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1 Inhalt 1 Faszination Jazz 2 Michèle Pfenninger-Simmen 4 50 Jahre Jazzclub Uster 7 Neu im Vorstand / Blick ins Archiv/ Abschied von Edi Keller 8 In memoriam / Impressum Nr. 29, Januar 2014 jazzletter EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser Nicht alle erliegen der Faszination des Jazz so sehr wie der schon fast legendäre Zürcher Johnny Simmen (1918–2004) oder die jungen Enthu- siasten, die sich vor Jahrzehnten in Uster darum bemühten, allen, die sich Neuem gegenüber öffne- ten, den Jazz als ernstzunehmende Musik näherzubringen. Johnny Simmen ehren wir gleich auf den Seiten 2 und 3 auf eine besondere Art. Bei einem Gespräch mit Fernand Schlumpf, Klaus Nae- geli und Konrad Korsunsky erzählt uns seine Tochter Michèle frank und frei, wie es war, mit den vom Jazz in ausserordentlicher Weise faszinierten Eltern aufzuwachsen, ohne selbst Jazzfan zu sein. Da waren all die berühmten Musiker. Bill Coleman, Buck Clayton, Teddy Wilson u.a.m. besuchten die Sim- mens in Zürich 6, genossen ausge- wählte Proben aus der Sammlung von Tausenden von Schellacks, lies- sen sich auch kulinarisch verwöh- nen, wozu oft Michèle ihren Teil beitrug. Sie beschreibt ihren Vater als einen ausgesprochen diszipli- nierten Menschen, der es verstand, seine Zeit nicht nur seinem über- aus geliebten Hobby, dem Jazz, zu widmen, sondern auch seiner Familie und seinem anspruchsvol- len Beruf bei der Swissair als Assis- Johnny Simmen und Stuff Smith (vio) Faszination Jazz tent des Managers Passenger Sales Promotion. Aus den Schilderungen seiner Toch- ter ergibt sich ein bestimmtes Cha- rakterbild. Es entspricht überhaupt nicht demjenigen, das man sich oft auch noch in den Vierziger- und Fünfzigerjahren von Jazzmusikern und ihren Fans gemacht hat. Mit dem Einverständnis von Mike Müller, einem der Jazzclub-Grün- der und langjährigen Präsidenten, haben wir die vier Artikel aus sei- ner Broschüre zum Jubiläum «50 Jahre Jazzclub Uster» auf den Sei- ten 4 bis 6 in gekürzter Form über- nommen. Die eigentliche Clubge- schichte begann 1963, als ein paar junge Ustermer Jazzfans im Haus von Baumeister Heinrich Schlumpf einen Keller zu einem Probe- und Jamlokal umfunktionierten. Auch zur Vorgeschichte 1948 bis 1953 gibt es einiges zu berichten, das einen mindestens ahnen lässt, wie ernsthaft schon damals in Uster eine Schar von Schülern und Lehr- lingen vom Jazzbazillus infiziert war. Ob es festgefahrenen Traditio- nalisten gefiel oder nicht, die Zeit dieser Art Musik war gekommen. Durch all die Jahrzehnte hindurch rückte sich der Jazz immer mehr zur Mitte hin. Heute spielt er im Kulturleben von Uster eine nicht mehr wegzudenkende, wichtige Rolle. Die Faszination des Jazz wirkte in beispielhafter Weise. Herzlich swissjazzorama.c h

swissjazzorama.c h jazzletterlieben, zumeist Stride-Piano und andere Klavierstile. Und die sind mir bis heute geblieben. Dabei habe ich nichts aus dem Nachlass für mich behalten

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Page 1: swissjazzorama.c h jazzletterlieben, zumeist Stride-Piano und andere Klavierstile. Und die sind mir bis heute geblieben. Dabei habe ich nichts aus dem Nachlass für mich behalten

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Inhalt

1 Faszination Jazz 2 Michèle Pfenninger-Simmen 4 50 Jahre Jazzclub Uster 7 Neu im Vorstand/Blick ins Archiv/Abschied von Edi Keller

8 In memoriam/Impressum

Nr. 29, Januar 2014

jazzletter

EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser

Nicht alle erliegen der Faszination

des Jazz so sehr wie der schon fast

legendäre Zürcher Johnny Simmen

(1918–2004) oder die jungen Enthu-

siasten, die sich vor Jahrzehnten

in Uster darum bemühten, allen,

die sich Neuem gegenüber öffne-

ten, den Jazz als ernstzunehmende

Musik näherzubringen.

Johnny Simmen ehren wir gleich

auf den Seiten 2 und 3 auf eine

besondere Art. Bei einem Gespräch

mit Fernand Schlumpf, Klaus Nae-

geli und Konrad Korsunsky erzählt

uns seine Tochter Michèle frank

und frei, wie es war, mit den vom

Jazz in ausserordentlicher Weise

faszinierten Eltern aufzuwachsen,

ohne selbst Jazzfan zu sein. Da

waren all die berühmten Musiker.

Bill Coleman, Buck Clayton, Teddy

Wilson u.a.m. besuchten die Sim-

mens in Zürich 6, genossen ausge-

wählte Proben aus der Sammlung

von Tausenden von Schellacks, lies-

sen sich auch kulinarisch verwöh-

nen, wozu oft Michèle ihren Teil

beitrug. Sie beschreibt ihren Vater

als einen ausgesprochen diszipli-

nierten Menschen, der es verstand,

seine Zeit nicht nur seinem über-

aus geliebten Hobby, dem Jazz,

zu widmen, sondern auch seiner

Familie und seinem anspruchsvol-

len Beruf bei der Swissair als Assis-

Johnny Simmen und Stuff Smith (vio)

Faszination Jazz

tent des Managers Passenger Sales

Promotion.

Aus den Schilderungen seiner Toch-

ter ergibt sich ein bestimmtes Cha-

rakterbild. Es entspricht überhaupt

nicht demjenigen, das man sich

oft auch noch in den Vierziger- und

Fünfzigerjahren von Jazzmusikern

und ihren Fans gemacht hat.

Mit dem Einverständnis von Mike

Müller, einem der Jazzclub-Grün-

der und langjährigen Präsidenten,

haben wir die vier Artikel aus sei-

ner Broschüre zum Jubiläum «50

Jahre Jazzclub Uster» auf den Sei-

ten 4 bis 6 in gekürzter Form über-

nommen. Die eigentliche Clubge-

schichte begann 1963, als ein paar

junge Ustermer Jazzfans im Haus

von Baumeister Heinrich Schlumpf

einen Keller zu einem Probe- und

Jamlokal umfunktionierten. Auch

zur Vorgeschichte 1948 bis 1953

gibt es einiges zu berichten, das

einen mindestens ahnen lässt, wie

ernsthaft schon damals in Uster

eine Schar von Schülern und Lehr-

lingen vom Jazzbazillus infiziert

war. Ob es festgefahrenen Traditio-

nalisten gefiel oder nicht, die Zeit

dieser Art Musik war gekommen.

Durch all die Jahrzehnte hindurch

rückte sich der Jazz immer mehr

zur Mitte hin. Heute spielt er im

Kulturleben von Uster eine nicht

mehr wegzudenkende, wichtige

Rolle. Die Faszination des Jazz

wirkte in beispielhafter Weise.

Herzlich

swissjazzorama.ch

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Michèle Pfenninger-Simmenim Gespräch

Michèle Pfenninger-Simmen hat im vergangenen Sommer in ausserordent-

lich grosszügiger und dankenswerter Weise die berühmte Sammlung ihres

verstorbenen Vaters Johnny Simmen dem SJO anvertraut. Dies im Hin-

blick auf eine zu gründende Stiftung, in welcher das kostbare Gut einge-

bracht und erhalten werden soll. Es interessierte uns besonders, wie es für

die Tochter Michèle war, mit Jazzkennern als Eltern aufzuwachsen – ohne

selber Jazzfan zu sein. Interview mit Fernand Schlumpf, Klaus Naegeli und

Konrad Korsunsky (Text und Bilder) am 27. Juli 2013 im Musikcontainer.

Michèle: Natürlich habe ich gespürt,dass bei uns zu Hause nicht allesgleich lief wie vielleicht bei andernMädchen daheim. Bei uns kamen ja öfters schwarze Musiker zu Be-such, was für mich als Kind zunächstvöllig selbstverständlich war. Erst alsmich eine Nachbarin scheinheiligfragte, was diese Schwarzen dennmit uns zu tun hätten, spürte icherstmals instinktiv, wie schmerzlichsich solche verlogene Vorurteile aus-wirken. Soziale Ungerechtigkeit undRassenhass beschäftigten, besorgtenund erzürnten meinen Vater seinganzes Leben lang. Die Nazizeiterlebte er als junger Mann. Intensivbefasste er sich auch mit der Litera-tur über die Schicksale der Opfer der beiden Weltkriege. Er vertratstets die Ansicht, dass der Jazz in der schwarzen Bevölkerung Nord-amerikas geboren wurde. Was nichthiess, dass er die Qualitäten vonweissen Musikern weniger hoch ein-schätzte. Er hatte einfach ein feinesGespür für die ungerechte, ja kri-minelle Behandlung, welche die

schwarzen Künstler leider oft er-leben mussten. Und er wusste seineHaltung dazu sehr dezidiert darzu-legen. In einer Familie aufzuwach-sen mit einem solchen Esprit Large,davon habe ich sehr profitiert.

swissjazzorama: Welche Besucher

sind Dir besonders

in Erinnerung geblieben?

Michèle: Vor allem Bill Coleman!Dieser liebenswürdige Mensch warein ganz besonderer Freund derFamilie und damit ein häufigerGast. Eine tolle Erscheinung, immergepflegt, elegant. Dann auch BuckClayton, der Charmeur, der wie Billauch französisch sprach. Und JimmyRushing, Teddy Wilson, Joe Turner,der lange in Zürich wohnte, AlbertCasey, Dick Wellstood und vieleweitere durfte ich kennen lernen.Denn ich half jeweils gerne meinerMutter die Gäste kulinarisch zu ver-wöhnen. Es machte mir Freude beiden Musikern mitzuwirken undgleich noch meine Französisch- undEnglischkenntnisse zu vertiefen.

Dein Zuhause war offenbar auch

sprachlich etwas Besonderes?

Meine Mutter, in Genf aufgewach-sen, und mein Vater, eine gewisseZeit in Lausanne tätig gewesen,sprachen ausschliesslich Französischzu Hause. Das Englische war im Zu-sammenhang mit dem Jazz natür-lich oft zu hören. Bei der Swissairwar es auch die Geschäftssprache.So waren mir diese Sprachen seitmeiner frühen Jugend vertraut.

Sicher gab es viel Musik

im Hause Simmen?

Und wie! Am Morgen, während derProzedur des Nassrasierens, spieltemein Vater die ersten Platten desTages. Und nach dem Abendessengenossen er und meine Mutter dieMusik gemeinsam. Die Samstag-

abende blieben bis in die Zeit derCD den 78ern vorbehalten. Daskonnte dann öfters auch mal spätwerden.

Wurde Dir so der Jazz richtig

eingetrichtert?

Nein! Ich war nie gezwungen zu-zuhören. Aber ich hatte meine Vor-lieben, zumeist Stride-Piano undandere Klavierstile. Und die sind mirbis heute geblieben. Dabei habe ichnichts aus dem Nachlass für michbehalten. Denn was mir besondersgefiel – Fats, Tatum, Louis etwa –solche Platten haben mir meineEltern schon früher geschenkt. MeinLieblingsinstrument ist das Pianogeblieben. Und ich hatte schon frühein eigenes Radio in meinemZimmer. Die erste Musik, die michecht beeindruckte, war aber eineganze andere: im Kindergartenalterhörte ich Mozart. Das gefiel mirenorm, das tönte so fein!

Waren da Deine Eltern

irgendwie enttäuscht?

Im Gegenteil! Zu Weihnachtenbekam ich dann eine Mozart-Kla-vierplatte als Geschenk! Der Jazzwurde mir nie aufgedrängt. In meiner Teenagerzeit tanzte ich sehr gern – da waren natürlich derRhythmus, der Swing und Drive desJazz sowieso am besten geeignet.Ich durfte auch meine Lieblings-platten zum Abspielen wünschen.

Hast Du mit Deinen Eltern

Konzerte besucht?

Als ich dafür alt genug gewordenwar, ja. Und auch diese Anlässe waren freiwillig für mich, es gabkeinen Druck. Mit zunehmendemAlter haben mein Mann und ichmeine Eltern auch öfters mit demAuto nach Baden, Boswil oderSchaffhausen begleitet. Eine grosseFreude habe ich meinen Elterngeboten, als ich nach bestandenerMatura ein halbes Jahr in LondonEnglischkurse belegte. Ich habe siefür ein Wochenende nach Englandeingeladen, ohne ihnen vorher zusagen, dass wir einen Auftritt vonRalph Sutton besuchen würden. Das war eine tolle Überraschungund ein unvergessliches Vergnügen!Es zeigt auch, dass ich in meinemElternhaus sehr glücklich aufge-wachsen bin. Trotz der Intensität,mit welcher mein Vater sein Jazz-hobby pflegte und trotz der Gewis-

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senhaftigkeit, mit der er seine Be-rufsarbeit erledigte, hatte ich niedas Gefühl, vernachlässigt zu wer-den. Im Gegenteil, etwa die häu-figen Ausflüge auf den Üetlibergmit Cervelatbraten und Einkehrensind mir in bester Erinnerunggeblieben.

Stichwort Ralph Sutton. Johnny

Simmen suchte offenbar nicht

unbedingt Kontakte mit der

höchsten Musikerprominenz?

So ist es. Louis war natürlich für ihn der grossartigste Musiker über-haupt. Doch ein Louis, ein Elling-ton, die waren alle weltberühmt.Daneben gab es aber Hundertevon grossartigen Musikern, vondenen nur relativ wenige Leuteetwas wussten, wenn überhaupt.Doc Cheatham zum Beispiel, PeteJohnson, Lloyd Phillips oder RudyPowell. Oder sein Freund Ernest«Bass» Hill. Da fand mein Vaterungezählte Möglichkeiten, solcheMusiker kennenzulernen. Unddieser reiche Fundus führte dannzu den Tausenden von Artikeln,Programmen und Referaten, wel-che alle mithalfen, diese Künstlerbekannter zu machen. Die siebenvon Edgar Battle produziertenCosmopolitan LPs hat er sogar aufeigenes Risiko nach Europa impor-tiert und verkauft – er, der eigent-lich nie Finanzielles und Hobbymiteinander vermischte. Einerseiner unerfüllten Wünsche bliebes, eine LP mit Ram Ramirez zuproduzieren. Gut bekannt ist, glau-be ich, dass er auf ausdrücklichenWunsch, wenn nicht gar im Auf-

trag von Willie ‘The Lion’ Smith fürdiesen in der Tonhalle Zürich einKonzert organisierte (mit Bass Hillund Wallace Bishop). Musikalischwar dies ein absoluter Höhepunktim Zürcher Jazzleben. Finanziellhat es meinen Vater fast ruiniert.The Lion half später allerdings denSchaden zu begrenzen, indem er in den Kaufleuten ein weiteresKonzert spielte und den Reiner-trag an meinen Vater überwies.

Dein Vater war demnach

kein Verkäufer?

Überhaupt nicht. Seine Leiden-schaft galt voll und ganz der Mu-sik. Wie die Erfahrung zeigt,bringt die Verbindung von Kunstmit Kommerz selten Freude für dieBeteiligten. Die Interessen sind zuunterschiedlich. In einer kurzenPeriode vertrat mein Vater diefranzösische SchallplattenmarkeVogue in Zürich. Diesen Auftragübernahm dann für ein oder zweiJahre meine Mutter. Die Vertre-tung musste sie allerdings ziemlichbald aufgeben, da ihr die schwe-ren Plattenkoffer Bandscheiben-probleme verursachten.

Gab es an der Kinkelstrasse

Schwierigkeiten wegen des

Lärms? Vermutlich gingen die Mu-

siker nicht um neun Uhr schlafen.

Häufig kamen sie erst spätabendsnach einem Auftritt zu uns. Aberalle nahmen wahr, dass wir ineiner Mietwohnung lebten undnahmen die entsprechende Rück-sicht. Foot-tapping gab es nicht,Jam Sessions leider auch nicht. Ichglaube, dass nur ein einziges Malein Besenstiel von unten zuvernehmen war! Meinem Vaterwar es enorm wichtig, in diesemHaus zu wohnen und da auch zubleiben. Somit hielt er punktoNachtruhe die ihm eigene Selbst-disziplin durch. Er erwartete sieund bekam sie auch von seinenGästen. Unvergesslich bleibt mir,dass Jimmy Rushing leider nicht inden Lift passte. Er ging also durchsTreppenhaus und ist dabei schwergestürzt. Passiert ist ihm zumGlück nichts. Doch sein Fall warsicher im ganzen Haus zu hören!

Dein Vater war also ein diszipli-

nierter Mensch?

Ausgesprochen! Seine Zeit wid-mete er in dieser Reihenfolge sei-

ner Familie, dem Jazz und demBeruf. Nie hätte er einen Platten-abend oder ein Konzert zum An-lass genommen, am folgenden Tagnicht pünktlich und ausgeruht zurArbeit zu erscheinen. Während derArbeitswoche hat er, als er älterwurde, sogar auf Konzertbesucheverzichtet. Ideal war für ihn derAuftrag der Swissair, für die Lang-streckenflüge Jazzprogramme zugestalten, eine Aufgabe die ihmauch in den ersten Jahren nachseiner Pensionierung viel Freudemachte. Andererseits weiss ich,dass ihn die Leitung der Swissairauch mit extrem schweren, heiklenAufträgen betraute, wie zum Bei-spiel die ersten Gespräche mit denAngehörigen der Absturzopfer vonDürrenäsch und Würenlingen zuführen. Da gab es noch keine CareTeams! Das haben er und ein paarwenige andere gemacht.

Wie ist es gekommen, dass die

umfangreiche Korrespondenz

Deines Vaters mit zahlreichen

Musikern im britischen National

Jazz Archive liegt?

Sein Freund, der Trompeter undBuchautor John Chilton, hat seinBuch «Who's Who in Jazz» fortlau-fend ergänzt und aktualisiert. Zudiesem Zweck haben mein Vaterund John schon vor einigen Jahrenbeschlossen, dass John diese Briefebekommen soll. Also haben meineMutter und ich nach dem Tod meines Vaters all die Schriften gesichtet, alphabetisch nach Musi-kern geordnet und diese Briefe in mehreren grossen Paketen nach-London gesandt. Sicher ist, dieseKorrespondenz ist im National Jazz Archive bestens aufgehobenund für Interessierte dort auchzugänglich.

Ich bin dem SJO sehr dankbar dafür, dass die Sammlung meinerEltern dort ein neues Heim gefun-den hat, in welchem sich nunehrenamtlich mehrere Personenum die Inventarisierung und damitden Zugang für die Öffentlichkeitverdient machen. Es wäre sicher im Sinne meiner Eltern, dass ihrLebenswerk auf diese Weise weiterbestehen bleibt.

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50 Jahre Jazzclub Uster 1963–2013

Vorwort

1963: Seegfrörni, Geburt meines ersten Sohnes,Ermordung von John F. Kennedy … und wir gründeten den Jazzclub Uster.

Als reiner Musikkonsument lernte ich neue Freun-de kennen, welche diese Musik auch ausübten.Das richtige Umfeld also, denn Jazz braucht Mu-siker und Zuhörer. Wir, Fernand Schlumpf, MelchDäniker, Peter Niederer und ich, schafften es, einLokal im alten Gaswerk zu beziehen. 50 Jahre!Nicht vieles, was wir im Leben unternehmen,übersteht diesen Zeitraum. Begeisterung für denJazz, Freude, etwas dafür zu tun, beflügelte unsimmer wieder. Ein treues Stammpublikum undviele nationale und internationale Künstler, die bei uns auftraten und zu Freunden wurden, habenuns gezeigt, dass wir einiges richtig gemachthaben, trotz wechselnden Umständen und sichändernden Musikströmungen. Ich wünsche demJazz, den Musikern, den Zuhörern und dem Jazz-club Uster eine frohe Zukunft und jede Mengefreudige Momente. Mike Müller

Die Vorgeschichte (1948–1953)

In den Dreissigerjahren, vor dem 2. Weltkrieg, gabes in Uster sicher schon Grammofon-Besitzer, diesich die Musik von Armstrong, Ellington oderGoodman ab Schellack zu Gemüte führten odersich vor dem Radio durch Drehen von Knöpfenbemühten, eine der raren Sendungen mit Tanz-musik zu finden, in denen es auch richtigen Jazzgab. Vielleicht wurden auch Bands gegründet. Inder Zeit vor 1948 ist nichts Greifbares vorhanden.

Der Jazz erreicht Uster…

1948 manifestierte sich der Jazz in Uster schonrecht deutlich durch eine kleine Amateurband,die oft in Dixielandmanier spielte, sich stilistischaber auch an der schwarzen Kleinformation desamerikanischen Bassisten John Kirby orientierte.Hauptstütze der Band waren zwei echte Ustermer:Erich Büsser (Klavier) und Hans Rudolf Stalder(Klarinette und Tenorsaxofon). Beides ambitio-nierte Musiker, die sich später mit Erfolg in derKlassik etablierten: Erich als Organist und Chor-leiter und Hans Ruedi als Solist in Sinfonie- undKammerorchestern. Dem Jazz blieben sie aberverbunden. Der Romand Milo Genton bliess mitviel Verve die Trompete und am Bass sorgte derUstermer Werner Bättig für einen soliden rhyth-mischen Rückhalt. Als Zeichnerlehrling in derMaschinenfabrik Oerlikon lernte er Mitstift JimmySchmid kennen, erfuhr von des Oerlikoners Drum-

ambitionen und half ihm einmal wöchentlichsein Schlagzeug per SBB nach Uster zu bugsie-ren. Tondokumente von dieser frühen UstermerJazzformation sind leider keine vorhanden.

Der Jazzclub Orpheum Uster

Über den Jazzclub Orpheum gibt es konkreteHinweise. Ein 8-seitiger Folder, den Walter Abryund Paul ‚Charlie' Hunziker zusammengestellthaben, enthält eine Reihe chronologisch geord-neter Informationen über den ersten UstermerJazzclub: Plattenvorträge, Konzertbesuche,Konzerte und Jam Sessions mit einer eigenenBand. Wie liess sich das Interesse der Jugend fürden Jazz so stark wecken, dass es später zurClubgründung kam? Charlie und Walter erin-nern sich: «In der 3. Klasse der SekundarschuleUster, in der wir drei (Jeannot 'Joe' Pfister,Walter Abry und Charlie Hunziker) 1948 zusam-men waren, liess uns Lehrer Alfred Stopper ineiner Singstunde als abschreckendes Beispiel fürschlechte Musik, eine Schellackplatte von LouisArmstrong laufen. Lehrer Stopper erreichtenicht, was er wollte, denn seine Aktion war dieInitialzündung für uns als Jazzfans. Ab sofortwar für uns Jazz ein wichtiges Thema. Damalsgab es in Deutschland Radiosender (AFN) für dieamerikanischen GI's, wo viel Swingmusik mitGlenn Miller, Harry James u.a. zu hören war. Mitdem St. Louis Blues von Louis Armstrong merk-ten wir aber, dass es da noch etwas anderesgab: Die Musik der Schwarzen in den USA».

Am 18. Oktober 1949 gab es im KongresshausZürich für die drei Jazz-Neulinge eine erste Gele-genheit, diese Musik der Afroamerikaner live zuhören. Louis Armstrong und seine Mitmusiker,darunter Earl Hines und Jack Teagarden, botenimprovisierten Jazz vom Feinsten.WeitereKonzertbesuche folgten.

3. Februar 1951: Zuhause bei Joe Pfister an derKrämerackerstrasse in Uster wurde der JazzclubOrpheum gegründet. Zur Namenswahl:Orpheum hiess der Kellerclub im Film New Orleans (1947), in dem Louis ‘Satchmo’ Arm-strong und seine Band auftraten.

Es folgten regelmässige Plattenabende in derMansarde von Joe, sowie öffentliche Vorträgeüber Jazzmusiker, z.B. am 21. April 1951 imHotel Ochsen: Sidney Bechet (40 Personenkamen, Einnahmen Fr. 12.85). Charlie Hunzikersetzte als Titel in seinem Eingesandt im Anzeigervon Uster erstmals den Begriff Jazz in Uster ein.Charlie und Walter berichten: «Im August 1951reifte der Plan, eine Band zu gründen. Zuerstmussten aber die Chargen (Instrumente) verteiltund Musikunterricht genommen werden. Charlie

wählte die Posaune, Joe das Sopransaxofon undWalter die Klarinette. An die Trompete getrautesich keiner! Kaum konnten wir eine Tonleiterspielen, gab es die erste «Bandprobe», und alswir die Instrumente richtig halten konnten, eineFoto-Session. Ein Schulkamerad, der Fotograflernte, machte in Joes Zimmer Aufnahmen, dieziemlich glaubwürdig wirkten. Vergrösserungenwurden im Schaufenster von Foto Müller inUster ausgestellt, was Joe, der auf der GemeindeUster in der Lehre war, etliche Probleme be-scherte, denn Jazz war damals eine Musik, diebei den älteren Semestern nicht gut ankam».Der erste öffentliche Auftritt fand am 2. Mai1952 im Kirchgemeindehaus Uster statt, mitErich Büsser als Gast. Das war quasi ein Linkzum Stadler-Büsser-Quintett.

Am 17. Juli 1952 wurde der Jazzclub Orpheumwegen Streitereien aufgelöst.

Verschiedene öffentliche Jam Sessions im an-schliessenden Herbst, u.a. auf der Bühne desUsterhofes, führte zur Gründung der RiversideJazzband. Eine schöne Zeit mit einigen erfolgrei-chen Auftritten endete dann leider mit derEinberufung von Charlie und Walter in dieRekrutenschule. Am Schluss ihres Erinnerungs-folders schreiben sie: «Aus persönlichen undberuflichen Gründen verloren wir uns Mitte derFünfzigerjahre aus den Augen und kamen erstmit dem Revival des Jazzclub Uster anfangs derAchzigerjahre wieder zusammen. Seither könnenwir bei vielen Plattenabenden und Live-Anlässenunserem gemeinsamen Hobby weiter frönen».

Die Gründerzeit des Jazz-clubs Uster (1963–1985)

Eine Gruppe junger Jazzenthusiasten bescherteUster mit dem Jazzclub Orpheum in den frühenFünfzigerjahren eine kurzlebige kulturelleRespektabilität, die bis in die Metropole Zürich –und zurück – ausstrahlte. Danach «privatisier-ten» sich die Jazzaktivitäten im OberländerStadtdorf wieder für ein Jahrzehnt.

Unterschlupf fanden einige junge Ustermer imHaus von Baumeister Heinrich Schlumpf, woJunior Fernand den Keller in ein kleines, aberinspirierendes Probe- und Jamlokal umfunktio-nierte. Auch andernorts in der Umgebung be-gannen die Jazzgärtlein zu blühen – dergestalt,dass mit Hilfe auswärtigen Zuzugs schon baldeine veritable Swing-Bigband entstand, die sichmit ansehnlichen Leistungen in die begehrtenJahreswettbewerbe des Zürcher Amateur Jazz-festivals einmischte.

In Uster selbst strebte Fernand Schlumpf mitLehrlingskollegen ein eigenes kleines Festival inForm eines Jazzband Balls an. Man schrieb dasJahr 1963 – ein Schlüsseljahr für den Jazz inUster und ebenso wie für die Weltgeschichte.Rassenunruhen erschütterten die USA, Jazzgrös-sen übersiedelten nach Europa. Die Ermordungvon Martin Luther King und John F. Kennedybildete die grösste Tragödie eines tristen Ameri-kajahrs. Hierzulande herrschten kleinere Sorgen.Für den Ustermer Stadthof-Event At the Jazz-band Ball vom 25. Mai sagten den Jungorgani-satoren acht Formationen aus dem Oberland,aus Zürich und aus dem Glarnerland ihre Teil-nahme zu. Das muntere Happening wäre freilichbeinahe in die Binsen gegangen, denn die ört-liche Polizei wollte ihr Plazet zur Verlängerungbis morgens um zwei Uhr nur geben, wenn einVerein für die Veranstaltung haften würde.

Mitgliederausweisdes «JazzclubsOrpheum» mitAutogrammen vonBill Coleman undseinen Musikernund Notizen vonCharlie Hunziker.

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«On Green Dolphin»

Das war die Geburtsstunde des Jazzclubs Uster.Am 8. Mai 1963 wurde er «aus organisatori-schen Gründen» als Verein aus der Taufe geho-ben. Es entstanden provisorische Statuten undeine erste Leitung, die sich im September 1964der regionalen Vorentscheidung für das ZürcherJazzfestival widmete. Zwei Monate später führ-ten neun Anwesende eine erste JCU-Orientie-rungsversammlung durch und konstatiertengemäss Protokoll, «dass bei den Amateur-Jazz-musikern und Jazzfreunden in und um Usterlebhaftes Interesse für den Ausbau dieses Klubsvorhanden sei». Man überarbeitete die Statutenund bildete einen Vorstand, der schon nachkurzer Zeit runderneuert wurde. Als Prioritätengalten die Ausarbeitung eines Jahresprogramms,die Suche nach einem geeigneten Kellerlokalund Finanzfragen.

Die Stilllegung des Gaswerks Uster bahnte demJazzclub den Weg zur ersehnten Lokalität, diesich dank Fronarbeitern und Gönnern vom altenKohlenkeller in das Jazzmekka «On GreenDolphin» verwandelte. Im Juni wurde offizielleröffnet. Der Anzeiger von Uster war entzückt:«Alles ist hier improvisiert, aber gekonnt impro-visiert worden», schwärmte das Lokalblatt. Undauch der Zürcher Oberländer geizte nicht mitLob: «Der von den Klubmitgliedern selbst ge-staltete Raum präsentiert sich äusserst reizvoll.»Das dem Ustermer Zeitungsmenschen vorge-setzte Wechselbad mit einem Modern-Jazz-Triound einer Altstil-Jam-Band liess ihn zumKonzertkritiker werden: «Da der alte Stil imallgemeinen leichter verständliche Harmonienaufweist, brachte die Band rasch eine Hochstim-mung zustande, welche wieder die Vorausset-zung schaffte, um den komplizierteren Tonfolgender Modern-Jazz-Formation zuzuhören.» Auch1966 fanden ein Jazzband-Ball und Jazzfestival-Ausmarchungen statt, zudem sorgte der JazzEnde Januar für ein Konzert im Kino Central.

Aus den Ranglisten des Jazzfestivals Zürich indiesen Jahren sind Preisträger im 1. Rang ausden Reihen der Ustermer Jazzszene zu finden,wie: Urs Batt, Robert Rüdisühli, Harry vonArburg, Melch Däniker, René Scholl.

Im Klubkeller allerdings lief nicht alles rund.Mit der Solidarität und Kollegialität im Vorstandhaperte es. Anstelle von Fernand Schlumpf, derdas Klubpräsidium aus Zeitgründen abgab, legtesich Mike Müller in die Riemen. Man beschloss,statt jeden Samstag nur noch alle 14 Tage einLive-Konzert zu veranstalten. Im Januar 1967,wurde das «Delphinarium» vorübergehend ge-schlossen. Der Konzertbesuch war mangelhaft,die Atmosphäre oft blamabel, und zu Symbol-gagen liessen sich kaum mehr Bands finden.

In dieser misslichen Lage beschloss der JazzclubUster, sich neu zu erfinden. Er schrieb die «sehr

geehrten Jazzfreunde» an und argumentierte so:«Dass in Uster seit eineinhalb Jahren ein Jazzclubbestand, ist Ihnen sicher auch schon zu Ohrengekommen. Irgendetwas muss Ihnen aber darannicht gefallen haben, denn sonst wären Sie sicherMitglied geworden». Auch der Vorstand sah mitder Zeit, dass sich der Klub immer mehr vonseiner ursprünglichen Zielsetzung entfernte undso keinen Bestand haben konnte, darum löste erihn Ende Januar auf. In der Hoffnung, bessereLösungen gefunden zu haben, wurde dann nocheinmal von vorn begonnen. Am Samstag, den 18. März 1967, eröffnete der neue Jazzclub imJazzkeller On Green Dolphin mit dem Peter Niede-rer Trio (organ, bass, drums). Geplant warenKonzerte an jedem ersten Samstag des Monatesund zusätzlich jeden Monat an einem Freitag.

Der neue Schub wurde wirksam. Einige dieserVeranstaltungen sprengten den Durchschnitt beiWeitem. Neben helvetischer Jazzprominenzfanden auch zunehmend internationale Grössenden Weg ins Ustermer Gaswerk: die TrompeterBenny Bailey und Carmell Jones beispielsweise,Saxofonist Booker Ervin, Bassist Peter Kowald,Drummer Mani Neumeier. Das erregte nicht nurdie Aufmerksamkeit von Kulturpäpsten in derStadt Zürich, sondern auch eine gewisse Eifer-sucht, da Ende der Sechzigerjahre ein Jazz-Ladennach dem andern in Limmat-Town einging odersich im Zeichen der Beatlemania zum Rock- undPoptempel mauserte.

Diesem Trend konnte sich auch der Jazzclub Usternicht ganz entziehen. Zudem verdüsterte sich dieStandortsituation: Weil die Stadt Uster die Um-gestaltung des Gaswerkareals plante, beschlossder Club im Juli 1968, zwar bestehen zu bleiben,aber im Keller nur noch Konzerte zu veranstalten,«wenn persönliche Einladungen verschickt wer-den». Im Herbst 1969 fiel Green Dolphin derAbrissbirne zum Opfer.

Auf Wanderschaft

Um seine Heimat gebracht, genehmigte sich derJazzclub Uster einen verlängerten Winterschlaf.Dann profitierte der Jazz plötzlich von der Urbani-sierungswelle im Zentrum von Uster: Im 1972 ge-bauten Einkaufszentrum Uschter 77 – genauer:im Dancing Funny Hell – konnte der Club ab 8. Oktober 1973 wieder Konzerte organisieren.

Immerhin: Auch in der «Lustigen Hölle» gab esregelmässig anspruchsvolle Konzerte mit nationalbekannten Jazzgrössen wie Fernando Vincenziooder Fernand Fantini und Live-Highlights – etwamit den grandiosen amerikanischen PianistenTeddy Wilson und Sir Charles Thompson. DerPublikumszuspruch aber blieb, trotz Geschmacks-konzessionen und zahlreichen Gönnerinseraten,durchwegs unbeständig. Das verunsicherte denVorstand und bewog ihn, zu einem Diskussions-abend einzuladen, um den Markt zu erkunden.

Über das eindeutige Votum gab es im Juli 1975nichts zu diskutieren: Am Montagabend herrschte im Funny Hell Weltuntergangsstim-mung. Grund: Zum angesagten Diskussions-abend über die Zukunft des Clubs erschien –niemand. Das bedeutete, dass das Publikum aneinem stärkeren Engagement gar nicht interes-siert war, also bloss kam, um zu konsumieren.

Der Anzeiger von Uster zitierte das Vorstands-mitglied Melch Däniker so: «Wir werden in der nächsten Zeit zwar nicht mehr regelmässigKonzerte durchführen, aber hie und da etwasmachen, und dafür etwas wirklich Gutes, dasauch uns interessiert.Wir gehen einfach wiederin den Underground – und wenn wir wiedereinmal meinen, dass sich regelmässig etwasmachen lässt, sind wir schon wieder so dummund beginnen von Neuem ... ».

Die zweite Hälfte der Siebzigerjahre liess derJazzclub als Denkpause zerrinnen. Ab 1981 stell-te er sich der angekündigten «Dummheit» undorganisierte wieder etliche Konzerte, vorzugs-weise im Stadthof. 1983 beteiligte er sich erfolg-reich am Ustermer Stadtfest, drei weitere erinne-rungswürdige Stadtfest-Teilnahmen folgten. Fürdie Kenner und Geniesser organisierte der Clubdie Konzertreihe Jazz i de Villa in der Villa amAabach. Gutes Gehör fanden Spezialkonzertewie Spass mit dem Bass: das Lokal Trio mit 3Bassisten, K.T. Geier, Vincenz Kummer und PeterFrei. Der international bereits bekannte Schlag-zeuger Jojo Mayer oder das Jazz Live Trio mitJohn Voirol oder Benny Bailey waren ebenso imProgramm.

Im Reisegepäck führte der Club auch einenSorgenkratten mit. Hausintern machte man sich«Gedanken zur Erneuerung des Jazzclubs»: DerVorstand sei neu zu organisieren. Auch dieseKrise wurde überwunden – und wie! 1985 konn-te der Club an die Asylstrasse 10 in Uster über-siedeln und im so genannten Jazz-Containerendgültig sesshaft werden. Die nationale undinternationale Ausstrahlung folgte auf dem Fuss,und etwas später fand dort auch das swissjazz-orama (Schweizer Jazzarchiv) ein Zuhause.

Der Jazzclub Uster im Hoch –die «Generation Mike»(1986–2003)Jour fixe im «Sofaclub». Mike Müller und seineCrew holten Jazzer aus aller Welt in den neuen«Container» an der Asylstrasse. Ein Rückblick auf rosige Zeiten.

Mitte der Achzigerjahre des letzten Jahrhundertslegte die Jazzgeschichte eine kurze Pause ein.Dies- und jenseits des Atlantiks fielen die Szenenin eine Art Luxusstarre: Man hatte bewegte undmithin kreative Zeiten hinter sich, hatte vieleserschaffen und erreicht. Die musikalische Vielfaltinnerhalb jenes Kosmos, der sich Jazz nennt, warniemals grösser gewesen. Doch die Jagdgründewaren gleichsam abgesteckt, und noch warunklar, wohin es gehen sollte.

Eine phänomenale Zeit in dem Sinn, dass dasAngebot zwar riesig war, die Nachfrage aberabnahm. Das Publikum war übersättigt. EinPhänomen übrigens nicht nur des Jazz, weshalbsich Mitte der Neunzigerjahre dann Musikschaf-fende verschiedener Stile zusammenfanden, umgemeinsam nach neuen Ausdrucksmitteln zusuchen. Im Stilmix fanden sie ein buchstäblichgrenzenloses Neuland, das bis heute noch langenicht erschlossen ist.

Damals aber, in den schlierig-trägen Achtziger-jahren, war Siesta angesagt. Auch hierzulande.Zürich etwa, wo in den Jahrzehnten zuvor der

Eröffnung desersten Clublokalsdes Jazzclub Usterim Juni 1963 mit dem Peter Niederer Trio:Peter Nipkow, bPeter Niederer, pJürg Völlmin, g

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Jazz schneidig durch die Gassen und Clubsgefegt war, schlief einen veritablen Dornröschen-schlaf. Clubs und Bühnen gab es lediglich für dieHartgesottenen, die Freaks, die Freunde desExperiments. Diese pilgerten in die WIM oder dieRote Fabrik, wo die internationale Avantgardegastierte. Und die anderen? Jene Jazz-Afficiona-dos, die mit Free und Noise wenig anzufangenwussten? Die im Modernjazz, im Postbop undanderen hochentwickelten Bereichen noch Auf-regendes entdecken konnten? Sie kamen – vonweit her – nach Uster! Woche für Woche und mitdem Wissen, hier hochkarätigen Jazz anzutreffenmit den Top Cats aus aller Welt. Sie hatten ihren«jour fixe» im Ustermer «Sofaclub».

1986 hatte sich Fernand Schlumpf für eine Erho-lungspause entschlossen. Nach 22 Jahren gabder Gründungspräsident des Jazzclub Uster dieGeschicke an Mike Müller weiter, der sich mitElan und einem grossen Umfeld von begeister-ten Helfenden an die Arbeit machte. Es war einePhase des Neubeginns: 1985 war der neueClubraum an der Asylstrasse bezogen worden.Den nüchternen Saal hatte man mit ringsherumaufgetriebenem Mobiliar bestückt: Auf demharten, kalten Boden lagen flauschige Teppiche,als Konzertbestuhlung standen alte Sofas undweiche Sessel bereit, zwischendurch fanden sichCouchtische für die Getränke. Mit dieser herrlichwohnlichen Grossstube waren nicht nur dieClubverantwortlichen zufrieden. Seit dem Umzugströmte das Publikum begeistert und zahlreichherbei. Und in Musikerkreisen empfahl man sichden «Couchclub» wärmstens für Gigs. Bis in denNew Yorker Underground reichte der Ruf desUstermer «Container», wie das Lokal nun offi-ziell hiess. Diese Situation, gepaart mit demUmstand, dass mit Mike Müller ein umtriebiger,leutseliger und gewiefter Macher am Ruderstand, führte dazu, dass in den folgenden zehnJahren das «Who is Who» des aktuellen Jazz-schaffens in Uster spielte. Aus dem Inlandausnahmslos alle – von Bruno Spoerri und AlexBally über Irène Schweizer und Hans Kennel bisJojo Mayer und Sylvie Courvoisier. Mike Müllerwusste die entstehenden Kontakte zu einemNetzwerk zu knüpfen, das wuchs und wuchs. Sokammen auch die grossen Namen nach Uster:Arthur Blythe und Benny Golson, die beidenChicos – Freeman und Hamilton –, RandyBrecker, Jack Walrath, Antonio Hart. Und nichtzuletzt die Heroen der Jazzgeschichte: NatAdderly, Horace Parlan, Lee Konitz, Paul Motian,Tom Harrell. Die Liste ist noch weitaus längerund beeindruckender.

Mike Müller und seiner Programmgruppe ging esaber nie um reines name dropping. Sie folgteneinem einfachen Credo: «Wir wollten dem Publi-kum immer Vergnügen bereiten, niemals beleh-rend wirken», sagt Mike Müller. «Doch mir ging

es schon auch darum zu zeigen, dass Jazz weitmehr ist als Dixieland.» Das ist Müller gelungen.Er holte Musiker nach Uster, die aus allen Eckender Welt kamen und Musik unterschiedlichsterArt und Schattierung boten. Damit hat der Jazz-club Uster selbst Jazzgeschichte geschrieben, dieweit über Uster hinaus wahrgenommen wurde.Am dankbarsten war das Publikum. Die wö-chentlichen Konzerte im «Container» warenstets gut gefüllt bis ausverkauft. Höchst erfreu-lich, dass in den Sofas damals nicht nur alteHerren sassen, sondern auch junge, interessierteLeute. Und es ist bekannt, dass einzelne voneinem Virus gepackt wurden, das sie bis heutenicht loslässt. Sie sind Musiker geworden …

Das Echo erreichte sogar die Politik. Im Novem-ber 1995 konnte Mike Müller als Präsident desJazzclubs Uster den Kulturpreis der Stadt Usterentgegennehmen. 2003 übergab er die Leitungdes Klubs an Stephan Häsler.

«Sein» Jazzclub-Jahrzehnt hat Mike Müller aufspezielle Art verarbeitet. Als Profifotograf hatteer alle Konzerte dokumentiert. Aus Tausendenvon Aufnahmen stellte er eine Auswahl zusam-men, die 2008 als Buch erschien.

Mike Müller – Ausschnitte aus einem Leben mitJazz dokumentiert das bisher goldenste Jahr-zehnt des Jazzclubs Uster.

Jazzclub Uster heute – die «Ära Häsler» (2003–2013)

Seit gut zehn Jahren ist Stephan Häsler Präsidentdes Jazzclubs Uster. Ein Gespräch über Entwick-lungen, Probleme und Perspektiven.

Lokalpolitiker bezeichnen Uster gerne alsKultur-, ja sogar als Jazzstadt. Trifft dies zu?Stephan Häsler: Uster war einmal eine Jazzstadt,ist es heute aber nicht mehr.

Weshalb? Es gibt verschiedene Ursachen. Zumeinen hat sich Uster verändert, die Rolle desMusikcontainers ohnehin. Aber auch der Jazz-begriff ist ein anderer als vor 20 Jahren.

Inwiefern? Junge Leute finden Jazz nicht mehr «geil».

In Zürich sind die Clubs aber voll und dasPublikum erfreulich gemischt. Jazz ist zueinem urbanen Vergnügen geworden. In meinerZeit als «Moods»-Manager habe ich dieseEntwicklung eindrücklich miterlebt. Umgekehrtist das Interesse des ländlichen Publikums anzeitgenössischem Jazzschaffen gesunken.

Als der Jazzclub Uster seine goldenen Jahrefeierte, war in Zürich in Sachen Jazz toteHose. Genau. Zudem war damals rund um Mike

Müller eine Generation voller Leidenschaft amWerk.

Und dir fehlt diese Leidenschaft? Nein, aberich fühle mich zuweilen etwas alleine. Damalswar das eine familiäre Clique, die aus dem Vollenschöpfen konnte und sich ihres Publikums sicherwar. Abgesehen von den äusseren Veränderun-gen wie dem neuerlichen Jazzboom in Zürich hatsich der Jazzclub auch in seinem Inneren verän-dert. Die «Mike-Generation» ist älter geworden,das Publikum bleibt heute eher zu Hause.Kürzlich spielte die Donny McCaslin Group vorknapp 20 Personen im «Container». Ich fürchte,die Ustermerinnen und Ustermer nehmen das «Jazz in Uster»-Programm gar nicht (mehr) richtig wahr.

Was nicht nur am Jazz liegt. Stimmt, Uster istallgemein verschlafener geworden. Aber dieNeugierde auf aktuelle Musik hat deutlich abge-nommen. In meinen Anfängen konnte ich eineunbekannte Band aus der Romandie buchen undhatte über 30 interessierte Zuhörer im Container.Wenn ich heute junge Musiker buche, bin ichdarauf angewiesen, dass diese die Hälfte desPublikums selbst generieren.

Was sie gerne tun. Ich weiss, dass SchweizerBands gerne in Uster spielen. Ja, wir habenviele Anfragen. Leider spielen junge Bands abernicht immer publikumswirksam. Vielen fehlt dieLive-Kompetenz. Gerade diese ist heute aberenorm wichtig. Gute Musik alleine reicht nichtmehr, um den Container zu füllen. Es muss einattraktives Drumherum geboten werden.

Ein «Event»? Genau, wobei ich das gar nichtnegativ sehe. Warum nicht Rahmenbedingungenschaffen, die es den Leuten leichter machen, zuunseren Konzerten zu kommen?

Ist denn der Jazzclub an den «Container»gebunden? Eigentlich nicht. Und ehrlich gesagtist es ermüdend, das Publikum stets anlocken zumüssen. Ich würde mit unseren Konzerten lieberzu den Leuten gehen.

Wie meinst du das? Dass wir beispielsweise imSommer Konzerte am Greifensee veranstalten.

Was waren die Höhepunkte deiner bisheri-gen Jahre als Präsident des JCU? Ich hattestets Freude, wenn sich Musiker wohl fühlten.An konzertanten Highlights sind mir die Konzertevon Kaspar Ewald oder Iiro Rantala im letztenFrühling in bester Erinnerung. Das waren musi-kalisch hochstehende Konzerte vor vollem Haus.

Wie schafft ihr es, grosse Namen nach Usterzu holen und die Stadtzürcher Konkurrenzauszustechen? Diese beiden Konzerte warenAusnahmen. Ewald war gekoppelt an eineGeburtstagsfeier. Der Jubilar hatte das Orchestereingeladen und einen Grossteil des Publikumsgebracht. Und Rantala war ein Überraschungs-konzert, was – überraschenderweise für uns! –200 Leute angezogen hat. Ansonsten gilt:Wirzahlen gute Gagen. Zudem kommen Musikergerne zurück, weil sie die persönliche Betreuungschätzen. Das ist in der Grossstadt ganz anders.

Diese Beiträge wurden in einer Publikation zum 50-Jahr-Jubiläum des Jazzclubs Uster veröffentlichtund können dort in voller Länge gelesen werden,auch das Interview mit Stephan Häsler.Für den Jazzletter wurden die Beiträge gekürzt und redaktionell überarbeitet.Die Autoren der Originalartikel sind:Jimmy T. Schmid «Die Vorgeschichte».René Bondt «Die Gründerzeit».Frank von Niederhäusern «Der Jazzclub Uster im Hoch» und «Der Jazzclub Uster heute».

Peter Candiotto,1987 Benny Bailey

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NEU IM VORSTAND DES SJO

Samuel Mumenthaler *1961, ist von Haus aus ein Rocker, er sass etwafür die Berner Bands Züri West oder Phon Rollhinter dem Schlagzeug. Doch dass der Jazz einsteine Spur zu «verbildet» schien, hat Sam, derheute hauptberuflich im Bundesamf für Kommu-nikation arbeitet und dort mit rechtlichen Fragenrund um die elektronischen Medien beschäftigtist, längst vergessen. Seit er sich intensiv mit derGeschichte der Popkultur in der Schweiz befasst,ist ihm bewusst geworden, wie wichtig der Jazzfür die Entwicklung der Populärkultur in derSchweiz war und immer noch ist. Sam Mumen-thaler ist ein leidenschaftlicher Archivar vonallem, was mit der Geschichte der Populärkulturin der Schweiz zu tun hat – so wurde auch seinInteresse für das swissjazzorama geweckt. Ineiner Publikation über die 1950er-Jahre in derSchweiz hat er – neben der damals boomendenSchlagermusik und dem noch zaghaft aufkei-menden Rock'n'Roll – auch die Rolle der Jazz-musiker gewürdigt, die damals den Soundtrackzum Ausstieg aus der inneren Enge und demLandigeist lieferten. Im Vorstand des swissjazz-orama will sich Sam vorallem für eine besonderePflege der Helvetica* einsetzen. Als Vorstands-mitglied des für die Erhaltung des audiovisuellenKulturguts engagierten Vereins Memoriav ist er auch ein überzeugter Anhänger des Netzwerk-gedankens. Stilschubladen und Scheuklappendagegen sind ihm fremd.

*Helvetica: Gemeint ist in diesem ZusammenhangJazz mit Bezug zur Schweiz. (Red.)

Hans Peter Künzle*1951, Kontrabass / E-Bass.Aufgewachsen in Wangen bei Dübendorf.Studium an der Swiss Jazz School (Hochschuleder Künste Bern) mit Diplomabschluss.Klassisches Kontrabass-Studium bei ProfessorYoan Goilav am Konservatorium Winterthur.Studienaufenthalt im Rhythmsection Lab in New York.

Hans Peter hat im Kindergartenalter mit Akkor-deon angefangen, wechselte mit 13 auf den E-Bass und hatte mit 15 erste Auftritte mit Rockund Blues Gruppen.

Musikstudium auf dem Kontrabass.Ab 1976 als professioneller Musiker tätig.Mitwirkung in verschiedenen Rock-, Jazzrock-,Latin- und Jazzbands (Kjol, Ursi Baur Band, OJO,Remo Rau Trio, Mano, Christine Jaccard,Steffen-Althaus Quartet, Marianne Racine,Frets & Haeds, Gabriela Tanner u.a.).Als Freelancer spielte er in unzähligen Bands und mit sehr vielen Musikern aus der SchweizerJazzszene. Ab 1999 Reduktion der Konzert-tätigkeit zugunsten der Leitung der Jazzschule im Hochschulkontext. Aktuelle Bands: LimelightQuartet, Trio Schmid/Burger /Künzle und diverseAd hoc-Gruppen.

Lehrtätigkeit: E-Bass- und Kontrabass-Lehrer an der Jugendmusikschule Zürich.Bis 1997 E-Bass- und Kontrabass-Dozent an der Jazzschule Zürich und an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).1987–1999 Leiter der Jazzschule Zürich.Seit 1999 Leiter der Studiengänge Jazz an der ZHdK.

Diskografie:– City of Glass (Steffen-Althaus Quartet)– In Between (Steffen-Althaus Quartet)

Weiterbildung der Tonträger-Archivcrewdes swissjazzorama:

Die ehrenamtlichen Crew-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich für die Eintragung von 78er-Schellack-Tonträgern von der National-phonothek Lugano instruieren lassen.

Es galt, die Neuerungen bei den Erfassungen zulernen und die genauen Details beim Erfassen von Tonträgern zu automatisieren.

Bekanntlich werden alle im Archiv neu eingetrof-fenen 78er-Schellack-Platten in den Katalog derNationalphonothek eingetragen. Die Benützer desKataloges gelangen über einen direkten Link aufunserer Webseite direkt zum Katalog der Natio-nalphonothek.

Die Originalplatten werden in den gekühltenentfeuchteten Archivräumen in Lugano aufbe-wahrt, teilweise digitalisiert, so dass sie auf denHörstationen, die in der Schweiz verteilt sind,angehört werden können. Eine solche Stationsteht im swissjazzorama.

Alle 78-er-Tonträger mit Bezug zur Schweiz (sog.Helveticas) werden einzeln im Hauptkatalogerfasst, damit sie vollständig registriert sind undauch digitalisiert werden können.

Somit arbeiten die Nationalphonothek und dasswissjazzorama gemeinsam an der Katalogi-sierung von Schweizer 78-er-Tonträgern im Jazz-bereich zusammen. Fernand Schlumpf

Viel zu diskutieren gab es auch beim gemein-samen Mitagessen.

BLICK INS ARCHIV

– Buried Treasures (Racine-Steffen Group)– Wasi Rhythms ((Cheikh Tidiane Niane)– The Flute Maker (Reshad Feild)– Remo Rau Universal Jazz– Limelight Quartet

Abschied von Edi KellerMit grosser Betroffenheit mussten wir verneh-men, dass unser langjähriges VorstandsmitgliedEduard Keller am 27. Oktober verstorben ist.Am 29. Mai des nächsten Jahres wäre er siebzigJahre alt geworden.

Der Schweizer Jazz hat Edi viel zu verdanken:Der Elektroingenieur und Informatiker ausDöttingen AG war schon 1988 dabei, als derunvergessliche Jazzpromoter Otto Flückiger miteinigen Freunden unsere VorläuferorganisationPro Jazz Schweiz gründete.Während vieler Jahreprofitierte auch das swissjazzorama von Edisausserordentlichem Engagement. Seine Leistun-gen als Gründer und Leiter des Badener Verlags-

und Versandhauses Jazztime waren beträchtlich,nicht nur in der Herausgabe des Monats-Perio-dikums Jazztime, sondern auch beim Anbietenvon Jazz-CDs. Sein Sortiment galt lange Zeit alsdas grösste von Europa. Er liebte vor allem denNew Orleans Jazz. Doch standen seine Publika-tionen immer auch allen anderen Stilrichtungenvon Jazz und Blues offen.

Seine enge Freundschaft mit dem bekanntenDixieland-Klarinettisten Sammy Rimington, fürden er viele Konzerttourneen organisierte, wirktesich immer wieder stimulierend auf Edis vielsei-tige Jazzaktivitäten aus. Mit seinem sympathi-schen Wesen, seiner Vitalität und seinem Opti-mismus wird er uns in steter Erinnerung bleiben.

J.T.S

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Der Jazzletter erscheint 2–3 x jährlichRedaktion: Jimmy T. Schmid (J.T.S.) Layout: Walter Abry (WA)Copyright: swissjazzorama.chIm Werk 8, 8610 Uster Tel. ++41(0)44 940 19 [email protected], www.jazzorama.ch

Contact pour la Suisse romande: Christian SteuletTél. 022 786 75 38, [email protected] per la Svizzera italiana: Nicolas GillietTel. 079 428 97 65, [email protected]

Mitarbeiter dieser Nummer: René Bondt,Konrad Korsunski, Mike Müller, Klaus Naegeli,Frank von Niederhäusern, Fernand Schlumpf,Jimmy T. Schmid,Walter Abry, Irène Spieler

IMPRESSUM

Paul Kuhn12.3.1928 – 23.9.2013

Der «Mann am Klavier», wie Paul Kuhn imShowgeschäft wegen seines populären Hits oftgenannt wurde, kam am 12. März 1928 in Wiesbaden zur Welt. Als er sechs Jahre alt war,schenkte ihm sein Onkel ein Akkordeon. Das warsein erstes Instrument, zu dem er auch später hinund wieder gegriffen hat. Mit zehn Jahren wech-selte er zum Klavier und übte fleissig Stücke derKlassiker. Doch schon damals, am Konservato-rium Wiesbaden, war er vom Jazz fasziniert, derwährend der Nazizeit in Deutschland leider ver-boten war. Nach dem Kriege stand für ihn fest,dass er Jazzmusiker werden wollte.

Eine erste eigene Band gründete er Ende derVierzigerjahre. Alle Standards von Gershwin,Cole Porter, Jerome Kern u.a., die er auch späterso gerne sang, kannte er schon damals aus demEffeff. Als er einsah, dass nur mit Jazz seineVerdienstmöglichkeiten beschränkt waren, nutzteer seine angegeborenen Fähigkeiten als Show-man, komponierte Hits und Musik für Filme undtrat als TV-Entertainer und Schauspieler auf.Ab 1968 leitete er die SFB-Bigband. Das war erst-klassiger Bigbandjazz mit hochkarätigen Solistenwie dem Trompeter Carmell Jones und dem Pia-nisten Eugen Cicero u.a.m. Doch 1980 war diegoldene Zeit der Fernseh-Bigbands vorbei. DasKuhnsche Orchester wurde aufgelöst. Zusammenmit der Aufkündigung eines Plattenvertrages mit EMI-Electrola eine herbe Enttäuschung.

Pauls Liebe zum Swingjazz obsiegte. Er spieltenun hauptsächlich mit einem Trio, oft mit derSängerin Greetje Kauffeld. «Nun kann ich swin-gen, wie ich will». So kommentierte er seineneue Richtung.

Seine letzten Jahre lebte Paul Kuhn auf der Lenzerheide in der Schweiz. Während eines Kur-aufenthaltes starb er mit 85 Jahren im hessi-schen Bad Wildungen.

IN MEMORIAM

Willy Schmid29.8.1928 – 11.10.2013

Mit Willy Schmid ist das letzte Mitglied des inden Vierziger- und Fünfzigerjahren berühmtenGesangstrios Geschwister Schmid verstorben.

Die Geschwister Schmid,Willy, Klärli und Werner,aus Hägglingen im Kanton Aargau, waren Starsder Schweizer Unterhaltungsmusik. Das ersteerfolgreiche Engagement kam 1940 während desZweiten Weltkrieges mit dem Film «S Margritliund d Soldate», in dem der berühmte TeddyStauffer und sein Orchester spielte. Die Schmidsmachten den Titelsong zu einem grossen Hit.Auch später hatten sie in Zusammenarbeit mitdem Komponisten Artur Beul einige Grosser-folge; eine Tournee in den USA in den Fünfziger-jahren brachte sogar Auftritte im Fernsehen.Nach ihrer Rückkehr aus Amerika Mitte 1961ver-abschiedete sich das Trio von seinem Publikum.

Zuerst versuchte sich Willy als Schlagersänger,jedoch ohne Erfolg. Nun widmete er sich voll undganz als Musiker der Leitung der «Kindli-Band»im Restaurant «Kindli» in Zürich, das bereits1950 sein Bruder Joe übernommen hatte. Die«Kindli-Band» war ein kleines Allround-Orches-ter, das Willy Schmid, dem ausgezeichneten, klas-sisch geschulten Klarinettisten, nur wenig Gele-genheit bot, seine Jazzqualitäten zu zeigen.WerWilly zum Beispiel zusammen mit Hazy Oster-wald auf gelegentlichen Sessions hörte, derweiss, zu welch inspirierten Höhenflügen imreinen Goodmanstil er fähig war. Der Jazz warfür ihn «die wahre Musik». Er starb am 11. Okto-ber 2013 in Küsnacht ZH.

Rolf CizmekSchweizer Bassist 7.9.1936 – 17.7.2013Einer der vielen Jazzmusiker, die mit dem Akkor-deon begannen. Lieferte über Jahrzehnte hinwegals Bassist die sichere rhythmische Basis fürWerner «Wieni»» Kellers «Tremble Kids».

Geoffrey KenworthySchlagzeuger, Vibrafonist26.2.1929 – 17.7.2013Der in London geborene Musiker war ein stilis-tisch vielseitiger Drummer. Er wechselte in denSechzigerjahren zum Vibrafon. Sein Hampton-inspiriertes Spiel wurde von vielen SchweizerMusikern hochgeschätzt.

Konrad «Kliko» KlingelfussSchweizer Schlagzeuger3.10.1943 – 7.8.2013Einer der ganz wenigen Drummer, die sichbemühten, einen reinen New Orleans-Schlag-zeugstil zu spielen.War oft mit Sammy Riming-ton auf Konzerttourneen in der Schweiz.

Boris MerssonSchweizer Pianist6.10.1921– 13.11.2013War ein geachteter Zürcher Konzertpianist, derauch hin und wieder Jazz als Tanzmusik spielte.Als Komponist schrieb er Stücke, die stark vomJazz beeinflusst waren.

George DukeUS-amerikanischer Keyborder12.1.1946 – 5.8.2013Der amerikanische Keyborder spielte zwischenJazz und Rock über Stilgrenzen hinweg.War sehr erfolgreich mit Frank Zappas Band«Mothers of Invention».

Chico Hamilton US-amerikanischer Schlagzeuger21.9.1921– 25.11.2013Hervorragender Brushbeatdrummer der West-coast-Szene. Gründer und Leiter eines Quintetts;ob lyrische Balladen oder schnelle Bebopthemen,das war Smallbandjazz vom Feinsten.

Marian McPartlandUS-amerikanische Pianistin20.3.1918 – 20.8.2013Spielte nach einer klassischen Ausbildung Dixie-land mit ihrem Mann, dem Trompeter JimmyMcPartland. Hatte später grosse Erfolge mit eigenem Trio.

Frank WessUS-amerikanischer Alto- / Tenorsaxofonist, Flötist4.1.1922 – 30.10.2013Einer der grossen Saxofonisten des Jazz. Wurdehauptsächlich bekannt durch sein Mitwirken im Count Basie-Orchester, zusammen mit dem «anderen Frank», dem TenorsaxofonistenFrank Foster.