregierung zum Ausbau der Kinderbetreuung sowie das Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie. Unternehmen gewinnen“, welche sich speziell dem Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf widmen. Der beruflichen Aus- und Weiterbildung von Frauen zu zuordnen sind die Förderansätze „Girls’ Day – Mädchen-Zukunftstag“, die „Bundesweite Gründerinnenagen-tur (bga)“- letztere beide zusammen mit BMBF - , das Modellprogramm „IT-LandFrauen“ sowie das Portal „Frauen machen Karriere“. Alle aufgezählten Programme werden aus Mitteln des ESF mitfi-nanziert. Ausgelaufen sind im Jahr 2003 die Gender-Mainstreaming Seminare für Verantwortliche der ESF Strukturfonds auf Bundes- und Länderebene. Die aktuell umgesetzten Programme wer-den im Folgenden kurz dargestellt und – soweit entsprechende Informationen zur Verfügung ste-hen – auch bewertet.

2.2.1 Ansätze zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Lokale Bündnisse für Familie

Die Initiative „Lokale Bündnisse für Familie“ hat in erster Linie zum Ziel, vorhandene und neue Zu-sammenschlüsse von Partnern aus Politik und Verwaltung, Unternehmen, Kammern und Gewerk-schaften, freien Trägern, sozialen Einrichtungen, Kirchengemeinden, Initiativen etc., die gemein-sam familienfreundliche Maßnahmen initiieren, voranzutreiben und durch kostenlose Beratungsan-gebote zu unterstützen. Im Fokus steht die Balance von Familie und Erwerbsarbeit mittels betrieb-licher Maßnahmen sowie flankierender Maßnahmen von Kommunen und sozialen Organisationen. Verbesserte Kinderbetreuungsangebote, flexible Arbeitszeiten oder Qualifizierungsangebote unter-stützen erwerbstätige Eltern, wirken positiv auf die Entscheidung zur Familiengründung und er-möglichen eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Familie. Der Bund (BMFSFJ) fördert im Rahmen dieser Initiative ein Servicebüro, das allen Interessierten seit dem 1. Dezember 2003 zur Verfügung steht, welches u.a. bei der Gründung neuer Bündnisse berät und bereits bestehende Bündnisse unterstützt, Informationsmaterialien und -veranstaltungen anbietet, PR-Beratung und PR-Unterstützung vor Ort leistet sowie nationale und lokale Fachveranstaltungen und Kongresse organisiert.

43 Vgl. RWI, SÖSTRA, Ronning, G., Evaluierung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des ESF in Deutschland, För-

derperiode 2000-2006 EPPD Ziel 3, Aktualisierung der Halbzeitbewertung, 2005.

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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Das ESF Vorhaben „Lokale Bündnisse für Familie“ wurde in 2003 vom BMFSFJ ins Leben gerufen und hat sich von Beginn an erfolgreich etabliert. Unterschieden nach Ziel 1 und Ziel 3 ist eine un-terschiedliche Entwicklung festzustellen. So gibt es im Ziel1-Gebiet bislang im Vergleich zum Ziel 3-Gebiet weniger Netzwerke. Die Ursachen sind sicherlich in der wirtschaftlichen Lage, der schwä-cher ausgeprägten Vereins- und Trägerlandschaft als auch im relativ gut ausgebauten Kinderbe-treuungsangebot in den neuen Bundesländern zu suchen. Bis einschließlich Mai 2005 wurden in 142 Kommunen Bündnisse geschaffen. In 2004 wurde die Förderung sogenannter Innovationspilo-ten neu aufgenommen, welche modellhaft die Möglichkeiten einzelner Akteure für Lokale Bündnis-se an verschiedenen Standorten erprobt.

Über den Umfang der Erreichung der strategischen Ziele wie der familienfreundlichen Gestaltung des Lebensumfeldes oder der operationellen Zielen wie der Verbesserung der Betreuungssitua-tion, Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Familienbildung können aus zwei Gründen keine generalisierenden Aussagen gemacht werden: Zum einen macht die Dezentralität und inhaltliche Selbstständigkeit der Bündnisse ein bundesweites Controlling normativ wie operativ unmöglich; zum anderen erschwert die Heterogenität der Bündniszusammensetzungen und Grün-dungszeitpunkte die Vergleichbarkeit der Erfolge. Eine vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) im Jahr 2004 durchgeführte Befragung bei 69 Lokalen Bündnissen kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass es mit dem Bündnisansatz gelingt, familienpolitische Impulse zu setzen und die Interessen unter-schiedlicher Akteure aus Politik, sozialen Organisationen, Wirtschaft und nicht zuletzt der Familien selbst zu bündeln.44

Audit „Beruf und Familie“

Das Audit „Beruf und Familie“ der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung ist ein strategisches Manage-mentinstrument zur Förderung einer familienbewussten Personalentwicklung in Unternehmen. Be-reits 1995 startete das Audit „Beruf und Familie“ als Pilotprojekt auf Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Nachdem das Projekt aus Sicht der Stiftung seine Umsetzbarkeit und Effizienz be-wiesen hatte, wurde 1998 die Beruf & Familie gGmbH gegründet, welche das europaweite Mar-kenrecht am Audit besitzt. Seit 2004 wird das Projekt aus Mitteln des ESF mitfinanziert.

Anliegen des Projektes ist es, in den Unternehmen eine familienbewusste und zugleich unterneh-mensgerechte Personalpolitik zu etablieren, welche die Motivation und Zufriedenheit der Beschäf-tigten verbessert, zum Stressabbau beiträgt und in der Folge die Fluktuations- und Krankheitsquo-ten minimiert. Für Unternehmen besteht der Anreiz einer Zertifizierung im Imagegewinn bei Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern, bei potenziellen qualifizierten Bewerbern (Personalrekrutierung) so-wie bei potenziellen Kundinnen und Kunden des Unternehmens.

Am Anfang der Auditierung steht ein Vorbereitungsgespräch zwischen Auditor und einem Ent-scheidungsträger des Unternehmens, welches den Zeithorizont der Auditierung, die inhaltliche Vorbereitung eines Auditierungsworkshops, die Zielsetzung sowie die Einbindung des Audits in die Gesamtstrategie des Unternehmens beinhaltet. Die Umsetzung des Audits wird durch eine Projekt-gruppe gestützt, welche das Unternehmen in seinen hierarchischen, organisatorischen und sozia-

44 Vgl. Deutsches Jugendinstitut (DJI), Ergebnisbericht der fachlich-wissenschaftlichen Begleitung Lokale Bündnisse für

Familie (von 12.2003 bis 02.2005).

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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len Strukturen widerspiegelt. In einem Auditierungsworkshop werden gemeinsam mit dem Auditor Ziele und Maßnahmen festgelegt, welche mit der Unternehmensleitung abgestimmt und innerhalb von drei Jahren umgesetzt werden sollen. Handlungsfelder des Audits sind:

1. Arbeitszeit

2. Arbeitsorganisation

3. Arbeitsort

4. Informations- und Kommunikationspolitik

5. Führungskompetenz

6. Personalentwicklung

7. Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen

8. Service für Familien

9. Betriebsspezifika.

Der Auditor schlägt das auditierte Unternehmen dem unabhängigen Audit-Rat zur Grundzertifizie-rung (= Begutachtung des Bestands an familienorientierten Maßnahmen und Bestätigung, weiter-führende Zielvorgaben für einen Zeitraum von drei Jahren definiert zu haben) vor, wobei der be-gonnene Prozess und nicht bisherige familienfreundliche Maßnahmen entscheidendes Kriterium ist. Nach drei Jahren werden die erreichten Ziele mittels Re-Auditierung überprüft und weiterfüh-rende Ziele und Maßnahmen festgelegt. Mit dem Zertifikat zum Audit Beruf & Familie® wird den Unternehmen bescheinigt, eine familienbewusste Personalpolitik zu betreiben und kontinuierlich die Balance von Erwerbsarbeit und Familie weiterzuentwickeln.

In 2004 wurden insgesamt 34 Grundzertifikate und Zertifikate (darunter 6 Hochschulen) sowie in 2005 insgesamt 116 Grundzertifikate und Zertifikate (darunter 17 Hochschulen) verliehen.

Bundeswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2005“

In 2004 startete in Zusammenarbeit mit dem BMWA der Bundeswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2005“ mit dem Ziel, Unternehmen auszuzeichnen, welche sich vorbildlich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie engagieren sowie größtmögliche Nachahmungseffekte zu erreichen. Teilnahme-berechtigt sind alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland, welche bereits familienfreundliche Maß-nahmen im Unternehmen integriert haben. Hierbei kann es sich neben individuellen Maßnahmen auch um die Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben handeln. Bewerben können sich Unterneh-men in den Kategorien "kleine Unternehmen" (bis 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter), "mittelgro-ße Unternehmen" (bis 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) und "große Unternehmen" (über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter). Das familienfreundlichste Unternehmen in den drei Kategorien erhält jeweils 10.000 Euro. Darüber hinaus wird ein „Innovationspreis“ für besonders zukunftsträch-tige familienfreundliche Maßnahmen verliehen. Die Auditoren treffen im Rahmen eines Auswahl-verfahrens eine Vorauswahl der 10 familienfreundlichsten Unternehmen pro Kategorie. Die Quali-tät der familienfreundlichen Maßnahmen dieser Unternehmen wird vor Ort überprüft. Die ermittel-ten 30 familienfreundlichsten Unternehmen können sich kostenfrei durch die Beruf & Familie gGmbH auditieren und grundzertifizieren lassen. Die familienfreundlichen Angebote der Unterneh-

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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men werden hinsichtlich der Nachhaltigkeit, Effektivität und Reichweite bewertet. Ebenso entschei-dend ist, inwieweit die Maßnahmen in Kooperation mit lokalen Partnern initiiert wurden. Unterneh-men haben eine Vielzahl von Möglichkeiten familienfreundliche Maßnahmen umzusetzen, z.B. mit-tels Beratungsangeboten für Eltern, Kontakthalte- und Wiedereinstiegsprogrammen für Beschäf-tigte in der Elternzeit, Teilzeitangeboten, Arbeitszeitflexibilität, Telearbeit oder betrieblicher bzw. betrieblich unterstützter Kinderbetreuung. Insgesamt haben sich 366 Unternehmen im Rahmen des Bundeswettbewerbes „Erfolgsfaktor Familie 2005“ beworben.

Portal „Mittelstand und Familie“

In 2005 wurde auf Initiative des BMFSFJ und der Bertelsmann Stiftung das Internetportal „Mit-telstand und Familie“ (www.mittelstand-und-familie.de) eingerichtet. Hier finden Arbeitgeber, Be-schäftigte oder Multiplikatoren Informationen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das Portal gliedert sich in die drei Hauptsäulen „Lösungen“, „Infoline“ und „Akademie“. Im Bereich „Lösungen“ finden Interessierte Best-Practice-Beispiele für familienfreundliche Maßnahmen. Der Bereich „Info-line“ bietet die Möglichkeit sich per Telefon oder E-Mail kostenlos von Experten im Rahmen des Themenkreises Mittelstand und Familie beraten zu lassen. Abgerundet wird das Internetangebot durch den Bereich „Akademie“, welcher zusätzliches Informationsmaterial, wie Studien, Präsen-tationen, Buchhinweise etc. zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur Verfügung stellt.

Kampagne der Bundesregierung zum Ausbau der Kinderbetreuung

Gemeinsam mit prominenten Unterstützern wurde am 19. April 2005 die Kampagne zum Ausbau der Kinderbetreuung "Kinder kriegen mehr..." ins Leben gerufen. Mit bundesweiten Anzeigen und Plakaten wird über die Perspektiven von mehr und qualifizierter Betreuung, früher Förderung der Kinder sowie einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf informiert. Bestandteil der Kam-pagne sind ebenso der Ausbau integrierter Tagespflege, eine Veranstaltungsreihe zum Betreu-ungsausbau und auch zur Vermittlung konkreter Hilfen (vgl. www.deutschland-wird-familienfreund-lich.de).

Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie. Unternehmen gewinnen“

Mit dem Programm sollen Ressourcen gebündelt werden, um die praktische Umsetzung von Fami-lienfreundlichkeit voranzutreiben und in die breite Fläche zu tragen. Ziel ist es, deutlich mehr Un-ternehmen zu überzeugen, familienfreundliche Personalpolitik als strategisches Managementin-strument in der Unternehmensführung zu nutzen und Familienfreundlichkeit zu einem Markenzei-chen der deutschen Wirtschaft zu machen. Module sind beispielsweise ein Leitfaden zum berufli-chen Wiedereinstieg nach familienbedingter Auszeit und eine Handlungshilfe zur betrieblich unter-stützten Kinderbetreuung, die jeweils auf die unterschiedlichen Bedarfe von großen, mittleren und kleinen Unternehmen eingehen. Eingebettet sind die einzelnen Module in ein Konzept, das die en-ge Einbindung von Tarifpartnern, Personalverantwortlichen und Betriebsräten vorsieht und die be-reits vorhandenen Potenziale in den Betrieben effektiv nutzt. Die Laufzeit des Programms ist vor-erst angelegt bis Ende September 2006.

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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2.2.2 Ansätze zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung von Frauen

Girls’ Day – Mädchen-Zukunftstag

Das Projekt Girls’ Day – Mädchen-Zukunftstag bietet Schülerinnen der Klassen 5 bis 10 Einblick in technische Berufsfelder, welchen Mädchen im Rahmen der Berufsorientierung nur selten Beach-tung schenken. Insbesondere technische Unternehmen und Abteilungen, Hochschulen, For-schungszentren und ähnliche Einrichtungen öffnen ihre Türen und bieten Veranstaltungen an, auf denen von den Teilnehmerinnen anhand von praktischen Beispielen in Labors, Büros, Werkstätten und Redaktionsräumen erlebt werden kann, wie interessant und spannend die Arbeit in einem technischem Beruf sein kann. Zielsetzung des Projektes ist zum einen die Herstellung von hilfrei-chen Kontakten, die Mädchen einen Weg in einen technischen Beruf öffnen, als auch Öffentlichkeit und Wirtschaft auf die Stärken einer gut ausgebildeten Generation von Mädchen aufmerksam zu machen. In 2005 gibt es zusätzlich Programme, die auf die Erweiterung des Berufsspektrums von Jungen ausgerichtet sind. Begleitend wird die Homepage der Aktion Girls’ Day täglich aktualisiert und informiert Mädchen, Unternehmen, Organisationen, Lehrkräfte und Eltern über den Aktionstag und das Thema Berufsorientierung.

Aktionsstart des Girls’ Day war im Jahr 2001. Seitdem nutzten über 386.000 Mädchen die Möglich-keit, am Girls’ Day in insgesamt mehr als 17.400 von Unternehmen und Organisationen angebote-nen Veranstaltungen technische Berufsfelder kennen zu lernen. Allein in 2005 boten 6.974 Unter-nehmen und Organisationen Veranstaltungen mit 127.115 Plätzen für Mädchen an. Gefördert wir der Aktionstag für Mädchen gemeinsam von BMFSFJ und BMBF.

Bundesweite Gründerinnenagentur (bga)

Seit Januar 2004 bietet die „bundesweite gründerinnenagentur“ Informationen und Serviceleistun-gen zur Existenzgründung von Frauen in der gesamten Bundesrepublik Deutschland an. Die Schaffung eines gründerinnenfreundlichen Klimas sowie die mittelfristige Erhöhung des Frauenan-teils an Unternehmensgründungen stehen im Fokus der Agentur. Die „bundesweite gründerinnen-agentur“ versteht sich als eine Plattform für Unternehmensgründerinnen aller Branchen und in al-len Phasen der Unternehmensgründung. Dabei reichen die Aktivitäten von Erhebungen zur aktuel-len Forschungs-, Bildungs- und Beratungssituation, der Entwicklung von gründerinnenspezifischen Bildungs- und Beratungsangeboten über den Betrieb einer Hotline als Informations- und Lotsen-dienst bis hin zur Vernetzung von gründungsrelevanten Akteuren sowie umfassender Öffentlich-keitsarbeit. Unterstützt werden die Dienstleistungen durch ein umfassendes Internet-Angebot, wel-ches Gründungsinformationen, Arbeitshilfen, Veranstaltungshinweise und eine Online-Recherche-funktion für Coaching- und Beratungsmöglichkeiten für Gründerinnen in ganz Deutschland in ak-tualisierter Form zur Verfügung hält.

Die „bundesweite gründerinnenagentur“ wird gemeinsam vom BMFSFJ, BMBF und BMWA geför-dert.

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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Modellprogramm „IT-LandFrauen“

Das zunächst für drei Jahre angelegte Modellprogramm „Neue Medien für LandFrauen – IT-Land-Frauen“ (2002 – 2004) soll zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in ländlichen Regionen an den sogenannten Neuen Medien beitragen. Dabei sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die Teilhabe von Frauen an der Erwerbsarbeit durch Internet-Know-how positiv beeinflusst werden kann. Im April 2003 hat die geplante Zahl von 44 Landfrauen ihre Qualifikation zur IT-LandFrau er-folgreich abgeschlossen. Sie betätigen sich als Dozentinnen zum Thema Computer und Internet und leisten Unterstützung bei der Erstellung einer eigenen Internetseite. Des Weiteren wurde das Internetportal „www.LandPortal.de“ aufgebaut, welches u.a. Informationen für Existenzgründerin-nen und Unternehmerinnen sowie virtuelle Visitenkarten von unternehmerisch tätigen LandFrauen auflistet. Im Sinne einer innovativen Eigendynamik wurden im Laufe der Weiterentwicklung des In-ternetportals immer mehr im Internet noch fehlende Inhalte für die Zielgruppe LandFrauen aufge-griffen. Aufgrund seines Erfolges wurde das Modellprogramm „IT-LandFrauen“ verlängert.

Portal „Frauen machen Karriere“

In 2005 startete das Portal „www.frauenmachenkarriere.de“, welches bundesweit Informatio-nen zu den Themengebieten Berufsstart, Karriere, Existenzgründung, Selbstständigkeit und Wiedereinstieg bündelt. Abgerundet wird das Informationsangebot durch eine Mentoring-Börse, welche die schnelle und unkomplizierte Bildung von Tandems zwischen Mentor/in und Mentee ermöglichen soll. Anliegen des Internetportals ist, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Arbeitsleben zu fördern und mit entsprechenden Informations- und Mentorin-gangeboten dazu beizutragen, dass Frauen für gleiche Arbeit gleich entlohnt werden, dass Frauen nicht mehr häufiger arbeitslos werden als Männer sowie das Frauen häufiger Mana-gerpositionen anstreben und erreichen können.

2.2.3 Bewertung der ESF kofinanzierten Förderansätze des BMFSFJ

Die bislang vom BMFSFJ über Politikfeld E / Maßnahme 10 des ESF mitfinanzierten Förderansät-ze entziehen sich auf Basis der vorliegenden Informationen einer eingehenden wissenschaftlich fundierten Bewertung. Allein die Anlage der unterschiedlichen Förderakzente deutet bereits darauf hin, dass diese in erster Linie auf die Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung bei Projektträ-gern, arbeitsmarktpolitischen Akteuren, Beschäftigungsinitiativen und Verbänden sowie Unterneh-men abstellen. Hierzu wurden bundesweite Kampagnen und Wettbewerbe durchgeführt und the-matisch fokussierte Initiativen sowie Pilot- und Modellprojekte umgesetzt. Mit den klassischen ESF Wirkungsindikatoren, die v.a. auf Reintegrationswirkungen spezifischer Förderansätze und arbeits-marktpolitischer Instrumente ausgerichtet sind, ist es nicht möglich, die i.w.S. auf Bewusstseinsän-derung, Sensibilisierung usw. ausgerichteten Maßnahmen des BMFSFJ adäquat zu bewerten.

Darüber hinaus fehlen – mit Ausnahme einiger Einschätzungen des DJI zu den Lokalen Bündnis-sen – spezifische Evaluierungen für die einzelnen BMFSFJ-Förderansätze. Diese können daher im Rahmen dieser Studie nur anhand ihrer strategischen Bedeutung zur Erreichung übergeordneter Ziele – z.B. entsprechend der BMFSFJ-Leitlinien oder aber, da es sich um ESF kofinanzierte Initia-

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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tiven handelt, hinsichtlich des in der ESF VO formulierten Beitrags zum Gleichstellungsziel sowie zu den entsprechenden Bezugsgrößen des NAP – bewertet werden.

Vor diesem Hintergrund können aus unserer Sicht folgende Einschätzungen vorgenommen wer-den:

Die bisher umgesetzten ESF Förderaktivitäten des BMFSFJ können zwei zentralen Themen – der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Ausbildung und Studium einerseits und der Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung von Frauen – zugeordnet werden. Sie sind strategisch dar-auf ausgerichtet, die konkreten Benachteiligungen abzubauen, denen insbesondere Frauen beim Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Qualifizierung, aber auch zur Sicherung des Arbeitsplatzes und zum beruflichen Aufstieg ausgesetzt sind. Damit entsprechen sie voll den aktuellen Vorgaben der ESF VO sowie denen des ESF Verordnungsentwurfs für die neue Interventionsperiode 2007-2013;

Die BMFSFJ Förderansätze haben durch ihre konzeptionelle und programmatische Ausrichtung eher impulsgebende Funktion. Sie schaffen die Voraussetzungen für die Sensibilisierung der rele-vanten Akteure des Arbeitsmarkts, der Verbände und Unternehmen, und zeigen insbesondere durch die Pilot- und Modellprojekte auf, welche (innovativen) Wege zur Erreichung des Gleichstel-lungsziel beschritten werden können.

Vor diesem Hintergrund sind weder direkte, zuordnenbare Reintegrationswirkungen zu erwarten, wie sie klassischerweise im ESF Wirkungsindikatorenset vorgegeben werden, noch durchgreifen-de Effekte bei der Erreichung von übergeordneten Zielsetzungen zu vermuten, wie sie beispiels-weise im NAP formuliert sind. Die im Rahmen des BMFSFJ eingesetzten Fördervolumina dürften aus unserer Sicht allein zu gering sein, um hier messbare Wirkungen – beispielsweise hinsichtlich der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen – zu entfalten.

Um so wichtiger erscheinen daher Mechanismen, die in der Lage sind, die Maßnahmen des BMFSFJ mit Ansätzen anderen ESF Politikfelder und Maßnahmen von Bund und Ländern effektiv zu verzahnen. Dies erfordert zum einen eine laufende thematische, instrumentenbezogene und fördertechnische Abstimmung von Förderaktivitäten. Doppel- und Parallelförderungen sollten in je-dem Fall vermieden werden. Zum anderen sollte zukünftig bei den Maßnahmen des BMFSFJ dar-auf geachtet werden, dass die Initiativen des Bundes tatsächlich impulsgebend sind. Dies impliziert bei Modell- und Pilotprojekten, dass der Transfergedanke von Beginn an tatsächlich umgesetzt wird: Best-practice bedeutet in diesem Sinne nicht die zeitlich befristete Förderung spezifischer und erfolgreicher Ansätze, sondern v.a. den „Export“ der in diesen spezifischen Ansätzen Erfolg versprechenden Konzeptionen in entsprechend nachhaltig ausgerichtete regionale und lokale Ini-tiativen.

2.3 Ergebnisse der Fachinterviews

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden Fachinterviews mit Programmverantwortlichen des BMFSFJ und ESF Fondsverantwortlichen der Länder (Saarland, Schleswig-Holstein, Bremen, Ber-lin, NRW, Brandenburg, Sachsen) zu Fragen der Neuausrichtung des Förderbereichs Gleichstel-

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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lung, der spezifischen Frauenförderung, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zum The-ma Gender-Mainstreaming geführt.45

Breiter Konsens herrschte beim aktuell diskutierten Thema der privaten Kofinanzierung. Alle einbe-zogenen Gesprächspartner sprachen sich nachdrücklich dafür aus, die Anrechenbarkeit der priva-ten Kofinanzierung aufrechtzuerhalten. Hier lägen wertvolle Ressourcen (z.B. Vereine als Kofinan-ziers für konkrete Projekte oder Großunternehmen für die lokalen Bündnisse [des BMFSFJ] und daraus resultierende regionalisierte Schwerpunktsetzungen [der Länder]), welche die Initiierung und Umsetzung von Projekten erst möglich machten.

Divergierende Aussagen liegen hingegen in der Frage vor, ob es sinnvoll ist, die bisherige Doppel-strategie von spezifischer Frauenförderung einerseits und Gender-Mainstreaming andererseits bei-zubehalten. Dabei legt eine Seite der Interviewten dar, dass die bisherige Erfahrung gezeigt hätte, dass die Verankerung beider Ansätze notwendig und erfolgreich gewesen sei. Allein durch die Existenz eines eigenständigen Politikfelds (Politikfeld E / Maßnahme 10) hätten überhaupt gleich-stellungsbezogene Zielsetzungen verfolgt werden können. Andere Gesprächspartner tendieren hingegen dazu, ausschließlich Gender-Mainstreaming konsequent zu integrieren und weiterzuent-wickeln. Die Erfahrungen mit Förderansätzen aus Politikfeld E hätten gezeigt, dass hier mehr als gleichsstellungsbezogen deklariert worden sei, als aus inhaltlicher Perspektive zu rechtfertigen gewesen wäre. So hätten insbesondere im Qualifizierungsbereich die an Frauen gerichteten Pro-jekte in erster Linie Qualifizierungsfelder besetzt, die ohnehin traditionell von Frauen besetzt wer-den. Das geschlechtsspezifische Berufs- und Qualifizierungsverhalten wurde demnach durch den ESF weiter „zementiert“.

Einig waren sich die interviewten Expert/innen darin, dass auch zukünftig spezifische Maßnahmen zur Förderung von Frauen (z.B. Maßnahmen für Berufsrückkehrerinnen, spezifische Qualifizie-rungsmaßnahmen für Frauen) über den ESF durchgeführt werden sollten. Uneinheitlich ist indes die Einschätzung, ob hierfür ein eigenständiges Politikfeld bzw. eine spezifische Maßnahme not-wendig ist. Im Sinne des Mainstreamings sollte vielmehr versucht werden, spezifische Förderan-sätze für möglich alle zukünftigen ESF Interventionsfelder (Prioritäten, Schwerpunkte, Operatio-nen, Instrumente) zu definieren und umzusetzen.

Insgesamt wird Gender-Mainstreaming von den Interviewten als anerkanntes Steuerungsinstru-ment eingeschätzt. Vorhandene Ansatzpunkte – die von Bundesland zu Bundesland durchaus un-terschiedliche Qualitäten und Intensitäten aufweisen – zur konsequenten Verankerung der beste-henden Gender-Mainstreaming Instrumente auf der konzeptionellen, institutionellen und strukturel-len Ebene in allen Politikbereichen sowie einer kontinuierlichen Rückkopplung zu den gender-rele-vanten Monitoringdaten sollten weiter intensiviert werden. Festgestellt wurde, dass sowohl Ansätze zur Verankerung von Gender-Mainstreaming auf Programm- und Projektebene, als auch spezifi-sche Fördermaßnahmen (für Frauen) heterogen und vielfältig sind. Zwischen Bund und Ländern sind die einzelnen Aktivitäten – wie auch in anderen thematischen Bereichen wie der Förderung von Existenzgründungen - eher sporadisch miteinander verzahnt. Hieraus resultieren zum einen Parallelförderungen und unzureichend aufeinander abgestimmte Förderansätze. Zum anderen lie-

45 Ein Muster des Gesprächsleitfadens findet sich im Anhang

Kapitel 2: Chancengleichheitsorientierte Förderansätze im ESF ISG-Dresden

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ßen die Fachinterviews aber auch erkennen, dass bereits auf der Informationsebene („Wer macht was?“) Abstimmungsbedarf durchaus vorhanden ist.

Kapitel 3: Empfehlungen

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3. Empfehlungen für die ESF Förderung 2007-2013 3.1 Vorbemerkungen

In diesem Kapitel werden ausgehend von den zuvor beschriebenen Analyseergebnissen Empfeh-lungen für die strategische Verankerung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes sowie von spezifi-schen Maßnahmen zur Förderung der Erwerbstätigkeit und Qualifizierung von Frauen in der Förder-periode 2007–2013 vorgestellt. Zuvor jedoch einige grundlegende Bemerkungen:

• Gegenüber der aktuellen Förderperiode deutet sich auf Basis des Entwurfs der ESF VO für den Interventionszeitraum 2007-2013 an, dass der Gender-Mainstreaming-Ansatz zur Errei-chung des Gleichstellungsziels an Bedeutung gewinnt. Analog hierzu dürfte auch die strategi-sche Relevanz des Gleichstellungsziels steigen;

• Der Verordnungsentwurf legt nahe, dass zwar im Förderzeitraum 2007-2013 weiterhin – ganz im Sinne der Doppelstrategie – spezifische Maßnahmen zum Abbau von Benachteiligungen durchgeführt werden sollen, denen Frauen am Arbeitsmarkt, im Studium und beim Zugang zu Qualifizierung ausgesetzt sind. Allerdings ist hierfür kein spezifisches Interventionsfeld (Politik-feld, Schwerpunkt, Maßnahme etc.) vorgesehen, wie es in der laufenden Förderperiode mit dem Politikfeld E bzw. mit Maßnahmen 10 besteht;

• Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene bleiben zwar Fragen zur kon-kreten Ausgestaltung des Einsatzes aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen (und damit auch der ESF Einsatz) weiterhin unbeantwortet, klar ist aber, dass auch die neue Bundesre-gierung der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männer im Erwerbsleben, der Ver-einbarkeit von Familie und Beruf sowie der Beseitigungen von spezifischen Ungleichheiten, denen Frauen am Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, eine hohe politische Priorität beimisst.

• Die Konsequenzen der Einführung des SGB II sowie die nunmehr anstehenden Modifikationen und nicht zuletzt die im Koalitionsvertrag festgelegte Kostenreduzierung beim Einsatz arbeits-marktpolitischer Instrumente sind nach wie vor kaum einzuschätzen. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob durch die konkrete Umsetzung des SGB II vor Ort – also durch die ARGEn, Op-tionskommunen sowie regionalen Einheiten mit weiterhin getrennter Aufgabenwahrnehmung – aus geschlechtsspezifischem Blickwinkel Handlungsbedarf besteht, dem durch einen entspre-chenden Einsatz des ESF zukünftig begegnet werden müsste. Relevant ist in diesem Zusam-menhang zum einen, dass das (ehemalige) BMWA und zukünftige Bundesministerium für Ar-beit und Soziale Sicherung die Umsetzung des SGB II aus gleichstellungspolitischer Sicht eva-luieren lässt. Ergebnisse, die für den ESF Einsatz (sowohl von Bund, als auch von Ländern) interessant sein könnten, dürften jedoch nicht vor Ende 2007 vorliegen. Zum anderen zeichnet sich allerdings bereits jetzt ab, dass kurz- bis mittelfristig die unterschiedlichen Modelle der Aufgabenwahrnehmung aus vielfältigen Gründen das gesamte zur Verfügung stehende Spekt-rum von Instrumenten (klassische SGB III-Instrumente, Arbeitsgelegenheiten, Einstiegsgeld, flankierende Hilfen etc.) in der Breite nicht nutzen können oder werden. Dies könnte wenn nicht zu systematischen geschlechtsspezifischen Benachteiligungen bei der Arbeitsmarktför-derung so doch zu einer Fördersystematik führen, in der nach klassischen geschlechterbezo-genen Mustern qualifiziert bzw. in Beschäftigung vermittelt. Der ESF hätte bei einer entspre-chend nach Gender-Mainstreaming-Prinzipien ausgerichteten Strategie nicht nur die Möglich-

Kapitel 3: Empfehlungen

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keit, Förderlücken zu schließen, sondern der oben gestellten Gefahr klassischer geschlechter-bezogener Qualifizierungs- und Beschäftigungsmuster durch neue geschlechtsspezifische In-tegrationswege zu begegnen.

3.2 Empfehlungen zur strategischen Verankerung des Gleichstellungsziel in der ESF Förderperiode 2007-2013

Insbesondere die durchgeführten Fachinterviews sowie die Aktualisierung der ESF Halbzeitbewer-tung des Bundes belegen, dass grundsätzlich Gender-Mainstreaming als Instrument zur Steuerung des ESF anerkannt ist, in der konkreten Verankerung auf Bundes- und Länderebene jedoch unter-schiedliche Konzepte, Strukturen und Verantwortlichkeiten festzustellen sind. Dieser Befund ist als solcher nicht negativ zu werten, da Gender-Mainstreaming als zunächst abstraktes Konzept je-weils konkret für die spezifischen Umsetzungsstrukturen (der Bundesministerien, der Länderfonds-verwaltungen) und differenzierten regionalen und sektoralen Bedarfe zu „übersetzen“ ist. Zum Teil gehen die konkret umgesetzten Lösungen zur Verankerung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes auf intensive Meinungsbildungsprozesse zurück, zum Teil handelt es sich um handlungsorientierte und pragmatische Gestaltungsprozesse. Schwierigkeiten bereiten die unterschiedlichen Herange-hensweisen jedoch, wenn die angesprochenen Ebenen auf eine konzeptionelle Verzahnung „an-gewiesen“ sind und diese nicht konsequent verfolgt wird. Folge daraus sind Parallelförderungen (z.B. von Bund und Ländern), die teilweise in Förderkonkurrenzen einmünden.

Vor diesem Hintergrund empfehlen wir insbesondere für die anstehenden Programmierungsarbei-ten die vertiefende Diskussion über konzeptionelle, institutionelle und strukturelle Fragen zur effek-tiven Verankerung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes. Zu klärende Themenfelder in diesem Zu-sammenhang sind u.a.:

• aus programmatischer Sicht einerseits die Diskussion um das Verhältnis des Querschnittsziels Gleichstellung und der spezifischen Förderung von Frauen sowie andererseits über den ver-meintlichen – aus unserer Sicht eindeutig nicht bestehenden – Widerspruch zwischen arbeits-marktpolitischen Zielsetzungen und dem Gleichstellungsziel. Die laufende Förderperiode zeigt, dass Gleichstellung zu häufig noch als „Zusatz“ (und nicht als integraler Bestandteil) zu den arbeitsmarktpolitischen Zielen des ESF verstanden wird;

• analog hierzu auf Instrumentenebene das Verhältnis von Gender-Mainstreaming und Frauen-förderung sowie das Verhältnis von Förderangeboten innerhalb des Bundes (BA, Bundesmi-nisterien) sowie zwischen Bund und Ländern;

• auf institutioneller Ebene die Frage nach Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die Um-setzung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes. Hierbei geht es weniger darum, ob (aus techni-scher Sicht) eine spezifische Einrichtung – wie z.B. in Sachsen-Anhalt – für die Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes zuständig ist, sondern wie in funktionaler Sicht Gender tatsächlich in das Tagesgeschäft integriert werden kann. Dies gilt nicht nur für die Programm-, sondern auch für die Umsetzungs- und Projektebene.

Da der vorliegende ESF Verordnungsentwurf und die bisherige Diskussion um den ESF in der För-derperiode 2007-2013 nahe legen, dass ab 2007 kein eigenständiger Förderschwerpunkt (wie der-

Kapitel 3: Empfehlungen

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zeit das Politikfeld E bzw. Maßnahme 10) zur Umsetzung spezifischer Maßnahmen für Frauen be-stehen wird, bietet sich ganz im Sinne des Gender-Mainstreaming-Ansatzes an, zukünftig jede In-terventionsart bzw. jeden ESF Schwerpunkt bereits in der Programmierung aus Gender-Mainstreaming-Perspektive zu optimieren. Auch wenn mit der vom BMFSFJ veröffentlichten Ar-beitshilfe „Leitfaden Gender-Mainstreaming im ESF“ die hierfür erforderlichen konzeptionellen Grundlagen auch für die Programmierung bestehen, muss de-facto davon ausgegangen werden, dass für eine vollständig „gegenderte“ Programmierung kaum Chancen bestehen. Dies begründet sich in der unterschiedlich intensiven Verankerung von Gender-Mainstreaming auf Bundes- und Länderebene, dem zwischen diesen Ebenen voneinander abweichenden Verständnis (auch im Verhältnis von Gender-Mainstreaming und Frauenförderung) sowie der unterschiedlich ausgepräg-ten Kompetenz und Sensibilität gegenüber dem Gleichstellungsziel.

Um gleichzeitig einer Entwicklung vorzubeugen, in der zukünftig Gender-Mainstreaming einseitig auf die Umsetzung spezifischer Projekte zur Förderung von Frauen in Erwerbstätigkeit, Ausbildung und Qualifizierung ausgerichtet wird oder das Chancengleichheitsziel lediglich als unverbindliche oder zumindest unkonkrete Vorgabe in den zu erstellenden Programmdokumenten Eingang findet, empfehlen wir folgendes Vorgehen:

• Definition und Konkretisierung von chancengleichheitsbezogenen Zielsetzungen für den ESF auf Basis der Zielvorgaben des NAPs bzw. des (ebenfalls noch zu erstellenden) Nationalen Strategischen Rahmenplans (NRSP).

• Bestimmung der (arbeitsmarktpolitischen) Instrumente, die aus dem ESF in 2007-2013 umge-setzt werden sollen und die zur Erreichung der aus NAP/NRSP abgeleiteten konkreten Chan-cengleichheitsziele geeignet sind.

• Ausgestaltung dieser Instrumente nach dem Gender-Mainstreaming-Ansatz.

Ein konzeptioneller Beitrag zur „Übersetzung“ des Gender-Mainstreaming-Ansatzes sowie zur Feindefinition chancengleichheitsbezogener Ansätze kann im Programmierungsprozess auch von der durchzuführenden Ex-ante-Evaluation erwartet werden. In diesem Zusammenhang ist heraus-zustellen, dass die Ex-ante-Evaluation für die Programmierung des ESF in 2007-2013 gegenüber der laufenden Förderperiode deutlich aufgewertet worden ist.

Konsequenterweise sind auf Basis von Programmierung und Ex-ante-Evaluation auch die weitere Umsetzung und Steuerung des ESF sowie das Monitoring und die Evaluation in den aus Gender-Mainstreaming-Sicht besonders herausgestellten Interventionsbereichen und Schwerpunkten zur Erreichung der gestellten chancengleichheitsbezogenen Zielsetzungen zu optimieren.

Wir empfehlen darüber hinaus eine wirkungsvollere Abstimmung der unterschiedlichen Aktivitäten von Bund und Ländern bei der Umsetzung von Projekten zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern. Insbesondere sollten

• Parallel- und Doppelförderangebote sowie Förderkonkurrenzen vermieden und

• inhaltlich oder von den Zielsetzungen aufeinander aufbauende Förderansätze unterschiedli-cher Förderebenen tatsächlich in den Förderdetails (z.B. hinsichtlich Zielgruppen, Förderfähig-keit von Kosten etc.) abgestimmt werden.

Kapitel 3: Empfehlungen

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Zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang die Fortführung und Verstetigung der vom Bund um-gesetzten Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung so-wie Pilot- und Modellvorhaben und Initiativen zur Förderung von Netzwerken auch ab 2007. Dies bedeutet nicht, dass die Bundesländer von entsprechenden Initiativen Abstand nehmen, sondern mit ergänzenden Maßnahmen in den genannten Bereichen insbesondere regionale Besonderhei-ten gezielt thematisieren sollten.

3.3 Empfehlungen zu den Interventionsfeldern zur Erreichung des Chancengleichheitsziels in der ESF Förderperiode 2007-2013

Aufbauend auf den allgemeinen chancengleichheitsbezogenen Zielsetzungen des NAP und der Vorgaben aus dem ESF Verordnungsentwurf empfiehlt die ISG zur effektiven Verankerung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes eine Schwerpunktbildung in folgenden Interventionsfeldern:

• Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Familie und Ausbildung sowie Qualifizierung

Trotz vielfältiger Aktivitäten bei der Förderung von Modellen zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, entscheiden sich nach wie vor in erster Linie Frauen zur Übernahme der (unbezahlten) Familienarbeit und unterbrechen – wenn sie beschäftigt waren – ihre Er-werbstätigkeit oder ziehen sich bei Arbeitslosigkeit in die sog. Stille Reserve zurück. Daher sollten hinsichtlich des Interventionsfeldes „Vereinbarkeit“ im Förderzeitraum 2007-2013 Initia-tiven verstärkt unterstützt werden, mit denen eine gerechtere Verteilung von Familienphasen und Familienarbeit auf Männer und Frauen bewerkstelligt werden kann. Zusätzliche Akzente sollten insbesondere in Westdeutschland bzw. im Ziel 3-Gebiet mit dem ESF bei der Sicher-stellung ausreichender und qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungsmöglichkeiten für be-schäftigte Frauen und Männer bzw. solchen in Qualifizierung und Ausbildung gesetzt werden. Für West- und Ostdeutschland gleichermaßen gilt, dass weiterhin (räumlich und zeitlich) flexib-le Arbeitsmodelle fehlen, die eine verbesserte Vereinbarkeit insbesondere von Familie und Be-ruf ermöglichen, so dass auch hier entsprechende Akzente gesetzt werden könnten.

• Beschäftigungs- und Aufstiegsförderung

Gerade die Aktualisierung der ESF Halbzeitbewertung des Bundes hat gezeigt, dass hinsicht-lich des Zugangs von Frauen zur ESF Förderung die Ergebnisse durchaus zufrieden stellend sind. Problematisch ist jedoch, dass auch nach ESF Projekten Frauen deutlich instabilere Ar-beitsverhältnisse als Männer antreten. Dies ist kein ESF Spezifikum, sondern spiegelt tradierte Muster bei der Einstellung von Frauen und Männern wider. Ähnliche Muster finden sich hin-sichtlich der betrieblichen Strukturen zum beruflichen Aufstieg: Nach wie vor ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen bundesweit unter dem entsprechenden Anteil von Frauen an al-len Erwerbstätigen.

Dies sollte in der zukünftigen Förderperiode bewusst zum Anlass genommen werden, aus dem ESF gezielt Projekte zur qualifikationsadäquaten Vermittlung von Frauen in Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg von beschäftigten Frauen zu fördern. Insbesondere für Qualifizie-rungs- und Beschäftigungsprojekte, die aus dem ESF mitfinanziert werden, ist darüber hinaus angezeigt, die Vermittlung in stabile Arbeitsverhältnisse sowohl für Frauen als auch für Männer

Kapitel 3: Empfehlungen

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anzustreben. Der Gefahr, dass Maßnahmen traditionelle Muster hinsichtlich Geschlechterrol-len unterstützen und damit die Geschlechter-Segregation verstärken, muss entgegengewirkt werden.

Darüber hinaus empfehlen wir bei den geplanten zielgruppenspezifischen Maßnahmen (z.B. Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen usw.) eine geschlechts-sensible Herangehensweise. Erfahrungen zeigen, dass beispielsweise der Qualifizierungsbe-darf von Männern mit Migrationshintergrund durchaus von dem der Frauen mit Migrationshin-tergrund abweichen kann oder auch unterschiedliche Qualifizierungskonzepte und Organisati-onsformen notwendig sein können. ESF geförderte Projekte sollten dem in der kommenden Förderperiode stärker Rechnung tragen.

• Existenzgründungsförderung

Unterschiedliche Evaluierungen zum ESF Einsatz kommen zu dem Ergebnis, dass Existenz-gründungen von Frauen und Männern anders vorbereitet und umgesetzt werden. Frauen grün-den häufiger mit vergleichsweise geringen Investitionsvolumina in konjunkturanfälligen Bran-chen und vorwiegend im Dienstleistungsbereich. Für die ESF mitfinanzierte Existenzgrün-dungsförderung bedeutet dies, die geschlechtsbezogen unterschiedlichen Gründungsmuster und -motive sowie -zusammenhänge zu erkennen und in entsprechenden Qualifizierungs-, Be-ratungs- und Coachingangeboten zu berücksichtigen. Ziel sollte weniger die Förderung mög-lichst vieler Gründungen, sondern die Unterstützung nachhaltig bestandsfester Vorhaben sein. Gegebenenfalls zu prüfen sind auch finanzierungsbezogene Instrumente, wenn diese zu einer höheren Bestandsfestigkeit der Existenzgründungsvorhaben führen (z.B. im Bereich der Mikro-kreditfinanzierung).

• Übergang Schule - Beruf

Ebenfalls bedeutsam sind aus Gender-Mainstreaming-Sicht für die Ausgestaltung des ESF in der Förderperiode 2007-2013 Modelle und Förderansätze, in denen – wie auch in der aktuel-len Förderperiode – der gleichberechtigte Zugang von jungen Frauen und Männern zu den Ausbildungsberufen unterstützt wird. Alle Maßnahmen zur Berufsorientierung, Berufsberatung und auch Bewerbervermittlung sollten daher dazu beitragen, tradierte Berufswahlmuster kri-tisch zu hinterfragen und die Chancen von jungen Frauen und Männern zu erhöhen, auch ge-schlechteruntypische Ausbildungsgänge zu absolvieren.

• Konzeptionelle Grundlagen und Sensibilisierung

Wie in den vorangehenden Kapiteln dargestellt ist es auch weiterhin notwendig, Sensibilisie-rung und Kompetenzentwicklung zur praktischen Anwendung des Gender-Mainstreaming-An-satzes zu leisten. Dies gilt sowohl für die ESF Programm- und Projektverantwortlichen als auch für arbeitsmarktpolitische Akteure, Verbände und Wirtschaftsbetriebe. Hierzu gehört auch die konzeptionelle Diskussion über das Verhältnis von Gender-Mainstreaming zu Frauenförde-rung oder über die „institutionelle“ Verankerung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten

Kapitel 3: Empfehlungen

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3.4 Empfehlungen zur Umsetzung

Zur effektiven Verankerung des Gender-Mainstreaming in der Umsetzung des ESF der Förderpe-riode 2007-2013 können wir folgende Empfehlungen aussprechen:

• Beibehaltung der privaten Kofinanzierung: Die durchgeführten Analysen auf Bundes- und Län-derebene haben gezeigt, dass sowohl bei den Förderansätzen zur Unterstützung von Netz-werken (z.B. Lokale Bündnisse), aber auch zur Durchführung von spezifischen Qualifizierungs-maßnahmen für beschäftigte Frauen (Aufstiegsfortbildung) oder Projekten zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die private Kofinanzierung, d.h. in erster Linie die fi-nanzielle Beteiligung durch Unternehmen notwendig und möglich ist. Der Verzicht auf eine pri-vate Beteiligung kann aufgrund der Haushaltsituation des Bundes und der Länder durch natio-nale (öffentliche) Mittel nicht kompensiert werden.

• Intensivierung von Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung: Die Kompetenzen zur konkre-ten Anwendung von Gender-Mainstreaming in den konkreten Arbeitsprozessen auf Programm-ebene, aber auch auf Ebene von Projektträgern sind heterogen. Kontinuierliche Fortbildungen könnten hilfreich sein, Gender-Mainstreaming als konzeptionellen Ansatz bei Fondsverwaltun-gen, Programmverantwortlichen und Projektträgerstruktur nachhaltig zu verankern. Notwendig ist allerdings ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Vermittlung theoretischer Grundlagen einerseits und Kompetenzen zur praxisbezogenen „Übersetzung“ andererseits. Letzteres kam in der aktuellen Förderperiode häufig noch zu kurz.

• Nutzung wettbewerblicher Verfahren: Im Rahmen von Kapitel 3.2 haben wir insbesondere zur Erreichung konkreter, beispielsweise aus dem NAP abzuleitender chancengleichheitsbezoge-ner Ziele angeregt, innerhalb der zum Einsatz kommenden ESF Instrumente eine geeignete Auswahl zu treffen, mit denen die gesetzten Ziele realisiert werden können. Zu überlegen wä-re, ob die Definition von konkreten Instrumenten im Rahmen von wettbewerblichen Verfahren (z.B. Ideenwettbewerb, Call for Projects) auch potenziellen Projektträgern überlassen werden könnte. Wir schätzen den ESF als so flexiblen ein, dass auch bisher kaum praktizierte Kombi-nationen von Förderansätzen oder innovative Konzepte hiermit unterstützt werden können.

• In diesem Zusammenhang könnte sich auch anbieten, in bestimmten Fällen Großprojekte zu vergeben oder Projekte über Globalzuschüsse durchzuführen. So könnten beispielsweise Wirt-schaftsverbände, Sozialpartner oder Kammern im Rahmen eines solchen Großprojekts zielge-richtete Qualifizierungs- und Aufstiegsansätze für (beschäftigte) Frauen konzipieren, planen und umsetzen.

• Ebenfalls zu empfehlen ist eine regelmäßige, z.B. alle zwei bis drei Jahre durchzuführende Überprüfung des Zielerreichungsstands bei der Umsetzung der definierten chancengleichheits-bezogenen Zielsetzungen. Im Rahmen einer solchen regelmäßigen Evaluation sollte insbeson-dere geprüft werden, ob die umgesetzten Aktivitäten nach wie vor zielkonform sind, ob ggf. an-dere Instrumente eine höhere Zielerreichung versprechen und ob die Abstimmungsmechanis-men sowie Kooperationsstrukturen zwischen den unterschiedlichen Ebenen weiter optimiert werden können. Die Evaluation hätte damit eine unmittelbare Rückkoppelungsfunktion zur Programmsteuerung und könnte bestehende Defizite frühzeitig identifizieren helfen.

Literatur

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Literatur BMFSFJ (Hrsg.), Leitfaden zur Implementierung und Umsetzung von Gender-Mainstreaming im Europäischen Sozial-

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EU-Kommission (Hrsg.), Mitteilung der Kommission, Sozialpolitische Agenda 2005-2009, KOM(2005) 33 endgültig, Brüssel 9.2.2005

EU-Kommission (Hrsg.), Rahmenstrategie der Gemeinschaft zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern 2001-2005

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EU-Kommission (Hrsg.), Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäi-schen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds vom 14.07.2004

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22.3.2005 WSF Kerpen (Hrsg.), Evaluation Leonardo da Vinci, Fundstelle: www.wsf-kerpen.de

Anhänge

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Anhänge

- Leitfragen für Fachinterviews - Präsentation der vorläufigen Ergebnisse

auf dem Begleitausschuss des EPPD Ziel 3 am 11.11.2005 in Saarbrücken

Anhänge

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BMFSFJ-Studie: „Umsetzung der Chancengleichheitspolitik im Europäischen Sozialfonds 2007 bis 2013“ Leitfragen für Fachinterviews • Zukünftige Ausrichtung des Förderbereiches Chancengleichheit:

- Sollte es bei der Doppelstrategie von spezifischer Frauenförderung einerseits und Gender Mainstreaming andererseits bleiben? Empfiehlt es sich, an einer spezifischen „Fördermaß-nahme für Frauen (Politikfeld E / Maßnahme 10) festzuhalten?

• Zum Thema spezifische Frauenförderung:

- In welchem Umfang wurden die beiden Geschlechter in der laufenden Förderperiode im ESF in Deutschland berücksichtigt? Von welchen Instrumenten haben die Geschlechter „profitieren“ können? Sind hier geschlechtsspezifische Benachteiligungen – z.B. bei der Partizipation an innovativen Maßnahmen - festzustellen?

- Derzeit erkennbare Auswirkungen von Hartz auf Frauen (vorbehaltlich der Ergebnisse der großen Evaluation des Bundes bis 2008):

Welche Auswirkungen auf die Kofinanzierungsmöglichkeiten haben die Hartz-Refor-men bisher gehabt? Welche Effekte dürften sich daraus für die neue Förderperiode er-geben

Gibt es geschlechtsspezifische Wirkungen der Hartz-Reformen, z.B. auf Frauen in Be-darfsgemeinschaften oder Frauen, die früher Arbeitslosenhilfe bezogen haben, aber jetzt als Nicht-Leistungsempfänger unter das SGB III fallen?

- Sollte die Gründungsförderung durch spezifische Frauenkreditprogramme gefördert wer-den?

- Welche Maßnahmen aus dem ESF könnten das geschlechtsspezifische Lohngefälle ver-ringern helfen?

- Welche Ansatzpunkte gibt es, um zusätzliche Kofinanzierungsquellen insbesondere für spezifische Frauenfördermaßnahmen zu erschließen?

• Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf

- Kinderfalle / unterschiedliche Erwerbsverläufe / Einkommensgefälle:

Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben sich bewährt, welche sind zusätzlich zu empfehlen?

Inwieweit kann der ESF dazu beitragen, die Lastenverteilung in der Familienarbeit zwischen Männern und Frauen zu verändern?

• Zum Thema Gender Mainstreaming

- Welchen Stellenwert messen die Länderfondsverwalter und die anderen Programmverant-wortlichen dem Gender-Mainstreaming zu. Wie bewerten die Programmverantwortlichen

Anhänge

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die bisherigen Erfahrungen und Erfolge beim Gender-Mainstreaming? Welche Faktoren und Prozesse haben dies befördert oder erschwert?

- Wurden in den einzelnen Programmen der Länder sowie des Bundes Konzepte zur Um-setzung des Gender-Mainstreamings im ESF und evtl. den anderen Fonds erarbeitet? Welches waren deren Effekte?

- Wie weit sind die Vorüberlegungen zur neuen Programmperiode gediehen, wie soll dabei das Gender-Mainstreaming verankert werden? Wie sollte Gender-Mainstreaming in der Ex-ante-Evalaution der Programme gestaltet werden?

- Wie sollte in der neuen Förderperiode das Gender-Monitoring gestaltet werden? Wie kann eine gezielte Berücksichtigung von Gender-Mainstreaming während des Programmie-rungsprozesses auf allen Ebenen sichergestellt werden? Wer ist dabei in welcher Form zu beteiligen?

ISG

Studie „Umsetzung der Chancengleichheitspolitik im ESF 2007-2013“

Analyseergebnisse und Strategieempfehlungen

Dipl.-Volkswirt Marco PuxiISG-DresdenInstitut für Sozialforschung undGesellschaftspolitik GmbHWormser Str. 74 - 01309 DresdenTel. 0351/ 310 81 99E-Mail: [email protected]

Präsentation - 11.11.2005Begleitausschuss EPPD Ziel 3 in Deutschland

Saarbrücken

ISG

UntersuchungskonzeptMaßnahmen

zurErreichung

desChancen-

gleichheits-ziels

Vorgabender EU

für2007-2013

Arbeits-markt-politikBund/Länder

und Einsatz

ESF

EMPFEHLUNGEN

Eva-luierung

Vorgaben Planungen Ergebnisse,Wirkungen

Gender-MainstreamingundPolitikfeld Emit Fokus BMFSFJ

Literatur-und Quellen-analyse

Desk -Research

• ESF Begleit-system

• ESF HZ-Be-wertung desBundes (EPPD Ziel 3)

• Interviews

Strategie,Prioritäten,

Maßnahmen,Umsetzung

1

ISG

Vorgaben auf EU-EbeneAllgemeine EU Vorgaben 2007 - 2013

- ESF Mittelvolumen: Wahrscheinlich deutliche Reduzierung- Veränderungen bei „Politikfeldern“ u. „Maßnahmen“ - Keine Finanzierungsvorgabe für „Maßnahmeebene“- Neue Lissabon-Strategie: Wachstum UND Beschäftigung- Diskussion um private Kofinanzierung- SGB III wohl kaum Kofinanzierungsquelle

(Ausnahme: Zurückgehende Existenzgründungsförderung)- Kofinanzierung von SGB II Maßnahmen möglich

2

ISG

Vorgaben auf EU-EbeneEU Vorgaben 2007-2013 zum Chancengleichheitsziel

- Doppelstrategie fest verankert im EU-Verfassungsentwurf- EU-Kommission konstatiert weiterhin eine geschlechtsspezifische Segregation in Bildungswesen, Arbeitsmarkt, Vereinbarkeit

- Chancengleichheit auf EU-Ebene aufgewertet: Steigende Bedeutung in den Leitlinien für beschäftigungspolitische Maß-nahmen der Mitgliedstaaten und den strategischen Leitlinienfür die Kohäsionspolitik 2007-2013

- ESF und EU-Programm „PROGRESS“ sollen insbesondere zur Umsetzung der Leitlinien beitragen

- Art. 6 der ESF VO regelt die ausdrückliche Einbeziehung aller Gleichstellungsaspekte bei Programmierung, Umsetzung, Begleitung und Evaluation (analog Art. 14 Allg. VO)

- Betonung der strukturellen/übergreifenden Bedeutung von Gender-Mainstreaming / Spezifische Maßnahmen weiterhin möglich

3

ISG

Rahmenbedingungen auf BundesebeneAllgemeine Rahmenbedingungen

- Für Länder: Rückführung der traditionellen Förderung des Bundes/der BA und länderspezifische Haushaltsprobleme führten zu z.T. drastischen Einbrüchen in der Landesförderung

- Hartz I-IV: Theoretisch werden Förderlücken für Arbeits- und Erwerbslose (erwerbsfähige Hilfebedürftige nach SGB II) geschlossen / Gleichzeitig: Konzentration der BA auf Markt-kunden und Beratungskunden-Aktivieren sowie klarerIntegrationsbezug

- Zukunft der BA-Existenzgründungsförderung offen→ Nur punktuelle Förderlücken→ Vermutlich wird der Übergang in Langzeitarbeitslosigkeit nicht

nennenswert reduziert werden können→ Aufgrund der begrenzten Eingliederungsbudgets des SGB II (z.T.

100% mehr ALG II-Fälle) sind Mengenrestriktionen zu erwarten

4

ISG

Rahmenbedingungen auf BundesebeneGleichstellungspolitische Rahmenbedingungen

- Pilotprojekte, Entwicklung v. Konzepten, Arbeitshilfen,Sensibilisierung, Information etc. auf Ebene der Bundesministerien

- Parallel: Steigende Bedeutung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes in den Bundesländern

- Koordination von Aktivitäten des Bundes und der Länder imRahmen der Gleichstellungsministerkonferenz

- Feste Verankerung von Gender-Mainstreaming im NAP 2004- Steigende Bedeutung des ESF zur Erreichung gleichstellungs-

bezogener Ziele des NAP→ Erhöhung des Beschäftigtenanteils von Frauen→ Steigerung des Beschäftigtenanteils insbes. bei Zukunftsberufen→ Verringerung der Einkommensunterschiede / Pay-gap

5

ISG

Ergebnisse und Wirkungen 2000-2006ESF Halbzeitbewertung des Bundes sowie Aktualisierung der ESF Halbzeitbewertung - Gender-Mainstreaming ist im ESF Planungsprozess bei Bundund Ländern fest verankert

- Vielfältige Aktivitäten zur Forcierung von Kompetenzen und zur„institutionellen“ Verankerung von Gender-Mainstreaming (Arbeits-hilfen, Checklisten, Chancengleichheitsbeauftragte, Einrichtungenetc.)

- Zugang zur ESF Förderung: Frauen und Männer entsprechend ihres Anteils an Arbeitslosen / Erwerbstätigen berücksichtigt

- Steigende Sensibilität von Projektträgern bei der Durchführung von ESF Projekten

- ABER: → Gender-Maintreaming und „Frauenförderung“ werden gleichgesetzt→ Bund-Länder-Aktivitäten: Optimierungspotenziale/Parallelitäten → Bislang kein (wesentlicher) Einfluss auf die Zielgrößen des NAP

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ISG

Ergebnisse und Wirkungen 2000-2006Einschätzungen zu den BMFSFJ-Aktivitäten (ESF) Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf- Lokale Bündnisse für Familie: Netzwerkförderung des Bundes, z.T.unterstützt durch Länder im Rahmen konkreter Projekte

- Audit Familie und Beruf: Familienbewusste Personalpolitik - Bundeswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie“- Startprogramm familienfreundliche UnternehmenspolitikFörderung der Erwerbstätigkeit / Qualifizierung von Frauen- Girl‘s Day (BMFSFJ / BMBF)- Bundesweite Gründerinnenagentur- Portal „Frauen machen Karriere“

→ Sensibilisierung→ Best-practice / Modellprojekte - Plattformen / Netzwerke

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ISG

Ergebnisse und Wirkungen 2000-2006Fachinterviews (Fondsverwaltungen Bund/Länder) - Gender-Mainstreaming als Steuerungsinstrument anerkannt- Positiv hervorgehoben werden die vielfältigen Aktivitäten zurVerankerung des Themas im ESF (Programm- und Projektebene)

- Intensivierung der Implementation von Gender-Mainstreamingkonzeptionell, „institutionell“ und strukturell erforderlich

- Uneinheitliche Bewertung von Politikfeld E: → „Garant“ für spezifische Projekte→ Wenig „Ausstrahlung“ auf andere Politikfelder→ „Konterkarierung“ des Gender-Mainstreaming-Ansatzes

- Unklarheiten über Aufgabenteilung zwischen Bund / Länder: Favorisiert werden Modelle, in denen der Bund Sensibilisierung,Kompetenzentwicklung, Arbeitshilfen und Netzwerkmodelle fördert,die Länder hingegen konkrete Projekte unterstützen

- Unklarheiten über ressortbezogene „Zuständigkeiten“ für Gender-Mainstreaming

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ISG

Empfehlungen - Strategie• Nachhaltige Verankerung von Gender-Mainstreaming in der

Programmierung, Steuerung und Umsetzung

• Da eigener Schwerpunkt in 2007-2013 fraglich ist, ist der Instrumenten-einsatz nach Gender-Mainstreaming-Gesichtspunkten zu optimieren

→ Optimal flächendeckend „gegenderte“ Instrumente, aber praktisch kaum zu realisieren

→ Ausgehend von Chancengleichheitszielen (NAP / NSRP): Auswahl geeigneter Instrumente und Ausgestaltung nach Gender-Mainstreaming-Gesichtspunkten über das Gesamtprogramm

→ Spezifische Projekte zur zielgerichteten Förderung der Chancengleichheit (nicht ausschließlich bezogen auf Frauen)

• Erhöhung der Gender-Kompetenz: Kein Widerspruch zwischenarbeitsmarktpolitischen und Gender-Mainstreaming-bezogenenZielsetzungen!

• Verbesserung der Abstimmungsprozesse zwischen Bund undLändern insbesondere beim Instrumenteneinsatz

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ISG

Empfehlungen - Interventionsfelder• Besondere Interventionsfelder:

• Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung/Beruf/Qualifizierung→ West: Kinderbetreuung bei Beschäftigung und Qualifizierung→ Ost/West: Arbeitsflexibilität (zeitlich, räumlich)→ Verteilung Familienphasen/-arbeit / Elterngeld

• Beschäftigungsförderung→ Beruflicher Aufstieg (Quali./Mentoring) von Frauen→ Stabilität von Arbeitsverhältnissen→ Geschlechtssensible Zielgruppenförderung

• Existenzgründung→ Geschlechtsspezifische Gründungsmuster→ Stabilisierung von Gründungen - Zugang zu Finanzierung

• Übergang Schule / Beruf→ Berufswahlverhalten, Berufsorientierung, Vermittlung

• Konzeptionelle Grundlagen und Sensibilisierung10

ISG

Empfehlungen - Umsetzung

• Private Kofinanzierung notwendig

• Sensibilisierung u. Know-how-Transfer insbesondere auf Ebenevon Antragstellern und Projektträgern, aber auch bei Bewilligungs-stellen weiterhin notwendig

• Übergang zu wettbewerblichen Verfahren bei der Vergabe von Projekten (insbesondere Ausschreibungen) zur besseren Steuerung der gender-bezogenen Zielsetzungen anstatt nach Instrumenten

• Vergabe von Großprojekten / Globalzuschüssen, z.B. an die Verbände der Wirtschaft zur Förderung des beruflichen Aufstiegsvon Frauen

• Regelmäßige Überprüfung - z.B. alle zwei bis drei Jahre – derErreichung gender-mainstreaming-bezogener Zielsetzungen

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